1900 / 12 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 13 Jan 1900 18:00:01 GMT) scan diff

Personal-Veränderungen.

Königlich Preußische Armee.

Offiziere, Fähnriche 2c., Ernennungen, Beförderungen und R O Im aktiven Heere. Berlin, 9. Januar v. Behr, Lt. im Hus. Regt Königin Wilhelmina der Niederlande (Hannov.) Nr. 15, vom 15. Januar d. I. ab auf drei Monate zur Dienstleistung bei des Herzogs Johann Albrecht zu Mecklenburg Hoheit, Regenten des Gcoßherzogthums Mecklenburg-Schwerin, kom- mandiert. Hahn, Lt. der Res. des Jäger-Bats. Graf Yorck von Wartenburg (Oftpreuß.) Nr. 1, Kreysern, Lt. ‘der Res. des Garde- Schüten-Bats., als Lts. und Feldjäger in das Reitende Feldjäger- Korps versetzt. i

Abschiedsbewilligungen. Im aktiven Heere. Berlin, 9. Januar. Frhr. v. Schlotheim, Gen. Lt. und Kommandeur der 16. Div.,, Frhr. Schilling v Canstatt, Gen. Lt. und Komman- deur der Großherzogl. Heff. (25.) Div., in Genehmigung ihrer Abschiedsgesuhe mit Pension zur Disp. gestellt. Redlich, Oberlt. im Reitenden Feldjiger-Korps, ausgeschieden und zu den Res. Offi- zteren des Hannov. Jäger-Bats. Nr. 10 übergetreten. Wirk, Oberstlt. z. D., zuleßt Vorstand des Art. Depots in Münster, unter Ertheilung der Erlaubniß zum Tragen der Uniform des 4. Magdeburg. Inf Regts. Nr. 67, mit seiner Pension der Abschied bewilligt.

Fn der Gendarmerie. Berlin, 9. Januar. Schroeder, pens. Ober-Wachtm,., bisher in der 10. Gend. Brig , der Charakter als Lt. verliehen. :

Fm Sanitäts-Korps. Berlin, 9. Januar. Dr. Skrodzfki, Assist. Arzt beim Ulan. Regt. Graf zu Dohna (Ostpreuß.) Nr. 8, scheidet mit dem 12. Januar d. I. aus dem Heere aus und wird mit

dem 13. Januar d. J. als Assist. Arzt mit seinem bisherigen Patent

bei der Schußtruppe für Deutsh-Ostafrika angestellt. Marine- Justizbeamte. Durch Allerhöchste Bestallung. 8. Januar. Lellbach, bisher Gericht8s-Assessor, zum Marine-Auditeur ernannt. Demselben sind die Geschäfte des Zweiten Auditeurs bei der Marine-Station der

Nordsee übertragen worden.

Kaiserliche Marine.

Offiziere 2x. Ernennungen, Beförderungen, Ver- seßungen 2c. Berlin, Schloß, 9. Januar. _Tiesmeyer, Rerxroth, Oberlts. zur See von der Marine - Station der Oftsee bezw. von der Marine-Station der Nordsee, zu Kopitänlts.,, Buch- holz, Tietgens, Lts. zur See vom Stabe S. M. kleinen Kreuzers „Blig* bezw. vom Stabe S. M. kleinen Kreuzers „Jrene“, zu Oberltz3. zur See, befördert. Grumme (Friedrich Carl), ehemal. Unterlt. der Königl. \{chwed. Marine, als Lt. zur See mit einem

atent vom 11. April 1899 in der Marine angestellt und der Marine- tation der Ostsee zugetheilt. E

Stellenbesezungen: Frhr. v. Strombeck, Kapitänlt, Dom- browsky, Lt. zur See, von ter Marine-Station der Nordsee, Pochbammer (Hans), Lt. zur See von der 2. Torpedo-Adtheil., Bartels (Eduard), Forstmann, Derger, Lts. zur See von der Marine-Station der Nordsee, zum Stake für Probefahiuten, Grumme, Lt. zur See von der Marine-Station der Ostsee, zum State S. M. Sculschiffs „Mars“, Meißner, Marine-Stabs- Ingen. von der Marine-Station der Ostsee, zur Marine-Station der Nordsee, Krißler, Marine-Ober-Ingen. von der Marine-Station der Nordsee, zur Marine-Station der Ostsee, verseßt.

Im Beurlaubtenstande. Berlin, Schloß, 9. Januar. Kenter, Lt. zur See der Seewehr 1. Aufgebots im Landw. Bezirk 11 Bremen, zum Oberlt. zur See der Seewehr 1 Aufgebots des See - Offizierkorps, Hinze, Lt. zur See der Res. im Landw. Bezirk Hamburg, zum Oberlt. zur See der Res. des See- ODffizier- korps, Boysen, Selmer, Vize-Steuerleute der Res. im Landw. Bezirk Hamburg, zu Lts. zur See der Res. des See-Offizierkorps, Nickel s, Vize-Steuermann der Seewehr 1. Aufgebots im Landw Bezirk Hamburg, zum Lt. zur See der Seewehr 1. Aufgebots des Sec-Offizierkorps, Rottmann, Mayer (Alois), Maiwinenbau- Ingen. Aspiranten der Res. im Landw. Bezirk Weißenfels bezw. Stuttgart, zu Maschinenbau-Ingeniceuren der Res., befördert.

Im Sanitäts-Korys. Berlin, Schloß, 9. Januar. Dr. Hanfen, Marine-Ober-Assist. Arzt vom Stabe S. M. kleinen Kreuzers „Seeadler“, zum Marine-Stabsarzt, Dr. Bobrik, Marine-Unterarzt von der Marine-Station der 3ordsee, zum Matine-Afsist. Arzt, Dr. Vol- hard, Dr. Schroeder, Dr. Weimann, Melgzger, Zink, Dr. Ruppert, Ruschhaupt, Marine-Unterärzte der Res. im Landw. Bezirk Gießen bezw. Posen, IIl Berlin, Rostock, Rastenburg, I München und Bonn, zu Assist. Aerzten der Res, der Marine» Sanitäts-Offiziere, befördert.

Deutscher Reichstag. 126. Sigung vom 12. Januar 1900, 1 Uhr.

