1900 / 9 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 10 Jan 1900 18:00:01 GMT) scan diff

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Deutscher Reichstag. 123. Sißung vom 9. Januar 1900, 2 Uhr.

Ueber den Anfang der Sißung wurde in der gestrigen "Nummer dieses Blattes berichtet.

Zur zweiten Berathung steht der Entwurf einer Rei hs- shuldenordnung nach den Beschlüssen der Budgetkommission. Referent ist der Abg. Müller - Fulda (Zentr.).

Nach § 1 erfolgt die Bereit|telung der außerordentlichen im Wege des Kredits zu beschaffenden Geldmittel für einmalige Ausgaben auf Grund einer besonderen geseßlihen Ermächtigung des Neichskanzlers durch Aufnahme einer Anleihe oder dur Ausgabe von Schazanweisungen.

Der Abg. Richter (fr. Volksp.) beanstandet das Wort „besonderen“ und beantragt dessen Streihung. Nach einer kurzen Auseinanderseßung zwischen dem Antragsteller und dem Unter-Staatssekretär im Reichs-Schaßamt Dr. Aschenborn, welche die sachlihe Uebereinstimmung beider ergiebt, wird dem Antrage Richter gemäß das Wort „besonderen“ gestrichen, mit dieser Aenderung 8 1 angenommen.

Nach H 2 steht dem Reichskanzler die Bestimmung darüber zu, zu welcher Zeit, durch welche Stelle und in welchen Be- trägen Schuldverschreibungen der verzinslichen Anleihe aus- gegeben werden sollen, soweit nicht in der in § 1 vorgesehenen Ermächtigung ein anderes vorgeschrieben ist. Das Gleiche joll gelten von der Bestimmung des Zinssaßes, der Kündigungs- bestimmung und des Kurses, nah welhem die Ausgabe er- folgen soll.

Abg. Richter beantragt, dem § 2 binzuzuseßen: „voraus- gesetzt, daß die Kündbarkeit niht besYränkt ist, die Kündigungsfrist nit übzr 6 Monate hinaus erstreckt wird und die Einlösung der ge- fündigten Shultvershreibunzen nur gegen baar vder zum Nennwerth erfolaen soil“.

Uater-Staats\.kretär Dr. Aschenborn spriht ih gegen diesen Zusaß aus, der über den Zweck der Kodifikation des geltenden Nechts erheblih hinau8gehe und den Besißstanck verändern würde.

Nach kurzer weiterer Debatte wird der § 2 mit dem Antrage Richter an die Kommission zurückverwiesen.

In S 16 ist u. a. bestimmt, daß, wenn ein Zinsschein einer Schuldverschreibung oder Schaßanweisung vernichtet ist, der in § 804 Abs. 1 des Bürgerlichen Geseßbuches bestimmte Anspruch ausgeschlossen sein soll, ohne daß es der Ausschließung in dem Scheine bedarf.

Abg. Dr. Müller-Sagan (fc. Volksp.) beantragt die Strei- chung dieses Passus; man dürfe niht jeßt {hon gelegentlih das Bürgerlicwe Geseßbuch ändern.

Geheimer Regierungsrath im Reichs-Justizamt Dr. Stru ck- mann teitt für die unveränderte Beib?:haltung des § 16 ein; es handele sfi®& garniht um eine materielle Nenderung, denn was hier bestimmt sei, bestebe in Preußen {hon längst zu N-cht und fei cu durh das preußishe Einführungs8gesey zum Bürgerlichen Geseßbuch sanktioniert worten. Die Kommission habe den gleichen Antrag vzr- worfen, ganz ebenso, wie dies bei der Be:athung des preußishen Aus- führung8geseßes gesehen fei.

Nach weiterer Debatte, an welcher sih die Abgg. Kirsch, von Strombeck und Dr. Lieber (Zentr.), sowie der Unter- Staatssekretär Ashenborn bctheiligen, wird § 16 ebenfalls an die Kommission zurückoerwiesen. Der Rest der Vorlage wird ohne Diskussion nah den Vorschlägen der Kommission angenommen.

Dex Gesetentwurs, betreffend die Kontrole des Reichshaushalts, des Landeshauzhalts für Elsa§ß- Lothringen und des Haushalts für die Shußtgebiete für 1899, wird in erster und zweiter Berathung ohne Debatte erledigt und unverändert angenommen.

Die Denkschrift über die Ausführung dcr seit 1875 er- lassenen Anleihegeseße wird für crledigt erklärt. An die Nechnungskommission überwiesen werden ohne Debatte die Uebersichten über die Einnahmen und Ausgaben des Neichs für 1898 und über die Einnahmen und Aus- gaben der Schußgebiete für 1896/97, 1897/98 und 1898.

Es folgen Wahlprüfungen.

Die Wahl der Abgg. Sch ulze-Steinen (7. Arnsberg, nl.) und Sieg (3. Marienwerder, nl.) werden, entsprehend dem Antrage der Wahlprüfungskommission, beanstandet und die Er- hebung von Beweisen über die Protestbehauptungen beschlossen. Für gültig erklärt werden. die Wahlen der Abgg. von Gbriiten (4 Caffel N), Dr, Dol (5. Gale V L S Pauli-Ober-Barnim (Np.), Foerster-Löbau (d. kons.), von Staudy (5. Gumbinnen, d. kons.) und Möller-Duisburg (nl.).

_Den leßten Gegenstand der Tagesordnung bilden Kom- missionsberichte über Petitionen.

Die Petitionen, welche einen höheren Zoll auf ge- salzene Heringe (Erhöhung von 3 auf 6 F) befürworten, will die Petitionskommission, entgegen früheren Beschlüssen, welche auf Uebergang zur Tagesordnung lauteten, diesmal der Regierung als Material überwiesen wissen.

Es liegt dazu ein Antrag der Abgg. Dr. Pachnicke {fr. Vgg.) und Genossen vor, über die Petitionen zur Tagesordnung überzugehen.

Abg. Dr. Hermes ‘fr. Volkéy.): Die Kommission bat bisher Petitioner, welde auf Erböbung des Zolls für Geaenstände der Er- nährung der ärmsten Volksklass-n abzielten, durch Uebergang zur Tage3- ordnung zu Erledigung empfohlen. Diesmal liegt die Sache and°18, und ¡war wesentlich desbalb, weil in ter Kommisfion cin Kommissar erklärt bat, daß das RNeits1mt des Innern ciner Vertheu:rung dieses N3hrungtmittels der unbemiltelten S&ihten der Bevölkerung niht abgeneigt se. Die forstigen Gründe, wclce für eine Zollerhöhun,y angeführt werdtn, die Rütksikt auf die Förderurg der Hochsee- fisherei und tie Förderung des Matroseamaterials für tie oeuthe Krieg: flotte, find ni&t ftichbaltig; denn diesen Ansprüchen wird {on j?2ßt seitens der Reich vzrwaltung in völliz ausreihendem Maße aenügt. Andererscits ift es ein Uadins, auf diefem Wege dem {chottishen, norwegischen, dänischen und bhollärdishen H?-rinasfang eine wirks«me Konkurrerz zu machen. Die deulshe Seefischerei is auch obne Zollerböbiurg zu einer höht gedeihlihen Entwoickelunz gelangt. Die Emdener H:ringéfisberei- Gesellschaft, welhe sich gegen die fünf arderên Fischerrig?esclsck%aft-n in Glückstadt, Emden, Altona, Vegesack, Gléflcth un) Geestemünde mit einer Gegenpetition gewendet hat, hat 1chon bis zu 15 9/9 Dividende vertheilen können.

