1921 / 270 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 18 Nov 1921 18:00:01 GMT) scan diff

Umfang von der ausländischen Zufuhr unabhängig zu machen, während wir bei der Phosphorfäure immer noch auf die Zufuhr von Rohphosphaten angewiesen sind. Neben dieser Zufuhr von Rohphosphaten, die natürlich bei dem heutigen Siande der Valuta fast zux Unmöglichkeit geworden ist, haben wir von Anfang an auch die Einfuhr von Thomasmchl besonders gepflegt und wir werden, sobald wir solche Möglichkeiten haben, diese Tendenz auch weiter wirksam aufnchmen.

Was die Frage des Herrn Abg. Gerauer hinsihtlißh des Rhenaniaphosphats angeht, so ist es ihm nicht unbekannt, daß das ein nêues Düngemittel ist, das seine praktishe Erprobung eigentlich in größerem Umfang im Wege von Feldversuchen noch nicht ge- funden hat. Aber cs wird den Herren der Landwirtschaft nit Unbekannt sein, daß Herr Geheimrat Remy in Bonn in umfang- zeiwem Maße Versuche auf Parzellen und in Gefäßen gemadt hat, die bisher duxchaus erfokgversprecend sind. JIch möchte aber nicht so weit gehen, diese Versuhsergebnisse heute shon als Grundlage für eine endgültige Beurteilung des Rhenaniapho8phats zu be- nußen. Jch bin der Meinung, daß diese Frage in praktischen Feld- versuchen noch weiter geklärt werden muß. Jch werde die Frage des Rhenaniaphosphats auf die Anregung des Herrn Abg. Gerauer in dem zuständigen Düngeraus\huß des Ernährungsministeriums besonders zur Diskussion stellen und bei der weiteren Behandlung auch die Praxis entsprechend beteiligen.

Die Sticfstofffrage liegt ja augenblicklih günstiger, wix ih son ausgeführt habe. Troß des so beklagenswerten Unglüdckes von Oppau dürfen wir doch nah. meiner ungefähren Schäßung damit renen, daß wir im laufenden Düngerjahr immerhin mit einer einheimisden Produktion von eiwa 280 bis 290 000 Tonnen reinen Stickstoffs werden rechnen können. Das sind also ganz erhebliche Mengen, in denen ja au das \{wefelsaure Ammoniak cinen nicht unerheblichen Prozentsaß ausmacht. Alles, was an [chwefelsaurem Ammoniak erzeugt wird, werden wir versuchen, unter die ein- heimische Landwirtschaft zu bringen, sofern wir nicht dur getvisse Verpflichtungen des Friedensvertrages auch in der Richtung etwas behindert sind.

Nun darf ih mir gestatten, meine Damen und Herren, zu den Anträgen der Frau Abg. Agnes und Genossen hinsihtlih der Erhöhung der Mehlration und der Erhöhung der Getreideumlage von 2s Millionen auf 33s Millionen kurz Stellung zu nehmen.

Wie ih als bekannt voraussezen darf, wird die Bevölkerung im laufenden Wirtshaftsjahr in demselben Umfange wie im ab- gelaufenen Wirtshaftsjahr mit Mehl und Brot beliefert. Sie er- Hält Mehl und Brot unter Zugrundelegung einer täglihen Mehl- ration von 200 Gramm pxo Kopf. Darüber hinaus kann sie sih im freien Verkehr und darin liegt ein wesentliher Vorteil gegenüber dent abgelaufenen Wirtschaftsjahr mit Mehl und Brot ohne Beschränkung auf die Kopfmenge versorgen. (Unruhe und Zurufe bei den Kommuniften.) Daß bei einer Beschaffung des Mehrbedarfes, was die Menge anlangt, irgendwelhe Schwierig- keiten hervorgetreten sind, îist niht bekannt geworden. Von diesem Gesichtspunkt aus besteht daher auch kein Anlaß, die tägliche Ration von 200 Gramin, die der Bevölkerung durch die öffentliche Bewirischastung zugeführt wird, zu erhöhen.

Der Anirag der Frau Agnes zielt aub wohl weniger darauf ab, die Versorgung der Bevölkerung mit einer größeren Menge iicherzustellen; er strebt vielmehr an, daß der Bevölkerung eine größere Menge zu den öffentlichen, verbilligten Lieferpreis zur Verfügung gestellt wird, da die Deckung im freien Verkehr zu diesen Preisen allerdings niht mögli ist.

Um die Bedeutung des Antrages nach dieser Richtung hin vollfommen zu würdigen und klarzustellen, darf ih in die Erinne- rung zuxückrufen, daß zur Deckung der täglihen Mehlration von 200 Gramm im gejamten Wirtschaftsjahr rund 4% Millionen Getreide arforderlih find (bört! hört! rechté), von denen 24 Mil lionen aus dem Fnlande im Wege der Umlage aufgebracht werden, während der Rest aus dem Auslande- cingeführt wird, (Hört, hört! auf der äußersten Linken.) Der Preis, zu dem die Reichsgetreide- stelle das Getveide oder das Mehl abgibt, ist so berechnet, daß er die Kosten des Umkagegetreides deckt und einen kleinen Ueberschuß für die Mehrkosten des eingeführten Auslandsgetreides abwirft, die im übrigen, wie Jhnen bekannt ist, durch Verbilligungszu- shüsse abgedeckt werden. An Verbilligungszushüssen sind im Haus- halte 1921/22 für die Zeit vom 16. August 1921 bis zum 31. März 1922, also für 74 Monate des Wirtschaftshahres, etwas über 344 Milliarden Mark bewilligt. (Hört, hört! rechts.) Diese Beträge werden aber bei der außerordentlichen Entroœrtung der deutschen Mark bei weitem nicht ausreichen. Sie werden eine weitere beträcht- liche Erhöhung erfahren müssen, wenn die Verbilligung über das Ende des Etatjahres hinaus bis zum Ablauf des Wirtschaftsjahres, also für die Zeit vom 1. April bis 15. August 1922, fortgeseßt werden fol.

