1875 / 296 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 16 Dec 1875 18:00:01 GMT) scan diff

Hölder und Dr. Lucius (Erfurt) an. Wiewohl ungern, stimmten den Kommisfionsvorschlägen do bei die Abgg. Grumbrecht und Richter (Hagen), während die Abgg. Frhr. v. Malgzahn- Gülz und Baron v. Minnigerode für die Regierungs- vorlage sprahen; leßterer aus Rücksiht für die be- drängte Eisenindustrie, einer Ausführung, welher der Abg. v. Bennigsen entgegentrat. Nachdem der Referent erklärt hatte, gerade mit Rücksicht auf die Eisenindustrie habe man von einem Antrag, die Forderungen für zwei Panzerkanonenboote über den Flottengründungsplan hinaus abzulehnen, abgesehen, wurde der Antrag der Komm'ssion gegen die Stimmen der Konservativen angenommen.

Damit war der Marine-Etat nah den Beschlüssen der Budgetkommisfion in zweiter Berathung genehmigt.

Schluß 47 Uhr.

In der heutigen (29.) Sizung des Deutschen Reih s- tages, welcher am Tische des Bundesraths der Präsident des Reichskanzler-Amts Staats-Minister Dr. Delvrück, der Staats- Minister von Kameke, der General-Major von Voigts-Rheyß und der General-Major Fries mit mehreren Kommissarien beiwohnten, wurde in erster und zweiter Berathung der Gesetßentwurf, betreffend die Einführung des Gesehes über die Portofreiheiten vom 5. Juni 1869 in Südhessen ohne Debatte genehmigt. Darauf trat das Haus in die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Aufnahme einer Anleihe für Zwecke der Telegraphenverwaltung, auf Grund eines mündlichen Berichtes der Komwission für den Reichshaushaltsetat, welhen der Referent, Abg. Grumbrecht, er- ftattete, ein. Das Geseß wurde ohne Debatte in zweiter Be- rathung angenommen. Es folgte die Fortsezung der zweiten Berathung des Reichshaushaltsetats, zunähst des Militaretals Mur 0s Jaht 1816 (1. Nr e 279 d. Bl)., welhe der Referent der Budget - Kommission Abg. Dr. Wehrenpfennig mit einem Vortrage einleitete, welcher die Vorsciläge der Kommission motivirte und erläuterte. Der Titel: „Verkaufserlös für Grundstücke 4000 4“ if auf den Feslungsbaufonds übertragen worden. Zu Kap. 14 Tit. 1 wurde folgende Resolution angenommen:

„Den Herrn Reichskanzler aufzufordern, künftig den Etat der- art aufzustellen, daß sämmtliche Erläuterungen auf der rechten Seite in den Vorlagen Plaß finden, die linke Seite demnach voll- ständig dem Dispositiv des Etats offen bleibt, derart, daß alle auf dieer Seite enthaltenen Zahlen Gegenstand der Beschluß- fassung sind,“

Der Abg. Frhr. v. Schorlemer-Al|t beantragte bei Kap. 19 die Absezung des Gehalts für cinen Kavallerie-Divisions- Commandeur in Met, und der Abg. Richter (Hagen) \{loß \ich diesem Antrage an, da einem vorübergehendem Bedürfniß durch Abkommandirung eines höheren Offiziers abgeholfen werden könne, während der Abg. Frhr. v. Malzahn-Gülß für die Po- fition \sprach. Der Bundeskommissar General-Major v. Voigts- Rhet erklärte diese Stelle für eine dauernde, doch solle mit der Kreirung derselben, obwohl fie legal \ei, kein Präjudiz für andere Armee - Corps geschaffen werden. Die be- treffende Position wurde bewilligt. Zu dem FKapitel „Gouverneure, Kommandanten uud Platmajore“ wollte der Abg. Hasenclever namentlih die Gouverneurstellen in Ham- burg-Altona und in Frankfurt a. M. gefirihen haben. Von den 94 Stellen für Offiziere in besonderen „Dienststellungen“ beantragte der Abg. Freiherr v. Schorlemer-Al|t eine Stelle mit 16,600 M zu streichen, da der Beweis für ein Bedürfniß in folher Höhe niht erbracht fei, wohingegen der Bundes- kommifsar General-Major v. Voigts-Rhey unter Zustim- mung des Abg. Freiherrn von Maltzahn-Gülß die Ziffer von 94 Stellen für die deutshe Armee für unumgänglih nöthig erflärte. Der Abg. Richter (Hagen) behielt \fich vor, in späteren Jahren auf diese Pofition zurückzukommen. Auf eine Anfrage des Abg. Sombart antwortete der Bundesbevoll- mächtigte Staats - Minister v. Kameke, daß die übri- gen Staaten Norddeutshlands gegen Preußen in Be- zug auf geodätishe Vermefsungen niht zurück seien, worauf sh der Abg. Graf Bethusy-Huc eine weitere Anregung zum gemeinsamen Vorgehen mit dem ganzen Deutschland für den preußishen Landtag vorbehielt. Der Antrag Schorlemer - Alst wurde abgelehnt, und die Position nah der Regierungsvorlage bewilligt. Die Budgetkeomn mission hat die Streihung eines aktiven Landwehr-Brigade- Commandeurs in Berlin, zweier Regiments-Commandeure bei den Landwehr-Bezirks-Kommandos Nr. 38 und 40 und von 48 Bataillons - Commandeuren bei den übrigen Landwehr- Bezirks-Kommandos beantragt, was - vom Referenten Abg. Dr. Wehrenpfennig damit motivirt wurde, daß im Kriegs- falle diese aktiven Offiziere zur Führung von neuen Kriegsformationen verwandt und zum Schaden des grade in solchen Zeiten äußerst wihtigen Ersaßgeschäftes ihren bisherigen Stellen entzogen werden würden. Diese Gründe wurden von dem Abg. Dr. Lucius (Erfurt), welher jedoch den Landwehr- Brigade-Coinmandeur für Berlin bewilligen wollte, und vom Abg. Richter (Hagen) ausführlicher erörtert. Der Bundeskommissar General-Major v. Voigts-Rheß und der Bundesbevollmähtigte Staats-Minister v. Kameke sprachen eingehend für die Positionen der Regierungsvorlage, welche fie von speziell mi‘itärischen und anderen Gesichtspunkten aus motivirten. Nach einer kurzen Er- widerung des Referenten wurden die betreffenden Positionen bei Schluß des Blattes nah den Anträgen der Kommission ab- gelehnt.