Abg. Dr. Pachnicke: Die verlangte Erböbung des Zolles würde nur dem (Scofifapital zugut? fommen und außerdem ein Geschenk scin, wels in der Hauptsache Ausländern, nämlih den Holländ?rn, zufi l», die die groß-e Mehrzahl der Aktionäre der petitionierenden Gesell- schaften bilden. Wenn man sagt, der Konsument würde eixe Grhöhung des Preises für den Herng um 2 -Z niht spüren, fo wird ganz üb-rschen, in wie hohem Grade das Budget der Allerunbemitteltsten durch die Zölle und indirekten Steuern {on jeyt belastet it, und außerdem wird j1 die Pceis2rhôöbunz sich nit auf die } S beschränken, sondern die in der Zxllerböhunz liegende Tendenz zur Preiétverth:ue1ung von den Jateressiecten aufs äußer fte ausgerüßt werden. Der Reichétag sollt: erklären, daß er niut ge-

zählenden Konsumenten \ckchädtgen zu lassen, und also unseren Antrag annehmen.

Abg. von Waldow und Nettzenstein (d. konf.) tritt den Ausführungen des Abg. Dr. Hermes entgegen Das bis- herige Syslem dec Gewährung von Meichsveihilfen zur Ver- wehrung der Loggerflotte habe sich zwar bewährt, reie aber für die gestieaenen Anforderungen niht mewr aus; in der Er- böhung des Zolls würde, wie der Kommissar in ver Kommission überzeugend auegeführt habe, ein gangtarer Weg sh darbieten, den deutshen Betrieben zu Hilfe zu ko rmen und die heimtshe Produktion zu steigern. Allerdings sei der Hering eins der Hauptnahrangs8mittel des Volks und die Vertheuerung eines folcen set jehr bedenklih. Die Vertheuerung dur die Zollerhöhung werde weit zurückbleiben hinter derjenigen Vertheuerung, welche die Heringe erst innerhalb des letzten Jabres infolge ungünstiger Fänge erfatr-n haben. Gegen di: Kom- missionsanträge laffe fi also nihts fagea.

Abg. Rickert (fr. Vagg.): Der Vorredner gebört einer Partei an, welche vor drei Jahren ausdrücklich hier im Hause: einen Antrag eingebraht hat, einen Zoll auf frische Heringe ein;uführen, Die Herren auf der Rechten find do% font immer die Anwalte des Élcinen Mannes; hier wollen sie eine Maßregel unterstügen, welche ofenfundig dem Großkapital zu gute kommt. Was die Fordervng der Kriegtmarine auf diesem Weg? bctrifft, so hat der Kommissar des Reich8amts des Innern siHerlih nicht au® im amt- lichen Auftrag? des Staatssekretärs des Neichs-Marineamts gesprochen. Die Fischer haben nit den geringsten Vortheil von der ZoUerhößhung, und nur ein Theil der Gesellschaften erfirebte si». Uater den beutigen Verhältnissen solite eher eine Ermäßigung de3 Hering®zols in Betracht gezogen werden.

Geheimer Oder - Regierungsrath tim Reichsamt des Innern Hauß: Die Entwickelung der FischzreigeseUsh2ften ist eine gedeihlihe, diese Feststellung erleidet aber eine Einschränkung gerade in Bezug auf die Heringsfisherei. In der Ostsee spielt der Fang des Herings leider kaum noch eine Rolle; um fo wictiger ist der Fang in der Nordsee. Die Emdener Gesellschaft, welche hier heute ausgespielt worden ift, stammt s{chon aus ten Zeiten Friedrih's des Großen, sie hat nah Zeiten \{chwerer N»th neuerdings einen beträh!tlihen Aufs(wung genommen; sie war bis vor 10 Jahren die einziae Gesellschaft, welch- ich mit der H -ringsfiscerei beschäftigte, und hat Reichs¡ushüsse bekommen, welch- die jünzeren G-fell- schaften nicht entfernt erreihten. Die Berhältnisse der sämmtlichen Gesellschaften sind also keineswegs ohne wetteres mit einander ver- gleihbar, die anderen Gesellschaften arbeiten unter den allerungünstigsten Bedingungen, und \-lbft die Hilfe der namhaftesten Necihsunrterstüßzung hat die Liquidation einer dieser Gesellschaften niht zu verhindern vermocht. Die Behauptung des Herrn Dr. Hermes, daß im Neichs- amt des Innern keine Abneigung best he, ein unentbehrliches Voks- nabrungsmittel zu vertheuern, habe ih entschieden zurückuroeisen; ich habe in der Kommission im Gegerthbeil ausgeführt, daß eine Erh3hung des Zolles um nur 3 F jedes Bedenken der Veribeuerung ganz wesentlich abschwoäh:. Daß auf die seebefahrene Be völk-rung von seiten der Marine im Mobilmachhungsfalle in erster Linie zurückge- ariffen wird und also die Vermebrung dieser seebefahrenen Bevöl- kerung ständig im Auge behalten w-rden m"!ß, hat die Marinever- waltung bundert Mal versichert. S it 1887 tet unter den Mitteln zur Abbilfe der bervorgebobenen Nothstände auch eine Zollerhöhung zur Erwägung; in keiner Richtung würde mit der U-berroeisung als Material eine Bindung des Reichst2ges erfolgen.

