1900 / 35 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 07 Feb 1900 18:00:01 GMT) scan diff

Es mag für die Herren, die so begeistert für diese Bestimmungen eintreten, darin eine gewisse persönlihe Genugthuung liegen, aber für unser Volksleben wird dabei nihts erreiht. Jch wende mich noch einmal an Jhre politishe Einsicht, ob es nicht richtiger ift, ‘das zu nebmen, worin die verbündeten Regierungen mit Jhnen einverftanden sind, oder weitere Forderungen zu ftellen, die eine Aussicht auf Ver» wirklihung niht haben. (Sehr richtig! rechts.)

Nun hat der erste Herr Redner heute gesagt, er und seine Gesinnungsgenossen würden bei ihrer Forderung stehen bleiben auf die Gefahr hin, daß die Vorlage scheitert; wenn es heute niht wird, wird es in Zukunft doch zur Grfüllung ihrer Wünsche kommen. Ih kanh gegen die Zuversicht des geehrten Herrn hier nihts sagen; man soll bekannilih auch niemals sagen, daß niemals etwas Bestimmtes geshehen werde. Aber das kann ih erklären, daß die Auffafsung der verbündeten Regierungen in dieser Frage grundsäglich so feft steht, niht getragen von Opportunitätsrüksichten, sondern von grundsäßlihen Anschauungen, daß nach meiner Ueberzeugung keine Aussicht ift, daß auf absehbare Zeit etwas im Sinne des Kommisfionsbeshluf}ses zu stande kommen wird. (Hört! hört !)

Lassen Sie mich das noh mit wenigen Worten rechtfertigen, damit niht der Standpunkt der verbündeten Regierungen so ausgelegt werden kann, als wenn wir weniger als andere Leute im Lande geneigt wären, den Werth der Sittlichkeit für das Wobl der Bevölkerung zu schäten, zu vertreten und zu wahren. Die Kommissionsvorlage, wie sie zur Diskussion steht, läßt sh nur unter folgenden Gesichts- punkten rechtfertigen, deren Berehtigung ih, weil die thatsächlihen Vorausseßungen unrichtig, allejsammt bestreiten muß. Man geht davon aus, daß zwishen dem Arbeitgeber und der Arbeiterin ein ge- wisses Pflichtverhältniß bestehe, das dem Arbeitgeber besondere Rück- \sihhten auferlege und das durch den Arbeitgeber verleßt werde, wenn er der sittlihen Ehre der Arbeiterin zu nahe tritt. Eine solche Supposition is gegenüber den thatsählihen Verhältnifsen unberechtigt. Leider bestehen derartige Pflichtverbältnifse im Arbeitsverkehr im Großen und Ganzen niht mehr. Wo sie noch beftehen, beziehen fie ih auf so enge Lebensgebiete, daß sie eine Vorschrift, wie sie hier von so allgemeiner Tragweite vorgeschlagen wird, niemals begründen können. Wir müssen unsere \trafgeseßlihen Bestimmungen aber an- schließen an das, was im Leben die Norm ift, nicht an das, was die Ausnahme bildet. Die Vorausseßung Jhres Kommissionsbeshlufses in dieser Beziehung is aber die Ausnahme und niht die Regel des Lebens.

Sodann hat der Herr Abg. Heine in seinen Ausführungen vorhin darauf zurückgegriffen, daß zwishen Arbeitgeber und Arbeiterin ein Abhängigkeitsverhältniß bestehe derart, daß die Arbeiterin bis zu einem gewissen Grade ihm gegenüber willenlos sei, daß diese schwache reht- lihe Stellung ge\chüßt werden müsse durch ein Gese dieser Art. Meine Herren, für die große Mehrzahl unserer Arbeitsverhältnisse be- ftreite ih diese Abhängigkeit. (Sehr richtig !) Jeder, der im Leben fteht, wird sich sagen, daß unsere Arbeiter jet rechtlich und, ih glaube auch wohl hinzufügen zu können, thatsählich der Regel nah fo frei stehen, daß niemand genöthigt ift, s\ch den Gelüsten des Arbeitgebers zu unter- werfen. (Sehr rihtig!)) Ich will gerne zugeben, daß in einzelnen Theilen des Landes, in gewissen vereinzelten Jnduftrien, auch in ein- zelnen sonstigen Gewerben ausnahmsweise andere Verhältnisse vor- liegen. Der Regel nah werden sie aber niht vorliegen, der Negel nah steht die Arbeiterin dem Arbeitgeber der Art gegenüber, daß sie sich seinen Versuchen sehr wobl entziehen kann, wenn fie den moralischen Muth dazu überhaupt besißt. Und diesen moralishen Muth müssen wir bei unserer Bevölkerung voraussezen. Die Vorlage der Kom- mission hat allerdings, um Einwendungen in diesem Punkte zu be- gegnen, versucht, noch eine besondere Restriktion, wenn ih so sagen soll, an die Bestimmung zu knüpfen, indem sie sagt, es müßte unter allen Umständen die Verführung, die hier \trafbar gemacht werden soll, vor sich gehen unter Mißbrauh der wirthshaftlihen Abhängigkeit zwishen Arbeitgeber und Arbeiterin. JIch bin mir bis heute noch nicht klar darüber geworden, wie in der Praxis diese Verlezung einer vermeintlihen wirthschaftlißhen Abhängigkeit nahgewiesen werden soll. Wenn Fälle dieser Art vor die Gerichte fommen, dann muß nachgewiesen werden, einmal, daß der Arbeitgeber seine Arbeiterin entweder durch Zuwendung von Vortheilen oder durch Verhängung von Nachtheilen hat verführen wollen, zweitens, daß er sie verführt hat, und drittens, darüber hinaus, als ein besonderes Thatbestandsmerkmal, das objektiv dem Richter nachgewiesen werden muß —, daß die Arbeiterin sich hier befunden hat in einer durch das Arbeits- und Dienstverhältniß begründeten wirthschaftlichen Abhängigkeit und daß diese thatsählih mißbrauht worden ift. Ich habe mir Mühe gegeben, einen Fall zu konstruieren, in welchem dem Gerichtshofe nahgewiesen werden kann, daß der Arbeitgeber der Arbeiterin nicht nur einen Verführungslohn zugewendet, sondern außerdem noch etwas gethan hat, wodurch das im Dienstverhältniß begründete wirth\haftlihe Abhängigkeitsverhältniß mißbrauht wird. Jh habe mir niht klar mahen können, wie dem Richter dieser Nachweis erbraht werden soll. Nah meiner Meinung würde der Paragraph, wenn er, so wie er hier vorgelegt ift, ange- nommen werden sfollte, in der gerichtlihen Praxis kaum eine Ver- werthung finden können. Weiter, meine Herren, liegt dem Vorschlag Ihrer Kommission der Jrrthum zu Grunde, als wenn gerade iíin dem Verhältniß der Arbeitgeber zur Arbeiterin eine besondere Abhängigkeit begründet wäre, die Angriffe auf die Ehre der Arbeiterin erleihtert, während in anderen Verhältnissen, in den

