1900 / 38 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 10 Feb 1900 18:00:01 GMT) scan diff

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find, von den Dingen eine Ahnung haben. Wenn ih Luft hätte,

aminator zu spielen, würde ih die gegnerishen Agitatoren, * welche mit den 44 Milltarden operieren, einmal daraufhin prüfen, ob fie denn so beshlagen find. 29 Handelskammern, darunter die von Bremen, Hamburg und Berlin, sind bei uns vorstellig geworden. In der Korporation der Aeltesten der Kaufmanrschaft in Berlin haben die freisinnigen Volksparteiler die Mehrkeit, und auh sonst stehen viele Parteigenossen des Herrn Richter zu uns, Die Vorlage ift zwar nicht ledigli eine Resolution, aber eine Bindung ist absolut nit darin; fie hat bloß die Bedeutung nah außen, daß die deutshe Nation eine Flotte von solhem Umfarge haben will. Gin Linienschiff kostet etwa 25 Millionen, das wissen wir jeßt, mehr weiß die Regierung jeßt auh niht, ändert ih der Typ, dann ändert sich auch der Kostenpunkt. Jn dem Jahre 1876 bis 1878 haben wir auch 18 bis 20 Swiffe aleichzeitig auf Stapel ehabt. D fes hat in diesem Jahre 82 Schiffe auf Stapel. as die Franzosen können, dazu sind wir auch in der Lage. Weiter find sie ja als wir, das is wahr, aber sie haben auch 30 Milliarden Schulden. Sind wir im stande, zu leisten, was die verbündeten Regierungen uns zumuthen? Ich jage: Ja. Und auch die Landwirth- haft ist es im stande. Unter dem Regime der niedrigeren Getreide- ¿ölle war in Deutschland mehr Areal mit Getreide bebaut als in den Jahren mit höheren. (Ruf rechts: Zufall!) Das ist kein Zufall. Mer die Beweiskraft dieser Thatsache nit gelten lafsen will, der kann nur auf dem einseitigen Standpunkt des Herrn Hilpert steben. Die allgemeine wirthshastlihe Lage ift dur{haus befriedigend; neben vielen anderen bereits erwähnten Faftoren spricht dafür auch die Zunahme der Sparkassenbestände. Auch über die Deckungsfrage werden wir uns mit dem Zentrum einigen; auch Herr von Leveßow sollte sih der gründ- lien Erörterung dieser Fee nit entziehen. Auch draußen wird damit viel gearbeitet. Ich würde noch heute für eine Reihs-Einkommen- steuer sein; fie hat aber keine Kussiht. Die Matrikularbeiträge müssen als konstitutionelles Mittel erhalten bleiben. Am leichtesten würde Kch eine Vermögensfteuer durchführen lassen. Ih bedauere fehr, daß die Sozialdemokratie vorgestern hier in Berlin gegen die Vorlage eine Resolution angenommen hat, die die Flottenvermehrung einer für den Frieden bedroblihen Kriegérüstung aleihstelt. Wäre dem so, fe würde au ih dagegen scin. Aber die Flottenverstärkung ist eine riedensbürgschaft. Die große Mehrheit des Volkes denkt mit uns, daß wir in der Lage sein müssen, wenn es niht aaders geht, auch mit den realen Machtmitteln, den Frieden zu sihern, An der Export- industrie verdient ein großer Theil der Arbeiter Millionen. Wollen denn die Sozialdemokraten zweitausend Werftarbeiter allein in Danzia brot- Tos maden? Auch Herr Auer hat im Verdacht der Floitenfreund- lihkeit gestanden; er will nur dieser Regierung nichts bewilligen, sondern die deutshe Flotte \chafen, wenn er an der Regierung ist. Wir brauchen aber diese Machtmittel bald, wir können niht auf Herrn Auer warten. Das Zentrum ift für das Geseß in der Form und dem Umfange der Vorlage nit, will aber eine starke Flotte; also wird in der Kommission nah gründlicher Prüfung eine Verständigung herbei- zuführen sein. Niemand hat Interesse an einem Konflikt, niemand \pekuliert darauf.

Abg. Motty e: Nach reiflicher Ueberlegung sind wir zur Ablehnung des Gesetzes gekommen aus dense)ben Gründen, bie uns im Fahre 1898 zur Ablehnung des Flottengesezes brachten. Unsere Mädler erwarten eine normale freie Entwickelung aller wirthschaftlihen Kräfte und wollen, daß die militärischen Maßnahmen \ich mit dieser Entwickelung stetig befinden. Das ist aber in Deutschland keineswegs der Fall. Die Noth der Land- wirtbschaft if die alte. Die Ausnahmepolitik der preußischen Regierung gegen die polnishen Unterthanen, die Politik der Ver- treibung des polnishen Bauern, Arbeiters und Handwerkers von der heimatblihen Scholle mit Hilfe des 200 Millionenfonds kann uns nit veranlafsen, für cin solhes Geseß zu stimmen. Auf das Geseß, welches die Ansiedelungskommission für die A Landestheile einsezte, fällt der größte Theil der Verantwortung für unsere ab- Ilehnende Haltung.