Abg. Dasbach (Zentr.): Meine Partei wird für den Antrag der Link2n immen. Auch wir wollen die nationale Arbeit {ützen; aber hier, wo ein durchaus nicht nothle‘dender Zweig in Fraze steht, fönnen wir nicht zu dem drastishen Mittel greifen, ein Volks- nahrungsmittel zu vertheuern. Herr von Waldow kennt auh nicht genügend die Gewobnheiten der Detaillisten; diese werden fi büten, dem Konsumenten zu fagen, daß die Preizerhöhung nur ?/'s oter ?/10 «S beträgt, vielmehr werden sie mit Freuden die Geleg-nbeit ergreifen, das Doppelte und Dreifahe des Zolles auf den Preis zu s\chlagen. Wir geben daber über diese Petitionen zur Tage8ordnung über,

Abg. Wurm (Soz.): Die Vertreter des Reih3-Schzcktamts haben in ten früheren Kommissionsverhardlungen sh immer für U‘*ergang zur Tagesordnung über diese Petitionen cusgesprcch:n. Im rorigzen Jahre zum ersten Mal erschien auch der Kommissar des Neich:amts des Innern, welches die neuen Handelsverträge vorbereitet. und sprach ih in einem Sinne aus, daß nur diz günstigen Seit:n einer eventuellen Zollerhöbung zur Geltung kämen. Die Natur zwingen Fföônnen auh die Veitreter der verbünd-ten Negierurgen nit; sie können niht die Richtung, die die Hering®züze in den deutshen Meeren nebmen, zum Nutzen der deutsh-n FischerzigetU- haften verändern. Nur das Großkapital und die Holländer würden von der Zollerbökung den Nutzen haben Die Stellung der Rezierun4 hat sih, obwohl der Kommissar das bestreitet, thatsächlich geändert. Die Konservativen treten heute anscheinend von ibrer feühzren An- \hauung zurück; aber sie thun das nur, weil fe bofen, Lis zu der Zeit, wo die Handelsverträge gemacht tverden müssen, die kompakte Mehrheit zu sein. Auch vom Zentrum cheiat mir aus denselben Gründen. beute hier bleß ein taftishes Manöver gemacht zu werden. *Weshalb hätte es sih denn sonst für den !intraz des Hrn von Langen erklärt ?

Direktor im Reih3-Schaßamt Dr. Fischer bestreitet, daß die Erklärung des Kommissars von 1897 mit der heutigen Erklärung der Regterung in Widerspruch ftände.

Nach kurzer weiterer Erörterung, an der sich die Abga. Dr. Kruse (nl.) und Dr. Müller- Sagan betheiligen, bebt der

Abg. von Kardorff (Np.) bervor, daß die N-ichspartei seiner- zeit den Antraz von Langen nit unterschrieben habe: der Bund der Landwirthe als sol@er habe si niht, wie Herr W irm behauptet habe, für diese Forderung agitatorish v2rwendet.

Aba. Dr. von Leveßow (d. kons.): Auch ih habe, wie viele meiner Freunde, den Antrag von Langen nicht unte vrieben. Jener Antrag stammt aus dem Jahre 1897, seitèem ist eine große Preis- steigerung für Heringe cingetreten. Da ift es nicht an dec Zeit, Forderungen auf weitere Zollerhößung u unterstützen. Ja dem Kom- missionsantrag liezt aber auch nichts dergleihen. Für meine Perfon werde ih allerdings für den Antrag Pachnidke \stim:en.

Abg. Broemel (fr. Vgg): Herr von Langen hat cs sh in öffentliher Versammlung g:fallen lassen und hat felbst die Hand dazu geboten, daß ihm und dem Bunde der Landwirthe füc jenen Antrag ein besonderer Dank au8zesprcchen wurde Da kann wan boch heute nidt chne weiteres von dem Artrage fich zurlickziehen. Nllerdin 1s will es heut- abfolut keincr aewe?fen sein. Die von dem Koa2wmissar gegebene Darstellung vox der Lage der Fischercige!ellshaften entspricht keineswegs turchweg den thatsäwblihen Verhältnissen; seine Schivarz- malerei war diefen gegenüber nit am Plage.

Geheimer Ober. Negiecungsrath Hauß: Di: j:nigen Besellshaftzn, welche sh niht mit dem Heringéfang bes äftizen, habe ih überhaupt niht in den Kreis meiner Betrahtungen gezogen.

Abg. Broemel konstatiert. daß der Abz. von Kardaff auf seine Ausführungen über die Thätigkeit des Vundes der Landwirthe für den Herings8zoll nichts geantwortet habe.

Abg. von Kardorff: Es ift niht die Svur einer Thatsache für diefe Behauptung angefübrt, es fällt dem Bunde der Landwirthe garnicht cin, sich für diese Zollerböhunz zu enzagieren. :

Damit {ließt die Diskussion. Das Haus g-ht gemäß dem Antrag Pachnicke über die Petition zur Tagesordnung über.

Darauf wird die Sizung vertagt.

Schluß 6 Uhr. Nächste Sizung Mittwoch 2 Uhr. (Zweite Lesung des Reichshaushalts:-Etats: Neichstaa, Neichs- amt des Jnnern.)

fonnen fit, den Heringshantel und die Interessen der rah Millionen

Preußischer Landtag. Herrenhaus.

1. Sißung vom 9. Januar 1900, 21/2 Uhr.

Der Präsident der vorigen Session, Fürst zu Wied ey, öffnet auf Grund des § 1 der Geschäftsordnung die Sigung mit folgenden Worten :

Ehe wir in die Tagesordnung eintreten, bitte i Sie, #c) von Ihren Siyen zu erheben und den Gefühlen der Treue und Ergeben, heit und unwandelbarer Liebe Autdruck zu geben, indem wir rufen: Seine Majestät der Deutsche Kaiser, unier Allergnädigstec König und Herr, lebe boch! (Die Mitglieder des Hauses haven fich erhoben und stimmen dreimal begeistert in den Ruf ein.)

Präsident Fürst zu Wied fährt fort: Es ift uns heute die Mit, theilung gemacht, daß dem Königlichen Hause ein neues Glügck ge worden ist durch diz Geburt eines Prinzen, eincs Sohnes Ihrer Königlichen Hoßeiten des Prinzen und der Prinzesfin Heinri. Ih nehme an, daß Sie damit einverstanden find, daß ich so=5obl den hohen Eltern als auch Seciñfer Majestät dem Kaiser und König die Glückwünsche des hohen Hauses übermittle. (Zustimmung.) l'onftatiere, daß Sie damit einverstanden sind, und werte dana Handeln.

Zu provisorischen Schriftführern ernennt der Präsident die Herren Ober-Bürgermeister Büchtemann, Graf von Seidliß- Sanorcczky, Ober-Bürgermeister Dr. Giese und von Knehel- Doeberig. :

Ja das Haus neu berufen sind die Ersten Bürgermeister Contag (Nordhausen) und Knobloch (Bromberg) und die Grafen von Praschma, von Eulenburg und von Kospoth. . i

Der zur Feststellung der Beschlußfassung erfolgende Namensaufruf ergiebt die Anwesenheit von 116 Mitgliedern, das Haus ist also beshlußfähig.

Auf Vorschlag des Herzogs von Ratibor wird das bis- herige Präsidium durch Zuruf wiedergewählt, und zwar der Fürst zu Wied zum Präsidenten, Freiherr von Manteuffel zum Ecsten und der Ober-Bürgermeister Becker (Köin) zum Zweiten Vize-Präsidenten.

