1900 / 34 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 06 Feb 1900 18:00:01 GMT) scan diff

anwalt fkonftatiert, daß die Verftöße auf dieser Zehe ganz ungeheuerlich gewesen seien. Man hat in den Arbeitszetteln Radierungen vorgenommen, um die Entdeckung zu verhüten. Die Gewerke find nicht bestraft worden, sondern bloß die Betriebsführer und nur mit* rafen. Diese Vorschrift dexr Gewerbeordnung muß entschieden abgeändert werden, wenn sie fortgeseßt in so hohem Maße übertreten wird, obwohl fie doch nur ganz mäßige Schuß- maßregeln vorschreibt; eine fortgesezie bewußte Uebertretung di ser Vorschriften muß mit Gefängniß bestraft werden. Den Revier- beamten trifft- keine S(huld, heißt es; weshalb, wird nit gesagt. Ich bitte dringend, daß hier im Plenum ausfügrlich nahgewiefen wird, weshalb ihn keine Schuld trifft, obwohl er doch Veranlassung gehabt hat, zu warnen. Im vorigen Jahr ift hier die Frage der Betheiligung von Arbeiterdelegirten an der Kontrole erörtert worden. Es ift sehr bedauerlih, daß die Regierung diesem bereh- tigten Wunsche niht-nahkommt, da- es doch..um Erhaltung von Leben und Gesundheit der Arbeiter handelt. Daß die Grubenbesißer, wie der Minifter gemeint hat, dieser Arbeiterdelegirten sh bei der ersten Gelegenheit entledigen und fie Gn würden, ift ein Vor- wurf, den sh die Grubenbesißer hoffentlichß niht gefallen laffen werden. Die Beamten mögen noch mehr Befugnisse erhalten, aber neben thnen müssen Männer der wirklihen Arbeiterpraxis bei der Berginspektion betheiligt sein. Finanzielle Opfer werden hier nicht gefordert; je mehr Unglüdsfälle verhindert werden, defto höher sind die Tantiòmen der Direktoren.

Abg. Dr. Sch ul-Bohum (nl.): Die Informationen, aus denen Herr Dasbach \{öpft, find sehr lückenhaft und unzuverlässig. Ueber die jugendlichen Arbeiter ergeben die Zeugenaussagen gerade das Gegentheil dessen, was hier ausgeführt worden ift. Es hat sih auh niht um Ordnungswidrigkeiten gehandelt, welhe sh Betriebébeamte hätten zu Schulden kommen lassen; vor Gericht hat nit ein solcher ge- Fanden, sondern der Redakteur der sozialdemokratishen ,Berg- und Hütten- arbeiter-Zeitung“. Die vorgekommenen Ordnungsverleßzungen fallen sämmtlich den Bergarbeitern selbft zur Laft. Und nun kommt Herr Dasbach und häuft unter dem Schuß der parlamentarischen Redefreiheit solche ehrenrührigen Vorwürfe auf die Grubenbesißer und ihr Verwaltungs- personal. Mir fehlt es an einem parlamentarischen Ausdruck für ein jolhes Vorgehen. Wie follen die Arbeiter zu den wiffsensck aftlichen und technishen Kenntnissen kommen, die erforderlih find, um die fo verantwortungsvolle Aufsicht in den Bergwerken wahrzunehmen ? Die Aufsihtsbeamten" müssen das Vertrauen beider Parteien, der Arbeit-

eter und der Arbeiter, besißen, und solhe Vertrauensmänner beider arteien find die Arbeiterdelegirten nit.

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld :

Meine Herren! Daß in einem so ausgedehnten Bergbaubetrizbe wie es der preußishe Bergbau, namentlich der preußische Kohlen- bergbau ift, Uebertretungen der bergpolizeilihen Vorschriften vor- kommen, das ift cine beklagenswerthe Thatsache, die wir aber niemals ganz aus der Welt {hafen werden. (Sehr richtig!) Daß solche Ueber- tretungen bäufiger vorkommen, wenn der Verkehr eine aufsteigende Nichtung nimmt, daß sie am bäufigsten vorkommen, wenn die Kohlen- förderung, die Koblenproduktion eine fieberhafte ift und die Klagen Äber die Kohlennoth aus allen Theilen des Landzs ertönen, darüber darf man \sich auch nicht wundern. Die Aufgabe der Regierung ift es, durch ihre Bergaufsicht, soviel möglich, zu verhindern, daß solche Uebertretungen ftatifinden, und wenn sie ftattgefunden haben, dafür zu sorgen, daß die entsprehenden Bestrafungen eintreten.

Nun glaubt der Herr Abg. Dasbach der Regierung den Vorwurf machen zu müfsen, daß sie in dieser Beziehung ihrer Aufgabe nicht vollständig gerecht geworden wäre, und hat zu dem Zweck Bezug ge- nommen auf die Vorgänge bei den Zehen „Borussia®* und „Unser Frig“. Daß bei der Zehe „Borussia“ die von ihm gerügten Unord- nungen vorgekommen sind, ist eine Thatsah?, die ih niht bestreiten will, die ih meinerseits au nur bevauern kann. Die Revierbeamten haben die Aufgabe, bei ihren Befahrungen der Gruben nicht vorher fih anzumelden, sofern dies niht dur die Umstände geboten ift. Häufig ift es bei ausgedehnter Befahrung dur die Umstände geboten; soweit das nicht der Fall ift, foll die Befahrung eine unvermuthete sein. Das war schou bisher Vorschrift. Aus den Vorgängen bei der Zeche e Borussia“ habe ih aber den Anlaß genommen, nunmehr in einer detaillierten Verordnung im Einzelnen vorzuschreiben, wie bei den Be- fahrungen seitens der Revierbeamten und künftig auch seitens der Gin- fahrer verfahren werden foll.

Gs ift also vorgeschrieben, daß der Regel nah die Befahrung nit vorher angekündigt werden foll; nur wenn besondere Gründe vorliegen, namentlichßh wenn die Autdehnung der Befahrung es noth- wendig maht, daß eine Begleitung des einfahrenden Beamten durch einen Grubenbeamten ftattfindet, soll eine Benachrichtigung statt- finden, damit dieser Beamte zur Stelle ist. Das soll aber thunlichit unmittelbar vorher gesehen. Nur dann, wenn die Befahrung morgens früh beginnt, \soll die Benachri®tigung am Abend vorher stattfinden dürfen; sont soll das erft an demselben Tage geschehen.

