1921 / 293 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 15 Dec 1921 18:00:01 GMT) scan diff

{Bört, Hört!) Die Not wird noch dadur vershärft, daß wir gar kein Ret finden können. - Ferner werden immer neue Flug- und Grerzierpläße angelegt. Soll das der Versöhnung und der Ver- standigung dienen? Die Kosten der französischen Besetzung betragen vorläufig jährlih 1,12 Milliarden Papiermark. Mit dem Zehntel davon könnte der Rhein-Donau-Kanal fertiggestellt werden. Dann kommt die Unsicherheit im beseßten Gebiet. Jn der Nähe von Bingen find drei Deutsche in s{ändlicher hinterlistiger Weise ermordet worden. Tine Entschädigung an die Angehörigen wird von Frankreich ver- mw'eigert. Vielleicht kommt cin Schtiedsverfahren zustande, wonach soYhe Fälle geregelt werden. Es ist ein trauriges Gefühl, nahezu im Zistand der Versklavung zu stehen, unter Menschen, die weit unter uné vtchen. Jn der Beurteilung diefer Schmach sind wir alle cinig und fannen feinen Unterschied der Parteien 1m Rheinland. Ob man von regulärem französischem Militär erstohen wird, oder vön irregulärem, bleibt sih gleich. Die Herren, die uns diese Shmach auferlegen, werden eines Tages vor dem Nichterstuhl der Geschichte ¿hr Urteil erfahren, Noch ist nicht alle Tage Abend. Es gehört zu den ernstesten Seelenkämpfen eines rheinishen Politikers, den Geist der MRevanche und des Hasses zu unterdrücken, und den Gedanken des Rechks und der Versöhnung zu erwecken, dem sih auf der anderen Seite naturgemäß die Empörung und Erbitterung entgegenseßt. Auf diesem Hintergrund betrachtei die rheinische Vebölkerung auch den Pfälzer Fall, der ein Nachläufer des Falls Dorten ist. Dorten regt h wieder, es finden neuerdings Konferenzen statt zwischen ihm und einem Prinzen aus reichsunmittelbarem Hause und einem Berliner Geheimen Kommerzienrat, der sih allerdings niht des besten Nufes erfreut. Was hat die Regierung eigentlih getan gegenüber dem General de Meß. Dieser {ät zweilllos seine Befugnisse übertreten und sich strafbar gemaht. Wie ist denn die französische offizielle Politik uns gegenüber? Man sagt, wir sind die leßten die Deutsch- {and zertrümmern wollen, im Gegenteil, wir sind der Meinung, daß Deutschland und Frankreih allmählich auf einen anderen Fuß mit- einander ommen müssen. Man will angeblih die demokratische Regierung Wirth unterstüßen. Warum ist es dann im beseßten Gebiete heute noch nit einmal erlaubt, die Farben der demokratischen Republik zu zeigen? Man möchte eben den inneren Zusammenhang ¿wischen Rheinland und dem übrigen Deutschland locern. Erst macht man sc{óne Worte, und hernach kommen die Keulenshläge. In Wahr- heit handelt es fih um die Fortseßung der alten anexionistischen

Politik, die von Frankreich seit Jahrhunderten gegenüber dem | gt

| faßt. ) ! n y 4 y j Kapiteln die Probleine behandeln würde, die uns beschäftigen. Der wenn man Feste feiert, die zu nmichts führen können, als zu einer |

Deutschen Reich getrieben worden ist. (Lebhafte Zustimmung.) Die rheinische Bevölkerung lehnt es ab, wenn Dinge geredet werden, und

Srschwerung unserer Lage. So war es mit der Sonnenwendfeier in QGadb. Man sollte sich auch drüben hüten vor Demonstrationen, deren Folgen wir im beseßten Gebiet auszubaden haben. Wir Rhein- sänder protestieren mit Ernst und Würde, erwarten aber von unserer Negieruna, insbesondere von dem neuen Reichskommissar und dem Staatssekretär für die beseßten Gebiete, daß sie loyal und korrekt, aber ohne jede Scheu für die Rechte der Bevölkerung eintreten, Die RNheinländer erwarten, daß man an dieser Sielle aud von ibren Gefühlen spriht. Ich schließe mit der Versiherung: Sie Ériegen uns nicht! Je größer das Leiden, um fo größer die Liebe zu Deutsch- sand. (Lebhafter Beifall.) i:

Abg. Merkel (U. S0z.): Wenn Frankrei in den beseßten Gebieten eine annexionistishe Politik. betreibt, so tragen die Schuld daran nicht zum mindesten diejenigen, die im Kriege auf unserer Seite die wildeste Annexionspolitik getrieben haben, und die nun hier auftreten, und dur nationalistishe Hebreden den nationali/n Haß aufpeitschen. Diese Herren, und überhaupt die bürgerlichen und dîe besißenden Klassen, werden es nicht sein, die die beseßten Gebiete bei Deutschland erhalten; das kann allein die Arbeiter- schaft, die gerade dort în jahrzehntelangem ‘Kampfe um die politishe Freiheit und Kultuventwickelung Deutschlands gestanden hat, und es ist charafkteristisch, daß es gerade - bürgerliche und nationalistische Kreise gewesen sind, die die Beseßung des Ruhr- gebiets herbeigewün|scht haben, weil sie glaubten, auch dabei ihren Profit machen zu tönnen, und die neuerdings mit der bayerischen «Königsparteë in Verbindung getreten sind. Zu einer Zeit, da das Deutsche Reich sich in der shlimmsten Finanznot befindet,

