1921 / 294 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 16 Dec 1921 18:00:01 GMT) scan diff

Einkommen, dessen Nettobetrag sich um den Steuerabzug und dic sozialen Beiträge auf etwa 25000 A vermindert, für den Gläu- biger eines unterhaltspflihtigen Schuldners nur ein vfändbarer Betrag von 3333 Æ übrigbleibt. Jch kann die Besorgnis nicht unterdrücken, daß bei einer solhen Hebung der absoluten Pfändungs8grenze dem Geseßentwurf auf dem weiteren Wege, den er nehmen muß, noch weitere Schwierigkeiten entstehen und sein Jukrafttreten vor Weihnachten damit gefährdet werden möhte.

Abg. Dr. Rosenfeld (U. Soz.) befürwortet nochmals den Antrag seiner Partei.

Hierauf werden beide Vorlagen in der Fassung des Aus- schusses unter Ablehnung der Anträge der Unabhangigen Sozialisten und Kommunisten in zweiter Lesung angenommen und gleich darauf auch in dritter Lesung. Der Geseßentwurf. über Neuregelung der Zulagen in der Unfall- versicherung wird dem Sozialausshuß überwiesen, der Geseßz= entwurf gegen die Kapitalflucht wird in zweiter und dritter Lesung verlängert.

Präsident Loebe schlägt hierauf Vertagung vor und teilt mit, daß ein Antrag Stresemann (D. V), Hergt (D. Nat.) eingegangen sei, die Regierung zu ersuchen, die am Schlusse des Artikels 1 der Verordnung über die Reichsflagge vom 11. April 1921 festgeseßte Frist für die einstweilige Führung der bisherigen Flagge, soweit sie die Seeflagge betrifft, bis auf weiteres zu verlängern.

Abg. Schult - Bromberg (D. Nat.): Wir bitten, den Antrag morgen auf die Tagesordnung zu seßen. Ein ähnlicher Antrag ist am 27. Fuli 1921 durch eine Zufallmehrheit von einer Stimme abgelehnt worden. Das hat im Lande außerordentliche Erregung und Entrüstung hervorgerufen (Gelächter links), und es ist die höchste Zeit, den damals begangenen Fehler wieder gutzumachen.

Abg. Ledebour (U. Soz.) bittet, den Antrag abzulehnen. Es handele sich dabei wohl lediglich um den Versuch, eine neue Ludendorfferci und einen neuen Kapp-Putsch cinzuleiten. (Gelächter rechts.)

Abg. Bart (Komm.): Wir haben wichtigeres zu tun, als uns mit dieser unwihtigen Frage zu beschäftigen.

Abg. Brüninghanus (D. Nat.): Wer behauptet, es handele sch hier um eine unwesentliche Frage, der zeigt damit, daß er von Weltwirtschaft überhaupt keine Ahnung hat. Es handelt si um die Frage, ob wir den größten Aktivposten, den wir im Auslandsdeutschtum besißen, dem Deutschen Reiche sibern wollen oder nicht.

Die Abstimmung über die Frage, ob der Antrag Strese- mann (D. V.) morgen auf die Tagesordnung geseßt werden soll, bleibt zweifelhaft, und es muß daher zur Auszählung ge- schritten werden. Bei der Auszählung bleiben die Gegner des Antvages außerhalb des Saales. Präsident Loebe teilt das Ergebnis der Abstimmung mit, daß 136 Abgeordnete mit ja und 4 mit nein gestimmt"haben. Das Haus ist also bes{hluß- unfähig. Der Präsident beraumt hierauf die nähste Sißung auf Freitag 3 Uhr an mit der Tagesordnung: kleinere Vor= lagen, Anträge, betreffend die Außerkraftseßung der Verord- nung des Reichspräsidenten über den Ausnahmezustand für das ganze Reich, Ausshußbericht über die Untersuhung in den Strafanstalten, Antrag Stresemann über die Flaggenfrage.

Schluß 714 Uhr.

Preußischer Staatsrat. 16. Sißung vom 15. Dezember 1921, Nachmittags 3 Uhr. {Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

Auf der Tagesordnung steht zunächst die Beratung eines Geseßentwurfs, betreffend die Einverleibung der Land- gemeinde Worringen in die Stadtgemeinde Köln.

Berichterstatter Dr. Num pf empfiehlt namens des Gemeinde- auss{usses die Annahme der Vorlage. Nachdem die Befestigungen Kölns gefallen seien, müsse man daran gehen, Hafenanlagen, Siedlungsgebiet, Jndustricanlagen und einen grünen Gürtel um Köln zu schaffen. Dazu sei Einbeziehung der Gemeinde Worringen in den Stadtkreis Köln unbedingt notwendig.

Der Gesezentwurf wird angenommen.

Es folgt der Entwurf eines Gesezes zur Er- gänzung des Geseßzes über die Bereitstellung von Mitteln zur Aufbesserung des Diensteinkommens der katholischen Pfarrer vom 17. Dezember 1920.

Herr Schl1sösser (Komm.): Es kann niht Sache des Staates fein, auf die Kirhengemeinden einzuwirken, ihren Pfarrern die not- wendigen Gehälter zu zahlen. Die katholishen Geistlihen möhten sih eiuer fampffähigen Gewerkschaft anschließen. (Heiterkeit)

Herr La Grangel (U. Soz.): Meine politishen Freunde

Derr [lehnen den Geseßentiwburf ab. Das Geseß wird angenommen. Es folgt die Beratung des Geseßentwurfs3, betr. die

Mitteln zur Durch-

sofortige Bereitstellung von im

führung der staatlihen Polizeiverwaltung rheinish-westfälishen Jndustriegebiet.

