1921 / 272 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 21 Nov 1921 18:00:01 GMT) scan diff

weigert, der ersten Aufführung eînes Stückes von ihm beizu- wohnen. Auf eine Beshwerde hat man ihm die Kost entzogen und die Einzelhaft über ihn verhängt. Man hat es ihm auch ver- weigert, die Behauptung in der Presse zu berichtigen, er stehe mit dem Reichskommissar für die öffentlihe Sicherheit Weismann in Beziehungen. Eine Beshwerde an den bayerishen Justizminister hat die Pg ar atun niht abgehen lassen, die einzize Ant- wort auf Tollers Beschwerde war eine Woche Einzelhaft, verbunden mit Kostentziehung. Was gedenken Sie, Herr Reichsjustizminister, zu tun, um diesen Zuständen abzuhelfen? Einem anderen {wer magenkranken Festung8gefangenen hat man die von ihm ge- wünschte ärztlihe Behandlung verweigert. Man hat dem Kranken- verboten, Licht anzuzünden, und ihn auf eine Beschwerde eben- falls mit Einzelhaft bestraft. Dieser Gefangene ist durch die unmershlihe Behandlung zu einem Selbstmordversuh getrieben worden. Jst es angesichts dieser Zustände übertrieben, von einer bayerischen R zu sprehen? Die Zustände in der preußischen Enge anca cihtenburg sind denen in den baäyerishen Gefängnissen preich, Die Zustände in dieser Anstalt sind eine Schande für die deutsche Republik, dieser Schandfleck muß beseitigt weren. Seinerzeit hat ein sozialdemokratisher Ahb- geordneter ausdrüdlich erklärt, A vom juristishen Standpunkte aus es zweifelsfrei sei, daß das Reich die Befugnis habe, eine auch für Bayern geltende Amnestie zu erlassen. Dieser Abgeordnete war der jeßige Reichsjustizminister, der im Rechtsausshuß erklärt hat, der Erlaß einer Amnestie auch für Bayern müsse an der bayerishen Zustizhoheit sheitern, Die neue Regierung ist nun wochenlang am Ruder und hat das Verlangen nah Amnestie nicht erfüllt. Es handelt sich nicht nur um die Gefangenen selbst, sondern um Tausende und aber Tausende von Frauen und Kindern, die verhungert wären, wenn die Arbeiterschaft nit hilfsbereit hinter ihnen gestanden hätte. Wenn jemand im Bezirk Naumburg

vor Geriht kommt, so muß ein jeder Verteidiger sagen: Jch be- daure, daß Sie unter das Regime des Oberstaastanwalts von Naumburg kommen. (Zuruf bei den Kommunisten: Bluthund!) Redner verliest Stellen aus einem Bericht des Abg. Kay, der die im Hungerstreik stehenden B besucht hat. Es heißt darin: „Nie sah man ergreifendere Szenen proletärisher Solidarität; die _ Beamten gehen gerührt und ershüttert hinaus; der Anstalts- eisilihe ist nah Berlin gefahren, um den Justizminister um Ab- _ hilfe zu bitten.“ Die gesamte Berliner Arbeiterschaft, so fährt

Redner fort, wird in den Streik eintreten, wenn niht endlich Remedur geschaffen wird. Hinter diesem Streik werden die sozia- listischen Sareteieat aller Richtungen stehen und alle Widerstände in den Geweckschaften werden weggefegt werden. (Lebhafter Beifall auf der äußersten Linken.) Wix stehen vor einer ernsten Situation. Bedenken Sie, daß Sie auf einem Pulverfaß sigen, und welche Ge- fahren verknüpft sind mit dem Aufrechterhalten des rigorosen Systems gegen politishe Gefangene. Wenn der Reichstag versagt, wird die Arbeiterschaft niht versagén. (Beifall auf der äußersten Linken.)

Abg. Koenen (Komm.): Der Gesehentwurf selbst dürfte nur den Wohlhabenden zugute kommen. Wir werden uns bestreben, ihn. zu verbessern. Unjer Antrag auf Einseßung eines parlamenta- cishen Untersuchungsausshusses zur Untersuhung der Lage in den Gefängnissen dürfte nah dem Gang der Verhandlungen hier wohl als angenommen gelten. Auch die Zustände in Berliner Gefängnissen find fürhterlih. Der Gefängnisbeirat berichtet

B., daß in Tegel Mißhandlungen von Gefangenen beinahe zur Hegelmäßigkeit gehören. Der Rechtsausshuß des Reichstages ist {huld daran, daß die Amnestie abgelehnt ist. Die Mehrheit des Reichstages trägt die Verantwortung für alles, was sich aus der Zuspizung der Ereignisse sih ergeben hat.

Hierauf nimmt der Reichsjustizminister Dr. Radbru ch das Wort, dessen Rede wegen verspäteten Eingang des Steno- gramms erst in der nächsten Nummer d. Bl. im Wortlaute wiedergegeben werden wird. :

: Abg. Dr. Rosenfeld (U. Soz.): Die Ausführungen des Herrn. Ministers haben mi geradezu ershüttert. (Heiterkeit)

Seine Rede wird von der Arbeiterschaft beurteilt werden als ein Beitrag dafür, daß auch der beste Sozialdemokrat in einer bürger-

