1900 / 36 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 08 Feb 1900 18:00:01 GMT) scan diff

E I I E [A E c

G E E Ri i R D R K R S E R E i S é fi A A A e Po G Le B72 EME E E

t 4E E T É Sp dre

I E R Rer. e

/ Sitte ec SNBNT A: auth L P 2

a p a Se

vou dem deutshen Geist, der sch in Kunst und Wissen eine Weltima(tstelung erobert hat, ni so Lai sein, wie wir es im allgemeinen Interesse wünschen müssen. Die Prinzessin Chimay hat übrigens in Berlin -nicht auftreten dürfen; H2:rx Noeren verwehselt sie wohl - mit der bürger- lichen Lona Barrison. Wie soll der Richter das Urtheil finden ? Wenn es sich um eine in unzureihender Bekleidung und mit pro- vokatorisher Geberde vorgetragene Chanson bandelt, wird es doch gar_niht anders zu machen sein,“als daß die Sängerin sich in diesem Kostüm an Gerichtsstelle produziert, um ein Urtheil - zu ermöglichen. Im Gefolge dieser Bestimmung wird sh sehr bald die Tugend- heuchelei finden; treten Sie dieser gefährlihsten Grsheinung im SER der Tugendheuchelei, entgegen, indem Sie den'§ 184þ Abg. Dr. Rintelen (Zentr.) nimmt die Kommission gegen die Angriffe der freisinnigen Redner in DAeE Die Muedrite “melde sie für die zutreffenden Strafthaten \chließlich gefunden habe, seien mit Unrecht beanstandet worden. Auch die Ausführungen des Staats- sekretärs E die Nothwendigkeit des § 184þ seten nicht durh- poagend- 183 bleite neben dieser neuen Bestimmung durchaus Darauf wird die Debatte geschlossen und § 184 b mit derselben Mehrheit wie § 184 a angenommen, desgleichen ohne Debatte § 184 c, welcher Geldstrafe bis 300 # oder Gefängniß bis zu 6 Monaten Demjenigen androht, der aus Gerichts- verhandlungen, bei welchen wegen Gefährdung der Sittlichkeit die Oeffentlichkeit ausgeschlossen war, oder aus den amtlichén Schriftltücken öffentlih Mittheilungen macht, welche geeignet sind, Aergerniß zu erregen. Der Rest der Vorlage wird un- verändert ohne Debatte nach den Kommissionsbeshlüssen er- ledigt, da die materiellen Anträge, die dazu noch vorliegen, für diese SUBL von den Antragstellern zurückgezogen werden. Damit ist die zweite Lesung des Siegen s erledigt. Die Jnterpellation des D von Czarlinski wird vertagt. Schluß 51/2 Uhr. Nächste Sizung Donnerstag, 1 Uhr. (Erste Lesung der Novelle zum Flottengeseß.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

18, Sißung vom 7. Februar 1900, 11 Uhr.

__ Die zweite Berathung des Staatshaushalts-Etats für 1900 wird im Etat der Handels- und Gewerbe- AENMATSARY U dem TAN Ne Res fortgeseßt.

en Beginn der Debatte ist in i Nummcr d. Bl. berichtet worden. | M

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:

Ich muß mir gestatten, nohmals auf die Spiritusangelegenheit zurückzukommen. Der Herr Abg. Dr. Barth geht von der Voraus- seßung aus, daß der Handel in Rüböl und Spiritus, wie er hier nah Erlaß des neuen Börsengesetzes stattgefunden hat, ein vollkommen legaler gewesen sei; wenn er aber fügte er hinzu von demHerrn Handels- Minister nit als legal angesehen ist, so ift es niht zu begreifen, daß er ihn 3 Jahre hindur hat bestehen lassen.

Ich will mih zunächst zu seiner ersten Behauptung wenden. Er sagt, der Handel in Rüböl und Spiritus sei ein vollkommen legaler gewesen; es sei ein Vorstand der Börse vorhanden gewesen, das sei der Gesammtvorstand der Börse; außerdem bedürfe es nah den Eat- scheidungen des Ober - Verwaltungsgerihts zur Börse überhaupt niht eines Vorstandes; die Legalität des Handels in Spiritus und Rübsl an der Börse sei deshalb durch den Umstand nicht ausgeschlossen, daß ein Vorstand nit vorhanden gewesen sei. Nun liegt die Sache so: der Gesammtvorstand der Börse ift statutenmäßig allein zulässig für diejenigen Angelegenheiten, die die Fondsbörse und Produktenbörse gemeinsam baben, während für diejenigen Angelegenheiten, die die Produktenbörse angehen, der Vorstand der Produktenbörse zuständig ift. Dieser Vorstand ist nicht konftituiert ; eine Feststellung der Preise für die an der Börse zu handelnden Gegenstände kann nur dur den Vorstand der Börse erfolgen. - Dieser ift niht vorhanden; deëwegen können legale Börsenpreise für Spiritus und Oel überhaupt nicht zu stande kommen. Ich wüßte niht, w23 dagegea einzuwenden wäre. Der Umftand, daß nah der Entscheidung des Ober-Verwaltungs- gerichis für das Vorhandensein einer Börse nicht einer legalen Börse ein Vorstand niht nothwendig sei, steht dem garnihht entgegen ; denn hier handeltessih nur darum: ift ein legaler Börsenhandel vochanden gewesen oder ein illegaler? Jh behaupte, €s ift ein illegaler gewesen.

Nun macht mir der Herr Abgeordnete zum Vorwurf, daß ih nicht früher gegen diesen illegalen Handel eingeschritten hätte, sondern ihn drei Jahre hätte bestehen lassen, und daß ih ausdrüdcklih erklärt bätte, ih bielte es für korrekt, nit eher einzuschreiten, als bis Be- {werde erhoben wäre. Herr Dr. Barth, das habe ih nicht gesagt! Ich habe gefagt, ih hätte den illegalen Handel in Rüböl und Spiritus bestehen lafsen, niht bloß deswegen, weil keine Beschwerde dagegen erhoben wurde, sondern weil von allen Seiten gewünsht wurde, daß er bestehen blieb. (Widerspru béi den Freisinnigen.) Jh habe das „ihn bestehen lassen“ ausdrücklich als ein Tolerteren bezeihnet. Ih habe nicht gesagt, daß dieses Tolerieren korrekt sei. Jch - lasse mir den Vorwurf, inkorrekt gehandelt zu haben, gefallen, weil ih inkorrekt gehandelt habe im Interefse des ganzen Landes unv in ähn- lien Fällen ebenso handeln werde. (Lebhafter Beifall rehts.) Aber, meine Herren, wenn etwas inkorrekt ist und an sfih niht den Vor- schriften des eseßes entspricht, so darf man es nur so lange bestehen lassen, als es niemandem zur Beschwerde gereiht. Sobald es aber Andern zur Beschwerde gereiht, dann hört diese Möglichkeit auf. Deshalb bin ih in der Lage gewesen, sobald die Beschwerde erhoben wurde, au den illegalen Zustand beseitigen zu müfsen.