Die heutige (19.) Sibßung der außerordentlihen Generalfsynode wurde um 12 Uhr 30 Minuten vom Vor- fißenden, Grafen zu Stolberg-Wernigerode, mit geschäftlihen Mittheilungen eröffnet.

Auf der Tagesordnung stand die zweite Berathung über den Entwurf einer General-Synodalordnung.

In der Generaldiskussion wandte fih der Syncdale Dr. Büchsel (Berlin) zunächst gegen die Schlußbestimmungen, für die er, ohne gegen seine innerste Ueberzeugung zu verstoßen, nicht habe stimmen fönnen. Der Synodale Graf v. Rittberg (Glogau) glaubte, daß die große Minorität, die am Dienstag gegen die Annahme gestimmt, zu diesem Votum durch das un- bestimmte Gefühl geleitet sei, daß die Bestimmungen vom 19. September 1873 zur Zeit noch niht wieder abgeändert wer- den dürften.

Der beantragte Schluß der Generaldiskussion wurde hierauf angenommen.

Die Synode trat nunmehr in die Spezialdiskussion des amendirten Entwurfes.

Der §. 1 wurde mit der Abänderung, daß in Alinea 2 ftatt des Wortes „wird“: „werden“ gesezt wird, angenommen.

Desgleichen wurde §. 2 ohne jede Diskusfion angenommen.

Zu S. 3 fiellte der Synodale Kögel den Antrag, hinter dem Worte des Alinea 1: „vorbehalten“ einzuschalten: „nach

Anhörung der Brandenburgischen Provinzialsynode“. Der Synodale Neumann (Strasburg U. - M.) wünschte im Alinea 2 ftatt „Vertheilung“ „Festseßung“ zu segen und die Worte „nach dem Maßstabe der in ihm vorhandenen evan- gelishen Bevölkerung“ zu streihen. Der Grund zu beiden An- trägen liege in der ungerechten Theilung der Stimmen, die bei einer Ausscheidung Berlins auf diese Stadt und die Provinz Brandenburg fallen würden. Der Synodale Rogge (Potsdam) wandte fih gegen den Antrag Kögel, da die Ausscheidung Ber- lins eine landesfkirchlihe Angelegenheit sei und die Brandenbur- gishe Provinzialsynode fiher eine ablehnende Antwort geben werde. Dagegen erkläre er ih für den Antrag Neumann. (Schluß des Blattes.)

Unter Aufhebung der durch die Ordres vom 25. Februar 1868 resp. 17. Juni 1873 getroffenen Bestimmungen über das Verfahren, welhes bei allen auf den Zustand eines in Dienst gestellten Schiffes 2c. der Kriegsmarine Einfluß übenden Vor- fommnifsen bisher zu beobahten war, haben Se. Majestät der Kaiser und König unterm 23. v. M. neue Bestimmungen über Zweck, Zusammensezung und Funktion der Havarie- oel dae O a E für die Deutsche Kriegsmarine ge- nehmigt.

Es ift in Anregung gekommen, behufs der gegenüber dem fortdauernden Wachsen der Ansprüche und Ausgaben für das höhere Unterrichtswesen wünschenswerthen Erhöhung der eigenen Einnahmen der höheren Unterrichtsanstalten, die Ein - führung eines einheitlihen Shulgeldsaßes von jähr- lih 90 M resp. 100 M für alle Klassen in Ausficht zu neh- men. Der Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten hat die Provinzial - Shulkollegien veranlaßt, diese Angelegenheit nah allen Richtungen hin, namentlih auch unter Berückfichtigung der lokalen Verhältnisse einer eingehenden Prüfung zu unterziehen und darüber zu berichten.

Es sind Zweifel darüber laut geworden, ob die Geist- lihen der evangelischen Landeskirhe zu der in den §8. 10 und 62 der Verordnung über das Verfahren in Ehesahen vom 28. Juni 1844 vorgeschriebenen Abhaltung von Sühne- versuchen bei Ehescheidungen auch in Fällen verpflichtet sind, in welchen die zu trennende Ehe ohne Hinzutritt der kirhlihen Trauung nur bürgerlich ges{chlossen worden war. Die bezüglichen Vorschriften der Verordnung vom 28. Juni 1844 find nah einem Cirkularerlaß des Evangelishen Ober-Kirhenraths bisher nicht aufgehoben worden, und haben dieselben, so lange dies niht geschehen, auch für die bezeichneten Fälle verbindliche Kraft. Die Geistlihen dürfen daher auch in diesen sh ihrer Befolgung nicht entziehen.

