1900 / 16 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 18 Jan 1900 18:00:01 GMT) scan diff

Zweite Beilage | zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger. 1

Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 900.

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1900 Januar

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Stargard i. Pomm. «+0

Schivelbein . Ee

Stolp 13,40 11,00

osen . 11,50

isa . A Rawitsch 12,00 13,00

Militsch. . . « « rankenstein . 12,20 üben . . , 2 12,95 Schönau a. K. 12,10 + Halberstadt . 13,80 ilenburg 14,50 Marne 13,30 Goslar . 13.50 Lüneburg . - - 12,75 Limburg a. L. . « Dinkelsbühl . 16,00 Biberach . . . 14 40 13,00 11,50

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12,40

13,40

Altenburg . - - Landsberg a. W. . Breslau Ÿ. « «

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09 C

17. Insterburg . - Elbing - - 11,60 12,20

13,75

Angermünde

Beeskow . . Luckenwalde . De

euruppin . . «. - Frankfurt a. O. . Stettin . . Greifenhagen ; Stargard i. Pomm. . Schivelbein. . - - Köëelin . . Rummelsburg i. S aae Lauenburg i, Pomm. Dosen E Saa M s

s a , | Rawitsch.

12,80 12/60

10,80 11.00

11,20 11.00

11,00 11:60 1160

10,95 10,00 13,60 13,50 12,70 12 50 12,25 12,03

12,80 12,80 13 30 13,20 12,20

11,20 |

omm.

Militsch . . Frankenstein. Lüben. . . - Schönau a. K. Halberstadt . Eilenburg

Marne . Goslar . Lüneburg Men imburg a. L. Dinkelsbühl. Biberach . . Ueberlingen . Brauns; weig Altenburg . - - 18. Landéberg a. W. . Í S S

k . Oie verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Berkauféwerth auf volle Mark abgerundet mitg Eta liegender S v en für D e hat die Seebeiciiia, daß der betreffende Preis nicht vorgekommen ifi, ein

Gin liegender Stri (—) in den S

Großhandels - Durchschuittspreise vou Getreide für den Monat Dezember 1899 nebst entsprechenden Angaben für den Vormonat. Zusammengestellt im Kaiseclichea Statistishen Amt. 1006 kg in Mark. {Preise für prompte [Loco-] Waare, soweit niht etwas Anderes bemerkt.)

Monat Is Dezbr. |* Nor, 1809 | „Dor

monat 132,41| 137,83 139,35| 138,68 112,81

115,86 129,90 129,23 136,20

Königsberg.

Roggen, guter, gesunder, 714 g per 1 Wei , guter, bunter, 749 bis 754 g per 1

Hafer, guter, gesunder, 447 g per 1 erste, Brenn-, 647 bis 652 g per 1

Ar Mittel E 138,40 en, elqua 38,

Weizen, 7 E 138,40 j 5

, 119,90 €, 127,50

v 131,30 äl asse Tan arischer, mittel 159,70| 158,02

en, pfälzer, russisher, bulgar , mitte ; 58, Mguen, Ltr russischer, amerik., rumän., mittel 172,70| 174,80 fer, badischer, württembergisher, mittel . . . .| 143,70] 145,00 e, badische, pfälzer, mittel 166,60| 168,00

Mün ch 157,00

en.

en, bayerischer, gut mittel 159,00 B48 P S 168,00| 171,00 147,00

Weizen, ÿ Ls 147,00 179 50

er, o e e, ungarische, mähris{e, mittel 180,50 git bayerische, gut mittel 179,00| 180,00 Wien. 117,62

Roggen, irt Don «a 0s 118,00

Weizen, Cheiß- .,. „o. 149,73| 151,41

Bui ungarischer, prima .„ . « 94,64| 95,16

e, slovatisdhe 146,35| 147,18 103,72

Pp Noggen, Mittelgualität 105,69 Weizen, ä B 135,51

Hafer, o 88,596 erfte, Malz- ¿ 107,74| 122,86

y 1620

erfte. 14,00

13 09

12.50 13,00

13,40 | Vi

11,50 11,70 12,60 12,89 13,50 13,00 14,00 12,20 14,80 13,20 13,95 12,60 13,20 14 50 15 20 14,50 15,50 13,30 13 50 15,10