Dex Anirag der Frau Agnes bedeutet lebten Endes, daß lúnstig für weitere 60 Gramm Mehl täglich Verbilligungs- zushüsse durch das Reich gezahlt werden sollen. Der Mehrbedarf an (Setreide, der durch die 60. Gramm entsteht, ist für die Zeit vom 1, November bis 31. Dezember mit 537/500 Tonnen, für die Zeit vom 1, November bis 15, August 1922, also bis zum Ende des Wirtschafisjäahres mit etwas über 1 Million Tonnen Getreide zu veranschlagen. Dieser Mehrbedarf könnte nur auf zwei Wegen beschafft werden: entweder durch Einfuhr oder durch freien Aufkauf im Fnland. (Zuruf auf der äußersten Linken: Durch Mehr- oblieferung!) -— Auf dieses legte Moment komme ih nocher noch!

Beide Wege erscheinen nit gangbar. Die Kosten der Mehreinfuhr von rund 1 Million Tonnen Getreide aus dem Auslande würden unter Zugrundelegung des Preises für Auslandsweizen von Anfang November mit etwas über 12000 # die Tonne über 12 Milliarden Mark ausmachen, Dic Devisen für diesen Betrag können nit aufgebracht werden. - Schon die Beschaffung der Devisen sür die zur Ausgabe der Tagesration von 200 Gramm erforderlihe Einfuhr von 2 Millionen Tonnen bereitet bei dem Tiefstand der deutshen Mark- immer größere, zurzeit fast unüber- windbare Schwierigkeiten. Wollte man nun andererseits die eine Million Tonnen Getreide aus dem Fnlande entnehmen, so würde man damit eine außerordentlihe Preissteigerung im Julande hervorrufen und binnen fürzester -Frist- bewirken, (Zuruf von der äußerstezi Linken) / daß die Junlandsgetreidepreise, die sich insbe- sondere für die Hauptfrucht, den Roggen, noch sehr erheblich unter den Auslandsgetreidepreisen bewegen, die Auslandsgetreidepreise erreichen. Dies würde die Wirkung haben, daß dic Eindeckung des Mehbrbedarfs über 280 Gramm hinaus für die Bevölkerung nur

mnt weit größeren Opfern als bisher möglid wäre. (Zuruf von den U. Soz.: Höher als dexr Weltmarktpreis kanw er doch nicht werden!) Das wollen wix ja gerade verhindern, Frau Wurri! Wiederholie Zurufe vou den Konmunisten.) Dor Unterschied ist sehr erheblich. - Augenblicklich ist allerdings der Preis für das Auslandsgetreide etwas zurückgegangen. JFmmerhin wird man 11000 bis 12000 Æ annehmen können, während der inländische Roggenpreis zurzeit auf etwa 6000 # steht. Wenn wir so ver- fahren würden, würde das die Wirkung haben, daß die Eindeckung

cines Mehrbedarfs über 200 Gramm hinaus für die Bevölkerung

weit kostspieliger wäre als bisher.

In dem einen, wie in dem andern Falle müßten, wenn dexr bisherige Abgabepreis der Reichsgetreidestelle für Mehl und Getreide beibehalten werden sfollie das liegt ja im Sinn des Antrages des Frau Agnes —, sehr hohe Mehrbeträge aus Reichs- mittelæ für die Verbilligung bereitgestellt werden. Bei dem ev- wähnten Auslandsgetreidepreis Anfang: November von übe 12 000 # für die Tonne Weizen würde si die Verbilligungsaktion für die 60 Gramm bis zum Ende des Haushalt3jahres um über 5 Milliarden Mark und bis zum Ende des Wirtschaft3jahres um über 10 Milliarden Mark erhöhen. (Hört! Höri! rechts.) Selbst wenn man den ganz unwahrscheinlihen Fall annimmt, daß man die 1 Million Tonnen Getreide aus dem Znlande beschaffen könnte und lediglich Roggen kaufen würde, und daß sich die Anfang November für Roggen gezahlten Preise von rund 6000 4 für die Tonne nicht steigern würden, so würden doch bis zum Ende des Haushalktsjahres 2 Milliarden Mark und bis zum Ende des Wirt- {aftsjahres 34 Milliarden Mark an Verbilligungskosten aufgewandt werden müssen. Solche Mittel aufzuwenden, verbietet die Finanz- lage des Reiches, ganz abgeschen davon, daß auch allgemeine finanz- und wirtschaftspolitishe Erwägungen zu einem Abbau der Verbilligungsaktion drängen.

Die Antragsteller scheinen dies selbst erkannt au haben, da sie nacträglih einen Antrag auf Abänderung des Getreideverkehrs- geseßes dahin eingebraht haben, daß die in dem Gesetz über die der Landwirtschaft auferlegten Umlage vorgesehenen Menge von 2,9 Millionen Tonnen auf 3,5 Millionen Tonnen erhöht werden folle. Auch von verschiedenen anderen Seiten ist vorgeschlagen worden, den Mehrbedarf an Getreide durch Umlage zu beschaffen. In diesem Falle würden dic Anschaffungékosten dur den bisherigen Abgabepreis der Reichsgetreidestelle gedeckt, mithin weitere Verbilligungszuschüsse nicht erforderli werden.

Der Gedanke einer solhen Erhöhung der Umlage ersceint aber bei näherer Prüfung undurGführbar. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) Jn diefer Hinsicht darf ib: baran erinnern, wie bei der Beratung des Gesetzes über die Getreidewirtschaft im laufenden Wirt- saftsjahre erst nah langen Kämpfen eine Einigung über die höhere Umlage erzielt worden ift. Die außerordentlihen Schwierigkeiten, die sih inzwischen aus der Unterverteilung der Umlage ergeben haben, haben erneut bewiesen, daß mit den 214 Millionen Tonnen die äußerste Grenze dessen erreicht ist, was nad Lage der Verhältnisse im

Umlageverfahren anfgebradt werden kann. (Hört! Hört! rets und

in der Mitte.) Bei Grlaß des Gesches ist im übrigen sar zum Aus- druck gekommen, daß über die Unilage hinaus cine awvangêweise Ab- lieferung von Getreide von der einheimishen Landwirtschaft nit ge- fordert werden soll. Die mit dem Geseßz cingesblagene Politik hat sich bisher bewährt, Naß dem Geseh waren bis zum 15. Oktober 625 000 Tonnen, bis zum 15. Dezember 1250 C00 Tonnen abzu- liefern. Die tatsählien- Ablieferungen auf die Umlage haben cinen sehr erfreulichen Umfang erreit und das Oktobersoll {on weit übers s{ritten. Sie belaufen si jeßt eiwa auf die Hälfte der Umlage, die erst am 15. Dezember d. J. fällig ist. (Hört! Hört! rechts.) Die landwirtsaftlihen Körperschaften und Organisationen haben ch fast überall für eine möglichst schnelle Ablieferung des Umlagegetreides în anerkennenswerter Weise eingeseßzi. Die Vorausschzungen für das Aufkommen der Umlage würden auf das äußerste gefährdet werden, wenn man den Versuch machen wollte, nachträglich die Umlage zu ev- höhen, Die Beteiligten würden darin nicht mit Unrechbt einen Bruch