Die Erörterung sozialer Fragen, z. B. der Ver- besserung der Lage der Arbeiter im Allgemeinen, der Lohnfrage, ist politisher Natur, und ein Verein, der die Erörterung der- artiger Fragen bezweckt, als politischer zu erahten. (Erkenntniß des Ober-Tribunals voin 26. November d. I.) Die Vorsteher des Königsberger Vereins der deutschen Maurer und Steinhauer wurden auf Grund der §8. 8 þ. und 16 des Ver- einsgesetzes angeklagt, ihren Verein, der als politisher zu be- zeihnen fei, mit anderen politishen Vereinen zu gemeinsamen Zwecken in Verbindung geseßt zu haben. Das Oftpreußische Tribunal zu Königsberg \prach jedoch die Angekagten frei, weil der Königsberger Verein der deutshen Maurer und Steinhauer nur solhe Angelegenheiten in den Kreis seiner Vereinsthätigkeit gezo- gen habe, welche als politishe Angelegenheiten niht angesehen wer- den könnten und demnach nicht unter die angeführie Straf- bestimmung falle. „Der Begriff der öffentlihen Angelegen- heiten“, führt das Oftpreußishe Tribunal aus, „fällt nicht mit dem der politishen Angelegenheiten zusammen, die politischen Gegenstände betreffen den Staatszweck und die zur Erreihung desselben dienlihen und vorhandenen Mittel und Einrichtungen, während öffentlihe Angelegenheiten darüber hinaus au andere Zwecke resp. die Mittel zur Erreihung derselben im Auge haben können.“ Auf die Nichtigkeitsbeshwerde der Ober-Staatsanwalt- schaft zu Königsberg vernichtete jedoeh das Ober-Tribunal das vorinftanzlihe Erkenntniß und verwies die Sache zur ander- weiten Verhandlung und Entscheidung an das KVppellations- geriht zu Insterburg. „Es kann“, führt das Ober-Tribunal der Anschauung des Appellationsrihters gegenüber aus, „von einer Prüfung abgesehen werden, ob die von dem Appellaiionsrihter gebilligte Definition den Begriff der „politischen Gegenstände“ ershöpft, oder ob fie wie in der Nichtigkeitsbeshwerde ausgeführt is nur die Staats- flugheitslehre umfaßt und andere Zweige der Politik unberück- fihtigt läßt. Selbst wenn man jene Definition für durchaus zutreffend erahten könnte, würde der Angriff begründet sein, da der Appellationsrihter die Konsequenz seiner Definition nicht rihtig gezogen hat, Es-kann einem begründeten Zweifel nicht unterliegen, daß zu den „für die Erreihung des Staatszwecks dienlihen Mitteln und Einrihtungen“ auch die Ordnung aller derjenigen Angelegenheiten zu rechnen ift, welhe zu der sozialen Frage in Beziehung stehen, daß s\ozialpolitishe Fragen zu den wichtigsten Gegenständen sowohl der inneren als der internationalen Politik gehören und ihre Ausscheidung aus dem Begriffe der politishen Angelegenheiten daher für rehtsirrthümlich erachtet werden muß. Sofern daher eine Erörterung fozialer Fragen mit der Richtung auf Beeinflussung der ftaatlihen Einrichtun- gen und Anordnungen geschieht, wird diese Erörterung zu einer politishen. Wenn nun der Appellationsrihter annimmt, daß Gegenstände der Vereinsthätigkeit die Verbesserung der Lage-der Arbeiter im Allgemeinen, die Lohnfrage u. \. w. im Besonderen gewesen seien, so is es niht bedenklih, daß diese Fragen im vor- angedeuteten Sinne politisher Natur sein können und die Nega- tivfeststelung, indem fie \sih lediglich auf die Annahme ftütt, daß Fragen solher Art nicht politishe Gegenstände seien, ruht auf einer rechtlich unhaltbaren Grundlage.

„Die Befugniß des Kreisaus\chusses zur Er- nennung von öffentlihen Beamten isst auf die in der Kreisordnung selbft ausdrüdtlih erwähnten Beamten nicht be- \{hränkt.“ Nach §. 134, Nr. 3 der Kreisordnung vom 13. De- zember 1872 hat der Kreisauss{huß die Beamten des Kreises zu ernennen. Welche Kategorien von Beamten zur Kreisver- waltung erforderlih sind, darüber ift in der Kreisordnung eine Bestimmung nicht getroffen, insbesondere niht angeordnet, daß die Befugniß des Kreisaus\hu}sses zur Ernennung von Beam- ten auf die in der Kreisordnung selbst ausdrücklich erwähnten Beamten besczränkt sei. Es ist daher unbedenklih, daß der Kreisaus\{chuß selbs hierüber nach den lokalen Bedürfnissen zu befinden hat, und in der Cirkularverfügung der Minister des Innern und der Finanzen vom 10. Juni 1873 über die Ver- theilung der zur Ausftattung der Provinzial- und Kreisverbände

bewilligten Fonds if daher auch mehrerer Klassen von Beamten

insbesondere au eines Sekretärs gedacht, welche in der Kreisordnung nicht erwähnt sind. Wenn daher der Appellations- rihter auf Grund der Thatsache, daß in der Kreisordnung dem Amtsvorsteher keine mit Beamteneigenschaft ausgeftattete Hülfs- kraft zur Verfügung gestellt sei, zu dem Schlusse gelangt, daß ein Gehülfe des Amtsvorstehers lediglich in einem Privat- dienstverhältnisse stehe, so ist dieser Schluß rechtlich unhaltbar. Hat der Kreisauss{huß die Anstellung eines Amts-Sekretärs an- geordnet, so kann diesem die Eigenschaft als Beamter nicht ab- gesprohen werden.“ (Erkenntniß des Ober-Tribunals, Senat für Strafsachen, vom 12. November d. I.).