Das ist der thatsähliche Vorgang und das ift die Rechtfertigung meines Verhaltens.

Nun hat der Herr Abgeordnete noch geglaubt mir empfehlen zu müssen! ih möchte doh etwas minder bureaukratisch in der Auslegung des Börsengefeßes. vorgehen. Dieser Vorwurf ift, glaube ih, nit gerehtfertigt. Ich habe mir von Anfang an die Aufgabe geftellt und habe das wiederholt - hier erklärt und gerehtfertigt —: i wünschte bei der Ausführung des Börfengesezes die entgegenstehenden Interessen zu versöhnen, weil nah meiner Meinung nur dur eine solhe Versöhnung die Dur(führung einer der wesentlihften Be- ftimmungen des Börsengeseß:8, nämlich der Vertretung der Land- wirthschaft in dem Vorftand der Produktenbörse, erreihbar ift. Diesem Ziéle bin ich durch die Art, wie ich das Börsengeseß ge- handhabt habe, nahe gefommen. Jch hoffe es zu erreihen; es liegt i?ßt der Antrag auf Aendecung der Börsenordnung und auf Wieder- herstellung der Produktenbörse vor. Wenn ih dieses ‘Ziel erreicht habe, dann biîn ich meinerseits mii dem Ergebniß meiner Thätigkeit

zufrieden und werde mich darein finden, auch wenn der Herr Abg. Barth und seine Partei niht damit zufrieden find. (Lebhafter Beifall rechts.)

Abg. von Brockhausen (kons.): Mittelstand ist der Stand, welher zwishen Reih und Arm at Wenn Sie das “niht ver- ftehen, fo thut es mir leid. Diejenigen, welhe den Mittelstand bilden, verstehen es ganz genau. Die Herren Freisinnigen drückt öfcer der Alp, und dann haben fie Träume, in denen der Bund der Landwirthe und die Agrarier erscheinen, und ihnen die Regierung zu B liegt. Es ist ein {chwerer Vorwurf, wenn man der Regierung agt, fie stehe im Abhängigkeitsverhältniß zu den Agratiern. Wir Landwirthe wollen keinen Vorzug, sondern nur gleihes Reht. Wenn das Verbot des Terminhandels berechtigt war, warum sollte die Ne- O es niht erlaffen? Hat die Regierung nicht oft aub den iberalen nahgegeben? Und wenn ein Gese erlassen ist, so muß es, mag es vorher auh für falsch angesehen worden sein, von jedem Staatsbürger Sn werden. Nachdem das Ober-Verwaltungs8- geciht entschieden hat, sehen die Jnteressenten ja ein, daß sie fl verständigen müssen. Die Sache mit der Spiritusnotiz liegt d niht so harmlos, wie Herr Barth glaubt. Die Angaben - der «Zeitschrift für Spiritusindustrie* vom Januar und die des Herrn von Graß-Klanin, des Vorsitzenden des Vereins der Spiritusfabrikanten, haben nit bestritten und widerleat werden föanen. Durch wirtk- \chaftlihe Täushung will man die Landwirthe, die sih zusaamen- N en haben, wieder auß8einanderbringen. Das Interesse der Spiritus- abrikanten, der Brennér und der Konsumenten verlangte die Aufhebung der Spiritusnotiz. Der Abg. Barth bezweifelt die Nothwendigkeit einer Handelskammer in Berlin nevea den Aeltesten der Kaufmannschaft und die Befugniß des Ministers zur Errichtung einer solchen. Wäre er in der vorigen Session hier im Hause gewesen, oder hätte er sih das Material genauer angesehen, fo bätte er das nit gethan. Denn im Handelskammerg!seß ift dem Minister ausdrüdcklih diese Befugniß eingeräumt worden. Wünschenswerth wäre es, wenn die Aeltesten fceiwillig eine Handelskammer bildeten. Herr Barth be- streitet uns das Recht, über den Handel zu spreen, er spricht aber über die Landwirthschaft. Kann man etwas von Landwirthschaft ver- ftehen, wenn man auf Helgoland ein paar Ziegen hat weiden sehen, oder verstehi man etwas von Fischerei, wenn man Hummer zum Frübstück ge- gefsen hat? Wenn die Herren die Landwirthschaft kennen lernen wollten, so sollten fie doch im Sommer einmal eine Volontärstellung bei einem Landwirthe einnehmen. Der Abg. Schulz-Berlin hat sich früher in demselben Sinne ausgzgesprohen wie Herr Felish, Herr Barth mag si also mit Herrn Schulz darüber auseinandersezen. Schließlih möchte ih den Minifter fragen, wann das Gesetz über die Besteuerung der Waarenhäuser kommt. Das Geseg muß so früh eingebraht werden, daß es auch noch zur Erledigung kommen kann.

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld :

Meine Herren ! Die Ausarbeitung des Geseßentwurfs, von dem der Herr Vorredner gesprochen hat, erfolgt ja im Finanz-Ministerium. Der Entwurf eines solhen Geseges is auch aufgestellt und is auch \{hon von den betheiligten Réfsorts berathen worden, sodaß ih meiner- seits keinen Grund kenne, der die Einbringung der Vorlage verzögern

könnte. In wel@er geschäftlihen Lage sie sih aber im einzelnen be- findet, bin ich nicht in der Lage zu sagen.