Abg. Liebermann von Sonnenberg (Reformp.): Meine Arne stimmen für Kommissionsberathung. Die Vorlage ifl eine Art Resoluticn mit angehängtem Programm. Der vorgeschlagene Weg ist gangbar, wenn auch ungewöhnlich, da der Reichstag erft die Hauptarbeit zu thun berufen wird. Umsomehr wird der Reichstag berehtiat sein, Berücksihtigung seiner Wünsche bei den ver- bündeten Regierungen zu finden. Die Beobachter der Volks- \tiumung im Lande müssen bestätigen, daß das Verständniß durhgebrohen i}, daß Deutschland Seegewalt erwerben muß, wenn es Siy und Stimme im Rath der Völker behalten will, daß es auf diesem Gebiet nur ein Vorwärts, kein Rückwärts mehr giebt. Völker werden nur dur das groß und mächtig erhalten, wodurch sie groß und mächtig geworden sind. Unsere Großma@tstellung in Eurcpa muß an langen Grenzen vertheidigt werden, dazu gehören lebendige Grenzwälle, unsere Bauerniöbne. Für den Schuß der Arbeit, durch welhe diese lebendigen Grenz;wälle erhalten werden müssen, brauhen wir die Flotte. Die Landwirthschaft sollte aber nicht über das nothwendige Maß hinaus in Mitleiden- {aft gezogen werden. Es läßt \sih aber nicht die Befürchtung ab- weisen, daß es ihr s{lechter gehen wird, wenn man die Gesammt- haltung der Regierung seit dem Fürsten Bismarck ins Auge faßt. Es wäre furhtbar, wenn sie nah ihrer Zustimmung zur Flottenverstäckung erleben müßte, daß die Caprivi’she Parole wicder in Kraft tritt: Deutschland muß Industriestaat werden! Das wäre der Anfang vom Ende. Das Beispiel Englands lehrt uns, wohin ein Staat kommt, wenn er seine Landwirthschaft verfallen läßt; bei seiner geschüßten Lage konnte es diese Ent- wickelung Jahrhunderte länger tragen; bei uns würde der Zusammen- bruch {hon nah einem Menschenalter eintreten. Denn wenn die Regierung auf ständige Einnahmen aus den Zöllen rehnet, muß sie starken Import wünschen, und ein großer Theil könnte nur aus Brot- früchten bestehen, worauf {on gestern Herr Hilpert sehr rihtig hin- gewiesen hat. Bei dem Fleiscschaugeseß könnte s{hon die Regierung thre befsere Einsicht zu Gunsten der heimishen Landwirthschaft bewähren. Wir sind niht reih genug, um so zwei so große Unternehmungen, wie die Flottenverstärkang und das Kanal- werk, gletzeitia durchzuführen, Man nehme die Gesammiverschul- dung des Grundbcsiges, dann wird man ein bescheideneres Bild wenig- stens von der Pro1perität der Landwirthschaft bekommen, als es der Staatssekretär Graf von Posadowsky entrellt hat. Die Deckungs- frage halte auch ih für entscheidend. Die Vorlage wird s{hcitern, wenn es ia der Kommission niht gelingt, mit der Regierung eine feste bindende Bestimmung zu vereinbaren, wie die Jahreskoften auf- gebraht werden sollen. Diese werden von 1916 in einen ge- wissen Beharrungszustand treten, und da muß auh für die Deckung vorweg Bestimmtes festgelegt sein. Wenn es gilt, die finanzielle Last auf die leistungssähigen Schultern zu legen, wird dem Zentrum unser Vertreter treu zur Seite stehen. Sollen die Erben der Hansa sich nit au an den Kosten der Kriegéflotte betheiligen, die wesentlih ihre Interessen zu {ügen bestimm1? Das Ziel des Geseyßes müßite die völlige Ausschaltung der Anleihe oder wenigstens eine starke Schuldentilgung sein; die Ersaßbauten müssen auf den Jahres-.Etat übernommen werden, damit die Flotte selbst unbelaftet dasteht. Nicht wegzuleugnen i aber das Miß- trauen gegen die innere und äußere Politik der Regierung; man fragt im Lande, ob denn diefe Regierung auch im stande fein wird, solhe verstärkte Flotte zweckentsprehend zu ver- wenden; man kann das gar nit glauben nah den Vorgängen vor Samoa und Manila. Andererseits is man wenig erfreut über die Allerweltsfrcundschast, die uns nirgends Vertrauen erweckt. Unsere Flotte wird so lange nit die rechte Grundlage haben, fo lange nicht die wirthshafiliche Angliederung unserer niederdzutshen Stamme®?- genofsen vollzogen ift, und wir in eine Art Marinekonvention mit Hoüand getreten sind, sodaß die holländischen Kolonien für unsere Marine Kohlen- stationen und Stütpunkte scin können. Herr Rickert wird nicht widerlegen können, daß die Landwirthschaft fih in bedeängter Lage befindet. Die Kommission hat eine s{chwere, aber dankbare

nur ein äußeriter Nothbehelf, ja in gewissem Sinne ein Rüdkschritt ;

Redner aller Parteien, und was den Umfang betrifft, fo kann [leiht geholfen werden, man bewilligt etwa ein Schiff weniger, oder macht es so wie bei der Militärvorlage mit den 7000 Mann. Das Shickjal der Vorlage kann vielleicht durch wenige Stimmen entschieden werden ; wir werden uns an nationaler Opferfreudigkeit von niemand über- treffen lassen, aber wir haben dafür zu sorgen, daß die Landwirthschaft niht überlastet wird.

Abg. Smalakys (b. k. F.) rerliest eine Erklärung, aus welcher hervorgeht, daß er auf Grund der gesammten Lage Europas eine starke Flotte füx nothwendig hält und dafür stimmen wird,

Darauf wird die Vertagung beschlossen.

Schluß nah 51/2 Uhr. Nächste Sißun Sonnabend 1 Uhr a egung der Berathung). Ps

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 20. Sigung vom 9. Februar 1900, 12 Uhr.

Die zweite Berathung des Staatshaushalts-Etats v a wird bei dem Etat der Justizverwaltung fort- gesetzt.