lihen Regierung nihts ausrichten kann. Die Justiz wird bei uns eben erbarmungslos durhgeführt, gleihgültig, ob ein Volk3- parteiler oder Sozialdemokrat Justizminister ist. (Zwischenrufe bei den Sozialdemokraten.) Mit Hilfe der Sozialdemokraten sind die Zustände in den Gefängnissen s{hlechter geworden, als sie im November und Dezember 1918 waren. (Widerspruch und Zu- rufe bei den Sozialdemokraten.) Der Minister hat absolut kein Recht, sich auf den vorliegenden Gesehentwurf etwas einzubilden, Und es ist geradezu lächerlih, wenn er auf Vorshläge wartet, statt von selbst etwas zu tun. Es ist befremdlih, wenn der Minister erklärt hat, eine Amnestie sei rechtlich zulässig, aber politisch nicht lug. Und wenn der Minister weiter erklärt hat, daß er das Auf- sihtsrecht des Reiches geltend machen wolle, jo gibt er damit zu, daß er bisher in dieser Beziehung nichts getan hat. Der Minister weiß anscheinend noch nicht, wie das geschehen soll. Tief bedauer- Tih ist es, wenn ein sozialdemokratischer Minister den Hungerstreik als eine heroische Torheit bezeihnet. Dieser Aus\spruch wird ihm anhängen, solange er in der Oeffentlichkeit steht. (Lebhafte Zu- stimmung auf der äußersten Linken.) Gewiß ist dieser Hunger- streik eine Demonstration, aber eine, die wir niht verurteilen können. Auffallend war es au, daß der Minister darauf hin= gewiesen hat, daß nach dem verlesenen Briefe die Gefangenen sih niht über die Gefängnisverwaltung in Ltchtenburg beschweren. Wenn die Gefangenen von Beschwerden absehen, so tun sie es nit, weil sie keinen Anlaß dazu ‘haben, sondern nur, weil ihnen der Beschwerdeweg aussihtslos ersheine Wir stehen hinter dem Hungerstreik, weil wir es für unsere Aufgabe ansehen, diesem Verzweiflungsakt zum Erfolge zu verhelfen. Wenn der Reihhs= justizminister weiter erklärs hat, er denke nit daran, vor dem Hungerstreik zurückzuweichen, so sei darauf hingewiesen, daß wir - eine gleihe Erklärung vom Regierungstische aus schon öfter gehört haben. Sie, Herr Reichsjustizminister, sind damit auf dem besten Wege, ein würdiger Nachfolger des Herrn v. Puttkamer zu werden, Wir wollen keine Gnade, sondern Recht, keine Begnadigung, sondern Amnestie. (Lebhafter Beifall bei den Kommunisten und Ünabhän=- gigen.) Die Zeiten sind vorbei, da man durch Gnadenerweise das Volk einlullen konnte. Wir geben unsern Kampf nit eher auf, ‘als bis fih aud den politishen Gefangenen die Tore der Ge- fängnisse öffnen. ;

Perauf nimmt abermals der Reichsjustizminister Dr. Rad- bruch das Wort, dessen Erklärung a Eingang des Steno- gramms im Wortlaute wiedergegeben werden wird.

_ Abg. Dr. Levi (Komm. Arb.-Gem.): Zu der heroishen Tor- heit, wie es der Justizminister nannte, sind die politishen Ge- fangenen aus tiefster Not bewogen worden. So wie Herr Radbruh haben bisher alle Minister acibtoBar, die an dieser Stelle saßen. Wenn er keine andere „Staatsweisheit hat al3 den Schuß der Autorität, so ist das eben die alte traurige Staatsweisheit der preußischen Regierung. Die Zahlen des Justizministers sind kein Beweis für die Durchführung der Amnestie, sondern nur für die Barbarei und Grausamkeit der Urteile, die eben nicht aufrecht er- halten werden konnten. Die Autorität des Staates wird nur durch das Recht E

Abg. Koenen (Komm.) macht eine Anzahl von Betrieben Berlins und Umgebung namhaft, deren Arbeiter einmütig gegen die Behandlung der politishen Gefangenen protestierten. Die Pro= teste, so fährt Redner fort, enthalten zahlreiche Unterschriften auch von sozialistishen Arbeitern. (Abg. Lübbring ruft: Die habt Fhr wohl gemacht! Abg. Höllein ruft darauf dem Abg. Lübbring zu: Nur \o ein verkommenes Subjekt wie Du kann so etwas sagen!) Der Minister Radbruch hat nichts getan, um die Urteile der Sondergerihte zu korrigieren. Wir brauchen gar niht mehr die Stinnes-Koalition abzuwarten, Radbruch ist der typishe Stinne3- Minister. (Stürmische anhaltende Heiterkeit.) Der Minister fragt,