Fücst zu Wied eckläri: JY nehme die Wahl dankbar an und woerde, soweit es in meinen Kräften steht, bemüht sein, in Treue meines Amts zu walten.

Freiherr von Manteuffel uud Ober-Bürgermeister Becker nehmen gyleichfals die W2h1 mit Dank an.

Zu Schriftführern werden auf Vorschlag des Freiherrn von Manteuffel die Herren Ober - Bürgermeister chte- mann und Dr. Giese, Graf von Hutten-Czapsfki, von Klißing, von Knebel-Docberip, Graf von Nei chen- bach-Goshüß, Graf von Seidlißz-San dreczky wieder und an Stelle des Herrn von Rohr Graf von Arnim- Boißenburg neu gewählt.

Damit f Las Haus konstituiert, und der Präsident wird Sciner Majestät dem König die vorgeschriebene Anzeige davon machen.

Dcr Präsident theilt noch mit, daß Seine Majestät die Glückwünsche des Hauses zum Jahreswechsel huldvoll entgegen- acnommen und ihn beauftragt habe, die Glückwünsche Seiner Majestät dem hohen Hause gleichfalls zu übermitteln,

Schluß nach 31/4 Uhr. Nächste Sizung Mittwoch 11/5 Uhr. (Geschäftliche Miltheilungen ; Beschlußfassung über die geschäft: liche Behandlung von Vorlagen.)

Parlamentarische Nachrichten.

äusern des Landtages find der Bericht über se des Betriebes der vereinigten preußischen en Staatseisenbahnen im Rechnungsjahre 898/99 nebst der neuesten Auflage “der im Min:steriuum der sôffentlihen Acbeiten bearkeiteten Uebersihts- kfacie der Verwaltung8hbezirke der Königlih preußischen Eisecnbahn- Pireftionen und der Köntglic) preußisGea vnd Großherzogli hessiihen Eisenbahn - Direktion in Mainz (4 Blatt), eine übersichtlichWe Darstellung der Ergebnisse der im Jahre 1899 stattgehabten Verhandlungen des Landeseisenbahn- rathes und ber darauf get: offenen Entsckecidungen rebst den Ver- handlungen und Drucksachen tes Landeseisenbahnratbes, sowie die Nachrichten von der Verwaltung der preußishenStaats- bergwerke, Hütten und -Salinen während des Etats- jahres 1898/99 nekst vier Anlagen zugegangen, dem Herrenhause ferner der Entwurf eines Gesetzes über die Zwangserziebung Minderjähriger nebst Be- gründung und neun Anlagen und eine Uebersicht der von der Königlichen Staatsregierung gefaßten En1s{&ließungen auf Beschlüsse des Herrenhauses aus der Se|sion von 1899, dem Hause der Abgeordneten der Entwurf eines Ge- \eues, betreffend den Staatshaushalts-Etat für das Etats- jahr 1900, nebst Anlagen.

In dm heute dem Hause der Abgeordneten vorgelegten Entwurfe des Staatshaushalté-Etats für das Etatsjahr 1900 find die Einnahmen des preußishen Staates aus 94729060233 Æ, ble Ausgaben i. Ori n 23095 §856 751 M. im Ertraordinarctum auf 166 409 282 4, zusammen demna ebenfalls auf 2472268 033 /6 veranlagt.

Gegenüber den Veranshlagungen für das laufende Etatsjahr ergeben diejenigen für 1900 bei den Einnahmen ein Mehr von 145 981 335 M, bei den Ausgaben einen gleihen Meßrbetrag, voi weldem auf das Ocdinarium 119080038 #6, auf tas E&rtra- orciaacium 26 901 247 6 entfallen. :

Bei den staatlichen Betriebsverwaltungen ift im Ord!- narium ein Meh üverschuß von 29 041 518 G veranschlagt, welcher b aus Mebrübec\&üssen voa 31 2!1918 16 und Minderliver\chüssen von 2180490 M zu'ammcenseßt. Hierbei wie bei allen nachfolzenden Beraleituag-:in mit dn VBeranshlagungen für das lausende Gtattj1hr i zu berüdsihtizen, daß die für leßtcres im Etat res Finanz-Ministeriums ausgebrahten Beträze voa intgefamml! 1233200 6 zu Dieafteinkonmmenèverbesserungen füc Untecbeamle und einzelne Kategorien von mittleren Beamten im vorliegenden S taatéhaushal1s-Etat auf tie einzelnen Verwaltungen v:rtheilt, tn_ den Mebrautaaben dec leßteren also die betreffenden auf dieselben enl- fallenea Beträge mitenthalten find, denen eine entsprehendec G:samm!- minderausgabe im Etat de-s Finanz-Ministeriums gegenüdersteht.

Von den M-ehrüdberschüssen entfallen 15179 400 6 auf die Ver- waltung der direften Steuern, bei welcher die Einnahm-:n aus der Einkommersteuer um 14 009030 6 und aus der Ergänzungésteuer uni 10093009 M böôjer in Ansay gebracht find,

Gia Meh: ütershußz von 4762071 M ist bei der Eisenbahn verwaltunz angenommen, deren Einnahmen um 78 (04 814 46 höher veran'chlagt find, namentlich um 24340000 16 bei tem Perfonet/ und um 53510000 G bei dem Œ@üterverkehr, während an vauernde! Ausgaben 73 242 743 4 mehr angeseßt sind. z

Bet dec Forsivenvaltung ist cin Mehrübers{uß von 4 615 850 verauschlagt, insbe‘ondere eine Véehreinnahme für Holz von 5 £00 000 an Mebrauszabez werden namentli erfordert 63900 (A für neu Oberförster- und Försterftellen, 171300 (A zue NRetnunerierung pon Forst-Hilis- Aussehecn, 60 009 46 für Wecbung und Trantport p? Holz und 50009 M an Kommunalabgaben.

#8

Bei der Berg-, Hütten- und Salinenverwaltung sind 3 913 507 4 Mehrübers{uß veranschlagt; bei den Bergwerken ist der Ueberschuß um 3418640 4, bei den Hütten um 566 060 M4, bei den Gemein- shaftswerken um 104 200 6 bôher, bei den Salzwerken um 56 450 M,

bei den Badeanstalten um 24134 # niedriger in Ansatz gebracht; von Mehrausgaben ist hervorzuheben eine folhe von 129 146 A für neue etatèmäßige Steßen.