Ueber den ersten Theil der Verhandlungen isst in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Die Rede, welhe der Justiz-Minister Schönstedt ge- halten hat, nachdem vom Abg. Dr. Göschen (nl.) die Zurückverweisung der gleichzeitig mit den Einnahmen aus den Gerichtskosten zur Berathung stehenden Regelung des Gerichtsvollzieherwesens an die Kommission zur \hrift- lichen ier arp v0 , vom Abg. von Jagow (kons) hingegen nur die Absezung derselben von der Tagesordnung beantragt worden ist, hat folgenden Wortlaut:

Meine Herren! Ich bitte, mir einige Worte zu geftaiten über die materielle Tragweite des von Herrn Abg. Dr. Göschen gestellten Antrags. Herr Abg. Dr. Göschen hat selbst erklärt, daß er es in hohem Grade bedauern würde, wenn infolge der Zurückverweisung dieser Etatstitel an die Kommission die Reorganisation des Gerichts» vollzieherwesens eine Verzögerung erleiden würde. Ih würde dieses Bedauern vielleiht in noch höherem Maße empfinden, als es seitens des Herrn Antragstellers der Fall zu sein scheint. Ich kann aber niht mit der Bemerkung zurückhalten, daß, soweit ih es übersehe, allerdings die Gefahr entsteht, daß die Organisation zum 1. April nicht ins Leben treten kann, wenn die Sache zur nohmaligen Be- rathung an die Kommission zurückv-rwiesen wird. Die Zeit zur Durchführung der Organisation ist überhaupt hon recht knapp; es ist reht viel zu thun, um die neuen Bestimmungen ins Leben treten zu lassen.

Die Verfügungen, die bestimmt \siad zur Ausführung der neuen Einrichtungen, liegen alle fertig vor und würden an die Provinzial- behörden abgehen, sobald dieses hohe Haus in der zweiten Lesung zu dieser Organisation Stellung genommen hat. Erst dann können die Provinzialbehörden herangehen an die Bezirkseintheilung, die ja einen wesentlihen Bestandtheil der neuen Organisation bildet; erst dann können die neuen Stellen definitiv vertheilt werden; erst dann kann herangegangen werden an die Auswahl der Beamten, die in die neuen Stellen zu berufen fein würden. Zweifellos wird die Organisation au zur Folge haben, daß viele von den bereits vorhandenen Gerichts8- vollziehern mit Versezungsgesuchen kommen. Alle diese Dinge erfordern einen ansehnlichen Zeitaufwand, und ich glaube sagen zu können: jeder verlorene Tag in dieser Frage gefährdet die rechtzeitige Aus- führung der Organisation. Von diesem Standpunkt aus kann ih deshalb nur den dringenden Wunsch aussprechen, daß jede derartige Verzögerung vermieden werden möge. Jch glaube aber auch diesen Wunsch zuglei aussprehen zu können im Namen der Gerichts- vollzieher selbst, die von diesen neuen Einrichtungen ja wesentlich mit- betroffen werden. Auch für sie is es vou der allergrößten Be- deutung, daß sie mözlichst bald wissen, woran sie sind. Es trifft das namentlich zu für die Gerihtsvollzieher in den großen Städten, die bisher einen sebr großen Geschäftsumfang gehabt, und darauf bisher ihre ganzen Einrichtungen getroffen haben, ihre Bureaux und ihr Personal danach eingerihtet haben. Diese GerichtsvoUzieher werden sich \{lüssig zu machen haben, wie sie sich den Uebergang in die neuen Verkältnisse in ihrem Interesse möglichst erleihtern. Sie werden zu verhandeln haben mit dem von ihnen bisher angenommenen Bureaupersonal ; sie werden Kündigungsfristen zu beobahten haben sowohl in Bezug auf ihr Geschäftslokal wie gegenüber ihren An- gestellten. Alles das läßt es auch im Interesse der Gerichtsvollzieher selbs dringend erwünscht erscheinen, wenn die Sache so {nell wie möglich in diesem hohen Hause zur Erledigung gebraht werden könnte. Daß die Berathung in der Kommission eine nicht sorgfältige und gründliche gewesen sei, wird ja eigentlih von niemand bekbauptet. Ih kann meinerseits der Kommission nur das Zeugniß ausstellen, daß sie diese Fragen außerordentli eingehend in stundenlangen Be- rathungen nah allen Richtungen hin zum Gegenstand der Besprehung gemacht hat, wie diejenigen Herren, denen die Protokolle zugegangen sind, aus diesen Protokollen felbst ersehen werden. Wenn alfo die Fraktionen sfih ents{ließen möchten, der eventuellen Anregung des Herrn von Jagow entspr:chend, si darauf zu beschränken, die \crift- liche Mittheilung der Kommissionéprotokolle an alle Mitglieder herbei- zuführen und vielleicht dann die Vertheilung des Stenogramms über den sehr eingehenden mündlichen Vortrag des Herrn Berichterstatters von heute, damit würde, wie ih glaube, der Sache selbst ein er- hebliher Dienst erwiesen werden.

s Haus beschließt die Zurückverweisung an die Kom- mijnon.

Die Einnahmen werden bewilligt.

Zu den dauernden Ausgaben, und zwar bei dem Titel „Gehalt des Ministers“, nimmt nach den ebenfalls schon mitgetheilten Ausführungen der Abgg. Schmiy - Düsseldorf (Zentr.) und Dr. Weihe (kons.) das Wort

Abg. Schall (konf ), dec die Verhältnisse im Gefängniß der Jugendlihen in Spandau bemängelt und die Nothwendigkeit der Seelsorge für die jugendlichen Gefangenen betont. Daß, wie in Spandau, die ge- fangenen Mädchen männlihes Wärterpersonal hätten, gehe do nicht an. Auch einen ausreihenden Unterricht müßten die jugendlichen Ge- fangenen hoben, deren Langeweile ferner durh Giubaudeltn abgehalten werden müsse. Das neue Zwangterziebungögese werde hoffentlich au eine Besserung der Verhältnisse bringen. Die Prügelftrafe sei

aber dur förperlihe Züchtigung bei der Zwangöerziehung könne do wohl den Rohheiten der Messerheloen vorgebeugt Werben Mache