Zur Verhandlung stehen zunächst die zur Berathung des Jnvalidenversiherungsgeseßes im Sommer einge- brachten, damals zurügestellten drei Resolutionen. Gemein- sam diskutiert werden:

1) Die Resolution des Abg. Freiherrn von Stumm (Rp.):

„Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, dem Reichstage einen Gesezentwurf vorzulegen, durch welhen im Anschluß an die Invalidenversiherung die Wittwen- und Waisenversicherung für die versicherten Personen eingeführt wird.“

2) Die Resolution der Abgg. Dr. Hitze, Di. Shädler und Genossen (Zentr.):

„Die verbündeten Regierungen zu ersuhen, dem Reichstage tbunlihst bald einen Geseßentwurf vorzulegen, durch welchen im Anschluß an die Invalidenversiherung die Wittwen- und Waisen- versicherung für die in Fabriken beschäftigten Personen unter ent- sprewender Grhöbung der Beiträge (Zusaßmarke) einzeführt und den übrigen Versicherten die Betheiligung im Wege der freiwilligen Versiherung ermöglicht wird.“

Abg. Freiherr von Stumm: Die Frage der Wittwen- und Waisenversicherung der Arbeiter beschäftigt mich seit 30 Jahren und nabezu ebenso lange den Reichstag. Wir haben in der so¡ialen Für- sorge für die Arbeiter so Großes geleistet wie keine andere Nation der Welt. Aber der St(hlußstein, die Krönung des sozialen Neform- gebäudes, fehlt; es ift absurd, daß die Wittwe eines Arbeiters, der durch eigenes Verschulden zu Tode kommt, nicht die geringste Uater- stüßung erbält. Diesen unhaltbaren Zuständen ein Ende zu machen, ist es die höchste Zeit. Wenn man Zwangsversicherungen der Arbeiter überhaupt für nothwendig hält, dann ist die Versiherung der Relikten die zwingende Konsequenz davon und vielleicht noch noth- wendiger als die Versicherung der Arbeiter selb. Wir haben mit diesem entsheidenden Schritt {hon zu lange gewartet. Wenn Sie reinen Antrag annehmen, foll damit der Frage der Höbe der Unterstüßung und der Aufbringung der Beiträge in keiner Weise präjudiziert werden, Die Kostenfrage ist ja hier um so_wih- tiger, als wir in dieser Beziehung einen Sprung ins Dunkle machen müssen. Aber bei der Invaliden- und Altersversiche- rung haben wir einen solchen auch machen müssen, und es ift \{ließ- lih gegangen. Jett giebt uns dieses Gesey wenigftens einigen An- halt, den Bedarf, der sih beraus\tellen wird, annähernd zu übersehen ; alles in allem, dürste es sih höchstens um 5099/6 defsen bandeln, was jeßt an Renten gezahlt wird. Um die Beschaffung der Mittel dafür zu erleihtern, würde es zu empfehlen sein, angesihts des großen Bieles, welches erreicht werden soll, auf die Altersrente zu verzihten oder sie auf den Ausfterbe-Etat zu stellen. ; Abg. Dr. Hige: In dem Ziele sind wir mit Herrn von Stumm ganz einverstanden. Um indessen ten Anfang möglichst zu erleihtern, beshränken wir unser Ersuchen an die verbündeten Regierungen darauf,

erstrecken, und machen bezüglih der Aufbringung der Beiträge einen bestimmten Vorschlag. Wir theilen auch die Anschauung des Herrn von Stumm, daß die Versiherung der Wittwen und Waisen der Arbeiter viel wichtiger, ja viel nothwendiger i als die Altersversiherung. Es is ja seit dem estehen des Jn- validenversiherungsgeseßes zur Genüge erkannt worden, daß die Hauptsache die Versicherung des Arbeiters gegen In- validität is, und Anträge auf Bre der Altersgrenze für die Altersrente unter das siebzigste J2hr sind bei der leßten Berathung von keiner Seite mehr laut geworden. Aber nachdem die Altersrente einmal eingeführt ist, wird es sehr schwer erhalten, sie wieder abzu- schaffen. Auch die Rücksiht auf den hohen Kostenpunkt ift es, welche uns veranlaßt, die Reliktenversiherung vorläufig auf die Fabrikarbeiter zu beschränken. Hier kann der Shritt der Erhöbung der Beis träge hon eher gewagt werden; bei den [andwirth- schaftlichen Arb-tern, bei den Handwerkern aber wäre dies niht ohne w:iteres zu verantworten. Gegen diese unter- shiedlihe Behandlung wird sich also nichts Stichhaltiges ein- wenden lassen. Der industrielle, der \tädtishe Arbeiter befindet ih in dieser Beziehung in einer ganz anderen Lage als der ländliche Arbeiter und der Handwerker. Jst die Wittwen- und Waisen- versicherung für die Fabrikarbeîter erst Geseß geworden und hat sie si in der Proxis eingelebt, so wird die Ausdehnung auf die übrigen Kreise der FInvaliditätsversiherungspflihtigen sih viel leichter ge- ftalten. Die Art der Durchführung der Versicherung durch das Kleben von Zusazmarken wird in den Fabriken auf Schwierigkeiten