Verhältnissen insbesondere einer Arbeiterin zu Beamten und Arbeitern aus anderen Geschäften, in anderen Betriebszweigen, oder in den Verhältnifsen eines Arbeiters zu einer Arbeiterin innerhalb derselben, Arbeitsfiätte solWe Verhältnisse nicht vorlägen. Auh das ift ein thatsähliher Irrthum. Wenn Sie ih die Zustände in solchen Betrieb38zweigen wvergegenwärtigen, in denen es unvermeidlich oder hergebraht ift, daß ein Arbeiter einer Arbeiterin an die Hand gehen muß, daß fie sih gegenseitig unter- stüßen müssen, wie das z. B. in -der Textilindustrie, im Gafst- wirthschaftsgewerbe noch vielfach vorkommt, wie das bei vielen Arbeiten in der Landwirthschaft ebenso der Fall ift, in allen derartigen Arbeitsyerhältnifsen läßt sich vielfah zwishen Arbeiter und Arbeiterin eine Abhängigkeit erkennen, die nicht minder \{chwer wiegt, vielleiht schwerwiegender ift, als die Abhängigkeit der Arbeiterin gegenüber dem Arbeitgeber und seinen Beamten, denn der Arbeiter, der sch der Mitarbeiterin unsitilih zu nähern sucht, wird jeden Augenblick in die Lage kommen, der Arbeiterin ihre Stellung

geber gegenüber \o darzustellen, daß die Arbeiterin leiht in Gefahr kommt, zwishen ihrer Stellung und ihrer Ehre wählen zu müssen. Wie soll es denn nun gere@t sein in dem einen Falle, wo die Abhängigkeit von dem Arbeitgeber mißbraucht wird, den Mißbrauch zu bestrafen, in dem anderen Falle, wo die Ab- hängigkeit einem Mitarbeiter gegenüber hervortritt und von diesem zum Nachtheil der weiblihen Ghre ausgebeutet wird, den gleichen Mißbrauh fs\traflos zu laffen? Wer kann das vor der Gerechtigkeit rechtfertigen? Das heißt doch, die- selbe That, die dem Arbeitgeber gegenüber ftrafbar er- scheint, dem Arbeiter gegenüber ftraflos ersheinen zu lassen. Nun hat der Herr Abg. Heine allerdings gesagt, es käme auch zwischen Arbeiter und Arbeiterin so etwas vor, das wäre dann aber meift ein grober Scherz, während, wenn es zwishen einem Arbeitgeber und zwischen einer Arbeiterin passierte, eine {were Beleidigung der Perfönlichkeit vorliege. Ih stehe niht auf diesem Stand- punkt, ich \chäge die Ghre der Arbeiterin dem Arbeit- geber und dem Arbeiter gegenüber niht verschieden ein, fie ift für mi glei hoch, und ich wünsche, wenn sie überhaupt durch das Strafgeseß ge{hüßzt werden soll, daß fie gegenüber den vermeintlichen groben Scherzen gerade so geschüßt wird, wie gegenüber Beleidigung dur den Arbeitgeber. Wohin aber wird die Bestimmung in der Praxis führen? Jn der Praxis wird es dahin kommen, daß in folchen Fällen, in -denen der Arbeitgeber persönlich betheiligt ift, so daß man glaubt, vom Arbeitgeber selbft etwas berauss{hlagen zu können, der Weg der Strafverfolgung versuht werden wird, in den Fällen dagegen, in denen eine solche Aussicht nicht besteht, weil man nur einen kleinen Beamten oder Aufseher vor sih hat, werden die betreffenden Personen ihre Schande vershweigen. Da wird der Paragraph nicht in Anwendung gebraht werden, weil niemand ein Interesse an der Strafverfolgung zeigt und der Staatsanwalt die Sache zu verfolgen nicht in der Lage ift, bevor der Antrag auf Straf- verfolgung eingegangen ift.

Derartige Experimente der Geseßgebung können die verbündeten Regierungen niht mitmachen, so sehr sie mit dem hohen Hause dahin einverstanden find, daß auf diesem Gebiete Mißstände vorliegen, die \hwer auf der Sittlichkeit unseres Volkes laften.

Meine Herren, wenn Sie irgend einen brauchbzaren Weg der Gesetzgebung bier bezeihnen könnten, so würden die verbündeten Regierungen ihn mit Ihnen gehen, aber fie werden keinen Weg gehen, der äußerlich aussihtslos wie innerlih ungerecht ifft. So sehr sie mit Jhnen die gemeinen und verächtlihen Schurken verurtheilen, die es wagen, - die Stellung einer Arbeiterin in ihrem Geschäft derartig zu mißbrauchen, \o- werden sie do immer überlegen müssen, ob die Vorschläge, die zur Abwehr ge- macht werden, praktisch brauchbar und in sich gerecht find. Das ift von diesern Vorschlag nicht zu sagen, er is unbrauchbar, er ifi unge» recht, deshalb kann ich Ihnen nicht die Ausficht eröffnen, daß die ver- bündeten Regierungen ihre Zustimmung zu einem dahin gehenden Be- {luß des Hauses geben werden. (Bravo !)