Das gewerbsmäßige Geldverleihen an si if, nah einem Erkenntniß des Ober-Tribunals, Straf-Senat, vom 19. November d. I., nit steuerpflihtig. Der 8. 3 des Gewerbesteuergeseßes vom 30. Mai 1820, betr. die Gewerbe- steuer vom Handel (aus dem die Steuerpflichtigkeit des gewerbs- mäßigen Geldverleißhens allenfalls gefolgert werden könnte), hat durch die neuere Handels- und Steuergeseßgebung feine Grund- lage verloren und kann nicht mehr als gültig angesehen werden. Vielmehr ift die Gewerbesteuer vom Handel durch das Geseh vom 19. Juli 1861 neu geregelt worden und find die Bestim- mungen dieses Gesehes zuerst für das Neujahr 1862, dasselbe Jahr, in welhem das Handelsgeseßbuch Geltung erhielt, in Kraft getreten. Dieses Geseh bildet gegenwärtig die Grund- lage der Besteuerung des Handels und if daher bei Be- urtheilung der hier streitigen Frage maßgebend. Dasselbe giebt nun allerdings keine Definition vom „Handel“, bezeihnet vielmehr nur speziell diejenigen Zweige des Handels3gewerbes, welche in der Steuerklasse A. 1. einerseits, in der Klasse B. an- dererseits zu besteuern find, so daß alle übrigen Zweige des Handels in die Mittelklasse A. 1], fallen und eine spezielle Auf- zählung der Kategorien dieser Klasse unterlassen if. Hierdurh wird aber keine Lücke erzeugt, da der Begriff des Handels aus dem Handelsgesezvuch zu entnehmen - und wie bereits in dem Erkenntnisse des Königlihen Ober-Tribunals vom 5. April 1867 näher ausgeführt ist, der Steuer vom Handel diejenigen unter- worfen find, welche im Sinne des Handelsgeseßbuhs als Kauf- leute anzusehen find. Die Geldverleiher nun gehören weder zu den. in- dem Geseze vom 19. Juni 1861 speziell erwähnten Handelsgesezbuh, noch zu den Kaufleuten des Handelsgeseßzbuchs. In ersterer Beziehung kann nicht an- genommen werden, daß unter den im §. 2 Nr. 2 des Gesegzes vom 19. Juli 1861 erwähnten „Geldgeschäften“ das einfache, nicht in einem kaufmännishen Geschäftsbetrieb vorkommende, wenn auch gewerbsmäßige, Gewähren zinsbarer Darlehne ver- standen sei. Als Kaufleute im Sinne des Artikels 4 des Han- delsgesezbuchs aber können die Geldverleiher nicht angesehen werden, da die Geschäfte derselben unter den in den Artikeln 271 und 272 des Handelsgeseßbbuchs verzeichneten Handels- geshäften niht begriffen find.“

Der Kommunal-Landtag der Kurmark hielt seine 5. und 6. Plenarversammlung am 9. und 10. d. M. ab, In der ersteren gelangte der Refi der noch ausstehenden Aus\{huß- resp. Kom- missionsgutahten, welche bei 47 Vorlagen die Zahl von 45 erreicht haben, zur Erledigung. Zu Beginn der Sißung über- gab der bisherige stellvertretende Vorfißende die Leitung der Angelegenheiten dem neu gewählten und dur Se. Majestät den König mittelst Allerböhster Ordre vom 26. v. Mts. bestätigten Vorfißenden Major von Rochow-Plessow, welcher den Vorfiß unter Bezeugung des Dankes für die Leitung des 47. und 48. Kommunal-Landtags durch den Major und Domherrn von dem Knesebeck, welchen der Landtag durch Erheben von den Sizen zu dem feinigen machte, übernahm.

Nach §. 128 der neuen Provinzialordnung soll die Ver- waltung des Landarmenwesens der Kurmark auf die neue Provinzialvertretung übergehen. Nach dem Gutachten einer ad hoc gewählten Kommission erklärte fich der Landtag auf die Anfrage des Ober-Präfidenten zu dieser Abgabe der Ver- waltung bereit und erwählte zur weileren - Verhandlung in dieser Richtung eine besondere Kommisfion. Zuglei gab er seiner, auch von der Staatsregierung getheilten Anficht Ausdruck, daß der §. 128 die Vershmelzung der einzelnen Land- armenverbände nit fordert, und daß das fkurmärkishe Land- armenwesen in seiner gegenwärtigen Verfassung und mit seinen Organen auf den Provinzialverband übergeht, welher nur dur Aenderung des Landarmen-Reglements eine Aenderung in vor- gedachter Richtung herbeizuführen vermag. Aus ersterem Grunde trat der Landtag der sehr komplizirten Auëeinandersezungsfrage für jeßt niht näher, sondern behielt dieselbe eintreten*en Falls vor.

Im Bereiche der Landarmenverwaltung fanden eine Reihe von Gehaltsaufbesserungs-Anträgen die Genehmigung des Land- tags, und aus dem Dispositionsfonds der kurmärkishen Hülfs- kasse wurde eine Reihe von Unterstüßungen an Rettungshäuser des Bezirks bewilligt.

Endlih nahm der Landtag von dem Berichte seiner Kom- mission und des brandenburgishen Aus\{hu}es über die Lage des Marienberg-Denkmalbaues, insbesondere von der Aller- höchsten Bewilligung von Geshüßbronze mit dankbarer Befrie- digung Kenntniß.

Jn leßterer Sizung nahza der Landtag die fälligen Wah- len vor und wählte insbesondere den Vorsißenden der Land- armend'reftion, Geheimen Regierungs- und Landrath Scharnweber und den General - Land - Feuer - Societäts- Direktor, Ritterschafts-Direktor von Tettenborn, einstimmig wieder.

Seine Schlußfizung hielt der Kommunallandtag am 13. d. Mts, Der Vorfißende gab eine Uebersicht der Thätigkeit des Landtages und {loß denselben mit einem Hoh auf Se. Majestät den Kaiser und König, in welches die Versamm- lung mit dreifahem, begeistertem Rufe einstimmte.

Der Bundesraths-Bevollmächtigte, Königlich bayerischer Minisfterial-Rath Loë, i nah München abgereist. ;

Braunschweig. Braunschweig, 15. Dezember. (W. T. B.) Der Landtag ist heute im Auftrag des Herzogs durch den Wirklichen Geheimen Rath Schulz eröffnet worden. Die Eröffnungsrede kündigt eine Anzahl dem Landtage vor- zulegender Gesegentwürfe an und betont am Schlusse die Seitens der braunshweiger Regierung dem Reiche gegenüber jederzeit bewiesene Loyalität und Treue.

Anhalt. Dessau, 14. Dezember. Der neueste an den Landtag gerichtete Antrag der Staatsregierng betrifft die Aufhebung der Stolgebühren für die evangelishen Kirchen. Im Dessau-Cöthenschen Landestheile, wo die Stolgebühren {hon seit 20 Jahren nah Abfindung der berechtigten Stellen dur den Staat zur Landeshauptkafse fließen, fallen fie auf Scund eines Beschlusses des vorjährigen Landtages mit dem 1. Januar weg, während hinfihtlich des Bernburgishen Landestheiles den neu zu bildenden fkirchlihen Organen die Regelung des Gegen-

fiandes überlassen werden follte. Zugleih ftellte der Landtag im- vorigen Jahre seine Bereitwilligkeit in Ausficht, auch für jenen Landestheil, falls ein Synodalbeschluß die Aufhebung der Stolgebühren beschließen sollte, eine entsprehende Entschädigung aus Staatsmitteln zu beschließen.