Gs ift dann ferner vorgeshrieben, daß bei der Befahrung selbst diejenigen Punkte, die befihtigt werden sollen, niht vorher, soûdern erft, wenn die Befahrung beginnt, mitgetheilt werden sollen, daß ferner während der Befahrung des einen Punktes keine Mittheilung darüber gemalt werden foll, welher andere Betriebêpunkt demnächst befahren werden soll; das soll erft geshehen, wenn die Befahrung des erften Betriebspunktes erledigt worden ift. Es ift endlih vorgeschrieben, daß da, wo Vershleierungen von unregelmaßigen Zuständen nahweisbar hervortreten, in unna§hfichtiger Weise gegen die Beamten eingeschritten werden foll. (Bravo!)

Damit glaube ih, meinerseits das Meinige gethan zu backen, um folhen Unordnungen, wie fie in der Zehe „Borussia“ vorgekommen \ind, vorzu- bengen. Im übrigen mache ih darauf aufmerksam, daß gerade die Be- - rieselung der Gruben, die, wie der Herr Dasbah das richtig angeführt hat, von sehr großer Bedeutung für die Sicherung des Betriebes ift, auf meine Veranlassung in den leßten Jahren allgemeia durchgeführt worden ift, zum theil auch gegen den Widerspruch der Grubenbesigter. Ich glaube also, an der nöthigen Fürsorge hat es meinerseits niht gefehlt.

Ich mö@hte tann ferner noch hervorheben, daß derjenige Betriebs- führer der Grube „Borussia“, unter dem die erwähnten Unordnungen vorgekommen find, inzwishen auf Veranlaffung des Revierbeamten seine Stelle niedergelegt hat, und ein anderer an seine Stelle ge- treten ift.

W28s nun die Unordnungen auf der Zehe „Unser Fritz“ anbetrifft, fo bestehen si: also darin, daß dort eiae Bes äftigung der juagend- lichen Arbeiter über die vorgeschriebene Zeit stattgefunden hat, Das ifft von dem NRevierbeamten zuerft wahrgenommen worden in einer Reihe leichter Uebertretungen, die ihm nur den Anlaß zu einer ent- sprehenden Verwarnung an den Grubenvoistand gegeben haben. Es wäre wohl rihtiger gewesen, wenn er {hon damals mit Bestrafungen vorgegangen wäre, was ihm auch zu erkennen gegeben ift.

Ich muß aber hervorheben, daß es sih damals nur um leichtere Ueber- tretungen handelte, bei denen man allerdings annehmen konnte, daß

eine Verwarnung vorläufig genügen würde. Die {wereren Ueber- tretungen, die naher Gegenftand der gerihtlihen Verhandlung ge- werden sind, fallen in die Zeit, nahdem diese Verwarnung stattgefunden hatte. Jm übrigen ift aber der Betriebsführer der betreffenden Zeche, unter dem diefe Unorduungen vorgekommen sind, entlassen worden. Was die Strafen anbetrifft, die seitens des Gerichts verhängt worden sind, so enthalte i mih darüber eines Urtheils, und ih glaube, Sie werden diese meine Auffassung billigen.

Das sind also die thatsählihen Vorgänge, und das ift die Stellung, die die Regierung diesen Vorgängen gegenüber eingenommen hat.

Nun hat der Herr Abg. Dasbach aus diesen Vorgängen den Schluß gezogen, die Regierung müsse den Standpunkt, den sie bisher hinsihtlich der Frage der Betheiligung von Arbeiterdelegirten an der Bergaufsicht eingenommen habe, ändern und nunmehr mit der Einführung sol{her Arbeiterdelegirten vorgehen. Meine Herren, ih habe nit die Absicht, an - dem Standpunkt, den ih im vorigen Jahre hier ausführlih dargelegt und begründet habe, gegenwärtig eine Aenderung eintreten zu lassen, und ih glaube: Sie werden das auch billigen. Das Institut der Ein- fabrer ift erft jeßt zur Einführung gekommen ; sie sind noch nit alle angestellt; erft 35 Stellen sind gegenwärtig, zum theil erft eben, beseßt worden; die übrigen 15 werden noch zur Beseßung gelangen, weil es nicht so sehr leiht ist, die entsprehende Zahl \solher Beamten aus den Betrieben der Bergwerke der Staats- und der Privatbetriebe herauszulösen. Erft wenn dieses Institut der Einfahrer zur Dur(h- führung gekommen und wirksam geworden ift, erft dann kann über- haupt die Frage entstehen, ob es angezeigt if, Arbeiterdelegirte bei der Aufsicht zu betheiligen. Denn darüber sind wir ja im vorigen Jahre alle einig gewesen, daß der Arbeiterdelegirte unter keinen Umständea selbständig einfahren, sondern nur in Begleitung des Einfahrers seinen Dienst verrichten dürfte. j

Also zunächst müssen wir, wie ich im vorigen Jahre erklärt habe, abwarten, bis das Institut der Einfahrer vollständig durchgeführt und wirksam geworden ift. Erst dann stehen wir vor der Prüfung der Frage, ob es angezeigt ift, mit der Einführung von Arbeiter- delegirten vorzugehen, Daß man dabei aber mit großer Vorsicht ver- fahren muß, das habe ich bereits im vorigen Jahre ausführlih auseinandergeseßt, und daß es am allerverkehrtesten wäre, damit gerade in denjenigen Bezirken vorzugehen, wo seitens der Grubenverwaltungen, Widerstand gerade der Einführung einer solchen Art der Aufsicht entgegen- gesetzt wird, das habe ih im vorigen Jahre ebenfalls nachgewiesen. Ihbin der Meinung, wenn man einen Versuch machen will, muß man ihn dort machen, wo auf einen solhen Widerstand nicht zu renen ift, also bei den Staatsgruben, wo außerdem in den vorhandenen Arbeiteraus\chüfsen die Möglichkeit gegeben ift, solhe Arbeiterdelegirten ohne besondere Wahlen einzuführen.