nicht \toßen. E des Jnnern, Staats-Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner: Meine Herren! Ich glaube, es wäre ein Ziel, aufs Innigste zu wünschen, wenn jeder Arbeiter, der seine Kraft aufgerieben hat in der täglichen Arbeit des Lebens, auch aus diesem Leben mit dem Bewußts sein sheiden könnte, daß er für seine Wittwe und seine Kinder einen unbedingten Rechtsanspruch auf angemessene Versorgung erworben habe. Ih glaube also, über dieses Ziel, welhes wir Alle ungetheilt billigen, ist nicht zu sprehen. Aber gegenüber den gewaltigen An- forderungen, die jegt an den Staatsorganismus und an die Arbeit- geber gestellt werden auf sozialpolitishem Gebiete, hat jedenfalls die Staatsregierung au die Verpflichtung, sih selb cin klares Arbeits- programm zu tellen, welhes sie ausführen will, und Ansprüche und Wünsche, die augenblicklich nit erfüllbar find, zurückzustellen, selbst auf die Gefahr hin, daß es nach außen hin unpopulär erscheint. (Sehr rihtig!)) Wer an verantwortliher Stelle steht, muß weder arbeiten des Dankes wegen noch im Hinblick auf Beifall oder Miß- fallen, sondern er muß das thun, was er vor der Oeffentlichkeit und vor der Zukunft verantworten kann. Nun, meine Herren, bin ih mir wenigstens über das Arbeitsprogramm, was ih zu verfolgen habe und was meines Erachtens von den verbündeten Regierungen auch gebilligt wird, vollkommen klar. Wir haben die Novelle zum In- validenversiherungs-Geseß, die in ihren finanziellen Folgen recht weittragend is und eine viel größere Be- deutung hat, wie man vielleiht bisher erkannt hat, in der leßten Session abgeschlossen, und es liegen Ihnen bereits die Novellen zu den Unfallversiherungs3- geseßen mit einem neuen Versicherungszweige vor. Auch durch die leßtgenannten Novellen werden die Ansprüche an die Berufsgenossen- \haften zum theil niht unerheblih gesteigert. Ich kann sagen, daß zwischen den Beschlüssen der Kommission und dieser Vorlage eigentlich nur ein entsheidender Differenzpunkt noch besteht, und ih hoffe des- halb dringend, daß die Berathung dieser Unfallversicherung8novellen sich im hohen Hause und in der Kommission verhältnißmäßig shnell vollziehen wird, und daß wir jene Gesege in der laufenden Sißung jedenfalls unter Dach bringen werden. Ich bin endli, wenn wir in dieser Session mit den Unfallversiherungsnovellen zum Abschluß ge- langen, fest entshlofsen, die Zustimmung der verbündeten Regierungen dazu nachzusuchen, in eine gründlihe Reform der Kranken- versicherungsgeseße einzutreten, und zwar vor allen Dingen das Ziel zu erreichen, welhes ih als ein besonders wichtiges bereits in der vorigen Tagung des hohen Hauses und au in der Kommission des- selben bezeichnet habe, die Verlängerung der Kranukenversiche- rung von 13 Wochen auf 26 Wochen, um die für Arbeiter- familien unheilvolle Lücke zwischen Beendigung der Krankenversicherung und dem Beginn der Invalidenrente auszufüllen. Das i} die ver- hängnißvolle Zeit (sehr rihtig!), wo in der That eine Arbeiterfamilie, die vollkommen subsisten¡;los wird, verelenden kann und vielleiht ihr bischen Hausrath verschleudern und die Ersparnisse, die sie an- gesammelt hat, aufzehren muß, um überhaupt leben zu können. Ich bin deshalb der Ansicht, so sehr wünshen3werth auch die Wittwen- und Waisenversichherung ift, daß wir zu- st| für den Arbeiter \e l b st| zu forgen haben, der die Verpflich- tung hat, seine Familie durch seine Arbeit und si seiner Familie zu erhalten. Die Erfüllung des Wunsches, eine Wittwen- und Waisen- versicherung einzurihtea, liegt also niht auf grundsäßlihem Gebiete, es ist vielmehr cine einfah: Frage der finanziellen Leistungs- fähigkeit, und ih würde es für rihtig halten, eine Entshließung über die Frage jedenfalls fo lange zu verschieben, bis wir die Reform der drei großen Versicherungsgeseße beendet haben und so übersehen können, welhe neuen Opfer jene Neform an die Arbeitgeber und an die Arbeiter selbft tellt. Es ift darauf hingewiesen worden, daß immerhin, wenn wir die Wittwen- und Waisenversorgung einführten, die Armenpflege erheblih entlastet würde, und es könnte \chließlich gleihgültig sein, aus welhem Kanal die absolut erforderlihen Summen fließen. Die Erhebungen, ‘die bisher auf diesem Gebiete von den Kommunen angestellt sind, sprechen niht dafür, daß dur die fozialpolitischen Gesehe eine wesent- lihe Entlastung der Armenpflege stattfindet (sehr wahr !), und zwar aus einem Grunde, der naheliegt und der gerechtfertigt ist. Mit der wachsenden Volksbiidung fteigen selbstverständlih auch die Ansprüche an das Existenzminimum und damit die Ansprüche an die Höhe der Armenpflege, und auch durch die Durchführung der sozialpolitishen Gesetzgebung i} in arbeitenden Klassen der Anspruch an dieses Existenzminimum gestiegen (fehr richtig!), und infolge defsen gleih- zeitig der Anspru an den Umfang der Armenpflege, von der ih gern zugestehe, daß sie vielfah vollkommen ungenügend ist. Darin liegt meines Grachtens die eigentlihe Ursahe, daß absolut die Armen- pflegekosten troß der sozialpolitishen Versicherungsgeseße niht wesent- lih herabgegangen sind. Gs ist ferner auch betont worden, daß immerhin eine Grsparniß auch dadurch entstehen könnte, daß man die Nückzahlung der Invaliden- versiherungsbeiträge beseitigte. Diese Summe ift aber gegenüber den Kosten einer Wittwen- und Waisenversicherun 1, selbs wenn man solche in den bescheidensten Grenzen hält, doch eine verschwindend geringe ;

habe ich die Berechnung aufgestellt, wie groß ungefähr die 9,5 sein würden, die aufzubringen wären, wenn wir eine W d Waisenversorgung in den engsten Grenzen einrihteten. Nah legten Berufsstatiftik vom 14. Juni 1895 würden rund 77 männliche Arbeiter unter eine derartige Novelle fallen. Nimmt auch nur eine Wittwenrente von 100 4 das ift ungefähr Hälfte der Invalidenrente ohne Reichszushuß im Beharrungsust, und ferner eine Waisenrente von 335 G an d. h. ej

gleicher Beitrag mit Einshluß von 50 Z Verwaltungskosten 19 46 aufzubringen. Also würde die gesammte Jahresbelaftung fg 7,7 Millionen Arbeiter mal 12,46 4 auf 95,9 Millionen Mark zifffern. Nehmen Sie, meine Herren, also einmal rund, da d Zahlen immerhin nur Annahm:n sind, die nur in weiten Gre, benußt werden können, 100 Millionen an, und rehnen Sie 19 12 Millionen ab, wenn die Rückerstattung der Invalidenbeiträge fo fällt, so kommen Sie auf eine Belastung von etwa 90 Millionen. Meine Herren, ehe ich mich weiter zur Hauptfrage äußere, y ih mich zunächst zu dem Antrag Dr. Hige im Gegensaß zu dem 9 trag des Freiherrn von Stumm wenden. Das kann ih heute id bestimmt namens der verbündeten Regierungen erklären, daß wir auf eine exceptionelle Behandlung der landwirth\chaftlihen Arb auf dem Gebiet der Versicherungs3geseze in dieser Bejzieh unter keinen Umständen einlassen werden (lebhaftes Bravo), y ¡war aus sehr naheliegenden Gründen. Ganz dieselben Grü nämlich, die dafür sprachen, den Anträgen n i ch t ftattzugeben, man die Alters- und Invalidenversicherung für landwirth\{aftl Arbeiter aufheben und nur für die gewerblichen Arbeiter bestehen la sollte, sprehen auch gegen eine vershiedenartige Behandlung q dem Gebiete der Wittwen- und Waisenversorgy ¡wishen den gewerblihen und den landwirthshaftliGen Arbeit Wir sehen zur Zeit eine Grsheinung, die uns vielleiht noch ernst schäftigen wird, den Abfluß der ländlichen Bevölkerung nah Städten. Man kann das wärmste Herz für die Entwickelung der þ dustrie, für ihren überrashend gewaltigen Aufschwung haben, de Augenzeuge wir jetzt sind, und kann doch die ernstesten Bedenken ge die zu Tage tretende steigende Neigung hegen, die Bebauung Scholle aufzugeben und \sich in den ftädtishen Zentren zu konzentrit (sehr wahr! sehr rihtig!), sozialpolitische und politishe Bede der allershwersten Art. Jch glaube deshalb, die verbündeten gierungen würden unter keinen Umständen die Hand dazu bieten, di Vorgang noch irgendwie zu begünstigen. (Bravo!) Wenn es dahin käme, daß man den landwirthschaftlihen Arbeitern sagen kön arbeitet Ihr in der Stadt, in geshüßten Räumen, nicht ausge der Sonne und dem Regen, was ja manchem Menschen im heut modernen Leben als ein großes Glück erscheint (Heiterkeit), dann kommt Ihr auch einmal für Eure Wittwen und Waisen Unterstüßy so dürfte das noch ein Beweggrund mehr sein für den Abzug platten Lande nah der Stadt, der die Verhältnisse enorm verschä würde. (Sehr wahr! sehr richtig!l) Meine Herren, ih bin nationaler Chauvinist, aber daß das kein wünshen8werther Zus ist und ein Zustand, der unter Umständen ernste Gefahren in {ließen kann, daß wir einen Theil unserer Landwirthschaft b anweisen müssen auf den Bezug von Arbeitern von außerh( unserer Grenzen, das ist unzweifelhaft (sehr rihtig!); wir dürfen meines Erachtens in der Zukunft nichts thun, um Gefahr noch zu erhöhen.