14,00 13 00 14,00 14,23 16,80 15,60 14,80 14,00 13,50

afer. 11,60

12,60 13,00 14,60 14,40

13,40 12,80 11,80 11,80 11,60 11,40

19,00 12.00

11,90 11,50 12,20 12,00 11,95 11,00 1410 14 50 12,90 14 69 13,49 13,80 13 30 13,80 13,60 14,30 14,00 14,00 13,00 11,90

14,80 13,00

12,00

11,60 1220

13,75

12,40 12,20

14,00 13,00 13,20

12,40 12,20

14,00 13,00 12 80 13,20 12,60 fes

11,60 11.20

11,00 11,60 11,20 12,00 11,40 11,590 11,90 11,60 11,70 10,80 14,10 14,60 12,80 14,50 13,40 13,60

13,70 13,40 13,93 13,60 13,00

11,60

11,60 11/20

10,40 11,60 11,20 12,50 11,30 11,25 11,90 11,69 11,45 10,60 13,80 14,(0 12,80 13,60 12,50 13,00

13,20 13,20 13,93 13,60 13,00

11409 |

10,80 11:00

11,20 11.00

11,20 11/25 11/60

11,20 10,30 13,80 13,50 12,70 13,50 12,50 12,40

13,00 13,00 13,30 13,20 12,20

11,30

St. Petersburg. R oggen Weizen, Saxonka

Roggen, 71 bis 72 kg ver bl . . Weizen, Ulka, 75 bis 76 kg per hl

Riga. Noggen, 71 bi3 72 kg per ll „, Weizen, bis 76 kg per h!

Paris, Noggen Weizen Hafer Gerste (Halle au ÞblIó)

Nntweryen. Donau, mittel

Red Winter Nr. 2

Kan‘as

Walla Walla

Lz Plata, mittel .

Bombay, Club white Amsterdam.

Asow- Roggen A Vie dp . de ags e... - . f Weizen | amerikanisher Winter- . London. a. Produktenbörse. F b

Weizen oth

. Gazette averages. Hafer englishes Getreide, Gerste Liverpool. G Oregon ¿ Californier . Western Winter

Weizen

| | |

lieferbare Waare des laufenden Monats |

Azima, 74 bis 76 kg per kl .

engl. weiß (Mark Lane). . Californier an der Küste (Baltic)

Mittelpreis aus 196 Marktorten

14,00 13,00

12,80 13/00

12,80 14,00 14,00 14,80 14,20 13,40 16,00 15,509 13,90 17,00 15,00 14,31 17,00 16,00 14,80 14,00 14,50

11,60 12,60

.13,(0

14 6) 14,40

13,40 12,80 12,90 12,00 11,60 11,40

12,00 12,00

11,70 12,00 12,20 12,00 12,20 11,20 14,40 14.50 12,90 15,50 13,50 14,00 13,40 14,00 13,89 14,30 14,00 14,00 13,00 12,10

9200 66 315 98

40 389

750

99,70 129,73 84,20

97,36 111,58

102,32 120,49

112,67 143,59 135,09 140,11

131,14 122,25 126,45 125,81 126,86 130,17 131,46

117,52 118,97 118,57 123,65

128,14 125,31 133,96

122,91 119,28 148,84

122,40 140,74 139,28

131,01

etheilt. Der Dur@hschnittspreis wird au Punkt (. ) in den leßten ses Spalten,

13,40

13,00 14,00 13,50 11,90 12,44 13,00

13,49

14,28 16,48 15,31 13,89

11,60 12,00

14,53 14/30 13,00

12 67

11,80 11,20 11,14 10,67 11,60 11,43 12,50 11,43 11,50

2 560 12,80

819 12,40 4 088 12,98 367 13,35 546 13,81 5 183 13,32

12,80

12,6% 12,27 13,33 13,83 13,27

9750 - 13,00 13,40

Hard Kansas Nr. 2 ¿ « « L1 Plata

engl. weißer Hafer \ „gelber

Califcrnier Brau- Gerste { Canadische ¿

Chicago.