Ich bin in dieser meiner Auffassung, meine Herren, noch bestärkt worden dadur, daß ih es nit unterlassen habe, mich zuglei darüber zu informieren, wie nun die Einrichtung von Arbeiterdelegirten in Belgien, wo sie bekanntli ers im Jahre 1897 eingeführt worden ift, fich bewährt hat. Darüber if eine gedruckte Mittheilung vor- handen in der Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen; sie ift ziemlich ausführliher Natur. Es wird darin im Dctail ausein- andergeseßt, welche Mängel si bei der Sache geltend gemacht haben, wie man sih bemüht hat, diese Mängel zu überwinden, wie es erft allmählih gelungen ift, den Arbeitern das richtige Verständniß für die Einrichtung, die Vorschriften und ihre Bedeutung beizubringen, daß sie sich nach und nach in die Sache hineingewöhnt haben und die Sache jeßt besser funktioniert, als es ursprünglich der Fall war. Die Aeußerung \chließt mit folgendem Passus:

Es wäre verfrübt, wenn man {on heute sagen wollte, ob die Institution die erwarteten Erfolge zeitigen wird. Das Berichts- jahr war kein glüdcklihes; s{chwere Unfälle haben stattgefunden. Nur die Zukunft kann die Erwartungen, die man hegt, be- stätigen.

Also Sie sehen, meine Herren, hier is das Ergebniß der Er- fahrungen, die man dort gemacht hat, durhaus geeignet, uns auch zu bestimmen, nit vorshnell in der Sache vorzugehen, sondern erft dann vorzugehen, wenn erftens die Vorbedingungen für die Wirksamkeit einer solhen Einrichtung geshafen worden sind und zweitens, wenn wir den genügenden Anhalt haben, daß sie nothwendig if und sich bewähren wird. (Sehr rihtig!) Das ist der Standpunkt, auf den ih mi im vorigen Jahre gestellt habe und den ih auch jetzt feft- halte und bei dem ih glaube, auf die Zustimmung des Hauses rechnen zu dürfen. (Bravo !)

Abg. Lohmann-Ottweiker (nl.) meint, daß nur die aus dem Bergaufsichtsdienft hervorgegangenen unteren Bergbearnten, nit solhe aus den Gewerkschaften im stande seien, sahzemäß die Bergpolizei zu führen. Die Bergpolizeiordnung dürfe nur mit greßer Vorsikt fest- gelegt werden, sonst käme man zu etner gefährlihen Schablonisiecung. Die großen Unternehmer thäten gut daran, ihrerseits die Gruben in einen folhen Zustand zu bringen, daß Verordnungen überhaupt über- flüssig wären. Allerdings gebe es unter ibnen auch rüdckständige Elemente, wie auf der Grube „Unser Frit“, die dann von den Sozialdemokraten dem ganzen Bergbau an die NRoXshöß? gehängt würden. Wolle der Arbeiter mitwirken, so möge er es für fich thun, nit in Verbindung mit der Bergpelizei. Das \chließe niht aus, daß er über Mißstände gutachtlih gehört werde. Zu solchen Mittheilungen müßten die Arbeiter ermuntert werden, denn naturgemäß babe der Mensch eine Scheu, seine Ansihten dem Arbeitgeber gegenüber zu äußern. Das Beispiel Belgiens und Frankreihs in Bezug auf die Verwendung von Arbeiterdelegirten sei für uns niht ermunternd. Die Bergauffiht würde dadur nur zu agitatorishen Zwecken gemißbrauht werden. Es würde sich empfehlen, allmonatlih die Grukte von Arbeitervertretern befahren zu lassen und ihre Berichte entgegen- zunehmen, wenn nicht hiervon Agitationen zu befürchten wären. Zur

Zeit müfse man es deshalb bei dem Bestehenden bewenden laffen und ruhigere Zeiten abwarten.

Abg. Dr. Hirsch (fr. Volksp.) weift darauf hir, daß nichts mebr den Unfrieden zwischen Arbeitgebern und Arbeitern shüre, als die Mängel in den Schutvorriht1ngen, Die Mitwirkung von Arbeiter- delegirten bei der Uafallverhütung werde von der gesammten Berg- arbeitershaft gewänscht, niht bloß von den sozialdemokratischen Bergarbeitern. Jn einem Jahre habe die Zahl der Todten im Berg- betriebe 1000 betrazen, wie amtlich konstatiert sei. Wie könne man es da den Arbeitern verdenken, wenn sie auch dazu beitragen wollten, daß ihre Frauen und Kinder nit ihrer Ernährer beraubt würden? In Eng- land, Frankreich und Belgien, wo Arbeiterdelegirte angestellt seien, sei die Zibl der Unfälle bedeutend geringer als in Preußen. Die Arbeiter würden manches in den Gruben bemerken, was von den Auf- | 2. An wissenschaftliher Vo1bildung seien die Revierbeamten selbstoerständlih den Arbeiterdelegirten überlegen, nicht aber in Bezug auf prakiishen Blick und Intelligenz, was be- fonders in England anerfannt werde. Bergarbeiter, die 25 Jahre die Gruben befahren haben, verständen doch siherlich etwas von der Sache, und in England hätten fie thatsählih durch ihre Anzeigen Grubenunfälle verhütet. Die Arbeiter hätten ja viel-

sihtäbeamten übersehen werde.

| leiht in mancher Beziehung gesündigt, die Hauptshuld an den Unglüdsfällen trügen aber die Arbeitgeber, und es würde sehr viel zur Beruhigung der Bergarbeiter beitragen, wenn man ihre bh tigten Wünsche na Anstellung von Arbeiterdelegirten erfüllte. Der Redner beshwert fih: dann- über die zahlreihen Ueber- und Neben- \hichten. Warum führe man nicht in ggnz Preußen - die in Wests falen üblihe 8-Stundenshiht ein? Die lange Schhich!dauer in diesen gefährlichen, gesundheits\{ädlichea Betrieben erkläre großentheils die bohe Zahl der Unfälle. Die Aufmerksamkeit und geistige Spannkraft würden durch eine zu lange Arbeiszeit erschöpft. Arbeitgeber und Arbeiter sollten sich verftändigen. Das sei au in einem Falle bei Einführung der 8-Stundenshiht und beim Bau von Arbeiterwohnungen (abehen. Wie stehe es mit den Arbeiterausshüssen? Es würde si empfehlen, die Arbeiterdelegirten aus Arbeiteraus\chüfsen zu entnehmen. In den Berç - Gewerbe- erihten u. f. w. säßen jeßt {hon Arbeiter, ohne daß daraus ein