verliert eine einzige Großbank bei Devisenspckulationen mehr als 340 Millionen Mark. Zu derselben S macht der Reichsverband der Fndustrie die Gewährung einer Kredithilfe von Bedingungen abhängig, die geradezu unerhört sind. Solange die Herren solche Beweise ihres „Patriotismus“ geben, dürfen sie nicht verlangen, mit thren nationalistischen Heßreden im Auslande ernst genommen zu werden. Dieselben Kreise sind es gewesen, die in der Revolutionszeit sich mit zahllojen gegen unsere Partecigenossen ge- zichteten. Denunziationen an die Besaßungstruppen gewendet hoben, diejelben Kretse sind es auch gewesen, die ihre Wohnungen huridertmal lieber den fremden Offizieren und Soldaten zur Ver- fügung gestellt haben, als Proletarier darin aufzunehmen. Danach fann man sich so ungefähr vorstellen, welche Wirkungen die Reden haben werden, dée von der Rechten gehalten werden. (Sehr richtig! bei dew Komm.) Die Regierung könnte allerdings manches tun, um die Lasten der Beseßung erträglicher zu machen und nicht eine Reihsverdrossenheit aufkommen zu lassen, die niht ganz un- berechtigt ist. Vorx allen Dingen sollte eine Stelle geschaffen werden, die für die s{leunige Regelung von Personal- und anderen Schäden zußtändig is, Nicht mit Phrasen und Hetereien kann dem beseßten Gebiet geholfen werden, sondern mit der Tat.

Abg. Fries (Kamm.): Die Debatte ist verschiedentlih zu Vorstößen gegen die Kommunisten benugt worden. Dex FJnter- pellant hat sih in der Beziehung selbst, wie ich gern anerkenne, ciner gewissen Zurückhaltung besfleißigt; bezeihnender Weise war es cin Soztaldemokrat, der die Behauptung ausgesprochen hat, daß die Kommunisten im beseßten Gebiet ein besonderes Jnteresse für Frankreich zetgten. Das ist eine Behauptung, die ih hier als eine elende Verdächtigung mit aller Entschiedenheit zurückweise. (Betfall bei den Kommunisten.) Die französishen Besaßungs- behörden ' haben fich. an die verschiedentlichen Parteien und Be- völterungs{hihten Hherangemaht. Und sie haben auch überall einzelne Leute gefunden, die sich haben - verführen lassen, aber darauf fommt es nicht an, sondern darauf, wie die einzelnen Parteien sich dazu stellen, und wie sie dementsprechend von den Besaßtungsbehörden behandelt werden. Jn der Beziehung erinnere ih dacan, daß es im Saarstaat die Oberste Polizeiverwaltung der Besaßzungsiruppen war, die kommunistishe Versammlungen, in denen der Reichstagsabgeordneter Plettner sprechen sollte, im voraus verboten hat. Tatsache ist weiter, daß es im beseßten Gebiet hauptsählich Anhänger der kommunistishen Partei find, die am schäârssten beobachtet, behorcht und eventuell eingesperrt Werden. Ein anderes Kapitel stellen die Denunziationen gewisser Deutscher gegen Kommunisten bei den Ententebehörden dar, Es ift gelogen, wenn Herr Berndt sagt, daß die Bankräuber von Mettmann von den Besaßungsbehörden freigelassen scien. Die Engländer und Franzosen halten es uns immer untex die Nase, daß qut deutsche patriotische Kreise ihre Entschädigungzforderungen für Schäden durch die Besezung über alles Maß hinaus auf Kosten der deutschen Steuerzahler übertreiben. Die Deutsch- nationalen haben gor fein Recht, über Völkerversöhmung zu sprechen, denn diese Kreise haben im Kriege das vorzemacht, was heute die Entente nahmacht. Wer hat denn im Kriege die Veiligen Gefühle der Franzosen geachtet? Die Arbeiterkreise sind überall gegen Gewalttaten, aber gegen die der Franzosen und Engländer. Wir Kommunisten verurteilen die Loslösungs- bestrebungen im Rheinland auf das schärfste, allerdings nicht aus natfonalistishen Gründen, sondern weil dadurch die Kraft der deutschen Arbeiterbewegung: geshwätht würde, denn der fran- ösische Militarismus bekämpft die Arbeiter ebensv, wie der deutsche e3 getan hat. Deshalb weisen wir auch die Anbiederungs- yersuche dex Franzosen zurück. Es ist die Aufgabe des deutschen Proletariat3, zusammen mit dem französischen, das kapitalistische Wirtschaftssystem sowohl in Deutschland, wie in Frankreich zu bekämpfen.

Damit {ließt die Besprechung der Juterpellation. Es sind zwei neue Fnterpellationen cingegangen, eine von Abg. Schetdemanu (Soz.) wegen gzivilrehtlicher Ver-

nrteilung von Personen, die wegen hohverräterisher Hand- lungen amnestiert worden sind, zum Schadenersaß und eine von Abg. Marx (Zentr.) wegen der im Weißbuch der Re- gierung dargelegten Verhältnisse im Saargebiet. s

Bei Festseßung der Tagesordnung für morgen wünscht Abg. Frau Lüder s (Dem.), daß der Antrag auf Einführung eines nationalen Trauertages noch vor Weihnachten beraten werde. Der Wunsch wird gegen die Stimmen der beiden Rechtsparteien und der Demokraten abgelehnt. Ein Wunsch der Kommunisten, morgen verschiedene Beamtenfragen auf die Tagesordnung zu segen, wird gegen die Stimmen der Kommunisten unter Heiterkeit abgelehnt. Nächste Sißung Donnerstag 2 Uhr (Futerpellationen, Ortsklassenverzeichnis, kleinere Vorlagen und Auträge).

Schluß 7 Uhr.

Preußischer Landtag. 82. Sißzung vom 13. Dezember 1921. Nachtrag.

