1921 / 284 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 05 Dec 1921 18:00:01 GMT) scan diff

Jm übrigen is jeßk auch die einzige günstige gesundheitliche Wirkung, die durch die Kriegsverhältnisse herbeigeführt tvar, die starke Abnahme der alkoholishen Erkrankungen, allmählich in Wegfall gekommen. Der Kampf gégen die Trunksuht und ihre weit reihenden Folgen muß mit aller Energie wieder aufgenommen werden. (Sehr rihtig! im Zentrum.) Wenn ih nunmehr vor Jhnen die Hauptkrankheitsgruppen erörtern darf, so verlangt die Bedrohung unseres Landes durch eingeshkleppte, sonst artfremde * Seuchen eine besondere Berücksichtigung. Mit Aus8- nahme der verhältnismäßig kleinen Poftkenepidemien des Winters 1917 und einer Steigerung der Erkrankungsfälle an Fleck- fieber in der ersten Hälfte des Jahres 1919, die sih abex fast gänzlih auf rüdströmende Heecresangehörige beschränkt, sind wir von den gefährlichen, jenseits unserer östlihen Grenzen ftark ver- breiteten Seuchen fast vollständig vershont geblieben. Das könnte zu falshen Deutungen führen, als ob die Gefahr überhaupt nicht so groß sei. Abex unsere Aufmerksamkeit darf gerade hier nicht erlahmen; denn faum etwas is verhängnisvoller als eine ver- breitete, lebens8gefährlih-akute Seuche. Wir wollen nicht über- sehen, daß der mit dem Kriege allerdings niht zusammenhängende Seuchenzug der Jnfluenza 1918 in drei Monaten fast doppelt so viel Menschen dahinrafftie, wie in drei Jahren die mit Recht so stark beahtete Uebersterblihkeit an Lungentuberkulofe betrug. Und ein Typhusausbruch von nur einigen hundert Erkrankungsfällen sührt nit nur zu einem beklagenswerten und vermeidbaren Ver- fust von Menschenlebæn: dexr durch diesen Krankheitsausbruch herbeigeführte Kostenanfwand kann den Haushalt der betreffenden Gemeinde auf Fahre ruinieren. (Sehr richtig!)

Wenn es gelungen ift, unsere für diese Aufgabe so ungünstig gèwordenen Grenzen zu schüßen und die weit ins Land hinein- gestreuten Funken vor dem Brande zum Erlöschen zu bringen, so mag eine glückliche Konjunktur einen gewissen Anteil haben; einen größeren Teil darf man sicher der gemeinsamen Arbeit der gesund- heitlichen Behördew von Reich und Land zubilligen, die an Stelle der früheren Einrichtungen an allen gefährdeten Stellen den Grenzshuß wiedex aufrichteten und die Gesundheit der Rück- wandever überwachten. Das Hauptverdienst jedoch gebührt den staatlichen Gesundheitsbeamten, den Kreisärzten, deren sah- liche Schulung, deren stete Aufmerksamkeit, deren mühevolle Arbeit nie versagte im Kampf gegen die ersten kleinen Herde. (Sehr vichtig! im Zentrum. Widerspruch bei den Unabhängigen Sozial- demokraten und Kommunisten.) Sie alle Haben in Erfüllung dieser Vecrufspflècht thr Leben eingeseßt und mancher von ihnen es dieser Pflicht geopfert.

Aber kaum, daß es gelungen ist, die Ueberwachung der Grenzen gegen Seucheneinshleppung wiederherzustellen, so droht neue Ge- fahr durch die Genfer Entsheidung Uber Obexr- schlesien. Hier ist cine ganz neue Lage geschaffen, deren Folgen noch nicht voll übersehen werden können; immerhin sind schon jeßt alle Möglichkeiten in Betracht aezogen. Wenr wir uns daran erinnern, daß während der polnishen Aufstände und iu deren Folge die Erkrankungen an Pocken, Typhus, Ruhr in Oberschlesien zahlreicher waren als in allen anderen Regierungsbezirken Preußens zusammengevechnet, ausschließlich der westlichen Aufruhrgebiete, so. mag man die Größe der neuen Gefahr ermessen, wein die Grenze frei übershritten werden darf, rihtig!) Jch werde die hier entstehende Lage, soweit der gesund- Heitliche Standpunkt in Frage kommt, sharf im Auge behalten und mih rechizeitig für die erforderlichen Maßnahmen einsezen.

Wenn ih mich jeßt den beiden an sich in unserem Lande fiändig herrschenden Volksseuchen, der Tuberkulose und den Ge- shlechtskrankheiten, zuwende, so möchte ih über die erstere ganz furz das folgende bemerken: Als vom Dezember 1916 ab die Schwindsuchtsterblichkeit allmählih anstieg und s{ließlich die längst erfolgreih überwunden geglaubte Höhe von vor mehr als 20 Jahren erreichte, als somit die Erfolge der mühevollen Arbeit eines Viertel- jahrhunderts vernichtet erschienen, da erregte dies die Aufmerksam- Teit aller beteiligten Kreise. Seit Mitte 1919 ist die Sterblichkeit wieder im Absinken und hat fast den früheren Tiefpunkt wieder erreicht. Wer an verantwortliher Stelle durch diese Abnahme sich beruhigt fühlt, der handelt fahrlässig, Jh kann es getrost der Forschung überlassen, die Gründe des Absintens festzustellen. (Zu- ruf bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Vielleiht wird such Herr - Kollege Weyl sehr gern dazu beitragen wollen. Jh selbst aber bin gewillt, praktishe Politik zu treiben, und kann daher die Ergebnisse niht abwarten. Zu viele Beobachtungen lehren mi, wie shwex „namentlich die heranwachsende Jugend in ihrer Konstitution geschädigt ist; diese Schädigung bildet einen günstigen Nährboden für den späteren Ausbruchß der Todeskrankheit im erwerbsfähigen Alter, wenn es nicht rechtzeitig gelingt, die zwedck- mößicge Abwehr zu organisieren. Fh möchte aber ausdrüdcklih betonen, daß nur die Organisation dieser Abwehr und die Führung in der Leitung des Kampfes die Aufgabe des Staates sein kann, für die Schaffung und für den Betrieb der einzelnen Einrichtungen mussen alle diejenigen Organisationen herangezogen werden, die hon früher an der Frage beteiligt waren, Gemeinden, Landes- versicherungsanstalten, soziale Versicherung, Wohlfahrtsvereint- gungen usw. Aber der Gesamtbetrieb muß verbreitert und auch auf die mittelbare Fürsorge shon vor der drohenden Erkrankung eingestellt werden. Damit ist zugleich eine enge Verbindung mit anderen als rein gesundheitlichen Fürsorgemaßnahmen gegeben.