Herr Berten (Ul. Soz.): Wir find gegen die Verstaatlichung der Polizei, besonders im Industriegebiet. Verstaatlichung der Polizei bedeutet Militarisierung. Die Arbeiterschaft kommt bei der jeßigen Ausrüftung der Polizei mit Handgranaten usw. sehr leiht zu dem Gedanken, die Polizei jei nicht zum Schuß der Bürger und ihres Gigentums da, sondern zur Unterdrückung von Volksbewegungen, auch bei Lohnkämpfen. Die grüne Polizei ist überhaupt nicht im- stande, die Ordnung aufrechtzuerbalten; fie is zu ungeshickt und hat keine Verbindung mit dem Volke. Wir lehnen das Gesetz ab.

Herr Sch1 6 \f ser (Komm.): Auch wir lehnen die Vorlage ab. Die Polizei muß kommunalisiert werden und dann aus\chließlich der Stadtverwaltung zur Verfügung stehen. Die Polizeibeamten sehnen sich niht nach dem Eintritt in die staatliche Polizei, sie wollen nichts vom Drill wissen. Der staatlihen Polizei fehlt der Konnex mit der Bevölkerung, Der konterrevolutionäre Charakter der Schupo hat sich in Mitteldeutshland, bei der Hundertschaft z. b. V. und bei dem Verhältnis der Elberfelder Schupo zur Einwohnerwehr und zu den Bürgerräten gezeigt. «Man will die Staatsyolizei, um die Bevölkerung niederzuhalten. Mit den angeforderten 700 Kriminalbeamten wird das Weißmannsche Spitelheer ungeheuer vermehrt. l :

Herr Sre ck (Soz.): Für die Kommunuisten ist es gefährlic, so gegen die Polizei zu sprechen, denn fie bieten das Material für die polizeilihe Tätigkeit; das hat man bei den Unruhen in Mitteldeutschland gesehen, Selbstverwaltung bedeutet für uns nicht Kirhturmpolitik. Wenn über „Ruhe und Ordnung“ von linksradikaler Seite gespottet wird, so kenne ih kein Regierungs- proaramm einer Râäteregierung, in der es nicht beißt: „Wer Ruhe und Ordnung stört, wird erschossen!“ (Große Heiterkeit.) Wir haben Vertrauen zu unserer Sache, deshalb fürhten wir nit, ob ein paar Grüne oder Blaue mehr herumlaufen. Auswüchsen können wir ent- gegentreten. Wir stimmen der Vorlage zu.

Der Entwurf wird angenommen.

Ohne Aussprahe werden angenommen eine Gegen- erklärung auf eine beim Oberverwaltungsgericht eingereichte Klage des Provinziallandtagsabgeordneten Mehlich, betreffend Staatsratswahlen in Westfalen, ‘und ein Antrag der Arbeits- gemeinschaft auf Annahme eines Gesegentwurss, betreffend

Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Geseße über Teuerungs- zuschläge zu den Gerichtsgebühren.

Schließlich wird noch der während der Sißnng dem Staaisrat zugegangene Entwurf eines Mittelschul- lehrerdiensteinkommengeseßes beraten.

Herr Dr. Kaiser (Zentr.): Wir stimmen der Vorlage zu, weil es wirtlih notwendig ist, daß endlih die Mittelschullehrer die Bezüge erbalten, die sie erstreben. Wir begrüßen es, daß nit nur afademisch. fondern auch seminaristish gebildete Lehrer in den Genuß der Zuschläge kommen sollen.

Hexr von Gehren (A.-G.): Wir stimmen der Vorkage zu, erwarten aber, daß auch die Ausführungsbestimmungen geändert werden.

Cin Negierungs8vertreter sagt dies zu.

Nächste Sigung Freitag 3 Uhr. (Landesschiedsgericht, E der Verwaltung, kleine Vorlagen.) Schluß / 3 hr. :

Preußisher Landtag.

83. Sizung vom 14, Dezember 1921. Nachtrag.

Die Ausführungen, die bei der Beratung des Haushalts des Finanzministeriums und desjenigen der allgemeinen Finanzverwaltung der Finanzminister Dr. von Richter gemacht hat, hatten folgenden Wortlaut:

Meine Damen und Herren, Herr Abgeordneter Dr. Kaehler hat seine Rede damit angefangen, daß er von meinem auch von mix hochverehrten Herrn Amtsvorgänger Sämisch gesprochen hat. Jch würde glauben, eine gerehteste PfliGt der Dankbarkeit zu ver- leben, wenn ih nit auch heute, wo ih zum ersten Male die Ehre habe, von dieser Stelle aus zu dem hohen Hause zu sprechen, auf Grund der Exfahrungen, die ih inzwischen in meiner Stellung im Finanzministerium habe machen können, auch von dieser Stelle aus, sage ih, nicht mit vollster Dankbarkeit dessen gedenken wollte, was an reiner sahlihet Arbeit der Herr Finanzminister Sämisch in kurzer Zeit dem preußischen Staate geleistet hat. (Bravo!)

Meine Damen und Herren, wir arbeiten, wie von den ver- schiedensien Seiten hervorgehoben worden ist, ja noch immer für den Etat für das Rechnungsjahr 1921, das in ungefähr drei oder sagen wix ungefähr dreieinhalb Monaten abgelaufen sein wird. Die Beschlüsse, die das hohe Haus faßt, haben infolgedessen zum großen Teil ja eigentlih theoretisGet Wert und sind Nachbe- trahtungen über Verhältnisse, die zum größten Teil seit cinem Dreivierteljahr bestehen. Denn selbstverständlih hat die Staats- maschinerie nicht stillstehen können. Es ist das selbstverständlich ein Zustand, der niht nur vom Standpunkt des Finanzministers aus, sondern vom Standpunkt einer geordneten Finanzwirtschaft und damit vom Standpunkt jedes einzelnen \sich seiner Verant- wortung bewußten Abgeordneten aufs tiefste beklagt werden muß und dessen Aenderung die Staatsregierung und das hohe Haus \ich unter allen Umständen angelegen sein lassen müssen.