Walde. Arolsen , 14. Dezember. Nachdem die Landes- synode in ihrer Sizung vom 3. Oktober 1873 die Erhebung einer Kirchensteuer im Betrage von 15 pCt. der gesammten, in den hiesigen Fürstenthümern für das Jahr 1875 aufkommen- den direkten Staatssteuern beschlossen hatte, hat die Kirchenbe- hörde dementsprezend die Umlagerollen aufgestellt, nah welchen die Mitglieder der evangelischen Kirhe eine Leistung von

1,611 pCt. der ihnen pro 1875 auferlegten direkten Staats- feuern als Kirchensteuer zu zahlen haben.

Desterreih-Ungarn. Wien, 14. Dezember. Das Ab- eordnetenhaus nahm die restirenden Titel des Unterrichts-

budgets, ebenso die zwei erften Kapitel des Budgets des Finanz- Ministeriums nach den Auss\chußanträgen an. Der Finanz- Minister legte den Zollverirag mit dem Fürstenthum Liechten- stein vor.

Pest, 14. Dezember. Auf der Tagesordnung der heutigen Sißung des Abgeordnetenhauses stand der Gesehentwurf über die Armee- und Honved - Penfionen. Der Referent des Centralaus\{chu}ses August Pulszky empfahl den Gesezentwurf zur Annahme. Madarasz sprach gegen denselten, worauf die Vorlage ohne Aenderung und Bemerkung im Allgemeinen und Besonderen angenommen wurde. Zum leßten Paragraphen beantragte Paczolay die Weglaf}sung der darin vorkommenden Erwähnung der Krakauer und Lemberger Gensd'armerie und der Wiener Strafhauswache. Pulszky sprach dagegen; doch wurde bei der Abstimmung Paczolay's Antrag mit großer Majorität, demnächst auch die Vorlage im Ganzen angenommen. Hierauf wurde der Gesehentwurf über das Salzgefälle in Berathung genommen.

Das Oberhaus hielt eine kurze Sißung, in welcher der Gesehentwurf über das Rentenanlehen entgegengenommen und einem Aus\hu}se zugewiesen wurde.

Großbritannien und Jrland. London, 14, De- zember. Der 14. Jahrestag des Todes des Prinzen Al- hert wurde heute bei Hofe sehr feierlih begangen. Im Laufe des Vormittags versammelten sich die Prinzessin von Wales, der Herzog und die Herzogin von Edinburgh, Prinz Leopold, Prinzesfin Louise, Prinzesfin Beatrice und der Marquis von Lorne, im Palast und begaben fih von da mit Ihrer Majestät der Königin nah dem Maufoleum in Frogmore, wo ein Gottes- dienst abgehalten wurde. Nachzem Ihre Majestät das Grab mit Immortellen geschmüdckt, kehrte fie nah dem Schlosse zurück, um den übrigen Tag in stiller Abgeshlossenheit zu verbringen. Der Prinz von Wales kam, beglei'et von seinem Ge- folge, am 13. d. M. Morgens von Trichonopoly auf Ceylon in Madras an. Sein Empfang war, wie den Londoner Blättern gemeldet wird, ein glänzender. Der Gouverneur, der Ober-Befehlshaber, der Ober-Richter, die Häuptlinge von Tra- vancore, Cochin und Vizianagam, sowie der Fürst von Arcot erwarteten seine Ankunft auf dem Bahnhofe. Es hatten \ich auch Massen von Europäern und Eingeborenen eingefunden. In Erwiderung auf eine Adresse der Munizipalbehörden drückte Se. Königliche Hoheit in einig:n freundlichen Worten feine Be- friedigung über den ihm bereiteten Empfang aus. Auf dem Vege nah dem Gouvernementsgebäude wurde der Prinz von einem Aufzuge von über 14000 eingeborenen und europäischen Kindern begrüßt, welhe die Hymne „God bless the Prince of Wales“ fangen. Bald nah seiner Ankunft im Gouvernementspalast ließ sich der Prinz die eingeborenen Häuptlinge vorstellen. Der Fürst von Arcot, der in Begleitung von vier Sirdars erschien, war hoh erfreut, die Bekanntschaft des Sohnes der Kaiserin von

Hindostan zu machen und bemerkte, daß die Träume seines Le-

Um 1 Uhr Nachmittags

oens endlich verwirkliht seien. Empfang und wedselte

hielt der Prinz einen großen freundlihe Händedrücke mit den anwesenden Rajahs, auf - welche er einen höchst günstigen Eindruck zu mahen \chien. Es waren über 509 Sauptlinge und an- gesehene Europäer zugegen. Der Prinz nahm seinen Plaß vor einem auf erhöhten Stufen stehenden prachtvollen filbernen Sessel. Der Herzog von Buckingham (Gouverneur von Madras) und Sir Bartle Frere befanden sih zu seiner Rechten, der Herzog von Sutherland zu seiner Linken. Die eingeborenen Beamten, welche vorgestellt wurden, erschienen in prächtigen Kostümen. Um 8 Uhr fand ein Galabankett von 50 Gedecken satt, zu welchem das Richterkollegium, die Geistlichkeit sowie die Spißen der Militär- und Civilbehörden geladen waren Der Gouverneur von Pondihery war mit seinem Stabe ebenfalls zugegen. Um 105 Uhr wurde die Stadt glänzend illuminirt und es fand ein großartiges Feuerwerk ftatt, Der Prinz begab \ih alsdann mit seinem Gefolge nah Guindy Park, wo er den morgigen Tag (Dienstag) in {iller Abge- s{lossenheit zubringt, da es der Jahrestag des Todes seines Vaters, des Prinzen Albert, ist. Die „Serapis“ segelt am Sonn- abend nah Calcutta. Vor seiner Abreise von Ceylon meldet der Spczialberichterstatter der „Times“ wurde dem Prinzen eine Gruppe von ureingeborenen Viddahs, zwei Männer und drei Frauen, vorgestellt.