Abg. Roeren Hentr,): S den Erklärungen der Regierung ift es ja eigentlich zwecklos, fh noch über die Ginzelheiten der Faffung zu unterhalten. Wenn der Staatssekretär die Fassung für fo kautschuk- artig erklärt, so übersieht er doch offenbar den § 825 des Bürger- lichen Gesegbuhs, der ebenfalls von dem Mißbrauch des wirthschaft- lien Abhängigkeitsverhältnisses bei Erzwingung des Beischlafes spriht. Seine Majestät der Kaiser hat am 23. Oktober 1891 in einer Kabinetsordre ausdrüdcklich ein energisches Vorgehen zur Be- kämpfung der öffentlihen Unsittlichkeit gefordert. Ein energishes Vorgehen haben aber bei der Berathung des Gesetzes die verbündeten Regierungen nur da entwickelt, wo es s|\ch um Abshwähung des- selben handelte. Diese Haltung ist um \o bedauerliher, weil alle ihre Gründe gegen ein eben so ntedriges, wie ftrafwürdiges Vergehen

nicht stihhaltig d; diese ihre Haltung muß nothwendig zu einer Ver- wirrung der sittlichen Begriffe iu der Bevölkerung führen. Die Rechts- lage ift jeßt die: Der Versuh des Verbrechens, welches wir hier treffen wollen, ist nach § 185 \trafbar; das vollendete Verbrechen ift aber ftraf- frei. Soll das so bletben ? Was die Furcht vor Denunziationen und Er- prefsungen betrifft, fo hat hon der Abg. Heine treffend auf den Majestäts- beleidigungs - Paragraphen hingewiesen. Heute genügt die bloße Anzeige der unsittlihen Handlung; nah unserem Antrage muß der Mißbrauch des Dienst- oder E angegeben und unter Beweis gestellt sein, also eine große Anzahl weiterer Thatbestands- _merkmale wird verlangt. Nun soll der Antrag eine gewisse Gehässig- keit gegen den Arbeitgeber athmen, ein Mißtrauzn8votum gegen diesen Stand darstellen. Unter diesem Gesichtspunkt müßte man doch die ganze Gewerbeordnung ebenso qualifizieren. Die Kommission hat den § 182a mit großer Mehrheit angenommen; ih bitte auch das Plenum, so zu beschließen.

Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. Nieberding:

Meine Herren, ih habe vorhin die Faffung der Kommissions- vorlage bemängelt, indem ih bemerkte, daß der Satz, der ih in dieser Vorlage befindet:

unter Mißbrauch einer durch das Arbeits- oder Dienstverhältniß be-

gründeten wirthshaftlichen Abhängigkeit für mih nit verständlih sei. Der Herr Vorredner hat über diese meine Ausführung sih gewundert, da derselbe Satz, den ih hier be- mängelt habe, \ih bereits im Bürgerlichen Geseßbuh, und zwar im § 825, befindet. Wenn der Herr Abg. Roeren die Güte baben will, die beiden Bestimmungen zu vergleichen, dann, glaube ih. wird er ih überzeugen, daß es doch nicht dasselbe ift und daß ih mit meiner Bes mängelung der Kommissionsvorlage Recht hatte. Der Paragraph des Bürgerlichen Geseßbuchs, um den es sih bier handelt, sagt ganz ein- fah, ohne Nücksiht auf Arbeiter und Arbeitgeber :

Wer eine Frauensperson . . . . unter Mißbrauch eines Ab-

hängigkeitsverhältnifses zur Verführung bestimmt, u. #. w. Ja, meine Herren, da ift das sehr gut verständlich, da giebt es nur zwei thatsählihe Momente, die nachgewiesen werden müssen : die Ver- führung und der Mißbrauch des Abhängigkeitsverhältnisses. Hier in dem Kommissionsbeshluß habe ich: zanächst das Verhältniß von Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer, zweitens die Verführung, drittens die Zuwendung von Vortheilen oder Nachtheilen, und viertens \oll daneben noch ein neues, davon unabhängiges thatsählihes Moment treten, die Verlegung einer besonderen wirthshaftliGen Abhängigkeit. Worin das letztere liegen foll, das, meine Herren, begreife ih nah wie vor niht. Wenn der Paragraph so lautete wie das Bürgerliche Geseßbuh, würde ih ihn verstehen, so kann ih ihn niht verstehen. :

Dann hat der Herr Abgeordnete sein Befremden ausgesprochen über die Tendenz, die von seiten der verbündeten Regierungen bei der Berathung dieser Vorlage beobahtet werde. Meine Herren, ih glaube, der Herr Abgeordnete hätte dazu keine Veranlaffung gehabt, nachdem die Vorlage der verbündeten Regierungen in vielen-Punkten gerade den-

so zu erschweren, ihre angeblihe geringe Brauchbarkeit dem Arbeit-

Jahre lang vertreten hat. Wenn wir bei diesem Entgegenkommen über ein gewisses Maß nit hinausgegangen sind, so sind wir uns der Gründe dafür vollkommen klar gewesen, und id habe au hier im Hause bei der erften Lesung der Regierungsvorlage ausdrücklich gesagt, daß wir bei aller Bereitwilligkeit, den Wünschen großer Parteien dieses Hauses unsere Hilfe zu leihen, doch niht in der Lage seien, im wesentlihen weiter ju gehen, als die Vorlage es ausspri@t. Wenn wir im weiteren Verlaufe der Ver- handlungen deshalb ‘Vershärfungsversuhe abgewiesen haben, so ift unsere Stellung in dieser Beziehung durchaus verständlich und konsequent.

Wenn der Herr Abg. Roeren sagt, daß diese Stellung der ver- bündeten Regierungen geeignet sei, Verwirrung im - Lande über Sittlichkeitsbegriffe herbeizuführen, so ift mir das vollends unbegreif- lich. Meine Herren, wir sind so weit gegangen, daß wir in die Re- gierungsvorlage über das Wohnen der Dirnen eine Bestimmung auf- genommen haben, die gerade aus den Anträgen der Partei des Herrn Abg. NRoeren selb|st| hHerstammt (Zurufe aus der Mitte), die et aber von seiten des Herrn Roeren bekämpft wird. Diejenigen Herren, die in dieser Weise bei einer wihtigen Frage der Sittenpolizei ihren Standpunkt fundamental ändern, sind, glaube ich, am legten berufen, uns vorzuwerfen, daß unsere Haltung geeignet sei, die Sittlichkeitsbegriffe im Lande zu

verwirren.