Aber außerdem halte ich eine solhe Scheidung zwischen get lihen und landwirthshaftlihen Arbeitern für undurchführbar, Y die landwirths&aftlichen Arbeiter nur beständen aus Arbeitern, nah den alten patriarhalishen Verhältnissen auf Jahresfrist genommen werden und so in festem Brot und Lohn des Dienstl stehen, fo würde meines Erachtens vielleiht ein ausreichendes U sheidung8merkmal bestehen zwishen landwirthschaftlichen und dustriellen Arbeitern, obgleich selb da \{hon, wie wir bei der U versicherung alle Tage sehen, recht s{chwer zu unterscheiden ift, je ! sich die Landwirthschaft mit industriellen Betrieben vereinigt, (6 wahr!) Zum Schaden der Landwirthschaft nimmt aber dieser stän Arbeitsvertrag immer mehr ab, und die Landwirthschaft muß i mehr mit sogenannten freien Arbeitern wirthscaften, die in k anderen Verhältnisse zu ihrem Brotherrn ftehen, wie irgend Fabrikarbeiter zu dem Fabrikherrn; den einen Tag kommen sie Arbeit, den nächsten vielleiht nicht. Schließlich ift aber die 2 wirthschaft auch im fortgeseßt steigenden Maße auf umherziehe Arbeiter in einer ganzen Reihe von Provinzen angewiesen, au sogenannten Saisonarbeiter, und von diesen Arbeitern werden Sie ohne weiteres zugestehen, daß sie ihrem Arbeitgeber gegenüber ebenso wie ein Fabrikarbeiter stehen. Außerdem, meine Herren, würden das für Zustände sein, wenn in einer städtischen Orl|! die umgeben ift in engem Kreise von ländlihen Ortschaften, die beiter in den ländlihen Ortschaften keine Wittwen- und Va versorgung zu erwarten hätten, und die Arbeiter , die vielleicht a nächsten Straßenecke innerhalb der Stadt arbeiten, auf Wittwen Waisenverforgung zu rechnen haben! Und nun bedenken Sie en noch den in unserer Zeit fortgeseßten Wechsel der Arbeiter | zwischen landwirthschaftlihen und gewerblichen Arbeiten. E eine ganze Reihe von solchen Arbeitern, die zeitweise bei der wirthschaft arbeiten und dann, wenn die landwirthschaftlih: Tb feit ruht, in die gewerblihe Arbeit übergehen. Das sind Schwierigkeiten, die es praktisch vollkommen unmöglih mae? Stheidungslinie zu ziehen bei einem solchen sozialpolitischen zwischen gewerblihen und landwirthschaftlihen Arbeitern. Es" aber au in der That dem sozialpolitishen Gedanken der Ges nicht entsprechen, die Lage des Arbeiters überhaupt zu verb und zwar nah gleihen Grundsätzen.

Fch habe mir vorhin nachzuweisen erlaubt , daß durd Wittwen- und Waisenversorgung in dem bescheidenen, von m gesehenen Umfange eine Mehrbelastung von 100 Millionen Ma steht, und ih erlaubte mir au daran zu erinnern, daß wir nos unbedingt übersehen können, welche neuen Lasten dur die verschied Zusäße zu dem Inyalidenversicherungsgesez für Arbeitgeber Arbeitnehmer entstehen werden, daß wir im Begriff sind, ein u versiherungsgesey zu berathen, was zum theil ebenfalls cine Belastung der Arbeitgeber bedeutet, und daß das nächste Zie nur der verbündeten Regierungen, sondern auch des Reichstages sollte, die Krankenversiherung in dem Umfange zu erweitern, * angedeutet habe. Meine Herren, ih frage: is es unter En

die obligatorishe NR-c-liktenversicherung auf die Fabrikarbeiter zu

sie würde ungefähr nur 12 Millionen Mark betragen. Demgegenüber

hältnifsen niht richtiger, zunähft einmal abzuwarten, bis wir d

in Dr - uns gewiß des großen Aufshwungs der deut dustri 0 fac de MC an 1 Dit hen Industrie, ob aber

großen sozialen Geseße reformiert haben, und bis wir die finanziellen Folgen dieser Reformen übersehen können, und dann weiter zu prüfen : wie die Lage der Industrie und der Landwirthschaft ist? Es ist im preußischen Abgeordnetenhause und auh hier in diesem hohen Hause ja wiederholt vom Regierungstisch und aus der Mitte des hohen Hauses betont worden, man folle nicht dauernde Ausgaben auf schwankenden und unsiheren Einnahmen aufbauen. Wir alle erfreuen

diese Verhältnisse dauernde sein werden, das ist doch mindestens sehr ¿weifelhaft, und daß die Landwirthschaft sich immerhin noch in einer sehr s{chwierigen Lage befindet und dur unsere ganze Weltentwickelung weiteren ernsten Gefahren entgegengeht, das ist ebenso unbestreitbar. (Sehr richtig !)