Aufgabe zu leisten. Gegen die Form der Vorlage wenden \ih die

Abg. Kir \ (Zentr.) {ließt ih dem Wunsche einer Re der Strafvollstreckung für die unt E be an, bei welher reli wicht auf die erzieherishe Wirkung der Haft gelegt werden müsse, be, máängelt die Ausbildung der Referendare und wünscht eine andere Cin- theilung der Gerihts\preng:l in der Rheinprovinz, weil das Bürgerliche Geseybuch vershi-dene Sachen den Notariaten entzogen und den Gerihten überwiesen habe; er erinnert ferner an die vom Hause einstimmi angenommene Resolution wegen Aenderung des Hinterlegungswesens und weist auf Stilfehler in dem Geseßentwurf, betreffend die Bestrafung der Zuwiderßandlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung von Verkehrsabgaben, hin; diese Fehler seien einfah wieder abgeschrieben worden, obwohl er |chon im voriger Jahre auf si2 aufmerksam gemacht habe. Die Einnahme an erihtskosten sei um 10 Millionen gestiegen; er werde einen Antrag auf Ermäßigung, namentlih der osten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, einbringen, eventuell äu im Reichstage. j ;

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Die Berathung des Titels, mit dem ia diesem Augenblick das hohe Haus si beschäftigt, hat ja den einen Vorzug, daß sie Gelegenheit giebt, zu allerlei Anregungen, zu allerlei kritischen Bemerkungen über bestehende und der Verbesserung bedürftige Zu- stände im Bereiche der Justizverwaltung. Ich kann es nur mit Dankbarkeit begrüßen, wenn von dieser Gelegenheit ein recht aus- giebiger Gebrau gemaht wird; das um so mehr, als ja nach der feststehenden Uebung des Hauses die Bewilligung des Titels {ließli niht davon abhängig gemaht wird, ob der Minister sich im stande erklärt, diese sämmtlihe Wünsche zu erfüllen, oder ob er auch nur in der Lage i}, zu diefen Wünschen bestimmte Stellung zu nehmen. Auf diese . hergebrahte wohlwollende Praxis des hohen Hauses möchte ih auh heute rechnen, wenn ih es nicht für geboten erachte, zu den zahlreihen bier gegebenen Anregungen über- all die Stellung der Justizverwaltung zu präzisieren. Jh würde dazu um so weniger im ftande sein, als es sich bei manchen Fragen ja keineswegs nur um die persönlihe Auffaffung des Justiz-Ministers handelt, sondern um Fragen, zu denen die Ksöniglichz Staatsregierung als solche Stellung zu nehmen haben würden, und der irgendwie dur Aeußerungen über den eigenen Standpunkt vorzugreifen, dem einzelnen Ressortchef niht wohl anstehen würde.

Meine Herren, von den Bemerkungen in der einleitenden Rede des Herrn Abg. Schmiy is eine Reihe ohne Zweifel als vollkommen zutreffend zu erahten. Insbesondere kann ja nur zugestimmt werden den Ausführungen, daß e3 erwünscht sei, die Beseßung überlafteter Gerichte noch über dasjenige Maß hinaus zu verstärken, welches bet der Einbringung des vorliegenden Etats innegehalten worden ist. Aker, meine Herren, der Geschäftsumfang bei den einzelnen Gerihts- behörden befindet sich im fortgeseßten Fluß, und es ist niht möglich, den Bedürfnissen, die für den Augenblick hervorzutreten scheinen, au obne weiteres überall {hon die Bedeutung dauernder Bedürfnisse bei- zulegen und danach den Etat mit Stellenforderungen seitens der Königlichen Regierung auszustatten. Daß die Juslizverwaltung das Bestreben hat, überall den Bedürfnissen nachzukommen, soweit es in ihren Kräften steht, daran werden, glaube i, die Herren in diesem Hause nicht zweifeln. Aber es ist dabei ncch mit mancherlei Faktoren zu rechnen, und es läßt sich nit mit einem Schlage cine so mafsenhafte

Schmiß vorgeshwebt hat, wenn er ausgeführt hat, daß dem Richter au Zeit bleiben müsse, seine allgemeine Bildung zu erweitern und zu vertiefen, sih mit allen Verhältnissen des praktischen Lebens näher vertraut und bekannt zu machen, um seinen s{chwierigen und, wie ih anerkenne, immer s{chwieriger werdenden Aufgaben gerecht zu werden. Der Herr Abg. Schmiy hat dabei an Zustände erinnert, die er, wenn ih nit irre, als ideale bezeihnet hat und es haben ihm da vielleiht die Zu- stände in der Rhelr provinz vorges{chwebt, vor Einführung unserer neuen Prozeßgeseße. Dort war allerdings die Sache so, daß für die Richter der Zustand wohl als ein idealer bezeihnet werden konnte. Sie waren eben ledigli re&tsprehende Richter, sie hatten sich mit den Vorbereitungen zu den Spruchsißungen nicht zu beschäftigen, sie waren nur in geringem Maße bei der Abfassung der Urtheile per- \önlih betheiligt, insoweit wenigstens die Thatbestände niht von ihnen, sondern von den Anwälten geliefert wurden. Und so blieb ihnen in umfassevder Weise Zeit, sich auf anderen Gebieten weiter auszubilden, andere Interessen zu pflegen, sih auf dem Gebicte der Kunst, der Literatur, der gemeinnügigen Bestrebungen, thätig zu zeigen. Ja, meine Herren, diese idealen Histände, wie sie für jene Provinz bestanden haben, sind vorbei, und sie werden nie- mals wiederkommen. Damit können wir nicht rechnen; wir müssen damit rechaen und ih glaube, €s wird das ein dauernder Zustand bleiben —, daß für eine\ große Anzahl von Richtern namentlich in unseren Industriegegenden, wo der Arkeitsumfang von Jahr zu Jahr wächst, wo die Unruhe des Lebens die ganze Bevölkerung ergreift und sih au auf die mit der Rechtépflege betrauten Beamten über“ trägt —, daß da an reihlihe Muße für die Richter nit gedacht werden kann ; mit diesem Gedanken, glaube ih, müssen wir uns ver- traut maten. )