Spring Nr. 2 Weizen | Nortkern Doluth

New York. Ned Winter Nr. 2 Weizen i Northern Spring Nr. 1

Lieferungs-Waare \ per Mai .

98,28 K

an der Londoner Produktenbörse = 504

des Königreichs ermittelten Dur

treide, is 1 Imperial Quarter = 400 Pfd. engl. angeseßt.

Anzeiger“ ermittelten monat

Ps Chicago und New York die Kurse auf urg, Odessa und

13. 1. 13. 1. 13.1. 12. 1. 12.1. 12, 1.

10. 1.

13. 1. 13.1. 10. 1. 10. 1. 10, 1.

13. 1,

Weizen, Lieferungs-Waare \ Le Amer E

per Dezember

Bemerkungen.

Gazette averages, d. h. die aus den Umsäßen an \hnittspreise für einheimi eizen = 480, 1 Bushel Weizen = engl. = 453,6 g; 1 Last Roggen = 2100, Weizen =

Bei der Umrechnung der Preise in Reichswährung

den einzelnen Tages Notierungen im „Deut ichen Durchschn

Berliner Börse zu Grunde gelegt, und zwar die Kurse auf Wien, für London und Liver

hen Reichs-

Niga die Kurse auf St. Antwerpen und Amsterdam die Kurse auf diefe Pläye.

s den unabgerundeten Zahlen berechnet, daß entsprechender Bericht fe hi.

1 Tschetwert Weizen is = 163,80 Roggen = 147,42 fer = angenommen; 1 Imperial Quarter ist beh, . eng

r die en an 196

afer = 31

eizennotiz gerechnet; für di Marktorten [dee Ge-

, Gerste

0 Pfd. engl. ; 1 Pfd. 2400 kg. sind die aus und Staats- itts - Wechselkurse an der für Wien und Budapest ool die Kurse auf London, tew York, für St. Peters- etersburg, für Paris,

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

5. Sißung vom 17. Januar 1900, 2 Uhr.

Die erste Berathung des Gesehentwurfs, betreffend die

A des Staatshaushalts-Etats für 1900, wird

rtgeseht.

ortge stb. Graf zu Limburg-Stirum (kons): Ich wünsche heute dem Abg. Richter das zu sagen, was i ihm gestern in einer yersôn- lihen Bemerkung niht sagen konnte. Herr Richter hat sib darüber gewundert, daß ih, nachdem wir dem Reichskanzler im Neichstage erst eine Absage ertheilt haben, nun eine farblose Etatsrede gehalten hätte. ' Dos war au meine Absicht, und wenn man das thut, so ift es nit s{chwer, ih will einmal sagen etwas langweilig zu sprechen. Diese Meinungsverschiedenheit zwisWen dem Abg. Richter und mir liegt in dem grundsäßlihen Unterschied zwischen seiner und meiner politishen Auffassung. Ih habe die Etre, Herrn Richter hon seit mehr als 2% Jahren zu kennen, und ih muß anerkennen, daß er sih nie untreu g?worden ist in der Methode, wie er Politik treibt. Er hat, wenn er einmal einem Politiker seine Gegnerschaft angesagt hatte, diese bei jeder Gelegenheit mit Energie und mit allen Mitteln, die ihm ¿u Gebote standen, wie wir alle wissen, durchgeführt.

ch fann das zusammenfassen in die, Worte: Herr Richter war als Politiker ein guter Hasser. Das ist aber nicht die politishe Auffassung, die meinen Cre vorschwebt. Wir scheuen uns niht, wie Sie wissen, der Regierung unsere Meinung zu sagen, wenn wir anderer Ansicht sind als sie; und daß wir unsere Meinung, wean wir sie einmal gesagt haben, nit leiht ändern, werden Sie aus unserem Nerkalten ersehen haben. Aber ih sche nicht die Nothwendigkeit ein, daß wir das bei j2eder Gelegeaheit wiederholen soll-n, wenn es niht nothwendig in den Dingen begründet ist. Bir sind der Aufsicht, daß ein solhes Vorgehen die Geschäste des Hauses nicht fördert, sondern verlanasamt, besonders bei einem Etat, der wirklih nicht sehr {were Angriffspunkte bietet. Ich wiederhole, hinsihtlich der Beamten- maßregelung ift unsere Meinung unverändert. Den Etat aber wollen wir ruhig wie alle Jahre behandeln.