Ich meine also, wenn man auch mit seinem Herzen voll- kommen mit diesem Antrage sympathisiert und ih glaube, es wird kein Mitglied dieses hohen Hauses sein, das dieses Gefühl nit theilt —, so würde es doch politis ritiger sein, sozus fagen erst einmal Kasse zu machen, erst einmal abzuwarten: was kostet die Reform der gesammten drei Versicherung2gesetße, und wie wird dann unsere gesammte wirthshaftlihe Lage sein? Wird sie dann in der That eine derartige sein, daß wir diesen weiteren großen Sritt unternehmen können? Jch würde von Herzen wünschen, daß unsere wirthshaftlihe Lage dann so wäre, daß wir die Wünsche des Herrn Abg. Freiherrn v. Stumm und des Herrn Abg. Hitze in eine geseßliche Form kleiden können. Aber ob ih diese Vorausfihht er- füllen wird, das wird davon abhängen: wie sich in den nächsten Jahren unsere Industrie entwickeln wird und wie die Lage der deuts \hen Landwirtbschaft sch gestalten wird, und beides wird wiederum davon abhängen, welche Stellung Deutschland auf handelspolitishem Gebiete gegenüber seinen handelspolitishen Konkurrenten in Zukunft einnehmen wird.

Es ist einmal in diesem hohen Hause das Wort gefallen: eine Resolution thut ja niht weh, die Regierung kann ja immer noch thun, was sie will. Das is ja formell rihtig. Wenn aber eine große Mehrheit dieses hohen Hauses den Wunsch auf cine geseßliche Aenderung ausfpriht, so suche ih wenigstens ernsthaft zu prüfen, ob ih nicht diesem Wunsche im Staatsinteresse oder ohne Ver- legung der Staatsinteressen \tattgeben kann. Wie gegenwärtig die Sache stebt, kann ih aber zu diesem Antrag eine besonders entgegenkommende Erklärung aus den von mir angegebenen Gründen nit abgeben, und deshalb wünschte ih auch, daß dice Resolution in diesem hohen Hause zur Zeit keine Mehrheit finden möchte; denn wenn das hohe Haus in großer Majorität \sich für diese Resolution auéspriht, so ist es selbstverständlih, daß man in der Bevölkerung die Erwartung hegt, es werde dem bald stattgegeben werden, und man wird, wenn \ich diese Hoffnung nit erfüllt, das Gefühl haben, daß die Regierung engherzig und sozialpolitisch unrihtig bandelt ; das ganze Odium in der Weiterentwickelung der Sahe würde also un- zweifelhaft auf die verbündeten Regierungen fallen, und dagegen muß ih mich selbstverständlih namens der verbündeten Regierungen wehren, so gut ich kann.

Ih kann zum Schluß die Erklärung abgeben, daß, wenn wir seiner Zeit die großen sozialpolitisGen Reformen, die ih angedeutet habe, abgeshlossen haben werden, wenn dite finanziellen Verbältniffe, die Steuerkraft, die wirth\s{haftlihe Entwikelung des Landes es er- lauben, diesen in so hohem Grade nüßlihen und wünschenswerthen Schritt zu thun, wir gewiß niht ¡ögern werden, Jhnen eine ent- sprehende Geseße8vorlage zu unterbreiten. Zur Zeit aber, meine Herren, möhte ih diese Anträge für ein plus petitio temporis halten. (Bravo! rets.)

Abg. Freiherr von Richthofen-Damsdorf (d. konf.) : Die Ein- rihtung der Wittwen- und Waisenversicherung ige die better ist ein Problem, das unter allen Umständen in Zukunft ausgeführt werden muß und im Programm ieder der Sozialreform freundlichen Partei eine Stätte zu finden hat. Ob diese Ausführung aber {on zur Zeit oder in nächster Zeit mögli ist, ist eine andere Frage, und die genaue Erwägung derselben führt uns zu dem Er- ebniß, daß wir im jeßigen Zeitpunkte den Anträgen niht zu- immen können. In erster Linie kommt dabei für uns die Lage der ländlichen Arbeiter in Betracht; aber wir bezweifeln auch, daß die Judustrie und die städtishen Gewerbe {hon heute in der Lage find, den Aufwand zu tragen, welchen diese Erweiterung der s\ozial- politishen Leistung erfordert. Die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Induftrie wird nicht gefördert, sondern geshädigt, wenn ihr neue Lasten in sol@em Umfange aufgelegt werden. Die Versicherung nur für einen Theil der Arbeiter einzuführen, is technisch unausführbar und wäre politis ein großer Mißgriff; es würden dadurch Arbeiter erster und zweiter Klasse geshaffen, die Arbeitershaft in zwei Theile zerrissen werden.

Abg. Hofmann- Dillenburg (nl.): Auch wir stehen auf dem Standpunkte, daß, wenn man vor die Wahl zwischen den beiden An- trägen gestellt ist, dem Antrage des Abg. Freiherrn von Stumm unbedingt der Vorzug gegeben werden muß. ie Kommission für das neue Invalidengeseß war in ihrer großen Mehrheit ebenfalls davon durchdrungen, daß diese Erweiterung der Versicherung einmal in Angriff genommen werden muß, und es sind in dem Geseße Einrichtungen getroffen, welhe bei Einführung der- selben als ee nußbar gemacht werden können. Den Gegengründen, welhe der deutshkonservative Redner und der Staatssekretär vorgebraht haben, können wir nit folgen. Durch die Annahme der Resolution wird ja die Regierung nit gebunden, sofort an die Ausführung zu gehen; es werden also au die Befürchtungen nit eintreten, welche der Staatssekretär an die Wirkung eines solchen Beschlusses auf die Oeffentlichkeit geknüpft bat. Gewiß ist die ÎIn- validenversiherung noch niht abges{lossen; sie muß sich nah meiner Ansihht noch dahin entwideln, daß nicht in derselben Klasse bloß eine Einheitsrente, sondern eine für Unverheirathete und für Verheirathete mit Familie abgeftufte Rente gezahlt wird. Aber die Reliktenver- sicherung muß trotzdem so rash wie mögli eingeführt werden.