aden erwahsen wäre. Die Heranziehung der Arbeiter zu derartiger Thätigkeit sei das beste Mittel, die Arbeiter der Sozialdemokratie abwendig zu machen. Die Unternehmer betrachteten \sih aber als Herren, die Arbeiter als Untergebene, und fie wollten : zwischen fih und die Arbeiter keine andere Instanz einschieben lassen. Die Erfahrungen, welhße mit den Arbeitern in den Gewerbe- gerihten gemacht worden seien, sprähen auch für ihre Zu- ziehung zur Bergbau-Aufsiht. Man behaupte, die Löhne der Bergarbeiter seien erheblih gestiegen. Geftiegen seien in dem ftaat- lien Betriebe die Erträge sebr erhebli, die Löhne dagegen nur um 2 bis 6%/6. Die Löhne in Westfalen seien doppelt so boch wie in Sélesien ; die ersteren entsprähen nur dem wirklihen Bedürfniß, und man folle die Löhne nit herabseßen, wenn die Konjunkturen sich ver- \{lechtern. Die Hauptsache aber }ei eine geordnete Arbeitervertretung unter Berücksichtigung der Würde der einzelnen Persönlikeit.

Abg. Ißmer (freikons.) weist darauf hin, daß die Bergarbeiter- lôöbhne fehr bedeutend gestiegen seien. Der Etat für das Jahr 1900 nehme an Mehrausgaben für Löhne 5 620 030 in Ausficht. In dem Bergamtsbezir? Breslau und anderen Bezirken seien die Lohn- fteigerungen größer als tie Steigerungen der Materialpreise, ein Beweis dafür, daß die Arbeiter an den Vortheilen der Preis- steigerung theil genommen hätten. Die Löhne müßten aber so bemessen werden, daß sie niht von der Konjunktur abhängen, damit fie nicht fielen, sobald auch die Preise der Produkte fallen. Die vom Abg. Bri empfohlene Verkürzung der Schichtdauer sei praktisch undurhführbar, da sie die Leistungen des Bergbaues vermindern würde. Eine intensivere Leistung würde die Bergleute mehr ermüden und ihre Aufmerksamkeit mehr abschwähen als eine längere Arbeits- zeit. Zur Beaufsichtigung des Bergbaues gehörten theoretishe Kennt- niffse, vor allem Kenntniß des Grubenplans, wenn man niht Ursache und Wirkung verwechseln wolle. Auh die Wetterkenntniß erfordere fehr eingehende Studien unter Anwendung mechanischer Werkzeuge. An Gelegenheit zur Erwerbung dieser Kenntnisse fehle es niht. Der Besuch der Bergschule sei unentgeltlich und diese auch den Berg» arbeitern zuzänglih. Neuerungen in der Bergaufsicht sollten niht ein- geführt werden, solange die Resultate der bisherigen niht vorläzen.

Abg. Schmieding (nl.) warnt vor der Verallgemeinerung ein- zelner Mißstände, wie es der Abg. Dasbah gethan habe. Arbeiter und Arbeitgeber, führt er aus, haben genau dasselbe Interesse an der Verhütung der Unfälle. Meinungkunterschiede bestehea bei der Auf- iht nur hinsihtlich der Methode und Organisation. Eine aus Wahlen bervorgegangene Bergpolizei ist von Uebel. Die Bergwerks- besiger follen unabhängig sein nah oben und nach unten. Es liegt im Interesse der Arbeiter, daß die Lohnbewegung eine langsame und ftetige ist. Die Bergwerksbesitzer haben ein warmes Herz für ihre Arbeiter; es bedurfte deshalb der Mahnung des Abg. Hirsch garnicht ; sie haben freiwillig gethan, wozu die soziale Geseßgebung die anderen Arbeitgeber erst gezwungen hat.

Abg. Dasbah: Der Minister hat meine Angaben bestätigt. Auf der Zeche „Unser Friy“ sind Ueberftunden vorgekommen; jugend- lide Arbeiter baten ohne ausreihende Pausen bis 18 Stunden tägli gearbeitet im Widerspru mit der Gewerbeordnung. Es hat Nie: mand zu Gefängnißstrafe verurtheilt werden können, fondern nur zu Geldftrafe, weil die Gewerbeordnung nur Geldstrafe vorsieht. Jch habe nichts Unwahres vorgetragen, sondern nur Zeugen“ ausfagen angeführt. Nur wenn man Mißstände verheim- lit, werden die Leute wild. Die Herren sollten sich freuen, daß auch Nichifozialdemokraten diese Mißstände zur Sprache bringen. Statt dessen thut Herr Schultz so, als wiegelte ih die Leute auf. Er findet keinen Auedruck, um mein Verfahren zu charakterisieren. Ih finde einen Auédcuck, um sein Verfahren zu carakterisieren; ih finde in demselben eine unerhörte Verwzchselung der Thatsachen. Um festzustellen, ob die Berieselungsvorrihtungen richtig siad, braucht man niht Physik und Chemie, sondern zwei gesunde Augen oder nur eins oder gesunde Hände. Auch hierin hat sich Hzrr Shuly einer Ver- weselung der Thatsachen schuldig gemacht.

Abg. von Bockelberg (kons.): Herr Hirsch thut so, als ob er der einzige Arbeiterfreund wäre. Jh bewundere feinen Muth, mit dem er die Aufsicht in seinem Sinne ausgestalten will. Im Bergbau ist eine Strafdisziplin unumgänglih nothwendig, und diese würde ge- fährdet, wenn man die Polizeiauffiht den Arbeitern unterftellen wollte. Wäre ich Bergarbeiter, so würde ih nach der Rede des Herrn Hirsch sagen: Gott shüße mich vor meinen Freunden. Es käme ein agita- torishes Element in den Bergbau, das nicht erwünscht wäre. Unpraktishe Vorschläge haben auch bei den bestzn Ab- sichten keinen Werth. Die Einfahrer müfsen Beamtengualität, auéreihcende Vorbildung und eine nach oben und unten unabbärgige Stellung haben. Ift das niht der Fall, so wird nit Beruhigung, sondern Beunruhigung unter die Arbeiter getragen. Der Norntalarbeitstag if eine sozialdemokratische Forderung und mag in Westfalen am Platze sein. Jn Schlesien würde eine so intensive Arbeit niŸht diejelbe Leistung zeitigen, dort sind 10 Stunden nöthig. Unfälle find gerade in den ersten Schi&tstunden eingetreten, in denen von Uebermüdung nicht die Rede sein karn. Wären die Bergarbeiter- lôhne gering, so würden die Leute si niht zum Bergbau drängen. Wir wären froh, wenn fie fih mehr der Landwirthschaft zuwendeten.