Einigermaßen gewundert hat es mich, daß der Herr Abg. Schmi es gleichzeitig beklagt hat, daß cin Theil der unbesoldeten Assefsoren ungeaügend beschäftigt sei, daß für si: nur eine Thätigkeit von einer bis anderibhalb Stunden sich ergebe, und sie dadur vielleicht sich einer regelmäßigen anftrengenden Thätigkeit mehr oder weniger ent? fremdeten. Meine Herren, diese Zeit möchte gerade von den jungen Leuten benußt werden in der Richtung, wie es der Herr Abg. Schmiy für wünschenswerth erklärt hat (sehr richtig! rets); möchten sie die ihnen gebotene Mußezeit in ausgiebigster Weise darauf verwenden, ihre allgemeinen Kenntnisse, ihre Erfahcungen auf dem Gebiete des praktishen Lebens, den Kreis ihrer allgemeinen Bildung zu erweitern! Es kann} dies ihrer ' späteren praktischen Thätigkeit im Amte, als angestellte Richter ¿weifellos nur zu gute kommen, und ih glaube, daß es eime dankbare Aufgabe auch für die älteren Richter sein würde, auf die jungen Kollegen, die dem Gericht zu einer mehr oder weniger unzureichenden Beschäftigung zugewiesen werden, nah dieser Richtung hin fördernd und anregend einzuwirken,

4 (Schluß in der Zweiten Beilage.)

sähen die Zwan,djacke als eine passive Züchtigung an, .die gute Er- folge haben könne.

Vermehrung desPersonals herbeiführen, wie das vielleicht dem Herrn Abg.

M 38.

| Zweite Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußis

Berlin, Sonnabend, den 10. Februar _

chen Staats-Anzeiger.

1900.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Die An egung, die der Herr Abg. Schmit weiter. gegeben hat in Bezug auf die Vorbildung unserer praktischen Juristen, kann ih ja auch infofern nur als durhaus zutreffend anerkennën, als für den Juristen nicht nur die Kenntniß der formellen und materiellen Gefeße nothwendig ist, sondern daß er auf der Höhe des praktischen Lebens stehen muß, daß er si mit allen wirthschaftlichen Verhältnissen, so- weit es in seinen Kräften steht, des näheren vertraut zu machen hat. Der Vorwurf mag nicht überall unberechtigt scin, daß zuweilen ein ge- wisser Zwiespalt zwischen unserer Rechtiprehung und den Anschauungen des praktischen, gewerblichen, geschäftlichen, wirthshaftlihen Lebens besteht. Aber au da sind die Mittel, die der Justizverwaltung zur Einwirkung gegeben sind, außerordentlih beschränkte, und ih mödte au kaum glauben, daß auf dem vom Herrn Abg. Schmit ange- deuteten Wege große Erfolge zu erreihen wären, wenigstens nicht sichere Erfolge. f:

Die Erweiterung des Bildungsstoffes auf den Universitäten, auf die hingewiesen worden ist, dadurch, daß den Studierenden hon zur Pflicht gemacht werde, si nicht auf rein juristische Kollegien zu beschränken, sondern auch andere Materien zum Gegenstand ihres Studiums zu machen, ist gewiß eine höchst beachtens8werthe und rihtige ; aber in die Praxis überseßt, kommt es doch immer auf den guten Willen unserer \tadierenden Jugend an, was sie da malen will, oder niht. (Sehr richtig! rechts.) An die Wiedereinführung von Zwangskollegien wird ja auch der Herr Abg. Schmiß nicht gedacht haben. Die Erfahrungen, die mit ihnen gemaht worden sind, find keineswegs ermuthigend, um auf diesen früheren Zustand wieder zurüds