Abg. von Eynern (nl.): Ih hoffe, daß es dem Minister ge- lingt, eine Vertretung der Handel- und Gewerbetreibenden in der Form einer Handelskammer herbeizuführen. Es ist fehr gut, wenn freie Leute die Vertretung führen, da sie niht viel Rüksicht zu nehmen brauen. Die Aufgabe eines Handels-Ministers känn es nit sein, Vorschriften, die sih niht \trikt durchführen lassen, ftrikt durh- E: Schließlich würde sonst der Minifter zum Staatsanwalt

en,

Abg. Schulz-Berlin (fr. Volksp.): Aus dem Antrag Feli können die Aelteften die Lehre ziehen, wohin sie kommen, E e einmal konservativ denken. Was ih früher einmal über die Stellung der Korporation der Aeltesten der Kaufmannschaft auf eine breitere Grundlage gesagt habe, kann ih vollfommen aufrecht erhalten. Der Antrag #elish is nichts Anderes gewesen als ein Agitationsmittel. Nach den Erklärungen des Hecrn von Brockhausen weiß man noh weniger als vorher, was Mittelftandspolitik ift. Der Mittelstand tellt die Schafe dar, die die Herrea auf der Rechten scheren wollen. Der Eintritt in die Korporation der Aeltesten der Kauf- mannschaft ist wesentlich ershwert, es sind bestimmte Bedingungen zu erfüllen, während vor dem Eintritt in eie Handelskammer nur bestimmte gejeßlihe Erfordernisse erfüllt werden müssen. Der jeßige Zustand läßt sh nit aufrehterbalten, ih hätte gewünscht, daß sich die Aeltesten freiwillig in eine Handelskammer umwandeln, anstatt daß si die Anregung des Ministers abwarten. Die Staatsaufsicht im allgemeinen fürchte ih nicht, aber die Handeiskammern sind doh Organe der Selbstverwaltung. In Bezug auf diese Frage hat sich der Minister auf den Standpunkt der Freiwilligkeit gestellt, in Bezug auf die Spiritasnotiz dagegen auf den Standpunkt des Zwanges. Damit steht er im Dienste einseitizer agrari}her Intecessen. Der ge- sammte Spiritus des NRinges, welcher vom Handel ausgeschlossen ift, kommt niht in Betracht für die Frage, welcher Preis gerehtfertigt ist. Der Ring hat selbs zum Preise der Notiz Geschäfte d. geschlossen. Ob die Notiz amtlich war oder nicht, kommt nicht in Frage, sie genoß unbedingtes Ansehen und galt als maßgebend.

onnte es mit der Notiz drei Iahre gehen, so konnte es auch noch die paar Wohen gehen, welhe uns noch von der Wiederercihtung der Börse trennen. Wir sehen in dem Verbot der Notiz eine unberehtigte Begünftigung einseitiger Interessen. Daß man einen Ring !chließt, um einen Preis niedrig zu halten, if ein ganz eigenthümlihes Ding. Die Bagioctng sollte sih doppelt hüten, fich in den Dienst dieser Sache zu stellen. Die Spiritusiadustrie üt dur die Gesehgebung schon so. begünstigt, daß sie kein moralisches Recht zu einer solchen Ringbildung hat. Aber es wird der Ring den Herren nichts nügen, denn fie können niht alle Interessenten unter einen Hut bringen. Die natürliche Entwickelung der Preise wird sich dur den Ring nicht unterbinden lassen. So sehr ich für die frei- willige Rtingbildung zur Erzielung eines bestimmten Preises eintrete, muß ich doch diesen auf unmoralisher Grundlage ftehenden Ring be- kämpfen. Die Antipathie gegen den Ring ift fo groß, daß die Nach- frage. nah ringfreiem Spiritus das Angebot übersteigt; dadurch müssen die Preise steigen; diese künftlihe Preissteigerung wollen wir aber niht mitmahen. Wir sind immer dagegen, daß sih die Regierung in den Dienst einseitiger Interessen ftellt.

Abg. Cahensly (Zentr.) tritt für eine gesunde Mittelstands- politik ein und hofft, daß die Verhandlungen des Ministers mit den Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft zu einer freiwilligen Umwand- lung in eine Handelekammer führen.

Minifter für Handel und Gewerbe Brefeld:

Meine Herren! Jh möchte mir nur noch eine ganz kurze Be- merkung gestatten, damit niht die Ausführungen hier in diesem hohen Hause mözlicherweise eine nahtheilige Rückwirkung haben könnten auf diejenigen Verhandlungen, die ih demnêchft mit den Aeltesten der Kaufmannschaft über die Umwandlung der Korporation in eine Handelskammer zu führen haben werde.

Es ift von einem der Herren Vorredner gesagt worden, es sei das hohe Eintrittsgeld, das von den Aeltesten der Kaufmannschaft erhoben wird, ein hauptsählihes Hinderniß dafür, daß daria die Kaufmann- {aft und die Induftrie von Berlin eine vollkommenere Vertretung finde. Es ift auch von dem Herrn Vorredner gesagt worden, daß. seit dem Erlaß des Handelskammergesezes seitens der Aeltesten der Kaufmannschaft nihts geschehen sei, um den Wünschen, die damals laut - geworden sind, bezügli der Umwandlung in eine Handelskammer entgegenzukommen. Hier halte mih doch nun für verpflichtet, hervor-

Suheben, daß bei den Verhandlungen über die Ausführung der Be- stimmungen des Handelskammergesezes, die ih mit den Aeltesten da mals gepflogen habé, thatsählich ganz wesentlihe Konzessionen ges macht worden sind; (hört, hört! links) namentlich ist ausdrücklih das Eintrittsgeld ‘aufgehoben worden. (Hört, hört! links.) Ih halte mich verpflichtet, das hier besonders hervorzuheben. Außerdem sind aber au noch andere Konzessionen gemaht worden: es if die Zahl der Mitglieder von 21 auf 27 vermehrt, es is der Bezirk auf die Vororte auszedehnt worden, es sind besondere Ausschüsse gebildet worden für die Berathung der- einzelnen besonderen Aufgaben , die die Aeltesten haben (sehr richtig !), so daß ih doch wohl sagen kann, man ift mir damals entgegengekommen.