für die Arbeiter dex Linken wie füx die Hochverräter der Rechten gilt. Minister Radbruch ist aber ein Minister der Klassenjustiz, Die cineu läßt man frei, die anderen läßt man. verrecken. Der Sozialdemokrat Radbruh macht eine Verbeugung vor der Reaktion. Wenn die Gfangenen von Lichtenburg sterben, hat er sich den Ruhm rworben, in die Gallerie der Bluthunde der deutschen Reaktion cingereiht zu werden. (Beifall auf der äußersten Linken.) Abg. Ledebour (U. Soz.): Jh habe die bemerkenstoerte Tatsache festzustellen, daß die sämtlichen Parteien von den Rechis- sozialisten bis zu den Deutshnationalen auf das Wort verzichten, weil sie sich alle zusammen genügend durch den Justizminister Radbrucch vertreten schen. E lärmende Zustimmung auf der äußersten Linken.) Das ist die einfache Feststellung einer fa Be die allerdings politishe Bedeutung für die Arbeiter- klasse hat. Wenn der Minister meinte, eine Amnestie für Bayern durch das Reich sei zulässig, aber politisch nicht ratsam, so hat er damit nur bestätigt, daß er sih bei Erledigung der allerwichtigsten Rechtsfragen aus ließ ih von politishen Rücksichten leiten läßt, Zuruf reis: Er ist ja doch auch Jhr Vertrauensmann!) Wir aben der Regierung die Lösung etner bestimmten politischen ufgabe zugewiesen, aber uns vollkommene Saug int einzelnen Falle vorbehalten. Tut sie etwas, war wir billigen können, werden wir zustimmen, tut sie etwas, war wir verurteilen müssen, so werden wir sie sharf angreifen. Wir treiben eben eine rein sahlihe Politik. (Gelächter rets.) Die Argumentation des Ministers mit der Erklärung der Sowjetregierung war höchst un- lüdlih, denn damit mat er die russishe Sowjetregierung în threr O Haltung maßgebend sür die deutshe Regierung. Wir mißbilligen und tadeln diese Erklärung der Sowjetregierung, wie wir überhaupt ihre terroristishe Politik in Grund und Boden vérurteilen. Aber das Erstaunliche ist’ „daß jeßt ein Minister dex gegenwärtigen Koalitionsvregierung sich mit dieser Erflärung Ter russi chen Regierung zu rehtfertigert uht. Herr Minister Rad» bruch, ich bedauere Sie, daß Sie sih in dieser P die Sowjetregierung bun uster nehmen. Als der Abg. Koenen mitteilte, daß die hier ershienenen Vertreter der größten Betriebe Berlins, als sie von der Rede des Herrn a E n gehört hatten, erklärten, sie verzihteten nunmehr darauf, sich mit dem Herrn Minister zu unterhalten, da rief dex Herr Polizeipräsident Lübbrin aus Kömgsberg: Das ist organisierter Shwindel. (Sehr wahr: rets.) Jh stelle erstens fest, daß Sie von der Deutschnationalen Partei begeistert diejer polizeipräsidialen Bemerkung zustimnien, und ich stelle zweitens fest, daß das, was der Herr Polizeipräsident als organisierten Schwindel bezeichnet, ein Eintreten der gesamten Berliner g H zugunsten der hungernden und verhungern- den Arbeiter in Lihtenburg 1st. Während sich das hier absptelte, haben abermals Vertreter dieser Arbeiter, und zwar Angehörige aller sozialistishen Parteien, über die Sache verhandelt, und da hat ein Vertreter der rechtsjozialistishen Partei seiner Empörung über das Auftreten des Herrn. Ministers Radbruch- und über das Verhalten der rechtssozialistishen Partei zum Ausdruck gebracht. (Gelächter und Rufe: r ist der Mann) Er heißt Thormann und wohnt in Lichtenberg; er ist Mitglied Fhrer (zu den Mehr- heitssozialdemokraten) Partei, und wenn Sie das verhöhnen und begrinten, so ändern Sie damit nihts an der Tatsache, sondern Ae damit nur, daß Sie bereits so vergörlißert sind, daß JFhnen jedes Empfinden dafür abgeht, daß hier das Ae Vesamtenwfinben der Arbeiterschaft mit Füßen getreten wird. Die Auseina ezungen, die wir heute gehabt haben, Hte be- wiesen, welche verhängnisvolle Wirkung Fhr (zu den Mehrheits- E, intritt in die Koalitionsregierung gehabt hat. Herr Minister Radbruch hat heute schon die rbeiter, die gegen diese ganze Politik aufgetreten E als „unsere Feinde“ bezeichnet. (Zuruf bei den Mehrheitssozialdemokraten: Feinde der Republik!) Nein, das sind keine Feinde der Republik, das sind nur Feinde der kapitalistishen Verseuchung dieser Republik. Aber das wird aufklävend auf die Arbeiterschast wirken, und sie wird nicht ruhen, bis ihre-Forderung- auf Erlaß: einer Amnestie für. die politischen Gefangenen ‘erfüllt ‘ist. (Beifall- links.) s e Dae Abg. Müller # Franken ‘(Sog.): Jh habe nicht ‘die Absicht, auf die Ausführungen des Herrn Ledebour über die Koalitions- olitik einzugehen. (Zurufe links: Das können wir Fhnen nah- fühlen!) glaube, dazu reizt auch das Thema nicht, das zur Debatte steht. Die Arbeiterschaft Deutschlands hat die Haltung, die wir in oer, vage eingenommen haben, verstanden; das Les erst die hlen in Baden bewiesen, und das werden am onntag über aht Tage die Wahlen in Hessen beweisen. Wir N aus unserer ganzen Parteivergangenheit heraus das vollste rständnis für. die Mißstände, die hier zur Debatte stehen. O darf nur davran erinnern, wieviele von uns, darunter auch der Herr Reichstagspräsident Löbe, wegen Ge politishen Ueber- zeugung Jahr und Tag im Gefängnis f essen haben. Wir sind also durhaus im Bilde (Zuruf links: Ausgerissen seid ihr!) und haben volles Verständnis sür das, was geschehen ist, obwohl wir niemals zum Hungerstveik gegriffen haben und auch .niht aus- gerückt sind, wie es Herr Brandler von der kommunistishen Partei etan hat. Zu der Rede des Herrn Justizministers möchte ih eststellen, daß unsere Fraktion, wie sie durch ihre Zustimmung bereits bewiejen hat, seine Auffassungen vollkommen deckt. (Hört, hövt! links.) Der Justizminister hat eine allgemeine Amnestie abgelehnt. Das entspricht durchaus den Beschlüssen, die unsere Fraktion hierzu gefaßt hat. Wir haben eine Nahprüsung der ergangenen Urteile verlangt; diese Nachprüfung f {hon vom Vorgänger des jebigen Justizministers, Herrn Schiffer, in die Wege geleitet worden und wird vom jebigen Justizminister fort- et. Wir verlangen auch die Ueberführung der krankew Hunger- streifenden in Bi G Ger der Mi teen Zat 2ass nicht die utive, er kann dazu nar die Einzelstaaten veran- infen. ie Standen au für politishe Verbrecher dasselbe Ver- ee wie es Oltwig von Hirschfeld zugute gekommen ist. Wir werden für den Antrag auf Entlassung aller Hungerstreikenden nicht }stimmen, wir S nur die Nachprüfung in jedem einzelnen Fall. Für den Antrag, einen _Untersuhungsaus\{chuß für die Zustände in den Gefängnissen einzuseßen, werden wir stimmen. / L Abg. Crispien (U. S.): Die Rede des Herrn Müller soll nur die erregten Gemüter der Arbeiter beruhigen, aber für einen Vertreter einer proletavischen Partei ist sie geradezu beschämend. Diese Parter hat auch einmal Klassenkampf geführt, und nun ver- tröstet der Abg. Müller die Arbeiter, die gegen den Kapitalismus ge- fämpft haben, mit der Gnade einér bürgerlih-sozialistishen Re- gierung. Es ist ein Schimpf, wenn man Klassenkämpfer auf die Gnade erweist. Klassenkämpfer pfeifen. auf Gnade, Hexr Müller erwartet von den Wahlen, welhen Parteien die Arbeiter den Vorzug geben. Wir lehnen es ab, in dieser Weise Stimmung zu machen. Die Wahlen sind jeßt das E politischer Fälschungen und der Täuschung der Arbeiter. ie oft hat aber die Rechte unsere Partei totgesagt; die Folgen werden zeigen, . wer recht hat. Wir treten für die Arbeiter ein, auch wenn es im Augenblick ungünstig ist. Wir Unabhängigen halten daran fest, was für die Sozialdemokraten vor dem Kriege galt. Die Teil- nahme an einer fapitalistishen Regierung ist nur ein Dienst am Kapitalismus. Was sind denn jeßt für „Persönlichkeiten“ im Kabinett. Der Herr Geßler mag ein guter Kerl sein, aber politis ist er eine erbarmungswürdige Fammergestalt. (Präsident be erteilt einen Ordnungsruf.) Die Reichswehr selbst behandelt ihn, wie er es verdient. Dann kommt Herr Hermes! Die Reden des Herrn Radbruch sind ganz loyal, aber nicht Reden eines grundsaß- treuen Sozialdemokraten. Jn eine solhe Regierung, in der die Deutsche Volkspartei sit, können wir nicht hineingehen. Die Sozialdemokraten handeln unehrlih, wenn sie sagen, es liege nur an den Unabhängigen selbst, wenn diese nicht in die Regierung | Miaclarite Ayr ir unterstüßen niht eine Regierung, sondern nur stimmte politishe Maßnahmen. Das ist eine kluge politische Die Arbeiter sind der deutshen Schandjustiz aus- geliefèrt. Proletarishe Klassenkämpfer sißèn im Zuchthaus, thré Familien sind dem Hunger ausgeliefert. (Zwischenrufe rechts.)