Abg. Dr. Esche (nl.) bedauert namens eines großen Theils seiner Freunde die ablehnende Haltung der Regierung zu § 182 a. Nach der Meinung des Redners sci die Bestrafung dieses Delikts um so nothwendiger, als es sich auch vielfach um Ausbeutung der Noth- lage, des Leichtsinys und der Unerfahrenheit handle, und diese Vor- aussetzungen zu einer besonders ftrengen Strafgejeßgebung gegen den Wuther geführt bätten. Redner erklärt sich für den Antrag Beckh, aber gegen die Anträge der \oziakdemokratisGen Abgg. Albrecht und Genofsen. Hoffentlih werde sih zwischen Regierung und Neichstag bis zur dritten Lesung eine Verständigung erreichen lafsen.

Abg. Stoecker (b. k. F.): Nicht allein die qualifizierten Aus- wüdhse, wie sie im Kupplerthum und Zuhälterthum hervortreten, find es, welche hier bekämpft werden müssen; man darf nicht nur die giftigen Dünste beseitigen wollen, sondern man muß au den Sumpf austrocknen. Wohin is} die deutshe Sittlichkeit seit Tacitus? lobendem Urtheil gekommen? Lohnverhältnisse und dergleihen wirken an der Aus- breitung dieses Abgrundes der Unsittlichkeit mit, gewtß, aber nur zu einem kleinen Theil. Die Hauptsache ift die gemeine Verführung, die bisher \traflos dafteht. - Sittlihe Menschen wollen diese Hauptquelle unter Strafe stellen. Ein Spiygbube, der in Noth nah fremdem Gelde greift, ift nichts gegen den Hausherrn, der sechs Dienstmädchen nah einander verführt, wie mir ein solher Fall genau bekannt ift. Der Staatssekretär will die wirths{haftliche Abhängigkeit nit als so stark anerkennen. Das gebe ih zu, aber die Abhängigkeit isi doch da, und darum ift dieser Paragraph ein Stück nothwendigen Arbeiterinnenschuges. Das Arbeitsverhältniß i ein Autoritäts- und ein Pietätsverhältniß; Autorität und Pietät müssen wieder hergestellt werden. Bei Dienstboten if das wirthshaftliche Ab- bängigkeitsverhältniß so n wie möglich und die sittlihe Ver- antwortlichkeit des Herrn ebenso groß wie mgÓ, Sollen nun solche Shurkereien ohne Strafe bleiben? Die Fälle {ind nicht so selten, wie die Regierung glaubt; wer im Leben steht, weiß, wie häufig das Glûd der Familien auf diese Weise zerstört wird. Diese Zustände fortbestehen zu lassen, können wir nicht auf unfer Gewifsen nehmen, möge es der Staatssekretär auf sein Gewissen nehmen. Ein Haus- herr, wie ihn der Abg. Heine und ih angeführt haben, ist \{limmer als ein Zuhälter, der verdiente Zuhthaus. Nach unserer sittlichen An- shauung sollte es für die verbündeten Regierungen eigentlih. un- möglich sein, einen solchen Antrag abzulehnen.

Abg. Dr. Stockmann (Rp.): Der größte Theil meiner Fraktion steht auf demselben Standpunkt. Wir stimmen ganz in der Tendenz mit dem § 182a überein, werden aber, wenn auch mit {chwerem Herzen, dagegen stimmen, um nicht das Zuftandekommen des ganzen Gesetze3 zu gefährden.

Abg. Bebel (Sox) führt aus: Auch bei § 182 b habe die Re-

ierung das „Unannehmbar“ gesprohen. Scheiterte jeßt die Vorlage, [o wäce es nicht das erste, sondern das dritte oder vierte Mal. Für eine Partei sei dec Paragraph der wichtigste, ohne ihn behielte das Geseg nur noh ganz geringen Werth. Wie immer dieser Paragraph abgcfaßt 1ein möchte, er wäre für die Regierung unannehmbar. Hier liege eine breite Lücke des SCe vor, Sehr überrascht habe ihn (Redner) und werde die deutshe Arbeiterklasse überrashen, daß zwischen dem Arbeitgeber und der Arbeiterin kein Pflichtverhältniß bestehe. Theoretish sei das rihtia, aber praktisch ebenso falsch, als wenn gesagt werde, der Arbeiter sei überhaupt frei. G3 sei die alte manchesterliche Bul faffung vom freien Vertrage, die hier zu Tage trete, die sonst seit mindestens zwei Jahrzehnten gänzlich überwunden sei. Die Arbeiterin sei gegenüber dem Arbeitgeber no% viel weniger frei als der Arbeiter. Die Arbeiterin könne nit so leiht ihre Arbeitsstelle wechseln, noch viel weniger den Ort, weil sie niht einfah auf. die Wanderschaft gehen könne, am wenigsten, wenn fie verheiratbete Frau sei und Kinder habe; dem müßte auch der Gesetzgeber Rechnung iragen. Die Arbeiterin müßte bei der ELEREY des Für und Wider immer die Erifeumoe ne en. Die Zustände, in denen ih z. B. die Arbeiterinnen gegenÜü dem Aufsihispersonal im Magdeburgischen befänden, seien derart, daß die Arbeiterinnen \sich den Gelüsten der Inspektoren fügen müßten. Sie würden vom Felde. aaf den Boden geschickt, wo sie allein dem Auffihtspersonal gegenüber- ständen. Füge \ih- die-Arbeiterin nicht, verlasse fie. gar die Arbeit, so kônne sie siher darauf rechnen, in der - ganzen Gegend keine Arbeit mehr zu bekommen; dieses Boykottverhältni bestehe, wenn auch die Gründe dafür niht ausgesprohen würden. Au kämen alle Augenblicke Fälle vcr, wo durch Geld die Zurücknahme der bereits ein- ereihten Klage bewirkt würde. Die beweglihe Klage, welche der furt „vor Denunziation entspringe, könne einem fo abgeschwächten Paragraphen gegenüber nicht mehr anf Beachtung Anspru O on - anlaßt, * da das arimum der Strafe nur ein Jahr betragen solle, und auch die mildernden Unstände durchgeseßt. Aber mit der Einschränkung auf Antragsvergehen, wo also nah drei Monaten keine Strafverfolgung mehr eintreten könne, werde der Paragraph nahezu werthlos. Warum das Zentrum jeyt in diesen abschwächenden Antrag willige, begreife er (Redner) nicht, es sei denn, daß das Zéntrum auf jeden Fall jeßt etwas zu stande bringen wolle. Gs handle sich um eine Ausbeutung der Autoritätostellung des Arkbkit- gebers gegenüber seiner Arbeiterin. Dieses Autoritätsverhältniß sei ein so mähhtiges, so dominierendes, daß die Arbeiterin des Schutzes des Geseyes unbedingt bedürfe.

