1900 / 23 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 25 Jan 1900 18:00:01 GMT) scan diff

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eldishe zu schaffen. err Thiele vergißt, daß jeder Arbeiter e Bae {chaft das Reht auf Vorshuß hat. Das Vermögen der Gewerkschast hat Einbuße erlitten wegen der großen Zahlung, welche ße für Ablafsungen der Seen und als Entschädigung an die Grundbesitzer für Bodensenkungen hat leisten müssen. Die Rohheits- delikte werden niht von dem alt eingesessenen Bergmannösstand, sondern in der Hauptsahe von Eingewanderten, von talicnern, begangen. Daß die Mansfelder keine Zeit hätten, sich zu bilden, ist {on als unzutreffende Behauptung nahgewiesen worden; fie sind hoh ent- widelt und intelligent und haben sich zu einem großen Verband zur Abwehr der Sozialdemokratie zusammengethan; das ist auch der Grund, weshalb die Herren Sozialdemokraten mit all diesen Anträgen hier E Was soll man dazu sagen, wenn behauptet wird, jede

amerad\chaft waar monatli 20—2b Æ zur Bestehung an den Steiger aufwenden ? Wie hoh müßte der Gewinn des Steigers sein? Es würde ih schnell zeigen, daß diese Angaben keinen Hintergrund haben, wenn Herrn Sachse Gelegenheit geboten würde, eine Behauptungen ge- richtlih zu beweisen. Daß Steiger \ih Häuser bauen lassea, ist that- \ächlih; dasselbe geschieht au seitens der Arbeiter und wird von der Verwaltung auf jede Weise gefördert. Diese Steiger führen den Kampf gegen die Sozialdemokratie nicht mit größerem Fanatismus als die Arbeiter jelbs, die zur Erkenntniß gekommen sind, daß es nicht nüßlich ift, die sauer erworbenen Groschen den soztal- demokratishen Agitatoren hinzutragen. Besondere Verdienste um die Hebung der Lage der Mansfelder Knappschaft hat der verstorbene Leuschner, dessen Andenken sie sih nicht verunglimpfen lasen wird. Von der angeblichen dumpfen Gährung unter den dor- tigen Bergleuten weiß man nirgend auch unter den Bergleuten selbst weiß man davon nihts. Bei der Reichstagswahl von 1898 sind die \ozialdemokratischen Stimmen zurückgegangen, in den eigentlichen Bergmannsorten sind überhaupt keine solhe Stimmen abgegeben worden; die Leute seßen ihre Chre darein, daß keine einzige sojial- demokratische Stimme abgegeben wird. Gerade diese Bewegung in Mansfeld wird für das ganze Reich in Zukunft etne Grundlage für die Bekämpfung ter Sozialdemokratie bilden.

Abg. Thiele: Wenn der Abg. Arendt so auéshweifende Hoff- nungen auf diese Organisationen seße, die übrigens auch gegen das Vereinsgesey verstießen, so sei doch wohl der Gesihtswinkel, unter dem er die Dinge betrachte, zu klein. Der Verband der reihstreuen Berg- und Hüttenarbeiter habe 400 Mitglieder, aber zu seinen Ver- sammlungen erschienen nur 15 Mitglieder. Der Steiger Grothe in Bahndorf habe mit dem Material der Gewerkschaft und von den Zimmerleut-n der Gewerkschaft ih ein Haus bauen lassen. Und wie die Steiger dort die Frauen der Bergleute als ihr Eigenthum betradteten, davon sollte fih einmal der Abg. Arendt etwas genauer übeczeugen. Aber die Bergleute hätten gebeten, nichts davon zu ver- rathen, denn sie würden niht nur abgelegt, wenn etwas heraaskomme, sondern auch ausgewiesen. Das seien die wirklihen Spiegelbilder des \{öônen patriarchalishen Regiments, wie es von dem Abg. Arendt fo gerühmt werde. Bis jeßt trügen die Sozialdemokraten noŸ die Groschen dorthin, um dem Elend der armen Berginvaliden zu steuern. Der Abg. Arendt sollte aber nicht als Abgeordneter, sondern unbekannt und ledigli beobahtend dur den Manéfelder Kreis streifen, dann würde er sehen lernen. Freilich, wenn man bedenke, daß der Mans- felder Kreis eins einen Luther in das Deutsche Reich ges{Gickt habe und beute einen Dr. Arendt in den Reichstag shicke, dana kôane man den Fortschritt der Zeit niht mehr leugnen.

Abg. Dasbach (Zentr.): Jn mehreren Prozessen is bekundet worden, daß die Berieselungen in den Schähten stets erst vorgenommen wurden, wenn der Bergmeister kam. An einer Stelle, wo ein großes Grubenunglück eintrat, habe der Staub fußhoch gelegen. Sollten die Arbeiter, die do die Opfer dieser Zustände werden müssen, felbst {huld daran sein, daß die Berieselungen nit ge\hehen ? Das fann ich nit glauben. In anderen Fällen hat es an Wasser zur Berieselung gefehlt. Diefe Thatsachen sind von den Berg- leuten in dem Prozeß gegen die Zehe „Borussia“ beshworen worden; das Urtheil is sebr milde, auf 500 4 Geldstrafe bemessen worden. Fn einem Prozeß gegen die Grube „Unser Fritz“ hat der Staats- anwalt ausgesprohen, daß Jahre lang gegen die Vorschriften der Reichegesetzgebung verstoßen worden ist. Da helfen kleine Geldfrafen ncht; die nimmt die Profitwvuth der Unternehmer gera auf sh; es muß ganz anders ein- geschritten werden. Die langen Arbeites{@ichten in Sachsen sind für mich gerade der Hauptgrund, auf ein einbeitliches deutsches Berggeset zu dringen, denn es steht fet, daß der sächsishe Bergbau untergehen würde, wenn er au die ahtstündige Schicht einführen müßte. Die Freizügigkeit ist heute nicht gewahrt. Zieht der Berg- mann in ein anderes Revier oder wird er abgelegt, so verliert ec feine Ansprüche an die Knappyschaftskafsen. Dagegen ist nur aufzukommen, wenn wir ein cinheitlihes deutshes Berggesey haben,

Aba. Dr. Arendt: Ich bin in Mansfeld mit 13 000 Stimmen Majorität gewählt; daß 1ollte do gerade auch bei den Sozialdemo- Fraten Eindruck machen, wenn ihnen auch di: Person nicht genehm ift. Die Angelegenheit des genannten Steigers wird ja zu untersuchen sein. Daß man aber einen ehrenwerthen Stand wie den der Steiger in Bausch und Bogen so bloßstellt, wie eben geschehen, muß man ent- schieden zurückweisen. Es giebt feinen Ausdruck, scharf genug, um folhe Schändlihkeiten, wie sie behauptet sind, zu verurtheilen. Was roürden übrigens die Bergarbeiter im sozialdemokcatishen Zukunfts- staat gewinnen, wo es keine Ehe giebt, wo die freie Liebe herr}! ? Die legte Parallele des Abg. Thiele, die wohl ein Wiß sein follte, war so geschmadcklo3, daß ich darauf nicht eingehen werde. .