Haltung.

darisch. Fnnerhalb des Proletariat3 wird Aufklärung ge\ha

A. rh N t iliften ist die Maske beruntergent worden Die Arbeiter werden entscheiden. (Beifall auf der äußersten Linken.) i dd s R A Abg. H a a s (Dem.): Die Behauptung des Vorredners, Reichs. Li cie Geßler u von Offizieren der Reihswehr autgelaEe worden und habe somit die Behandlung gefunden, die er verdient habe, trifft in keiner Weise zu. Die Behauptung gründet si auf eine Nachricht im „Vorwärts“, die aber von dem Blatte beri worden ist. An der ganzen Sache ist, wie ih auf Grund bestimmter und zuverlässiger Fnformationen mitteilen kann, fein wahrez Wort, die Nahricht war von A bis Z frei erfunden. Jm Anschluß daran glaube ih sagen zu dürfen, daß Rei Oer eßler in hartex Arbeit viel Wertvolleres geleistet hat als die Herren, die bemüht sind, mit wilden ‘Reden dié Autorität der Republik tagaus tagein zu untergraben. ie vefétoi

Damit ist die Aussprache geschlo}jen. Ea Der GelégeiritouK wird dem Rechtsauss{uß Üüberiwiesen, Der Antrag auf Einsezung eines actgliedrigen Unter. suchungsaus\chusses für die Strafanstalten, der, wie Präsident Löbe mitteilt, von vier Fraktionen mit insgesamt 194 Mit. liedern unterzeichnet ist, is damit angenommen. Präsident öbe teilt weiter mit, daß der Vorsiß in dem Ausschusse dem Zentrum, der stellvertretende Vorsißende den Deutschnationalen zufällt. (Zuruf auf der äußersten Linken: O weh) Der Antrag auf sofortige Hasftentlassung der politischen Gefangenen in der Strafanstalt Lichtenburg wird gegen die Stimmen der Unabhängigen und Kommunisten abgelehnt,

Es folgt die Bevatung der Futerpellation dex Kommunistenund unabhängigen Sozialisten übcr das Verbot des Landens cussisherSciffa im Hamburger und Kieler Hafen Die Fnter pellation führt Beshwerde darüber, daß dem russischen Lazare1tschiff „Transbalt“, das deutsche Kriegsgefangene aus Rußgland nach Swinemünde gebraht hatte, und russische Kriegsgefangene aus Deutschland sowie Waren an Bord nehmen wollte, die Einfahrt in den Stettiner Freihafen ver- weigert worden ist, und daß dem russischen Handelss\ciff „Argun“ die Einfahrt in den Hamburger Hafen verwehrt wurde.

Abg. Plettner. (Komm.) begründet die - Futerpellation, Die Vebcztilung, die die deutshe Regierung oder die unteren Behörden den russischen S 1A haben guteil werden lassen, verleßt gröblih das mit der russi A Re terung etroffene Abkommen und das Völkerrecht. ‘Das ai „Transbalt“ ist unzweifelhaft ein Lazarettschiff, denn es untersteht dem russischen Roten Kreuz und wird in dem offiziellen Verzeichnis der russischen Lazarett- chiffe geführt. Troydem durfte es niht im Freihafen landen, n mußte in dem drei Kilometer entfernten Fndustriechafen landen. Das Schiff wurde ständig bewacht, nachts mit einem Scheinwerfer beleuchtet und wiederholt von Polizeibeamten, auch Detektiven, ileriubk Anscheinend um den importierten Kommua nismus oder die ebensowenig vorhandenen Typhusbazillen zu suchen. Diese Behandlung steht im krassen Widerspruch mit der

Behandlung, die man deutschen Schiffen in Rußland hat ange eiten lassen. Daß es fd um eine Anm Gan tung russischen E handelt, geht daraus hervor, daß derartige Maß nahmen niemals gegen Schiffe anderer Nationen getroffen worden sind. Man hat auch nicht die rusische Vertretung von der gea sondern UntersuGung benachrichtigt, weder vorher noh nachher,

A der russishen Vertretung Rede gestanden.

e ider W E aus ed Spit e “Araut Schwierigkeiten isherigen Gepflogenheiten Diese Maßnahmen sind

n ähnliher Weise gemacht worden, es mußte im. sogenannten E of landen,

egen alle

unzweifelhaft äuf den srüheren 1ogia vem g c ien Minister des

nnern Gradnauer und die „Ordnungssäule“ Staatssekretär uk zurückzuführen. Eine solche Praxis steht in \reiendem Widersprüch zu der bei früherer Gelegenheit bekundeten Auffassung der Sozialdemokratie und es ist bezeihnend, daß die Vorsälle in Stettin und Hambuxg sih unter dem Regime sozialdemokratischer Polizeipräsidenten abgejpielt haben. Daß eine lolche Praxis nit der Förderung der deutsch-russishen Handelsbeziehungen dienen kann, ist selbstverständlih. Und geradezu blamabel ist es für die Regierung, daß die Mannschaft eines anderen russishen Schiffes, dem man ebenfalls ganz unnötige Schwierigkeiten gemacht hatte, sih erst an dén Schiffahntsbund wenden múßte, um die Aufhebung

Der gen strengen Bewachung durch Schupo zu erreichen.