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:

Meine Herren! Ih möchte noch auf zwei Fragen, die der Herr Abg. Dr. Hirsh an mich gerichtet hat, eine kurze Antwort geben.

Die erste betraf die Thätigkeit der sogenannten Stein- und KoblenfalliKommission. Diese Kommission ist vor eineinhalb Jahren von mir speziell zu dem Zweck eingeseßt worden, um genau zu unter- suchen und Vorschläge zu machen, wie der besonderen Betriebsgefahr, die bei dem Stein- und Koblenfall entsteht, vorgebeugt wird. Diese Gefahr ift sehr groß. Es entfallen thatsählich auf den Stein- und Kohlenfall 409/64 sämmtlicher Unfälle, also weit mehr als auf die \{lagenden Wetter, auf die uur 11% entfallen. Es ift deshalb in der That von großer Bedeutung, einmal der Frage naHhzugehen und praktische Vorschläge entgegenzunehmen, wie dieser Gefahr vorgebeugt wer- den kann.

Die Kommission ift zusammengeseßt aus praktishen Bergleuten, aus Staatsbeamten, aus Privatbeamten, es find auch Unterveamte, au praktische erfahrene Arbeiter hinzugezogea worden, welche ihre Grfahrungen in der Kommission verwerthen soklen.

Diese Kommission verfähit sehr gründlih. Sie befährt sämmt- lihe Gruben, weil bei jeder einzelnen Grube besondere Umstände, be- fondere Verhältnisse in Betracht kommen und für jede Grube also besondere Vorschläge gemaht werden müssen. Das“ dauert geraume Zeit. Deshalb hat die Kommission ihre Thätigkeit, obwohl sie bereits seit anderthalb Jahren fungiert, noch nickt zum Abschluß gebracht. Ich hoffe aber, daß fie in der Folge gute Früchte bringen wird.

Die zweite Frage, die der Herr Abgeordnete stellte, bezog sih auf die

Ueberschichten. Er nahm darauf Bezug, daß ih früher bereits erklärt habe, es lieze in meiner Absicht, die Frage näher zu untersuhen, ob

niht einem Yebermaß von Uebershihten dur polizeiliche Vors- *

schriften vorgebeugt werden könne. Diese Untersuhung if für das Ruhrrevier von mir veranlaßt worden; es is ein Entwurf aufgestellt und berathen worden von Vertretern der Grubenverwaltungen unter Leitung des Ober-Bergamts. Bei diesen Berathungen stellte sih aber heraus, daß zunächst das Maß der Ueberschihten, das thatsählih ver- fahren wird, niht so groß war, als man annahm. Es stellte sih beraus, daß béi Umrechnung auf acht Stunden pro Kopf und Monat zwei Uebershihten \sich ergeben, also für jeden Arbeiter für den ganzen Monat zwei Uebershihten! Daraus folgt nun noch nicht, daß niht doch durh eine Uebermüdung von einzelnen Ar- beitern Unfälle herbeigeführt werden können; diese Frage bleibt also Gegzenstand der Untersuhung, Es wurde aber darauf aufmerksam gemacht, daß es vor allen Dingen wesentlich wäre, in der Unfall- statistik bei der Untersuchung der Unfälle näher nahzuweisen, in welhem Yausalen Zusammenhang die Unfälle namentlich bei Stein- und Kobhleufall stehen mit der thatsählihen Beschäftigung in den Ueber- \hichten, ob der einzelne verunglückte Arbeiter in einer Uebershiht thätig gewesen if oder in einer Schicht, die unmittelbar auf eine Ueberschicht gefolgt ift, sodaß man annehmen kann, daß ein kausfaler Zusammenhang zwischen Unfall und Uebershiht vorhanden ift. In dieser Hinsit wurde nun anerkannt, daß es zunähst nöthig sei, bierüber weiteres Material zu beshaffffen, um eine bessere Beurtheilung dieser Frage zu ermöglichen.

Die Beschränkung der Uebershichten hat aber auch ihre Kehrseite, und besonders in der Gegenwart, wo wir ja in der Koblenförderung niht den ungeheuer wachsenden Ansprüchen genügen können, wo wir fogar so weit gekommen sind, daß die Beschaffung der Betriebskohlen für die Staatsbahnen auf Schwierigkeiten ftößt. Ich habe deshalb geglaubt, unter diesen Umständen diese Frage niht überstürzen zu dürfen, vielmehr zunähft das Material, das diese Frage betrifft, ver- vollständigen zu müssen.

¿ kenf.) fürhtet, daß die vom Abg. Hirsh vor- nig S Simo tg Arbeiter S die Sotialderpteatie| ftärken und den sozialen Frieden stören würde. Die Zahl der Unfälle habe zwar ftetig zugenommen, aber das fei nur ein Bewcis dafür, daß die Segnungen der sozialen Gesetzgebung statistisch zu Tage ge“ treten seien. Die Schwere der Unfälle habe zweifellos abgenommen. 1000 Todte seien eine große Zahl, aber es komme doech auf den Prozentsaß an, und diefer sei gefallen. Die Aufsicht müßten un- abhängige Leute führen, niht Arbeiter, die thäten, was ihre Organisation ihnen vorsreibe.

Das Kapitel wird bewilligt.

Um 4 Uhr wird die weitere Berathung auf Dienstag, 11 Uhr, vertagt. (Außerdem Etat für Handel und Gewerbe.)

Statistik unnd Volkswirthschaft.

Die Wohlfahrtseinrihtungen der „Bergischen Stahlindustrie“.