16. Dezember. (W. T. B.) Bei Gelegenheit einer von der liberalen Partei in Sheffield abgehaltenen Versammlung betonte der Führer der Liberalen, Lord Hartington, die gunstige Aufnahme, die der Ankauf der Suezkanal- Aktien des Khedive durch die englishe Regierung bei der Vevölkerung gefunden habe und fügte hinzu, dieses Urtheil der fentlichen Meinung sei nur dur die Ueberzeugung von dem un- trennbaren Verbundensein der Interessen Englands mit der Frage des fürzesten Weges nach Indien und in keiner Veise durch einen Nebengedanken an künftige politische Pläne beeinflußt worden. Wenn die Konsequenzen des Suezkanalaktien - Handels weiter gehende und wichtigere werden sollten, als die Regierung vorausgesehen habe, was toch möglich sei s\o würde man es zu bedauern haben, daß das Parlament nit früher einberufen worden sei. Venn jedoch die Abfichten der englishen Regierung weniger ehr- eizig seien, als die öffentlihe Meinung ihr zuschreibe, so sci es

uerlih, daß die Regierung das Gerücht solcher ehrgeiziger Wsichten ungehindert in ganz Europa habe zirkuliren lassen.

Na aus Penang, 14. Dezember, Abends, eingegan- Penen offiziellen Meldungen haben am 7. d. M. 80 Mann guulärer englisher Truppen, eben so viel irregulärer

uppen und 40 Mann von der Polizeimannschaft die Malayen

angegriffen, welche in einer Stärke von 400—800 Mann fih in den Besiß von Sungie-Ujong gefeßt und sich dort verschanzt hatten. Die Malayen wurden nah cinem erbitterten Kampfe aus ihren Positionen zurückgeworfen. Malakka und Sungie-Ujong erhielten wieder Verstärkungen.

Frankceih. Paris, 14. Dezember. Vor den Pariser Geschworenen erschienen am 10. d. M. Hr. Perron, ehe- maliger Abtheilungshef im Staats - Ministerium (unter dem Kaiserreiche), als Verfasser, Amyot als Verleger und Noblet als Druter einer bonapartistishen Broschüre, welche neulich unter dem Titel: „Le Réveil de la France“ herausge- kommen und am legten Eugenientage gratis an der Kirchenthür von Saint-Augustin vertheilt worden ift. Mehrere Stellen der- selben enthalten, wie die Anklage behauptet, Arfreizungen zum Saß und zur Verachtung gegen die Regierung. Die Geschworenen theilten, was den Verfasser der Schrift, Hrn. Perron, betrifft, die Auffassung des öffentlihen Anklägers und erklärten den Schriftsteller unter Zulassung mildernder Umstände des oben erwähnten Vergehens für \{chuldig, des- gleihen den Drucker, der die Verbreitung der Broschüre in 100,000 Exemplaren selbst besorgt hatte. Hr. Perron wurde demnach zu 14 Tagen Gefängniß und 500 Fr. Strafe, Hr. Noblet zu einem Monat Gefängniß und 1000 Fr. | Strafe ver- urtheilt, Hr. Amyot dagegen, welcher dice Schrift nicht eigentlih verlegt, sondern nur vorübergehend in Kommission genommen hatte, übrigens au eben erst seinem Vater in der Leitung des Geschäfts gefolgt und mit den Details desselben noch wenig ver- iraut war, wurde freigesprochen.

Versailles, 15. Dezember. (W. T. B.) In der heuti- gen Sibung der National versammlung vertheilten die Mitglieder der Linken am Fuße der Rednertribüne Stimmzettel in vershlossenen Couverts. Die Rechte protestirte hiergegen und stellte der Deputirte Paris von der Rechten den Antrag, daß das heutige Sftrutinium für ungüitig erflärt werde. Der Prä- sident der Nationalversammlung ließ die erwähnten Stimm- zettel Zurückziehen und erklärte, die Diskussion über den Antrag auf Ungültigerklärung kis nach der Beendigung des Skrutiniums aussezen zu wollen. Im weiteren Ver- lauf der Sizung wurden alsdann 18 Deputirte von der von der Linken aufgestellten Kandidatenliste zu Senatoren ge- wählt, nämlih: Carnot, General de Chabron, Corbon, Cremieux, Gouin, Lanfrey, Lepetit, General Valazé, Littré, Morin, Rampont, Schérer, Scheurer - Kestner, Testelin, de Toc- queville, sämmtlich von der Linken resp. dem linken Centrum und drei Usltralegitimisten: Graf Douhet, Vicomte dc Lorgeril und Hervé de Saisy. Von den Kandidaten der Rechten erhielt feiner die zur Wahl erforderlihe Stimmenzahl. Nach lebhafter Debatte wurde dann endlih der Antrag des Deputirten Paris, das heutige Skrutinium für ungültig zu erklären, mit 334 gegen 921 Stimmen abgelehnt.

Spanien. Madrid, 15. Dezember. (W.T. B.) Die amtliche „Gaceta“ veröffentliht einen Königlihen Erlaß, durch welchen die Generale Quesada und Martinez Campos zu Füh- rern der Nordarmee resp. der in Navarra operirenden Armee ernannt werden. Die in Catalonien stehende Armee und die Centrumsarmee sollen aufgelöft und zur Verstärkung der Nordarmee verwendet werden.