egen russishè Schiffe und

; derartige Maßnahmen Es ist Har, daß derartig As egenmaßnahmen herauf

Schiss3mannschaften die Gefahr von beshwört. Reichsminister des Jnnern Dr. K ö st e r: Meine Damen und Herren! Die Angelegenheit, die der Herr JFnterpellant hier vor4 gebracht hat, geht in der Tat über den engen und lokalen Rahmen eines Grenzpolizeizwischenfalles hinaus und kanw meiner Meinung nach nur im Rahmen einer ich möchte sagen historish- genetischen Betrachtung des gangen deutsch-russischen Wirtschafts verhältnisses, wie es sich während des leßten Fahres immer inten- siver gestaltet hat, rihtig beurteilt werden. Jh möchte dem Herrn Jnterpellanten nicht in der Leidenschaftlichkeit folgen, mit der er angegriffen und verteidigt hat. Wohl aber bin ih bereit, bei: der Betrachtung dieses Einzelfalles au die großen politischen Werte zu würdigen, die in diesen Stettiner nnd Hamburger Zwischenfall hineinragem. ; Meine Damen und Herren! Es ift uicht meine Aufgabe, hier die außenpolitishe Seite dieser Zwischenfälle, wenn sie eine solhe haben, zu betrahten. Aber auch für die innenpolitische, für die grenzpolizeilihe Seite dieser Angelegenheit, mit der ih ¿0 hun habe, möchte ih zwei allgemeine Gesichtspunkte voranstellen. Der exste ist dieser: wir müssen uns daran gewöhnen, die deuts“ russishen Beziehungen und besonders die wirtschaftlichen B ziehungen ohne jede Sentimentalität zu betrachten, ohne die Senti- mentalität leidenshaftiher Sympathie von links, aber auh ohnt die Sentimentalität parteipolitisher Abneigung von recht8 9 meine, schon in den Jahren seines politischew Hochstandes hat sid das deutsche Volk von Gefühls- und sentimentalen Regungen 1! bezug auf seine außenpolitische Einstellung viel und reichen a geholi (Sehrx richtig! links und rechts.) . Jn einer Heit bo endeten Zusammenbruchs, vollendeter Machtlosigkeit, wie wir sie jeßt erleben, können wir uns nicht gestatten, in Verhältnisse 1 Beziehungen, die in der Zukunft vielleiht von entscheidender V deutung für uns werden, sentimentale Ressentiments hineinbringe! zu lassen. Jn bezug auf diese Beziehungen, besonders in bezus auf die deutsch-russishen Beziehungen, haben diese Sentiments f keine Rolle zu, spielen, und diese Beziehungen haben sh E nah den FJnteressen, den wirtschaftlichen Jnteressen dieses ga und der Volksgemeinschaft zu richten. : Ebenso wichtig aber und noch wichtiger scheint mir ein weil! Gesichtspunkt, für den der Herr Jnterpellant meiner Meinuns nach zu wenig Verständnis aufgebracht hat. Wir haben 6. Mai d. J. mit der Sowjetrepublik cin Abkommen gele Der innere Aufbau dèr Sowjetrepublik, die wirtschaftlichen ! politischen Maximen, nach denen sie diesen Aufbau gesta

wobin soll es kommen, wenn wir nahgeben? Es soll dahin kommen, daß die Sondergerichtsurteile revidiert werden und gleiches Recht

Das zeigt ihre Roheit. Wir erklären uns mit den Arbeitern - joli-

‘haben uns nit daran gehindert, dieses Abkommen gzu {lit

„Nutshland. und der Sowjetrepublik ist ‘neu. Er ist erst im Werden

„krlehr wieder aufgenommen würde, da liefer gewissermaßen in

‘uf das,

find, nah dem Völkerrecht bis heute vollkommen unklar und nit

‘tritorial werden.

ij, also als exterritorial. Jch bin ebenso fest überzeugt, werin

Wndelt werden f Kriegsschiffe behandelt werden.

„Mdeutshe Seeverkehr in deutschen, in europäishen Häfen

Merind, die mit Sowjetrußland Handel treibt, hat „entziehen

gder billigeit noch mißbilligen wir diese Maximen. Wir respek- jeren dieses Gemeinwesen wie jedes andere. Auch die deutsche geihsvegierung hat in allen Wechseln, denen sie in den leßten ahren unterworfen war, immer jede Interventionspolitik gegen- iber Sowjetrußland abgelehnt. (Abg. Dr. Levi: JFmmer?) Wir nischen ‘uns nicht in die inneren Angelegenheiten dieser Sowjet- cepublik hinein, die die Angelegenheiten des russishen Volkes lber sind. (Abg. Dr. Levi: v. d. Gol!) Jch rede von der geichêregierung. Aber gerade weil wir diesen Grundsaß ent- ¡lossen und rein immer vertreten haben, können wir erwarten, und wir erivarten es, daß die russishe Sowjetrepublik, daß ihre gürger, ihre offenen und heimlihen Emissäre, weun es solche geben sollte, gegenüber uns, gegenüber unserem Staat und seinen Einrichtungen dieselbe llare und entsclossene. Haltung einnehmen. Fehr wahr! bei dem Sozialdemokraten.) Wir werden in ieser Begichung keine Nachgiebigkeit kennen, auch wenn i die wirtschaftlichen Beziehungen nicht weiter ausbauen.

Vir werden niht kleinlih sein. Aber wir werden jeden offenen und heimlihen Versuch, die friedlihen und wirtschaftlichen Be- ziehungen gzu innerpolitischer Kriegsführung zu benugen, mit allen Mitteln des Reiches und der Länder zu verhindern wissen. Nur f Grund gegenseitigen Respektes, auf Grund jener Achtung, ohne die auf die Dauer kein Staat existiecen kann, wird der deutsch- russische Wirtschaftsverkehr jene Entwicklung nehmen, “die das deutsche und auch das russishe Volk erhofft.

Meine Herren Fnterpellanten! Fh meine, gerade Sie sollten tür diese Seite der Angelegenheit ein besonderes Verständnis auf- ringen. Die Regierung der russishen Sowjetrepublik hat für étaatsautorität und Regierungs8autorität nicht nur nach innen, sondern auch, und gerade in ihren Beziehungen na außen, ein sehr fein ausgebildetes Gefühl. Das beweisen zahllose ihrer Noten an fremde Regierungen. Das beweist au der Briefwechsel, den sie in Anshluß- an die Stettiner Vorkommnisse mit uns geführt hat. Pir würdigen dieses Gefühl, aber wir nehmen dasselbe für uns in Anspruch. Nicht .aus Angst, ein paar russische Agitatoren, ein paar russische Flugblätter könnten diesen Staat unterminieren, haben wir uns gewehrt und werden wir uns wehren gegen jeden russischen Einmishungsversuch, sondern aus dem Bewußtsein der Würde und Unantastbarkeit dieses auf sih und seine Bürger gestellten Staates. Aus der Forderung heraus, daß diese Würde und Unantastbarkeit auch von Fremden respektiert werden, wird die Reichsregierung mit allen Mitteln auhch* weiterhin dafür sorgen, daß Deutschland von einer innerpolitishen Fnterventionspolitik verschont bleibt, die sih die Sowjetregierung bisher immer und sehr scharf verbeten hat.

J glaube, wenn wir über diese beiden Punkte klar sind, über die Notwendigkeit, die deutsh-russishen Beziehungen ohne jede Eentimentalität zu betrahten und ferner darüber, daß in dem deutsh-russishen Wirtshastsverkehr die gegenseitige Respektierung staatliehx Einrichtungen klar erhalten bleiben muß, dann werden wir Vorfälle, diejenigen, die zu dieser Jnterpellation geführt haben, benußen können, um aus ihnen die Folgerungen zu ziehen, die in heidérseitigem* Fnteresse liegen.