Zu meiner großen Freude kann ih Jhnen mitteilen, daß der Haushaltfür 1922 kürzlih dem Staatsrat zugegangen ist und daß uns der Staatsrat mitgeteilt hat, daß er mit Sicherheit glaube, bis zum 17. Fanuar nächsten Fahres den Etat durchberaten zu haben, so daß wir hofsen dürfen, ungefähr am 18. oder sagen wir am 20. Fanuar nächsten Fahres den Haushalt für 1922 dem Land-

. tage vorlegen zu können. (Bravo!)

Meine! Damen und Herren, ih hoffe, daß damit gegen früher doch bereits ein außerordentlicher Fortschritt erzielt worden ist. (Sehr richtig!) Wenn ih mir im Anschluß daran die ja von meinem Standpunkt aus aber auh in meiner Eigenschaft als Abgeordneter möchte ih das, was ih jeßt sagen werde, unter- streichen erklärlihe Bitte an das hohe Haus erlaube, dann auch seinerseits dafür zu sorgen, daß der Jhnen rechtzeitig zu- gehende Haushalt für 1922 auch möglichst rechtzeitigverabs shiedet wird, möglihst also vor Beginn des neuen Haushalts- jahres, so, meine Damen und Herren, glaube ih, bedeutet das nit die Bitte an Sie, auf eine eingehende Prüfung dieses Haushalts zu verzihten. Fch mache nur darauf aufmerksam, daß wir selbst- verständlich zu ordnungsmäßigen finanziellen und etatsrechtlichen Zuständen nur dann kommen körtnen, wenn in der Tat ein- oder zweimal das Haus sagt: wir wollen die Etatsberatung nicht so eingehend und ausführlih vornehmen, wie wir das unter anderen Verhältnissen tun würden. Wenn ih Sie {hon jeßt bitte, sich unbe- schadet Jhrer Kritik au bei dem Haushalt für 1922 vor Augen zu halten, daß wir doch hoffen müssen, im nächsten Etatsjahr nun zu normalen Verhältnissen zu kommen, dann können Sie sicher darauf renen, daß die Staatsregierung, deren Beamte dann nicht dauernd in Anspruch genommen sind durch Etatsverhandlungen des längst eingetretenen Haushaltsjahres, fondern die sich nun mit Fhren Beamten der Arbeit für die Aufstellung des Etats für 1923 widmen, i sage, dann können Sie auch davon überzeugt sein, daß Fhnen der Etat für 1923 so rechtzeitig im Laufe des Jahres 1922 zugehen wird, daß Sie in der Lage sind, in vollklommenster Kritik und in vollkommenster Ausdehnung Jhrer Verhandlungen auch diesen Etat für 1923 rechtzeitig fertigzustellen. Deshalb richte ih an Sie die dringende Bitte: unterstüßen Sie das Staat3- ministerium in der Absicht, jedenfalls mit dem nähsten Etatsjahre wieder zu ordnung3mäßigen etatsrechtlihen Verhältnissen zu fommen. Fch glaube, wir sind alle darin einig, daß ohne derartig ordnungêsmäßige Verhältnisse eine gesunde Finanzwirtshast in Preußen {lechterdings unausführbar ist.

Jch komme damit auf die Finanzlage selbst. Wenn ih nicht irre, war es der Herr Abgeordnete Lüdemann, der nah einer Rede meines Herrn Amtsvorgängers im Hauptausshuß der Ansicht war, der Herr Finanzminister Sämisch, oder ih glaube au, der Herr Ministerpräsident Stegerwald, habe die Finanzen Preußens in einem rosigen oder auch in einem zu rofigen Lichte dargestellt. Jh warne dringend vor irgendwelchem Optimismus in dieser Beziehung. Jch stimme darin dem, was der Herr Abgeordnete Lüdemann gesagt hat, durchaus bei. Es licgt auf der flahen Hand: die Finanzverhältnisse Preußens sind in keiner Weise rosig, sie sind in jeder Beziehung außerordentlich ernst. Das ist ja ganz natürli, wenn man sich vergegenwärtigt, daß Preußen und die andern Länder sowie auch die Gemeinden in ihrem finanziellen Bestande unmittelbar von dem finanziellen Zustande des Reiches abhängig sind; und daß die Verhältnisse im Reiche nicht nur nicht rosig, sondern man kann sagen geradezu latastrophal sind, wissen Sie so gut wic ih. Daraus ergibt sih ohne weiteres bei dem engen Zusammenhang zwischen dem Reich einerseits und den Ländern und Gemeinden andererseits,

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daß cs s{chlechterdings unmögli ist oder nur bei kurzsi5tiger Be, trahtung möglich ist, zu glauben, daß die finanziellen Verhältnisse in den Ländern und Gemeinden, besonders in den Ländern, gut sein können, wenn die Verhältnisse im Reiche so sind, wie sie augen. blicklih sind; deshalb müssen wic, wenn auch formal betrachtet die Verhältnisse bei uns erheblih günstiger sind als im Reiche, nah meiner Auffassung ih glaube, au das' ist keine parteipolitise Frage, sondern eine Frage jedes Politikers, der sich überhaupt sciner Verantwortung bewußt ist die Pflicht haben, mit dey arößten Ernst und der größten Sparsamkeit an die Beurteilung der preußischen Finanzen zu gehen und an die Beratung des Hays. halts des nächsten Fahres.

Es ist sehr traurig, aber es ist nun einmal die Folge des ver, lorenen Krieges, daß wir eine ganze Reihe von Aufgaben, die cin» zelnen von uns, oder, wenn Sie wollen, jedem von uns außer, ordentlich am Herzen liegen, nicht oder jedenfalls niht in dem wünschenswerten Maße erfüllen können, einfach, weil uns die Mittel dazu fehlen. Lassen Ste mich, der ih gleihzeitig die Ehre habe, als Abgeordneter dem Landtag anzugehören, auch hier alsz ZJhHr Landtagskoklege die Bitte an Sie rihten: seien Sie sih immer der Leichtigkeit bewußt, mit der es für den einzelnen Abgeordneten möglich ist, populäre Forderungen hier zu vertreten und dem Staatsministerium gegenübcr geltend zu machen, und seien Sie sih andererseits der außerordentlih hweren und undankbaren Stellung auch ciner parlamentarishen Regierung, auch eines parlamen- tarishen Finanzministers bewußt, wenn er, gedrungen von seinem Verantwortlihkeitsgefühl, sagen muß: es tut mir leid, aber ih kann dieser Bestimmung mit Rücksicht auf die Finanzen nicht zustimmen. Und unterstüßen Sie, meine Herren, ich bitte Sie dringend darum, die Finanzregierung, insbesondere den Finanzminister, in dem Bez streben einer Einheitsfront gegenüber Forderungen, die wir beim besten Willen finanziell' nicht vertreten können, aus dem einfahen Grunde, weil kein Geld dafür vorhanden ist.