Und gerade dieses Gntgegenkommen berechtigt mich ja auch zu der Hoffnung, noch weiteres Entgegenkommen bei den Aeltesten zu finden, wenn sie sehen, daß niht bloß in weiten Kreisen der Stadt Berlin, fondern auch in ‘diesem hohzn Hause die gleihe Auffassung vertreten wird, die ich damals vertreten habe und jeßt und in der Folge auch vertreten werde, daß eine solWe Umwandlung nicht zurück- zuhalten ist, sondern nothwendig ift.

Nun möchte ih mit zwei Worten auch noch auf die Spiritus» frage kommen, ohne in Details eingehen zu wollen. Jh möhte nur dem Herrn Vorredner eins sagen: wenn ih, seiner Auftafsung ent- \sprehend, von der Befugniß, die mir gewiß zustand als Aufsichts- behörde, rüdcksihtslos Gebrauÿ gemacht und damals den leyten Rest vom Spiritus- und Rübölhandel an der Börse ohne weiteres unterdrückt bätte, sodaß die Abwitelung der sämmtlichen auf Grund derBörsennotiz ges \hlofsenen Verträge festgelegen hätte, was würde dann wohl die Presse seiner Partei, was würde die Börsenpresse gegen mih gesagt haben ? (Sehr richtig! rechts.) Würde sie uiht gesagt haben: ift das nicht eine unerhôcte Rültsichtslosizkeit, so von den Befugnissen, die dem Minister zustehen, Gebrauh zu mäahen? Das würde sie gesagt haben. Ich glaube, Sie kommen aus Jhrem Fahrwasser heraus, wenn Sie mir jeßt vorwerfen, daß ich damals diejenige Strangulationsmethode nicht befolgt habe, die Sie mir in der Folge ftets widerrathen haben. (Bravo! rets.)

Abg. Gamp (fr. kons.): Die Errichtung einer Handelskammer ist immerhin eine \hwierige Frage; der Zensus muß wenigstens so boch sein, daß nit die kleinen Kaufl-ute, Budiker und dergleichen einen übergroßen Einfluß haben. Eine folche Handelskammer, wie die in Oppeln, wo-die Budiker den Ausschlag geben, kann uns nit gefallen. Was3 wir mit der Mittelstandspolitik erstreben, wissen wir wohl; i bedaure, daß Herr Barth dafür kein Vecständniß hat. Wir haben au für das Handwerk schon Manches erreiht. Wir wollen die Aus- dehnung der sozialen Geseßzgebung auf den Handwerker- und Bauern- stand, fecner die Hebung der Kreditfähigkeit, endli die bessere Organisation des Handwerkerstzndes. Wenn Sie (links) kein Ver- ftändniß für diese Mittelstandspolitik haben, so haben Ihnen die

andwerker und Bauern {hon ihre Antwort darauf gegeben. Wenn Sie das bestreiten denken Sie an den Verein „Nordost“, der ein kläg- liches Fiasko gemacht hat. Der Minister bat vor drei Jahren recht daran gethan, die Spiritusnotiz befteheèn zu lassen. Hätte er es niht gethan, so wäre der Abg. Barth der erfte gewejen, der ihn angegriffen hätte. Er behauptet, das Verbot des Terminhandels sei éin Fehler gewesen. Herr Barth, der die Lebensmittelpreise immer rerbilligen will, müßte gerade für das Verbot sein. Der Spiritushandel liegt nur in wenigen Händen; es liegt also keine Veranlaffung vor, die Spiritusbörse wieder einzuführen, weil die Notiz ein talshes Bild giebt. Wer die Preise vertheu?ert , konnte Herr Schulz ganz genau wissen. Der Preis für eine Flasche Gilfa ift auch viel böher, als dem Werih des darin enthaltenen Spiritus entspriht, und bei anderen ift es auÿ so, ich will aber feine Persönlichkeiten nennen. Die Fürforge des Staates für die Brennerei if sehr kümmerlich ge- wesen. Die eigentlihen Urheber des Ringes sind der Abg. Schulz und feine Freunde gewesen, weil fie den Brennern so s{chlehte Preise gezablt haben, daß die Landwirtbschaft dagegen Front machen mußte. Bei annehmbaren Preisen wäre: überhaupt kein Ring entstanden. Der Ring hat wohuthätig gewirkt; früher bezog Hamburg Spiritus vom Auslande, jeyt niht mehr, ferner hat der Ring billig Spiritus zu gewerblihem Verbrauch abgegeben und endlih auch den Verbrauch zu Brennereizwecken gefördert. Die Grundlage für ein börsen- mäßiges Geschäft in Spicitus is jezt nicht vorhanden. Die Aeußerung, daß wir die Schafe sherèn wollten, steht mir zu niedrig, um darauf zu antworten. Der Abg. Barth ‘hat mit seinen Aus- führungen bestätigt, daß die Landwirthschaft sich in kümmerlicher La befindet. Die Landwirthschaft wird niht bevorzugt, dagegen hat fe viel shwerer unter der allgemeinen Wehrpflicht zu leiden, die länd- lih:n Gemeinden haben viel größere Kommunalsteuera; wie kann Herr Barth sagen, daß die Landwirthschaft sih von den rcihen Leuten unterhalt-n ließe! Die Antwort darauf wird Herr Barth bei den Wahlen bekommen.

Abg. von Bockelberg (kons.): Gegen den Vorwurf, daß der Handels-Minister sich von der Landwirthschaft treiben e R lasse, brauhe ih den Minister niht in Schuß zu nehmen. Die Börse ist niht nur ein feines Instrument, sondern leidet sogar an einer solchen Ueberfeinerung, daß jede Uebersicht verloren geht. An der Börse sind die Interessen der großen Mehrzahl nicht vertreten, daber kommt die- jeßige Gntwickelung, für welche die Herren auf der Linken {ließlich auch Verständniß bekommen werden. Daß der Augiasftall der Produkten- bôrse gereiniat wurde, war die bödste Zeit Der Minister war aller- dings nicht der Herkules, sondern der Könia von Argos, der die Reinigung zuließ. Der Herkules war die Macht der Verhbältnifse. Die Einsetzung eines Börjenkommissars ist ein gutes Mittel zur Ge- sundung der Börsenverhältnifse. Wir wollen den Minifter dazu stärken, auf dem jeßigen Wege fortzufahren.