Vize-Präsident Sh midt: Das Wort „geschmadcklo3“, auf einen Abgeordneten angewandt, is nicht zuläsfig.

Abg. Thiele: Ih habe natürlich nicht von allen Steigern, sondern von einzelnen gefprochen. An dem \{chänblihen Mißbrauch der wirthshaftlihen Uebergewalt, der auf diefe Weise getrieben wird, ist nicht der mindeste Zweifel.

Damit schließt die Diskussion. Als Schlußwort führt der

Abg. Sachse (Soz.) aus: Auf den Schichtlohn an Stelie des Accordlohns würden sämmtlihe Bergleute Deutschlands mit Freuden eingehen. Gerade das Accordsystem rufe unter den Arbeitern felbst Feindschaft und Konkurrenz hervor, diz zerrüttend wirken müsse. Sehr unshön sei es, wenn die Herren, welche die Interessen der Bergwerks- besißer verträten, die Delegirten auf dem Bergarbeitertage vere dâchtigten, wie der Abg. Franken cinen Mann, der sciner Zeit auf der Wanderschaft gewesen sei, als ein wegen Bettelns bestraftes Subjekt bezeihnet habe. Wie der Abg. Arendt gegenüber den Mansfeldern, so habe sich der Abg. Dr. Oertel gegen die Beshwerden der sächfischen Bergarbeiter liber die zu lange Schichtdauer verhalten und gemeint, daß die Ansprüche der \sächsishen Bergverwaltung an die Arbeitskraft der Bergleute keine übermäßigen seien. Der Abg. Dr. Oertel follte einen Sommerurlaub in den Arnim'schen Gruben zubringen und dort selbst cine solhe Schichtdauer immer durcarbeiten, dann würde er zu einem anderen Urtheil kommen, auch würde si sein Leibes- umfang dann erheblich vermindern. Angesichts der Zustände, die gerade in Sachsen unter dem sächsischen Berggesetze herr|chten, müßte ein einheitlihes Reichsberggeseß ergehen; nur dieses könnte dort Wandel \chafffen. Redner geht dann auf diz Ausführungen der Abgg. Hilbck und Franken näher ein und sucht dieselben zu widerlegen.

Präsident Graf von Ballestrem: Der Abg. Sase hat es für angemessen gehalten, auf die körperliche Beschaffenheit eines Mit- gliedes des Hauses hinzudeuten. Da dies in einer gewissen gut- müthigen Weise geschehen ist, so halte ih diesen Spezialfall nicht als direkt gegen die Ordnung des Hauses verstoßend, gebe aber den Kollegen anheim, ferner vicht diesem Beispiel zu folgen. Denn wohin follte es führen, wenn es Brauch würde, die kförperlihe Beschaffenheit eines Abgeordneten ins Lächerliche zu ziehen ?

Nach persönlihen Bemerkungen der Abgg. Dr. Dertel- Sachsen (d. kons.), Hilbck und Franfen wird zunächst der Unterantrag Letocha, „den Reichskanzler zu ersuchen, den Bundesrath zu U baldigst eine Verordnung zum Schuge der Ärbeiter in inkhütten auf Grund der Gewerbe- ordnung zu erlassen“, einstimmig, und mit diesem Zusaß der

Antrag Agster - Lenzmann gegen die Stimmen der beiden

Parteien der Rechten angenommen.

Schluß gegen 5 Uhr. Nächste Sigung Donnersta 1 Uhr. (Zweite Lesung des Gesehentwurfs, betreffen Aenderungen und Ergänzungen des Strafgeseßbuchs.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 9. Sigßung vom 24. Januar 1900, 11 Uhr.

Das Haus segt die zweite Berathung des Staatshaus- halts-Etats für das Etatsjahr 1900 bei dem Etat der landwirthshaftlihen Verwaltung, und zwar bei dem Ausgabetitel „Gehalt des Ministers“, fort.

Ueber den Beginn der Debatte ist bereits in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Fei Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr v on Hammer- ein:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat eine so große Aehren- lese von Fragen an mich gerichtet, daß ih unsicher bin, ob ich diese Fragen an si erschöpfend und auch nur jede einzelne der gestellten Fragen berühren und beantworten kann. Ich möchte beinahe glauben, daß es richtiger gewesen wäre, wenn der Herr Abg. von Mendel einen großen Theil der von ihm angeshnitienen Fragen zu den einzelnen Etatstiteln vorgebraht hätte. Dann würde eine erschöpfendere Antwort auf seine Anregungen haben erfolgen können. Nachdem aber alle diese Fragen zur Diékussion gebracht sind, werde ih mich bemühen, auf die einzelnen Gegenstände möglih\t kurz einzugehen.

Zunächst hat der Herr Abgeordnete die Dispositionsfonds be- handelt... Ich muß ablehnen, auf Verhandlungen, die über diese Dispositionsfonds mit dem Herrn Finanz-Minister gepflogen sind, ein- zugehen. Im allgemeinen gestatte ih mir folgende Bemerkungen.

Prinzipiell steht der Herr Finanz-Minister und ich muß ihm darin Ret geben auf dem Standpunkt, daß die Kosten derjenigen Bestrebungen, welhe aus den in Frage stehenden Dispositionsfonds gefördert werden sollen, nit aus\hließlich aus Mitteln des Staates zu bestreiten sind, daß vielmehr dazu auch die Landwirth\{aft, die Landwirtbe selbs ihren Antheil beitragen müssen. (Sehr richtig! links.) Und dazu sind si: in der Lage, nachdem das Landwirthschafts- kammergeseß der Landwirthschaft eine Vertretung und dieser Vertre- tung ein Besteuerungsreht gewährt hat. I kann darauf hinweisen, daß von diesem Besteuerungsreht in de-m erforderlihem Umfange von den Landwirthschaftskammern nur ein sehr geringer Gebrauch gemadht wird; ers eine Landwirthschaftskammer hat die Grenze dieses Be- steue: ungsrechts unter meiner Zustimmung überschritten, alle anderen aber haben die Grenze ihrer Besteuerungsbefugniß noch nicht erreicht.