Diese finanzielle Lage ist, das weiß ih selber, traurig; sie is aber vorhanden und wir können sie niht ändern. Wir können sie ivenigstens so lange nicht ändern es ist hier hon wiederholt darauf hingewiesen —, als die Verhältnisse, die zu dieser ernsten Lage im Reich und in Preußen führen, niht geändert werden, und diese Verhältnisse zu ändern das ist auch schon wiederholt hier betont worden —, hängt leider niht von uns, nicht von unserm guten Willen, niht von der Arbeitsfreudigkeit und Tüchtigkeit des deutschen Volkes ab, sondern das hängt von ganz anderen Faktoren ab, von Faktoren, auf die wir leider bis zu einem Grade keinen Einfluß haben, denen gegenüber wir nur immer wieder hoffen können, daß, wie mein Vorredner Herr Dr. Leidig eben gesagt hat, sie zwar nicht aus Sympathie, aus Mitleid für das deutsche Volk, sondern aus ihrem wohlverstandenen Eigeninteresse heraus sie sih sagen, bei dieser Regelung, die sic getroffen haben dur den Versailler Frieden, dur das Londoner Ultimatum, geht nit nux der Schuldner, das besiegte Deutschland, zugrunde, sondern gehen auch die Siegerstaaten, insbesondere das übrige Europa, mit zugrunde. (Sehr richtig!) Diese Meinung, die, wie ich glaube, jeßt in den vernünftigeren Kreisen mindestens Englands und Amerikas durhzusickern anfängt, das ist, meine Damen und Herren, natürlih allein die Hoffnung, auf der das Emporsteigen des deutshen Volkes beruht. Wir müssen hoffen, daß gegenüber dem Vernichtungswillen und der Absicht, uns zugrunde zu richten, die den gesunden Blick für die eigenen Fnteressen trübt, doch \chließlid der kühl rechnende Verstand der - Angelsahsen zum Durchbruh kommt, der sih sagt: dabei geht nicht nur Deutschland, sondern dabei gehen wir selber zugrunde. Von dem Durchbruch dieser Jdee bei unseren Feinden hängt eigentlich alles für unsere Zukunft ab.

Herr Finanzminister Lüdemann hät vorhin davon gesprochen, daß namentlih jeßt unter den traurigen Verhältnissen eine gute Finanzwirtshaft nötig sei. Das ist selbstverständlich richtig. Aber diese Finanzwirtschaft mag so gut sein wie sie will: solange uns niht der Boden gegeben wird, auf dem überhaupt ein Aufsteigen des deutschen Volkes möglih ist, so lange wird selbst die beste Finanzwirtshaft nicht in der Lage sein, uns wieder zu jenen Höhen zu. führen, auf denen wir \{ließlich alle unser Volk in wirtshaft- licher und kultureller Beziehung sehen möchten.

Meine Damen und Herren! Bei dieser engen Verquidckung der finangiellen Verhältnisse der Länder und insbesondere Preußens mit dem Reih möchte ih mir auch einige Worte über die Aus- wirkung dieser Beziehungen gestatten. Jh glaube, man hat es ist das’ vorhin auch schon mindestens zum Teil angedeutet worden, man hat das ist meine persönlihe Ansicht —, als man die Reich8vérfassung {chuf, doch die Schwierigkeiten unter- schäßt, die sih einer vielleiht theoretisch ganz gut ausgedacten Verfassung durch die realen Verhältnisse entgegenstellen. Wir kranken meiner Meinung nah, namentlich in wirtschaftliher Ve- ziehung, daran, daß die Reichsverfassung in vielen, besonders in wirtschaftlihen Fragen, aber auch in anderen Fragen, eigentli auf einen Einheitsstaat zugeschnitten ist, auf einen Staat, in den derjenige, der anordnet, gleichzeitig die Verfügung über die Gelder und außerdem die Ausführung hat, auf einen Staat, der einheitlih für alle seine Teile zu sorgen hat, die aber nicht auf einen Staat zugeshnititen is, wie wir es nun einmal sind, man mag ih! einen Bundesstaat nennen er ist es ja nicht mehr in dem früheren Sinne oder man mag ihn nennen wie man sonst will Jedenfalls ist das Deutsche Reih kein Einheitsstaat und daraus ergibt sich, daß au in der Reichsverfassung, in der ganzen Politik des Reiches, sowohk in den wirtshaftlihen wie auch il den fonstigen Beziehungen darauf Rücksiht genommen werden muß, daß das Reich aus einzelnen Ländern besteht, ob man diese einzelnen Länder, Staaten oder Bundesstaaten oder sonsti!

“nennt, ist mir gänzli gleichgültig die das Recht und den

Wunsch nach eigener Existenz haben, die man ihnen nicht rauben kann, wenn man nicht das in dem größten Teil der deutshen Volksangehörigen vorhandene Stammesgefühl, oder wie Sie nennen wollen, das Gefühl für Lande3zugehörigkeit untergraben - will und damit gleichzeitig die Reichsfreudigkeit nicht hebt, sondern s{chwäht.