Das Herzogthum Berg, ein Theil des rechtsrheinischen Gebiets der Rßeinprovinz, ift die Heimath der meiften Kleineisenwaaren. Werkzeuge aller Art, Scheren, Schlittschuhe 2c. werden ganz besonders in Remscheid und seiner Umaegend in einer fast unübersehbaren Zahl kleinerer und größerer Schmieden und Schleifereien hergest:[lt. Neben der blühenden Kleinindustrie, der die Regierung durch die musterhaft eingerichtete und geleitete Lehrwerkstätte in Remscheid verständnißvoll Unterstüßung gewährt, is im Laufe der leßten Zeit au die Großindustrie auf den Blan getreten, w-lhe binfihtlih der Arbeiterfürsorge vermöge ihrer Kapitalkcaft und Ocganifationsfähigkeit dem Kleine und Mittelbetrieb überlegen ift. : i E

Cine der hervorragendften Vertreterinnen der Großinduftrie ift die „Bergiihe Stahlinduftcie*“ in Remscheid, eine Gefell schaft mit beschränkter Haftung. Sie beschäftigt, wie wir der „Sozial- Korr.* entnehmen, gegenwärtig etwa 1480 Arbeiter und ein ansehn- liches Kontingent von Beamten. Mit Hilfe ihrer Arbeitershaft vermag die Gesellshazft niht unerbeblih über das von der Gesetzgebung Ver- langte in den Leiftungen der Versidberung hinaus zu gehen. Die Be- triebskrankenkafse gewährt ihren Mitgliedern, soweit sie wenigstens 6 Monate ihr angehören, 39 Woten, alîo dreiviertel Jahr, volle Unterstützung, d. h. freie ärztlihe Behandlung und Arzneimittel neben einem Krankengeld von 50 9% des Tagelohnes. Au auf die Angehörigen der Arbeiter erstrecken ih die Vortheile der freien ärztliden Behandlung, die Apotheke ist für diese zur Hälfte frei. Die Niederkunftsunkoften der Ehefrauen der Arbeiter fallen gleihfalls der Betriebskrankenkafse zur Last. Sterbegeld wird auch beim Tode der Frau, der Kinder und der im Haushalt lebenden nahen Verwandten

ezahlt. Für die Heilung Lungenkranker und die Erholung Genesender

L die Fabrikkrankenkasse, eine besondere Unterftüßungskafse und die Geschästskafse unmittelbar im leßten Jahre 2412 Æ erlegt. Es wurden Patienten bezw. Rekonvaleszenten nah Lippspringe, Honnef, Aachen, Burtscheid und in andere Kurorte gesandt.

Um eine möglihf schnelle und sahzemäße Behandlung der vor- kommenden Unfälle zu sihern, hat die Gesellschaft eine besondere Unfallftation errichtet, in welchwer ein ftoatlid geprüfter Heilgehilfe unablässig anwesend ist. Außerdem sind 17 dur einen Kassenarzt im Samariterdien auszebildete Arbeiter zu sofortiger erster Hilfeleistung in den Werkstätten bereit, während eine weit größere Anzahl Leute durch die alljährlich im Winter abgehaltenen Samariterkurse auch \chon vorgeshult sind. Die Unfallftation tellt übrigens dem ge- sammten Publikum Remscheids ihre Dienfte in weitherziger Weise zur Verfügung. Die Station ist mit 26/Stellen des Werkes durch Ferne fprecher verbunden. :

Eine Arbeiter-Pensions-, Wittwen- und Waisenkafse bat die Fabrik- leitung bei threr Gcündung mit 100 009 Æ dotiert, Beiträge zu der- selben werden nicht erhoben, sondern das Geschäft hat ihr eine Reihe von Speztaleinnahmen von Anfang an überwiesen. Im leßten Jahre bezogen 11 pensionterte Arbeiter, 18 Wittwen und 20 Kinder ins- R 7791 M Eine Kasse für außerordentliche Unterstüßungen, n welche ¿. B. au alle Strafgelder fließen, gewährt unter Um- ftänden, z. B. bei längerer Krankheit, ZusWuß zur Miethe oder weitere B:ifteuer zur Heilung von Familienangehörigen, sendet folche

B. in Kurorte, Kliniken 2c. Za militärishen Uebungen einberufene Fetten erhalten für ihre Familien festgeseßte regelmäßige gungen. j ür jugendlich?: und unverheirathete Arbeiter bis zu 25 Jahren ift in der Fabrik der Spar¡wang eingeführt. Von jeder Löhnung werden mindestens 5 °%/ einbehalten und bei der ftädtishen Sparkasse augelegt. Die Sparbeträge sind feftgeseßt bis auf weiteres bei einem rbeiter von E Jahren auf O pro 1/2 monatl. Löhnung

16 1,—

17 1,20

18 1,40

19 1,60

20 1,£0

- 21 « « . Ms F e

Nach dem 21. Jahre bleibt der ‘Mindestbetrag 2 X pro Löhnung. Es fteht jedem Arbeiter frei, au bôhere als die feftgeseßzten Beträge einzablen zu laffen. Die „Bergische Stahlinduftrie* fügt zu den Zinsen der ftädtishen Sparkasse 2 %/ vom ersparten Kapital als Prämie

hinzu.

Die freie Verfügung über das Sparkafsenbuch erbält der Sparer mit Beendigung des 25. Lebensjahres oder drei Wochen nah geshehenem Austritt aus der Beschäftigung bei der „Bergishen Stahl- industrie“. Ferner kann der Sparer darüber auch bei Gründung eines Hausftandes verfügen. Bemerkenswerth ersheint die erfreulihe That- sahe, daß die Zahl der Sparer, welche sih freiwillig an der Spar- einriGtung betheiligen, im steten Wachsen begriffen ift und überall die Neigung hervertritt, höhere Beträge zur Einlage zun bringen, als die angeführte Skala es vorschreibt. .

Von den 1480 Arbeitern besaßen 729 Sparkafsenbücher und zwar waren 387 zwang8mäßige und 342 freiwillige Sparer, welche zusammen ein Guthaben von 92103 #4 hatten. Von den insgesammt seit dem 1. Oktober 1887 wieder abgehobenen 221 410 A wurden etwa 40 000 wegen erfolgten Austritts aus der Arbeit, 20 030 4 zur Begründung eines eigenen Hausfstandes, 20 000 A zum Erwerb eines Häuschens, 43 000 ( bei dringendem Bedarf im Haushalt und 4000 G während der Militärdienfstzeit der Sparer zurückgezogen.