Zusicherungen fehen, die ihnen bei Beginn des Wirischaftsjahres gemacht worden sind. (Sehr richtig! reis und in der Mitte.) Au muß nach- Lage der Verhältnisse eine glatte Untervertéeilung einer etwaigen Mehrbelastung als cine Unmöglichkeit bezichnet werden. Ich fehe biernach keinen Weg, auf dem dem Antrag der Frau Agnes ent- sprohen werden konnte und möchte {ließli aub noch darauf hin- iweiseit, daß die Mehlration von 200 Gramm, die gegenivärtig zu dem verbilligten Preise zur Ausgabe gebracht wird, genau so groß ist, wie die Nation, die das ganze vorige Wirischaftsjahr hindurch zur Ausgabe gelangt ist. :

Noch ein kurzes Schlufzoort zu dem Anirage Müller (Franken) auf eine andere Zusammenseßung des Aufsichtörats der Reichsgetreide- stelle. J darf dazu darauf hiniweisen, daß bercits jeßt eine aus- reihende Vertretung der Verbraucherschaft im Aufsichtsrat der Reichs- geireidestelle gegeben ist, und zroar 16, darunter 7 Mitglieder der Städte und 6 Arbeitnehmer, und daß aus diesem Grunde und im Hinblick auf den ganzen großen Apparat eine Erweiterung des Auf- ¡ihtsrats an sich unerwünsht ist, da er den ganzen Apparat kost- spicliger und komplizierter gestaltet. Je größer der Apparat, um fo teurer und unübersichtlicher ist die ganze Abwicklung der Geschäfte. (Sehr richtig! rets.) So sehr ih wünschen möchte, eine Vermehrung nicht eintreten zu lassen, so möchte ih doch vom Standpunkt des Er- nährungsministeriums aus besondere grundsäßliche Bedenken gegen die Annahme des Anirages nichts. geltend maden. (Bravo! rechts und im Zentrum.)

Abg. Remmele (Komm.): Die bisherige Debatte hat zweifellos ergeben, daß wir vor einem völligen Zusammenbruch unserer Ernährungspolitik stehen. Darüber sind wir uns alle einig; der Streit geht nur um die Frage: Wer ist {huld an der Ernährungskatastrophe? Darüber seinen sih auch - die- beiden kleinbürgerlihen Parteien unserer Regierungskoalition nicht ganz einig zu sein." Die Sozialdemokratie läßt durch den Abg. Fes eine geharnischte Kriegserklärung an die Junker er ehen, denen fie Mammonismus_ und Habsucht vorwirft; aber dieselbe Sozial- demokratie sißt in der Negterung, die als Landwirtschaftsminister cinen sehr nahen Verwandten dieser Ae estellt hai. Das Zentrum ließ durch seinen Vertreter, Herrw Ae eine Buß- predigt an die Landwirte halten. N enf nan, kann man wohl sagen, o beide Parteien darin einig sind, daß nur die Zwángswirtschaft uns aus der gegenwärtigen Situation retten ann. Fs dem aber so, dann hat Herr Hermes zurückzutreten, denm er vertritt geradezu den entgegengeseßten Standpunkt. Daß Herr Hermes zu gleicher Zeit auch noch das Tenor erun übernommen hat, ist eine ganz logishe Entwicklung der Dinge; nachdem er als Ernährungsminister Bankerott gemaht hat, wird er wohl als der geeignete Minister angesehen, um ah den Bankerott des Reiches