Jch bin überzeugt, daß man sih damals die Lösung dieses

“Problems leichter gedacht hat, wie es geworden ist, Denn darüber

fann leider Gottes kein Zweifel sein: die Wirkungen der Weimarer Verfassung sind nicht die, daß die Freude an Reich gewachsen ist, sondern gerade in den einzelnen Ländern if bedauerliherweise die Erkenntnis immer mehr zum Durchbruh gekommen, daß vitale Jnteressen der einzelnen Länder bei der Regelung und dexr Ausführung, wl# sie auf Grund der

perfassung und der Reichsgeseße erfolgt, vielfach nit zu ihrem echte kommen, Jh sche darin einen grundsäßlichen politischen gehler, einen Fehler, der die Gefühlsmomente, die Gefühlsart ver Deutschen vielfa nit richtig erfaßt hat, und zwar aus dem Grunde, weil man von oben aufgebaut hat, man hat das Reich enommen und hat von oben herunter gebaut. Dex Deutsche baut in allgemeinen von unten, und die Gemeinde, der Kreis, die grovinz, das Land stehen ihm zunächst näher als das Reich. Das m man bon seinem politschen Standpunkt aus bedauern oder nit; atsächlih ist es aber so im ganzen. Deshalb, meine Damen und erren, war es meiner Meinung nah psychologisch falsch, daß nit von pornherein auf die unentbehrlichen Lebensbedingungen von Ge- neinden und Land die genügende Rücksicht genommen wurde. Wir leiden daran, daß in diesen Maßnahmen dés Reiches die unent- hehrlihe Rücksicht auf die Lebensbedingungen von Land und Ge- meinden nah meiner Auffassung niht genügend genommen vorden ist. Daher stammt es neben dem, was ich zuerst sagte —, daß die Länder und Gemeinden ihres Lebens nicht recht froh werden innen, weil sie finanziell und wirtshaftlich von Faktoren ab- hängig sind, auf die sie niht den geringsten Einfluß haben.

Meine Damen mnd Herren, daraus ergibt sich aber eiw Peiteres, und darin Gitte ich um Jhre Unterstüßung und ih ‘aube, auh Jhre Unterstüßung haben zu können —, nämlich das: vir haben vermöge der außerordentlih ausgedehnten Kompetenz des Reiches und der Reichsgeseßgebung jeßt eine große Menge Sachen, die dieser Reichsgeseßgebung unterliegen, während sie rüher Sache der Eingelstaaten waren. Die Kompetenz der Einzel- ¡aaten ist ja wesentlih herabgeshraubt worden. Daraus ergibt fh aber sonst wäre das auch wieder ein grundsäßlicher Fehler …. daß, wenn das Reich in dieser Weise namentlich auch auf dem Gebiete kultureller Fragen seine Zuständigkeit ausgedehnt hat, es ih nit darauf beschränken darf, in Gemäßheit der Reichs- erfassung Anordnungen treffen zu können und deren Ausführung und die Aufbringung der Kosten den einzelnen Ländern und Ge- meinden zu überlassen, sondern daß das Reih auch und dieser Gedanke ist im Landessteuergeseß wenigstens iw einer mir nit genügenden Weise zum Ausdruck gekommen die Verpflichtung kat, wenn cs derartige neue Anordnungen trifft, wenn es dérartige veue Anforderungen an die finanzielle Leistungsfähigkeit der ein- zlnen Staatsangehörigen oder der Reichsangehörigen in den einzelnen Ländern stellt, für die Aufbringung der Kosten für der- artige neue Aufgaben zu sorgen und die Aufbringung der Kosten iht den einzelnen Ländern zu überlassen, die shlechterdings, meine Damen und Herren, abhängend vom Reiche, dazn zum größten Teil einfah nicht in der Lage sind. (Sehr richtig! vechts.,)

Das ist meiner Meinung nach ein grundsäßlicher Fehler, Auf- bringung der Kosten auf der einen Seite, Anordnungen auf der anderen Seite niht in dieselbe Hand zu legen. Denn, - meine Tamen und Herren, auf Kosten anderer Anordnungen zu treffen, it sehr leiht. Das Verantwortungsgefühl für die Anordnung, die ih treffe, wird crs in dem Moment vorhanden sein, ‘in dem ih nir auch die Frage nach der Aufbringung der Kosten vorzulegen habe und mir sagen muß: für alles das, was ih im Wege der Geseßgebung oder Verwaltungsanordnung bestimme, was ih durch- geführt sehen will, dafür habe ih auch die Kosten aufzuwenden. Fieser Gesichtspunkt, meine Dáämen- Und Herren, davon hat uen verehrter Vorgänger Sämish gesprochen ist wiederholt in-

Beratungen der einzelstaatlihen Finanzminister mit- aller «Schärfe -

zu meiner großen Fveude gegenüber dem Reich ‘betont. worden. E ist immer dem Reich gegenüber gesagt worden: wenn du durch ins die zahlreihen neuen Aufgaben der Reichsverfassung num in die Praxis umseven willst, dann bitte, zeigé uns auch den Weg, auf dem die dafür entstehenden außerordentlih hohen Kosten auf- zubringen sind; du darfst uns nicht auf der einen Seite die haupt- siblidsten \stenerlihen Einnahmen nehmen und uns auf der anderen Seite sagen: ja, ihr habt das, was ih hier will, aus- zuführen, für die Aufbringung der Kosten habt ihr zu sorgen, darum kümmere ih mich nicht. Meine Damen und Herren, tut nan das, so ruiniert man auf der einen Seite entweder die Under und Gemeinden und fördert die Reichsverdrossenheit, oder aber und damit würde die Staatsautorität aufs shwerste leiden man schafft einen Zustand, bei dem tatsächlih das, was bom Reich angeordnet wird, aus dem einfahen Grunde nicht mehr wsgeführt wird, weil es mangels finanzieller Mittel nicht aus- geführt werden kann. (Sehr richtig! rets.)