_ Abg. Molkenbuhr (Soi.) führt aus, seine Partei könne sich für den Antrag des Abg. Freiherrn von Stumm erklären. E Antrag sei zwar, wie alle diese sozialen Geseze, im weseutlihen nichts Anderes als eine Reform der Armenpflege; aber die Armenpflege sei so \{lecht, daß jede Reform derselben sich auch als eine Verbesserung darstelle, Sei die Versicherung erst |o weit durchgeführt, daß die Armenpflege überflüssig werde, dann werde die Allgemeinheit, - h, insbesondere die Kapitalisten, die Banquiers u. |. w., entlastet, die Jadustrie allein habe dann die ganze Last zu tragen. Dennoch wäre immerhin gegen jeßt ein Fortschritt gemacht, wenn die Wittwen- und Waisenversicherung der Arbeiter überhaupt zur Einführung gelangte. Nun meinten die Sozialdemokraten keineswegs, daß die verschiedenen produktiven Stände, des Reichs nicht in der Lage wären, die Kosten aufzubringen. Nah außen hin brüsteten sih ja die Industriellen mit den großen Summen, welche sie für die sozialpolitischen Maßnahmen - aufbrähten, aber diese

ummen schienen nur so groß; pro Kopf und Arbeitstag des Arbeiters entfalle thatsählich in der Industrie nur ein Betrag von 6, in der Landwirthschaft gar nur von 2 Pfennigen. Diese Last

brauchbar fei der Zentrumsantrag. Wie solle es durchgeführt werden daß nur die in den Fabriken beschäftigten Arbeiter versihert werden ? Vever den Begriff der Fabrik herrshe noch immer keine volle Klar- heit ; andererseits seien Tausende von Arbeitern abwechselnd und zeit- weise Fabrikarbeiter, landwirthschaftlihe Arbeiter und selbständig. Da würden die Arbeiter bald der größten Willkür bei der Entschädigung durch die Verwaltungsbehörden preisgegeben sein. Werde erst ein solcher Unterschied gemacht, fo würde der Nachtheil eintreten, daß riele Arbeiter, die heute noh nit in Fabrifen thätig seien, sh in die- selben drängten, und damit würde dem Handwerk, welches das Zentrum so fehr zu schüßen beflissen sei, ein empfindliher S(hlag verseßt werden. Redner erklärt zum Sluß, er sei zuerst dem Antraa Hie nit abgeneigt gewe‘en, weil er ihn wenigstens niht für \chädlich gehalten habe; nah der Begründung desselben durch den Antrag- steller sei er aber zu einem \chrofffen Gegner tesselben geworden.

_ Abg. Noesicke- Dessau (b. k. F.): Auch ih kann mi diesmal nit mit Herrn Hitze einverstanden erklären. So sehr ih mich sonst im Gegensage zum Freiherrn von Stumm befinde, in diesem Falle kann ich ibm die Anerkennung nicht versagen, daß er mit seinem An- trage tas Richtige getroffen hat, wenn ich auch nicht so weit gehe, die Versicherung der Wittwen und Waisen für nothwendiger zu halten als die Versiwerung der Arbeiter selbst. Wenn au in den Städten eine Anzahl Arbeiter ganz gut bezahlt ift und sih einen Sparpfennig zurücklegen kann, so giebt es do Millionen bon Arbeitern, die so jämmerlihe Löhne beziehen, Löhne z. B. in Sthlesien von 1,50 bis 2 , daß sie unmögli noŸ§ etwas davon zurücklegen können, um das Swijal ihrer Angehörigen sicherzustellen. Die Arbeiter, die oft kaum genug ¿zum Leben haben, etwa auf die private Lebensversicherung zu ver- weisen, ist geradezu unmenshlih. Die Stadt Berlia thut viel für die Armen, das kann nit bestritten werden; wenn Sie aber das Elend ansehen, welches selbst in Berlin unter den Wittwen und Waisen verstorbener Arbeiter herrsht, werden Sie über die unbedingte Noth- wendigkeit der Durcführung einer solhen gesetgeberischen ‘Maß- regel nit mehr im Zweifel sein. Wird aber einmal diese Versiche- rung eingeführt, so muß sie für alle Arbeiter eingeführt werden, nit nur ans prinzipiellen, sondern ganz besonders aus praktishen Gründen. Der Unterschied zwi]Gen Fabrik- und anderen Arbeiterin if absolut unhaltbar, wie uns ja foeben treffend von dem Vorredner nachgewiesen worden ift. Die Einwände des Staatssekretärs kann ih als durch- schlagend niht anerkennen. Auch die Rücksicht auf die von ihm er- wähnte Reform des Krankenversiherungsgescßes und die daraus er- wachsenden Kosten follte uns nicht abhalten, mit Energie an die Ae dieser für Millionen von Arbeitern brennenden Fragen zu

Abg. Richter (fr. Volksp.): Meine parlamentarische Erfahrun spricht entschieden dagegen, in so wichtigen Fragen Alaemeine Res luticnen zu fassen, aus denen na&her allzu leiht Konsequenzen gezogen werden könen, an die die Mehrheit niht gedaŸt hat, und die ihr binterher sehr unangenehm werden können; ich erinnere nur an die Deckungsfrage. Es würde si empfehlen, diese Anträge an eine Kom- mission zu überweisen; dort mag die Erörterung über diese ‘Mate:ie vertieft werden.

‘Abg. Stößel (Zentr.): wendet ih gegen die Argumente, die gegen den Z- ntrumsantrag ins Feld gefübrt sind. Er bemeikt dem Avg. Molkenbuhr, daß die Unfallversicherung gerade so ins Leben ge- treten fei, wie jeßt die Reliktenversorgung nah dem Wunsche des Zentrums ins Leben treten solle, man wäre siher nicht mit dieser so voran gekommen, wenn man niht mit ihr an einem Ende angefangen hätte. Zweierlei Arbeiter gebe es hon heute, die würden durch den Zentrumsantrag nit erst ge- schaffen. Eine große Arzahl industrieller Werke habe ja hon beute die Wittwen- und Waisenversorgung ihrer Arbeiter eingeführt; in den Orten, roo si diese Etablissements befänden, seien also Arbeiter erster uxd zweiter Klasse hon heute vorhanden. Die landwirtbschaftlichen Kreise und das Handwerk könnten heute diese Last niht auf sich nehmen; andererseits wären die von dem Abg. Molkenbuhr an- geführten technisden Beteaken gegen die Ausführbarkeit durchaus nicht unüberwindlich.

Nachdem nochmals die Abgg. Freiherr von Stumm und Deer von Richthofen das Wort ergriffen und der Abz. r. Hahn (b. k. F.) für Kommissionsberathung \sich aus- gesprohen hat, wird der Antrag auf Kommissionsberathung abgelehnt und die Resolution des Abg. Fréiherrn von Stumm mit großer Mehrheit angenommen. Dafür ftimmen ein großer Theil des Zentrums, der Reichspartei, die Nationalliberalen und Sozialdemokraten, sowie ein Theil der freisinnigen Parteien und der Deutschkonservativen. Sie wird ‘u e Waeer d angenommen.

Sluß gegen 41/2 Uhr. Nächste Sizung Sonnabend

1 Uhr. (Etat des Reichsamts E Are s

Statistik und Volkswirthschaft.