Der Herr Abg. von Mendel hat auch tarauf hingewiesen, daß troß des im Vorjahre vom Landtage einmüthig gefaßten Beschlusses der Umfang des Dispositionsfonds ungenügend bemessen sei, obglei die landwirthschaftlihe Verwaltung wie der Herr Finanz-Minister wiederholt die Zusicherung gegeben haben, daß den Bedürfnissen ent- spre&iend Mittel des Staates für die mit diesen Fonds zu fördernden Zwecke zur Verfügung gestellt werden sollen. Meine Herren, ih habe, soweit das in der kurzen Zeit möglich war, aus dem diesjährigen und aus dem vorjährigen Etat i glaube, unanfechtbar festg-stellt, daß i1 den legien zehn Jahren für die Zwecke, für welche die Die- positionsfonds bestimmt sind, die doch recht erheblide Summe von 13 209 010 M bewilligt worden ist. G-genüber früher ist in den leßten zehn Jahren cine erheblihe Steigerung dieser Aufwendungen einge- treten. Wenn man das berücksichtigt, so giebt das doh ein anderes Bild, als wenn man ledigli die, vielleiht nicht immer erheblichen Ver- sciebungen von Jahr zu Jahr ins Auge faßt. (Sehr richtig! links.) Es handelt sich dabei um folgende Fonds: den wissenschaftlihen Fonds, den Fonds für Viehzucht, den Landeskulturfonds, den Fonds für Pferdezucht, den Fonds für Obstbau, den Fonds für Gartenbau u. st. w.

Meine Herren, darüber bin ih mit dem Herren Abg. von Mendel vollständig einer Meinung, daß, soweit es die Finanzlage des Staates ermögliht und die if ja zur Zeit eine recht günstige in Ueber- einstimmung mit allen Parteien des Hauses für die nahweisbaren Bedürfnisse der Landwirthschaft auf allen Gebieten eine allmählih sfih steigernde Vermehrung der Staatszuschüsse erfolgen muy und daß die- selbe au erfolgen wird. (Sehr richtig! rets.)

Ih möhte aber darauf hinweisen, daß Preußen in der Gewährung

von Staatsmitteln für die Landwirthschaft hinter anderen deutschen Staaten"

nicht zurücksteht, und gleichfalls mit Befriedigung dürfen wir feststellen, daß Preußens Landwirthschaft hinter derjenigen der übrigen Staaten niht zurücksteht. Ih möchte glauben, daß wir mit Befriedigung auf die Fort- schritte blicken dürfen, die durch die bereitwillige Gewährung von Staats8- mitteln zur Förderung der Landwirthschaft erzielt sind. Mit Freuden benußge ih aber diesen Anlaß, um meiner besonderen Befriedigung au darüber Ausdruck zu geben, daß die Vertretung, welche die Land- wirthshaft durch die geschaffenen Landwirthschaftskammern erhalten hat, si -nach jeder Richtung bewährt hat. Die Opferwillig- keit, der Fleiß und die Arbeitsleistung der Landwirthschastskammern, ihre Objektivität sind eine wesentlihe Stütze für die landwirttschaft- lie Verwaltung. Wenn ih vorhin sagte, ih wünschte, daß die Landwirthschaftskammern auch ihrerseits größere Mittel zur Ver- fügung stellen, so hat darin ein Vorwurf gegen die Landwirthschafts- kammern meinerseits niht erhoben werden sollen; denn ich muß an- erkennen, daß sie au ihrerseits mit der größten Spasamkeit wirth- schaften müssen, weil ja aus den Gesichtspunkten heraus, die der Herr Vorredner erwähnt hat, die Belastung der Landwirthschaft eine an sich {were und stetig steigende ift.

Meine Herren, Herr von Mendel hat hervorgehoben, daß in dem Etat der landwirth\{haftlichen Verwaltung erheblihe Summen aus- geworfen seien für Gegenstände, die nicht zur landwirthschaftlichen Verwaltung gehören oder gehören sollten. Dabei hat Herr von Mendel auf die großzn Summen hingewiesen, die im gegenwärtigen landwirth- schaftlichen Etat si für Flußkorrektionen und für Meliorationen u. f. w. befinden. Ich glaube, mit dieser Auffassung steht Herr von Mendel mit den Anschauungen, die im Kreise der Landwirthschaft gehegt werden, nit im Einklang. Die Landwirthschaft hat, glaube ih, ein berehtigtes Interesse, zu wünschen, daß das Zuständigkeitsgebiet der landwirthshaftlichen Verwaltung bezüglih der wasserwirthschaftlichen Verhältnisse gesteigert, nicht aber eingeshränkt wird. Die eingestellten Summen aber, welhe Herr von Mendel an das Arbeits-Ministerium verweisen zu müssen glaubt, beziehen fich auf niht s{iffbare Ströme, die zur Zuständigkeit der landwirthschaftlihen Verwaltung gehören,

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und auf mit den nit s{hiffbaren Strömen in Verbindung ftehende wasserwirthshaftlihe Verhältnisse, Meliorationen u. st. w.

Meine Herren, Herr von Mendel hat die {chädlihe Wirkung des Perchlorats berührt. Die landwirthshaftlihe Verwaltung hat diese Frage, und zwar schon bevor \sih die Landwirthe darüber beschwerten, sorgsam geprüft und auf Abweisung der Gefahr Bedaht genommen. Die landwirthschaftliche Verwaltung hat alles gethan, um diese Frage zu einer glüdcklihen Lösung zu führen. Der Herr Reichskanzler hat bereitwilligst auf Anregung der landwirthschaftlichen Verwaltung die Frage in die Hand genommen, und es wird versuht, {hon an der Gewinnungsstelle Einrichtungen zu treffen, welckche Garantie dafür bieten, daß das Perchlorat hon dann aus dem Chilisalpeter entfernt wird, ehe es in den Handel kommt. Wie weit das gelingen wird, ift eine Frage der Zukunft; jedenfalls wird das Bestreben darauf gerichtet fein, in dieser Beziehung befriedigende Ergebnisse zu erzielen.