zukehren. Auch während des Vorbereitungsdienstes is die Gelegenheit für unsere viel beschäftigten Richter, sich mit dem jungen Nachwuchs zu beschäftigen noh über das eigentlih Fahmäßige hinaus, immer uur in beschränktem Maße gegeben. Der Fall, den der Herr Abg. Schmi besonders zum Gegenstand der Erörterung gemacht hat, daß es bös unarfreulih sei, wenn Berliner Kinder, wenn ih so sagen darf, die hier geboren, hier erzogen find, bier die Universität absolviert haben, hier ihre sämmtliche Gerichtsftadien zurückgelegt haben, demnächst in ländliche Bezirke geshickt werden, wo ihnen gewissermaßen alles fremd ist: der Zustand if auch gewiß kein erfreuliher. Aber ih glaube, wenn ih dem Rathe, den mir der Herr Abg. Schmiß gegeben hat, folgen wollte, diesen jungen Nach- wuchs an Referendaren möglichst aus der Heimath berauszuschicken in fremde Orte, in fremde Provinzen vielleicht, so würde das zwar zweifellos ihren Gesichtskceis, ihren Blick erweitern; aber, meine Herren, wir würden dadurch zuglei den Kreis, aus dem der juristische Nahwuchs hervorgeht, in einer Weise verengen, daß an die Stelle des jet bestehenden Ueberflusses an jungen Juristen in nit gar langer Zeit ein Mangel treten würde. Wir würden, wenn- wir zu solchen Maßregeln übergehen wollten, doch das Studium der Jurié- yrudenz und die praktische Vorbereitung für den höheren Staatsdienst zu einem Privilegium enger Kreise machen. Es würden ganze Kreise ausgeschieden werden, deren Mittel nicht dazu aus- reihen, solhen erweiterten Anforderungen zu genügen. Und ob die Kreise, die dann übrig blieben für die Rekrcutierung dieses Nachwuhses, dem Bedarf entsprehen, ausreihen würden, und ob das dur nicht sehr shäßenswerthe Elemente uns entzogen würden, auf die der Staatsdienst niemals verzichten kann, und mit dggen Herans ziehung zum höheren Staatsdienst wir die glücklichsten Grfahrungen gemacht haben in der Richtung, daß in Preußen die höchsten Stellen jedem tüchtigen Manne zugängig sind, gleihgültig, aus welchem Gesell- shaftskreise, aus welcher Klasse der Bevölkerung er hervorgegangen ist —, dies, meine Herren, ersheint mir doch niht unbedenklich. Selbstverständlih kann es nur freudig begrüßt werden, wenn die- jenigen Herren, denen es ihre Mittel gestatten, bemüht sind, auch nach zurückgelegter Staatsprüfung und insbesondere in den Jahren, wo an ihre Arbeitskraft auêgiebize Anforderungen feitens der Behörden noh nit gestellt werden, ihre Zeit zu benußen, um sih auh in anderen Lebenskreisen umzusehen. Solange ih in diefem Amte bin, bin ich derartigen Wünschen und Bestrebungen immer nah Möglichkeit entgegengekommen und habe häufig meine Ansicht dahin ausgesprochen, daß manŸher dieser jungen Herren seine Zeit viel besser in praktischen Betrieben, beim Bankfah, bei einer Kommunal- verwaltung, au in der landwirthschaftlichen oder Domänenverwaltung zubringen möge, oder aber nach der Richtung, daß er ins Ausland geht, um die Verhältnifse dort kennen zu lernen. Jh bin von der früheren strengen Praxis abgegangen, daß Beurlaubungen, die den Herren zu solchem Zweck ertheilt wurden, auf ihr Dienstalter niht angerechnet wurden. (Sehr gut !) Ich werde auf diesem Wege fortfahren und mich freuen, wenn mözlichst viel von der Gelegenheit, #sch auf diesen Gebieten weiter auszubildea, Gebrauch gemacht wird. (Bravo!) Meine Herren, der Herr Abg. Schmiß hat einen Fall erwähnt, in dem er einen nicht zu ertragenden Mißstand in unferen Rechtsverhältnissen erblickt, daß es nämlich an einer geseßlihen Bestimmung fehlt, über die Gnt- scheidung von Konflikten zwischen dem hôhsten Landesgeriht8hof für Kompeten;konflikte und dem Reichsgerichte. Der von ihm vor- getragene Fall war, soweit ich ihn im Gedächtniß habe, durchaus richtig dargeftellt. Dieser Fall fteht nicht vereinzelt da; es sind ver- wandte Fälle vorher und nachher vorgekommen, und augenblicklidh liegt bei dem erwähnten Fall die Sache fo, daß die betreffende Ge- meinde sich eigentli einem vollkommen rechtlosen Zustande gegenüber befindet. Es handelt sich dabei um die Frage, ob der Landes- gerihthof für Kompctenzkonsflikte befugt is, au reichsgerichtlide Gatscheidungen aufzuheben, oder ob seine Zuständigkeit vcr dem Neichs- gerihte Halt zu machen hat und die Landesbehörden sich der Eut- ¡eidung des Reich3gerichts zu fügen haben. Viese Frage is \chon in der Wissenschaft eine fehr bestrittene.

Präsident Eccius haben \ich dahin ausgesprochen, daß aus der Reichs- geseßgebung sich ergebe, baß die Entscheidungen der Landeskompetenz- |- gerihtshöfe in derartigen öffentlih-rechtlihen Sachen au für bas Reichsgeriht bindend seien, und sie haben dafür gute Gründe an- gesührt. Andere Autoritäten stehen auf dem entgegengeseßten Stand- punkt. Einzelne Bundesstaaten, Bayern, Württemberg, Oldenburg, Medlenburg, haben die Frage im Wege der Gesetzgebung zu regeln gesuht. Dort ist sie entweder zu Gunsten der reihsgerichtlihen Zu- ständigkeit oder zu Gunsten der landesgeseglihen Zentralinstanz geseulih geordnet. Uns fehlt ein solches Gesey, und ih stehe allerdings auf dem Standpunkte, daß wir ohne ein Einschreiten der Gesezgebung aus dieser Sackgasse niht wohl herauskommen werden. Fch habe deshalb Veranlassung genommen, die Aufmerksamkeit des Säiaats-Ministeriums auf diese Lücke zu lenken und glaube annehmen zu dürfen, daß sich demnächst das Staats-Ministeriam mit der Frage befassen wird.

Die Bemerkungen über den Zustand der Gerichtsgebäude und darüber, inwieweit eine künstlerishe Ausgestaltung derselben in größerem Umfange als seither zu erstreben ist, glaube ih, übergehen zu dürfen. Schon im vorigen Jahre hat diese Frage den Gegenstand kurzer Erörterungen gebildet. Daß es wünschenswerth wäre, nament- li unsere großen, schönen Gerichtsgebäude auch fkünstlerisch auszu- schmüdcken, ift gewiß zuzugeben, aber es handelt sich dabei wesentlih auch um finanzielle Fragen ; ih kann konstatieren, daß in manchen Fällen die Mittel dazu gefunden sind, son in älterer Zeit. Ich er- innere ¿. B. an die künstlerische Ausshmückung des Schwurgerichts- saales in Elberfeld, ih erinnere an die künstlerisch sehr chöne Aus- \{chmückung des großen Justizpalastes in Cassel; ih habe hon im vorigen Jahre die Hoffnung ausgesprochen, daß sih auch für das neue Justizgebäude in Berlin solche Mittel finden mögen, und glaube, daß ih an dieser Hoffnung festhalten kann. Auf die einzelnen Wünsche, die bei dieser Gelegenheit zum Ausdruck gekommen sind, will ih nit eingehen.