Was die Geschlechtskrankheiten betrifft, so haben die erst jeßt

vorliegenden Bearbeitungen der angestellten Erhebungen lediglih ) | um so mehr in diesem Punkte die Entwicklung abzuwarten, als

unsere Erwartungen bestätigt, die Krankheiten, die früher be- sonders in den Großstädten weit verbreitet waren, haben sich in größerem Umfange auh auf bisher weniger beteiligte Bevölbe- rungskreise ausgedehnt und haben in stärkerem Maße als je die Frauenwelt ergriffen; wenn die Zahlen nicht ganz so hoh sind, wie anfangs befürchtet werden mußte, so ist das Uebel wegen seiner lange wirkenden Folgen für die Betroffenen und wegen des unheilvollen Einflusses auf den Nahwuchs s{wer genug. Jm übrigen zeigt sih die gleihe Erscheinung auch in England und findet dort die gleiche ernste Beachtung. Das lange erwartete und lange geforderte Reichsgeseß zur Bekämpfung der Geschlechts- frankheiten soll nunmehr, wie jüngst mitgeteilt, dem Reichstag vorgelegt werden. Meine Beauftragten haben während. der Vor- beratungen die in diesem hohen Hause gefaßten Beschlüsse vertreten und werden auch an der Weiterberatung im Reichstag beteiligt sein. Jch werde mir über den Gang der Verhandlungen von ihnen berichten lassen und sie mit den erforderlichen Weisungen

(Sehr |

. Weisungen geben.

verschèn. Wer tîckch erkllöre {hon jeßk, daß mir angesihts der Dringlichkeit die geseßlihe Regelung allein niht ausreihend er- scheint, sondern daß es auch hier des Ausbaues der Fürsorge für Früherkennung und Frühbehandlung bedarf, und daß mit dieser

au die erziehlihe und sogialpflegerishe Fürsorge verbunden werden muß, die sich auf die Vorbeugung und die Zurückführung der noch zu Rettenden zu erstrecken hat.

Was die Versorgung der Erkrankten betrifft, so nötigt mi die Vershlimmerung der Lage zur Fortführung der Maßnahmen, die mein verehrter Herr Vorgänger eingeleitet hat. Das deutshe Krankenhauswesen, das gemeindlihe sowohl, wie das auf dem Boden freiwilliger Liebestätigkeit erwachsene, war zu einer Blüte gelangt, auf die stolz zu sein die Bevölkerung alle Veranlassung hatte. Aus Armenkrankenanstalten waren Stätten geworden, welhe der gesamten Bevölkerung zur Linderung von Leiden und zu zweckmäßiger Heilung offen standen; die Lücken der allgemeinen öffentlichen Krankenhäuser wurden durch private Sonderanstalten ausgefüllt, die auch der Kräftigung der Genesenden nah überstandenex Krankheit dienten. An der Verbesserung der Volk3gesundheit und der Eindämmung dex einheimischen an- steckenden Krankheiten hatten die öffentlichen und privaten Kranken- häuser einen großen Anteil Die wirtshaftliße Lage ershwert auf das äußerste den Weiterbau und den Betrieb; die gesteigerten Aufnahmekosten machen für viele die Aufnahme ix das Kranken- baus unmöglißh, Das Grundübel dex Kostensteigerung zu be- seitigen, bin ih nicht in der Lage; aber eine Reihe kleinerer Maßnahmen, die ih in Gemeinschaft mit den beteiligten Kreisen beraten habe, erscheinen geeignet, cinen Teil der bestehenden Schwierigkeiten zu verringern und einheitlihe Gesichtspunkte durchzusühren, die einer weiteren Verschlimmerung Einhalt tun und einen unheilvollen Zusammenbruch verhüten.

Im Zusammenhang damit erkläre ih meine Absicht ent- sprechend den einstimmigen Beschlüssen dieses Hauses, welche die Heilquellen und Heilfaktoren der Bäder der weniger bemittelten, insbesondere auch der erwerbsêtätigen Bevölkerung zugänglich machen wollen, die hier schon eingeleiteten Arbeiten fortzusetzen, die mein verehrter Herr Amtsvorgänger nah einem festen Plan und in gemeinsamer Beratung mit den beteiligten Kreisen be- gonnen und schon zu einem gewissen Ergebmis gebracht hat.