Bei der Verwaltung der indirekten Stevern beträzt der Mehr- überschuß 2735500 4; mehr veranshlagt sind aa Vergütung für Erhebung von Reichseinnahmen 2 171 009 4, an Einnahmen für alleinige Rehaung Pceufiens 2251 009 Æ, darunter 2 000 090 M bei der Einnahme aus der Stempelsteuer; an Mehrausgaben sind zu er- wähnen 47 850 F zur Memunerierung von Hilfsarbeitern, 143 175 M E und 80000 G zur Unterhaltung der Dienst- ebâude. L Ein Minderübershuß von 291809 4 ergiebt fi bei der Domänenverwaltung, bei welchec namentlih eine Veindercinnabme von 112428 M an Ertrag von Domänen-Vorwerk-n und eine solche von 1200 t an Eitrag ron anderen Domänen -Gtundstücken ver- an]1ag .

Ma ic tritt ein MinderübersGuß von 1 6000090 46 dadur hervor, daß der biéher bei Kap. 3 ausgebraŸHte Erlös aus Ablösungen von Domänengefällen und aus dem Verk uf von Don-änen- und Forst- grundstücken hier in Wegfall gebracht ist. Nach dem CGclösthen der Spezial- garantie der Domänen und Forsten für die Ende Dezember 1899 getilgten Schulden dec alten Landestheile kommt der fragliche E:108 nicht mehr zur Tilgung von Staatischulden zur Verwendung, sondern gelangt ebenso wie alle übrigen derartigen Erlöse bei den Fonds des chemaligen Staatäschaßes (Kap. 24, Tit. 4) zur Vereinaahmung.

Die Dotationen und die allgemeine Ftnanzverwaltung weisen im Ordinarium einen Mehrbedarf von 3941 317 M auf.

Bei der Verwaltung der öffentlichen Schuld berechnet {ih der veranshlagte Mehrbedarf auf 4003 366 6, hauptsählih ¿ur Vers zinsung neu begebener Anleihen und zur Tilgung der Staatsschuld infoloe Erhéhung des Schaldkapitals.

Bei der allgemeinen Finanzverwaltung ergiebt ch ein Minder- bedarf von 63 624 A Den bezüglich-n Ansäten in dem Entwurf zum Reichéhaushalts-Etat für 1900 entsprechend, find die Ueterweijungen vom Reiche um 22 706 920 M4, der Martikularbeitrag dagegen nur um 22244671 M böber eingestellt; von Mehreinnahmen fommen ferner in Betracht 200 005 Æ Zinsen von der Preußishen Central- Genossenschaftsfasse infolge der Erhöhung thres Betriebskapitals, 51307 6 Vüctzahlungen 2c. auf Ausgaben zur Föcderung des Baues von Kleinbahnen, und 28561 4 NRückiablunzen 2c. auf Baudarlehne zur Verbesserung der Wohnungsverhä!tnisse von Arbeitern 2c ; yon Piindereinnahmen sind zu erwähnen 283 000 6 bei dem chemaligen i und 64 894 6 an Rückzahlungen 2c. auf Nothstands-

¡lebne.

Bei den eigentlichen Staatsyerwaltungen ist die Ein- nabme um inêégesammt 6 987 €05 4 höher veranschlagt; hervorzuheben ist eine Mehreinnahme von 1 817916 4 an Koften und G:lostrafen bei der Justizverwaltung. Bei der Hanoele- und Gewerbeverwaitung sind an Einnahme aus der Nußung der Bernsteinwerke 545 000 M mehr veranschlagt, denen indessen *Mehrausgaten an Verwaltung8- und Betriebskosten von 200 614 M gegenübecsftehen; andererseits er- scheint bei dieser Verwaltung eine Viindereinnahme von 277 620 M infolge Uebertragung der periodischen DampfkesseluntersuGungen an die Dampskessel-Neberwachungövereine.

Der Autgabebedarf im Ordinarium der eigentlichen Staats- verwaitungeu erböbt sib um 5 166559 M, indem den Mehrausgaben ron inégesanmt 13559 117 A cine Minderauëgabe von 8422558 M im Ctar des Finanz-Ministeciums gegenübersteht, welze im wesent- liden daber rührt, daß, wie {on oben erwähnt, diejenigen Beträge, welde von dcn für das laufende Jahr im Etat des Finanz- Ministeriums zu Diensteinkommcnbverbc sserungen ausçcebrachten 12332 C09 6 auf. die übrigen Verwaltungen entfallen, in dem vor- liegenden Staatst aushalts-Ctat auf die Etats der leßteren über- tragen find.

In dem Etat des Finanz-Ministeriums sind an Mebrausgaben 2000000 M zur weiteren Erhöhung des Zivilpenstonsfonds, 1500000 M an gefeßliden Wittwen- urd Waisengeldern und 180000 A zur Förderung und Befestigung des CLeutschihums in den Provinzen Posen und Westpreußen, sowie im Yegierungöbezirk Oppeln A den róördli@en Kreisen der Provinz Schchlcéwig- Holstein vor- gesehen.

Bei der allgemeinen Bauverwaltung sind an dauernten Mehr- avéçaten veransdlagt 237 825 M, darunter 130 983 6 Gehälter für neue Stellen.

Bei der Handéel#- und Gcwerbeverwaltung beträgt die veranschlagte dauernde Mehrautcabe 1331 246 4; abgesehen yon Véchrausgaben, welde in den dem Biuuttoprinzip entspreend ançgesczten Mehr- cinnahmen Deckung finden, find an Mehrausçaben namentli vor- gesehen die son ecb?:n erwähnten 200614 6 an Verwaltungs- und Betriebe kosten der Bernsteinwerke, ferner 626 445 #, für das gewerb- lie Unterriä;têwescn, denen etne Mehreinnahme bei den Unterrichts- anstalten von 164 183 M gezenüberstebt.

___ Von den dauernden Mehrausgaben der Justizverwaltung von infgesammt 3 632300 M sind zu erwähnen 774 008 6 Geßbälter für nee Stellen für 76 Richter, 24 Staatsanwälte 2c.,, 93 009 4 für Hilfsarbeiter, 248 700 \ zu Kopialien namentli aus Anlaß der Verbesserung der Lage dec Kanzleigzhilfen, 2138 489 Wartegelder der aus Anlaß der Einführong des Bürgerlichen Ge!cßbuh3 aus- geschiedenen rihterithen Beamten, 170 i 00 M zu baaren Auslagen in Zivil- und Strafsachen; von Minderausgaben kommen in Betracht 300000 A aus Anlaß der Neuordnung des Gerichtsvollzieherwesens.

Bei der Verwaltung des Janern siad, abgesehen von ten Viehr- ausgaben, welch2 in den dem Bruttoprinzip ent'pcehend angeseßten Mehreinnahmen Deckung fiaden, an MNehrauszaben namentlih vor- gcichen 276 399 A für die Polizeiverwaltung in Berlin und Um- gebung, 95 591 G für die Polizciverwaltung in den Provinzen und 244143 M für die Landgendarmerte.

