1876 / 10 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 13 Jan 1876 18:00:01 GMT) scan diff

Behufe der Entscheidung über ihr Militärverhältniß vorgeführt und im Falle der Diensttauglichkeit, ohne Rücksiht auf die Dauer der Detentionszeit, welhe dur die Landespolizeibehörde gegen fie angeordnet worden if, in das stehende Heer eingestellt werden dürfen. A Kosten des Transportes derselben aus dem Arbeits- haufe nah dem Orte der Musterung und Aushebung find zu- nähst aus dem Privatvermögen, beziehungsweise aus dem Arbeitsverdienft-Guthaben der betheiligten Militärpflichtigen, \o- fern ein solches aber nicht vorhanden sein sollte, aus den zur Disposition der betreffenden Civilbehörde stehenden polizeilichen Fonds (Kapitel 100 Titel 4 des Etats für das Ministerium des Innern zu Diäten 2c. und zu sonstigen \fählihen Ausgaben im Interesse der Polizei zu berichtigen.

Der Minister des Innern hat in einem Spezialerlaß vom 27. November v. I., da nah §. 15 des Geseßes vom 3. Juli d. Is., betreffend die Verfassung der Verwaltungs- gerihte und das Verwaltungs streitverfahren, hinsichtlich der Ge- währung von Tagegeldern und Reisekosten an die gewählten Mitglieder der Verwaltungsgerichte resp. deren Stellvertreter die für Staatsbeamte bestehenden geseß- lihen Bestimmungen maßgebend sind, es mit Rücksicht auf §. 6 des Gesetzes vom 24. Mai 18783, betreffend die Tagegelder und die Reisekosten der Staatsbeamten, nicht als zulässig erachtet, denje- nigen gewählten Mitgliedern der Verwaltungsgericte resp. deren Stellvertretern, welche ihren Wohvort am Sitze des Verwaltungs- gerichtes haben, für ihre Theilnahme an den Sitzungen des leß- teren Tagegelder zu bewilligen.

Die Bezeichnung als „Naturarzt ist, nah einem Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 22. Dezember 1875, flrafbar, als Beilegung eines Titels, durch den der Glauben er- weckt wird, der Inhaber desselben sei eine geprüfte Medizinal- person. „Die Strafvorschrift im 8. 147 Nr. 3 der Reichs-Ge- werbeordnung („Mit Geldbuße bis zu 100 Thlrn. und im Un- vermögensfalle mit verhältnißmäßiger Gefängnißftrafe bis zu \sechs Wochen wird bestrast, wer, ohne hierzu approbirt zu sein, sh als Arzt (Wundarzt, Augenarzt, Geburtshelfer, Zahnarzt, Thier- arzt) bezeihnet oder sih einen ähnlihen Titel beilegt, dur den der Glauben erweckt wird, der Inhaber desselben sei eine geprüfte Medizinalperson), trifft Jeden, der, ohne approbirt zu sein, die Bezeichnung a!s Arzt sih in einer Verbindung anmaßt, welche erkennen läßt, daß er sich mit der Ausübung der Heil- kunde beschäftigt, und geeignet ist, den Glauben zu erwedcken, daß er die Approbation erlangt hat, wie dieses mit der vom Angeklagten gewählten Bezeichnung der Fall i

Der Widerstand gegen einen Forstbeam- ten in der rechtmäßigen Ausübung seines Amtes außer- halb des dem Forstbeamten anvertrauten Reviers is nicht aus Q. 117 Des Neichs-Strafgesezbuches, betr. den Widerstand gegen einen Forstbeamten (mit Gefängniß bis zu drei Jahren), fon- dern aus §. 113 des Strafgesezbuches, ber. den Widerstand gegen einen Vollstreungsbeamten überhaupt (mit Gefängniß bis zu zwei Jahren, eventuell wit einer Geldstrafe bis zu 500 Thalern) zu bestrafen, „denn ein mit dem Schutze der Forsten betrauter Beamter ist unzweifelhaft auch „zur VollftreXung der Geseze und Anordnungen der Verwaltungsbehörden“ berufen.“

(Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 17. Dezember 1875).

Nachdem der Ober-Landes-Bau- Direktor, Wirkliche Ge- heime Rath Dr. Hagen, am Schluß vorigen Jahres aus dem Staatsdienste ausgeschieden is, sind die von ihm bisher wahr- genommenen Funftionen eines Vorsitzenden der technischen Bau- Deputation dem Ober-Bau- und Ministerial-Direktor Weishaupt fommissarish übertragen worden.

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In dem Jahresberiht pro 1875 über Hypotheken und städtishen Grundbesiz von Emil Salomon befand sich eine Ausführung, daß die neue Vormundschaftsord- nung auf den Realkredit nit günstig einwirken könne, weil für städtishe Grundstüke halbe Feuerkasse, für ländliche der 15 fahe Grundsteuerreinertrag als pupillarisch angenommen und damit die Pupillarität auf ein Minimum reduzirt werde.