Abg. Ehlers (fr. Vgg.): Wir behaupten nicht, daß die jeßige Vertretung der Handelsinteressen- in Berlin eine beendi eo f ; aber die Leute, welhe zwangsweise in eine ¿Handelskammer hinein- kommen würden, können freiwillig in die Korporation der Aeltesten eintreten, und die freiwillige Uebernahme der Beiträge ift besser als eder Zwang. Wenn die 1800 Kaufleute in Berlin eine Handels- farnmer haben wollen, wird niemand étwas dagegen haben. Woher sind aber die Herren Felisch und Genoffen legitimiert, einen olhen Antrag zu stellen? Die Herren wollen Mittelstands- politik treiben. Jch' wäre dankbar, wenn mir - endlich einmal

esagt würde, was der Mittelstand ist. Herr von Brockhausen sagt : wischen Arm und Reih. Also alles, was in Berlin zwischen Arm und Reich ist, will eine F Emer. err von Brockhausen beruft sh auf Herrn Schulz als Kronzeugen. arum soll nit einer unserer Parteifreunde mit der jeßigen Vertretung der Handelsinterefsen in Berlin nicht einverstanden sein? Auf die Agrarier möge die NRe- pleriwig gas H gan ggr d a gee auf aue A die hier use erden. ie Regierung dar edenfalls niht von ihrem eigenen pflihtmäßigen Ermessen abbringen laffen. s

Darauf wird die Diskussion * en. Das G d Ministers wird bewilligt. e ded A E Bei dem Titel „Gehalt des Staatssekretärs“ beantragt Abg. Dr. Crüger (fr. Volksp.), die Regierung zu ersu in eine Denkschrift über die bei der gewerblichen und genossen- Deli Fördérung ‘des Händwerks beobachteten Grundsäße

(S{hluß in der Zweiten Beilage.)

M 36.

(S{hluß aus der Ersten Beilage.)

Aba. Dr. Crüger bemerkt zur Begründung seines Antrag8, daß

ein System in dem Borgehen der Regierung zur Förderung des ndwe1k3 nicht zu erkennen sei. Die Klagen über die Schwterigkeit e Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit gegenüber der Großindustrie würden im Handwerk und außerhalb desselben laut. Die Handwerker- frage set zum großen Theil eine Bildunasfrage nach der tehnishen und racfraännisdden Seite. Man müsse sih nicht nur mit der Aut- bildung der Lehrlinge des Handwerks, ' sondern auch mit der Aus- bildung der Handwerksmeister beshäftigen; beides müsse Hand in Hand gehen. Und die Ausbildung der Meister müsse nicht nur nah der technischen, fondern auch nah der kaufmännishen Seite erfolgen, denn der tüchtigfte Meister komme niht vorwärts ohne kaufmänniiche Fähigkeit. Der Etat enthalte Mittel zur Ferderans des Genofsen- \chaftswesens im Handwerk, wie aber diese Mittel verwendet werden, darüber fehlt es an Mittheilungen. Die Regierung gebe au ein- zelnen Genoffenschaften Darlehen, wenn sie aber glaube, mit einem Darlehn von ¿. B. 75 A eine Gene lebensfähig zu erhalten, so sei das eine Verkennung des Genofsenshaftswesens. Wenn eine Ge- nossenschaft niht einmal die Kosten für ihre erfte Bureaueinrichtung aufbringen könne, solle sie sich überhaupt niht gründen, dann fei sie do nit lebensfähig. Der Staat habe positive Aufgaben auf diesem Gebiet und müsse namentli seine Aufmerksamkeit auf die Ausbil- dung der Meister rihten. Der Meifter müfse zu der Ueberzeugung kommen, daß er faufmännisch rechnen und Bücher müsse führen

4nnen, um auf der Höhe zu bleiben: Eine ebenso wihtige Aufgabe

des Staates sei die Förderung des Genossenschaftêwese:8 für das Handwerk.

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:

Meine Herren! Die Königlihe Staatsregierung ift selbst- perständlich ftets bereit, sh in ausführliher Weise über ihre Ver-

waltungsgrundsätze auf allen den Gebieten, die zu dem einzelnen Refsort gehören, in erschöpfender Weise auszusprehen, die Grund- säge, die fie für fih als maßgebend betrachtet, zu erörtern, und die Grgebnifse darzulegen, die fie bisher erreiht hat, und die Hoffnungen und Ziele außseinanderzuseßen, die sie austrebt und deren Verwirklichung sie beabsihtigt. Wenn man wünscht, daß das in Form einer denkschriftlihen Darlegung geschehen foll, fo it au diefem Wunshe die Regierung stets entgegenge- kommen, und au dem gegenwärtigen Antrag des Herrn Vorredners gegenüber kann ih mi nit ablehnend verhalten. Ich glaube aber doch darauf aufmerksam machen zu follen, daß der gegenwärtig vorliegende Antrag weit hinauszgeht über die Anträge und Ansinnen, die bisher in dieser Richtung an die Regierung gestellt sind. Im Jahre 1891 und später, im Jahre 1896, hat die Regierung cine Denk- \christ vorgelegt über die Entwickelung des gewerblihen Unterrihts- wesens, des Fortbildungéshulwesens und Fachschulwesens, Die Denkschriften find dem hohen Hause mitgetheilt worden. Die Herren werden fih zum theil entsinnen, daß sie recht umfangreiher Natur waren. Wenn wir jeßt wiederum über dieselbe Materie cine Denk- chrift erftaiten und dem Hause vorlegen follen, so würde fie {hon einen größeren Umfang erlangen ; denn seitdem hat das Fortbildungs- and Fashulwesen sehr viel größere Dimensionen angenommen. Nun beschränkt sich aber der Wunsh des Herrn Vorredners nicht bloß auf ‘die Darlegung der Grundfäße und Ergebnisse des gewerb- lien Unterrihtswesens, es fällt in feinen Wunsch zugleich die gesammte Organisation des Handwerks hinein. Die Organisation des Handwerks iff erst jegt in der Ausführung begriffen, auf Grund des neuen Handwerkegesezes. Die Handwerkerkammern sollen erst zum 1, April errihtet werden. Die vielen Schwierigkeiten, die vielen shwierigen Fragen, die auf Grund des Geseyes in Betracht gekommen find, und die einer Lösung allmählih entgegengeführt wurden, erstrecken K über ein sehr weites Gebiet, Wir würden aber thatfählich noch niht einmal in der Lage sein, überall ein abshließendes Urtheil geben zu können darüber, was sih im Eirzelnen bis jeßt bewätirt hat und was etwa noch weiterer Erfahrungen bedarf. Ih glaube, was diesen Theil anbetrifft, der nach den Ausführungen des Herrn Vorredners auch in seinen Antrag fällt, so würde es hon von vornherein er- wünscht sein, ihn auszusheiden, weil dafür der gegenwärtige Zeit- punkt wobl nicht völlig geeignet sein .wird.