Die Rede, die bei Fortsezung der zweiten Beratung des Haushalts des Ministeriums für Wissenschaft, Kun st und Volksbildung der Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung Dr. Boeliß gehalten hat, hatte folgenden Wortlaut:

Meine Damen und Herren, ih habe mich am vergangenen Sonnabend bei dem Kapitel „Allgemeine Verwaltung“ kurz gefaßt, weil ich nur einige grundlegende Gedanken der Politik des Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung entwickeln wollte. Es ist auch gar niht mögli, einleitend bei einem so großen Ressort eine große, programmätishe Rede zu halten, die die Hauptfragen der einzelnen Abteilungen des Ministeriums um- JIch habe in Aussicht gestellt, daß ih bei den einzelnen

heutige Tag wird mir den ersten Anlaß dazu geben.

Jch bin am vergangenen Sonnabend auch noch. mit wenigen Worten auf einige Angriffe eingegangen, die hier in diesem Hause gegen mich gerichtet worden sind. Jch freue mich darüber, daß ih auch hier kurz und prägnant geblieben bin; denn jedes Wort darüber hinaus könnte wie cine Entshuldigung dafür aus- sehen, daß ih überhaupt hier vor Jhnen stehe. Jh freue mich aber namentlich, daß die Ausführungen, die Herr Kollege Haenisch in Nr. 32 der „Glocke“ in dem Artikel „Der Kultusminister der Koalition“ gegen mich gerihtet hat, mir erst am Sonntag vor- gelegt worden sind. Fch wäre sonst vielleiht in die Versuchung gekommen, Herrn Haenish auf diese Angriffe eingehend zu ant- worten. Fh möchte aber wiederholen, was ih am vorigen Sonn- abend gesagt habe: Jch nehme es einem Gelegenheitsscriftsteller nicht übel, wenn er selbst in einer delikaten Frage nicht zu den Quellen geht; aber wenn ein ehemaliger preußischer Kultusminister sih mit seinem Nachfolger auseinanderseßt, dann müßte man ver- langen, daß er die Rede, die er dann zum Ausgangspunkt seiner Angriffe nimmt, wirklih gelesen und sih authentisch mit ihr be- schäftigt hat. (Sehr richtig!) Dann lassen Sie mich mit allem Freimut auf Grund der mannigfaltigen Angriffe, die gegen mih gerichtet sind, noch das eine Wort sagen: entweder man bildet cine Koalition, treibt Koalitionspolitik und trägt dann auch die Folgen der Koalitionspolitit, oder man stellt Partei und Parteipolitik höher als das allgemeine Jnteresse und läßt dann selbst nah der Meinung und den Worten prominenter Führer der sozia- listishen Partei das Chaos kommen.

Meine Damen und Herren, ich möchte mih heute zu den Kapiteln „Universitäten“, „Technishe Hochshulen“ und „Kunst“ etwas ausführlicher äußern. Das wichtigste Problem, das auch im Ausschuß stark behandelt worden ist, sheint mir in der Frage der Einstellung unserer Hochschulen in die neue Zeit zu liegen, und hier wieder kommt einmal die Stellung der Prosfessorenschaft und zum andern die Stellung unserer Studenten in Betracht. Die Stellung der Professorenschaft ist vielfah und herbe kritisiert worden. Man stellt unsere Professoren so gerne als Reaktionäre hin, die kein Verständnis hätten für die neue Zeit, und die, abgesehen von nur wenigen, keine geeigneten Bildner unserer Jugend seien. Meine Damen uud Herren, im Grunde genommen ist es nicht die Art der deutshen Professoren gewesen, zu politishen Tagesfragen innerhalb der Hörsäle Stellung zu nehmen, (Sehr richtig! und Widerspruch.) Wo fie es getan haben, da segen fie sih außerhalb der Gepflogenheiten ihres Amtes. Das ist gut so. Aber troßdem möchte ih das eine sagen: wir vollen niht übernervös werden, wenn auch hier mal ein paar kritisch schaxrfe Worte fallen. Wir lehnen es von Staats wegen ab, daß die Professoren die Politik des Staates betreiben; dann ivollen wir auch von Staats wegen ablehnen, daß die Staatspolitik die Meinung der Professoren dirigiert. (Sehr richtig!) Aber auf eins möchte ich doch ernst hinweisen: für persönliche Ver- unglimpfungen und für Bildungsdünkel ist auf den Kathedern unserer Hochschulen kein Play. (Sehr gut!) Das sollte sich von selbst verstehen. Ebensowenig wird man sih dort die politischen Schlagworte des Tages zu eigen machen können. Als Staatsbürger hat selbstverständlih der Professor wie jeder andere Staatsbürger das Recht, sih politisch zu betätigen, wie ex will, und ih nehme Veranlassung, zu exrkläven, daß ih aus dem Bekenntnis zum Koms- munismus keinen Grund herleiten würde, irgendeinen Professor, der Tüchtiges leistet, von der akademischen Wirksamkeit auszu- schließen oder ihn zu ihr nicht zuzulassen. (Sehr gut!) Ex hat nux auf dem Lehrstuhl sih jeder Politik zu enthalten. Verlangen Sie das von recht{3, so muß man es auch von links verlangen; denn wir wollen hier absolute Gerechtigkeit walten lassen.

Was von dew Professoren behauptet worden ist, wird iu noch erhöhterem Maße von den Studenten gesagt. Man sagt, unsere Studentenschaft sei absolut reaktionär, sie lebe nux noch in der wilhelminischen Epoche, sie sei nationalistisch und hauvinistisch und habe kein Verständnis für die Aufgaben der Gegenwart. (Zu- rufe links.) Meine Damen und Herren, ih halte diesen Vorwurf in seiner Gesamtheit für falsch. Unsere Studenten, die heute in den Hochschulen sigen, bilden eine Generation, die vor wenigen Jahren von den Schulbänken aus in das Feld gezogen ist, sie hängt uicht an einer Zeit, die sie gar nicht kennt; die Studenten vou heute kennen die wilhelminishe Epoche aus persönlicher Berührung kaum noch. (Zustimmung rechts. Na, na! links.) Sie kennen ihre Vorzüge nicht, sie kennen ihre Nahhteile niht. Unsere Studentenschaft lebt das glaube ih aus genauer Kenntnis der

Studentenschaft sagen zu Bnnen wirklih in der Gegenwart, Nur eins möchte sie, sie möchte aus der Zerrissenheit unserex Gegen. wart herauskommen, und wo Not und Sorge um das tägliche Brot sie umlauern, sehnt sich diese Studentenschaft nah konsol, dierten Verhältnissen. (Sehr richtig! bei der Deutschen Volks, artet.)