Bei dem großen allgemeinen Interesse, welches die bezüg- lichen Bestimmungen der Vormundschaftsordnung für die be- theiligten Kreise haben müssen, hat der Geheime Ober-Iustiz- Rath Kurlbaum, Regierungs-Kommissar bei Berathung des Ge- seßes im Landtage, eine Widerlegung dieser Meinung dahin veröffentlicht :

„Die Vorniundscaftsordnung gestattet im §. 39 für die Werths- ermittelung aller Grundstücke die gerictliche Taxe, welche selbstver- ständlich weder den Feuerkassenwerth, noch den Grundsteuer: Neiners- trag ausscließlich berüdsihtigen kann. Neben dieser bisher behufs Prüfung de+ Sicherheit auszuleihender Mündelgelder ausi{ließlich zulässigen Werthernmittelung sind andere zugelassen, welche bei den allermeisten Grundäücken jederzeit vorhanden find und deshalb ohne Umstände benußt werden können. Dazu gehören namentlich die Taxen Sffentlicher Feuerversiherungs-Gesellschaften und die Grundsteuer- Einschèßzungen. Die ersteren können natürlich nur so benugt erden, wie sie sind. Bei den letzteren hatte man die Wahl zum wievielfachen Betrage des Reinertrages der Werth angenommen werden sollte; aber da durch Zulassuyg dieser Werthzermittlung eine Gr- leichterung gewährt wird, konnte man um so ehcr in den vorsichtig gehaltenen Grenzen der bisherigen Gesetzgebung bleiben, welche für die Prüfung der Sicherheit der Generaldepositalkapitalien in Erman- gelung einer vollständigen Taxe auch nur den 15fachen Betrag des Reinertroges als beleihungsfähigen Werth anzunehmen gestattet. Jn allen Fällen aber bleibt den Betheiligten überlassen, wenn sie von

gebotenen Erleichterungen keinen Gebrauh machen wollen

x fônnen, eine gerichtlihe Taxe einzuholen. Die zu beleihenden Quoten des Wertlzes sind allerdings dem bisherigen Rechtszustande der iten Provinzen gemäß auf die Hälfte bei städtischen und auf zwei Drittel bei ländlichen Grundstücken festgehalten worden, und dagegen wird auch wobl bei den erkennbar gewordenen Schwankungen in dem MWertbe und in der Werthshäßzung der Grundstücke nichts zu er- inaern sein.

Es ergiebt ch daraus im Ganzen, daß die Grenzen der pupil- larischen Sicherheit unverändert geblieben sind, die Ermittelunz der- jelben aber erheblich erleichtert ijt.“

Königsberg, 11. Ianuar. Im weiteren Verlaufe der gestrigen (6.) Sißung des Provinzial-Landtages bes{chloß die Versammlung nah längerer Debatte bezügli des Erlasses des Provinzialstatuts dem Antrage des Abg. Riert ge- mäß. Die Redaktionskommission wird die Zusammenstellung und Abfassung der Beschlüsse besorgen. Es folgten Wahl!prüs fungen. Nachdem der Bericht des Aus\chu}ses zur Prüfung der Geshäftsordzung von der Tagesordnung abgeseßt worden, da die Arbeiten des Aus\chusses noch nicht beendet, motivirte Abg. Dirichle: seinen Antrag, betreffend die Aufhebung des Pferde-Ausfuhrverbois, der sodann mit großer Majorität ange- nommen wurde. i

In der heutigen Sißung des Landtages wurde nah ge- \{äftlihen Mittheilungen zunächst zur Wahl des Vorsitzenden

des Provinzialaus\chus\s\es geschritten. Es wurden 133 Stimmzettel abgegeben, 4 unbeshhrieben, 51 trugen den Namen des Abg. v. Winter und 78 den des Abg. Selke. Leßterer er- klärte nah einigen Worten des Dankes für das in ihn gesetzte Vertrauen, die Wahl anzunehmen.

Zum zweiten Gegenstande der Tagesordnung: Festftelung der Höhe der Entschädigung für die Mitglieder des Provinzialaus\husses, die gewählten Mitglieder der Pro- vinzial- und Bezirksräthe hatte der Abg. Keßler folgenden Antrag gestellt: Die Mitglieder 2c. erhalten außerhalb ihres Wohnortes provisorish bis zur Aufftellung eines allgemeinen Diätenreglements, als eine ihren baaren Auslagen entsprechende Entschädigung die den Mitgliedern des früheren Provinzial- Landtages zuständig gewesenen Diäten und Reisekosten. Der Antragsteller motivirte seinen Antrag und fügte hinzu, daß nach feiner Ansicht auch der Vorsigende des Provinzialaus\{chu}ses Diäten und Reisckosten zu erhalten hat. Der Antrag wurde nah kurzer Debatte unter Streichung der Worte „außerhalb des Wohnsißes“ mit dem Nachsage angenommen: Es werden au den am Orte ansässigen Mitgliedern Diäten bewilligt.

Der Vorsizende konstatirte, daß hiemit auch die ÎInterpre- tation des Abg. Keßler hinsichts der Diäten des Vorsitzenden des Provinzi-laus\{chv}es angenommen fen

Dritter Gegenstand der Tagesordnung war der Bericht der Kommission für das Landarmenwesen über die Etats der Pro- vinzial-Irrenheil- und Pflegeanstalten zu Allenberg und Schweß.