Eine Reihe weiterer Aufgaben, die niht der Beshwörung unmittelbar drohender Gesundheitsgefahren dienen, die aber sich auf die Ausfüllung lange anerkannter Lüden der gesundheit- lihen Geseßgebung bezichen, werde ih im Benehmen mit den nach der Verfassung für die Gesehgebung zuständigen Reichsministerien zu fördern haben. Dazu gehört außer dem schon erivähnten Geseß zur Bekämpfung der Geschlechtskrank-

heiten ein Geseß zur Bekämpfung der Tuberkulose, dessen Entwurf

schon lange unter Mitwirkung meiner Beauftragten fertiggestellt ist und das ebenfalls, wie jüngst im Reichstag. erklärt wurde, diesem demnächst vorgelegt werden soll. Die Ausführung des Geseßzes in wirïsamer Form wird dann die mir zufallende Aufgabe sein. Auch der Entwurf eines Reichsirrengeseßes sowie eines Geseges zur einheitlichen Regelung des Apothekenwesens wird voraus. sichtlich in allernächster Zeit zur Beratung gelangen, und shließ- lih sind eine Reihe von Vorarbeiten für die Ausbildung und Prüfung der Medizinstudterenden soweit gediehen, daß hier eben- falls die Beratung im Laufe dieses Winters beginnen dürßte. Ih werde für alle Fälle meinen Vertretern die notwendigen Auf dem Gebiete der Geseßgebung erwähne ih noch ausdrücklich den Geseßentwurf zur Regelung des Hebs ammenwesens, dessen Vorlegung an das hohe Haus durch das Staatsministerium unmittelbar bevorsteht. Sie werden daun über das Schicksal der Vorlage zu entscheiden haben. Wie au immer diese Entscheidung ausfällt, so darf ih die Hoffnung aus- sprechen, daß eine Regelung erfolgt, welhe mit der Erfüllung der lange gehegten Erwartung eines für die Volksgesundheit iwertvollen Berufs zugleih die Gesundheit von Mutter und Kind fördert, (Bravo!)

Zu meinen weiteren Aufgaben gehört die Ausbildung und Fortbildung des gesamten Heilpersonals. Eine Hauptstüße der Arbeiten meines Ministeriums sind die Kreisärzte. Wenn ih ihrer hervorragenden Verdienste um die erfolgreiche Bekämpfung der Volk3seuhen gedacht habe, so ist damit ihr Wirkungskreis keineswegs erschöpft. Jhre Mitarbeit in allen Zweigen der Ge- sundheitsfürsorge, der sogenannten sozialen Hygiene, hat si, namentlich auf dem Lande und in den kleinen Städten, {hon seit langem bewährt, zahlreihe Neuschöpfungen verdanken ihnen ihre Entstehung und werden von ihnen geleitet; eine Fülle praktischer tatlräftiger Arbeit ist hier geleistet, und die Neigung und Be- fähigung der Kreisärzte, dem Fortschritte auf diesem Gebiete zu folgen, ist anerkennens8wert. Jhre führende Mitarbeit an der sozialen Hygiene ist an den meisten Orten auf dem Lande und in der Kleinstadt überhaupt kaum zu ersehen. Vereinzelte Aus- nahmen machen die Großstädte und größere, auch ländliche Jndustriemittelpunkte besonders des Westens, die sih für diese Aufgaben besondere Kräfte gesichert haben. Wenn hier zeitweise gewisse Gegensäßlichkeiten bestanden haben, so erseche ich aus den Verhandlungen dex Versammlungen von Medizinalbeamten und anderer Vereinigungen, daß auch hier sich zwischen den staatlihen und kommunalen Gesundheitsbeamten eine Verständi- gung über die Abgrenzung ihrer Wirkungsbereihe und übex ihre Zusammenarbeit anzubahnen beginnt. Jch beabsichtige daher,

ih entschlossen bin, die berechtigten Forderungen der Kreisärzte, die sie zur Wahrcrung ihres unbehinderten Wirkens in der Er- füllung der ihnen durch ihre Dienstanweisung übertragenen Auf- gaben aufstellen, mit Nachdruck zu unterstüßen. Jch weiß mich im übrigen in Uebereinstimmung mit den Ansichten des hohen Hauses, wenn ich die in verstärktem Maße eingeleitete Umwand- lung der nicht vollbesoldeten Kreisarztstellen in vollbesoldete weiter fortseze, Jch trete auch ix dem weiteren Punkte den hier er- hobenen Forderungen bei, daß {hon die Ausbildung der Kreis- ärzte ihre Mitarbeit in dex Gesundheitsfürsorge zu berücfsihtigen hat. Die ergangene neue Prüfungsordnung verlangt für die Meldung zur Prüfung den Besuch einer der neugegründeten sozialhygienishen Akademien und bestimmt die soziale Sygiene als Prüfungsfach. Auch die Fortbildungskurse sür Kreisärzte ziehen in größerem Umfange als bisher den praktischen Unterricht in der sozialen Hygiene ein E j

Seit der leßten Haushaltsberakung isf etre nene Gruppe 4 beamteten Aerzten eingetveten, die fünf Landes3geterßh,, ärzte, sür deren Anstellung Sie in dankenswerter Weise beri im Notetat die Mittel bewilligt haben, Fm Einvernehmen init dem Herrn Handelsminister wird eine genaue Dienstanweisuy, verordnet werden. Nach den Erfahrungen anderer Länder ver, spveche ih mir von den Beobachtungen dieser neuen Beamty, gruppe Erfolge für die Vorbeugung gewerblicher Erkrankung und darüber hinaus für die gesundheitliße Normierung der By rufsarbeit. Fch werde mich an die Abmachung halten, die Zal dieser Stellen niht zu vermehren. Aber ih werde andererseji ihre Beobachtungen sorgfältig verfolgen, und sobald sie zu pr, tishen Folgerungen führen, diese Ergebnisse dazu ausnügzen, Uh für die Ausführung die Kreisärzte namentlich in industriellen zicken mehr als es bisher möglich gewesen ist, zum beruflihey Gesundheitsdienst heranzuziehen.