Abg. Dr. von Jazdzewski (Pole), dessen Ausführungen unter der allgemeinen Unruhe und Unaufmerk!amkeit des Hauses für die Tribüne fast vollständig verloren gehen, führt anscheinend Klage darüber, daß die Regierung die Provinz Pcsen allzu sehr vernachlässige. Seit Jahrzehnten hätten die polnischen Bewohner Pcsens vor allem Grund, geaen die Verwaltung des Kultuérefsorts in dieser Provinz die um- fassendsten Beschwerden zu erkeben ; die Lifte der ungehört verhallten Klagen, der unerfüllt gebliebenen Bitten und Wünsche sei endlos. Möchte doch dec neue Minister voa anderem, versöhnlicherem, ent- gegenkommenderem Geiste beseelt fein. Trog aller Verkbeißungen und feierlichen Versicherungen, troß aller Zusagen der Zentralbehörden fei es jeßt so weit gediehen, daß jelbst der katholische Nelizionsunterricht fast in allen Schulen der Provinz in deutscher Sprache ertbeilt werde. Ein Beamter des Ministeriums habe ihm dies selbst bestätigt. Man scheue auch vor dem ärgsten Gewissenszwange niht zurück. Der Redner führt zur Jllustration seiner Beschwerden mehrere Fälle an. Außerdem \spriht er. sich gegen die Germanisierung der polnischen Landestheile abermals mit großer Heftigkeit aus, bezeichnet die Ver- wendung der dafür im Etat au?geworfenen Fonds als böch\t bedentlih und tritt dem Verlangen des Abg. Sattler, daß die Regierung mit weiteren Maßregeln gegen den Pokonismus vorgehen solle, scharf ent- gegen, Es sei niht wahr, daß die Polen iy Posen alles der preußi- shen Regierung verdanken. Zu einer Zeit, zu der die deutsche Sprache noch garnicht ausgebildet gewesen fei, bätten die Polen s{chon eine vorzüglihe Kultur besessen.

Minister der geisilihen, Unterrichts- und Medizinal- Angelegenheiten Dr. Studt:

Meine Herren ! Der Herr Abg. Dr. von Jaztzewski hat die landes- üblihen Klagen über die Polenpolitik der Königlichen Staatsregierung zunächst, mit dem Hinweise auf Allerhöchste Versprehungen und auf einen Erlaß des Kultus-Ministers von Altenstein begründet. Es find diese beiden Argumente hier, soweit mir erinnerlih, {hon so vielfach der Gegenstand der Erörterung und vor allen Dingen auch der Wider- legung gewesen, daß ih mi auf folgendea kurzen Hinweis beschränken kann.

der Zeit, wo diese Versprehungen gemaht worden find und wo der ministerielle Erlaß ergangen if, gab es weder eine national- polnische Agitation, noh gab es eine Presse, welhe mit wenigen Au®- nahmen es sich zur Aufgabe macht, die Verhältnisse des deutschen