Der Herr Aktg. Schmiß hat demnächhft seine Anerkennnung darüber ausgesprohen, daß vor kurzem ein Berliner Anwalt zum Mitglied des Kammergerichts ernannt worden ist, und hat daran den Wun\ch geknüpft, daß eine derartige Zurückberufung der Anwälte in den höheren Richterstand häufiger vorkommen möchte. Mir hat es persönlih zu einer hohen Befriedigung gereiht, daß es mir möglich gewesen ist, einen hochangesehenen Anwalt von besonders anerkannter Tüchtigkeit dazu zu bestimmen, daß er in das Kammergericht einge- treten ist, und ih würde es für erwünscht halten, daß hervorragende Anwälte unter gleihen Bedingungen eine gleihe Bereitwilligkeit er- klärten. Ich glaube, daß auch die Rectsprehung dadurch nur gewinnen fann, wenn ihr Elemente zugeführt werden, die in einer umfassenden bedeutenden Anwaltsthätigkeit Erfahrungen gesammelt haben, die am Gerichtstische gewiß nur mit Nuten verwerthet werden können. Daß aber sehr häufig dieser Fall roird eintreten können, glaube ih zu meinem Bedauern bezweifeln zu müssen, denn unsere tüchtigen An- wälte werden nur selten geneigt sein, die großen Opfer, die mit einem solchen Uebertritt verbunden sind, zu bringen. Auf den weniger hervor- ragenden Theil der Anwälte aber zurückzugreifen und vielleicht solche Anwälte in den Richterdienst zurückzuberufen, die in ihrem Anwalts- beruf niht die Befriedigung oder die Anerkennung gefunden haben, auf die sie geglaubt haben, renen zu können, das würde ich gegen- über dem reihlichen Material, das uns für die Besetzung der höheren Gerichte zu Gebote teht, nit verantworten können, und aus diesem Grunde glaube ih, eine große Aussiht auf einen häufigeren Wechsel zwischen Anwälten und Richtern nicht eröffnen zu können.

Meine Herren, ih darf mit einigen Worten zu den Bemerkungen des Herrn Abg. Dr. Weihe übergehen. Ich will mih au hier nit näher auf die Anregungen einlassen, die er bezüglich einer Verbesserung des Vorbereitungsdienstes namentli nach der Richtuno hin gegeben hat, daß den jungen Studierenden oder solchen, die Studierende werden wollen, die Verpflichtung auferlegt werde, zunächst einen praktischen Kursus bei einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde durch- zumachen. Der Gedanke is nit neu, er ist auch {hon von anderer Seite angereat worden. Ich kann mir aber einen großen Erfolg davon nicht versprehen, namentli au niht nach der Richtung der Abschreckung, von der Herr Abg. Weihe gesprochen hat, indem er meint, mancher würde dur einen Einblick in das, was die Praxis von thm verlangt, die Lust verlieren, si dem Studium der Rechts- wissenschaften zu widmen. Ich glaube nicht, daß mit einem solchen Erfolg zu renen sein wird.

Aber alle diese Fragen über die bessere Vorbildung, über den BVorbereitungsdiens zu den höheren Staatsämtern sind so außer- ordentlich fkompliziert, es sind dabei so vielseitige Gesichtspunkte in Betracht zu ziehen, daß es niht möglich ist, sie in dem Rahmen einer Generaldebatte beim Justiz-Etat zu erörtern. Die Frage der Vorbildung beschäftigt fortgeseßt tie berufenen Instanzen. Es ist den Herren ja au bekannt, daß insbesondere die Frage der Vorbereitung für den höheren Verwaltungsdienst den Gegenstand der Erörterung zwischen den nächstbetheiligten Réfsorts bildet. Vielleiht wird in naher Zeit irgend ein Resultat dabei erzielt werden. Aber die zu überwintenden Schwierigkeiten, die hauptsählich auch in den so weit auseinander gebenden Meinungen über das, was dabei das Rechte und das Zutreffende sei, zu finden sind, werden sh so leiht nicht über- winden lassen. Das Bestreben aller betheiligten Ressorts, nah dieser Richtung eine Besserung zu erzielen, iff vorhznden.

Meine Herren, es is dann von unserem Strafsystem gesprochen worden und von Uebelständen auf dem Gebiete der Strafvyollstreckung. Es ift sowohl von Her: n Dr. Weihe, wie vom Herrn Abg. Schall hervorgehoben worden, daß namentli für die jugendlihen Gefangeren und insonderheit für die jugendlihen weiblihen Gefangenen nicht Überall in derjenigen Wéise Sorge getragen werde, wie es das allgemeine Staatsiateresse und das Interesse dieser jugend- lihen Personen selbst erheischt. Es ist ohne weiteres zuzugeben, daß auf diesem Gebiet keineswegs überall erfreulihe Zustände herrschen. Auch in Bezug auf die hier besonders hervorgehobenen Vorgänge, die

tungen gehandelt hat,

ist dieser Mangel fängniß für weibliche

relativ besser is als in

jugendlihen Gefangenen

halten, daß vielmehr be

fängnissen haben wir

gottesdienstlihe Zwccke.

bemüht, überall, auch Zustände zu sorgen, zu sorgen, durchaus ane heit niht fehlt, den zukommen.

denen der einzelne Mi

unterliegt.

prinzipielle Abneigung wurde, daß aus West Unterschriften, unter de

bem vér körperlichen Z

Fragen herantritt, da

wieder eingeführt wer bannt is, oder ob es gerehtfertigt sei, ei

stande angehören.

dazu hergiebt, solche und es ist nicht bloß

Vorsicht herangetreten Das Zusammenw Vereinen, die sich die

Wünschen niht nur amtlihen Stellungen Elemente sich dafür

brauch zu machen.

bemerken, daß solche

gemacht, daß die in Hauses nicht überall

Angesehene Rechtslehrer, wie der Staatsrechtslehrer Meyer und der

sih in den Gefängnifsen von Charlottenburg und Spandau zugetragen

hingewiesen auf eine î

kann, ganz abgesehen davon, Die Thatsache wird anerkannt werden können, daß

in Bezug auf die Zulässigkeit dieses Strafmittels die Meinungen im Laufe der leßten Jahrzehnte gewechselt haben, daß die frühere

haben, glaube ih, den Herren Swhall und Weihe darin Recht geben zu dürfen, daß fie ein nit erfreuliches Bild geben von dem Straf- vollzuge. Zu diesen hier speziell erwähnten Fällen aber, meine Herren, darf ih bemerken, daß es sih dabei nur um vorübergehende Einrich-

niht etwa um dauernde Anordnungen der

Zeniralbehörde, sondern nur um vorübergehende Aush:lfsmittel, die er- griffen worden sind, weil es noch an ausreihenden Gefängnissen für jugendlihe weiblihe Gefangene fehlt. hervorgetreten; denn