Ebenso wichtig wie die Ausbildung und Fortbildung d, Kreisärzte erscheint mir die Sicherstellung einer ausreichende, Ausbildung dex praktishen Aerzte. Jn ihren Händen liegt mehr als je zuvor das gesundheitlihe Schicksal -dy arbeitenden Bevölkerung, die Versorgung der Arbeitsinvalid, und der Schuß des Nachwuchses. Neben der Heilung von (7. krankungen, der bisher ausf{hließlihen Aufgabe des Arztes, ,,. wächst die neue Psliht der Vorbeugung bei den Berufstätigen un) der Gesunderhaltung des Nachwuchses. Fh freue mi, ausdrüdlih feststellen zu können, daß sowohl bei den Führern des Stande selbst wie bei. ihren Lehrern ein weitgehendes Verständnis für di Einstellung des Arztes auf diese Aufgabenertveiterung besteht Die neue Prüfungsordnung wird dem Rechnung tragen müssen: ih werde mit besonderem Nachdruck die Aufgaben des heutige Arztes, der nicht nux Heilexr der Erkrankungen, sondern Hüter d, bedrohten Gesundheit sein soll, in den Vordergrund des For: bildungsunterrichtes stellen. Nur so werden die Aerzte befähizi

sein, die Bevölkerung aufzuklären und der hygienischen Volk:

belehrung zu dienen. Diese abex ist heute dringender und nötige als je.

Bei dex Erfüllung dieser Aufgaben der Volk3gesundheit bedar der Arzt eines geschulten Hilfspersonals. Erst jüngst sind nach langen Vorberatungen neue Verordnungen über die Ausbildung und Prüfung des Krankenpslegepersonals sowie da tehnishen Assistentinnen ergangen; eine neue Verordnung für Ausbildung und Prüfung von Säuglingspflegerinnen steht vor dem Abschluß; die neue, den modernen Erfahrungeu Rechnung tragende freiere Desinfektionsordnung weist auch den Desinfel: toren geänderte Aufgaben zu. Fch verspreche mir von diesen neuen Einrichtungen vor allem eime Ausdehnung der zwed- mäßigen Fürsorge auch auf die bisher hier schlehter versorgt Landbevölkerung. '

Ein Gegenstand besonderer Sorge ist für mich die Tatsache, daß unter den Wirkungen des Krieges und seiner Folgen niht nur die körperliche, sondern auch die seelishe Gesundheit ernstlih gelitten hat. Jh weiß sehr wohl, daß für diese Ersche‘nriz auch andere Mängel vercantwortlih sind: das Fehlen des Vates in der Erziehung, die ewigen Unterbrehungen des Schuluntey rihts, die seelishen Erschütterungen durch die Ereignisse. Aber ein beträchtliher Teil der seeclishen Krankheitsersheinungen is doch förperlih zu erklären; wir wissen, daß durch Unterernährung das Gehirn am spätesten ergriffen, aber damm am nachhaltigsten geschädigt wird (sehr wahr!) unnd noch lange übererregt arbeitet, wenn die anderen Organe sih schon einigermaßen wieder erholt haben. Jedenfalls haben wir .mit der Tatsache zu renen, daß eine krankhaft gesteigerte Reizbarkeit mit ihren Folgen ‘weit ver- breitet ist, und daß sie mindestens bei der Jugend auch in ernsteren Fällen einer Heilung oder Besserung fähig ist. Was früher ver einzelt auftrat, wird jeßt als Massenersheinung kenntlich und verlangt darum besondere Maßnahmen der jugendlichen Psyhopathenfürsorge. Jh halte diese Fürsorge für sehr bedeutungsvoll und beabsichtige, sie durch Mitarbeit sowei nur irgend möglih zu fördern. :

So oft ih genötigt war, auf einen besonders ungünstigen Punkt in unserer Volksgesundheit hinzuweisen, ergab sih aus der Fülle nahteiliger Einwirkungen als besonders bedeutungsvol unsere ungünstige Ernährung. Jn anderer Form bedrütt sie uns wieder. Fehlten uns vor einigen Jahren die leben wichtigsten Nährstoffe, so sind sie heute, soviel sie aus dem Aus- lande stammen, nicht käuflih, und so viel sie das Jnland kiefer außerordentlich verteuert. An sih ist die Sicherung der Voll ernährung Sache des Reiches. Aber au hier ist ein reiches V: tätigungsfeld durch die Hinweisung auf zweckmößige Ausnußunz der vorhandenen freien Produkte gegeben. Vor allem muß der Gesahr vorgebeugt werden, daß, wie während der Blockade, mind! ivertige oder gar gesundheitsschädliche Ersaßstoffe in den Vorder grund treten. Gestüßt auf die Erfahrung meiner sachverständigen' Berater, werde ih mit aller Energie bei den Reichsbehörden dahii wirken, zu verhindern, daß ein zweites Mal Gewinnsucht und Fahrlässigkeit sh hier an Volksgesundheit und Volksvermögen versündigen. (Bravo!) :