* Volkes, die Maßnahmen der Regierung, die Verwaltung der Schule

u. \. w. in dem allerungünstigsten- Lichte darzustellen, der Regierung die übelsten Motive unterzushieben und vor allen Dingen in einer Weise geger die wohlbegründeten Maßnahmen, welche das Deutsch- thum in den ehemals polnischen Landestheilen sichern sollen, zu Felde zu ziehen, die, wie ich glaube, mit vollem Nechhte die Entrüstung der betheiligten deutschen Kreise erregt. (Sehr riGtig! rechts und bei den Nationalliberalen.) Diese Klagen werden meiner Ansicht nach {hon dadurch gegenstandslos, daß die damaligen Versprehungen und Maßnahmen von ganz anderen thatsählihen Vorausseßungen ausgegangen sind, als wie sich leßtere im Laufe der Zeit entwickelt haben. (Sehr richtig! rechts.) Nun, meine Herren, ih bin nicht in der Lage, auf die Einzelheiten der Klagen des Herrn Abg. Dr. von Jazdzewski bezüglih der Schul- verwaltung einzugehen. Dazu bin ih noch zu kurze Zeit in dem mir nunmehr unterstellten Ressort thätig, und außerdem find es Einzelheiten, die zum theil noch niht zur Erörterung in der Zentralinstanz gelangt sind. In dieser Beziehung habe ih zu erklären, daß, wenn irgend einer meiner vortragenden Räthe oder einer der Ministerial - Direktoren dem Herrn Abgeordneten eine Auskunst gegeben hat, ih dieselbe als maßgebend und für das Ressort bindend nicht anerkennen kann, weil ih meinerseits für alle Maßnahmen des Ressorts persönli verantwortlih bin und die Ver- antwortlihkeit nicht in denjenigen Herren liegt, die mih in meinem, Amt zu unterstüßen haben. Jch habe aber dem Abg. Dr. von Jazdzewski gegenüber zu erklären, daß die Auskunft auf die Frage, wie sie der Herr Abgeordnete gestellt hat, eine zutireffende dahin war, daß es im Ministerium in der That nicht bekannt ist, daß in allen überwiegend pelni- hen Schulen der Provinz Posen der katholishe Religionsunterrict in deutscher Sprache ertheilt wird. So is die Frage gestellt worden und so ist sie von der anderen Seite beantwortet worden.

Nun, meine Herren, hat der Abg. von Jazdzewski Bezug ge- nommen auf das frühere System der Ertheilung des Sprachunterrichts in den polnishen Schulen. Ja, meine Herren, das frühere System

hat vollständig versagt. Ich kann das aus eigener Erfahrung be- stätigen. Die erste Schulrevision, die ih als junger Landrath in der Provinz Posen abgehalten habe, zeigte mir ein wunderbares Idyll. Jch kam unangemeldet in eine Dorfschulklasse hinein und fand dort den Schullehrer s{chlafend (Heiterkeit) und die Kinder mit Lefen be- schäftigt, niht etwa mit Lesen von Shulbüchern, nein mit Auslefen von Erbsen, die der Schullehrer geerntet hatte (Heiterkeit), und als ich mich dann nah den: deutshen Sprachkenntnissen der Kinder er- kundigte , bestand bei einem Knaben, der mir noch als der beste bezeihnet wurde, nah dem angeblich mehrjährigen deutschen Sprahunterriht der ganze Sprahshaß in 15 bis 20 deutschen Worten. (Hört, hört!) Daß dieses System im Laufe der Zeit dur energische Maßnahmen geändert worden ist, hat seine volle Berehti- gung. (Sehr wahr! rechts und bei den Nationalliberalen.)

Wenn der Abg. von Jazdzewski behauptet, daß es richtig sei, dem polnishen SpraHunterricht in gleicher Weise wie dem deutschen die Sorgfalt und Fürsorge der Regierung zuzuwenden, so habe ih dem gegenüber zu erklären, daß“allerdings vielleicht bei der polnishen Be- völkerung der Wunsch besteht, auch das Deutsche zu erlernen, daß aber den Lehrern auf Schritt und Tritt dur Einflüsse, die ih hier nicht näher zu erörtern brauhe, vor allen Dingen auch durch die persönliche Einwirkung der Eltern, die allergrößten Schwierigkeiten bereitet werden. Daß demzufolge eine wahre Sisyphusarbeit von den Lehrern geleist:t werden muß, liegt auf der Hand. Jch glaube nit, daß die Behauptungen des Herrn von Jazdzewski, es entspräche den Wünschen der polnishen Bevölkerung, daß ihren Kindern ein mög- list aroßes Maß von Spua(kenntnissen zugeführt werde, begründete seien. Sonst würde der Widerstand der polnishen Bevölkerung selbst, namentli der bäuerlichen, niht ein derart energischer sein, wie dies täglich zu beobachten ist. Jh glaube, den Widerstand namentlich auch auf die Presse zurückführen zu müssen, welhe den Leuten immer gepredigt : die Sprache, denen sh der Deutsche bedient, is eine fehr {were und häßliche, sie ist die Spra@e eines Volkes, dem aller- band bedenklihe Eigenschaften beiwohnen. (Heiterkeit)