Der Ausschuß beantragte, den Etat niht auf 3 Jahre, son- dern nur für das laufende Iahr zu bewilligen und im nächsten Jahre ers auf 3 Iahre festzustellen, damit der fünftig neu- gewählte Landtag hon einen genehmigten Etat vorfinde. Dem- nächst ward der Etat für Allenberg titelweise durhgenommen und in Einnahme und Ausgabe von 219,116 genehmigt. Für Schwetz sind in Einnahme und Ausgabe 188,500 6 aus- geseßt. Für die Provinzial - Taubstummen - An ftalten zu Marienburg und Angerburg wurden 44,116 25 3 Vei. 31,282 1 gefordert und bewilligt. Eine Resolution: „Der Landtag ersuht den Provinzialaus\huß, \ofort über die Zahl und Lage der taubstummen Kinder in der Provinz, sowi: über die Höhe der für den Unterricht derselben aus Kommunalmitteln oder sonst verwen- deten Beträge Ermittelungen anzustellen und dem nächsten Pro- vinzial-Landtage mit dem Resultate dieser Ermittelungen Bor- \chläge zur weiteren Abhülfe auf dem Gebiet des Taubstummen- unterrihtswesens, namentli dem zeitigen unverkennbaren Noth- stande gegenüber, zu unterbreiten, möglichst auch schon in den nächsten Etats für Ost- und Westpreußen Subventionen auszuwerfen, die an Kreise zur Selbstbeshaffung des Unterrichts für taubftumne Kinder, und zwar pro Kopf der Kinder, soweit sie Unterricht erhal- ten, vertheilt werden sollen“, wurde angenommen. Endlich zeigte der Vorsitzende an, daß ein Schreiben des Ober-Präsidenten v. Horn an ihn eingegangen fei, worin derselbe mittheilt, daß eine Ent- \heidung des Herrn Ministers des Innern dahin ergangen, daß der Erlaß eines Provinzialstatuts zu den Obliegenheiten des Provinzial-Landtages gehöre. Der Vorsizende erklärte, bei Fest- sezung der Tagesordnung die Arbeiten des Redaktionsaus- \chu}ses berücksihtigen zu wollen, da die Redafktionskommission die Abfafsung des Statuts und die Ausfertigung der Beschlüsse zu besorgen hat.

Siettin, 12. Januar. In der 8. Sizung des Provin- ziallandtages stattete vor Eintritt in die Tagesordnung der Generallandschafts-Rath von Blankenburg in längerer Ansprache seinen Dank für die auf ihn gifallene Wahl als Borsizenden des Provinzialaus\hus}ses ab, Ebenso erklärte der Landarmen- Direktor Dr. von Heyden - Linden die Wahl als Landes-Direk- tor anzunehmen. Hierauf wurden, unter dem Vorbehalte, daß die Königliche Bestätigung zu den betreffenden Bestimmungen des Provinzialstatuts erfolgen werde, zu Mitgliedern des Pro- vinzialaus\hus}ses gewählt die Hrrn. von Behr - Behrenhof, Tamm-Stralsund, von Vahl-Greifswald, von Heyden-Cadow, Mühlenbeck-Gr. Wachlin, Saunier-Stettin, Graf von Schwerin, Pugzar, von der Goltz-Kreißzig, Graf von Königsdorff-Treten, Holtz-Alt-Marrin, Haken-Colberg.

Auf das Referat des Abg. von Heyden - Cadow nahm \o- dann der Landtag die am 8. d. Mts. beschlossene statutarische Anordnung in einer redaktionell veränderten Fassung, welche von dein Minister des Innern anheimgegeben war, an. Derfelbe Abgeordnete erstattete nunmehr Bericht aus der Dreizehner- Kommission. Dieselbe \{chlägt vor, den Vorsitzenden des Landtages zur Empfangnahme einer Summe von 100,000 s aus der Pro- vinzialdotation, zur Auszahlung der nothwendigen Ausgaben und zur Ernennung eines Quästors aus der Zahl der Land- tagsabgeordneten zu ermächtigen; den Provinzialaus- \chuß zu beauftragen, im Wege der Verhandlung mit den Kommunalverbänden deren Auflösung, bezw. Umbildung in einen gemeinsamen Provinzialverband anzubahnen und für Ausfüh- rung der Regelung der im §. 1 und 3 der Provinzialordnung vorgesehenen Verhältnisse Vorschläge zu mahen; den Pro- vinzialaus\chuß zu weiterer Erwägung zu veranlassen, ob im Jahre 1877 zur Ausschreibung von Provinzialabgaben zu \hreiten sei und eventuell die erforderlihen Vorbereitungen für eine folche Aus\shre.bung zu bewirken; den Pro- vinzialaus\chuß zur Aufstellung einer Geschäftsordnung für sich und zum Verfahren danach einstweilen zu ermächtigen ; den Provinzialaus\chuß zu Verhandlungen mit den Kommunal- verbänden wegen Einrichtung des Kassenwesens und wegen Uebernahme der betreffenden Beamten, zur interimistischen An- stellung der Kassenbeamten zu ermächtigen, sowie zu Vorschlägen wegen definitiver Regelung des Kassenwesens aufzufordern; den Provinzialaus\huß im günstigen Falle zu einer Ver- \silberung der dotationsmäßigen Effekten und zu deren ander- weiter Belegung zu ermächtigen; als Geldinstitut wird die ritterschaftlihe Privatbank hierselbst empfohlen; endlih dem Provinzialaus\huß zu einer Vorlage wegen Be- schaffung angemessener Räumlichkeiten für den Landtag und seine Organe aufzufordern. Alle diese Vorschläge fanden die Billigung der Versammlung.

Außerdem hatte die Kommission einen Haushalts-Etat aufgestellt, welher indeß nur die feststehenden Einnahmen und die feststehenden, sowie die vom Landtage bereits beshlo}senen Ausgaben aufführt, daneben aber auch dem Provinzialaus\chusse eine Summe von 100,000 zur Durchführung der einheitlichen Kommunalverwaltung in der Provinz zur Verfügung zu stellen. Der Landtag nahm diesen Etat an.

Hiernächst erstattete der Abg. Mühlenbeck Bericht aus der Kommission wegen Begutahtungen eines Entwurfes zu ciner landesherrlihen Verordnung behufs Ausführung des Fischereigeseßes.

Die Versammlung stimmte \sämmtlihen Beschlüssen der Kommission zu, danah werden nux einige weniger bedeutende

Aenderungen des Entwurfes empfohlen, im Uebrigen aber wird derselbe gebilligt.

Breslau, 12. Januar. (W. T. B.) Der \chlesische Provinzial-Landtag hat zum Landesdirektor den bis- 2 N Sina Grafen von Pückler wieder- gewählt.