Bei der landwirtbh\chaftlihen Verwaltung find in den dauernden Mehrau8gaben von insgesammt 1082277 46 insbesondere enthalten 443577 M für die General-Kotnmifssionen, darunter 80100 M für neue Stellen, 75 337 4 beim Bureau-Hilfsa1b-iterfonds, 38 820 M ¿n Bureaubedürfnissen und 200009 4 zu Diäten und Fukbrkosten ; ferner £0 622 6 tür die landwicthischaftlihzn Lehranstalten, 60 000 M zur Förderung der Viehzucht, 116 811 M zu Landesmeliorationen und 229 000 6 zu allgemeinen Ausgaben, darunter 250 000 M füc land- wirtbshatilidz- polizeiliche Zro:cke ; außerdem find im Extraordinarium ¿ur Verstärkung v{rschiedener, tim Ordinarium auszebrachter Dit positions- fonds ni@t nur die im laufenden Jahre zur Verfüguüurg gestellten Beträge von zusammen 540 090 6 wieder ausgebcacht, soidern 1och weit»re 69 009 1 bereitgestelt. Ferner if der Fonts zur Förderung der Land- und Forstwirthschaft ia den ösllichen Prov!nzen um 40000 46 verstärkt. En-li find zur Regulierung des Howasser- profils ter Weichsel von Gemlitz bis Pieckel und zum Ausbau der bowwassergefähr lichen {lefischen Gebirgéflüsse erste Rat:n von je 3 000000 (G vorgesehen,

199 Bei der Geftütverwaltung is die dauernde KLusgabe um 22420 M erböht, welcher cine Mehreinnabme von 119 174 46 gegenüb:riteht; im Extraordinarium is wiederum ein Zuschuß, und zwar in Höhe von 325 000 6 zu dem ordentlihen Pperdeankaufs- Gonds vorgeseben. lid Von den dauernden Mehrauëgaben bei der Verwaltung der geist- a en, Unterrichts- und Mediziral-Ancelcgenheitca im Gesammtbetrage E 1 848 246 M werden 400 009 6 erfordert infolge des Gescyes, dfFrenend die Fürsorge für die Wittwen und Waisen der Lehrer an adi ntlihen Volksfchulen ; auß rdem sind 150 0039 (A zur Unterstüzung Boecvittwen und Waisen von vor dem 1. April 1900 verstorbenen fe éshullehrecn eingestellt, ährend die bisherigen Auswendungen zus die BVerforgung der Hinterbliebenen von Volksf{ullehrern mit ù zmmen 1830000 A als Minderausgabe erscheinen; für die nversitäten sind mehr angesetzt 536064 46. für die höheren Lchr-

riht8wesen sind ferner hervorzuheben 200 000 A bebufs allgemein Erleichterung der VBolksschullasten, 80 000 46 zu Bibilen a6 Schul veröânde wegen Unvermögens für die laufenden Ausgatea der Shul- unterhaltung, 500 000 M zu Zuschüfssen für die Alterszulagekassen ter S E u E pf 300 009 4 zur Ecrichiung neuer Shalstellen, 4. zu Pension:n für Lehre ¿ inen E A A E F / für Lehrer und Lehrerinnen an ezúg er Ansäße im Ordinarium des Etats i er° wähnen, daß in mehreren Spezial-Etats cine C N eo nahme und der Ausgabe dur die gemäß § 2 Nr. 4 des Staats- baushaltégeseßes vom 11. Mai 1898 ectolzte Etatisierung der Eîn- nabrnen und Au3gaben der niht mit juristisher Persönlichkeit au3- gestatteten sogenannten Staatsnebenfonds herbeigeführt ift.

Bon den einmaligen und außerordertlihen Ausgaben entfallen auf die Betriebsverwaltunzgen 98 234570 M darunter 86 838550 4 auf die Eisenbahnverwaltung, auf die Dotationen 19s (00 M und auf die eigentlihen Staatsverwaltungen 69 978 712 M , ie ih im Ganzen die für 1900 verars{lagten Einnahmen und Ausgaben im Verglei zu denen des Etattjahrs 1899 stellen, ift nah- stehend i Gs Form dargestellt. E

ußerdem 111 ein Ietto-Vorarshlag der Staatéeinnahmen und Le für 1900, unter Vergleihung mir demjenigen e 1899, gt,

SMließlich ist zu bemerken, daß die Summen der bléher in d Etats als „künftig wegfallend“ bezeihneten Beträge L D Gesammt-Etats\oll ohne Bedeutung für die Beurtheilung der in den Etats-Abschlußziffern zum Ausdruck gelangenden Gestaltung der Staa!sfinanzlage ersh:iaen, zumal in den meisten Fällen sih nit überschen läßt, wann die einzelnen Beträge in Wegfall kommen werden, und daß deshalb gleihwi2 im Reichshaush2lts-Etat die Syalte „Darunter künftig wegfallend" sowohl im Haupt-Etat als auch in den Speztal-Etats als entbehrlich beseitigt ist; es werden nur noch in dera Texte der betreffenden Titel der Spezial-Etats die künftig weg fallenden Beträge als solche ersiGtlich gemaht. In der Spalte Be- merkungen zu den Spezial-Etats wird außerdem das Etattjahr, aus welchem diese Beträge? im Einzelnen herrühren, im Interesse der Uebersichtlichkeit angegeben, abgesehen von einzelnen fünftig w2g- fallenden Beträgen der geistlihen und der Unterrichtsverwaltung, bet denen au schon bisher wegen ber damit verbundenen besonderen Schwierigkeiten eine derartige Angabe unterblicben ift, |

In dem Entwurf zum Etat3geletz is bet der Bestimmung über die Swaßuanweisungen 3) von § 4 des Gesezes vom 28. Scy- tember 1866 nur noch Absatz 1 und 2 in Bezug genoinmen; die bis- herige Bezugnahme auf den leßten Abîat (3) wegen dec Berjähr2ng der Zinsen und der Kapitalbeträge der Schatzanweisungen erledigt sich so:tan duch die Bestimmung im § 801 des Bürgerlichen Gescßbuchs.

Wie im Vorjahr ift als § 2 des Gesctzentwurfs eine Bestimmung zur Festseßung des Etats der Verwaltungs-Einnahmen und Ausgaben der Preußischen Zentral-Genossenschaftskasje aufgenommeu, und ift der Entwurf zu diesem Etat dem gedachten Gesezentwurf b-igefügt.

Dee Herrenhauf- zugegangene Entwurf eines Gefe über die Zwangserziehung ger lautet, wie fs

8

Be lgt Zwangserziehung im Sinne dieses Gesezes ift die Erziehung ver- wahrlofter oder der Berwahrlosung ausgeseßter Minderjährigec unter öffentlizer Aufsicht und auf öffentlihck Kosten in einer geeigneten Familie oder in ciner Erztehunzs- G Befsserungs-Anstalt.