Îtalien. Rom, 11. Dezember. In der gestrigen Sizung des Senats berichtete der Präsident über die Ausführung des ihm zu Theil gewordenen Auftrages, demHerzoge von Galliera den Dank und die Bewunderung des Senats für sein großartiges Geschenk an die Stadt Genua auszudrüdcken, welches nicht nur seiner Vaterstadt, sondern auch ganz Italien zu Gute kommen werde. Der Herzog, sagte der Präsident, hat mih gebeten, dem Senate seinen tiefsten Dank auszusprechen, weil unter allen ihm zu Theil gewordenen Verfiherungen der Sympathie und Er- kenntlihkeit für das seiner Vaterstadt gemahte Geschenk ihm keine so angenehm und \{chmeichelßhaft gewesen sci, wie die ihm durh den Mund des Senats - Präsidenten mitgetheilte seiner senatorischWen Collegen. Das Abgeordneten - haus sehte die Berathung über die Gerichtsord- nung fort und nahm den Entwurf derselben in der vom Justiz - Minifter und der Kommission vereinbarten Form an. Die Mehrheit hatte einen Zusazartikel Betreffs Auf- hebung des Art. 202, wonach 75 Jahr alt gewordene unab- feßbare Richter durch Königliches Dekret vom weiteren Dienst entbunden werden, verlangt; ließ \ich aber bereit finden, diesen Punkt erf nah der Berathung über den Etat des Ministeriums des Innern zu erledigen. Hierauf begründete der Abg. Morrone im Namen der Kommission eine Tagesordnung, wodurch der Justiz-Minister um Vorlage eines Gesezentwurfs ersucht wird, welcher der Staatsanwaltschaft im Interesse der Gerechtigkeit diejenigen Befugnisse einräumt, die fie zur freien Vertreterin des Gesezes und der bürgerlihen Gesellshaft mahen. Der Justiz- Minister erklärte indessen, daß er diese Tagesordnung nach der Genehmigung des Gerichtsordnungs8geseßes nicht annehmen könne, und die Versammlung lehnte sie ab. Die Ausgaben des Ministeriums des JFnnern find nah den an die Kammern v?ertheilten Kommissionsberihten in fünf Jahren um 14 Millionen Lire gestiegen; denn fie betrugen im Jahre 1872 47,768,606 Lire, 1873 48,688,460, 1874 50,778,413, 1875 58,711,517 und werden für 1876 auf 61,803,334 Lire veranschlagt. Die Kosten für die öffentlihze Sicherheit belaufen fich allein auf eiwa 31 Millionen, von denen 21 auf die Erhaltung der Gefängnisse und des Gefängnißpersonals entfallen.

Griechenland. Athen, 15. Dezember. (W. T. B.) Inder heutigen Sizung der Deputirtenkammer wurde von Comunduros die Beibehaltung der auswärtigen Ge- sandtshaften lebhaft befürwortet und, als Deligeorgis \ih gegen die Etatpositionen für die Gesandtshafts-Sekretäre aus\sprach, die Kabinetsfrage gestellt.

Türkei. Belgrad, 15. Dezember. (W. T. B.) Die von der Regierung im \chugtzzöllnerischen Sinne vorbereitete Tarif- vorlage ist von dem Fürften niht genehmigt und deshalb zurückgezogen worden.

Nufßlaud und Polen. St. Petersburg, 13. Dezember. Der „Reg.-Anz.“ veröffentliht die nachstehenden Bulletins über den Gesundheitszustand der Großfürstin Maria Nikolajewna. „Ihre Kaiserlihe Hoheit die Großfürstin Maria Nifolajewna traf am 22, November krank aus Florenz in St. Petcrsburg ein. Jhre Hoheit leidet in Folge eines chronishen Darmkatarrhs son seit einer Reihe von Iahren an Blutarmuth. Diese Krankheit entwidckelte fih in der lezten Zeit so sehr, daß Ihre Hoheit im Oktober einen Anfall hatte, bei dem fie einen Augenblick den Gebrauch der Zunge verlor. Dieser Anfall erregte die Aufmerksamkeit der Großfürstin und der Aerzte, und Ihre Hoheit faßte den Entschluß, nah St. Petersburg zurückzukehren.

Sonntag, den 30. November, Morgens. Ihre Kaiserli

Hoheit verbrachte den Tag ruhig und ie Aeate aue M guter Stimmung; um 17 Uhr trat Slaf ein, der jedo bis 4 Uhr unruhig war. Die Schleimabsonderung im Munde be- lâstigte Ihre Hoheit weniger. Von 4 Uhr ab hatte Ihre Hoheit ruhigen Schlaf und war um 9 Uhr Morgens noch vit er- wacht. Die Gesci;wulst der Füße nimmt ab. Dr. Mianowsfki Dr. Tillner.“ Se. Königliche Hoheit der Prinz Carl von Preußen besuchte gestern Abend die Balletvorstellung im Großen Theater. Heute empfingen Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Carl die fremden Bot- schafter mit ihren Gemahlinnen. Die Prinzessin hatte vor- her das Katharinen - Stift befihtigt. Zum Diner find heute der Prinz und die Prinzessin bei Sr. Kaiserlichen Hoheit dem Großfürsten Wladimir. Se. Kaiserliche Hoheit der Er z- herzog Albrecht war heute zum Dejeuner bei Ihrer Majestät der Kaiserin und machte darauf mehrere Besuche. Zum Diner ist heute Se. Kaiserliche Hoheit der Erzherzog mit feiner öfterreihishen und russishen Suite nebst dem österreichischen Botschafter zum Prinzen Peter von Oldenburg geladen. Der rassiGe e am [MweditGa Hofe, Geheimrath de Giers 1it, wie die russishe „St. P. Ztg.“ meldet S in St. Petersburg Gi / eat: va