Jch könnte noch eine Reihe anderer Fragen anführen, die ät sih niht weniger wichtig sind als die {hon besprochenen. | muß mix ‘aber* eine gewisse Zurückhaltung auferlegen. Nur det! einen grundsäylihen Punkt will ich_ noch hervorheben. Es is natürli, daß ih in allen technishen Fragen eines sachverständigeit Beirats bedarf. Die Erkenntnis dieser Tatsache hat in Preuße schon seit mehr als einem Jahrhundert dazu geführt, daß de! Medizinalabteilung eime wissenschaftliche Deputation angeglicdet! wurde, die zu allen Fragen sich gutachtlih äußerte und {elbst An regungen gab. Diese Einrichtung ist in-der jüngsten Zeit modernet Forderungen angepaßt und in einen Landesgesundheitsrat un gewandelt worden, in den nichtk nur Mediziner, sondern in at nähernd gleiher Zahi sahverständige Vertreter aller Kreise der Bevölkerung aufgenommen sind, Dieser Gesundheit3rat hat sein Arbeiten soeben aufgenommen, und ih beabsihtige, unter Herd ziehung von Sachversiändigen von Fall zu Fall seine Mitarbeit it allen irgend wichtigen Fragen zu beanspruchen, und das nicht nur bei Geseßen und Verordnungen des preußischen Staates, sondert au, soweit irgend. möglich. bei denjenigen Reichsgeseßen, bei deren Vorberaturtg meine beauftragten Berater mitzuwirken habet

(Fortseßung in der Zweiten Beilage.)

zum Deutschen Reichs

Ir. 284.

(Fortseßung aus der Ersten Beilage.)

Meine Damen und Herren, ih war doch wohl genötigt, &hnen unsere gesundheitlihe Lage so zu schildern, wie fie sih mir in nüchterner Betrachtung ergibt. Fch mußte jeden Versuch einer Schönfärbung ablehnen, weil ih niht nur die Gegenwart und eine augenbli@ckliche geringe und teilweise Besserung, sondern auch die Aussichten der Zukunft zu berücksihtigen hatte. Jch mußte hierbei-al3 die Ursache unserer gesundheitlihen Not die wirischaft- lihe Not bezeihnen. Jch bin aber durhaus nicht geneigt, daraus zu s{ließen, daß unser einziger Gedanke die Beseitigung der wirt- schaftlihen Not sei und durch dieses Bekenntnis auf eigene Maß- nahmen g zu verzihten. Eine Hauptwirkung vershlehterter wirt- schafiliher Lage wenigstens ist die verspätete oder die ungenügende sachverständige Versorgung und Beratung des Gefährdeten oder Erkrankten; und gerade hier kánn und muß mit Aussicht auf Erfolg die Fürsorge einsezen. Darum bedürfen in den Zeiten ernster Sorge alle Einrihtungen der Förderung und Unterstüzung, die in efnfahsien Formen die Früherkennung und Frühbehandlung ermöglichen, und dieses wichtige Hilfsmittel in unserer gegen- wärtigen Lage muß mit allem Nachdruck ausgebaut und aus- gedehnt werden. Für diese Maßnahmen kommt vornehmlich unsere Jugend in Betracht, die am tiefsten geshädigt, die mit der größeren Aussicht auf Erfolg einer Besserung zugänglich ist und auf deren Kräftigung unserer Zukunft beruht.

Aber die Maßnahmen zur Kräftigung und Genesung dieses RNahwuchses sind keineswegs einseitig hygienische oder medizinische, sie bedürfen der Ergänzung durch erzieherishe und allgemein fiir- sorgerishe Arbeit. Gerade darum werde ih auf die engste Zu- sammenarbeit der Abteilung für Volksgesundheit mit der Ab- teilung für Wohlfahrtspflege mein besonderes Augenmerk richten.

Fch bin am Schluß. Fch möchte jedoch niht s{chließen, ohne noch zweierlei nachdrüdcklichst betont zu haben. Erstens: JH bin jeder Bürokratisierung abhold. (Bravo!) Unterstüßungsgesuche, die an staatliche oder kommunale Behörden gerihtet werden, müssen \chnell ihre Erledigung finden. Ein Unterstüßungs- bedürftiger, ein Armer oder ein Kranker reiht ein Unterstüßungs- gesuh meist erst dann ein, wenn er am Rande des düsteren Elends steht. Danu wartet er täglich und stündlich, jedesmal wenn der Briefbote chellt, auf eine Antwort der Behörde, die er um Hilfe angegangen hot. Dessen müssen alle in der Volkswohlfahrt arbei- tenden Dienststellen sich immer bewußt sein, daß hinter den papiernen Untexstüßzungsgesuhen lebendige Menshen und si sorgende Familien stehen. (Sehe richtig!) Die kleinlichsten Fragen und Nöte sind für den, der sie stellt und zu tragen hat, meist riesengroß und für scin und seiner Familienangehörigen Lage und Zukunft entscheidend.

Zweitens: Wir alle, die wir in der Wohlfahrtspflege tätig sind, müssen uns mit Freude und Optimismus unserer Arbeit hingeben. Dabei verkente ih keinen Augenblick die gewaltigen finanziellen, wirtshafstlißhen und politishen Schwierigkeiten und Hemmnisse, mit denen wir jeßt und in den kommenden Fahren erbittert zu kämpfen Haben werden.

Jch glaube aber fest und nnershütterlich an den Wiederaufstieg und an die Zukunft unseres Volkes. (Bravo!) Jch halte aber au diesen Glauben für eine nationale und vaterländische Pflicht! Darum möchte ih von dieser Stelle aus möglichst weiten Schichten unseres Volkes und îin erster Linie den in der Wohlfahytsarbeit jtehenden Volksgenossen zurufen: Glaubet mit mir an eine bessere Zukunft und bemüht Euch alle, durch hingebende Arbeit für das

Wohl unseres Volkes diese kommende Zukunft zu bereiten! (Leb- hofter Beifall.) 77. Sißung vom 30. November 1921 Nachtrag. Bei der Forisezung der Beratung über den Haushali

des Ministeriums für Volk3wohlfahrt und die dazu gestellien Anträge hat der Minister für Volkswohlfsahrt Hirtsiefer folgendes ausgeführt:

Meine Damen und Herren, ich will Sie infolge der vor- geshriitenen Zeit und ih glaube, das werden Sie anch nit verlangen und wünshen mit allen Einzelheiten, die in der aus- giebigen Debatte über den Etat des Wohlfahrtsministeriums hier zur Sprade gekommen sind, niht behelligen. Aber zu einigen mir wesentlih ersheinenden Einwendungen und Beurteilungen möchte ih Stellung nehmen.