durchzuführen, |

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Herr Hermes hat der Linken vorgeworfen, fie arbeite nur Phrasen und Schlagworten. Demgegenüber muß ih sagen: seine Rede vom Freitag war nichts weiter als cine Sammlung vop Phrasen und Schlagworten. Herr Hermes sprach davon, daß wir unsere Getreidepreise den Weltmarktpreisen anpafsen müssen, Vill er dementsprechend au die Gehälter und Löhne -den Weltmarkt. gchästern und -löhnen anpassen? Fh bin überzeugt, wenn unser Arbeiter mit einer solchen Forderung kämen, würde er keine ander: Antwort haben, als sie mit blauen Bohnen zu füttern. Früher tvurden bei uns die polnishen Arbeiter mit Ret als Lohndrütey angesehen; heute sind die deutshen Arbeiter, un Fndustrie sowoh! wie in Landwirtschaft, solhe Lohndrücker, denn thr Lohn i dey niedrigste der ganzen Welt; in der Textilindustrie z. B. bleibt ey sogar nocch hinter dem der japanischen Kulis zurück. Herr Hermes hat gesagt, der Kartoffelpreis wäre durch sein Ministerium in Einverjiändnis mit den B aao auf 50 Mf festgeseßt worden, Wos hat denn eine solche Festjezung für einen Zweck, wenn die Landwirte dafür nicht liefern? Oder hat man mit einer solchen Fesistellung nur den Wucher feststellen wollen, der mit den Kar: toffeln getrieben wird? (Sehr gut! bei den Kommunisten.) Woll man wirklih den Kartofselwucher bestrafen, dann müßte man alle unsere Gefängnisse und Zuchthäuser leermahen, um die Kar- toffelwucherer überhaupt unterbringen zu können. Der Streit dreht sih heuic um die Frage: Zwangswirtschaft oder freie Wirk saft. Aber was man hier im allgemeinen unter Zwangswirtschast verstchi, und was man im Kriege als solhe ausgegeben hat, das war weder ein Zwang, noch eine Wirtschaft. (Sehr gut bei den Kommunisten.) Diese Zwangswirtschaft beschränkte si lediglich auf die Feststellung der Preise, während ste auf jeden Eingriff in die Wirtschaft selbst vollkommen verzihtet und außerdem au nur ein- zelne Produktionszweige in die Preisfestseßung einbezog. Eine wirkliche Inangviri chaft hätte nit nur die Landwirtschaft, son: dern auch alle Fndustriezweige, die mit ihr zusammenhängen, ui fassen müssen. Ebenso verlogen wie das Wort von der Zivangs- wirtschaft 1 das von der freien Wirtschaft. Was Sie (nah reDté) darunter verstehen, bedeutet nihts weiter, als daß diejenigen, die zahlungsfähig sind, ausgebeutet werden sollen, während die an- deren zugrunde gehen müssen. Jhre „freie Wirtschaft“ bedeutet nichts weiter als die N und den Unkergang des ganzen Volkes. (Zuruf rechts: Wie in Ÿ ußlaudl) Es wird nicht lange dauern, dann ivird ebenso wie für Rußland für Deutschland eine Hilfsaktion nötig sein. Im übrigen weiß dos russishe Volk, daß nidt éine Regierung an der Not {huld ist, sondern unabwendbare Mi iarevenine, wie sie in Rußland sih in Led ¿mäßigen Zwischen- räumen einzustellen pflegen, und deshalb ist Jhre Hoffnung auf den Sturz der Sowjetregierung hinfällig. Was die iFrage des test- rungêstreits anlangt, so liegt mir hier etn vertrau iches Rund- reiben des Brande irgen Landbundes vor, in ‘dem als Cbrcehemittel gegen die neuen Steuern ein Lieferungsstreik in Aussicht genommen und in dem auch shon genauje Anweisungen für seine Durchführung gegeben werden. Was hat unsere flein- bürgerliche Regierung zur Abwehr dieser Junkerherausforderung getan? Wenn von seiten der Arbeiter derartige. Pläne propagiert würden, so säßen diese Arbeiter shon längst hinter Shloß und Riegel, hier aber sicht man dem volksfcindlihen Treiben diejer Junker mit vershränkien Armen zu. Das kann im Staat der Wudcherer und Ausbeutec nicht wundernchmen. Diese Sabotage der Großagrarier hat natürlich Einfluß auf die Produktion; wir haben cinen Rüdckgang der Produktion an Getreide und aben um ein Drittel und nahezu die S gegen den hie e oit 1913 zu verzeihnen. Der Fleishkonsum ist im Fahre 192 gegen 1913 von 52 auf 20 Kilogramm zurückgegangen. Es hat nat selten in der Geschichte Zustände gegeben, in denen einzelne Velen aù_ den Laternenpfählen hingen. Wir haben jeßt ähnliche T zustände. Auch 1848 hat es einen Kartoffelkrieg in Berlin gegeben, ähnli den Vorgängen, die sich jeßt in Neukölln abgespielt ha en, Es kann kommen, daß andere Menschen über die Geschide des Volkes zu entsheiden haben. Edler von Braun, der Vorsizende des Reihswirtschaftsrates, hat in einem Vortrag in s fest- gestellt, daß für 35 Millionen Menschen in Deutschland kein :Geireie vorhanden set und daß unser Volk am Verhungern sei. Die Schuld

lieat an dem. Verbrechen der Großagrarier, die aus Profitsucht die |

Produktion gewaltsam zurückhalten. - Die südlichen Gebiete mit

“i mitileren und kleinen Bauéernstand find viel wentger am: 4

L : i E E ali üdgang der Produktion beteiligt als die Gebiete, nameni Trierer und Matienbana, ivo die großen Güter Po 7 ein Beiveis, daß der Rückgang des Ertrages nit an einer vat \Glecchterung des Bodens oder an Naturereignissen liegt, (0000 arch die verbrecerische Zurüchaliung der Großagrarier verschulde ist. Der Bauerndokior Dc. Heim hat zwei Seelen int Jener Q von denen er je nachdem Gebrau macht: wenn er'tm E spricht, von der Seele der Reihscnheit; wenn er zu jetnen n in Bayern spricht, von der Seele des Partikulacismus s Ra Kamvfes gegen das Reich. Weder ZwängswirsGaäst nos e Wirtschaft können uns Helfen, sondern nur die uar Sire N Bodens 1n den Besi deé Volkes. Wir fordern dic Ae s ug der aroßen Güter, die Verstaatlihung der Dimngemittelindu] f und die Unierstükung ter kleinbäuerlihen Seoane N das Reih. Das Volk wird si s{ließlich die Erfüllung Meier D cal

rungen erkfämpfen, die man ihm heute noch verweigert. (De i den Kommunisten.) S a A bei Abg. Rei ch (Komn. Arbeitégemeinschaft): Die Ban {haft ijt in Wahrheit gar keine solche gewesen. Das E N die landwirtschaftlißen Arbeiter auf den großen Gütern E A1 Kontroll- und Mitbestimmungsrecht haben müssen, um die L tage der Großgrundbesizer zu vereiteln. Wir wissen ganz Aen daß Kartoffeln nah dem Auslande verschoben werden. A E {läge der Unabhängigen gehen nicht weit genug. _Wegen ret wird kein Richter die Agrariex, seine Klassengenossen, Der O Abg. Ba hme ier (Bayer. Bauernbund): Van Mari M Meói Landwirtschaft einseitig für die Notlage Mgr an po O e Die Ansicht der Mehrheitssozialdemokratie, Daß die H N haft cin Allheilmittel sei, ist unrihtig. Wir Lan E Loben jahrelang unter der Zwangswirtschaft gelittéèn. An n bia: Preisen. ist niht der Landwirt, sondern der wilde Hande A Niemand bätte erwartet, daß das Brot des A Ls ; T u je solche Preise erreihen würden. Wir können festite N as überwiegende Teil der Landwirte das Gebaren [ar ema a i sid einzelne Landwirte zus{ulden kommen lassen. Im 2 au iet die oppe R S I Fn al Feil des n, erst allmählih hebt sie ch : E "Die gemeinsame Sache des Vaterlandes gebietet 2A im Vertrauen zusammenzuarbeiten, um au: vor per lac fr bestehen zu können. Den Antrag, betreffend Zang L n Kartoffeln, werden wir ablehnen, stimmen aber De E le des Konzessionszwanges auch für den Mere as 3 i 0A Debatten sind hier nußlos, wenn nicht die Produktio wird. Dazu wollen wix Landwirte alles tun,