Deshalb, meine Damen und Herren, muß und ih bitte da um die Unterstüßung dieses hohen Hauses ein Grundsaß ah meiner Auffassung für die Preußishe Regierung und den Vreußishen Landtag sein, zu verlangen, daß für neue Aufgaben, die vom Reih den Ländern überwiesen werden, auch das Reich ih hinsihtlih der Aufbringung der Kosten stark maht. Wir sind tinfah, ohne daß wir Gemeinden und Länder ruinieren, nicht in der Lage, aus eigenen Mitteln für derartige neue Aufgaben die Kosten aufzuwenden.. Und, meine Damen und Herren, was ih eben gesagt habe, gilt von den Gemeinden mindestens in dem- selben Umfange wie von den Ländern. Denn \{hließlich sind die Gemeinden die leßten, sie sind schließlich die leßten, die die Hunde eien. (Sehr richtig! rechts: Abg. Leinert: Sehr richtig!) 20s Reich ist der Stärkste, dann kommt das Land, und \{ließlich bleibt es auf den Gemeinden sigen. Wenn wix alle vom Reich, bon den Ländern, von den Gemeinden an dem großen Knochen nagen, und dieser große Knochen wird vom Reih und den Ündern so abgenagt, daß für die Gemeinden zu nagen nichts e e bleibt, dann sizen die Gemeinden nachher da. (Sehr ihtig!

Deshalb muß darüber sind wir uns, glaube i, alle

' einig die erste Aufgabe au der preußischen Finanzverwaltung

fein, zu einer reinlihen Scheidung zwischen Reih, vUndern und Gemeinden zu kommen. Man kann \ih diese reinliche Scheidung sehr verschieden denken; man kann sie sih len nah den verschiedenen steuerlihen Einnahmen, man kann se sich denken nach Prozenten, aber jédenfalls muß diese rein- lde Scheidung irgendwie getroffen werden, und sie muß au so ge- troffen werden, daß doch im großen und ganzen die Länder und uh vor allen Dingen die Gemeinden nicht nur auf das an- wiesen sind, was sie vom Reich bekommen, sondern daß sie heciens einen starken beweglichen Faktor in ihrem Haushalt vie auf dem sie allein prozedieren können. Fn dieser Richtung ‘egen sih, und haben si bewegt, Verhandlungen, die zwischen

n einzelstaatlihen Finanzministeru unter Führung Preußens :

der Reichsfinanzverwaltung, wie ih glaube, mit Erfolg, ge-

führt worden sind, und die zu der Annahme berechtigen, daß doch au gerade im NReichsfinangministeriuum allmählih die Ueberzeugung sich Bahn brit, daß es s{chlechterdings unmögli ist, allein oder nur in erster Linie die finanziellen und wirtschaftlichen Interessen des Reiches im Reichsfinanzministerium zu vertreten und auf die finanziellen und wirtschaftlihen Fnteressen der Länder und der Gemeinden feine Rücksiht zu nehmen. Es is ja eine politische Binsenwahrheit: gedeihen die Länder nicht, gedeihen die Gemeinden nicht, dann kann natürlich auch das Reih nicht ge- deihen; denn es ist kein außerhalb der Länder und der Gemeinden stehender Begriff, sondern eine große Gemeinschaft, die sih aus den einzelnen Gemeinden und Ländern zusammenseßt. Deshalb liegt es im wohlverstandenen Jnteresse des Reiches, im twirt- shaftlihen wje im politishen, ‘wenn es bei allen finanziellen Maßnahmen auch darauf Rülsiht nimmt: Wie wirkt das wirt- shaftlich und finanziell auf die Gemeinden und die Länder?

Jh habe cs bedauert, und wir sehen ja jeßt die Wickung, daß man, als man seinerzeit sich entschloß, die außerordentlich shwierige materielle Einkommensteuergeseßzgebung im Reiche durchzuführen, gleichzeitig den außerordentlich waghalsigen Schritt untecnahm, neben dieser materiellen Aenderung eine formale Aenderung, nämlih in bezug auf die Veranlagungs- behörden, vorzunehmen. (Sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei.) Das war ein Fehler, der es vollkommen unter- shäßte, daß man sich zur Durchführung einer so s{hwierigen und gigantischen Aufgabe naturgemäß derjenigen Kräfte, derjenigen Behörden, Beamten bedienen mußte, die bisher mit Erfolg auf ähnlichem Gebiete tätig gewesen waren. (Sehr rihtig!) Das hat man versäumt, und die Folge ist nun, daß die neuen Be- hörden mit den vorliegenden sehr s{chwierigen Aufgaben nicht fertig werden.

Es ift vorhin ganz mit Recht darüber geklagt worden, daß in weitesten Kreisen aller derjenigen, die auf feste Besoldung an- gestellt sind, es große Unzufriedenheit hervorrufen muß, wenn sie regelmäßig ihre 10 9 zahlen müssen, daß aber die Veranlagungs- behörden mit denjenigen, die niht angestellt sind, die niht auf festes Einkommen zu rechnen haben, so mit der Veranlagung im Rückstande sind, wie es bisher der Fall gewesen ist. Aber ih macbe auf eins aufmerksam: fo sehr ih dem Herrn Abgeordneten Lüdemann in der Betrachtung der Folgen dieses Vorgehens bei=- stimme, so halte ih es doch augenblicklich für das wesentlihste darin glaube ich auch wieder mit Herrn Lüdemann überein- zustimmen —, daß nun mit aller Kraft die Finanzämter diesen Fehler gutmachen, und daß sie sich mm mit aller Kraft der Auf- gabe widmen können, auch diejenigen zur Steuer heranzuziehen, die bisher leider niht herangezogen worden sind. So sehr ih, Hecr Lüdemann, im Fnteresse der Gerechtigkeit es an sich für notwendig halte, die Zurückzahlung zuviel bezahlter Steuern zu betreiben, so sehr möchte ih doch auch Jhnen vorstellen: ih möchte niht, daß das auf Kosten desjenigen geschieht, was ih eben sagte, nämlich daß dadurch die bisher verzögerte Einshäßung derjenigen, die noch keine Steuern gezahlt haben, verhindert wird. Darin liegt natürlih eine große Gefahr, und man wird sagen müssen, daß damit ein Mittelweg gefunden wird. Die Hauptsache scheint mix jedenfalls zu sein, daß endlih die Veranlagung, die Heran- ziehung derjenigen Steuern erfolgt, die bisher aus den von mir