Vaden. Karlsruhe, 11. Januar. Der Großherzog hat dem badischen Gesandten am preußischen Hofe, Geheimen Legations-Rath Freiherrn v. Türckheim, den Titel und Ráng als Staatsrath, und dem langjährigen Vorstande des Großher- zoglihen Geheimen Kabinets, Geheimen Legations-Rath Frei- herrn v. Ungern-Sternberg, Charakter und Rang als Ge- heimer Rath 2. Klasse verliehen. Prinz Wilhelm, ältester Bruder des Großherzogs, if, dem „Fr. I.“ zufolge, an seiner bei Nuits 1870 erhaltenen Kopfwunde bedenklih erkr a,nkt.

Anhalt. Dessau, 11. Januar. Der Herzog und die Herzogin, sowie die Prinzessin Elisabeth und Gefolge wer- den sh morgen zu einem Besuch des Großherzoglichen Hofes nah Weimar begeben. Die Rückkehr der Hohen Herrschaften dürfte am Sonnabend zu erwarten sein.

IKaldeŒck. Arolsen, 11. Januar. Das „Reg. Bl.“ veröffentliht eine landesherrlihe Verordnung vom 20. DES zember 1875, betreffend die Einführung des Königlich preußi- hen Gesezes über das Kostenwesen in Auseinander - sezungs\ahen vom 24. Juni 1875 in die Fürstenthümer MWaldeck und Pyrmont.

Hesterreichß-Ungarn. Wien, 12. Januar. (W. T. B.) In der heutigen Sizung des Fortschrittsklubs hielt der Minister- Präsident, Fürst von Auersperg, eine Rede, in welcher er erklärte, daß das Ministerium bei den Verhandlungen mit der ungarischen Regierung in entschiedenster Weise die Interessen Oesterreihs zu wahren und deshalb in steter Fühlung mit der Verfassungspartei zu bleiben beabsichtige. Für die Zeit der Ver- tagung des Reichsrathes gedenke die Regierung mit den von der Verfassungspartei gewählten Vertrauensmännern zu ver- kehren. Der Minister des Innern, Freiherr v. Zollheim, be- tonte darauf, daß das Ministerium und die Verfassungspartei ihrer gegenseitigen Unterstüßung bedürften, und daß das Mi- nisterium das Vertrauen der Partei in Anspruch nehme. Seitens des Fortschrittsklubs sprachen sih fodann mehrere Redner gegen eine weitere Belastung der österreihishen Staatshälfte aus Und fagten der Regierung die kräftige Unterstüßung der Partei in diesem Sinne zu.

Im Abgeordnetenhause wurde gestern der Bericht des volkswirthschaftlihen Aus\hu}es über den Antrag Lien- bachers vertheilt. Der Bericht führt 9 verschiedene Ursachen der Krisis von 1873 an und gelangt zu dem Schlusse, daß die Herstellung normaler Produktions- und Konsumtionsverhält- nisse durch künstlihe Mittel niht erreichbar sei. Das Ab- geordnetenhaus genehmigte in dritter Lesung den Gesetzentwurf Betreffs der Aushebung des Rekrutenkontingents für das Jahr 1876. Der Handels-Minister erklärte im Laufe der Sizung, er hoffe, demnächst den Gesegentwurf über den Bau der Eisen- bahn Tarvis-Ponteba vorlegen zu können.

Pest, 11. Januar. In der heutigen Sizung des Ab- geordnetenhauses ergriff in der Fortsezung der General- debatte über den Verwaltungsreform-Entwurf Bujauovics von der Opposition der Rehten das Wort. Er rügte die summa- rishe Verhandlung des Entwurfes durch den Aus\chuß und meinte, ein so wichtiger organischer Entwurf hätte eingehend er- wogen werden müssen und dürfe man nicht, auf die Allgewalt im Parlamente gestüßzt, die Nation damit gleihsam überraschen. Nachdem Redner die Prinzipien des Ceniralismus und der Autonomie erörtert, welhe der Entwurf ausgleihen möte, aber nicht könnte, erklärte er, die Vorlage abzulehnen. Der Unter - Staatssekretär Baron Gabriel Kemény trat für die Vorlage ein, Dieselbe fel! iri der“ Shat . ein wesentlicher Bestandtheil des organischen Reformplanes und dazu besiimmt, ein harmonisches Zusammenwirken der staatlichen und autonomen Organe in der Jurisdiktion zu sichern. Gerade die Unzufriedenheit beider Extreme, der absoiuten Centralisten und der unbedingten Autonomisten, beweise, daß der Entwurf den richtigen Mittelweg getroffen habe. Er rechne auf ein lebendiges Interesse der Komitatsintelligenz für das Gemeinwohl. Karl Gebbel (Sachse) \sprah gegen den Entwurf.

Nachdem Bereczky für die Regierungsvorlage gesprochen, bekämpfte Benjamin Kallay dieselbe eingehend. Demselben ent- gegnete unter lebhaftem Beifalle des Centrums August Pulszky: Das, was die Opposition der Rehten wolle, widerstrebe dem Genius der Nation. Der ernannte Beamte fühle si nur nach oben verantwortlih, und die Centralisation hebe die Autonomie auf. Im Verwaltungsaus\shusse im Sinne des Gesetzentwurfes werde cin kollegiales Verantwortlichkeits- und Mitverantwortlich- feitsgefühl obwalten. Graf Ferdinand Zichy verwahrte s\ih ge- gen die Zumuthungen des Vorredners. Zum Schlusse erwi- derte Minister-Präsident Tisza auf cinige bisherige Bemerkungen, sh weitere Ausführungen für später vorbehaltend. Das Wahlsystem im Komitate habe \sch in der tiefen Friedenszeit der Zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts ausgebildet. Da waren die Komitatsdebatten nicht unfruhtbar; denn sie er- hielten und förderten den politischen, nationalen und fréiheitlizen Sinn in der Bevölkerung. Die Vorlage wolle nicht ein neues Komitat hafen, sondern das alte lebensfähig machen und es den Forderungen des Zeitgeistes anpassen. Die Vorlage will die Fehler verbessern, ein harmonisches Zusammenwirken \haffen, und die neue Institution soll nicht eine Brücke zu der die Autonomie verschlingenden krafsen Centralisation, sondern ein Damm gegen dieselbe sein. Justiz und Administration trennen, war ret; aber es wäre unrecht, sie von einander hermetisch ab- zushließen und die Justizadministration der autonomen Kontrole zu entziehen.