IchH danke den Vertretern der verschiedenen Parteien für die große Anzahl von Anregungen, die insbesondere gerade dem Volk3- wohlfahrtsministerium für sein \päteres Wirken gegeben worden sind, Wir werden diese Anregungen selbstredend sehr eingehend pcüfen und versuchen, davon zu berücksichtigen, was irgendwie möglich ist. Es. ist naturgemäß, daß die Beurteilung des Wirkens des Wohlfahrtsministeriums verschieden ist je nah der Partei- stellung derjenigen, die die Beurteilung vorbringen. Was der eine lobte, tadelte der andere und umgekehrt, und es wicd vor- lôufig noch so bleiben; daran werden wir vorläufig nicht viel undern können. Es wird au hier gelien:

Recht zu machen jedermann, Jst eine Kunst, die niemand kann!

Wos die von dem Herrn Abgeordneten Meyer (Solingen) ex- örierte Personalfrage anbetrifft, so ist es richtig, daß in meinem Ministerium ein. Oberregierungsrat Lehmann tätig ist, der aus dem mittleren Beamtentum hervorgegangen ist. Ob er Aeuße- rungen der hm von dem Herrn Abgeordneten. zur Last gelegten Art getan hat, war und ist mir nicht bekannt. Jedenfalls steht er, wie erx ausdrüdlich erklärt, einer Agitation gegen den da- maligen parlamentarischen Staatssekretär Gräf völlig fern. Ueber die politische Stellung des genannten Beamten bin ih nicht unter- ribtet, Wie er mir mitgeteilt Hat, steht ex auf dem Boden unserex gegenwärtigen Staatsform. Fm übrigen handelt es sih bei dem Genannten um einen hervorragend befähigten Beamten, dessen Beförderung - in- seine jebige Stellung allein auf seine ganz be- sondere Tüchtigkeit zurücktzuführen ist.

j geführt worden ist.

Zweiie Veilage

(/

/ l. 1

anzeiger und Preußischen Staatsanzeiger

Berlin, Montag, den 5. Dezember

Was die Angelegenheit des Herrn Professor Brunner | betrifft, so hat bereits der Herr Minister des Jnnern mitgeteilt,

daß Professor Brunner auf dem Etat des Ministeriums für Volks- wohlfahrt steht. Dienstaufsicht. zwishen dem Polizeivräsidium und dem Wohlfahrtsministerium geteilt, Bei uns bearbeitet Professor Brunner einzelne Angelegen- heiten der Jugendpflege. (lebhafte Zurufe von den Komm. und

U. Soz.), während die kriminelle Bekämpfung von Shmut und Schaffung einer allgemeinen Ämnestie für politishe Straf-

Sch{chun d eine Angelegenheit der Polizei und der Gerichte ist urtd sich daher im Rahmen der Polizeiverwaltung vollzieht. Mir ist daher auch nicht bekannt, inwieweit Professor Brunner den Reigenprozeß in amtlichem Auftrag des Polizeipräsidenten oder persönlich auf Grund sciner ihm wie jedem Staatsbürger durch die Verfassung gewöährleisteten Rechte betrieben hat. Sollten si

hierbei irgendwelhe Schwierigkeiten ergeben haben, die dienstliche -

Vorhaltungen an Professor Brunner erwünscht erscheinen ließen, so würde es Sache des Herrn Ministers des Jnnern oder ‘des ihm nahgeordneten Polizeipräsidenten gewesen sein, mir als dem Träger der Dienstaufsiht Wünsche in dieser Hinsicht auszusprechen. Da bisher irgendeine Mitteilung an mich nit gelangt ist, glaube ih annehmen zu können, daß die Tätigkeit des Professors Brunner auch in polizeilichen Angelegenheiten dienstlih nit zu beanstanden war. Das Wohlfahrtsministerium hat mit der Theaterpolizei nicht das mindeste zu tun. Jhm stehen daher weder Eintrittskarten danach ist auch gefragt worden noch Mittel zur Verfügung, die zur Störung von Theatervorstellungen irgendwie mißbraucht werden könnten und infolgedessen niht haben mißbraucht werden können.

Während es Sache der Polizei und der Gerichte ist, die zahl- reih zutage tretenden Mißstände auf sittlihem Gebiet im Wege des Strafverfahrens zu unterdrüdcken, sehe ih es als meine Auf- gabe an, gemeinsam mit dem Kultusministerium und dem ihm nahe stehenden Zentralinstitut für Erzichung und Unterricht durch Förderung aller auf Belehrung und einwandfreie Unter- haltung der Jugend gerichteten Bestrebungen, also durch positive Arbeit der weiteren Verbreitung von Shmuy und Schund inner- halb der Kreise der Jugendlichen entgegenzuwirken.