Abg. Dr. von Levehzow (d. kons.): Die meisten meiner Partei- eunde verkennen die O der Bestimmung nicht, sind aber der einung, daß. die Nachtheile überwiegen, und werden um so mehr da-

gegen stimmen, als die Vorlag? deren Zustandekommen Sie dringend wünschen, nah den Erklärungen- des Staatssekretärs dadurch zu Falle kommen würde.

Hierauf wird ein Schlußantrag angenommen. Nach per-

önlihen Bemerkungen der Abgg. von Treuenfels und

e ckh (Coburg) wird § 182a unter Ablehnung aller Amende- ments mit s{chwaher Mehrheit angenommen. Gegen denselben stimmen die freisinnigen Partejen und fast sämmtliche National- liberale, sowie die Reichspartei und ein großer Theil der Deutschkonservativen.

Die Sozialdemokraten geen hâtten es in der Kommi

jenigen Wünschen entgegengekommen ift, die seine Partei hier im Hause

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

| Man könne diefen abusus leider auf diesem Wege nicht beseitigen.

M 35.

zum Deutschen Reichs-A

Zweite Beilage

Berlin, Mittwoch, den 7. Februar

nzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

1900.

(Schluß aus der Erften Beilage.)

Nach § 184, Nummer 1 der Kommissionsfassung soll mit Gefängniß bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe bis zu 1000 M oder mit einer dieser Strafen bestraft werden, wer unzüchtige Schriften, Abbildungen oder Darstellungen feilhält, verkauft, vertheilt und an Orten, welhe dem Publikum zu- gänglich, ausstellt oder anshägt oder sonst verbreitet, sie zum Zweck der Verbreitung hinstellt oder zu demselben Zwecke vor- râthig hält, ankündigt oder anpreist.

bg. Dr. Müller -Meiningen (fr. Volksp.) beantragt, die Worte „vorräthig hält* zu \treihen, um den deutshen Sortiments- buhhandel niht Chikanen auszusetzen.

Geheimer Ober-Negierungsrath im NReichs-Iustizamt Dr. von Tischendorf: Auf Grund der bestehenden Strafbestimmungen kann wirksam gegen die darin bezeihneten Delikte niht vor- (egangen werden; desbalb haben die verbündeten Regierungen die

rweiterung der Strafvorschrift noch dahin erweitert, daß auch die vorbereitenden Schritte, das Feilhalten, Vorräthighalten 2c. getroffen werden sollen, immer unter der Renn, daß sie unsittlichen Zwecken dienen sollen. Aus diesem Grunde if auch der eben er- wähnte Antrag abzuweisen.

Abg. Noeren ftimmt diesen Ausführungen zu und bittet ebenfalls dringend um Ablehnung des Antrags Müller. Die Verbreitung un- ¿zuhtiger Bilder und Schriften sei ungeheuer ; es gebe Fabriken, die ausfchließlich Produkte fabrizierten, wie er (Redner) sie hier auf den Tisch des Hauses niederlege. Die Abänderung des § 184 bezwedcke, der Polizei und dem Gericht hon früher, als es jeßt geshehen könne, die Gelegenheit und Berechtigung zom Einschreiten zu geben. Unter Feilhalten verstehe man das thatsählihe Anbieten an eine un- bestimmte Mehrheit von Personen; das Vorräthighalten sei ein anderer Begriff. Käme der Antrag Müller zur Annahme, so würden diese unzüchtigen Dinge niht weggenommen werden dürfen, wenn fie verpackt im Laden gehalten, statt im Schaufenster ausgestellt E, Die Besorgniß der Sortimentsbuhhändler sei ganz un-

gründet.

Abg. Dr. Hoeffel (Rp.): Der ehrlihe deutsche Buchhändler wird hier uiht getroffen. Der Handel mit obscônen Bildern und Schriften ist ein sehr einträglihes Gewerbe. Einen Angriff auf die Kunst kann ih darin nit sehen, wohl aber bedeutet die weitere Prvent auf diesem Gebiet eine große sittliche Gefahr. Als eine

räventivmaßrezel zur Ergänzung der Repressivmaßregeln auf dem ebiet der Prostitution sehen wir diese Maßregel an und werden dafür stimmen. L Abg. Heine erklärt, wenn seine Partei für diesen Passus stimme, so wolle fie damit nickt der mißbräuhlihen Sanktionierung des Begriffs der unzühtigen Schrift zustimmen, wie sie jeßt hon mehr- fah durch Richtersprüche festgestellt worden sei. Der heutige § 174 werde durch das Reichsgeriht jeßt dahin interpretiert, daß das Eiforderniß der Absicht, auf geshlechtlihe Erregung hinzuwirken, garniht mebr nöthig sei, und so sei man glücklich fo weit, daß alle möglichen ernsten Kunstwerke und Schriften unter diesen § 184 ge- bracht werden könnten. Wenn das noÿ rit gllgemein geschehen fei, fo habe das nur darin seinen Grund, weil die Polizeibehörden fich schämten, Goethe, Schiller, Shakespeare 2c. unter Anklage zu stellen,

Abg. Beh - Coburg bleibt dabei stehen, daß der Begriff ,vor-

räthig hält“ den Buchhändler sehr leiht in die Gefahr bringen könnte, auf dem Wege des dolus eventualis diesem Paragraphen zu ver- fallen. Mit dem Ausdruck „feil hält“ würde ja schon alles getroffen, was berechtigter Weise getroffen werden folle.