Meine Damen und Herren! Der Seehandelsverkehr zwischen begtifsen. Als nah dem- Kriege der deutsch=englishe Seehandels-

die álten offenen und leerxstehenden Bahnen hinein. Der deutsch tussishe Verkehr nach - dem Kriege konnte das niht, Das neue, politisch und wirtshaftlih neue Gemeinwesen, das sih aus dem Voden des alten zaristischen Rußlands erhoben hatte, bildete au neue Formen des internationalen Handel3- und Seeverkehrs aus, Diese Formen sind heute von Rußland aus ebensowenig definitiv ausgebildet, wie die Formen, mit denen das westliche Curopa auf sie reagieren wird. Aber ih meine, es ist kein Wunder, daß die ersten Versuche eines entshlossen durchgeführten Staats- handelssystems, im Privathandelsverkehr mit den westlichen Staaten zu treten, zunächst Reibungen ergeben. Jch bin aber éenso fest davon überzeugt, daß die westlihen Staaten und Ruß- land mit der Zeit Wege finden werden, diese Reibungen auf ein Ninimum zu reduzieren oder ganz vershwinden zu lassen.

Um mit einer größeren Schwierigkeit in diesem Verkehr zu beginnen, so nimmt die russische Sowjetrepublik, wie au der Herr Muterpellant hier heute wieder mitgeteilt hat, für alle ihre Staats- handels[chiffe das Prinzip, das Vorrecht der Exterritorialität in An- spruh, Jh möchte dem Herrn Fnterpellanten gerade mit Bezug i: vas er aus Liszts Völkerrecht vorgelesen hat, sagen, daß t Frage, ob Staatshandelsschiffe exterritoriakiter zu behandeln

a ist. Das Völkerreht kennt Kriegsschiffe, die das Vorrecht ! Exterritortalität genießen. Es kennt Handelsschiffe, auf denen der Repräsentant einer Staatshoheit fährt und die dadur ex- l ‘Aber das Staatshandelsschiff, das die Sowjet- publik ausgebildet hat, ist ein vollfommenes Novum, das völker- “m noch gar nicht erfaßt ist. Jh bin überzeugt, Herr Kollege êro ner, daß, wenn demnächst etwa ein Sowijet-Kriegs\chiff von A auslaufen und in den westlihen Staaten, die Rußland m Unit haben, Besuche machen würde, dieses Kriegs\chiff an- Unt und behandelt werden würde wie ein anderes Kriegs-

lo staatlich anerkannte Oberhaupt der Sowjetrepublik ij e machen würde, daß dann auch ein solhes Handels- bea éxterritorial anerkannt würde. Aber das kann ich nie tirligt doß die russischen Staatshandelsshiffe heute sind es s 10, bald sind es 40, Sie hoffen, vielleicht sind es bald

in der Zukunft behandelt werden wie Kriegsschiffe, daß sie mit all der Feterlihkeit und Umständlichkeit (Zuruf von den Kom-

,

R, Auf dieses Schikanöse, Herr Plettner, komme ich

rit T davon rede ih jeßt noch nicht! Also: ih glaube

ci Wh G diese vielen hundert Handelsschiffe der Sowjetrepublik,

Venn 2 glauben, die Sie erhoffen, später so behandelt werden.

kuba s wäre eine ungerechtfertigté Bèvorzugung aller Sowjet-

iodt gegenüber der Art, wie normale Handelsschiffe be- n.

Aber über diese formal-rehtliche Seite hinaus wirft der e Fragen auf, denen sich bisher keine europäishe Re-

ly s anen, politische Fragen, die auch die deutsche Republik nicht

“Nachrichten haben, daß gewisse Behörden, ih sage wieder, vielleicht

“groß zu sehen. brauchen und auf unserer Freiheit niht herumtrampeln lassen. -

nah denen sich die russishen Seeleute rihten müssen, bis aufs

Herren! Ob die gegenwärtige Regîferung der Sowjetrepublik, ob ihre Vertreter im Auslande neben der Pflege rein wirtschaftlicher Beziehungen noch politishe Aufgaben und Fnstruktionen haben, darüber ein Urteil abzugeben, steht mir hier nicht an. Daß früher offizielle und tnoffizielle Versuche, zum Teil großzügige Versuche, in dieser Rihtung gemaht worden sind, das werden auch Sie nicht bestreiten. Auf Grund jener prinzipiellen Auffassung nun, die ih mir am Anfang erlaubte klarzulegen, haben alle europäischen Siaaten, mit denen Sowjetcußland in Handelsbeziehungen ge- treten ist, seine Handelsschiffe, seine Staatshandelsschiffe zunächst anders und besonders behandeln müssen. Ich persönlich bin der der Meinung, daß zuweilen dabei eine etwas übertriebene Angst vor dem Bolschewistenschreck mitgespielt - und sih besonders in außerdeutshen Ländern in Formen geäußert hat, die niht immer imponievrend zu nennen sind. (Hört, hört! bei der Kommunistischen Partei.)

Aber wundern können Sie sich doh darüber niht. Es sind nur die früheren Methoden der Sowijetrepublik, ihrer Emissäre und Anhänger selbst, die zu dieser ganz natürlihen Reaktion geführt haben. Sie beklagen si in ihrer Interpellation, und der Herr Fnterpellant hat das scharf formuliert, daß die russischen Schiffe in Deutschland anders behandelt werden als die englischen, französishen und amerikanischen.

: Meine Damen und Herren! Dieses Argument zieht nicht. Wir sind bereit, die russishen Schiffe sofort genau so zu behandeln, wie die Schiffe und Besazungen jeder anderen Nation, sobald auf der einen Seite das Aufhören der Massentransporte reichsdeutsher und nihtreihsdeutsher ehemaliger Kriegsgefangenen und Zivil- internierten aus Rußland die deutsche Regierung von der Pflicht entbindet, diese Schiffe hon mit Rü(sicht auf ihre Transporte, ihre Quarantäne, ihre Weiterleitung durch Deutschland besonders zu behandeln, und sobald wir zweitens die feste Gewißheit erlangen, daß diese Schiffe und ihre Besaßungen nur und lediglich Handel treiben wollen.