Was das Hebammengesey anlangt, nach dem von vershiedenen Seiten des Hauses gefragt worden ist, so kann ich feststellen, daß bereits Anfang Februar dieses Jahres im Wohl- fahrtsministerium eine Beratung über die Grundzüge des neuen Entwurfs stattgefunden hat, an der außer Vertretern der Aerzte, der

Krankenkassen und der beteiligten Kommunalverbände auch Ver- |

treterinnen der Hebammenschaft teilgenommen haben. Noch im leßten Ministerium ist beschlossen worden, den Einwenduüngen, die vom Staatsrat - erhoben worden sind, nit stattzugeben. Sie werden dies demnächst in der Vorlage finden, denn ih werde die Vorlage, so, wie sie ausgearbeitet worden ist, dent Landtage zu- gehen lassen. Fch darf nochmals die bestimmte Absicht aussprechen, daß ih alles daran seße, um dem Haus den Gesezentwurf über das Hebammentvesen sobald wie möglich vorzulegen: ;

Was die Ausschüttung des Fonds von 1 Million zur Be- kämpfung der Tuberkulose angeht, so hat sie sich verzögert, einmal wegen der außerordentlich späten Bewilligung des Haus- halts für 1920 und dann wegen der Ausarbeitung von Richt- linien für die Verteilung des Fonds zwischen dem Wohlfahrts- ministerium und Finanzministerium. Die gesamte vorhandene Summe wird aber voraussihtlich am Ende des Etatsjahres ver- au8sgabt sein. Verhandlungen zur Abänderung der Richtlinien, der Vereinfahung und Beschleunigung des Bewilligungsverfahrens sind eingeleitet. Jch hoffe, dieselben bald zum Abschluß zu bringen.

Gegenüber dem Herrn Abg. Dr. Weyl möchte ih doch bitten, nicht die einzelnen Referenten hier im Plenum anzugreifen. Nicht meine Mitarbeiter sind hier zur Verantwortung heranzuziehen, sondern der Minister selbs. Jn allen wichtigen Fragen ist die Stellung des Ministers entscheidend. Deswegen hat er auch hier die Verantwortung zu tragen. (Zuruf von den Unabhängigen und Kommunisten.) Ueberlassen Sie doch, bitte, mir, was ih hier ausführe; Herx Dr. Weyl, was ih mir aufschreibe, das weiß ih schon selbst; ich brauche wirklih Jhre Genchmigung nit dazu. (Zuruf des Abg. Dr. Weyl.) Was Sie \ich gefallen lassen, müssen Sie ja wissen.

Jh, kann natürlih beim Mietershuß auch gegenüber den Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Weyl möchte ih das doch sagen —, wenn alles im Fluß ist, nicht an den starren Bestim- mungen festhalten, die einmal getroffen worden sind. Jch muß auch da der Entwicklung der Tagesverhöltnisse Rechnung tragen. Etwas anderes habe ich in meiner Rede nicht gesagt. Das. heißt natürlih nicht, die Micten der gegenivärtigen Geldentwertung ent- sprechend Heraufklettern lassen, wohl aber die Entwicklung der tatsählihen Verhältnisse, städtishe Abgaben usw, berücsihtigen. JZch glaube auch nicht, daß Herr Dr. Weyl in dieser ‘Frage einen anderen Standpunkt einnehmen wird. (Sehr richtig!)

Jch kann auh nicht ‘zugeben, daß das Programm, das der Minister Stegerwáäld bei seinem Amtsantritt entwickelt hat, hier niht durchgeführt worden, ist, daß nur Kleinigkeiten gemacht worden seien. Wenn ich allein die große Frage des Mietershußes hier anshneide, werden auch die Gegner Stegerwalds zugeben müssen, daß von seinem Programm außerordentlich viel durch- Daß da auch zutrifft, daß die Verhälnisse oft stärker sind als die Menschen, das läßt sich niht leugnen. Jch hoffe doch, daß bei der Beratung und auch bei der Arbeit auf dem Gebiete der Volk8wohlfahrtspflege, soweit es überhaupt möglih ist, die ganze Arbeit dem Parteigetriebe möglichst entzogen wird, daß wir möglichst gemeinsam arbeiten gerade auf dicsem so außer- ordentlih wichtigen Gebiete für den Wiederaufbau uuseres Volkes, damit wir alle unser Teil zu dem Wiederaufbau unseres Volfes beitcagen. (Bravo!)

Soweit untersteht dieser Beamte auch meiner |

Sein Tätigkeitsbereich if indessen | s O | Art des Strafvollzugs und Wünsche, wie auf Einsezung einer

1921

Bayern. Der WVerfassungsaus\huß des Landtages be-

handelte vorgestern die Verhältvisse in Niederschönen.-

feld. Es wurden einige Eingaben von Niederschönenfelder Fesiungsgefangenen vorgelegt, in denen Beschwerden über die

parlamentarischen Untersuchungskommission und direkte Unterstellung unter das Justizministerium, vorgebracht | werden. Zu einem Antrag Aenderl (Komm.) auf

| und einem Antrag Niekisch (U. S. V.) auf

| Finanzen: Tibor | Handel: Ludwig Hegyesh alm: Kultus und Unterricht : D

taten und Einstellung von Verfahren wegen politischer Vergehen Vorlage eines Geseßentwurfs zur Gewährung von Straffreiheit für politische Gefangene beantragten die Abgeordneten Schaeffer und Knilling (Bayer. Volksp.) Ablehnung unter Hinweis darauf, daß in Bayern das System der individuellen Begnadigung an- gewendet werde. Laut Bericht des „Wolffshen Telegraphen: üros“ führte der Vertreter des Justizministeriums aus: __ Die Festungshaft sei landesrechtlich geregelt und ihre Reckts- e und ihre Vereinbarkeit sei mit den reihsgeseßlihen Be- timmungen ausdrüdlich anerkannt. Die in Bayern geltenden Be stimmungen für Festungsgefangene seien sogar günstiger als dies na den Vereinbarungen zwischen den Bundesstaaten der Fall sein müßte