Damit schließt die Diskussion; die Abstimmung soll erst am Schlusse der Erörterung über die einzelnen Nummern des S 184 stattfinden.

Jn Nummer 2 wird derselben Strafandrohung unterstellt, wer unzüchtige Schriften, Abbildungen oder Darstellungen Gnee T unter 18 Jahren gegen Entgelt überläßt oder anbietet.

Abg. Dr. Müller - Meiningen beantragt, hier nah der Vorlage die Zahl 18 in 16 zu verändern. Er weist darauf hin, daß es Studenten geben könne, die sich solhe Bücher zu Studienzwecken verschaffen müßten, daß es aber auch Königliche Leutnants unter 18 Jahren gebe, die dur die Frage des Buchhändlers: „Herr Leutnant, sind Sie denn {hon 18 Jahre alt ?* gezwungen werden würden, den Buch- händler zum Duell herauézufordern. Eine solhe Bestimmung wie diese würde nur die gefährlihste Hintertreppenkolportage groß ziehen. Die Regierung sollte in diejem Punkt auch einmal fest bleiben.

Staatssekretär des Reihs-Justizamts Dr. Nieberding:

Meine Herren! Nicht weil der Herr Abgeordnete, der soeben die Tribüne verlassen hat, mi scharf machen wollte, sondern weil die verbündeten Regierungen au zu dieser Frage feste Stellung genommen haben, habe ich zu erklären, daß die Regierung auf das entschiedenfte Werth darauf legt, daß die Faffung der Regierungévorlage dur Ver- änderung des Worts 18 in 16 wieder hergestellt wird. (Hört! hört !) Ich werde keine ausführlihen Darlegungen zu diesem Standpunkt geben, das hohe Haus bat ja hon genug zu erkennen gegeben, daß es willens ift, ohne Rücksiht auf den Standpunkt der Regierung in zweiter Lesung hier die Auffassung der Majorität im Sinne der Kommissionsbes{lüfse feftzulegen.

Die Gesichtspunkte, welhe die Regierungen bestimmen , sind zweierlei Art. Einmal haben wir hier den lebhaften Wunsch, ebenso wie bei dem § 182 die Gerichte niht vor die Frage zu stellen, ob bei der einzelnen, zur Untersuhung gezogenen Sache der Angeschuldigte gewußt hat oder hat annehmen können oder darüber hat hinweggehen wollen, daß der junge Mann, an den das corpus delicti verkauft wurde, das 18. Jahr erreiht hat oder nicht. Beim 18. Jahr ift das \{chwer, beim 16. leiht.

Gs treffen nah dieser Richtung hin ganz dieselben Be- denken zu, die ih beim § 182 entwickelt habe. Ih beschränke mih hier darauf hinzuweisen. Zweitens, mèine Herren, cheint bei der Kommwissionsvorlage ganz vergessen zu sein, daß doch nicht die Mehrzahl unserer jungen Leute, die hier in Betracht kommen, also die über 16 Jahre, auf einem Gymnasium, einer Realschule oder in einem Pensionat si befinden; die Mehrzahl der jungen Leute von 16 bis 18 Jahren befinden \sich im praktischen Leben, in gewerbli {her oder landwirthshaftliher Thätigkeit, und sie sind dort Situationen ausgeseßt, die an ihre Charakterstärke und ihr Sittlichkeits- gefühl oft viel größere Anforderungen stellen können, als in den Fällen, die hier in Frage ftehen. Zur Klarftellung dieser Bestimmung muß ih übrigens dem Herrn Vorredner gegenüber hervorheben, daß es sih hier um den Verkauf von Schriften aus Läden oder im

ift ja durch die Nr. 1 dieses Paragraphen vollständig au für die jungen Leute gedeckt, hier handelt es sih um die unentgeltliche Ab- gabe unzüchhliger Schriften an junge Leute in solchen Fällen, die außerhalb des gewerblihen Verkehrs liegen. Solche Fälle können vorkommen, ih erinnere Sie an den Vertrieb von Schriften durch Hotelportiers, Leute auf den Bahnhöfen, auch sonst finden ih der Gelegenheiten viele, wo derartige Anfechtungen an die Jugend herantreten, ohne daß ein eigentlihes Erwerbögeshäft dabei mitspielt. Davor soll die Jugend geschüßt werden, aber im Sinne der verbündeten Regierungen und in Uebereinstimmung mit der grund- sählihen Auffaffung des Strafgeseßbuchs über das, was auf dem Sittlichkeitsgebiete dem Strafrichter unterliegt, nur diejenige Jugend, die noch der Regel nah in der Familienzuht und in der Schulzucht fih befindet, niht aber diejenige junge Welt, die der übergroßen Mehrzahl nach bereits ins praktishe Leben übergetreten ift, die können wir nah der Richtung hin nicht shüßen, die muß selbst Manns genug sein, in der eigenen Brust den Schuß gegen Ver- suchungen zu finden. Wenn Sie bedenken, wie der Herr Vorredner auch bereits angedeutet hat, daß wir eine Menge junger Leute haben, die vor dem 18. Jahre die Universität besuchen, daß eine Menge junger Leute in diesem Alter als Kunstshüler in Ateliers und Aka- demien fich befinden, wenn Sie bedenken, daß ein 17 jähriger junger Mann für reif erahtet wird, in die Armee einzutreten, wo unver- meidliher Weise manhe shlimmere Dinge ihm nahe kommen, als diese, wenn Ste weiter daran denken, welchen Gefahren ein junger Mann ausgesetzt ift im gewerblichen Leben, in das er doch hinein- treten muß (sehr rihtig!), er kann sogar beschäftigt sein in einem Atelier, das mit der Herstellung solher Sachen beshâftigt ift, er kann in einer Druckerei beschäftigt sein, die Bücher herftellt, welche gerade nit für die Jugend bestimmt sind, er kann als Verkäufer im Laden stehen, der mit Dingen handelt, die niht für das jugendliche Auge passen, bedenken Sie, wie an die junge Magd oder an den jungen Burschen auf dem Lande im Wirthschaftsleben manche sittlich nit unbedenklihe Dinge herantreten (sehr richtig !), denen der junge Mensch aus eigener sitt- liher Kraft gewachsen sein muß wenn Sie konsequent sind, dann müssen Sie beftimmen, daß ein junger Mensch unter 18 Jahren in Geschäften, welche sih mit der Herstellung von Schriften befassen, oder mit dem Verkauf von Schriften, die für die Jugend nit geeignet sind, über- haupt gar niht beschäftigt werden darf. (Sehr richtig!) Dahin würden / Sie mit Jhrem Vorschlage folgerihtig kommen. Be-. \hränken Sie Jhre Bestimmungen auf dasjenige, was im Leben praktis durhführbar ift, und stellen Sie niht Grund- säße auf, die zu Konsequenzen führen, welhe im Leben unbedingt Widerspruch finden müssen. Es wird vielleicht möglich sein, wenn Sie solhe Bestimmungen beschließen, und wenn die verbündeten Regierungen Ihnen beipflihten, was ih nicht glaube, ih sage, es würde vielleiht möglih sein, über manche Dinge auf sfolhe Weise äußerlich einen {Schleier zu ziehen, aber Sitte wird unter diesem Schleier nicht gedeihen, sondern Heuchelei und Unwahrheit. (Bravo!) Abg. Noeren: Der französishe Sena Deputirten, denen wir do Ma Delotigecn Wat NE L fee der Ansicht, p zum Schuß der Jugend bis zu einer noch höheren Altersstufe geseßlihe Strafvorschriften getroffen werden müssen. Gerade unseren jugendlichen Oymnasiasten, unseren 16-, 17jährigen,