Was diese Gewißheit betrifft, so liegt es ganz an der russischen Regierung, an den Schiffen und der Besaßung selber, ob und wann wir sie gewinnen. FJch habe Berichte, nah denen Besaßungen mancher Sowjetschiffe sich durchaus harmlo8, ordentlich, ja gutmütig benommen haben. Jch habe 3. B. vorgestern einen Bericht aus Lübeck empfangen, nah dem die Besaßung des Sowjet- dampfers „Bolschewik“ ordnungsmäßig von der Sowzjetregierung ausgestellte Pässe hatte. Die Leute sind daraufhin an Land gelassen und haben si, anstatt an kommunistishen Versammlungen oder anderen Dingen zu beteiligen, was manche Leute befürchteten, zu vier Fünfteln ganz normaliter in den Hafenkneipen und Vergnügungslokalen amüsiert. Jch bin durhaus nicht der Meinung, daß jedes Sowjetshiff und jeder Sowjetmatrose wie ein moralisch Pestkrankex angesehen und isoliert werden muß. Aber wenn der Seever/ zx zwishen uns und Sowjetrußland in die normalen Bahnen ‘inmünden soll, wie Sie doch hoffen, dann müssen die Sowjetbehörden vielleiht handelt es sich nur um ganz untergeordnete Behörden noch eine ganze Reihe von Verdachtsmomenten beseitigen, - die es uns heute noch {wer machen, an die Absicht eines reinen Handelsverkehrs zu glauben. Der Dampfer „Argun“ z. B. hatte: nah seiner Größe eine Besatzung von vielleiht 40. Mann nötig; in Wirklichkeit kam er mit einer Besaßung von 72 Mann an. Der Dampfer „Transbalt“ hatte nah den normalen Verhältgissen des internationalen Seeverkehrs 70 Mann als Mannschäft nötig, er kam mit einer Besaßung ‘von 146 Mann an. Daß das auffällt, werden auch Sie Herr Kollege Levi, nicht bestreiten. Der Dampfer „Transbalt“ hatte zwei Druckpressen an Bord, Herr Kollege Levi. (Hört, hört! rechts.) Ih frage: wozu? Wie kommt es, daß \sich unter den Heimkehrern, die mit den russishen Schiffen kommen, immer wieder Personen befinden, die nicht in die Hemkehrerlsten eingetragen sind und ohne ordnungsmäßige Papiere kommen? Wie kommt es, daß Kommunistenführer als Angehörige der Schiffsbesaßung angegeben werden, (hört, hôrt! rechts), und im geeigneten Augenblick, sobald das Schiff in Deutschland ist, von Bord verschwinden? Denn das ist festgestellt, Herr Kollege Plettner, daß mit dem russishen Dampfer „Argun“ drei Kommunisten als Mitglieder der Schiff8- besaßung angekomen sind, und daß diese sich in Hamburg twider- rechtlich von Bord entfernt haben und ganz wenig später in Jhrer kommunistishen Partei Hier als Agitatoren auftauchten. (Hört, hört!) Wenn es sie interessiert, will ich Jhnen auch die Namen nennen.

Es steht ferner fest, daß von demselben Schiff ein wenig später wiederum zwei Leute sih von Bord widerrechtlich entfernt haben und niht wieder zurückgekommen sind. Daß das auffällt, Herr Kollege, daß diese Dinge sich auf amerikanischen und englischen Schiffen nicht so wiederholen, werden Sie doch zugeben. Wer will es uns verdenken, daß wir auch heute noch diese russishen Schiffe mit einer guten Portion Mißtrauen betraten, wenn wix sichere

untergeordnete Behörden. der Sowjetrepublik sich in den Besitz zahlreicher deutsher Pässe geseßt haben. (Hört, hört! Zurufe von den Kommunisten.) Wir sind gewiß nicht nervös, Herr Hoffmann, wir bemühen uns nur, kleine Dinge klein und große Aber wir werden unser Vertrauen nicht miß-

Meine Damen und Herren! Die ‘polizeilihen Absperrungs- maßnahmen gegen das erste im Deutshland ankommende Sowjet- {chiff und das wax ja der „Transbalt“ haben hier eine {harfe Kritik erfahren. Jm Gegensaß zu dem, was. der Kollege Plettnex geságt hat, darf ih thm vielleiht mitteilen, daß die Paßvorschriften,

Haar denjenigen gleichen, die die russishe Sowjetrepublik für unsere Seeleute vorschreibt, und alle Privatbriefe ixgendwelcher Mitglieder irgendeines Schiffes können nihts daran ändern.

Wie geht denn die Kontrolle eines deutschen Schiffes in Kron- stadt augenblicklich vor sich? Jn Kronstadt erscheint der Hafen- arzt an Bord und zieht die nötigen Erkundigungen über Zustand und Anzahl der Besabung ein. Gleichzeitig kommen mit ihm ein bis zwei Mann der Grenzpolizei an Bord, die die Fahrt nah Petersburg mitmachen. Fn Petersburg macht das deutsche Schifr zunächst an einer von’ der Grenzpolizei bestimmten abgesperrten Anlagebrüdcke fest, die jedes unbemerkte Anbordgehen und Vonbord-= gehen unmöglich macht. Am Steg auf der Brücke stehen ein bis zwei Posten mit aufgepflanztem Bajonett, ein Beamter der Grenz-

“finex Handbewegung hinwegtun kann. Meine Damen und

muß jeder deutksche Matrose noh verschievene Beamte der Grenz polizei passieren. An Bord erscheinen, wenn das Schiff ankommt, zwei Beamte der Grenzpolizei, dfe erst Heimkehrerliften revidieren, weil es sich ja zumeist um Heimkehrerschiffe handelt Darauf werden die Heimkehrer von Bord entlassen. Nach ¿wei bis drei Stunden werden die Pässe der Passagiere und der Besabung durhgeschen. Daß die Besaßung richtige Pässe haben muß, Here Kollege Plettner, geht aus dem offiziellen „Reglement über die Kontrolle des Personalbestandes aller im Petersburger Hafen cix- laufenden Handels\chiffe“ hervor, in der es heißt, daß beim Einz lausen der Kapitän des Schiffes dem Vertreter der Seekontrolle dis Musterrolle und die mit leßterer übereinstimmende Schiffsliste dec mit dem Schiffe eingetroffenen Befaßung und Passagiere vova zeigen muß. Für jede in der Liste genannte Person wird im einzelnen ein Personalausweis vorgelegt. Wir haben also das, selbe, was wir bisher von den russishen Schiffen verlangt haben was die russishen Schiffe nit gehabt haben, was sie aber seit dene lehten russischen Schiff in Lübeck gehabt haben, Seitdem fie einen Paß haben, kommen sie anstandslos auch an Land. |

Jch hole noch na, daß diese Grenz- und Polizeibehörden in

Kronstadt selbstverständlih das ganze Schiff von unten ‘bis oben durhsuchen, daß Waffen, photographische Apparate usw, versiegelt werden.