Die Betriebsergebnisse der vereinigten preußisHen un hesfishen Staatseisenbahnen im Jahre it T8 : I.

Nach dem beiden Häusern des Landtages zugegangenen amtlichen Berichte betrug die Bahnlänge der Voveiniaten D ELU t I@en en hessischen vollspurigen, dem öffentlihen Verkehre dienenden Staats- eisenbahnen am 1. April 1899 29 783,26 km (gegen 29 172,61 km am 1. April 1898), und, zwar hatte der preußishe Staats- eisenbahnbesig (ohne die shmalspurigen (177,014 km] und die nicht für öffentlihen Verkehr bestimmten vollspurigen Strecken (222,99 km], ferrer obne den preußishen Än- theil 18,02 km] an der Main-Neckarbabn und die Wilßelms- haven-Oldenburger Eisenbahn (52,38 km]) eine Bahnlänge von 28 8395,02 km, der hessishe eine folhe von 948,24 km. Von dem Gesammtnesß der preußish-hessishen Betriebs zemeinschaft sind Haupt- eisenbahnen 19985,12 km (darunter bessisher Besitz 718,42 km) oder 67,10 %/, Nebeneisenbahnen 9798,14 km (hessisher Besitz 229,82 km) oder 32,90%. eingleisig 17858,14 km (hessischer Besiß 680,64 km), zweigleisig 11 802,88 km (bessisher 267,60 km), dreigleisig 33,03 km und viergleisig 8421 km.

Von der Bahnlänge der vereinigten preußishen und hessischen vollspurigen Staatseisenbahnen und des übrigen preußishen Staats- besißzes entfallen auf di: einzelnen Provinzen: Schlesien 3684 km (im Verglei mit dem Vorjahre + 67,20 km) Vollfpur- bahnen und 129 (+ 8,67) km Shmalspurbahnen, Rheinprovinz 3909 (—+ 21,44) km Vollspurbahnen, Brandenburg mit Berlin 2940 (+ 188,79) km, Sachsen 250 km (wie im Vor- jabre), Hannover 23014 (+ Dee km, Westfalen 2173 (+ 39,09) km, Posen 1968 km (wie im Vorjahre), Ostpreußen 1697 (+ 128,78) km, Hessen-Nassau 1652 (+ 2,74) km, Pommern 148 (+ 16,98) km, Westpreußen 1365 (+ 15,97) km, Schleswig-Holstein 1100 (+ 5,17) km Voll- spurbabnen, auf das ganze Königreih Preußen 26418 (+ 556,07) km Voll- und 129 (+ 8,67) km Schmalspurbabnen, zusammen 26547 km, auf außerpreußishe Staaten 3426 N km Voll- und 48 km Schmalspurbahnen, zusammen m. Außerdem béfinden sich in Preußen 2551 (+ 205,5) km vollspurige Privateisenbahnstrecken und Strecken f an Staatseisenbahnen, sowie 335 E 63,24) km der preußischen Staats- auffiht unterstehende \{chmalspurige Privateisenbahnen, so- daß insgesammt am Ende des Berichtsjahres in Preufien 18 330 km

|spurbahnen, an Gisenbahnen überhaupt nicht [N rehnet die Kleinbahnen) 29 433 km s V Caubes N

könne von den Betheiligten spielend getragen werden. Gänzlih un-

Von den vollspurigen Privateisenbahnstrecken und Stree fremder Staatseisenbahnen entfallen auf die einzelnen Proviazen:

Hauyt-, 10639 km Nebeneisenbahnen und 464 km Scthmal« |

Brandenburg 476 (+ 121,03) km, Ofsipreußen 322 (+ 0 S(hleëwig-Holstein 259 (— 8,60) km, Hannover 252 esd E Pommern 247 (+ 24,53) km, Westfalen 200 (+ 383,03) km, Slesien 197 (+ 8,21) km, Sachsen 151 (+ 0) km, Rheinprovinz 136 (— 7,15) km, Westpreußen 117 (+ 0) km. Hohenzollern 1 Sg fs km, Posen 82 (+ 15,25) km, Heffen - Nassau 22 2s bis zum 1. April 1899 für die Staatseisenbahnen L GSNANITS beträgt n Bereiche der S eIE aemeinschaft: für lie preußishen Vollspurbahnen 7404,7 Millionen Mark (157,6 Mill. Mark mehr A 1. April 1898) oder für 1 km 256 794 (+ 266) Æ, für die bessishen 241,6 (+ 6,2) Mill. Mark oder für 1 km 254810 (+ 1171) , für die 1895 in den Besiß des preußishen Staats übergegangenen thüringi- schen Schmalspurbahnen 898 706 (+ 37 654) M oder für 1 km 17 890 (+785) 4, für die obershlesischen 11,2 (+ 0,3) Mill. Mark oder für 1 km 86640 (— 3466) 4, für die Anschlußbahnen ohne vffentlichen Verkehr 12 (+1) Mill. Mark oder für 1 km 953 957 (+3518) e, insgesammt 7670,3 (+ 165,1) Mill. Mark oder für 1 km 254129 (+224) A, außerhalb der Betriebsgemetnschaft für dea preußischen Antheil an der vollspurigen Main-Neckarbahn 5,7 Mill. Mark oder für 1 km 705461 M und für die preußishe vollspurige Wilhelmshaven-Olden- burger Eisenbabn 7,4 (+ 0,1) Mill. Mark oder für 1 km 140 455 (+1847) A Im Ganzen stellte sich das Anlagekapital der preußishen Staatseisenbahnen am 1. April 1899 auf 7441,7 (+ 159) Mill. Mark oder für 1 km auf 254 027 (4- 197) Der Betrag dieses Anlagekapitals ergiebt fih aus den eigentlichen Baukosten, den sonstigen Aufwendungen aus Baufonds, den Ab- seßungen und den Zu- oder Abseßungen des Unterschiedes zwischen Grwerbspreis und Bauaufwendungen beim Eigentbumswewsel ; insbe- fondere sind im Anlagekapital nit enthalten der Werth unentgeltlich überlassener Liegenschaften, der Betrag von Subventionen und die Bauaufwendungen, welche aus Betriebsfonds gemaht sind.