Dann hat Herr Abg. von Mendel die Leute- und Arbeiternoth besprochen, darauf hingewiesen, daß Anhalt bereits ‘einen Gesegentwurf gegen den Kontraktbruch der landwirths\chaftlihen Arbeiter erlassen habe, daß vom Deutschen Landwirthschaftsrat in dieser Richtung wiederholt wohlbegründete Anträze geftellt seien, und er hat daran die Frage geknüpft, in welhem Stadium denn diese Verhandlungen sih jet befinden. Meine Herren, die Angelegenheit befindet \ih ununterbrohen in Bearbeitung, im nächsten Monat wird eine ents sprechende Vorlage dem Landes-Oekonomie-Kollegium zur Begutachtung vorgelegt werden. Ih gebe mi der Hoffnung hin, daß dur diese Verhandlungen und durch die weiteren Bemühungen der Staats- regierung auf diesem Gebiete eine den Wünschen des Herrn Antrag- stellers entsprehende Vorlage zu jtande kommt.

Herr von Mendel hat die Frage der Stellenvermittlung besproGen, und gewünscht, daß bezüglich des in Aussicht stehenden staatlihen Vor- gehens die Landwirthschaftskammern gehört werden. Meine Herren, ih bezweifle nit, daß das gesehen wird.

Dann hat Herr von Mendel darauf hingewiesen, daß der Aufent- halt galizisher und polnischer Arbeiter in Anhalt und Weimar anders behandelt werde wie in Preußen. Diese Thatsache ist mir vollständig neu. Ih werde Veranlassung nehmen, mir darüber weitere Auf- klärungen zu verschaffen. Diese Frage gehört zum Ressort des Herrn Ministers des Innern. Ih möchte glauben, daß, wenn in Anhalt und Weimar die Frage anders wie in Preußen behandelt wird, das als bedenklich, vielleicht auch unzulässig ih erweisen dürfte. Jeden- falls hat Preußen theils aus politischen, theils aus sanitären und anderen Gründen es für unzulässig erachtet, die Frist des Antritts und der Wiederentlassung auswärtiger Arbeiter anders als wie gesheben zu gestalten. Auswärtige Arbeiter dauernd besonde1s als Gesinde zuzulassen, birgt do, wie auch das hohe Haus anerkannt hat, große soziale und sanitäre Gefahren.

Dann hat Herr von Mendel das Geseh über Futter- und Dünge- mittel berührt. Die Bearbeitung dieses Gesehes bietet außerordent- lihe Schwierigkeiten, namentli rüdcksihtlich der Samexkontrole. Es wird versucht, dieselben zu überwinden. Ih gebe mich der Hoffnung hin, daß in Uebereinstimmung mit den Vertretungen der Landwirth- {aft in nicht allzu ferner Zeit ein Gesetz, welhes diese Verhältnisse regelt, zu stande kommt und vom Reichstage, wohin es gehört, ver- absd;iedet wird.

Dann hat Herr von Mendel die Seuchenfrage besprochen. Ich muß es ablehnen, auf die Vorschläge, die er rücksihtlich der Bildung der Verseuhungsgebiete gemacht hat, hier näher einzugeben. Ich will nur allgemein das wiederholen, was ich son wiederholt ausgeführt habe. Die landwirthschaftlihe Verwaltung befindet sich hinsichtlich der Handhabung der Seuchenpolizei stets in einer schwierigen Lage. Aus den Bezirken, wo die Verseuhung bereits einen größeren Umfang angenommen hat, führt man Klage darüber, daß das polizeilihe Ein- greifen niht energisch genug sei, daß man mit viel rigoroseren Mitteln vorgehen solle, und die den verseuchten Gebieten benahbarten Gebiete beklagen si über die Präventivmaßregeln, die nah der Richtung hin getroffen werden. Es ist chwierig, auf diesem Gebiete Maßnahmen zu ergreifen, die der Zustimmung aller Betheiligten erfreuen. Man wird \ich damit abfinden müssen, daß von der einen oder der anderen Seite Beschwerden geführt werden. Die Handhabung der Seuchenpolizei is an die bestehende Gefeßgebung gebunden, innerbalb deren Rahmen die Verwaltung ihre präventiven und fonstigen Maß- nahmen zu ergreifen hat. Solange nicht geseßlihe Aenderungen ein- treten, werden wesentlihe Aenderungen im Vorgehen der landwirth- \chaftlihen Verwaltung kaum erwartet werden dürfen.

Meine Herren, dann is der Arbeitsnahweis besprochen. Ih gehe auf die betreffenden Darlegungen nicht weiter ein, weil die Er- rihtung von Vermittelungsstellen für Arbeitsnachweis von den land- wirthshaftlihen Veriretungen überall in die Wege geleitet wird. Ih hoffe, daß auf diesem Gebiete , befriedigende Refultate erreiht werden.

Herr von Mendel hat dann die Tuberkulosefrage im allgemeinen , im wesentlihen aber vom sanitären Standpunkt behandelt. Jh möchte anheimgeben, die Frage beim Kultus-Etat erneut anzuregen. Ich erkenne an, daß die Frage von der allergrößten Bedeutung ift. An mir liegt es nit, wenn in der Bekämpfung noh nicht energischer vorgegangen ist. Soll das geschehen, fo erfordert das fehr umfang- reie Geldmittel, welche allein aus Staatsfonds niht zu übernehmen sein werden. i

Dann hat Herr von Mendel das Fleishshaugeseß behandelt. Ih glaube, es is hier nit ter rihtige Ort, auf diefe Frage einzugehen, da ein entsprehender Gesehentwurf dem Reichstage vorliegt und, wie i boffe, dort in einer auch den landwirthshaftlihen Interefsen ent- sprehenden Form ¿ur Verabschiedung gelangen wird. Die Herren von der agraren und konservativen Seite sind in der Kommission des Reichstages vertreten, und es wird dort der Ort sein, wo die Ge- sichtêpunkte geltend zu machen sind, welche Herr von Mendel hervor- gehoben hat.