Es fällt aber auch noch in das Verlangen des Herrn Vorredners hinein eine ausführlihe Darlegung derjenigen Grundsäße und der- jenigen Abfichten, durch welche die Regierung die wiribshaftlihe Lage der Handwerker zu heben beabsichtigt, inebesondere derjenigen Ein- ribtungen, wodurch auch die Meister ausgebildet werden sollen, der Einrichtungen von Meisterkursen und anschließender Mufter- und Werkzengausftellungen, kurz und gut aller derjenigen Veranstaltungen und Einrichtungen, die, sei es auf dem gewerblichen, sci es auf kauf- männischem Gebtet, den Handwerker in die Lage seßen, seinen Auf- gaben in der modernen Produktion in größerem und besserem Maße gereht zu werden.

Der Herr Vorredner hat dabei die Frage an mich gerihtet, ob es in der Absicht der Regierung läge, auch nach dieser Richtung hin weiter vorzugehen. Jn dem Etat werden Sie beim Extraordinarium die Einflellung einer Position finden für die Errichtung solcher Meifterkurse in Posea und in Hannover; es is aber ausdrücklich diefe Einrichtung als ein Versu bezeihnet, und daran müfsen wir auch vorläufig noch festhalten. Eine weitere Ausdehnung is ‘gewiß in Erwägung genommen; es wird aber von den Grgebnifsen des Ver-

sus abhängen, in welhem Maße und wann man mit der weiteren Ausführung vorgeht.

Dann hat der Herr Vorredner besonders Bezug genommen auf die Entwickelung des Genossenschaftswesens und dringend gewüniht, daß eine Denkschrift über die Grund*äße vorgelegt werte, nach welhen die Regierung in dieser Beziehung verführe und welhe Er- gebnifse sie in dieser Beziehung bisher erreiht habe. Dabei hat er aber zu gleiher Zeit bereits insofern der weiteren Berathung vorgegriffen, als er dabei zugleich die Grundsäße, nah denen tie Regierung bisker verfahren ift, bemängelte. Ih muß mir gestatten, da das thatsächlih geschehen ift, hierauf noch kurz zurückzukommen.

Er kat ¡unächst in dieser Beziehung die Frage' an mich gerichtet, ob es in der That in der Aktsicht liege, die Einrichtungen der soge- nanuten Wanderredner in der gleihen Weise fortzubilden und autzu-

s Zweite Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Donnerstag, den §. Februar

dehnen, wie es bither geshehen sei. Meine Herren, für die Einrich- tung der Genofsens&aften war es unbedingt nothwendig, solche Wanderredner wir nennen sie Instrukteure anzunehmen, um die Handwerker auf die Bedeutung der Sache aufmerksam zu maßen, ihxen zu zeigen, wie sie zu verfahren haben, um solche Genof]senschaften zu bilden und einzurichten, wie sie sich außerdem den Kcedit der Zentral- Genofsenschaftskafse zugänglich machen könnten. Dafür hat man in dem ersten Jahre viel au3gegeben, in der Folge, nachdem die Genofsen)}chaften in großem Maße eingerichtet waren, weniger, im leßten Jahre noch weniger. Ich will mir gestatten, die Aufwendungen kurz anzugeben. Im ersten Jahre 1897/98 betrugen sie 5675 4, im folgenden Jahre 1898/99 3958 4, im dritten Jahre 1899 nur noch 1472 A Der Herr Vorredner ersieht also hieraus, daß die Aufwendungen für diese Zwecke in der Abnahme begriffen sind. Umgekehrt find diejenigen Aufroendungen, die man gemacht hat, um die Genoffenschaften nun in den Stand zu seßen, ihrer Aufgabe gerecht zu werden, also die Unter- stützung mit kleinen Beträgen für die Einrichtung ihrer Bureaux, für Beschaffung der Formulare und Bücher, ihrer Arbeitskräfte u. |. w., wie fle also nothwendig werden für ihre geschäftliche Thätigkeit diese Aufwendungen find allmählih größer geworden in dem Maß?, wie die Zahl der Genossznschaften zugenommen hat. Die Auf- wendungen hierfür betrugen 1897/98: 3100 A, 1898/99 : 5219 Æ, 1899 : 12146 A Diese größere Summe entspriht der größeren Zahl von Genossenschaften, die seitdem ins Leben gerufen sind.

Nun möhte ih mir auch noh gestatten, die ziffermäßige Ent- widckelung der Genofsenshaften Ihnen mitzutheilen. Ich habe hier ein Verzeichniß der Genofsenschaften, die sich gebildet haben im Jahre 1898 und eines derjenigen, die sich gebildet haben im Jahre 1899 Im Jahre 1898 beziffert sh die Gesammtzahl der kleingewerblihen Genossenschaften überhaupt auf 131, und in der Bildung begriffen waren 41. Unier ihnen waren Kredit- und Spargenossenshaften 76 in der Bildung begriffen 33. Es waren Werksgenossenshzften, also sle, die sih mit der Beschaffung von gemeinsamen Werkzeugen, mit Einkauf und Verkauf und dergleichen befassen, vorhanden 17, in der Bildung begriffen 8, folhe, die si mit beidea Zwecken befassen 38, in der Bildung begriffen 1. 1899 hat die Sah? {hon einen sehr viel größeren Umfang angenommen. Es sind thatsächlich vorhanden 934 Genossenschaften und in bder Bildung begriffen 28; also es hat si die Zahl von 131 auf 234 in einem Jahre erhöht. Die Zahl der Kredit- und Spargenossenshaften 118, die der Werkgenossen- schaften 52; die Zahl derjenigen Genossenschaften, die beiden Zwecken dienen, ist 64. Danach glaube ih, daß die Ecgebnifse unserer Thâätig- keit auf diesem Gebiet thatsählih do wohl anzuerkennen find.