Der Betriebsmittelpark der Voll- und thüringi- shen Schmalfy urbahnen, welher den gesteigerten Verkehrs bedürfnifsen und der Erweiterung des Eisenbahnneßes entsprehead im Berichtsjahre wiederum eine nit unbeträhtlihe Vermehrung erfahren hat, bestand am Schluß desfelben aus 12 070 Lokomotiven (Be- \chaffungskosten 902,9 Mill Mark), 21 887 Personenwagen (217 Mill. Mark), 5713 Gepäckwagen (39,2 Mill. Mark) und 267 397 Güter- wagen (741 Mill. Mark). Die Beschaffungskosten der \ämmtli@en am Ende des Berihtsjahres vorhandenen Be- triebsmittel (mit Ausnabme derjenigen, deren Kostennach- weis noch ausfteht) beziffern sich auf 1500,1 Mill. Mark und betragen 19,62 9 des Anlagekapitals (7647,1 Mill. Mark), das auf die voll- spurigen und die in Thüringen gelegenen shmalspurigen Staatseisen- bahnen für den öffentlihen Verkehr verwendet ist. Für die im Berichtsjahre neu beschafften oder umgebauten Betriebsmittel sind zu- fammen 114,5 Mill. Mark verausgabt, während die Beschaffungskosten der in derselben Zeit ausgeschiedenen Betriebsmittel 38,7 Mill. Mark betragen haben.

An Stationen waren am 1. April 1899 auf den Vollspur- bahnen der preußis-hessishen Betriebsgemeinshaft 2393 (im Bare jahre 2382) Bahnhöfe, darunter 85 bessishe, 1847 (1719) darunter 110 hefsische Haltestellen mit mindestens einer Weiche für den öffentlihen Verkehr und 1004 (978) darunter 35 hessishe Haltepunkte ohne folhe Weichen, im Ganzen demna 5244 (5079), darunter 230 heffishe, vorhanden, während si auf den oberschlesischen und den tbüringi|chen Shmalspurbahnen 40 (39) Stationen befanden. __ Lie Unterhaltung der Betriebsmittel und der mehanishen Vors rihtungen der Bahnanlagen erfolgt in eigenen Werkstätten der Verwaltung. An folchen bestanden im Bereiche der Betriebsgemein- schaft, wie im Vorjahre, 59 (darunter 2 hessishe) Haupt-, 18 (1 besfishe) Neben- und 241 (5 hessishe) Betriebswerkstätten (in den leßteren werden nur die kleineren laufenden Ausbesserungen an Lokomotiven und Wazen ausgeführt), im Ganzen also 318 (darunter 8 hessishe). Außerdem waren auf 70 Stationen besondere Stations- \{lossereien für geringlangeer Ausbesserungen vorhanden. 59 Werk- ftätten (2 mehr als im Vorjahr) beschäftigten mehr als 300 Arbeiter, 31 (— 7) mehr als 50 bis 300, 228 (+ 5) 50 ooer weniger Arbeiter.

In vielen Werkstätten der Staatseisenbahnverwaltung findet bekanntlih auch eine planmäßige Ausbildung von Lehrlingen in den hauptsächlichsten Handwerken statt, die in den Eisenbahnwerk- stätten erforderli find. Die 69 (im Vorjahre 68) mit der Aus- biidung von Lehrlingen betrauten Werkstätten zählten am Ende

des Jahres mithin 1898/99 mehr (+) oder weniger (—) Anzahl der Lehrlinge 620 + 26 —+ 145 129 + 62 + 104.

1898/39 1897/98

646 617 472 479 608

514 2214

im

1. Lebrjahre

2. s ¿ 9.

4. . 576 2318 Die Gesammtzabl der Lehrlinge ist in Anpassung an die Zahl der be-

im Ganzen

schäftigt gewesenen Handwerker um 104 vermehrt worden. Im Ganzen wurden im Berichtzjahr?e 654 Lehrlinge neu eingestellt (gegen 617 im Vorjahre). In den an einzelnen Orten für die Ausbildung der Lehrlinge besonders eingerichteten sogenannten Lehrling8werkstätten wurden im Berichtsjahre 1146 Lehrlinge beschäftigt (gegen 1038 im Vorjahre). Bei Zurückfübrung der durhschnittlihen Be- schäftigungsdauer auf volle Tagewerke betrug die Anzahl der Lehrlinge 2303 im Berichtéjahre (gegen 2192 im Jahre 1897/98). Neben der handwerksmäßigen Ausbildung, die sie in den Werkstätten erhielten, wurden die Lehrlinge zum Besuche der am Orte bestehenden Fortbildungsshulen oder der verwaltungsseitig ein- gerihteten Unterrichtsftunden angebalten. Belohnungen wurden zu- erkannt: 80 Lehrlingen für besonders gute Provestücke nah völlig tadelfreier Gesammtl-hrzeit und 4 eeR für gute Probearbeiten nah zweijähriger Lehrzeit. Die elohnungen bestanden in wissenschaftlichen Büchern, Reißzeugen oder Taschenuhren und verursahten „eine ve:waltungsseitige Ausgabe von rund 780 M Fr dea erfolgreihen Besuch der Handwerker- fortbildungsshulen wurden 53 Lehrlinge durch Druckwerke, Preise, Diplome und belobigende Anerkenrungen scitens der Schulen aus- gezeichnet. Ausstellungen von Lehrlingsarbeiten sind von der Gisen- bahnverwaltung nicht verar staltet worden; dagegen betheiligtan sich 22 Lehrlinge der Hauptwerkftatt Gotha an der vom 9. Juli bis 7. August 1898 von dem Gewerbeverein veranftal.eten Landesgewerbe4 Ausstellung in Gotha und 6 Lehrlinge der Hc uptwerkstatt Königs4 berg i. Pr. an der im März 1899 vom gewerblichen Zentral- vereine der Provinz Oftpreußen in Königsberg veranjtalteten Ausstellung von Lehtlingsarbeiten mit gutem f érfolge. Bei der Aus- stellung in Gotha wurde der Hauptwerkstatt otha für hervorragende Leistungen ihrer Lehrlinge die bronzene Staa! smedaille zuerkannt, und in Königsberg wurden die sämmtlichen 6 Left rlinge unter Anerkeanung ihrer Leistungen als „vorzüglich gut* dure Diplome ausgezeichnet, sowie dem Lehrmeister in Anerkennung seiner erfolgreichen Be- dgen um Ausbildung tüchtiger Lehr]' nge eine silberne Medaille verliehen.

Zur Arbeiterb‘ewegung.

Aus Mährisch-ODstrau melde. „W. T. B.“, daz troy des Beschlusses der Delegirten der Be'-garbeiter, die Buneständnifse der Arbeitgeber anzunehmen, die ge} cige Frühschicht auf dera Tiefbau- hat, welher die Witkowiße': Eisenwecke mit Kohlen versorgt, in den Aut stand getreten ist. (We cgl. Nr. 19 d. Bl.)

Dasselbe Buceau berichtet aus Prag, daß sh im Schlaner ad Kla dnoer Kohlenge"ziet unter den Bergarbeitern eine

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Nr, 199/1899 d, Bl) 4 cnf-ag merkbar mccht. ( g