Mit dem von Herrn von Mendel aufgestellten Gesichtspunkt, daß bei Erlaß dieses Gesezes der leitende Gesichtépunkt sein und fest- gehalten werden müsse, daß das ausländische Fleisch, wenn es in den deutshen Verkehr tritt, niht günstiger gestellt werden darf wie die inländische Produktion, muß ih in vollstem Umfang mich einver- verstanden erklären. (Bravo! rets.) Diesen Standpunkt halte ih für so unanfehtbar, daß ih nicht daran zweifle, daß sowohl Reichstag wie Reichsregierung an diesem Gesichtspunkt bei Emanierung dieses Gesetzes festhalten werden. (Bravo! rets.) i

(Sé(hluß in der Zweiten Beilage.)

Unterricht in den ländlichen

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M 23.

Berlin, Donnerstag, den 25. Januar

900.

C E P

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Meine Herren, ich muß es mir versagen, auf das S@lußresumé des Herrn von Mendel näher einzugehen. Soweit es sih bezog auf die s{wierige Lage dec Landwirthschaft im allgemeinen, auf die Mittel zur Abkbilfe, namentli auf dié Mittel, die zu ergreifen sind auf dem Gebiet der Verwendung von Maschinenkraft, bei- der Arbeiternoth u, st. w., bcfinde ich mich im wesentlichen in Uebereinstimmung mit Herrn von Mendel. Auch ih glaube, daß die Landwirtbschaft alle Veranlassung hat, dur Koaliticn und bei dem Großzgrundbesiß, der kräftig genug ift, es selbst zu machen, mit allen Mitteln dahin zu streben, daß durch Verwendung der Maschinenkraft eine mehr und mebr zu erreihende Unabhängigkeit von dem Arbeitermangel erstrebt wird, und ich möchte mit Herrn von Mendel glauben, daß hier noch außerordentli Großes geleistet werden fann.

Uebrigens wird die Verwendung von Maschinzn, besonders auch elektrisher Kraft von der landwirthshaftlihen Verwaltung thunlichst gefördert. Es sind auch bereits größere Erfolge erzielt, die ih hoffent- lih bald erweitern.

Bedauern muß ih allerdings au mit Herrn von Mendel, daß die Verwendung der Maschinen dadur besonders erschwert wird, daß die Kosten der Maschinen sih erheblich gesteigert haben, und ebenso muß i anerkennen, daß vielfah mangelhafte Erträge der Landwirthschaft auf den Mangel an genügendem Betriebskapital zurückzuführen sind. Auch hier wird die Verwendung von maschireller Kraft vielfah daran scheitern, daß für diese Zwecke die nothwendigen Mittel in dem er- forderlihen Umfange der Landwirthschaft nit zur Verfügung stehen.

Zum Schluß möthte ih mich dahin resümieren: ih gebe mi der Hoffnung hin, daß mit der Zeit und mit ernstem Streben die schwierige Lage, in welcher sich die Landwirthschaft befindet, sih aus eigner Kraft unter ausreihender Staatshilfe allmäßlih ändern wird.

(Bravo!)

Abga. von Sanden- Tilsit (nl.) kann nicht anerkennen, daß dieser Etat besondere Mehrleistungen für die Landwirthichaft enthalte, da vieles, was tarin stehe, gar nicht der Landwirthschaft allein zu ute komme. Der Landwirth\chafts-Minister müsse scinen ganzen

irfluß aufwenden, damit die Landwirthschaft bei dem Abschluß neuer Pape mebr berüdsihtigt werde, als bei den bislerigen.

ie Spezial-Kommissare seien mit Arbeiten überlastet und müßten oft bis in die Nacht hinein arbeiten; es werde deshalb eine Vermehrung diéser Beamten stattfinden müssen, wenigstens in seiner Heimath. Die Renténgutsbesit-r, fährt der Redner fort, müfsen vom taat in jeder Beziehung geschüßt und unterstüßt werden, denn fie bilden die beste Grundlage für den Landwirthschaftsstand. Den Arbeitern muß die Erwerbung einer eigenen, wenn auch noch so fleinen Scholle er- wögliht werden, dann wird auch die Leutenoth verschwinden, unter welcher die mittleren und kleinen Landwirthe am allermeisten leiden. Den kleinen Landwirthen muß Gelegenheit gegeben werden, [ih höhere Kenntnisse zu erwerben, denn bei dem heutigen Betrieb der Land- wirthschaft sind höhere Kenntuifse unumgänglih. Daher muß das landwirthschaftlihqe Fortbildungs\hulwesen eifriger gefördert und mit mehr Staatsmitteln unterstüßt werden als bisher. Dur praktische Experimente sollte das Interesse der Swcüler in den Fortbildungs- \{ulen geweckt werden. Die Industrie verdankt ihren Aufshwung wesentlich der Förderung des technischen Unterrihtswefens. Mit den landwirthschaftli*ßen Wintershulen könnten gute Ec- folge erzielt werden. Die Landwirthschaft im Often könnte dur Absperrung. der russisßen Grenze vor der Maul- und Klauenseue bewahrt bleiben; es werde darüber getlagt, daß die Sperrmaßregeln niht überall gleihmäßig gebandbabt werden. Gegen die Benachtheiligung durch den amerifanishen Fleish- import müsse ich Deutichland garz energisch wehren. Wie auch von der Remontierungskommission anerkannt werde, bessere sih die

Qualität der Pferde fortdauernd. Der Nedner bespricht ferner die

Lage der Geflügelzucht und bittet um Vermehrung der Meliorations- techniker, da manhe Meliorationen und. Flußregulierungen unter- blieben, weil es an Beamten fehle. Beiträge zu den Kosten solcher Arbeiten könne man von den Provinzen und Gemeinden nit ver- langen, die Provinzialverwaltung müsse nothwendige Arbeiten aus Mangel an Mitteln dite. und daß die Gemeinden noch weiter belastet werden, sei ganz unmögli. Deshalb müßten die Provinzialdotationen erhöht wzrden. Der Redner fragt weiter, cb cine Tarifermäßigung für Obst in Waggonladungen zu erwarten fei, und bemerkt zum Schluß : Herr Dr. Hahn hat uns ganz ungerechtfertigter Meise angegriffen. Unsere Abstimmung betreffs der Kornhausgenoffen- schaften, des Börsengeseßes hat unsere Stellung ¿ur Landwicthschaft gezeigt. Man kann ein sebr guter Landwirth sein, braucht aber des- wegen noch nit alle Ansihhten des Herrn Dr. Hahn zu haben.