Nun hat der Herr Vorredner noch b:i der Frage der Zuwen- dungen darüber Zweifel erhoben, ob es zweckmäßig fei, wie jeßt in der Begründung zu der Etatsposition angedeutet sei, auch darlehnsweise einzelne Genossenschaften zu unterstüßen. Ja, meine Hzrren, das soll nur ausnahmsweise gesehen, und zwar zu dem Zweck, um gerade folhe Werksgenofsenschaften, die sih bilden für einzelne Handwerke, in die Lage zu seten, ihre Thätigkeit aufzunehmen. Ez hat fih herausgestellt, daß das unter Umständen mit ganz befonderen Schwierigkeiten verbunden ist, und daß es erwünscht ist, diesen in größzerem Maße Unterftüßung zuzuwenden. Damit sie ihre Thätigkeit beginnen können, wollen wir ihnen auch diese größeren Summen nit definitiv zuwenden à fonds perdu, fondern wir wollen sie thnen nur darlehnsweise geben ; und deshalb hat die Bermehrung des Fonds von 20 000 auf 30 090 Æ stattgefunden.

Endlich hat der Herr Vorredner noch bemängelt, daß wir aus diesem Fonds Unterstüßungen gegeben haben an einzelne Genossen- shasten, die durch Erhöhung des Zinsfußes der Zentrai-Genofsen- shaftskasse in eine besonders ungünstige Lage gekommer sind. Das ist in sehr wenigen Fällen gesehen, Die Gesammtsumme, die dafür auégeworfen ist, beträgt etwas über 1000 4 Die Aufrwendung ift gesehen mit Zustimmung des Herrn Finanz - Ministers und der Zentral - Darlehnskasse, und zwar deshalb, weil es si um solhe Genossenschaften handelte, die durch Erböhung des Kredits um # °% derartig thatsählich ins Detriment gekommen waren, daß sie einfach wieder eingegangen wären, wenn wir die ihnen bisher zugewendete Unterftüßung nicht erhöht hätten um diese geringen Beträge. Ich glaube, daß ift also kein Posten, der geczignet wäre, besonders beanstandet zu werden.

Damit, glaube ich, den Wünschen des Herrn Vorredners hin- reihend Rechnung getragen zu haben; denn bei dem großfien Gewicht, welches er gerade auf die befsere Genofsenshaftsbildung des Hand- werks gelegt hat, glaube ih, daß es ihm vorzugsweise darum zu thun war, in dieser Beziehung über seine Zweifel und Bedenken eine Auf- Härung zu erbalten. Sollte er unter diesen Umständen und nah metaen Darlegungen noch auf seinem Antrag beharren, daß eine Denkschrift darüber ausgearbeitet wird, und sollte das hohe Haus die Auzarbeitung einer solchen Denkschrift auch jetnerscits für erwünscht erachten, so ist die Staat2regierung selbstverständlich bereit, ungeachtet der großen Ausdehnung, die diese Denkschrift haben wird, fie zu erstatten. (Bravo!)

Abg. von Pappenheim (kons.): Wir freuen uns, hier Schulter an Shulter mit dem Abg. Crüger für die Interefsen des Handwerks thätia sein zu können. Wir stimmen auch mit einzelnen Ausführungen deéselben überein, wenn auch nach den Mittheilungen des Ministers nicht gerade eine große Denkschrift nöthig ist. Hoffentlich zieht auch der Antragsteller |päter noch die Konsequenz, den Betähigungsnahw-is zu verlangen.

Abg. Dr. Crüger: In dieser Beziehnrg kavn ih dem Vorredner allerdings keine Hoffnung machen. Die Hauptsache ift die technische und faufmännishe Ausbildung der Handwerker. Der Befähigungs- nachwecis könnte diefe Bestrebungen nur flören. Was der nifter uns heute sagte, wußten wir im allgemeinen; unter einer DAG stelle ich mir die Darlegung eines ganzen Systems vor. Was die Handweikskammern leisten können, darüber können wir uns {päter unterhalten, wenn sie da sind. Für die Meifterkurse und Muster- handwer?sftätten wird das aufgewendcte Geld niemals foitgewocfen, fondern immer produktiv angelegt fein. Nach der Erklärung der Be-

reitwilligkeit des Minifters, eine Denkschrift vorzulegen, kann das Haus meinen Artrag annehmen. L E

Gaus 4 4

1900.

Abg. Meyner E Aus den Ausführungen des Abg. Crüger klang etwas Eifersüchtelei heraus vom Standpunkt der Sulze-Delißsh?’shen Genossenschaften au3, die Herr Srüger vertritt. Squlze-Deliysh hat die Genossenschaften nicht hervorgerufen, er hat nur wiedererweckt, was lange schlummerte, weil es der Liberalismus zershlagen hatte. Im übrigen bin ich tit dem Antraafteller ein- v-rítanden, ih bin kein Bildungsfeind, sondern auch ein Freund der beff¿ren Ausbildung der Handwerker. Der größte Werth ift auf die Organisation des Handwerks zu legen.

Abg. Pleß (Zentr.) kommt noch einmal auf die Spiritusnotiz zurück und meint, daß der Minifter auf jeden Fall das Gesetz hätte ausführen und die Spiritusnotiz von vornherein verbieten sollen.- Dem Handwerk genüge heute die Intelligenz allein niht mehr, weil das Kapital übermächtig geworden fei.

Abg. Dr. Crüger bestreitet, daß von einer Eifersüchtelei die Rede sein könne. Die vom Handels - Minifterium unterstügten Genoffenschaften beruhten alle auf Schulze-Delißsh’schem Prinzip. Das Handwerk müsse Selbsthilfe üben und sih felbst organisieren.