Schweiz. Die Einnahmen der Zollverwaltung im Jahre 1875 belaufen sich laut „Bundesblatt“ auf die erhebliche Summe von 17,135,949 Fr., 1,813,556 Fr. mehr als im vorhergehenden Jahre.

Niederlande. Haag, 8. Ianuar. Der neu ernannte Kriegs-Minister Klerk is jezt 51 Jahre alt und hat seine Ausbildung auf der Militär - Akademie in Breda erhalten. Im Jahre 1861 wurde er, nach seiner Er- nennung zum Sekretär- bei der Kommission für die Anlegung von Staatseisenbahnen, als Kapitän des Geniecorps auf Non- Aktivität gestellt, und im Jahre 1867 erhielt er auf sein An- \suhen seine vollständige Entlassung aus dem Militärdienste. Als Mitglied und Vizepräsident des Königlichen Institutes für Ingenieure hat ih derselbe als Techniker und au als Redner ausgezeihnet.

Großbritannien und Jrland. London, 11. Januar. Der „Times“ zufolge beabsichtigt die Königin die bevorstehende Parlamentsses\sion in Person zu eröffnen. Ihre Majestät wird bei dieser Gelegenheit von der Prinzessin von Wales be- gleitet sein. Prinz Leopold, der jüngste Sohn der Köni- gin, hat nah Beendigung seiner Universitätsftudien in Oxford nunmehr \cin Domizil in Boyton, bei Codford in Wiltshire, wo er sich angekauft, aufgeshlagen. Se. Königliche Hoheit wird nicht, wie sein Bruder, der Prinz von Wales, die Univer- sität Cambridge besuchen, sondern, nahdem er zum Provinzial- Großmeister der Freimaurer von Oxford inftallirt worden, ein ruhiges und zurückgezogenes Leben führen. Kardinal Ma n- ning eröffnete gestern in Manchester eine katholische Akade- mie. Aus Calcutta wird unterm 10. d. gemeldet: „In Hyderabad haben Krawalle stattgefunden, wobei auf den Straßen gekämpft wurde. In dem Handgemenge wurde eine Person getödtet und zwei andere verwundet. Die Gefängniß- wachen wurden verdoppelt. Die Ruhe is jezt wieder herge- stellt. Lord Napier of Magdala, der Oberbefehlshaber der indishen Armee, stürzte am vorigen Sonnabend während einer in Delhi abgehaltenen Parade vom Pferde und brah das Schlüfselbein. Der Zustand dcs Generals flößt aber keinerlei Besorgnisse ein.

Frankceih. VParis, 12. Januar. (W. T. B.) Das Mi- nisterium hat seine Berathungen am heutigen Vormittage fortge- set. Es erhält sich das Gerüchi, daß in der Zusammenseßung desselben eine Aenderung nicht eintreten werde. Vom „Journal officiel“ wird morgen eine Proklamation des Prôâsidenten Mac Mahon an das französishe Volk veröffentliht werden, worin derselbe für die Politik eintritt, die das Ministerium gemäß dem vom Minister des Innern, Buffet, in derSißung der Nationalversamm- lung vom 12. März v. I. entwickelten Programme eingehalten hat. Dem „Iournal de Paris* zufolge hat das gesammte Kabinet die von dem Präsidenten Mac Mahon vorgelegte Proklamation gebilligt. Dieselbe berührt nur diejenigen Fragen, über welche vollkommenes Einverständniß unter den Ministern herbeigeführt worden ift. Wie die „Agence Havas“ meldet, werden die Minister morgen Vormittag im Palais Elisée von Neuem zur Berathung der noch vorbehaltenen Fragen zusammentreten.

12 nuar (V. S. B) Die vom Prasidenten Mac Mahon an das französische Volk erlassene, heute vom

„Journal officiel* veröffentlihte Proklamation gipfelt in

folgenden Sägen: Das französishe Volk will die Ordnung und.

den Frieden, die Senatoren und Deputirten werden dieselben in Gemeinschaft mit dem Präsidenten der Republik aufrecht er- halten müssen. Ebenso werden dieselben gemeinsam die konsti- tutionellen Geseße ehrlih und aufrihtig anzuwenden haben. Eine Revision der neuen Institutionen darf nit eintreten, bevor nit eine loyale Handhabung derselben stattgefunden hat. Aber um dieselben so zu handhaben, wie dies das Heil Frankreichs erfordert, ist eine konservative und dabei doch wahrhaft liberale Politik unerläßlih, wie ih solche stets anempfohlen habe. Der Prä- sident wendet \sih darauf an Alle, die die Vertheidigung der sozialen Ordnung, die Ahtung vor den Landesgeseten, die Hin- gebung an das Vaterland über die Erinnerungen, Wünsche und Aufforderungen der Parteien stellen, und fordert sie auf, sh um die Regierung zu haaren. Es gelte, niht blos Diejenigen zu entwaffnen, von denen die öffentlihe Sicherheit thatsählih ge- ftört werden könnte, sondern auch D iejenigen zu entmuthigen, die durch die Verbreitung von gesellshaftsfeindlihen Doktrinen und revolutionären Programmen Besorgnisse für die Zukunft hervorrufen fönnten. Die Proklamation \chließt: Jch habe nicht nach der Gemalt gestrebt, werde sie aber ohne Schwäche aus- dben. Ich rechne betreffs Ausführung meiner Mission auf den Beistand Gottes und auf die Unterstüßung der Nation.