Schweden und Norwegen. Stockholm, 12. Dezem- ber. Zu dem erwähnten Telegramm an Se. Majestät den Kaifer von Rußland bei Gelegenheit des Bankets für Nordenskjöld und seine Gefährten gab ein von dem M i- nister des Aeußern, Björnstjerna, auf den Kaiser au8- gebrachtes Hoh Veranlassung. Nachdem Präsident Wärn ein Hoch auf König Dscar ausgebracht hatte, ergriff der Minisier das Wort und sfagte: „Es giebt etwas, das sicherer als alles andere die Vor- urtheile besiegt und das Vertrauen der Völker an \fih zieht, nämli die Ausübung großer und edler Handlungen. Wenn durch solche Segen über Millionen gespendet und die Wohlthaten der Civi- lisation über einen halben Welttheil verbreitet werden; wenn von dem gewaltigen Kriegerstaat nur Worte des Friedens im Rathe der Nationen gehört werden; wenn der Donner von den Schlahhtfeldern Europas bei Rußlands Herrscher keinen anderen Ehrgeiz als den erweckt, welcher die Milderung des Leidens der Kriege bezweckt, da hat er den Weg zu unserer Hochachtung, zu unseren Herzen gefunden. Wir senken deshalb unsere Bewunderung dem edlen Monarchen, welcher die Geschicke Rußlands lenkt, indem wir gleichzeitig anerkennen müsszn, daß es sein Werk ift, welchem wir in erster Linie die freudige Erscheinung des immer mehr zunehmenden Vertrauens und der Freundschaft zwischen unserem Volke und dem seinen zuschreiben müssen, eine Annäherung, welche, wie ich nicht bezweifeln kann, beiden zum Nußgen gereihen wird. Sein Name if| nicht länger ein fremder bei unseren Festen, wo derselbe mit lzutem Jubel begrüßt zu werden pflegt. Ich bin überzeugt, daß es auch jeßt der Fall sein wiro, wenn ih die Ehre habe, ein Hoch auf den hochsinnigen Monarchen Rußlands, Se. Majestät den Kaiser Alexander 11, auszubringen.“ Unter lebhaften Hoch- rufen wurden die Gläser geleert, während die Musik die russische Nationalhymne spielte. Der russische Legationssekretär, Graf Dunten, beantwortete das Hoch, indem er à la prospérité de la Suède et Norvège sein Glas leerte.

__ Dänemark. Kopenhagen, 15. Dezember. Die Kö- nigin gedenkt, telegraphisher Nachricht aus Paris zufolge, heute die Rückreise über Frankfurt anzutreten. Der Gesetzentwurf, betreffend die Organisation des Heeres, bildete gestern den Berathungsgegensftand des Folkethin ges. Der Kriegs-Minister ergriff am Schlusse der Verhandlungen das Wort, wies jeden Gedanken an ein Milizwesen auf das Entschiedenste ab und trat mehreren gegen Einzelheiten des Gesezentwurfes gemachten Ein- wendungen entgegen. Der Uebergang zur zweiten Lesung wurde ohne Abstimmung angenommen und der Geseßentwurf einem heute zu wählenden Ausschusse von 15 Mitgliedern überwiesen.

Amerika. Washington, 15. Dezember. (W. T. B.) Die Repräsentantenkammer hat in ihrer heutigen Sizung mit 232 gegen 18 Stimmen eine Resolution angenommen, welche fih gegen eine dritte Präsidentschaft Grants ausf\pricht.

Benezuela. Aus Hamburg wird uns Folgendes mitge- theilt: Die in diesen Tagen hier eingegangene in Carácas erschei- nende offizielle Zeitung veröffentliht in ihrer Nr. 644 einen von der venezolanischen Regierung unterm 20. September d. I. mit Rafael Fernando Seijas abgeschlossenen Kontrakt, betreffend die Anwerbung, Einführung und Ansiedelung europäischer Auswan- derer der Ackerbau treibenden Klasse.

Dieser Seijas hat darin die Verpflihtung übernom- men, sich nach Europa zu begeben, um hier die Auswande- rung nach Venezuela zu fördern. Zu diesem Zwecke foll er periodische Veröffentlihungen über die Nationalstatistik Venezuelas und über die Vortheile der dortigen Kolonisation veranstalten, auch dauernd eine Ausftellung der venezolanishen Naturerzeug- nisse unterhalten und eine Centralagentur für Auskunftserthei- lung in einer der Hauptstädte Europas einrichten.

Jede Familie soll vor ihrer Einschiffung einen Eigenthums- titel über 5 Hektaren Land erhalten. Zur Realisirung dieser Titel werden dem 2c. Seijas in- den verschiedenen Staaten von Venezuela, behufs der ihm obliegenden Einrihtung von An- siedelungen, Ländereien überlassen, welhe in dem Kontcakte im Ganzen mit 35,800 Hektaren für 7160 Familien berechnet find.

Während der ersten zwei Jahre trägt die venezolanische Regierung die Pafsagekosten jedoch für höchstens 2000 ater- bauende Familien. Sie zahlt zu diesem Zwecke einen per Kopf näher bestimmten Betrag an Seijas, welcher dafür die Beförderung der Familien übernimmt. Nach Ablauf der zwei Jahre erfolgt die Beförderung für Rechnung niht mehr der Regierung, son- dern der Auswanderer selbs, An Kommissionsgebühr erhält Seijas von der Regierung für jede Familie mit Freipassage 4 Venezolanos und für jede Familie, welhe die Ueberfahrt selbst bestreitet, das Doppelte.

Die Beförderung der Ankömmlinge aus den Depots im Aus\chiffungshafen, wo sie vier, in besonderen Fällen höchstens aht Tage lang auf Regierungskosten verpflegt werden, nah dem Orte ihrer Anfiedelung, die Gewährung des Unterhaltes während dieser Reise, und die Unterstühung der Ansiedler, falls sie solcher bedürfen, während der ersten vier Monate ist lediglih Sache des 2c. Seijas, welchem kontraktlich das Recht zusteht, sih seine dafür gemahten Aufwendungen von den Kolonisten erstatten zu lassen. Die Beschaffung provisorischer Wohnungen am Niedcr- lafsungsorte soll gleihfalls dem 2c. Seijas obliegen.

Die Seitens der Regierung gewährte freie Passage soll der 2c. Seijas von den Auswanderern zwar nicht zurückverlangen dürfen. Dagegen bestimmt der Kontrakt ausdrücklih, daß Die-

L jenigen, welhe auf Grund desselben nach Venezuela kommen,