Das, was ih in dieser Beziehung erkläre, kann ih aus eigener langjähriger Erfahrung voll aufrecht erhalten, und bin in der Lage, wenn es darauf ankommt es wird sich vielleiht ja später noch dazu Gelegenheit bieten —, das durch nähere Beläge zu beweisen.

Nun kat der Herr Abgeordnete außerdem noch betont, die Maß- nahmen der Regierung beförderten nicht die Moral des Volkes. Ja, wenn die Negierung in ihren gerechten und fürsorglichßen Maßnahmen au für unsere Landsleute polnisher Zunge auf Schritt und Tritt gehindert wird, so ist es in der That nicht wunderbar, daß die Gr- folge nicht immer den daran geknüpften Erwartungen entsprehen. Jh möchte den Herrn Abgeordneten bitten, die außerordentli großen Schwierigkeiten in Betracht zu ziehen, die sih jedem Beamten ent- gegenstellen, der in den Provinzen Westpreußen oder Posen ein Ver- waltungsamt befleidet. Jch glaube, es würde wesentli zur Herbei- führung friedliher und zufriedenstellender Zustände beitragen, wenn die Thätigkeit der Beamten von der polnischen Presse unter diesem Gesichtspunkte beurtheilt würde, und wenn sie ihre Aufgabe darin erbliden wollte, die Beamten in der Erfüllung ihrer s{chwierigen Ob- liegenheiten zu unterstüßen, Nah der Richtung hin läßt aber die polnische Presse Alles zu wünsen übrig.

Meine Herren, es wird bei der zweiten Etatsberathung ja noch Ge- legenheit sein, auf die Einzelheiten derjenigen Beshwerden einzugehen, die sih auf die allgemeine Erzichung der Kinder, nicht bloß in der Schule, beziehen. Jch habe an meine Ausführungen nur die Bitte zu kaüpfen, doch ja nicht zu glauben, daß es der Regierung an Wohlwollen und vor allen Dingen an einer Fürsorge fehle, die ohne Unterschied der Konfession und der Abstammung auch den ehemals polnischen Landettheilen zugewendet wird. (Bravo! rets und bet den Nationalliberalen.)

Wenn Sie die polnishe Presse genauer verfolgen und einige der Herren sind ja in der Lage, das zu thun —, fo werden Sie in diefen Preßorganen, wenn auch leider nur ganz ausnahmsweise, sogar eine gewisse Anerkennung jener fürsorglihen, dem Wohle jener Landes- theile förderlichen Verwaltung finden. Ih berufe mich auf Preß- äußerungen, welche dahin gehen, daß im Vergleich zu den ehemaligen polnischen Landestheilen innerhalb des russishen Reichs und Oester- reis der polnishe Bauer \sich bei uns einer größeren Wohlhaben- heit und Gesittung erfrent. (Sehr rihtig!) Und wenn dieser Erfolg wie ein Blick in unsere Zustände wohl jedem sofort vor Augen führt thatsählich erzielt ift, dann beruht das lediglih auf der nachdrülihen Fürsorge, welche die Regierung in voller traditioneller Unparteilichkeit auch diesen Landestheilen zuwendet. (Sehr richtig! und lebhafter Beifall rehts und bei den Nationalliberalen.)