Abá. Sch mit - Düsscldorf (Zentr.): Die landwirthschaftliche Lage ist heute noh ebenfo ernst wie vor vier Jahren, wenn auch, wie Herr Rickert behauptet, dec Preis der Güter gestiegen ist ; denn es Tfommt auch vor, daß Güter ohne Rüdksiht auf Rentabilität gekauft werden. Den landwirthschaftlihen Kreijen drängt sih das Empfinden auf, daß die weitere Entwickelung der Industrie sich auf Kosten der Landwirth» \ha|t vollzieht. Dagegen muß sich die Laadwirtbshaft auflehnen. Am Anfang des vorigen Jahrhunderts gehörten 80 9/0 vnserer Be- vöikecung zur Landwirthschaft, jeßt noch nit ganz 30 0/0, Wir müssen uns das Beispiel Goglands vor Augen halten, wo die Landwirth- schaft gänzlih dur die Industrie verdrängt ist. Ich möchte den Land- wirtbafts-Minister um Polizeiverordnungen über die Beschaffenheit der Ställe bitten, ia denen namentli die Pflasterung der Fußböden mit Ziegelsteinen vorgeshrieben werden müßte ; dadurch Lkônnte auch den Seuchen vorgebeugt werden. Die Bestimmung des Margarine- geseßes über die Trennung der Verkaufsräume wird fälschlich dahin ausgeleat, daf eine Trennung dur einen bloßen Laiten- vershlag aenüge. Eine große Gefahr droht uns durch die kolossale Steigerung des Margarine-Imports von Holland. Das game A muß beschleunigt werden durch Ein- tellung neuer Beamten, es leidet jeßt unter dem Mangel an Beamten. Auch bei den Eisenbahnbauten muß das Interesse der Landwirthschaft wahrgenommen werden. Dec Ministec sagt, ‘aß auch die landwirth- schaftlichen Kreise selbs Lastzn übernehmen sollen. Habea sie denn das nicht hon reihlich gas Wir haben im Westen Gemeinden, die €00 °/ Steuerzuschläge zu tragen haben. Gerade die deutsche Landwirthschaft hat stets den Kopf hoh gehalten und mit Energie sih vorwärts zu bringen gesucht. Wenn es der Regierung niht am guten Willen fehlt, so wird die Landwirthschast {ließlich wieder vie Stellung einnebmen fönnen, die ihr gebührt. i

Geheimer Regierungsrath Dr. Mueller erwidert auf eine Aeuße- rung des Vorredners, daß es bedenklich sei, die Hypotheleustatist.k wieder wie früher zu veröffentlichen, da aus derselben dann falshe Schlüsse in Bezug auf den Kredit der Landwirtbschaft gezogen werden könnten

Abg. Freiherr von Eynatten (Zentr.) bemängelt den Schulen; wenn sich diefer Unterricht sogar auf die Raumlehre erstrede, so \chieße das

über das Ziel hinaus. Die Knaben auf dem Lande könnten in der Familie Nüßlicheres thun, als bis zum 14. Jahre die Schule zu besuGen und dann in die JIndustrie- städte zu gehes. Tie dur die Kleinbabnen erschlossenen Zechen ziehen auf weite Entfernung die Arbeiter an si. Je schwieriger die Lage der Landwirthichaft i, desto härter werden die Fälshungen der land- wirtßschaftlihen Produkte empfunden. Beim Abschluß . der Handels- verträge muß der rheinisch2 Gemüsebau vor dem holläadishen Import geshüßt werden. Hoffentlich kommi endli au einmal das Wasser- gelep damit wir zu einem befriedigenden Zuftand unserer Flüfse ommen. Abg. Dr. Hirs ch (fr. Volksp.): Auch wir erkennen die s{chwierige Lage der Landwirthschast an, aber nit als bekehrte Sünder, sondern wir haben ftets zugegeben, daß die Landwirthschaft unter der Preis- bildung und dem Arbeitermangel {wer leidet. Aber wir können nicht darin einstimmen, daß die Nothlage allgemein sei und die Landwirth- ¡haft auf die Staatshilfe angewiesen set. Wir meinen, daß die Millionen Landwirtbe, wenn sle zusammenstehen und nicht verkehrte Mittel anwenden, wobl über die Nothlage hinwegkommen könnten, selbst- verständlich auch mit Beihülfe des Staa1s, Unser Landwirthschaft2- Ministerium stammt aus dem Ihnen (ret) fo unangenehmen Jahre 1848; damals betrug dessen Etat nur 4 Millionen, 1890 betrug er 11 Millionen und jeyt 27 Millionen. Man kann also nicht behaupten, daß der Staat es an Fürforge für die Landwirthschaft fehlea läßt. Daß die Lage der Landwirthschaft in legter Zeit noh \{lechter geworden szi, darüber [äßt sich streiten, denn die Zahlen der Einkommensteuer besagen das Gegentheil. Wenn man darüber klagt, daß der Werth von Grund und Boden zurückgegangen sei, so darf man doch nicht vergessen, daß au kein anderer Erwerbs- zweig irgeid welhe. Garantie vor Schwankungen hat. Was hat das zu bedeuten, wenn Herr von Mendel erwähnt, daß in der Landwirth- \chaft 30 Millionen Mark investiert seien? Das i} ein ganz falscher Ausdruck. Hineingesteckt ist doch niht dieses Kapital, diese Zabl bedeutet den gegenwärtigen Werth der Landwirthschaft, aber nicht das, was seiner Zeit dafür aufgewandt ist. Die Landwirth- schaft kann noch garniht so {lecht stehen, denn sonst würden die Landwirthe selbst nit imaer noch zukaufen. Wie fann man da sazen: die Landwirthschaft ift am Ende, nun {but cure Hände auf, damit sie erhalien werde ? Unter den Mitteln zur Abhilfe der Notklage der Landwirthschaft unterscheidet man die gecoßen und die kleineu Mittel. Zu den großen Mitteln rechnet män die Hebung der Preise dur die Zölle beim Abschluß der Handelsverträge. Ja, if denn die Landwirthschaft ganz állein im Lande vorhanden? Wenn wir exportieren wollen, müssea wir au von anderen Staaten faufen. Wir können unsere Fndustrie- produkte nit an das Ausland verkaufen, wenn wir ihm nicht Lebent- mittel abkaufen. Die Echöhung der Getreidezölle s{ädigt unsere Arbeiter doppelt, als Konsumenten und als Produzenten, denn fie steben beute zum größten Theil in der Industrie und müsffsea mit darunter leiden, wenn unsere Exportindustrie zurückzeht. Die allgemeine Stimmung im Lande ist gegen die Erhöhung der Getreidezôlle, und die Regierung sollte es si doppelt überlegen, ehe fle diesen ver- bängnißvollen Schritt thut. Was die Leutenoth betrifft, so haben die Konservativen seiner Zeit die Bestrafung des Kontraktbruhs in den Antrag Gamp aufgenommen, und heute fordert Herr von Mendel ein Vorgehen auf diesem Gebiete. Das anhaltisch2 Gese Über den Kontraktbruh habe ih das leine Zuchihausgesez nennen höôcen, und dieses Gescy empfiehlt uns Herr von Mendel ais Muster. Ein Landwirth schreibt in der „Rostecker Zeitung“: „Glaubt man die Land - ust der ländlichen Arbeiter dadur aufzuhalten, daß man sie s{chlechter ehandelt, als die anderen Arbeiter behandelt werden?“ Die Konser- vativen wollen den ländlichen Arbeitern vie Rechte nehmen, die ihre Brüder in der Industrie haben. Die Gewerbe-Jaspektion müßte auf