Kräften stcht. (Beifall.) : : R Krüge x - Hoppenrade (D.-Nat.): Wir sind uns wo bewußt, daß cine tiefgreifende Aenderung der gegenw "n s{wierigen Ernährungsverhältnisse eintreten muß, ove 0 uns die von links angeführten Gründe für die jeßigen Sh Clan keiten nit sämtlih zu eigen machen können. Der r Remmele scheint die Besserung von einer Einführung as ru fommunistishen Wirtschaft zu erwarten. Er will also ch A leidenden Steine statt Brot bieten. Jn einer ganzen Anza an Kreisen ist das Markenbxot erheblich billiger als in Berlin. Stadt die Reichsgetreidestelle Mehl mit 165 pro. Zentner an die “bia Berlin, diese wieder den Zentner mit 180 M an den Großh

und dieser mit 185 A an den Bäcker abgibt, so darf diese Bi

teuerung niht dem Produzenten zur Last gelegt werden. = Aufhebung dexr Zipangswirtschaft hat in vieler Beziehung res gebracht, auch an den teurer Fleishpreisen in den Großstädten uf die Landwirte unschuldig. Die Verteuerung erfolgt auch hier A dem Wege vom Händler zum Verbraucher. Die Anbaufläche m Kartoffeln hat sich niht nux nicht verringert, sondern sie ist U

(Fortseßung aus der Ersten Beilage.) MSe 2 E

was in unseren

Not-,

zum Deutschen ReichLanzeiger und

Zweite Veílage

Berlin, Freitag, den 18. November

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Preußischen Staatsanzeiger

1921

ment

Nr. 270.

b S (Fortseßung in der Zweiten Beilage.)

220 000 Hektar gestiegen. Die Landwirte haben sich nach Freigabe der Kartoffeln nah râsten bemüht, eine möglihst gute Ernte zu erzielen. r die Ernte ist von vielen anderen Faktocen ab- hängig, an denen au der beste Wille unter Umständen scheitern fann und muß. Erhebliche Mengen von Kartoffeln sind iwaggon- weise zum Preise von 46, 47 A abgegeben worden. Dann aber famen die Scharen der Aufkäufer der Großindustrie und der Verbrauher und überschwemmten die Uebershúßgebiete und trieben die Preise ganz naturgemäß hoh. Aus den mit der Eisen- bahn beförderten Kartoffelmengen get hervor, daß von cinem o großen Mangel, wie er immer geschildert wird, nicht die Rede ein kann. Es waren zum mindesten genügend Kartoffeln im Lande. Es fragt sich nun, wo diese abgerollten Kartoffeln ge- blieben sind. Festgestelt worden ist in einem Falle, daß 11000 Zentner über die Westgrenze gegangen sind, un zwar auf Grund einer Ausfuhrerlaubunis der alliierten Ausfuhrämter in Ems. Es fragt si aub, ob die nach den beseßten Gebieten gesandten Kartoffeln auch im Rheinlande geblieben sind. Bei dem Valutaunterschied sind Verkäufe in das Ausland erklärlich; die Holländer kaufen z. B. den Lier Kartoffeln für eine Mark. Au die kolossal gestiegenen Eisenbahufrachten werteuern die Kar- toffeln, und nicht zuleßt ist die Verteuerung durch die Geld- entivertung etngetreten. Die Landwirte betrachten die Dinge durhaus objektiv, das beweisen auch einwandfreie Zeugenz der „Vorwärts“ stellte z. B. am 24. August fels daß die Fleishpretse piel stärker gestiegen seien als die Viehpreise, also der Handel den Gewinn gehabt hat. Auf diese unnatürliche Spannung zwischen den Viech- und SLIBALen haben auc die preußishen Minister des Junern un e Ernährung hingewiesen, und endlih haben die Unabhängigen jelbst am 29. Scptember an den Magistrat von Berlin eine Anfrage wegen der im Verhältnis zu den Viehpreisen viel Le gestiegenen C IGpreie im Kleinhandel gerichtet. Die „Vossishe Zeitung“ Hat auf die Devisenspekulationea durch russische, polnishe und galizishe Spekulanten hingewiesen. (Hört, hôri! rechts.) Ebenso hat das „Berliner Tageblatt“ darauf hin- gewiesen, wie Leute aus dem Osten oder sogar aus der Grenadier- straße, die man bekanntlich die jüdishe Schweiz nennt, sich in den Devisenhandel an der Börse eingedrängt haben. Alle Bedarfs3- artikel der Landwirtschaft sind im Preise kolossal gestiegen, die Kleie z. B. für die Viehfütterung von 4,50 # auf 200 A, eine Mähmaschine, die im Frieden 450 A kostete, kostet jest über 13000 f. Wie kann man da behaupten, daß Landwirte böswillig die Preise hochtrieben? Von solchen Landwirten, die Wucher treiben, sagen wir uns los. Wir haben mit Erfolg die Landwirte aufgeklärt und aufgefordert, opferwillig alles herzugeben. So hat der Landbund în verschiedenen Provinzen den Zentner Kartoffeln für 25 bis 30 Æ abgegeben, also geradezu verschenkt. (Widerspruch links.) Ich beweise Ihnen das, und verlange, daß Sie es anerkennen. Gru links.) Im Freistaat Sachsen ist allerdings die Aktion der andwirte von der Regierung durch Beschlagnahme der Kartoffeln be- einträhtigt worden. Auch in Hannover, in Bayern und sonst sind Kartoffeln billig abgegeben worden. Mit Kritik ändert man aller- dinas die Dinge nit, wir wollen praktische Vorschläge zur Ver- besserung machen. An Rußland können wir uns natürlih kein Beispiel nehmen. Zunächst müssen wir den wilden Handel in Me beseitigen; in dem Antrag der Bayerischen Volkspartei ¿über die Konzessionierung des Kartoffelhandels vermisse ih aller- dings die Sicherung des alten ehrlihen Handels, und in dieser Hinsiht muß der Antrag verbessert werden. Ferner muß jede Ausfuhr unterlassen und durch scharfe Ueberwahung verhindert werden, die Wagengestellung muß verbessert werden, die Ver- bindung 2wishen den Erzeuaern und Verbrauchern muß erleihtert werden. Oft konnten die landwirtshaftlichen Genossenschaften nicht an die Verbraucher herankommen. Als im Kreise Guben die Landwirtschaftlihe Genossenschaft die Kartoffeln mit 40 & anbot, wurden sie ihr niht abgenommen. Wenn die Kommunisten uns nah russishem Muster mit Gewalt drohen, so lassen wir uns das niht gefollon, wir werden den Gewalttätigkeiten rechtzeitig zu be- gegnen wissen, wir denken nicht daran, uns von den Kommunisten Uberlaufen zu lassen. (Unruhe links.) Der Weizen der Kommu- isten blüht allerdings nur auf dem Boden der Unzufriedenheit, aber niemals in einem geordneten Land; nur ein Staatswesen, das am Boden liegt, kann folchen Kommunismus haben. Durch die ewigen Parteistreitigkeiten bessern wir nichts. (Widerspcuch auf der Linken; Gegenrufe rets.) Die wirtschaftlihen Ver- hältnisse der Arbeiterschaft waren unzweifelhaft vor dem Kriege besser als jeßt. (Sehr richtig! rechts; Unruhe und Zwischenrufe auf der äußersten Linken; Glocke des Präsidenten.) Wenn Sie gur Linken) der Landwirtschaft immer wieder längst widerlegte orwürfe maden, so ereihen Sie damit nit das (Wrir-e, Venn unser Volk nicht dazu kommt, daß es si eine solhe Be- handlung seiner wichtigsten Lebensintere|jen verbiitet. dan mmen wir nicht aus der Not heran8 Ner duer% gome! "o Arbeit können wir zu einer besseren Zukunft gelangen. Wenn die politishen Parteien, die jeßt im Reicystag vertreten jind, ni.yt u dieser Erkenntnis kommen, dann wird boffentlih dos deuts%he volk dies einschen. Sie (zur Linken) werden dann sehr shlecht schneiden, Sie werden Rechenschaft ablegen müssen über die Vec- hebung, die Sie getrieben haben. Wir „sehen dem Urteil des Volkes E entgegen. (Lebhafter Beifall rechts; Zwischen-