kommen diefê Bilder in die Hände, und das foll s theile bleiben? O 19, vos JoV) ohne Attlide Nach

Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. Nieber d ing:

Meine Herren! Der Herr Abg. Roeren deduziert gerade so wie vorher der Herr Abg. Stoecker. Er führt uns einen einzelnen krassen Fall vor, und dann fragt er, können Sie wohl dulden, daß derartige Dinge im Leben vorkommen? Wir sind alle gewiß darin ‘einig, daß derartige Dinge unbedingt zu verurtheilen sind, aber die Herren bedenken nicht, daß es noch viel andere Sahen sind, die unter dieselbe Strafbestim- mung fallen würden, die au Sie nicht bestrafen wollen. Sie müssen die Konsequenz einer solhen Strafbestimmung nah allen Seiten ziehen, dann werden sie erkennen, daß solhe Forderungen, wie fie hier aufgestellt werden, unhaltbar sind.

Dann sagt der Herr Abgeordnete, in Frankreih habe man ein Gesez, wonach die junge Welt bis zum 21. Lebens- jahr ges{chüßt ist. Das ift rihtig, in Frankreich hat man ein Geseg erlassen, wonach die Verbreitung solher Schriften an junge Leute bis zum 21. Jahre verboten ist. Daß die Sache aber einen Haken hat, wenn Sie in diesem Punkte Frankreich und Deutschland vergleichen, wird jeder wahrnehmen, der auch nur einmal nach Paris gekommen if (sehr richtig! links) und si unter der Herrschaft des französischen Geseßes die Zuftände angesehen hat, die der Herr Abg. Roeren anscheinend als Muster uns vorhalten will! Die Zustände in Frankrei sind bei weitem s{chlimmer als bei uns. Worin liegt der Untershied? Der Unterschied liegt darin, daß in Frankreich das Opportunitätsprinzip bei der Anklage herrsht, bei urs niht. Wenn unser Volk so leihtlebig wäre, wie das fcanzösishe, und wenn unsere Staatsanwaltschaft so legdre Auf- fafsungen hätte, wie die französishe Prokuratur, und wenn wir das Opportunitätéprinzip bei der Strafverfolgung hätten an Stelle unseres Prinzips, das den Staatsanwalt unter allen Umständen zum Einschreiten zwingt, dann könnten wir solhe Geseße machen, wie sie in Frankreih gemacht sind. Solange das nicht der Fall ift, können wir auf fr anzösishe Zustände ebensowenig exemplifizieren wie auf franzöôsishes Recht. (Bravo !)

._ Nach Nummer 3 unterliegt derselben Strafvorschrift der- jenige, welher Gegenstände, die zu unzühtigem Gebrauch bestimmt sind, an Orten, welche dem Publikum zugänglich find, ausstellt, oder solhe Gegenstände dem Publikum ankündigt oder anpreist.

Abg. Dr. Rintelen (Zentr.): Die anfländige Presse hat solche \hamlosen Annoncen ftets abgelehnt; in anderen Blättern aber findet man die anftößigften Anzeigen von Büchern über Liebe und Ghe, über Beschränkung der Kinderzahl, über unerwünshten Kindersegen, über Verhütung Empfängniß u. st. w. Dem muß ein Riegel vor-

für Deutschland, vertritt. Die hat was sie bisher bezogen hat. ausgesprohen: in Abnehmer berücksichtigen und ihnen die bisherigen Quanten zusichern. Die hat aber au diese Genoffenschaft bekommen. Sie genießt auh die Vergünstigung, von der vorher die Rede gewesen ift. Dieser Ge- nossenschaft gegenüber ift doch die Rücksicht beobachtet worden, die thatsählih beobachtet werden soll und muß.

um 74 Millionen Tonnen im legten JInlandkonsum zu gute gekommen. unserer Kohleneinfuhr um 4 Millionen Doppelzentner Behauptung des Abg. Bebel im Reichstage, daß die oberschlesischen Werke Oesterr

\chidcken, hin wie liefern wollten, würde sih das

Ueber Nummer 4: „desgleichen, wer öffentlihe Ankündi- fran erläßt, welche dazu bestimmt sind, unzüchtigen Verkehr erbeizuführen“ findet feine Erörterung statt. In der Abstimmung wird mit den Stimmen der ge- sammten Rechten und des Zentrums § 184 unverändert an- enommen. E die Abänderung der Nummer 2 nah dem ntrage Müller - Meiningen stimmen auch einige wenige Mit- glieder der Reichspartei. Hierauf wird die Fortsezung der Berathung auf Mittwoch 1 Uhr vertagt. (Danach Jnterpellation der polnischen Abge- ordneten, betreffend die Handhabung der Vorschriften über die Gerichtssprache.)