L Der Zwangserzichung kann überwiesen werd-n ein Minder- jähriger, welcher das 18. Lebensjahr noch nitt vollendet hat, wenn

1) die Vorausfezungen des § 1686 oder des § 1838 des Bürger- lien Geseßbuches vorliegen und die Zwanzserziehung erforderli ift, um die sittliGe Verwahrlosung des Minderjährigen zu verhüten :

2) wenn der Minderjährige eine strafbare Handlung begangen hat, wegen der er in Anbetracht seiaes jugendlichen Alters \trafrech{tlih nicht verfo!gt werden fann, und die Zwangserziehung mit Nückiicht auf die Beschaffenheit der Handlung, die Perfönlihfeit der Eltern oder fonstigen Erzieher und die übrigen Lebersverhälin:\e zur Ver- e I weiterec sittlicher Verwahrlosung des Minderjährigen erforder- Vit:

__3) wenn die Zwangserziehung außer diesen Fällen wegen Urzu- längli@keit der erzehlihen Einwirkung der Eltern oder sonstigen Er- zi?her oder der Schule zur Verhütung des völligen sittlißen WVer- d?rbens nothwendig ift. g

3,

Die Unterbringung zur Zwangserziehung erfolgt, nahdem das Vormundschaftsgericht durch Beschluß das Vorhandensein bec Voraus- schungen des § 2 unter Bezeichnunz dec für erwiesen erahteten That- sachen festgesteut und die R L U angeordnet bat.

4

Das Vormundschaftsgeriht beschließt von Amtswegen oder auf Antrag. Zur Stellung des Antrags ist der Landrath (in den Hoden- zollernsckchen L1nden der Ober-Amtmann), in Stadtkreisen der Magitrat und der Vorstand der Königlichen Polizeiverwaltung bereh1igt und verpflichtet. :

__ Bor der Beschlußfassung soll da3 Vormundschastsgeriht, (ow-it dies ohne erhebliche Schwicrigkeit gesch:hen kann, die Eltern, den geseßlichen Vertreter des Minderjährigen und in allen Fällen den ‘Hemeindevocstand, den zuständigen GB-istlihen und den Leiter oder Lehrer der Shule, wel? der Minderjävrige be-suht oder zuleßt besucht hat, hören. Auch hat, wtnn die Beschlußfassung niht auf Antrag erfolgt, das Vormundschaftsgecich: zuvor dem Landratb? (Oberamtmann, Magistrate, Polizeivehörde) untcr Mittheilung der Alten Gelegenheit zu einer Aeußerung zu geben. Der Beschluß ist dem geschlichen Vertreter des Minderjährige, diesem selbs wenn er das vierzehnte Lebentjahr vollendet hit, dci Landrath (Oberamtmann, Magistrat, Polizeibehörde) und dem ver- pflichteten Kommunalyerband (§8 14) zuzust-len. Gegen den Beschluß findet die sofortige Beschwerde ftatt, Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung.

S5

Bei Gefahr im Verzuge kann das Vormundscaftsgeriht cine vorläufize Unterbringung des Minderjährigen anorduen. Die Poltzei- bebôrde des Aufenthaliéort-s hat in diesem Falle für die Unter- bringung des Minderjährigen in einer Ansta!t oder in einer geeigneten Familie zu sorgen. Die daraus erwahsenden Kosten fallen, sof.ra die Ueberweisung zur Zwangs8erziehung demnähst endgültig angeordnet wird, dem ver- pflihteten Kommunalverbande 14), andernfalls demjenigen zur Laft, welcher die Kosten der örtliden Polizeiverwaltung zu tragen hat. Die Polizeitehörde hat in allen Fâllea die durH die vorläufige Unter- bringung entstehenden Koften vorzuschießen.

S B. Hat die in § 4 angcordnete Anhörung der Eltern oder des ge- feßlihen Vertreters nit statlfinden können, fo sind diefelb:n be- rechtigt, die Wiederaufnahme des D idlidataiae zu verlangen.

Soweit nicht in diesem Geseße ein Anderes bestimmt ift, finden auf das gerichtlihe Verfabren die aligemeinen Vorschriften über die dur Landesgeseß den ordentlichßen Gerichten übertrazenen Angelegen- heiten der freiwilligen Geriztsbarkeit Anwendung.

8

__ Die gerihtlihen Verhandlungen sind gebühren- und ftempelfrei; die baaren Auslagen fallen der Staatsfkosse zur Last. Vertrôge über die Unterbringung von Sg fiad cbenfalls stempelfret.

Die Ausfübrung der Zwangserziehvng liegt dem verpflichteten Kowmunalverbande ob 14); er entsczcioct darüber, in wclher Weise der Zögling uitergebraßt werden foll. Die Einlieferung der Zöglinge hat durch die M des Aufenthaltsorts zu erfolgen.

Die Unterbringung ter Zögünge darf nit in einem Arbeits-

anstalten 385 794 M; von Mehrautgaben für das Elen entar-Unater-

hause oder Landarmenhau!e crfolgen, in Arstalten. welche für Kranke,

Gebrehlihe, Idiote, Taubstumme und Blinde bestimmt sind, nur insoweit und 1o lange, als der förperlihe oder geistige Zustand des Zöglings dies „exrfordext. __ In Auéführung einer eingeleiteten Zwangserziehung kann die Er- ziehung in der cigenen Familic d:s Zögliags unter Aufsicht des Kommunalverbandes widerrvflih angeordnet werden.

11

Für jeden in einer Familie untergebrachten Zögling ist von dem Kommunalyerband eine geeignete Fürsorge zur Ueberwachung der Er- ziehung und Pflege des Zöglings anzuordnen. Die Fürsorge tarn auch Frauen übertragen werden.

S2

Auf Antrag des verpflihteten Kommunalyerbandes kann, un- beshadet der Vorschriften des Art. 78 § 1 des Ausführungsgefetzes zum Bürgerlichen CGeseßbuh, der Vorstand einer unter staatlicher Aussicht stehenden Erziebungsanstalt von den nah § 1776 des Bürger- lihen Geseßbuds als Bormünder berufenen Personen zum Vormund der auf Grund der §§ 3 ff. in dec Anftalt untergebra@ten Zöglinge bestellt werden.

Das Gleiche gilt für Zöglinge, die unter der Aufsi@ßt des Vor- standes der Anftalt in einer von ihm ausgewählten Familie erzogen werden; liegt die Beaussihtigung der Zözlinge cinem von dem ver- pflizteten Kommunalverbante best-Uten Beamten ob, so kann dieser auf Antrag des Kommunalverbandes statt des Vorstandes der Anftalt zum Vormunde bestellt werden.

Neben dem nah den Vorschriften der Abs. 1, 2 bestellten Vor- munde ift ein Gegenvormund niht zu bestellen. Dem Vormunde stehen die nah § 1852 des Bürgerlichen Geseßbuhs zulässigen Be- freiungen zu.