¿eëoörterten Gründen leider nicht haben herangezogen werden

können. :

__ Das führt mich zur finanziellen Lage Preußens. Die Abhängigkeit Preußens vom Reich führt mih kurz zu den- jenigen eigenen, selbständigen Quellen, die Preußen noch auf finanziellem Gebiete verblieben find. Abgesehen von eigenen Steuern, den Ertrags\steuern, der Grund- und der Gewerbesteuer, spielt da die Frage der BetriebS8verwaltungen eine Rolle, wenn auch natürlißh nicht mehr dieselbe Rolle wie früher, als Preußen noch über die Eisenbahnen verfügte. Die Frage der Betriebsverwaltungen hat sich im wesentlichen zu der Frage nach der Ergiebigkeit der Forsten und der Berg- werke gestaltet, und da scheint mir die Frage doch noch wichtig genug, und au der Landtag sollte sich die ernste Frage vorlegen oder vielmehr der Ueberzeugung sein, dgß bei aller Anerkennung seines Kontroll- und Kritikrechtes es s{hlechterdings unmöglich ist, wie die Verhältnisse uns gezcigt haben, das, was für Staatshoheits- betriebe und Ausgaben richtig, zweckmäßig, ordnungsmäßig ist,

auf die sogenannten Betriebsverwaltungen zu übertragen, und da

genügt es natürlih nicht, daß wir die Etats der einzelnen Ver- waltungen scheiden in „1. Betrieb3verwaltung“ und „2. Hoheits- verwaltung“ und im übrigen die Etats aufstellen, wie cs bisher war. (Sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei.) Wir müssen nach meiner Auffassung wie das shon der Herr Abgeordnete Dr. Leidig ausgeführt hat, glaube ih grundsäßlih unterscheiden zwischen den Betriebsverwaltungen auf der einen Seite und den Hoheitsverwaltungen auf der anderen Seite und müssen uns darüber klar werden, daß namentlich in den jeßigen Zeiten wir einfach. die verdammte Pfliht und Schuldigkeit haben, selbst- verständlih unbeschadet gewisser sozialer Auforderungen, aus den Betriebsverwaltungen, um die steuerlihen Einnahmen des Staates niht ins Ungemessene zu steigern, herauszuholen, was heraus- zuholen ist, das heißt, wir müssen die Betriebe nah den Grund- säßen einer gesunden kaufmännischen Wirtschaft führen. Dazu reiht im allgemeinen die Aufziehung, wie sie si. bisher in unseren Etats herausgestellt hat, nah dem Beispiel der Hoheitsverwal- tungen niht aus. Jch glaube, daß in weiten Umfange auch der Landtag darauf wird verzichten müssen, diese Haushalte der Betriebsverwaltungen ebenso zu behandeln wie die Haushalte der Hoheitsverwaltungen. Jch glaube, daß man suchen müßte -- und darüber sind ja die Erwägungen im Reiche im Gange die Betriebsverwaltungen aus dem eigentlichen Haushalt heraus- zunehmen, eine kaufmännishe Bilanz aufzustellen, die Ver- waltungen freier zu gestalten, den Betriebsverwaltungen die Möglichkeit zu geben, Uebertragungen einer Position von einem Jahr auf das nächste Fahr vorzunehmen, die Angestellten und Beamten freier zu stellen als das sonst der Fall ist, daß der Landtag sih das Recht auf Kenntnisnahme, auf Kritik und An- regungen vorbehält, daß aber in der Weise, wie ih das ausgeführt habe, die Betriebsverwaltungen von den anderen Verwaltungen losgelöst werden, die aufgezogen sind auf den Staat als JFnhaber

} von Hoheitsrechten, aber niht als Fnhaber von kaufmännischen

oder industriellen Betrieben. Man hat bisher den großen Fehler gemacht, daß man bei den staatlichen Betrieben zu sehr Wert darauf gelegt hat, daß sie staatliche Betriebe sind, und zu wenig, daß

sie gleichzeitig Betriebe sind, und daß deshalb der Gesihtpunkt des Betriebs mehr in den Vordergrund gestellt werden muß, und daß die Betriebe der freien Wirtschaft angepaßt werden müssen, wollen wir die Beträge erzielen, die nach meiner Meinung daraus erzielt werden müssen,

Der Herr Abg. Dr. Leidig hat vorhin und auch im Aus- {chuß, glaube ih, die Frage einer Entschädigung Preußens für die ganz außerordentlihen Verlu ste angeshnitten, die Preußen durch den verlorenen Krieg erlitten hat. Es ist nach Auffassung der Staatsregierung ganz selbstverständlich, daß diese Verluste unmöglich von Preußen allein ge- tragen werden können. (Sehr gut!) Nicht Preußen hat den Krieg verloren, sondern das ganze Reich. (Sehr rihtig!) Preußen ist derjenige Staat, abgesehen von Elsaß-Lothringen, der allein die großen wirtschaftlich und kulturell wertvollen Gebiete verloren hat. Daß Preußen nicht allein diese Rechnung zu zahlen hat, sondern daß es eine moralische ich möchte sagen —, eine heilige Pflicht des ganzen Deutschen Reiches ist, an diesen Verlusten Preußens teilzunehmen, darüber, glaube ih, kann in diesem hohen Hause kein Zweifel bestehen. (Sehr gut) Von diesem Gesichtspunkte aus haben wir deshalb auch eine Reihe von Forderungen, wie das der Herr Abgeordnete Dr. Leidig schon ge- sagt hat, bei der Reichsregierung angemeldet. Jch will Sie mit den Zahlen, mit den einzelnen Forderungen, die wir gestellt haben, nicht ermüden, ih will aber darauf hinweisen, daß diese Forderungen, die Preußen durch Verlust von Staatshoheitseigen- tum und Finanzeigentum entstanden find, beim Reiche angemeldet sind, und daß das Reich durchaus bereit ist, mit uns weiter sind die Verhandlungen noch nicht in Verhandlungen zu treten. Wir haben zunächst die Forderungen dem Reiche unterbreitet, aber ih bitte, zu glauben, daß dieser Punkt, über den wir, glaube i, alle einig sind, mit aller Energie von der Preußischen Staatsregierung dem Reiche gegenüber vertreten werden wird.