tufe links.

Abg. Fran Schuch (Soz.): Der Vorredner hat uns dorgeworfen, wir kämen immer dann mit Anklagen, wenn wir niht weiter wüßten. (Sehr ridhtig! rechts.) Wir werden aber immer im den Vordergrund rüdcken, daß Sie (zur Rechten) die tigentlih Schuldigen an dieser Not sind. Die usführungen der leßten Redner könnten den Anschein erwecken, als ob es sih hier nicht um die Not des Volkes, sondern um die Not der Landwictschaft hondelt. Wie diese Not der Landwirtschaft beschaffen ist, geht aus Ausführungen in einem landwirtschaftlichen Blatte hervor, wo u. a. esagt wird, daß die Sucht nah Luxus die Landwirte wie eine Krankheit ergriffen habe. \rundbesiter, kaufen alles Wbringen, das sie aus der Not des Volkes gewonnen haben. hon im August und September ist der Reichsernährungsminister uf die Folgen hingewiesen worden, die ih aus einem Versagen der Kartoffelbelieferung ergeben müßten. Die Art, in der der Reichs- ernôhrungsminister am Freitag über die wirtschaftlihe Not des

olkes spra, war so, daß wir einen derartigen Ton in diesem |

usammenhang nicht méhr zu hören wünschen. (Sehr richtig! Minister Las bath. a. auch darauf hingewiesen, daß

| daß die Landwirtschaft etwa freiwillig Lohnzulagen mit Rücksicht auf

{ die

Die Landwirte, besonders die Groß- | Mögliche auf, um nur das Geld unter- |

user Geld kaum noch den 50. Teil seiner alten Kaufkraft besikt. Da

it die Gegenfrage gestattet: Sind denn auch die Gehälter und Æhne in nur annäherndem Verhältnis gestiegen, wie dic Kaufkraft der Mark gesunken ist? Das ist niht der Fall die bestbezahlte Arbeiterkategorie erhôlt etwa 500 Æ pro Woche. Die Folge der wirtsHaftlihen Not der breiten Masse ist die, daß die Arbeiter Ueberstundon leisten, und daß sie statt 8 Stunden 9 Stunden zu beiten si gezwuntgenermaßen bereit erklären. Die Folge hier- eite eerum ist eine neue Erbitterung und Zerklüftunqg der

lerMaft. Xrade die Gefahr der Durhbrehung des Atstundentages ab-

¿en müssen, indem wir für cine Entlohnung forgen, die den bestiegenen Lebensmittelpreisen einigermaßen entspriht. Davon,

Den Herren von links möchte ich fagen, daß wir

Preissteigerungen gemacht hat, hat man nit das Gevingste gehört. Die Einmietung der Kartoffeln ist durchaus nicht allein zu- dem Zweck geschchen, um im Frühjahr Vorräte zu haben, sondern man spekuliert auf höhere Preise. Vielfach sind die Lieferungs- vertrage nit gehalten worden, nit eiw einziger Zentner wurde geliefert. Man ließ die Leute hungern und stellte sich auf den Standpunkt: Fhr könnt uns ja verklagen. Die Bewucherung der Arbeiter wird sih s{chwer. rächen, das arbeitende Velk kann das_ nit länger dulden. Leider gibt es noch viele Leute, die sih an der Not des Volkes bereichern. (Beifall bei den Sozialdemokraten.)

Damit sind die Fnterpellationen erledigt.

Eingegangen ist ein Antrag Bar (Komnm.):

Die Erklärungen des Reichsministers Dr. Hermes zu den vorliegenden Fnterpellationen entsprehen nicht den Anschauungen bes Reichstags. Der Reichstag mißbilligt das Verhalten des Dr. Hermes.

Dieser Anirag findet zwar die notwendige Unterstüßung von 20 Abgeordneten bei den Unabhängigen Soz, und den Kommunisten, wird aber dann gegen die Stimmen der beiden fommunistishen Parteien und der Unabhängigen Soz. abgelehnt.

Die Anträge zu den Ernährungsfragen werden dem Volkswirtschaftsausshuß überwiesen.

Vizepräsident Dr. Bell schlägt nunmehr vor, die nächste Sizung auf Freitag, 1 Uhr, anzuberaumen mit der Tages- ordnung: Anfragen; Geseßentwurf über den Weltpostvereins- vertrag; Gesebentwurf, betreffend Notstandsmaßnahmen für Rentenempfänger aus der Fuvalidenversicherung; Junter- pellation, betreffend das Verbot der Landung russischev Schiffe im Stettiner Hafen; Bericht des Rechtsaus\schusses über die Anträge, betreffend Aufhebung der Ausnahmeverord- nungen.