? Dazu kommt ein Zweites: sie möchte auch aus der West, anshauungsnot . unserer Tage heraus. (Sehr rèhtig! bej der Deutschen Volkspartei.) Unsere Studentenshaft empfindet diese Weltanshauungsnot als eine drücktende Sorge, und hier ist ihr Sinn eht deutsh-romantish; sie hofft alles von einer sittlichen Wiedergeburt und denkt dabei an die Zeit vor 100 Fahren, an dis Zeit von 1813, wo auch aus der sittlichen Neugeburt die großen neuen Gedanken entsprungen sind. (Bravo! bei der Deutschen

Volkspartei.) Die deutshe Studentenschaft strebt Hin zum deutschen |

Fdealismus, das ist keine Frage, und dieser Fdealismus kämpft gegen den Materialismus, das - ist auch keine Frage. Daneben lebt ein Gedanke stark in unserer Studentenschaft, und seine Stärke ist eben aus der Vergangenheit heraus, aus dem Kriege, den Un- zählige von ihnen mitgemacht haben, zu erklären; das ist ein be- wußt starker nationaler Gedanke. Darüber sollten wir 11s freuen (bravo! rechts), und das sollten wir niht shelten. Man nennt das vielfach reaftionär. Meine Damen und Herren, Reaktiou ist eine praktische staatsrechtliche oder wirtschaftspolitishe Ziele ver- folgende Bewegung; hier handelt es sich um eine Jdee. Lossen Sie diese Jdee sich in unserer Studentenschaft auswirken!

Dabei ist der Student von heute viel moderner, als er: vielen von JFhnen hier auf der äußersten Linken erscheinen mag. Dr Student von heute ist modern hinsihtlich der Würdigung der sozialen Bewegung, sogar hinsichtlich der Würdigung des Kom- munismus (na, na! links), und sie werden manch einen nationalen Studenten finden, der für sozialistishe und kommunistische G:- dankengänge durchaus empfänglich ist. Aber dex deutsche Student von heute ist in dem allen eigentlih wieder ganz unpraktisch, und er ermangelt des realpolitifchen Sinnes. Versuchen Sie cinmal die Hand auf die Studentenschaft von heute zu legen, und Sie werden sehen, daß Fhnen manches an ihnen entgegenkommt. Aber ay einem Punkt würden Sie sih scheiden, an dem Punkt, wo Sie ctwa versuchen wollten, das Volk, das Volksganze niht in allem voranzustellen. Für internationale Gedankengänge hat der deutsche Student von heute wenig Gefühl. (Zuruf bei ven Sozialdemo- kraten: Das ist ein Mangel!)

Bei dieser Gelegenheit lassen Sie mich auch deut Gedauken noh Ausdruck geben, den ich_ foeben andeuteie: Wie es dem Studenten an realpolitishem Sinn mangelt, so ist auch das Streben nah cinseitiger parteipolitisher Einstellung schr zurückgegangen E: legt sih ungern auf bestimmte Programme fest. (Sehr richtig! bei der Deutschen Voïkspartei.) i

Jh hôre und lassen Sie mi das auch mit aller Klarheit hervorheben —, daß in einem fleinen Teile der deutshen Studentenschaft im Gegensaß zu den s{chweren “wirtschaftlichen Sorgen, die den größten Teil unferer chwer bedrückten Studenten- schaft beherrsht, ein üppiger Lebensgenuß herrscht. Es ist an si hon unerfreulich, daß wir auf der einen Seite bei uns in Deufsh- land heute die ungeheure Not und auf dex andern Seite den Luxus haben, dex alles übersteigt. Das ist doppelt schmerzlih bei solchen, die Anspruh darauf machen, wirklich gebildet zu scin und cinmal Führer des Volkes zu werden. (Sehr richtig! rechts.) Sie haben vor allem die Pflicht des guten Beispiels, und ih möchte mit allem Ernst von dieser Stelle aus an diesen kleinen Kreis dic Mahnung richten, daß. sie die Würde thres Standes unter allen Umständen zu wahren haben, und daß sie der wirtschaftlichen Not eingedenk sein sollen, niht nur unseres gesamten Volkes, sondern auch vor allem ihrer schwer bedrängten Kommilitonen, die unter Not und Sorge seufzen. /

Der Herr Minister Becker hat in seinem Buch „Gedanken zur Hochschulreform“ die Ausgestaltung unserer Studentenausschüsse gefordert. Diese Ausgestaltung unserex Studentenuus- \ch üsse ist bis heute zum größten Teil erfolgt und hat sich gut bewährt. Es ist mit Freude zu beobachten, daß die Studenten an den allgemeinen Fragen der Universität sich stärker beteiligen, als sie es bisher getan haben. Der weitere Ausbau dieser Studenten- ausshüsse als der Vertretung der Studentenschaft ist deshalb dringend zu fordern, zumal nach der Seite der wirtschaftlichen und der gemeinnüßigen Funktionen. Es isk freilich au anderseits zu fordern, daß diese Studentenausschüsse sich freihalten von cin- seitigen parteipolitishen Einflüssen. Es handelt sich hier um ein