Preußischer Landtag.

Haus der Abgeordneten.

17. Sißung vom 6. Februar 1900, 11 Uhr.

Die zweite Berathung des Staatshaushalts-Et für 1900 wird R Etat der Bee T Ats Salinenverwaltung bei dem Kapitel „Ministerial-Abthei- lung für das Bergwesen“ fortgeseßt.

Veber den ersten Theil der Debatte ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld :

Ic habe zu meinem großen Bedauern die Ausführungen des Herrn Abg. von Werdeck nit persönlich anhören können, wenigstens nit vollständig. In dem leßten Theil seiner Ausführungen, den ih angebört habe, hat er Bezug genommen auf die gedruckt vorliegenden Nachrichten über die Verwaltung der preußishen Bergwerke, Hütten und Salinen, und zwar unter Bezugnahme auf Seite 7 ausdrülih hervorgehoben, daß meine Ausführungen nicht rihtig gewesen wären. Es sei that!sählich der Abfaß an das Inland zurückgegangen, der Absay an das Ausland habe zugenommen. Herr von Werdeck hat sih diese Mittheilungen niht genau angesehen. Da ftehen auf Seite 7 ganz ausdrüdcklih die Beträge angeführt, die nah dem Inlande, und die nah Oefterreih, nah Rußland und nah dem übrigen Ausland abgeseßt sind. Wenn man danah die Beträge zusammenzählt, die überhaupt in das Ausland gegangen sind, so tellt fich die Sache so, daß im Jahre 1896/97 9,9 9/0, im Jahre 1897/98 9,8 %, im Jahre 1898/99 9,7 ins Ausland gegangen sind.

Thatsählich hat also doch der Versand an das Ausland von Jahr zu Jahr abgenommen. Das glaube ih ausdrücklih konstatieren zu müssen, um nicht den Vorwurf auf mi zu nehmen, daß ih Unrichtiges gesagt hätte. Meine Herren, was die Stellung zu den landwirthschaftlichen Genossenschaften betrifft, so sind wir, glaube ih, in der Hauptsache einig. Ih bin durchaus der Meinung, daß die landwirthschaftlichen Genoffenschaften, wenn sie thatsählich für ihre Mitglieder liefern, Vergünstigungen verdienen. Diese sind ihnen aber au bisher unter dieser Vorausseßung zugewendet worden. &s handelt sh hier um vier vershiedene Genofsenschaften. Die erfte ift die landwirthschaftiliche Hauptgenossenschaft zu Berlin. Die genoß die Vergünftigung, daß \ie den höchsten Rabattsag bezog, auch ohne die Verpflichtung zu übernehmen, 50 000 t zu beziehen. Sie hat aber ausdrüdcklih auf diese Vergünstigung verzichtet, um auch an Abnehmer nah Belieben liefern zu können, niht bloß an ihre Mitglieder, Dieser Genossenschaft if also doch kein Unreht geschehen. Die zweite ift die landwirthschaftlihe Zentraldarlehnskafse deren Interessen auch Herr von Werdeck thatsählich dasjenige Quantum bekommen, Nun habe ich den Grundsaß müssen wir die bisherigen

erster Linie

Nun handelt es sich um die beiden Genossenschaften für Pommern

und Westpreußen. Ja, meine Herren, die gehören nit zu unseren bisherigen Abnehmern, und die Herren sind selbs der Meinung: wir sollen in erster Linie unsere bisherigen Abnehmer berücksihtigen. Die genannten Genoffenschaften haben bisher englishe Kohlen bezogen und wollen jeßt obershlesi|che beziehen. getheilt worden. wir überhaupt Kohlen disponibel haben, soweit sie nicht hon an ältere Kunden vergeben sind, das liegt, glaube ih, doch auf der Hand.

So if mir wenigstens mit- Daß wir sie dann nur so weit berücksihtigen, als

Ich möchte also glauben, daß wir in dieser Beziehung doch alles

gethan haben, was möglih ift. Sollten in der Folge diese Genofsen- schaften obershlesishe Kohlen beziehen wollen, fo sind wir selbstverftändlih bereit, fie genau fo zu behandeln wie alle anderen, alfo ihnen die gleichen Vergünftigungen zu gewähren; sie mögen fih dieserhalb an die Zentralverwaltung wenden. Was nun aber die bereits vorliegenden Abschlüsse betrifft, so kann man daran nichts ändern; die Abschlüsse sind nun einmal bindend. Es kann sich nur handeln um die in Zu- kunft abzuschließenden Verträge. ständig einig: wir liefern, soviel wir können, an das Jnland ; wir bevorzugen die Genoffenshaften und die alten Abnehmer nah den Grundsäßen, die wir bisher befolgt haben. Damit müssen fie ch , zufrieden stellen, mehr würde ih zu leisten niht im ftande sein. Daß wir niht mehr Kohlen fördern können, daran können wir nichts ändern.

Darüber, glaube ih, sind wir voll-

Abg. Gothein (fr. Vgsg.): Die Wnaiene der Kohlenförderung

ahre ift aus\{hließlich dem Wir haben 1899 einen Rückgang ehabt. Die

eit Ausbruch des Strikes in eih dorthi

[f nidt rihtig: ‘fie hien üu das Eo Sa ets bisher. enn wir jeßt weniger Kohlen ins Ausland land für immer darauf ein-

fonftigen gewerblichen Verkehr garniht handelt; dieser Verkauf

geshoben werden.

ten. Auch in einer Zeit, wo man im Inlande mehr brautht, darf