die landwirthshaftlihen Betriebe ausgedehnt werden, um die Miß--

stände in biesen Betrieben aufzudecken und zu befeitigen. Wenn Sie dem Arbeiter nit volle Freiheit geben, werden alle Mittel nicht helfen, um ihn auf dem Lande festzuhalten. Man fragt sich. wie die preußtsche Regierung und der preußische Landtag über Freizüzigkeit und Koalitions- ret bestimmen können, denn das ist doch Reichssahe. Der Uebergang zum intersi‘en Betriebe nüßt der Landwirthschaft au nihts, denn je intensiver sie arbeitet, desto mehr Arbeiter braucht sie. Den An- säßen des landwirthschaftlichen Etats timmen meine Freunde niŸt nur zu, sondern befürworten auch die Echöhung einiger Fonds. Wir legen das größte Gewicht auf die Entwickelung dec Intelligenz. Das neue Jahrhundert hat die Aufgabe, den mittleren und kleinen Land- wirth in die landwirthschaftliße Wissenschaft einzuführen. Darum müssen wir das ländlihe Schulwesen weiter fördern und ausbauen, anstatt die ländlihe Jugend dem Raubbau zu Gunsten augenblicklihec Bortheile für die Landwirthschast auszuseßen. Nur cine auf Seibst- bilfe begründete Organisation kann diefes hohe, \{chöue und wichtige Gewerbe wieter ia die Höhe bringen. s

Abg. Freiherr von Wangenheim (konf.): Ih muß dabei bleiben, daß für die Landwirthschaft mehr in diesem (Etat hâtte gesehen müssen Wenn man die sich nicht eigentlih auf die Landwirthschaft beziehenden Titel abzieht, bleibt nicht viel für die Landwirtbschaft übrig. Die Landwirthschaftskammern lassen es nit daran fehlen, zu thun, was sie können. Den General-Kommissionen fehlt es an Beamten, die tchnisch und wirthschastlich genügend geshult sind. Wenn man solche Beamten beranbildet, foll man sie aber auch dauernd in diesea Stellungen erhalten und nicht wiede herausnehmen, denn jeder Perscnalwechfel ift verhängnißooll. Die Verlegung der General-Kommission von Frankfurt nach S:cttin würde ih empfehlen. Mit der Anstellung eines banktehnishen Re- visors bin ih einverstanden, bitte aber den SNinister, daß endli etwas von der Regierung auf dem Gebiete d?:8 ländlichen Kcedit- wesens geschieht. Wir find in den Landwirthshaftskammern seit Jahren mit der Erörterung dieser Frage beihäftigt, und theoretish) ist fie geklärt, es bedarf aber des praftischen Vorgehens. Die bisherigen Maßregela gegen die Seuchen haben diese nur für den Augenblick eingesränkt. Die Tuberkulosegefahr muß uns veranlassen, die s{chärfften Maßregeln gegen die {ôn ausfehenden KFleishpräparate aus Amerika zu ergreifen, Die Viehzubt muß bessec gefördert werden, der kleine Landwirth ist niht in der Lage, sh der Viehzut ordentlich zu widmen. Zu Meliorationen und Kultivierungsarbeiten fehit es der Landwirthschaft an den nötbigen Kräften. Ih würde mi freuen, wean die Regierung geneigt wäre, im Often große Moorflähen zu erwerben, um den praktischen Nahweis zu führen, wie der Betrieb auf fultivierten Mooren geführt werden kann. Der Dis- positionsfonds des landwirthshaftlihen Mtnist:rs hätte ganz gut um eine Million erhöht werden können, ohne daß damit zu viel gesehen wäre. Jch freue mi aber, daß auch der Pc:ovinz Posen eine Zuwendung gemaht werden foll. Bezüglich der Ve- gulierung der |chlesishen Gebirgeflüsse ift eine Aeußerung des Herrn von Mendel mißverstanden worden; er hat sih nuc dagegen aus- gesprot;en, daß die für solhe Zwecke verwendeten Summen als Ver- wendungen für die Landwirthschaft angerehnet werden. Ich fürchte, daß man bei der Regulierung des Oderstromes wiederum Dben an- fangen wird; dann wären die unteren Ansiedler wieder am schlimmsten daran und müßten dagegen en!s@ieden PÞpro- testieren. Erfreulich it mir, daß die Bari bei Herrniiadt reguliert werden soll. Zur Förderung der hôßeren Bildung auf land- wirthschaftlichem Gebier würde ih die Erri%tung eines Lehrstuhls für Landwirthschaft an der Universität Greiféwald empfehlen. Mit