- neutrales staatlih anerkanntes Selbstverwaltungsorgan, und der-

artige neutrale - staatlich anerkannte Selbstverwaltungsorgane haben neutral zu bleiben und haben sich nicht parteipolitish zu be- tätigen. Als Freund der Studentenshaft möche ih fordern, daß sih diese Studentenausshüsse - auf die drei von ihnen selbst als wichtig exkannten Ziele bewußt einstellen, aber auch auf sie be- shränken. Unsere Studentenschaft und vor allem die Studenten- ausshüsse mögen sich in allerexster Linie die Sorge für das wirt- schaftliche Wohl der finanziell chwächeren Kommilitonen am Herzen liegen lassen. Und daneben sollen sie ihre hochschulbürgerlichen Pflichten in steter Arbeit an der Verwaltung der Hochschulen, in den studentishen Angelegenheiten im Sinne des Studentenreis, wie cs im Fahre 1920 geschaffen ist, erfüllen. Fch denke dabci an stärtere Teilnahme unserer Studenten an Honorar- und Stipendienausshüssen, an Fmmatrikulationskommissionen und ait andere. Bei dieser Gelegenheit möchte ih einshieben, daß die Reform der Disziplinar- und Ehrengerichtsbarkeit unter Mikt- wirkung der Studentenschaft von mir weiter energish betrieben werdén wird. Dann drittens möchte ih dem Studentenaus\{chuß ganz dringend ans Herz legen, die Frage der Leibesübungen an den Hochshulen als ihre ureigenste Angelegenheit zu betrachten. (Sehr * gut! rechts.) Meine Damen ‘und Herren, wenn der Studentenaus\{chuß und die Studentenschaft sich diese Pflichten immer vor Augen hält, dann haben wir in ihnen eine praktishe staatsbürgerlihe Erziehung unserer Studenten und niht nur eint rein theoretishe Anshauung. (Sehr richtig! rechts.) Durch diese praktishe Arbeit werden fie mehr zum Staat und zum Staats- gedanken erzogen als dur alle staatsbürgerlihe Unterweisung und Kollegs. ;

(Fortseßung in der Zweiten Beilage.)

um Deutschen NeichSanzeiger und

Sap its

Nr. 293.

(Fortseßung aus der Ersten Beilage.)

Die Sorge für die wirtshaftklihe Notlage des Studenten werde ih mir ganz - besonders am Herzen liegen lassen. Hier ist zunächst an die ideelle Unterstüßung des Wirt- {haftskörpers der deutshen Studentenschaft zu denken. Aber daneben hoffe ich doch auch, den BZentralstipendienfonds beträchtlih erhöhen zu können, um so stärkere Unterstüßungen ausfließen zu lassen für alle die, die wirtshaftlih shwach und nicht in der Lage sind, aus eigenen Mitteln ihre Studien zu betreiben. Sodann ge- denke ih die veraltete und bei den HoHschulen und Studenten unbe- sicbte Honorarstundung durch weitgehenden Honorarerlaß ersetzen zu fônnen, um au hier wieder den wirtschaftlih Schwächeren bei- zustehen, wobei ih gleichzeitig der Befürchtung Ausdruck gebe, daß ¿s vielleiht niht gelingen wird, die Hochschulgebühren und die Kolleggelder dauernd auf der Höhe odex besser auf der Tiefe zu halien, auf der sie sich augenblicklih befinden. Aber es würde ja dur einen weitgehenden Erlaß der Kolleggelder ein ge- wisses Aequivalent geschaffen werden können. i

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu einem ziveiten Punkte übergehen, zu der Frage der Universitöätsreform. Diese Frage steht seit Fahren im Miitelpunkie des gesamten Anteresses und im Mittelpunkte der Debatte dieses Hohen Hauses. Sie ist durch-den Erlaß des Ministers Haenish vom 17. Mai 1919 in das Stadium greifbarer Verhandlungen übergeführt worden, und sie hat durch das Buch meines Herrn Amtsvorgängers, des Herrn Ministers Becker, das er, wie er selbst hervorgehoben hat, als Privatmann geschrieben hat ih denke an seine „Gedanken zur Hohshulreform“ eine aktuelle Bedeutung gewonnen. Was in der Vergangenheit geschehen konnte, um die ganze Problematik der Universität8verwältung aufzurollen, ist dur das starke persön- lihe Sicheinseßen meines Herrn Amtsvorgängers zweifellos ge- shéhen, und der Vorwurf, der immer wieder erhoben wird, daß das preußische Kultusministerium sich nit ercnstlich bemüht habe, modern zu sein und modern zu denken, ist wirklih niht mit Recht zu erheben. Freilih nit alles ist erreiht worden. Aber man muß au hier wieder an die finanziellé Not unserer Zeit denken, die leider manchen wertvollen Gedanken der Reform verkümmern ließ.

“aa Grundgedanken der Beckershen Hohshulreform, daß es eine Reform nicht gegen, sondem mit den Universitäten sein müsse, mache ih mir ebenfalls zu cigen. Jch kann Zhnen heute mitieilen, daß Verhandlungen mit dem Hochschulverbande einge- leitet worden sind, und ih hoffe, Jhnen bald greifbare Resultate mitteilen zu können. ;

Auch die pädagogische Seite der Reform hat er- heblihe Fortschritte gemaht. Eine solche pädagogishe Reform (Reform der juristischen, medizinishen und anderen Fachshulen) fann naturgemäß nicht s{chnell zum Abschluß kommen, weil nicht allein die Unterrichtsverwaltung . hierüber zu bestimmen hat, sondern auch andere Ressorts, die Reichsregierung und andere Lunder dabei in Betracht kominen. Es sind da mühselige Ver- handlungen nötig. Aber die Besprehungen bewegen sih alle in der Richtung, wie sie den meisten Ausführungen im Auss{huß bei der diesjährigen und bei den früheren Beratungen entspricht.