Spanien. Madrid, 2. Ianuar. Die gestrige „Gaceta® hat das Königlihe Dekret, betreffend die Einberufung der Cortes, veröffentliht. Vorangeschickt is demselben ein Motiven- beriht des Präfidenten Canovas über diese Maßregel an den König. Derselbe trägt die Unterschrift sämmtliher Minister: Antonio Canovas del Castillo, Präsident des Ministerraths ; Fernando Calderon Collantes, Staats-Minister; Cristobal Martin de Herrera, Iustiz- und Gnaden-Minister; Francisco de Ceballos y Vargas, Kriegs-Minister; Santiago Daran y Lira, Marine- Minifter; Pedro Salaverria, Finanz-Minister; Franciëco Romero y Robledo, Minister des Innern; Conde de Toreno, Minister der öffentlichen Arbeiten; Adelardo Lopez de Ayala, Kolonien- Minister. Das Königliche Dekret lautet :

„In Gemäßheit des Antrags Meines Ministerraths verordne Ich wie folgt: Aut. 1. Die Cortes der |spanishen Monarchie versammeln id am 15. Februar des kommenden Jahres 1876. Art. 2, Die Senatoren- und Abgeordnetenwahlen erfolgen dicêmal in der näm- lihen Form und nach denselben Bestimmungen, unter denen die der am 28. Juni 1872 einberufenen Cortes vorgenommen worden find, Art. 3. Die Wahlen beginnen am 20. Januar auf der ganzen Halbinsel und den balearischen Jnseln, 8 Tage später auf den canarischen Jnseln, und am 15. des folgenden Monats auf Puerto- Nico. Art. # Bli Gemäßheit der Bestimmung vom 24. Suni 1873, Art. 6 §8. 3, wird in den Gemeinden mit weniger als 8&0 Einwobnern nur eine Wahlurne aufgestellt werden. Art. 5. Gemäß der Bestimmung in Art. 6 der Inst-u?tion vom 13. Mai 1812 für die Ahbgeordnetenwahlen zu den Cortes von 1813 wird in den vier Provinzen, welche theilweise vom Feinde beseßt find, der freie Theil die Abgeordneten oder Senatoren ernennen, welche ihrer Bevölkerung auf dem besten Theil zukommen. Art. 6. Der Minister des FIanern wird na Vernehmung der Deputationen von Alava, Bizcaya, Gui- púzcoa und Navarra die zur Ausfährung des vorhergehenden Artikels und alle weiteren zur Ausführung des gegenwärtigen Dekrets erfor- derlichen Verfügungen treffen.

Gegeben im Palaste, den 31, Dezember 1875.

Alfonfo. Der Präsident des Ministerrathes : Antonio Cánovas del Castillo.

Portugal. In Lissabon is am 5. d. Mts. der Ge- neral Marquis de de Bandeira gestorben. Derselte machte den Unabhängigkeitskrieg mit, war früher Präsident des Ministerrathes, verwaltete nah einander die Portefeuilles der Marine, der Kolonien und des Krieges und wurde später zum Pair des Königreihs und zum Mitglied des Staatsrathes auf Lebenszeit ernannt. Die Befreiung der Sklaven in den Kolo- nien, fowie die Befestigung von Lissabon verdankt Portugal der Jnitiative de Bandeira's. Der König weilte noch während der lezten Augenblicke des Marquis an dessen Sterbebette.

Türkei. Konstantinopel, 12. Januar. (W. T. B.) Nach einer der Regierung aus der Herzegowina zugegangenen telegraphischen Meldung find die türkishen Truppen, ohne auf Hindernisse zu stoßen, in Trebinje angelangt und werden daselbst überwintern. Nach derselben Meldung ist die Ruhe überall her- gestellt, ausgenommen in dem Gebiete zwischen Trebinje, Bilekie und der montenegrinishe# Grenze, Der bisherige Marine-

Minifier Riza Pasha ift zum Kriegs-Minister ernannt worden.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 10. Januar. Das Bulletin Über den Gesundheitszustand der Großfürstin Maria Nikolajewna vom 9. d. M. lautet: Im Laufe des gestrigen Tages war das Befinden Ihrer Kaise:lihen Hoheit befriedigend, die Naht aber war überaus unruhig in Veranlassung der häufigen Hustenanfälle und der Schlaflosigkeit, die bis zum Morgen andauerten. Graf Alexander Armfeldt, Mi- nister-Staats-Sekretär des Großfürstenthums Finnland, is am 8. d. M. im Alter von 82 Jahren gestorben, Der für Montenegro bestimmte Sanitäts-Train ist in der Nacht vom 4. zum 5. Januar in Ragusa wohlbehalten eingetroffen und wird daselbst auf Wunsch des Fürßen von Montenegro bis zum 11. Januar verweilen.

Dänemark. Kopenhagen, 12. Januar. Auf der Tages- ordnung des Landsthinges standen gestern zur dritten Lesung und wurden ohne Debatte angenommen die Geseßzentwürfe, be- treffend die kommunalen Wasserwerke, das Verbot der Kartoffel- einfuhr aus Nordamerika und die Erweiterung der Zinsen- garantie für die Laaland-Falstershe Eisenbahn. Dieselben gehen nunmehr zum Folkething. Die Gesegentwürfe, betreffend einen Zusaz zum Gesey über die Zoll- und Schiffsabgaben und be- treffend die Stempelabgaben von verschiedenen Kommune-Obli- gationen, welhe zur zweiten Lesung standen, Lildeten gesiern den Gegenstand der Verhandlungen des Folkethinges. Der Uebergang des ersten Gesegentwurfes zur dritten Lesung wurde ohne Abstimmung angenommen; ein gleihes geschah mit dem zweiten auf der Tagesordnung stehenden Geseßentwurfe.