In Niederschönenfeld hätten fich Zustände entwickelt, die zu Sicherungémaßnahmen zwangen, weil die Beamten und das

Aufsichtsperional gegen ten Terror einer radikalen Gruppe der Ge- E geschüßt werden mußten. Diese Gruppe fei als direkt taatsgefährlih anzusehen. Es seien Leute, die auch für die Zukunft als staatsgefährlih angesehen werden müßten, was daraus herveor- gehe, daß sie ihren Aufenthalt in Niederihönenfeld dazu benügen, fich zu wirtschaftlichen und politishen Führern in kommunistischem Sinne auszubilden und daß sie Schriften über die Zerstörung der Technischen Nothilfe, über die Organisierung der Noten Armee unkb den revolutionären Bürgerkrieg ausarbeiteten und daß die rücksihts- lose Zerstörung und der shrecklichste Terror in diesen Schriiten als Ziel aufgestellt werde. Drohungen mit Kerker und Erschießen würden nit nur gegén Beamte und Aufseher, sondern au gegen anders gesinnte Pitgefangene gerihtet. Außerdem hätten fich die radikalen Feftung8- gefangenen bemüht, Außenstehende zu bestimmen, Revolver und Brand- stoffe in die Festung zu s{muggeln. In der Festung seien Totshlags- werktzeuge gefunden. Der Redner legte ein großes Paket auf den Tisch des Hauses, în dem \ich Keulen, Drahttaue und sonstige Werkzeuge be- fanden: Auch wurden Eisenteile vorgelegt, die von den eisernen Bett- stellen abgebrochen worden waren. Gefunden wurde ferner ein eingehender

lan für die gewaltsame Inbesiznahme der ganzen Festungsanstalt. Der Negierungébertreter verlas sodann eine Reihe von Briefen von Festungsgetangenen, in denen gegen das Auftreten einzelner Ge- fangener Stellung genommen und diese als charakterlose Lumpen und Wahnsinnspolitiker geschildert werden. In dem Briefe eines Ar- beiters, der in der Festungsanstalt beshäftigt war, heißt es, er habe sih überzeugen müssen, daß die von der kommunistishen Partei ge- gebene Daritellung über die Behandlung der Gefangenen nit der Wahrheit entspriht. Absolut unrichtig sei es, daß den Festungs- gefangenen das Briefschreiben verboten worden sei.

Ín der Ausfprache nahm der Abg. R oßhäupter (Soz.) eine ablehnende Stellung zu den Anträgen der äußersten Linken ein. Eine allgemeine Amnestie für politishe Gefangene lehne seine Partei ab, Seine Partei sei bereit, in eine neuerlihe Prüfung einzelner Straf- taten einzutreten und foweit als möglih auf einen Strafnachlaß hin- zuwirken. Seine Partei halte die E eines Unterfuhungs8- auéschusses für zweckmäßig. Der Abg. üller (Demokrat) be- dauerte, daß die Regierung die Oeffentlichkeit niht auf dem Laufenden gehalten habe.

Jn der Abstimmung wurden die Anträge Aender!l und Nie kiïch gegen die Stimmen der Kommunisten und Un- abhängigen abgelehnt. Zugestimmt wurde mit den bürger- lihen Stimmen dem Antrag, das heute vorgetragene und sonft vorhandene Matérial zu drucken und geeignete Auszüge an die Presse zu bringen.

Oesterreich.

Nach einer amitlihen Meldung ist die militärishe Bee seßung des Burgenlandes beendet,

Ungarn.

Laut Meldung des „Ungarischen Telegraphen-Korrespondenz;- büros“ hat Graf Bethlen im Laufe des vorgestrigen Tages sein Kabinett gebildet. Es seut sich folgendermaßen usammen: Ministerpräsident Graf Bethlen; Aecußeres: Graf Nikolaus Ban ffy; Kriegsminister: Alexander Belißka; Kallay; Jnneres: Graf Rie, E Vaß; Ackerbau: Jochem Mayer; Justiz: Wilhelm Pauk Tomscianyi; Volkswohlfahrt: Ferdinand VBernolak: Volksernährung (ohne Portefeuille): Bela Terffy.

____— Die Oedenburger Generalskommission teilte dec ungarischen Regierung in einer Note mit, daß die Be- friedung Westungarns amz#3. Dezember beendet wurde.

Grof;briiannrien uud Jrland.

Blättermeldungen zufolge ist die Lage der irishen Frage wieder ernst. Die Sinnfeiner haben die neuen Vor- läge der britischen Regierung nicht angenommen. Für heute ist eine Kabinettsfizung anberaumt worden. Gestern wurde eine Zusammenkunft zwischen Lloyd George, Chamberlain, Birkenhead, Horne und den Sinnfeinervertretern abgehalten. Dem „Daily Chronicle“ zufolge bleibt wenig Hoffnung auf eine Regelung der Frage übrig. Ein sofortiger Bruch der Verhandlungen stehe jedoch nicht bevor.

iFraukreich.

Jn der vorgestrigen Sißung des Minksterräts hat Briand über seine Teilnahme an der Washingtoner Konferenz m Ls den Stand der auswärtigen Angelegenheiten Bericht erstattet.

Gestern En der Ministerpräsident den englischen Bots schafter Lord Hardinge und den spanishen Botschajter Quinones de Leon. i

Nach einer Havasmeldung bestätigt man im Ministerin

des Aeußern, daß eine Zusammenkunft der Minister des

Aeußern Englands, Jtaliens und Frankreichs zur Besprehung der Orientfrage bevorstehe. Das

noch nicht festgelegt.

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