S 13:

_ Die Aufhebung der Zwangserziehung erfolgt durch Beschluß des Kommunalverbandes von Amtswegen oder auf Antrag der Eltern oder des gescglichen Vertreters des "Mindertährigen, wenn der Zweck der Zwanzserziehung erreicht oder die Ecreihung des Zweck3 ander- weit siYergestellt ist. Die Aufhebung kann unter Vorbehalt des Widerrufs bes{chlofsen werden, i: Gegen den ablehnenden Beschluß des Kommunalyecbandes kann der Antragsteller binnen einer Frist von zwei Wochen vom Tage der Zustcllung ab die Entscheidung des Bormundschaftsgerihts anrufen. Gegen den Beschluß des Vornundschaftsaerihts findet die Beshwerde statt. Die Beschwerde des Kommunalverbandes hat aufschiebende Wirkung. ,

__ Ein abgewiesener Antraz darf vor Ablauf von fechs Monaten nit erneuert werden,

j i 8 14.

Die Provinzialverbände, in der Provinz Hessen-N2ssau die Bezirks- verbände der MNegierungsbezirke Wiesbaden und Caffel, der lauen- vurgisße Landes-Kommunalverband, der Laudes-Kommunalverband der Hozenzollernshen Lande sowie der Stadtkreis Berlin {ind verpflicht-t, die Unterbringung der dur Beschluß des Vormund- shaftégerihts zur Zwangserziehung überwiesenen Mindertährigen in einer den Vorschriften dieses Gesezes entsprechenden Weise zu bewirken. Sie haben für die Frrihtung von Ecziehungs- und Besserungs- Anstalten zu sorgen, soweit es an Gelegenheit fehlt, die Zöglinge in geeigneten Familien, sowie in öfentlihen, kirhlihen oder privaten Unsialten unterzubringen; auh soweit nöthig, tüc ein angemessenes Unterkommen nah Beendigung der Zwangserziehunag zu sorgen.

e Unterbringung v?erpflihtet ift derjenige Kommunalverband, in dessen Gebiet der Oct liegt, als dessen Vormundshaftszeriht das Gericht Beschluß gefaßt hat.

| § 15.

Die Kosten, welche durch Einlieferung in die Familie oder Anstalt und die dabei nôthige reglementsmößize erste Ausitattung des Zôalings und durch die Rückreise des Gatlafsenen erwachsen, fallen dem Orts- armenverbande, in welhem der Zögling seinen Unterstügungswohnsit hat, alle übrigen Kosten des Unterhalts und der Ecziehung sowie der Fürsorge bei der B:endigung der Zwangserziehung den Kommunal- verbänden zur Laft.

__ Letzîcre erhalten dazu aus der Staatskasse einen Zushuß in der Höhe ber Hâlfte dieser Ausgaben, dessen Betrag entweder im Ein- verftändniß mit den einzelnen Koamunalverbänden pertod!sh als Baussumme oder, soweit ein Einverständniß nicht erreihht ist, jährli auf Liquidation der im Vorjahre aufgewendeten Kosten vom Minister d2s Innern festgestellt wird.

8 16.

Die Kommuualverbände sind berechtigt, die Ecstattung der Kosten des Unterbalts tines Zöglings während der Zwangserziehung von diesem felbst und. soweit dies nicht mögli ist, von den zu feinem Unterbalt Verpflichteten zu fordern.

Für die Erstattungsforderung find Tarife zu Grunde zu legen, wel%e von dem Minister des Jnnern nah Anhörung der Kommunal- verbände festgeseßt werden. Die Kesten der allgemeinen Verwaltung der Zwangkéerziehung, des Baues und der Unterhaltung der von den KFommunalverbänden erribteten Anstalten bleiben hierbei außer Ansay. Wird gegen die Grstattungsforderung Widerspru erhoben, îo beschließt darüber auf Antrag des Kommunalverbandes der Kre-isg- auëschuß (Amtsausshuß), in Stadtkreisen der Stadtausshuß. Der Beschluß ist vorbehaltlich des ordentlich:n Rechtsw2ges endgültig. Die Hälfte der von den Etstzttunzspflichtigen eingezogenen Beträge ist auf den Beitraz des Staats anzurecnen. :

: G 17,

Die Kommunalverbände haben für die Ausführung der Zwangs- erzichung und für die Verwaltung der von ibnen errihtet:n Erziehungs- und Besserungs8znftalten Reglements zu erlassen. 5

Diejelben be.ürfen der Benchmigung der Minister des Jnnern und der geistlicen Unterrichts- und Vediziral- Angelegenbeiten in Betreff derjenigen Bestimmungen, wel? ich auf die Aufnahme, die Behandlung, den Unterricht uad die Entlassung der Zöglinge beziehen.

In Betreff der Privatanstalten bebâ't es bei den bestehenden Vor- shriften szin Bewenden.

S 18.

_ Die geseßlihen Bestimmungen üker die religiöse Erziehung der Kinder finden auch auf die in diesim Gesetze geordnete Zwangs- ecziehung Anwendung. :

S 19;

h Monn shulpflihtige Zwangszöglinge der öffentlihen Volksschule ohn2 erheblidze sittli*ze Gefährdung der übrigen die Schule be- sucktenden Kinder nit zugewiesen werden können, so hat der Kommunalverbaid dafür zu forgen, daß diesen Zwangszöglinzen während des {ulr flihtigen Alters der ertorderlihz Shulunterricht anderweitig zu theil wird. Im S:reitfalle entscheidet über die vor- liegende Frage der Ober-Präsident.

8 90. Die zuständig-n ftaatliZen Aufsihtéb-hörden der Kommunal- verbände und in höherer Instanz der Minister des Innern haben die Oberaufsicht über die zur Unterbringung von Zöglingen getroffenen Veranstaltungen zu führen; sie sind bejugt, zu diesem Behufe Re- vifionen vorzunehmen.

S 21 Wer, abgesehen von den Fäll a der §F 120, 235 des Strafgesetz- bud)s, es unternimmt, einen Minderjährigen, gegen den die Zwanae- erziehung eingelcitet ift, dieser zu entziehen, oder ihn zu verleiten, fich dec Zwangserziehung zu entziehen, oder wer ihm hierzu vorsäßli be- hilflih ist, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren und mit Geld- strafe bis zu Eintauscnd Mark oder mit eiuer dieser Strafen besiraft.

S 22. Der Minister des Innern ijt mit der Ausführung dieses Gesee3 beauftragt. i

S Li Dieses Geseß trilt mit dem Kraft. Mit dem gleichen Zeitpunkte wird das Geseß vom 13. März 1878, betre ffend die Unterbringung verwahrloster Kinder, aufgehoben.

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