Minister des Jnnern Freiherr von Rheinbaben:

Meine Herren! Der Herr Abg. Richter wie soeben der Abg. von Jazdzewtki haben einen Fonds, der bestimmt ist, das Deutsch- thum in den polnischen und nords{chleswigschen Landestheilen zu stärken, zum Gegenstand der Diskussion und ihrer Kritik gemaht. Der Abg. Richter hat in seiner freundlihen Art damit begonnen, daß er sagte, er hätte keine Veranlassung, dem Herrn Kultus-Minister und mir Vertrauen entgegenzubringen. Wenn man in ein Haus neu eintritt, freut man si, so freundlich willkommen geheißen zu werden (Heiter- keit), und ih danke dem Herrn Abg. Richter. (Sehr gut ! rechts.) Der Abg. Richter hat gesagt: daß wir nöthig hätten, diesen Fonds zu verstärken, bewiese, daß die Politik des Herrn von Köller in Nords- \{chleswig ih glaube, er hat den Ausdruck gebraucht „Fiasko mache“, doh will ih auf den Ausdruck mich hier nit festnageln ; jedenfalls war dec Sinn derselbe. Wenn wir umgekehrt verfahren, wenn wir keine Verstärkung des Fonds beantragt hätten, dann würde der Abg. Richter wahrscheinli geschlofsen haben: das ist der beste Beweis, die Regierung sieht ein, ihre Politik ist verfehlt gewesen, sie beantragt nicht cinmal Mittel von uns, um diese Politik fortzuseßen. (Widerspruch und Oho! bei den Freisinnigen.)

Nun erbitten wir verstärkte Mittel, um diese Politik fortzuführen,

und daraus wird der Regierung der Vorwurf gemacht: sie erkenne an, daß die Köller’[che Politik nicht zum Ziele geführt habe. Fch bin in der Lage, festzustellen, daß genau das Gzgentheil der Fall ift, und ih glaube, bis weit in die Parteikreise des Abg. Richter hinein wird anerkannt, daß die konsequentz, energishe und im Endziel auf Her- stellung friedlicher Zustände hinzielende Politik des Herrn von Köller do durchaus di: richtige gewesen ift, und ich bin meines Theils durchaus willens, in den Geleisen dieser Politik zu verbleiben. (Bravo! rets.) Uebrigens i die Summe, die Herrn von Köller aus diesem Fonds zu theil wird, eine verhältnißmäßig geringe. Der Fonds ist zum großen Theil bestimmt, das Deuts@thum in den polnischen Landestheilen zu erhalten und zu stärkea, und der Abg. von Jazdzewski wird es mic niht übel nehmen, wenn ¿h au, troß seiner Ausführungen, der Ansicht bin, daß diese Nothwendigkeit heute mehr wie j: vorliegt. (Szhr richtig! rechis und bei den Nationalliberalen.) j ?

Meine Herren, der Abg. von Jazdzewski hat gesagt, die Negierung habe die Aufgabe, das Volk nit zu beunruhigen, nicht unglüdcklich zu machen. Ih gehe weiter; ih glaube, man kann positiv sagen: die Regierung hat die Aufgabe, das Volk zu beruhigen und glüdiih zu machen, soweit das überhaupt im Rahmen der Politik der Negierung mögli ist, und ich kann mich dem, was der Herr Kultus-Minister

oeben autgeführt hat, nur vollkommen ans&ließen.

Wir haben alle, und auch auf dem Gebiet meines Refsorts, den Wunsch, alle Staatsangehörigen, welche Zunge sie auch spreGen, zu beruhigen und glücklih zu mahen, und wenn leider die Verhältnisse ¿in Posen nit fo sind, so liegt die Schuld nicht auf Seiten der Re- gierung, fondern der Polen. (Sehr richtig!)

Meine Herren, Jeder, welcher die Verhältaifse in Posen genau beobachtet und ih bia als langjähßhriges Mitglied der Ansiedelungs- Kommission meinerseits dazu in der Lage gewesen —, der ficht, wie si auf allen Gebieten die Polen von den Deutschen abschließen. In jeder Zeitung wird gepredigt: tretet aus den deutshen Vereinen aus, fauft nur bei Polen, tragt euer Geld nur zu den Polen! Die Gemeinschaft, die von Natur gegeben ist zwishen den Deutschen und Polen, wird von polnischer Seite grundsäßlih gestört. Jeder Blick in die polnische Presse lehrt das, und ftatt unendlih vieler möchte ih Ihnen nur ganz wenige Beispiele dafüc vortragen.