R S do I t Gi rf R uüd :n8 ra den Transaktiionen im Domanialbesiz bin ih einverstanden, aber man muß mit den Käufern sehr vorsichtig seia. Die Forstverwaltung follte niht grundfäßlih nur Grundsftüde faufen, deren Baumbestand vorher devastiert ist. Eine E: }ezunz dec Spannarbeit durch Maschinenarbeit is vielfach unmöglich; anders wäre es, wenn Elektrizität in den Dienst der Landwirthschaft gestellt wecden förnte. In den Jahresberichien der Landwicthshaftskammern steht allerdings, vaß ein momentaner Aufshwung der Landwirthschaft stattfindet, abec wie lanye decselbe dauecn wird, weiß niemand. Größere Ab- hilie kann nur der Staat bringen, Wir würden die Leutenoth nicht in dem Maße haben, wenn wir ntcht beim Zuckerbau u. |. w. eine größere Anzahl Leute brauchten. tg Gothein hat neulich über die Söhne der Landwirthe gesprohen, die in der \chlimmsten Weise ruinierten, was die Väter erworben Haben. Das ift mit das Bedauerns- und Tadelnswertheste, was wir haben, aber Herr Gotbein soll sich auch einmal die Verhältnisse unter den jungen Leuten ia kaufmänaischen und Banfkkreisen ansehen. Wenn es einmal darauf anfommt, den Staat zu \{üBten, werdea es wieder die Landwirthe sein, die an erster Stelle stehen. Herrn Gothein gebe id zu, daß die Eisenbahneinnahmen die s{hwerste indirekte Steuer darstellen, die wir haben; aber während von den Eisenbahnen alle Volkskreise Vortheil haben, is das beim Kanal durchaus nicht der Fall. Was wir an Staatshilfe für die Land- wirthschaft fordern, bewegt sh in fehr beschetdenen Grenzen. Besonders bei den lezten Handelêverträgen find wir es ge- wesen, die Opfer zu bringen hatten, nun könnte auch einmal ein anderer Stand an unsere Stelle treten. Industrie und Landwirth- schaft müssen freilich ¿usainmengehen, aber die Fndustrie kann fich be- liebig ausdehnen, und wir müssen zunächst wünschen, daß die inlän- dishe Industrie den inländisch-n ‘Markt befriedigt. Ist das gesehen und vergrößert die Jadustrie thren Export, so können wir allerdings in die Lage kommen, daß wir den Export nur bis zu einem gewissen Grade \hügen können. Wir fordern duraus nicht eine Staatsgarantie für den Werth des Grund und Bodens. Ein großer Theil der kleinen Bauern erzielt aus seinem Besiy nicht einmal mehr den Verdienst eines Ar- beiters. Und jeder wicthsaftlihe Betrieb, der dauernd unrentabel ift, wirkt \Hließtih unmoralish. Einverstanden bin ih damit, daß feine Latifundien entstehen, auf denen die persöaliche Einwirkung des Besitzers au8geshlossen ist. Uasere Arbeiter sind in hohem Grade daran interessiert, daß fch die Getreidepreise in mittleren Grenzen halten. Davon haben auch die Arbeiter in der Industrie den größten Vortheil. Wir verlangen gewiß feine Ausnahme- geseße gegen die Arbeiter, aber das muß do jezder vernünftige Mensch zugeben, daß ein Arbeiter, der einen Bertrag mit einem Arbeitgeber abschließt, gezwungen ist, diesen Vertrag zu halten, Wenn ich au Vorsigender des Bundes der Landwirthe bin, fo erkenne ih doch an, ia wie fleißiger und unpartetisher Weise von den Land- wirthschaftskammern gearbeitet wird. Sie sorgen für höhere Bildung auf landwirthschaftlißem Gebiet, und ich kann den Herren links nur empfehlen, an diesec Ausbildung theilzunehmen, dann werden fie R im stande sein, etwas sahverständiger über die Landwirthschaft zu reden.

Um 4 Uhr wird die weitere Berathung auf Donnerstag

11 Uhr vertagt.

Varlamentarische Nachrichten.

Dem Hause der Abgeordneten is nahfstchender Geseß- entwurf,betreffenddieErweiterungdesStaatseisenb ahn- neyes und die Betheiligung des Staats an dem Bau einer

-Eifenbahn von Treuenbrießen nah Neustadt a. Dosfse

sowie von Kleinbahnen, nebit Begründung zugegangen: O

Die Staatsregierung wird ermächtigt : :

1. Zur Herstellung von Eisenbahnen und zur Be- \{chaffung der für dieselben erforderlichen Betriebsmittel, und zwar :

a. zum Bau von Haupteisenbahnen: 1) von Gleiwiß nah Emanuelsegen mit Abzweigung nah Antonien-

hütte die Summe von . 4 466 000 Æ

2) von Herford nah Bün ¿ 1160000 , ) von Osterfeld nah Hamm i. Westf. die Summe von 18 200 090 , von Saualgesheim nah Münster a. Stein

Theilftrecke auf preaßishem Gebiete die

Summeivon-.ch «a s Sea

einer Verbindung von Mombach über Kostheim

nah Bischofsheim mit Anschlüssen an die Bahn- hôfe Curve und Mainz behufs Ergänzung und

Erweiterung der Bahnhofsanlagen bei Máinz *

von Preußen zu erbauender Theil

a. von Mombhach nah Kostzeim die Summe von ; 5 469 000 A g. von Kostheim nah Bischofs-

heim die Summe von . . 1339000 „_ b. zum Bau von Nebeneisenbahnen:

von Pogegen nah Laugszargen die Summe von von Fozonnisbura nah Lößen die Summe von

2 188 009

fe)

6 799 000

1 707 000 4 651 C00 von Karthaus i. Westpr. nach Lauenburg i. Pom. die Summe von Í 4 710 000 von Glowno (Posen) nach Janowiy die Samme yon A 4 648 000 5) von (Nachod) die 4 843 000

Summe von : 6) von Christianstadt nah Grünberg i. Schlef. die

2130000 , 1 894 000

Summe von 7) von Forst i. L n2' Guben die Summe von . 8) von Querfurt nach Vißenburg die Summe von 1130000 9) von Treffurt nach Hörschel (Eisenach) die Summe von 3 175 000 10) von Münter a. Deifter nah Nenndorf (Bad) die Summe von . . 2 190 000 11) vos S{warmftedt naŸ Wahnebergen (Verden) i die Summe von. .... «‘ 2 900 000 2 490 000 2 829 000 7508 009 ,„ 5 346 000 , 6696 000 ,„

12) von Kiel nah Osterrönfeld ¡usammen . . , 91660000 M,

Summe von . 13) von Vilbel naH i. Hessen) die Summe von 14) von #innentrop nah Meschede (Wennemen) mit Abzweigung nah Fredeburg die Summe von 15) von Koblenz nah Mayen die Summe von . 0, zur Beschaffung von Betriebamitteln I]. zur Betheiligung des Staats an dem Bau etner Eisenbahn von Treuenbrießzen nach Neustadt a. Dosse durch Uebernahme von Aktien

die Summe von

die Summe von