Amerika. Ney - York, 12, Januar. (W. D. B) Die Justizkommission des Repräsen!antenhauses hat den Bericht angenommen, welcher ein zu der Verfassung beantragtes Amendement befürwortet, nah welchem die Präsidentschafts - dauer auf 6 Iahre festgesezt wird und derselbe Präsident nicht zum zweiten Male wählbar fein soll.

Statistische Nachrichten. Im rerflossenen Jahre wurden dem ",Corr. v. folge unter den Altkatholiken in München vorgenommen: 14 Trauungen, 52 Taufen und 56 Begräbnisse. De altfatholischen Re- ligionsunterri ht besuchten 140 Kinder. :

Mach den jeßt verêffentlichten vorläufigen Ergebnissen der Volkszählung in den HerzogthümernCoburgund Gotha belief sich die Bevsiferung des Herzogthums Gotha am 1. Dezember 1875 auf 128,096 Einwohner (gegen 1871 5266), des Herzog» thums Coburg auf 54,577 (-+- 2863), im Ganzen auf 174,339 (+ 8334) Einw. Die Stadt Gotha zäßlte 22,917 (+ 2326) Einw., Coburg 14,582 (—+ 1763) Einw. i

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Berlin. Im wissenschaftlichen Berein in der Sings- Akademie wird am Sonnabend, Nachmittags 5 Uhr, der Oberst Frei- herr von Meerheimb eine Episode aus dem vierjährigen Kriege in Nordamerita 1861—65 vertragen.

U f D! e

Dr. v. Barth, ein junger Münchener Gelehrter, der von der portuziesishen Regierung zur geologishen Untersuchung der Angolaprovinz an der Westküste Afrika aufgefordert worden ist, wird sich am 19. von Hamburg aus über Lissabon nah St. Paolo de Loanda begeben. Dr. v. Barth, der fsich durch geologishe Unters suchungen in der Schweiz bereits einen Namen gemacht, wird einige Fahre in der Angolaprovinz verbleiben. :

Zur Herstellung von Freêëkomalereien im Chore und in den Schiffen des Münsters zu StraHburg, für welche die Ver- waltung des Frauenhautstiftes einen Theil ihrer Einkünfte beftimmt, ift es der Straßburger Stadtverwaltung gelungen, Hrn. Prof. S.einle, Direktor des Städelschen Instituts zu Frankfurt a. M., und den Historienmaler Hrn. Steinheil in Paris zu gewinnen und mit den beiden Künstlern einen Vertrag bezuglich dieser neuen Auss{hmüdckung des Münsters abzuschließen.

Eine nordisGe Philologenversammlung soll vom 18. bis 21. Juli d. I. in Kopenhagen abgehalten werden.

Land- und Forstwirthschaft.

Im Klub der Landwirthe sprach am Dienstag Abend Protessor M üller über Milcbwirthschaft und Molkerei- b etrieb. Den Grund dafür, daß auf dem Gebiete der Molkerei wenig Fortschritte bei uns gemacht werden, glaubte Redner darin zu erblicken, daß in den meisten Theilen Deuts&lands den Frauen die Geschäfte der Milchwirthschaft überwiesen sind. Jn den Ländern deutscher Zunge, wo Männer sih um dieselben kümmern, erfreue fich auch der Moaolkereibetrieb eines guten Aufschwunges, fo zamentlih in Tirol und in der Schweiz, In Deutschlands Norden gelte Holstein als Muster; dort sei zwar der Betricb in den Händen der Frauen, jedoch seien dies keine bezahlten Dienstboten, sondern die Frau des Hauses sei es \elber, die sh mit resem Eifer der Milchwirthschaft hingebe. Erlernt haben die Holsteiner die Molkecei von den Holländera, bei denen sich die- selbe von Alters her einer bedeutenden Entwickelung erfreue, ohne jedoch in den leßten Zeiten wesentliche Besserungen erfahren zu haben Günstiger stehe in dieser Hinsicht Erxgland da, namentlich was die Käsefabrikation betreffe, in der cs jedoeh namentli in letzter Zeit wie- derum von Nordamerika nahezu üb:rflügelt werde. Der böchsten Blütbe erfreue sh jedoch der Mo kereibetiieb in Skandinavien. Der Auf- \{chwung, den derselbe hier in den leßten zwanziger Jahren ge- nommen, sei ein ganz bedeutender. Auf dem Wege der Ge- selzgebung sei alles Mögliche zur Hebung der Milchwirthschaft ge- thanz; einen hervorragenden Einfluß übten jedoch vornehmlich die zahllosen auf diefem Gebiete veranstalteten Auéstellungen aus. Der Betrieb selbst wurde zunächst in Schweden auf holsteinische Methode ausgeführt. Bald zeigte sich dieje aber als zu kostspielig, da fie einen tleucr berzustellenten Kühlraum erfordert. Man wandte fih daber allgemein der vom Schweden Gussander erfunde- ien Methode zu, welhe diesen Külblraum üterflüssig macht. Sn neuerer Zeit hat man auch von diefer Methode wieder Abstand genommen und arbeitet jet meist nah der Swarßschen Methode. Ein großes Absaßtzgebiet hat gegenwärtig Schweden in England ge- funden, wohin von Gothenburg aus in bestimmten Zwischenräumen ganze Scifféladurgen Butter abgchen. In Dänemark find ähnliche Berhältnisse wie in Schweden. Hier war es vor Allem Prof. Segelke, der sih um die Molkerei verdient gemacht hat, Redner wandte sich nunmehr zum Schluß der Frag? zu, was zur Besserung der Molkerciverhältnisse in Deutschlapdd und namentlich in der Mark Brandenburg zu thun fei. Er glaubte, zunächst eine erhöhte Auënußung des jeßt fast ganz brahliegenden Tieflandes empfehlen zu müssen, welches bei entisprechender Drainage vorzüglibes Weideland abgeben werde. Im Uebrigen wünschte, er den Weg Schwedens eingeschlagen zu sehen, namentlih versprah er sich viel von Abhaltung fleiner Ausstellungen, sowie von der Errichtung einer Anzahl Molkereischulen.