Wenn Sie dieses Reglement durchlesen, dann werden Sie finden, daß diese Bestimmungen fast um ein Haar den deutscher gleichen. Der Unterschied ist nux der, daß die deutschen Schiffe und die deutshen Matrosen sih nach diesen Bestimmungen rihten, daher anstandslos in Petersburg einfahren, daß dagegen die Sowjet- behörden es bisher unterlassen haben, ihre Schiffsbesaßungen mit den nötigen Au8weisen zu versehen. (Hört! Hört! recht3.) Weder die Besaßung des „Transbalt“ noch die des „Argun“ waren mit ihnen ausgerüstet, Jh kann es den armen Teufeln nachGfühlen, wenn sie wochenlang im Strom liegen und Land sehen, aber nit heraus können. Aber die Schuld haben doch niht wir, sonderæ die Schuld haben diejenigen, die sie so hergeschickt haben. (Sehr rihtig! rets.)

i Jch hole nah, daß sowohl in Stettin wie in Hamburg, obschon diese Bestimmungen nicht genau eingehalten waren, die deutschen Hafenpolizeibehörden die Mannschaften einzeln und trnppweise an Land gelassen haben, wenn immer sie einen Grund angeben fonnten, um an Land zu gehen. (Abg. Plettner: Unter Polizei- bewahung und Detektivs!) Nicht unter Polizeibewahung. Daß wir in Deutschland das Recht haben, jedermann, der unsere Grenze überschreitet, zu beobachten, -das werden auch Sie wissen. Diess3 Recht werden wir uns genau so wenig nehmen lassen, wie es sih die Sowjetbehörden in Petersburg niht nehmen lassen. (Zuruf von den Kommunisten: Das geschieht aber nit bei den neutrale Mannschaften!)

Daß dieser Beobachtung und dieser Behandlung niht Schikanen zugrunde lagen, ‘das zeigt Fhnen das Lübecker Beispiel vom leßte Sonntag. Der Dampfer „Bolschewik“ kam an; die Leute hatten Pässe, aber Sie hatten vergessen, in die Pässe die Photographien einzukleben. Es war wieder ein formaler Grund vorhanden, sie an Bord zu lassen. Troßdem hat der Lübecker Polizeipräsident, ein Mehrheitssozialdemokrat Sie haben ja für die parteipolitishe Schattierung der Polizeipräsidenten ein großes. 7Fnteresse einem Photographen erlaubt, an Bord zu gehen. Die Mannschafteæ haben dann ihre Photographien eingeklebt, sie haben die Stempel bekoramen und sind an Land gegangen wohin, habe ih Fhnea vorher erzählt. |

Am Sonntag vor aht Tagen wurde ih von Hamburg aus angerufen. Da lag der Dampfer „Karl Marx“. Die Leute hattew aber keine Pässe und beriefen si auf das Lübecker Beispiel. Wir haben auch in Hamburg den Leuten erlaubt, in Trupps an Land zu gehen. Wir sind wirklih nit fleinlih, Herr Kollege Plettner: aber wir verlangen, daß die Vorschriften, denen sih unsere eigenen Seeleute draußen beugen müssen, auch bei uns befolgt werden. Wenn die Sowjetbehörden sich bemühen, ihre Schiffe mit rihtigemn Listen, die Besaßungen mit gültigen Personalausweisen hierher zu hien, dann werden wir bald zu einer normalen Regelung kommen, an der auch wir ein großes Interesse haben. Daß wir nicht aus Schikane die russishen Schiffe so shlecht behandeln, das können Sie ja schon daraus ersehen, daß alles das, was wir bier gegen die Vorschriften tun würden, in Kronstadt und Petersburg unseren eigenen Seeleuten heimgezahlt würde. (Sehr richtig!) Daß das nicht geschehen ist, daraus können Sie ersehen, daß wix uns an die Vorschriften halten. Wir verlangen also keine Bevor- zugung. Unsere Seeleute werden fich in Petersburg den Vor- schriften fügen; aber wir fordern dasselbe von den russischen Schiffsbesaßungen. Die russischen Schiffe dürfen fih nicht Staats- handels\chiffe nennen, um sich ihren Verpflichtungen zu entziehen, j Meine Damen und Herren! Auf weitere Einzelheiten möchte ih zunächst niht eingehen. Zch will nur noch folgendes sagen, Die bisherige Behandlung der russishen Handelsschiffe geschah nach Richtlinien, wie sie im Sommer unter Beteiligung, aller Ressoris au der preußischen, aufgestellt worden find. Diese Richtliniew waren zum Teil þrophylaktishen Erwägungen entsprungen, Wie ih Jhnen mitteilte, sind sie hier und da in der Praxis und dur die Praxis {hon verändert worden. Ih sehe in einer weiteren Abmilderung dieser Richtlinien keine Gefahr für Deutschland, Tempo und Grad dieser Abmilderung aber werden sih nah des praktishen Erfahrungen - rihten, die wir mit den russischen Schiffen machen werden, und nah der Entschlossenheit, mit dor die Sowjetbehörden alles, aber auch alles vermeîden, was so ans- sieht, als käme es ihnen auf irgend etwas anderes als auf rein wirtschaftlichen Verkehr an. Zeder Versuch von diesem Wege abzuweichen, wird niht nur zur Wiederherstellung der alten Richt- linien führen, sondern muß naturgemäß ihre Verschärfung zur Folge haben.

Nur auf einen Punkt möchte ih zum Schluß noch hinweisen. Rußland stöhnt heute nicht nur unter der Hnngersnot, es ift auch von {weren Seuchen bedroht und befallen. Es wird noŸ lange dauern, ehe die deutshe Regierung ebenso wie jede ander europäische Regierung darauf verzichten kann, Schiffe, die aus Rußland kommen, vom sanitären GesichtSpunkt aus besonders gzu behandeln. Sie wissen, daß Schweden für alle Schiffe, dia aus Rußland kommen, eine ahttägige Quarantäne angeordnet hat. Esthland hat Anfang September alle aus Rußland kommenden Schiffe für choleraverdächtig erklärt. Der „Argun“ ist in den

die

polizei und ein Beamter der ZoUbehörde. Um .an Land zu gehen,

sogenannten Hamburger Friedhof nur deshalb gekommen, Hevr

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