Um den Arbeitern Gelegenheit zu geben, in mannigfahster Weise ibre Rechte wahrzunehmen und vor Verluften, die nur zu leiht aus Unkenntniß der Gesetze hervorgehen, fich zu süßen, ift eine stets zu- gängliche Auskunftsstelle in der Fabrik eingerichtet, wo ih die Arbeiter kostenlos und ohne Ginbuße an Zeit Rath holen können. Die An- gestellten der Ausekunftsftelle find zu ftrengster Vershwiegenheit ver- pflichtet. Steuer-, Versicherungs- und Militärangelegenheiten ftehen oben an, Mieth-, Armen-, Straf-, Bau- und S@ulfachen kommen aber au häufig zur Erledigung.

Zur Bekämpfung der Wohnungsnoth und zur Seßhaftmachung der Arbeiter wurde {hon 1885 in Remscheid eine Gemeinnützige Bau- gesellschaft gegründet, welher die „Bergishe Stablindustrie“ im Interesse ihrer Leute ein Darlehn von 30 000 4 gewährte. Bis heute hat die Baugesellschaft 71 Häuser zum Kaufpreise von 5000 bis 9300 A im Gesammtwerth von 526825 # erstellt. Da dieser Verein aber nicht allen Anforderungen genügen kann, gewährt die Gesellschaft ihren Arbeitern unter gewifien Bedingungen auch noch direkte Baukredite. Der Werth der auf diesen beiden Wegen von Arbeitern der Gesellschaft erworbenen, allerdings noch nicht voll ab- gezahlten Häuser beträgt 355 480 4

Doch auch für die Beamten hat die Gesellshaft durh Gründung von Pensions-, Wittwen- und Waisenkafsen gesorgt. Eine sehr wohl- thâtige, bisher noch in wenigen Großbetrieben vertretene Einrichtung ift ferner die im März 1899 ins Leben gerufene Kranken-, Sterbe- und Unterstüßungskafse für die Beamten. Die Kasse is durch General- versammlungs8-Beshluß der betheiligten Beamten unter Mitwirkung der -Gesellshaft als freiwillige Kasse ins Leben gerufen worden. Sie gewährt den Beamten in - Krankheitsfällen freie ärztlihe Be- handlung, Arznei, freie Kur und Pflege in Heilanstalten und Bädern auf die Dauer von 39 Wochen nah bestimmten Sägen. Die Familienangehörigen erhalten ebenfalls freie ärztlihe Behandlung cin- {ließli ârtliher Geburtshilfe auf die Dauer von 39 Wochen; in Nothfällen können indessen auf Beschluß des Vorstands auch die übrigen, sont nur den Mitgliedern zu gewährenden Leistungen ganz oder theilweise von der Kasse übernommen werden. Das Sterbegeld beträgt beim Tode eines Mitglieds 100 4, einer Ehefrau 60 A, eines sonstigen Familienangehörigen 30 #4, bei cinem todt geborenen Kinde 10 A An monatlihen Beiträgen zahlt jedes Mitglied 3 4 und die Gesellschaft für jedes Mitglied 1,50 A Zur Sicherung der oen Betriebskoften hat die Kaffe eine Zuwendung von 4000 erbalten.

Ale geschilderten Einrichtungen haben zwar nichts Staunen- erregendes, aber sie gewähren ein gutes Bild dessen, was ein großer Fabrikbetiieb, auch ohne zu den Riesenunternehmungen zu gehören, im Interesse feiner Angestellten zu leisten vermag. Hobe Bewunde- rung verdient gewiß alles das, was z. B. Krupp, die Farbwerke in Höchst a. M., die Optishen Werkstätten in Jena auf dem Gebiet der Arbeiterfürforge leisten. Aber was diese thun, kann man bei aller Greßartigkceit kaum als Vorbild binftellen; denn es find SHöpfungen von monopolartigen Betrieben, die fast der Konkurrenz entrückt sind und daher eine ausnehmend hohe Nente abzuwerfen im stande find, während die Stahlinduftrie mit dem Wettbewerb des Jn- und Aus- landes zu rechnen hat und daher auch den anderen Unternehmungen der Großindustrie eher zur Nacheiferung vorgeführt werden kann.

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Aachen meldet „W. T. B.“ unterm 5. d. M., daß die Zahl der Ausftändigen im Wurmrevier im allgemeinen zurück- gegangen ift, insbesondere auf den Gruben „Kempen“, „Teut“, „Marie“ und „Laurweg*. Dagegen if auf der auf holländischem Gebiet belegenen, ebenfalls der Vereinigungsgesellshaft gehörenden Grube „Preck“ etwa die Hälfte der Belegschaft, und auf der der Firma Moriß Honigmann gehörenden Grube „Nordstern“ find 169 Mann in den Ausftand getreten. (Vergl. Nr. 33 d. Bl.)

Gin Arbeiterausftand hat, der „Rh -Westf. Ztg.“ zufolge, am Sonnabend bei der bedeutenden A eng enere! und Maschinen- fabrik von Fried. Spies Söhne in Barmen begonnen, Die Arbeiter hatten die Forderung geftellt, den 103ftündigen Axbeitstag auf einen 10ftündigen herabzuseßen. Dieser Forderung wucde au fofort entsprochen, bei der Lohnzahlung am Freitag aber der auf 5 Stunde entfallende Betrag in Abzug gebraht. Etwa 300 Mann haben infolge dessen die Arbeit niedergelegt.