Namentlih für Berlin das bestehende Ge-

Gefangene in der Barnimstraße läßt

außerordentli viel zu wünschen übrig, und gerade um niht den dort vorhandenen Unzuträglichkeiten noh eine größere Zahl von jugend- lichen Personen auszusetzen, ist man dazu übergegangen, solche jugend- lichen Gefangenen nah Charlottenburg und Spandau zu bringen, wo es zwar auch an den nöthigen Einrichtungen fehlt, wo es aber immerhin

dem großen Berliner Frauengefängniß. Es

ist inzwischen Vorkehrung getroffen, um dem abzuhelfen, indem die

aus Charlottenburg nah Wronke gebracht

worden \ind. Ich erkenne es als vollkommen berechtigt an, daß gerade bei diesen jugendlichen, noch bildung8- und besserungsfähigen Elementen die Strafvollstreckung sih nicht darauf beschränkt, sie mit mechanischen Arbeiten zu beschäftigen und sie in strenger Zucht zu

i ihnen auch für Unterricht und gottesdienft-

liche Pflege zu sorgen ift. Meine Herren, in einer Reihe von Ge-

solche Einrichtungen. Jch darf bloß erinnern

an Plôyensee, wo die Abtheilung sür Jugendliche mit allen Einrich- tungen nach dieser Richtung hin ausgestattet ist, für Schulzwecke und für

Wir haben sie in Wronke, und in dem großen Ge-

fängniß zu Preungesheim bei Frankfurt, in Hannover, in Glückstadt überall ta ift gesorgt. Aber, meine Herren, es reiht nit aus, und nur all- mählich können wir das erreichen, was wir erstreben.

Wir find namentlich auf dem Gebiet des Gefängniß-

wesens, für eine Verbesserung der noch verbesserungsbedürftigen

und ic kann hervorheben, daß auh bei

der Finanzverwaltung das Bedürfniß, nah dieser Richtung hin weiter

rkannt wird, und daß es dort an der Geneigt- Forderungen der Justizverwaltung entgegen-

Die weiter angeregte Frage der Wiedereinführung der Prügel- strafe ift ein sehr heikles Thema und gehört zu denjenigen Fragen, zu

nister überhaupt nicht wohl Stellung nehmen daß sie der Reich8geseygebung

gegen die Prügelstrafe in weiten Kreisen nicht

mehr besteht und getheilt wird; und wenn die Thatsache erwähnt

falen Petitionen gekommen seien mit 10 000 nen 5000 auf die Arbeiterkreise entfallen, worin

das Verlangen ausgesproh:n fei, daß gegenüber den bestialischen Roh- heitsverbrechen zu anderen Strafmitteln und besonders au wieder zu

üchtigung geschritten werden möge, so, glaube

ih, daß das schr vielen aus der Seele und aus dem Herzen gesprochen ist, (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) Aber, meine Herren, wir müssen doch damit renen, daß die Uebersetzung derartiger Ge- danken in formulierte Gesetzesparagraphen ganz außerordentliche Schwierigkeiten bereitet, und daß es da nicht mit allgemeinen Wünschen gethan ist, sondern daß, sobald man an die praktishe Lösung dieser

unendlih viele Schwierigkeiten und Hindernisse

ih entgegenstellen. JIch will nur die eine Frage hineinwerfen, ob etwa die Meinung besteht, daß auch in der Armee die Prügelftrafe

den könne, aus der sie seit langer Zeit ver- im Falle der Verneinung dieser Frage nen Unterschied zu machen zwischen bestialishen

Verbrechern, die der Armee angehören, und denjenigen, die dem Bürger- Es kommt dabei weiter in ¡Frage, inwieweit weiblihen Personen gegznüber körperliche Züchtigung angebracht ift; es kommt dabei die Abgrenzung der mit Körperstrafen zu bedrohenden Strafthaten sowie auch die Frage in Betracht, ob darauf gerechnet werden kann, daß man das nothwendige Personal findet, was sih

Körperstcafen zu vollstrecken. Kurz, meine

Herren, ih will nur andeuten: Die Frage is nicht so einfa gelöft,

eine Frage der Empfindung, sondern auch eine

folhe von außerordentlih großzr Tragweite, an die nur mit größter

werden kann und werden muß.

irken der Gefängnißverwaltungen mit denjenigen Fürsorge für Gefangene angelegen sein laffen,

ift mit vollem Recht von dem Herrn Abg. Stall befürwortet worden. Auh nah dieser Richtunz hin besteht absolut keine Ab- neigung seitens der Justizverwaltung; im Gegentheil, ih bin solhen

hier, sondern auch son in meinen früheren entgegengekommen, wo irgendwie die geneigten fanden, auf deren absolute Zuverläsfigkeit

und Befähigung, dort bessernd und erziehend zu wirken, gerechnet werden konnte. Wo solche ernste Elemente sich gur Verfügung stellen, werden die Strafvollstreckungsbehörden gern geneigt sein, davon Ge-

Meine Herren, ih komme dann zu dem Herrn Abg. Kirsch, der die Vermehrung der Amtsgerichte angeregt hat. . Ih kann darauf nur

allgemeinen Anregungen in der Generaldebatte

einen besonderen praktishen Werth nicht wohl haben können; es sind das Fragen, die voa Fall zu Fall geprüft und erörtert werden müssen. Fch kann deshalb auch nit auf dasjenige eingehen, was er bezüglih eines neuen Amtsgerichts in Hilden gesagt hat.

Der Herr Abg. Kirsch hat es dann zum Gegenstand seiner Kritik

früheren Sessionen geäußerten Wünsche dieses berücksihtigt worden seien. Gr hat besonders m vorigen Jahre hier einftimmig gefaßte Reso-