Hinsihtlih des Charakters unserer Hochshulen bin ih gewillt, unter allen Umständen an der Bildungshöhe der Hoc- shulen festzuhalten. (Bravo! rechts.) Das müssen auch die Zulassungsbestimmungen für die Hochshulen zum Ausdruck bringen. Das Niveau . unsexer Vorlesungen darf unter keinen Umständen durch eine weniger gute Ausbildung der Hörer herab- gedrüdt werden. (Sehr richtig! rechts.) Daneben möchte ih mit Entschiedenheit betonen, daß sich die Universitäten der Gegenwart den großen Aufgaben der Volksbildung, in3besondere der Arbeiterbildung nicht entziehen dürfen und nicht entziehen werden,

Im Zusammenhange damit möchte ih betonen, daß ih ge- vil bin, unter allen Umständen an dem staatlichen Charakter unserer Hochschulen festzuhahlten, und auch Xgenüber Zweifeln, die im Ausschusse geäußert worden sind, kann h erklären, daß sich die Einrichtung des staatlihen Kura- tors, sehr gut bewährt hat. Die nebcnamtlihe Verwaltung des Kuvatorpostens wird allmählich überall durch eine hauptamtliche erseßt werden müssen ,

__ Meine Damen und Herren, der Herr Abg. Dr. Waentig hat locben die Berufungsfrage besprohen. Auch im Ausschuß il eingehend Hierüber verhandelt worden. Bei den Berufungen spielt der Kurator überhaupt feine Rolle, und ih bin gewillt, an dem direkten Verkehr der Fakultäten mit dem Ninisterium unter allen Umständen festzuhalten, und wie mein Herr Amtsvorgänger das Vorshlagrecht der Fakul- lâten im weitesten Maße zu respektieren. Es ist für die Regierung an sih das bequemste, einfah den Spißenkandidaten der Zafultätsliste zu berufen. Wenn sie es niht immer tut, so schieht dos in vollem Bewußtsein ihrer Verantwortlichkeit. Die Calultäten wollen gewiß das Beste, äber sie schen - die Dinge nur om lokalen Standpunkt der einzelnen Universität aus. Die Regierung übersieht ‘das Ganze und muß nationale Universitäts- vlitif machen. Auf die erzieherishen Qualitäten, von denen

Abgeordneter Waentig spra, wird bei der Auswahl natürlich L) Rücksicht genommen. Wenn vom Vorschlag der Fakultäten ab- wien wird, dann hat der Minister —— ich wiederhole das -— lde Gesamtwohl aller Universitäten dabei im Auge, und es sind

iolid sachliche Gründe, die ihn bestimmen. :

Ueber die Gehaltsverhältnisse sind im Ausschuß und A L O lebhafte Klagen laut geworden. Die Professoren- its e et mehr als jeder andere Stand unter der Gelb- eia ng, weil die Kolleggelderhöhung niht mit der Géld-

R ing gleichen Schritt gehalten hat und auch nicht halten i “al Ninister Beer hat Jhnen im Ausschuß Näheres über

une, hier zu ‘helfen, mitgeteilt. Jch kann Zhnen heute das

‘n sogen, daß wir mit allem Ernst das Problem der Professoren-

Zweite Veílage

Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember

besoldung neu durhdenken und hoffentlih bald in der Lage sein werden, Vorschläge zu machen, von denen ih gewiß bin, daß Sie hinter sie ireten werden.

Die A ssistentenfrage hat eine befriedigende sung ge- funden. Der Schwierigkeiten, die vor allen Dingen die Privat- dozentenfrage bietet, bin ih mir voll bewußt. Soweit die Privatdozenten nicht Assistenten sind, sind sie heute in einer sehr schwierigen Lage, und ih habe volles Verständnis für die Notlage gerade dieses Standes, aus dem sich unsere späteren Universitäts professoren rekrutieren. Einer Verbeamtung dieses Standes der Privatdozenten möchte ih aber auf das energischste widersprechen. (Sehr richtig! rechts.) Zurzeit {weben über die Maßnahmen zur Hilfe Verhandlungen mit der Finanzverwoltung, und ih habe die Hoffnung, daß sich eine Vereinbarung erzielen läßt, um der uner- träglihen Notlage des Privatdozententums begegnen zu Eónnen.

Meine Damen und Herren, ih kann Fhnen erilären, daß mir alle Hochschulen gleichmäßig am Herzen liegen, aber mit besonderer Anteilnahme möchte ih in dieser Stunde der Hohschulen im besegten Gebiet gedenken (Bravo!) und der isolierten H o ch - schule in Königsberg in Ostpreußen und Breslau, die auf außerordentlih erponierten Posten stehen. Was an Sondermaß» nahmen von der Unterrichtsverwaltung für diese Vorposten der deuischen Kultur geleistei werden kann, soll die Versicherung kann ih geben bereitwilligst von mir geleistet werden.

Einer der wichtigsten Erfolge der Reform war die Glei(- stellung der Technishen Hochschulen mit den Universitäten. Die gehaltlihe Gleichstellung ist erreicht, die organisatorishe Gleichstellung wird jeßt erstrebt. Fm Ausschuß ist über diese Sachen eingehend gesprohen worden, namentlich im Anschluß an die Reformschrift des Professors Aumund, und es ist bereits manches im Sinne der Reform durhgeführt worden. Hier- über ist im einzelnen Auskunft erteilt, und weiteres ist in Vor- bereitung. Jch möchte hier nur auf den Grundgedanken der Reform hinweisen. Neben der Aufrechterhaltung der vorzüglihen Fach- bildung, die schon bisher an den Hochschulen erteilt wurde, gilt es vor allem, den Blick unserer Studenten- und Professorenschaft mehr auf die allgemeinen Aufgaben der Technik und ihre Rolle im Wirt- schastsleben der Nation zu richten.