Zum Auéstand der Formstehergebilfen Deutschlands theilt die „Leipz. Ztg.“ mit, daß, nahdem die Verhandlungen zwishen den Vertretern der Prinzipalität und der Gebilfenshaft von dem Gewerbe- geriht zu Köln a. Rb. zur Einigung geführt haben, am 1. Februar L U wieder aufgenommen worden ift. (Vergl. Nr. 295/

Die Lage in den böhmish-mährischen Kohblenrevieren ift, wie ,W. T. B.* beriŸtet, im allgemeinen noh unverändert. Doch hat der am 3. d. M. in den Werken der Staats8eisenbahngesellshaft in Resch ita ausgebrochene Ausftand am 4. d. M. dur den Anschluß weitererer tausend Mann an Ausdehnung zugenommen. Die Arbeiter fordern Herabseßung der Arbeitszeit und besondere Löhne für die Nachtarbeit. In Nürschan beshlossen die Arbeiter, auf die vor dem Einigungsamt gestellten Bedingungen der Werkbesizer nicht einzugehen, sondern im Ausftand zu beharren. Die Oderberger Röhrenwalzwerke haben den Betrieb wegen Kohlenmangels theilweise eingestellt. (Vergl. Nr. 33 d. Bl.)

Handel und Gewerbe.

(Aus den im Reichsamt des Jnnern zusammengeftellteu „Nachrichten für Handel und Induftrie“.)

Außenhandel des deutschen Zollgebietes im Jahre 1899.

Die Gesammteinfuhr in das deutsche Zollgebiet im Jahre 1899 beläuft fich auf 5 495 853 000 M gegen 5 439 676 000 e im Vorjahr, weist also gegen das Vorjabr ein Mehr von 56 177 000 A auf. Der Werth der eingeführten Edelmetalle beträgt 298 843 000 A gegen 359 030 000 4 im Jahre 1898,

Die Gesammtausfuhr erreiht einen Werth von 4 151 707 000 4A gegen 4 010 565 000 G im Jahre 1898, übersteizt also die Ausfuhr des Vorjahres um 141 142 090 A Edelmetalle sind im Werthe von 160 287 090 M gegen 253 999 000 A im Jahre 1898 ausgeführt worden. :

Bei der Werthbemessung der Ein- und Ausfuhrartikel sind die für 1898 festgeseßten Ginheitswerthe zu Grunde gelegt, sodaß sih ein genauer Vergleich mit dem Vorjahr binsihtlich der Handels- bewegung ermögliht. Die bedeutenden Zunahmen, welche sih fowohl bei der Einfuhr, als auch bei der Ausfuhr gegen das Vorjahr ergeben, müssen auf gefteigerte Ein- und Auéfuhrmengen zurückzeführt werden.

Die Werthe der wichtigsten Ein- und Ausfuhrartikel im Ver- gleih mit dem Vorjahr und ihren prozentualen Antheil am Gesammt- Ginfuhr- und -Ausfuhrwerth des Jahres 1899 ergeben die folgenden Zusammenstellungen :

I. Einfuhr. 1898

Werth in Millionen sa Mark

Schafwolle, rohe

Baumwolle, rohe .

Weizen

Gold, rob, auch in Barren

Kaffee, roher E

Gold, gemüänzt

Gerste

Bau- und Nugtzholz, gesägt; Kant- hölzer u. \. w

Bau- und Nuzholz, roh oder nur in der Querrichhtung mit Axt oder See bearbeitet

Robseide, ungefärbt

Wollengarn

Tabackblätter, unbearbeitete

Eier von Geflügel; Eigelb

Sine d schmalzartige Fett

malz un malzartige Fette . .

Chilesalpeter

ais E Guttapercha autshuk und Guttaper

Steinkoblen ..

Bau- und Nußtholz, nach der Längs- ase beshlagen u. \. w

Obst und Beeren zum Genuß, fris .

Roggen x

Eisenerze

Fleisch von Vieh, frisch und einfah zubereitet

Petroleum

Wolle, gekämmte

Maschinen aller Art

Braunkohlen

Rei

s Kleie, Malzkeime, Reisabfälle u. f. w. Oelkuchen Baumwollengarn, auch Vigognegarna . Leinsaat Rindshäute, grüne und gesalzene Wein in Fäfsern Roheisen Seidenwaaren E Häute und Felle zur Pelzwerkberei- rung; von Pelzthieren, auch Vogel- älge Federvieh, lebendes Baumwollenwaaren Palmkerne, Koprah,

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Butterbohnen

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lahs, außer neuseeländishem . . . ute ,

Blasen, Därme, Magen loretseide, ungefärbt

Bücher, Karten, Musikalien

Obst, getrocknet u. f. w

Raps, Rübsaat, Hederich- und Rettig-

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IT. Ausfuhr. 1898

9% 1899 der Ges

266,9 219,9 182,0 143,4 139,6 134,3 127,1 126,8

116,0

24,4 24,4 24,2 24,2 23,8 23,4 23,3 22,0 21,5 20,7

19,5 17,8

1899

Mark

Wollenwaaren

Baumwollenwaaren

Zucker

Maschinen aller Art

Steinkohlen

Seidenwaaren 128,8

Eisenwaaren, grobe, niht abgeschliffen 117,7

Gold, gemünizt . . 208,2

Anilin- und andere Theerfarbstofe . 72,0

Bücher, Karten, Musikalien .., . 70,8

Farbendruckbilder, Kupferstiche u. st.w. 58,0

Kleider und Pußwaaren aus Baum- wolle, Leinen, Wolle; Leibwäjche, wollene

Lederwaaren, feine

Leder, lackiertes, gefärbtes u. st. w.. .

Eisenwaaren, feine

Wollengarn .

Waaren aus ed

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Koks

Klaviere u. \. w

Porzellan u. \. w., mehrfarbig u. \. w.

Rindshäute opfen äute und Felle zur Pelzwerkbereitung, von Pelzthieren, auch Vogelbälge .

Eck- und Winkeleisen

Weizen

Waaren, grobe, aus weihem Kaut- \huck

Waaren aus Kupfer u. f. w., feine. .

Holzwaaren, feine; Holzbronze

Wolle, gekämmte j

Eisen, schmiedbares in Stäben u. f. w.

Bunt-, Gold- und Silberpapier .

Platten und Bleche aus shmiedbarem Eisen . ..

Baumwolle, robe .

Silber, roh, auch in Barren . . ..

Eisendraht

Kautshuck und Guttapercha

Mehl aus Getreide u. #. w

N Yata, auch Vigognegarn , eis

nds{huhe, lederne Papier- und Pappwaaren Tischler- u. |. w. Arbeiten, grobe . . Silefwoite, raß afwolle, ro Zink, rohes; Bruchzink

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70,6

62,2

61,1 54,5 51,2 47,2 46,7 45,2 43,0 40,8 36,8

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