Meine Damen und Herren, wenn ih dann noch auf gewisse Einzelheiten eingehe, so hat vorhin in den Ansführungen der Herren Abgeordneten Lüdemann und Blank einen breiten Raum die Frage sagen wir mal der Beamtenpolitik ein- genommen, die Frage, wie sich die Staatsregierung zu der Er- nennung der Beamten, zu der Rekrutierung von Beamten stellt. Es ist ja darüber ausgiebig schon bei dem Haushalt des Ministers des Fnnern gesprochen worden, zu dem ja die Frage, insoweit es sih um die rein politishen Beamten handelt, in erster Linie ge- hört. Aber da doch noch ein sehr wichtiger Teil der Beamten- schaft in dem Haushalt des Finanzministeriums steht, so möchte ih mir, wenn auch andere Ministerien, insbesondere das Justiz= ministerium, auch davon betroffen werden, kurz gestatten, darauf einzugehen.

Herr Abg. Lüdemann hat vorhin ein Wort gebrauh, das mir sehr gefallen hat und da9 ih nur unterschreiben kam: er sagte: wir müssen bei der Auswahl und Anstellung von politishen Beamten uns von Engherzigkeit ih glaube, er sagte sogar: von politisher Engherzigkeit fernhalten. Ohne Herrn Lüdemann zu nahe treten zu wollen, muß ih offen sagen, daß ih niht erwartet hätte, dieses Wort ausgerechnet von Herrn Lüdemann zu hören. (Sehr richtig! und Heiterkeit rechts.) Um so mehr habe ih mich über dieses Wort gefreut. Es entspricht durchaus meiner Auffassung und ih habe diese Auffassung schon zu einer Zeit vertreten, als noch die Zustände bestanden, die Sie, Herr Lüdemann, als die frühere politishe Engherzigkeit bezeich= neten. Jh habe niemals ein Hehl daraus gemacht und habe cs auch in der Lande3versammlung als Abgeordneter hervorgehoben, daß ih es unter jedem Regiment für falsch halte, die Beamten lediglich aus einem kleinen bestimmten Kreise zu nehmen. (Zu- stimmung links und rechts.) Dieser Ansicht bin ih um so mehr, als in den ernsten und ernstesten Verhältnissen, unter denen wir jegt leben, aber auch unter normalen Verhältnissen der Staat s{lehterdings niht darauf verzihten kann, die Kräfte jedes einzelnen, der gewillt ist, loyal an dem Wiederaufbau des Staates mitzuarbeiten, sih nußbar zu machen (allgemeine Zu- sbimmung), und daß es sih niht verantworten läßt, iroend jemanden wegen seiner Gesinnung oder scines Herkommens auszuschließen.

Von diesem Standpunkte aus halte ih es für sehr erwünscht, den größten Massen des Volkes die Möglichkeit zur Teilnahme am Staatsleben zu eröffnen. Aber auch Herr Lüdemann wird, glaube ih, für berechtigt halten, was namentlich in der pro- grammatishen Erklärung, die der jeßige Herr Ministerpräsident namens des neuen Ministeriums abgegeben hat, nachdrücklich hervorgehoben tworden ist: daß das selbstverständlih nicht heißt, daß mm jeder für jedes Amt geeignet ist, sondern man muß selbstverständlih voraussezen, daß eine Persönlichkeit auch fach- lih für das Amk geeignet ist. (Sehr richtig! rehts.) Jch gebe ohne weiteres zu, daß man sich diese fahlihe Eignung auf sehr verschiedenen Wegen erwerben kann (Sehr gut! rechts und bei den Sozialdemokraten), und ich bin keineswegs der Ansicht, daß man einen Befähigungsnahweis nur durch ein bestimmtes Examen erbringen kann. (Abg. Müller-Hannover: Sehr gut!) Aber als Staatsminister kann ih mich nicht damit abfinden, daß jemand, dem ih ein Staatsamt anvertraue, es {on verstehen wird, daß die Sache shon gut gehen wird; ih kann mih nit auf den Standpunkt stellen: wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch den Verstand. (Abg. Kaß: Wie es früher war!) Deshalb haben Sie wohl auch kein Amt bekommen, Herr Abg. Kay?! (Stürmische Heiterkeit.) Sondern ih muß mih auf den Stand- punkt stellen, daß derjenige, dem ein Staatsamt übertragen werden soll, in irgendeiner Weise: dur seine bisherige Tätigkeit, durch ein Examen, durh seine Vorbildung, wie sie wollen, nahes gewiesen haben muß, daß er voraussihtlich in der Lage sein wird, dieses Amt zu versehen. Jch gebe Jhnen, meine Herren von der Sozioldemokratie, ohne weiteres zu, daß es cine ganze Reihe von Persönlichkeiten gibt, die nit die übliche vorgeschriebene Vorbil« dung besißen und troßdem durchaus geeignet für die verschiedensten Aemter sind und sih au als geeignet erwiesen haben. Aber Sie werden mir zugeben, daß es im allgemeinen nicht möglih sein wird, von einer gewissen Vorbildung abzusehen, wie sie ja au in den verschiedenen Gesezen vorgeschrieben ist.

Wenn wir uns auf diesen Standpunkt stellen, dann werden wir durchaus den neuzeitlihen Anforderungen entsprechen, denen Rechnung zu tragen ih bereit bin. Wir werden auf der einen Seite erreichen, daß weitere Kreise, die dazu geeignet sind, zur Beamtenlaufbahn übergehen; und wir werden uns auf der andern Seite uiht der Gefahr ausseßen, eine große Zahl vou Beamten