Meine Damen und Herren, der vorliegende Etat verbindet zum ersten Male die wissenshaftlihen Hohshulen mit der allges- meinen Wissenschaft. Jhnen allen ist bekannt, wie durch die Geldentwertung die Nöte des wirtschaftlichen Lebens gestiegen sind, vor allen Dingen auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Produktion. Es ist die Aufgabe der einzelnen Staaten, die wissenschaftlihe Arbeitsfähigkeit der Hochschulen zu erhalten. Daher ist erfreulih, daß das Reich dur die Notgemeinschaften der Wissen- schaft für die allgemeinen sich bisher selbst unterhaltenden Auf- gaben der Wissenschaft eingesprungen ist und vor allen Dingen das wissenshaftlihe Zeitshriftenwesen in großzügiger Weise unterstüßt hat. Dies ist dadurh der Gefahr entgangen, ganz in sih zusammenzubrehen. Es ist ferner erfreulih, daß die Not- gemeinschaft beträchtlihe Beträge für die großen Staats-= bibliotheken zur Verfügung gestellt hat. Das Problem der Bücherbeschaffung, vor allem von ausländischer Literatur, wäre ohne diese Unterstüßung der Notgemeinschaft der Wissenschaft kaum zu lösen gewesen.

In diesem Zusammenhange, meine Damen und Herren, lassen Sie mich des verdienstvollen bisherigen Generaldirektors unserer Staatsbibliotheï Adolf von Harnack gedenken, der nah 15 jähriger Tätigkeit als Reorganisator der Bibliothek sein Amt infolge des Altersgeseßes niedergelegt hát. Der preußishe Staat weiß, was er dem Generadirektor Adolf von Harnack zu verdanken hat. Jh möchte meiner Freude darüber Ausdruck geben, daß uns seine Kraft als akademischer Lehrer und anderseits als unerreich- barer Organisator der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft erhalten bleibt: Er bleibt na@,wie vor Präsident dieser Gesell- schaft, dieser machtvollen Organisation, die iegt 24 Forschungs-

institute unterhält und damit eine wertvolle Ergänzung unserer

Universitätsinstitute bedeutet.

Die Kaiser-Wilhelm-Gesellshaft hat sich in der vergangenen Woche neue Statuten gegeben. Staat, Reih und Judustrie haben fich zu freier gemeinsamer Arbeit zusammengeschlofsen, und da verdanken wir unendlich viel der Opferwilligkeit der Jndustric, der auch an dieser Stelle dankbar gedacht werden soll. (Bravo!) Durch diese neuen Statuten ist dem Reih und Preußen in der Organi- sation der Kaiser-Wilhelm-Gesellshast eine organishe Mitwirkung eingeräumt worden. Jch möchte aber hier anch zum Ausdruck bringen, was ich dem Herrn Präsidenten der Kaiser-Wilhelm- Gesellschaft persönli sagen durste, daß der preußishe Staat nicht daran denkt, die Freiheit und die Autonomie dieser Gesellschaft irgendwie zu beeinträchtigen, sondern daß wir mit größter Zurück- haltung diese Freiheit immer respektieren werden.

Die Wissenschaft muß ihre Höhe halten, und bis heute ist in der Wissenschaft selbst kein Rückgang zu beobahten. Das können wix mit Stolz gerade in dieser {weren Zeit bekennen, und gerade heute ist der Tag, an dem der Rektor unserer Berliner Universität, Herx Geheimrat Nernst, als Träger des Nobelpreises in Stocktholm weili. Dur wissenschaftliche Leistungen müssen wir versuchen, wieder in die Höhe zu kommen. Das Ausland muß wieder Zu- trauen zu unserer wissenschaftlichen Kraft gewinnen, und wir per- sönliß das haben wir auch nötig nüssen wieder Zutrauen zu unsexer cigenen Kraft gewinnen, und die kommt in allererster Linie aus der Wissenschaft heraus. Wenn wir eine Shöpfung wie die unter dem Präsidenten von Harnack stehende Kaijer-Wilhelm- Gesellshaft mit ihren 24 Fnstituten sehen und die Justitute unserer Universitäten, die Seminare unserer Universitäten und den gesamten Betrieb unserer Hochshulen, so können wir mit Zuver- sicht in die Zukunft schauen. :

Zch- möchte noch wenige Worte über die Kunsifrage hinziu- fügen. Bisher waren Wissenschaft und Kunstin meinem Mirtisterium in einer Ministerialabteilung vereinigt. Der vor- liegende Haushalt zeigt Jhnen zum erstenmal, daß sie getrennkü

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Preußischen Staatsanzeiger

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sind. Die allgemeine Wissenschaft ist zu den Universitäten uud teck- nishen Hochschulen geshlagen worden. Aber Wissenschaft und Kunst berühren sich immer noch auf einem sehr großen Arbeits, gebiet, dem Gebiet der Museen. Jn der Vorkriegszeit ist in unseren Museen eine Arbeit in aliergrößtern Stil aleistet worden durch Bauten und durch Anschaffungen, die Deutschland an die Spiye der Kulturvölker stellten. (Sehr richtig!) Und Träger diefez Jdee war der Mann, der aucch in dieser Zeit aus seinem öffent lihen Amt infolge / des Altersgeseßes ausgeschieden ift, Seine Exzellenz von Bode, ein Mann, dem als Sammler und Forscher und dessen persönlicher Opferwilligkeit und dessen genialex Organisationsgabe die preußischen Museen unendlih viel zu ver- danken haben. Als Generaldirektor ist ex durch Herrn von Falke erseßt worden, aber es ist mir eine Freude, Jhnen mitteilen zut : ïönnen, daß Exzellenz von Bode fommifsarish auf den ver= schiedensten Gebieten weiterarbeiten wird. (Bravo!)