Abg. Koenen (Komm.) beantragt zur Geshäftsoxdnung, auch den Amnestieantrag seiner Partei mit auf die Tagesordnung zu [chen Zur Begründung seines Antrags führt er aus: Seit Sonnabend sind politishe Gefangene im Hungerstreik. Alle diese Männer, die vorher unbestraft waren, sind nur wegen politischer Vergehen eingesperrt worden. Es ist unbedingt notwendig, morgen die Uinnesllvfraas zu behandeln. Die Familien der Gefangenen, unschuldige Frauen und Kinder dürfen nicht dem Hunger und dem Elend preisgegeben werden.

Ahg. Ledebour (U. Soz.) bittet, dem Antrag Koenen statt- zugeben. Es handle sich ja heute gar niht um eine e Entscheidung, eger nur um die Möglichkeit, morgen über das Schicksal von Männern zu sprechen, die aus politishen Gründen im Gefängnis siven.

Abg. Marx (Zentr.): Der Amnestieantrag ist von der Kom- mission abgelehnt worden, er wird wohl auch hier zur Ablehnung kommen, weil durch die Form die Möglichkeit der Annahme nicht Men ist, Es handelt si hier nur um eine Demonstration. Der Aeltestenrat hat heute eine Reibe eiliger Dinge für morgen auf die Tagesordnung geseßt. Herr Koenen hätte mit seinem Antrag {on im Aeltestenaus\chuß kommen sollen; er hat nux gefragt, ob der Amnestieantrag mit den Anträgen auf Aufhebung der Ver- ordnungen des Reichspräsidenten zusammen beraten werden werde. Das ist verneint worden und ihm gesagt worden, darüber ge ein besonderer Kommissionsbericht erstattet. Darauf hat Herr Koenen gar nihts mehr geäußert. Nachdem wir uns im Aeltestenrat Uber die Tagesordnung geeinigt haben, schen wir uns nicht ver= anlaßt, zumal wir keinen Nußen von der Debatte erwarten, diese Dinge noch auf die Tagesordnung zu seßen.

Abg. Ledebour (U. Soz.): Der Vorfall mit dem Hunger- streik ist uns erst nah der Sißung des Aeltestenrats zur Kenntnis geflommen. (Bewegung rechts.) Das ist eine Tatsache, die Sie (rets) nicht zu begrinsen brauchen; Sie zeigen nur den Mangel an menshlichèm Gefühl.

Abg. Koenen (Komm.): Wir haben unsern Antrag gestellt, um dem Reichstag die Gelegenheit zu geben, den Opfern der Klassenjustiz zu helfen. Die praktische Möglichkeit dazu ist gegeben, wenn dem Amnestieantrage eine Form gegeben wird, die die Freîi= lassung ermögliht. Die zugesagte Nachprüfung der Urteile der Ausnahmegerichte, die bis zum 1. April erfolgen soll, hat sih als nicht ausreichend erwiesen. Bis zu diesem Zeitpunkt können zahl reihe Opfer der Justiz zugrunde gegangen jein. Es scheint aber, daß Sie dies wollen.

Dev Antrag Koenen wird gegen die Stimmen der sozialistishen Parteien abgelehnt.

Abg. Mumm (D. Nat.) beantragt, auf die Tagesordnung der morgigen Sizung die erste Lesung des Schulgeseßes zu seßen. Der Geseßentwurf sei bereits am 22. April 1921 dem Reichstag zu- gegangen, so das also 7 Monate verstrichen seien, ohne daß die erste Beratung stattgefunden habe.

Der Antrag Mumm wird gegen die Stimmen der Deutschnationalen und der Deutschen Volkspartei abgelehnt. Es bleibt bei der vom Vizepräsidenten vorgeschlagenen Tages-

ordnung. Schluß nach 734 Uhr.

Preußisher Landtag.

66. Sißung vom 17. November 1921, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger *).)

Nachdem eine große Reihe vo®Eingaben aus Beamten- freisen zur Ortsflasseneinteilung ohne Erörterung dem Staats- ministerium als Material überwiesen worden sind, wird die Vorlage wegen Aenderung der Amtsgerichtsbezirke Belzig und Treuenbrießzen in allen drei Lesungen gleich- falls ohne Debatte erledigt und unverändert angenommen.

_ gur ersten Lesung steht sodann der Geseßentwurf über ie

enderung der Geseze, betreffend die Ablösung von Reallasten.

Der Eniwurf will folgende, mit dem Tage der Verkündung des Geseßes in Kraft tretende Bestimmung treffen:

„Bis zum Erlaß eines Geseges, dur das die in den Gesetzen über die Ablösung von Neallasten getroffenen Vorschriften über die Ermittlung des der Ablöfung zugrunde zu legenden Iahreswertes anderweit geregelt werden, fönnen Neallasten nur abgelöst werden, wenn zwisden ten Berecßtigten und den Verpflichteien über die Höbe e As öugrunde zu legenden Jahreswertes Einverständnis

eht.

; *) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind,

der

|

Der Entwurf trägt den Charakter eines Sperrgesezes und will für den ganzen Staat cine Einheitlichkeit herbeisühren. Das Recht, auf Ablösung anzutra en, soll niht beschränkt werden, es soll aber verhütet werden, daß die Beteiligten gezwungen sind, zu Säßen abzulösen, die den heutigen Werten nicht ent- sprechen.

Abg. M ü ll er - Hameln (Soz.) : Die Reallasten ragen als cit Stück Vergangenheit wie eine alte Nuine in die Gegenwart bincin und entsprehen dem modernen Geist niht mehr. Man foll fie sobald wie möglich beseitigen. Das ist unser grundsäßlicher Standpunkt. Im gegenwärtigen Moment aber, wo die Äblösung dur die Verpflichteten unter Umständen angesichts der Umwertung aller Werte, der Ent- wertung der Mark für die Berechtigten ungeheueren Schaden zur Folge haben fönnte, find wir dagegen. Wir begrüßen dic Vorz lage, halten sie aber für erweiterungsbedürftig und werden event. in der zweiten Lesung eine Aenderung dahin beantragen, daß dic Ab- [ösung von Reallasten verboten wird, bis die Ablösung des Neal- gemeindevermögens durchgeführt ist. Wenn die Besitenden ihrer Verpflichtungen ledig werden follen, müssen auch gleichzeitig ihre bezüglichen Vorrechte aufhören. Mit dem „Einverstänvnis“ ist nit viel gewonnen ; man weiß ja, wie leiht, namentlich in kleinen Orten und auf dem platten Lande, dur Vetternshaften u. dergl. eine folie Vorschrift umgangen werden kann.