Abg. Krawinkel (nl.): Der Vorredner verkennt, wie s{chwierig eine Organisation ohne das nöthige Kapital is. Wir müssen vor allen Dingen das Genossenschaftswesen fördern und kapitalkräftige Genossenschaften bilden. Das Bildungswesen für das Handwerk muß auf ‘eine feste, planmäßige Grundlage gestellt werden. Für die An- forderungen an die Schüler der Fahshulen müfsen beftimmte Vor- schriften erlassen werden. Die Fahshulen können ihre Aufgaben nur erfüllen, wenn ein bestimmtes Maß von Lorkenntnifsen bei ihren Schülern vorhanden is. In den Maschinenbauschulen fehlt es an gutem Lehrpersonal, weil die Besoldung nicht genügt.

Geheimer Regierungsrath Simon: Von den Schülern der Fathshulen werden nur bestimmte praktishe Kenntnisse verlangt; wie- weit diese gehen müssen, kann nur von Fall zu Fall entshieden werden. Die Gehälter der Fahshullehrer will die Verwaltung ebenfalls nah dem System der Alterszulagen regeln. Wir müfsen dte Fachschul- lehrer nehmen, woher wir sie bekommen können. Wir haben große Schwierigkeiten, tüchtige Lehrer zu bekommen, aber es is unser Be- streben, diese Verhältnisse zu befsern.

Der Antrag Crüger wird abgelehnt. Das Gehalt des Unter-Staatssekcetärs wird bewilligt. Bei den Ausgaben für die Gewerbe-Jnspektion bemerkt

Abg. Goldschmidt (fr. Volksp.): Mit der Befreiung der Gewerbe- Au! sihtsbeamten von der Kefselrevision ift endlich eine alte Forderung erfüllt; es liegt keine Veranlassung vor, den Dampfkefssel- revisionsvereinen die Revifion der Kefsel der Gewerbebetriebe niht zu übertragen. Zu Nachprüfungen sind ja die Gewerbe-Inspektoren immer noch berechtigt. Wenn sich j-t die Aufsichtsbeamten ganz der Revision der Betriebe widmen fönnen, wird boffentlih jeder Betrieb alle ¡wei Jahre revidiert werden können. Die Berichte der Fabrikinspektoren sind so wichtig, daß ih bitte, si2 jedem Mitgliede des Hauses zugänglich zu machea und fie ferner in einer billigen Volk3au8gabe herzustellen, damit fie sich Jedermann anschaffen kann. Sie berihten von Ueberanftrengung der Kinder und Uebertretung der Vorschriften über die Frauenarbeit und klagen durh- weg darüber, daß die Strafen für Uebertretungen zu milde seien. Wenn jeder Betrieb alle zwet Jahre revidiert wird, werden die Unfalloerhütungsvorschriften befser befolgt werden. Nicht ein- verstanden sein fann ih mit dem Wunsch des Abg. Böttinger, daß man die Unfallverhütungsvorschriften den Unternehmern über- lasse. Unter den Arbeitern berrscht noch manhes Pißtrauen gegen die Fabrikinspektoren. Manche Berichte klagen darüber, daß Arbeiter durch Mittheilung von Beschwerden an den Fabrik- inspektor Nachtheile gehabt hätten und zum theil sogar ent- laffen worden seien. Die Fabrikinspektoren verdienen aber volles Vertrauen. Die Namen der Arbeiter, die ihnen Mittheilungen machen, werden von ihnen niht preisgegeben. Mit organisierten Ar- beitern ist leiht eine Verständigung möglich, die Arbeiterorganisationen werden fic selbft mehr und mehr auf den Boden der realen Ber- hältnisse ftellen. Die Arbeitgeber müfsen fih aber daran ewöhnen, daß eine friedlihe Ver:inbarung anstatt der Strikes, nit wie zwischen Herrn und Knecht, sondern auf der Grundlage der eürgerlihen Gleih- berechtigung statifiaden muß. Das vernünftige Bestreben der Gerwerk- vereine nah einem Einigungsamt findet leider niht die Zustimmung der Regierung. Möge die Neuordnang der Fabriktnspektion segens- reih für unsere wirthschaftlihe Entwickelung sein. j

Abg. Dr. Hirs (fr. Volksp): Die Gewerbeaufsiht muß in einem Meichs-Arbeitsamt konzentriert werden; der hierauf gerichtete Antrag im Reichstage findet unsere Zustimmung. Aber solange im Reiche noh kein Arbeitsamt befteht, muß wenigftens in Preußen die gesammte Gewerbeaufsiht konzentriert werden; namentlich FTönnten die Fabrikinspektoren alljährlich zu einer Konferenz ¡usammen- kfowmen, um Einheitlichkeit in der Gewerbeaufsiht herbei- zuführen. Der Umfang der Berichte if sehr verschieden; ein Bericht umfaßt ganze 18 Druckjzeilen über die Verhältniffe von 100 000 Arbeitern. Ueber die großen Arbeiterorganisationen enthalten die Berichte nihts; nur die christlih-sozialen Arbeitervereine find be- rüdsichtigt, die viel stärkeren Gewerkvereine aber garnicht erwähnt. Jede Wohlfahrtseir :ihtung eines Arbeitgebers wird ausführlich be- schrieben, ähnlihe Bestrebungen der Arbeiter aber niht. Zum Beispiel müßte doch die Gründung von Spar- und Bauvereinen dur die Arbeiter zur B-\shaffung gesunder Wohnungen die Auf- merksamkeit der Fabrikinspektoren erregen. Für die Inspektion wäre è6 ein großer Vortheil, wenn neben den Beamten auch praktis gebildete Arbeiter daran betheiligt würden. Durch diz Anstellung weiblicher Aufsichtsbeamten hat sich der Minister ein großes Verdienst erworben. Ich danke ihm dafür, daß er unserem Antrag vom vorigen Jahre so shnel Folge gegeben hat. Die Zu- ziehung weiblicher Kräfte wird von größtem Segen scin. Wir haben auch Frauen, welche diese Frage {on studiert haben. Erfreulich ist es, daß Fabrilinspektoren zur Ausftellung nah Paris geshickt werden follen. Unsere Beamten finden dadurch Gelegenheit, die Fortschritte der Technik im Auslande kennen zu lernen.

Die Ausgaben für die Gewerbe- Jnspektion werden be- willigt.

Schluß 41/4 Uhr. Nächste Sizung Donnerstag 11 Uhr (Rest des Handels-Etats; kleinere Etats und Etats der direkten. und der indirekten Steuern).

E E E E T I E I a orge“ AARRIDDs

I pte e