Im Ausschuß ist vereinbart worden, daß die Erörterung des Programms der Berliner Museen bis zu der Verhandlung des neuen Etats vertagt werden sol. Die Frage konnte wegen ihrer Kompliziertheit bei der Dringlichkeit der Verabschiedung des Etats nicht gründlich vertieft werden. Jch beabsichtige, Ihnen für die Verhandlungen des kommenden Etats eine Denkschrift über diefe Frage vorzulegen. Heute möchte ih nur fagen, daß es meine Absicht ist, das Kaiser-Friedrih-Museum seiner eigentlichen Bestimmung zu erhalten beziehung3weise wieder zuzuführen. Ih möchte in diesem Zusammenhang dankbax des Entgegenkommens der Finanz verwaltung gedenken. Gerade dur dieses Entgegenkommen dex Finanzverwaltung und durch die Energie der leitenden Architekten : ist bei den Neubauten ein außerocdentlißher Fortschritt zu ver= :. zeihnen. Die Pflege der Museen war biShex das Hauptgebieti dee 2 Kunstabteilung. Nach der Verselbständigurig der Abteilung ist es nôtig geworden, daß au andere Aufgabengebiete der Kunstpflege stärker als bisher betont werden. So tritt neben die Museen als givtchnvertige Aufgabe die Denk m alspflege, Heimat- und Naturschut. Die stolzen Denkmäler der Vergangenheit müssen unserem Volke unter allen Umständen erhalten bleiben; sie müssen - vor Verfall bewahrt bleiben, und in ihnen sollen die Epochen der Vergangenheit unserem Volke immer wieder gezeigt werden. Durch unseren Heimatshuß wollen wir landschaftlich besonders kennzeichnende und interessante Gebiete zur Förderung der Heimata kunde und zur Erholung unserem Volke erhalten. Seit Jnkrafb« treten des Geseßes ist, wie Sic wissen, das Neandertal bet Düssel= dorf zum Naturschußpark erklärt, und augenblicklich chweben Ver= handlungen, einen Teil der Lüneburger Heide zum Naturshußz= park zu erklären.

Besonders angelegen sein lasse ih mir im Ministerium die Pslege der Musik, und mit Genugtuung kann ih feststellen, daß sih Berlin die führende Stellung im Musikleben niht nux Deutschlands, soudern aller Kulturländer tros des Krieges erhaltew hat. Besonders erfreulih hat sich hier die Hochshule für Musi entwickelt. Für andere musikalishe und musikpädagogishe Auf- gaben stehen dem Ministerium leider nit erheblihe Mittel ¿ur Versügung; aber die staatliche Führung und Beratung hat do weite Wirkungsmöglichkeiten. Die Musik soll auch nach meineræ Wigllen viel stärker als bisher in den Schulen und vor alleux für die zukünftige Lehrerbildung berangezogen werden. (Bravok) Ueberhaupt ist eine stärkere Ausbildung des Menschen nicht nur nah der intelle?tuellen Seite, sondern ouh auf fünftlerishen Gebiete durchaus zu erstreben.

Das führt mich zu etwas anderem. Die Reform dee Ausbildung des Künstlers nihi nur auf dem Ges biete der Musik, sondern vor allem auch in dew bildenden Künsten ist. in meinem Ministerium ine Einvernehmen mit den Forderungen der Künstlerschafz mit Nachdruck in Angriff genommen worden. Es hat Jhnen. im Hauptausshuß im vergangenen Jahre das Buch von Herr Geheimrat Waeßoldt vorgelegen, das diese Gedanken weiter ent- widckelt. Diese Frage ist allerdings nicht ausscließlih vom Ressort des Kultusministeriums zu lösen, sondern wir haben hier Vere ständigung mit anderen Ressorts nötig, vor allem mit deur Handelsministerium, namentlich was die Abgrenzung der Auf= gaben betrifft. Dem Grundgedanken werden Eie alle freudic zuo stimmen, daß der Uebershägung des rein Akademischen entgegen= guarbeiten ist, und daß wir uns wieder auf die gute handtverkliche Tradition zu besinnen haben. (Sehr gut!) Auch hierüber hoffe ih nächstens bei den Ausshußberatungen Näheres mitteilen äu können.

Noch ein Wort über unsere Staats8theater! Unsere Staat theater gichen infolge ihrer öffentlien Wirksamkeit die Aufs merksamkeit und die Kritik in starkem Maße auf sih. Jhre Pflege ift dem Staate erst nach der Revolution öugefallen. Schwierigs keiten, die sih der Aufrechterhaltung der Staatstheater entgegen- stellen, liegen niht nux auf finanziellem Gwbiete; aber gerade hier sind sie ganz besonders stark. Jch gebe gerne zu, daß manche Maßnahme, die wir haben treffen müssen, niht immer mit der reinen Pflege der Kunst durch den Staat vereinbar war, Aber ih kann anderseits den Leitern unserer Staatsinstitute die An- erkennung nit versagen, daß sie troß der fich aus der B, lutanot für den Zufammenhalt eines guten Solopersonals ergebenden Konsequenzen geleistet haben, was fic nur [leisten fonnten. (Sehx richtig bei den Deutschen Demokraten.) ;

Die Staatstheater kommen in allerersier Linie den Städten gugute, in denen sie liegen. Deshalb müßte es eigentlich selbst- verständliche Pflicht der Städte sein, diese Staatstheater in ihrer schweren Not zu unterstüßen. Bis jest ist Cassel die einzige Stadt, die auf den Boden dieser Tatsache getreten ist. (Bravo!) Ein Appell an die Stadt Berlin ist leider bisher vergeblih ergangen: (Zuruf: Berlin hat kein Geld!), aber ih minöhte der Hoffnung Ausdruck geben, daß unjere Staatstheater doch auch von der Stadt Berlin unterstüßt werden. Unsere hiesigen Staatstheater kommen doch in allererster Linie dex Berliner Bevölkexung zugute (schr