Die Vorlage wird an den Rechtsauss{chuß überwiesen, ebenso ein Geseßentwurf, betreffend Ergänzung der Verorönung über die Zwangsauflösung der Familiengüter und Hausvermögen vom 19. November 1920, der Familiengüterverordnung in der Fassung vom 30. Dezember 1920 und des Gesetzes über die Aufhebung der Standesvorrechte des Adels und die Auflösung der Hausvermögen vom 23. Juni 1920.

___ Es folgt die erste Beratung eines Ges eßentwurfs, betreffend die Einfühung der Grundsäße der Ver- hältniswahl für die Wahl der Vertrauensmänner des Ausschusses zur Wahl der Schöffen und Ge- \hworenen-

Abg. Dr. No senfeld (Soz.) wünscht nicht, daß in die Wahl der Laienrichter politische Gegensäße hineingetragen werden, das würde für die Nechtsprechung zu unerhörten Mißständen führen. Anderer- seits seien Vorkehrungen zu treffen, um eine ordnungsinäßige Z1- sammenfezung des Richterkollegiums zu gewährleisien, und das set nur dur die Verhältniëwahl mögli. edner befürwortet dic Ver- weisung der Vorlage an den Ausschuß für NRNechtêwesen.

Das ns beschließt enisprehend.

Es folgt die erste Beratung des Geseßentwurfs über den Sig des Landeskulturamts für die Provinz Schleswig-Holstein.

bg. Brecour (Soz.): Bei der Auswahl des Sigtes tes Landeskulturamts Schleswig - Holstein muß man darauf edacht nehmen, daß Kiel namentlich dur den Zusammenbruchß unserer Marine notleidend geworden ist, auch in anderer Hinsicht ist ein neues Amt in Kiel besser zu organisieren als in Schleêwig, wohin dicses Landeskulturamt nach der Vorlage gelegt werden foll. Auch die Cisenbahnverbindungen find nah Schleswig mangelhaft, so daß den- jenigen, die mit diesem Amt zu tun haben werden, große Kosten und Zeitaufwendungen zugemutet werden würden. Kiel dagegen ist bereits der Sitz der verschiedensten Aemter, die mit tem Landeskulturamt zu tun haben werden. Würde Schleswig gewählt werden, so müßten auch sonstige Provinzialanstalten dorthin verlegt werden. Nednez bes antragt Ueberweisung der Vorlage an den Hauptausschuß.

Abg. Dr. Leidig (Dvp.): Schleswig ist die alte Nesidenz 4s Landes und wird von den Dänen als Meittelpunkt des Landes be- trahtet. Nachdem in leßter Zeit eine Reihe von Behörden Scbles- wig genommen worden sind, muß man dieier Stadt eine neue Unter- stüßung zuteil werden lassen. Schleswig wurde früher es liegt schon etwas lange zurück —, vor 200 Jahren, ‘das Hamburg des Nordens genannt. Wir dürfen Dänemark gegenüber keine S{wäde zeigen, indem wir eine Behörde“nach der andern aus ter Nordmark wegnehmen. Dieses Land ist deutsch und muß deuts bleiben, unter stügen wir wenigstens das Deutschtum durch diese kleine Maßnab me.

Abg. Hoff (Dem): Kiel ist gecigneter als Schleswig. Will man konsequent sein, dann muß man das Landeskulturamt nicht nach Schleswig, sondern in das noch gefährdetere Flensburg legen.

Abg. Dr. Dryander (Dnat.): Wir sind bereit, die {weren Ausfälle der Stadt Kiel auszugleichen, die sie durch den Ausfall des Kriegshafens erlitten hat. Sache der Neichsregierung is es aller: dings, die Eisenbahnverbindung nach Schleéwig erbeblih zu ver- bessern In Schleswig-Holstein liegen noch aroße Flächen, die urbar zu machen sind, und das gerade ist die Aufgabe des Landeskulturamts. Aus dänischen Zeitungen geht hervor, daß südlih der Grenze eine große Propaganda getrieben wind. Gerade dur &Fördernng des Siedelungs- und Meliorationêwesens können wir dem entgegenarbeiten. Ich ies deshalb dringend, als Siy dieses neuen Amtes Sch!eêwig zu wählen. -

Abg. Shmedding (Z.) spricht sich auc für Aus\{ußberatung aus, hält aber den Landwirtschaftlichen Aueichuß für geeigneter als den Hauptausschuß. Nach seiner Meinung schienen die gewichtigeren Gründe für Schleswig zu sprechen. j

Um 4 Uhr wird die Verhandlung unterbrochen und zur Abstimmung über die Anträge zur Vertrauensfrage für das neue Kabinett geschritten.

Jn namentlicher Abstimmung wird der von den vier Koalitionsparteien gestellte Antrag: „Der Landtag billigt die Erklärung der Regierung und spricht ihr das Vertrauen aus“ mit 198 gegen 99 Stimmen angenommen. Damit erledigen sich die von den Deutschnationalen und gemeinsam von den Unabhängigen Sozialisten und Kommunisten, beantragten Miß- trauensvoten. :

In der Fortseßung der ersten Beratung des Geseßz- entwurfs, betreffend die Errichtung eines Landes- kulturamts für Schleswig-Holstein, tritt

Abg. Brecour (Soz.) dem Abg. Dr. Leidig entgegen.

._ Abg. Jürgensen (U. Soz.) erklärt si namens feiner Fraktion für Kiel als Sitz des Landeskulturamts.

Mit den Stimmen der Deutschnationalen, der Deutschen Volkspartei und des Zentrums, wird die Vorlage an den Land- wirtschaftsaus\huß überwiesen.

Die Novelle zum Gesez, betreffend die Be steu e- rung des Hausierbe triebs, wird ohne Erörterung dem Aus|\chuß für Handel und Gewerbe überwiesen.

Jn der ersten Veratung der Vorlage wegen Uceber- iragung der Steuerverwaltung der jüdishen Syna- gogengemeinden auf die Reichsfinanzbehörden findet eine Erörierung nicht statt.

An gleicher Weise wird ein Gese entwurf über die Erhöhung der Katasterfortschrceibungsgebühren in erster Lesung erledigt.

Es folgt die erste

Beratung des Geseßentwurfs zur Aenderung des Fel : Í s d

- und Forstpolizeigeseßes der