Ein polnishes Blatt hat im September 1898 \sich erlaubt Folgendes zu sagen:

In unserer polnishen Stadt veranstalten heuie Abend die deutsckchen Einwanderer zu Ehren Bismarck's eine politische Demon- stration; ein echt christlies Empfiaden dürfte nah dem Verlust geliebter Personen lediglih in der Kir? zur Geltung kommen, es darf aber keineswegs im Singen patriotischer, das hier anfässige Publikum aufreizender Lieder seinen Ausdruck finden.

Also das Singen patriolisher Lied:r reizt das Empfinden des in Posen ansässigen Publikums auf. Jett is sogar gepredigt worden, die Polen sollten aus den Kriegervereinen austreten, d. h, diese Ge- meinschaft, die Ecinúerung an die Kameradshaft foll zwishen Deut- shen und Polen niht mehr bestchen. Ein Blatt in Graudenz hat ausdrücklich erklärt : (

Allen denjenigen, welche bisher noch Kriegervereinen angehören, geben wir vier Wochen Zeit. Wer dann noch Mitglied eines solhen Vereins ist, dessen Namen werden wir in der Zeitung bekannt geben, und wenn wir dieserhalb eine besondere Beilage drudcken müßten.

(Hört! hört!) Und dann stellt sih Herr Abg. von Jazdzewski hin und ftellt es fo dar, als ob die Polen die Lämmlein wären, die das Wasser des friedlichen Einvernehmens zwishen Polen und Deutschen zu trüben außer stande wären!

Was alles in dieser Beziehung den Deutschen geboten wird, mölhte ih noch in einem weiteren Ausschnitt bestätigen, Eine polnische Zeitung beritet:

Die Berliner katholishe ,Germania“*erwähnt die Absicht, ein Zen- tral-Wahlcomité zu gründen, und nennt uns Polen „polnische Preußen“. Möge die „Germania“ wissen, daß dies für den“ Polen die größte Beleidigung ist, wenn ihn jemand einen „Preußen* nennt. Wir sind Polen und nur Polen und höchstens noch Unterthanen des Königs von Preußen, aber keine Preußen.

Die Kritik derartiger Preßfäußerungen überlasse ih dem hohen Haufe selber.

Noch cines hervorzuheben halte ih mih für verpflichtet. Der Abg. von Czarlinski hat sich für berechtigt erachtet, kürzlich in einem Vortrage zu sagen :

Die polnische Fraktion suche den Pflichten gegenüber dem Staat gerecht zu werden, fie verdiene also nicht den Vorwurf, die Losreißung der polnishen Provinzen vom Staat im Schilde zu führen. Staat und Regierung seien verschiedene Begriffe. Man könne Neigung haben, eine Regierung zu bekämpfen, welche die gött- lihen Rechte sowie die Pflichten nicht kenne, die ihr einer unter ihrem Scepter befindlihen Nation gegenüber oblägen, die ferner keine Gleichberehtigung kenne.

Gegen einen derartigen Vorwurf, daß wir die götili@en Pflichten ver- lezt hättea und die Pflichten gegen die Unterthanen des Königs, muß ih energisch Einspruch) erheben. (Bravo! rechts.)

Nun, meine Herren, wir werden bemüht sein, soweit das in unseren Kräften steht, Ret und Gerechtigkeit nah allen Seiten zu üben, auch den Polen gegenüber, die des gleihen Schußes bedürfen und auf den gleihen Schuß Anrecht haben, wie alle anderen Unter- thanen Seiner Majeftät des Königs von Preußen. Aber wir müssen au verlangen, wo gleihe Rechte unsererseits zugestanden werden, daß auch die gleihen Pflichten auf der anderen Seite anerkannt werden (sehr rihtig!), daß das Bestreben dahin geht, das tiefe Zerwürfniß zwischen Deutshen und Pole zu beseitigen und nicht von Jahr zu Jahr zu vertiefen, Wir werden unsererseits auf der Warte sein, die Position des Deutschthums den Polen gegenüber zu halten und zu

verstärken. (Bravo! rechts.) Und wir werden verhüten, daß, wie

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