Zufolge eines in diesen Tagen ershienenen Programms soll die allgemeine norwegische landwirthschaftlihe Ausftel- lung, zu deren Kosten das Storthing einen Beitrag von 8000 Kronen E hat, vom 19.—24. September in Chriftiania abgehalten werden.

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Gewerbe und Sandel.

Die außerordentlihe Generalversammlung der Havelber- ger Unionsbrauerei in Liqu. vom 10. d. M, hatte darüber zu

[ beschließen, ob das im Lizitationstermin, welcher an demselben Tage

tattfand, abgegebene Meistgebot für das Etablisfement angenommen werden sollte. Es waren über drei Viertel des Aktienkapitals mit 2104 Stimmen vertreten, und man lehnte die Ann1hme des Höchst- gebotes, welches sich auf 200,100 M bezifferte, ab, weil diefe Summe weit hinter dem reellen Werthe der Brauerei zurückbleibe. Ein- stimmig wurde beschlossen, den Minimalpreis auf 270,090 4 zu stellen, zu welchem die Liquidationskommission berechtigt sein soll, zu verkaufen, ohne vorher die Genehmigung der Generalveriammlung einholen zu müssen. Auf den 15. Februar cr. ist eine weitere Gene- ralversammlung einberufen, welcher über das Resultat Mittheilung gemacht werden soll. Der Betrieb der Brauerci wird in eingeschränk- tem Maße fortgesetzt.

_— Die Generalversammlung der Posen - Kreuzburger Eisenbahn erledigte nah Verlesung des Rechenschaftsberichts, nah welchem der gegenwärtige Kassenbestand 59,000 4 baar und 150,000 A in Effekten beträgt, die Wahlen für den Aufsichtsrath. Zunächft wur- den in die Stelle des Regicrungs-Raths Schulße und des Grafen Bethusy-Huc, welche ausgeihieden waren, bis zum Jahre 1877 ge- wählt: Regierungs - Rath a. D. Schweitzer (Berlin) und Dr. Kapp (Berlin). Alsdann wurden aus 12 Mitgtiedern des Aufsichtsraths die Herren Semper, Kennemann, Frendsdorf und Jacob Landau ausgelooft, und an deren Stelle auf 4 Jahre gewählt, resp. wiedergewählt: die Herren Semper (Altona), Kennemann-Klenka, Frendsdorf ( Hamburg), Hugo Lan- dau (Verlin). Dem Geschäftêbericht ist zu entnehmen: „Der Grund- erwerb ift soweit gesichert, daß die Bahn dem Betriebe hat über- geben werden können. Da die Schlußvermessung noch nit vollendet und die Uebergabe der Plâne und Grunderwerbsaïten daher nod nicht erfolgt ist, so läßt sich zur Zeit noch richt übersehen, welche Nerbindlichkeiten noch zu erfüllen sind. Die Zinsen während der Bauzeit sind früher durch Minderzahlungen bei den eingefor Raten, zuleßt füc das 4. Quartal 1875 durch Depositen Bankhäusern Landau und Bleichröder den Aktionären zur Anrechnung gebracht, resp. gezahlt worden. Es ist zu erwarten, daß Seitens der Baugesellschaft die vollständige Fertigstellung der Babn in der ihr vertragsmäßig zustehenden Frist zur Auéeführung gebraht werden wird. -—— Die Organisation der Verwaltung war im Allgemeinen am 1, Oftober durchgeführt und der Fahrplan genehmigt. Es fursiren zur Zeit nach jeder Richtung zwei Personenzüge und ein Güterzug; genchmigt sind nah jeder Richtung drei Personen- und drei Güter- züge. Der Verkehr läßt cine lebhafte Steigerung erkennen, so daß son jeßt mit Gewißheit vorherzusehen ist, daß ein zweiter Güterzug wird eingelegt werden müssen, sobald eine direkte Verbindung mit der Märkisch-Posener Bahn hergestellt sein wird. l

Ueber die Ein- und Ausfuhr Großbritanniens wi rend des abgelaufenen Jahres, sowie über die gegenwärtige Lage d Eisenindustrie erhält die „Vi¿at.-Ztg.“ von ihrem Londoner & zialkorrespondenten nachstehende Mittheilungen. Derselbe unterm 10. d, M.:

In einem Augenblick, wo in der für England hockwitigen Eisenindustrie eine weitgreifende Arbeitseinstelung und von Seiten der Fabrikanten eine umfassende Auésperrung von Arbeitern droht, ist die soeben veröffentlichte Einfuhrliste von um so größerem Interefse. Einfuhr und Ausfuhr hat in den leßtzn Jahren stetig abgenommen, und zwar die Ausfuhr in noch bedeutenderem Maßitabe, als die Einfuhr. So ift es auch im verflossenen Fahre gewesen. Nicht unter allen Rubriken zwar liefert, wie mir scheint, die bloße Ziffer des Werth- betrages einen entscheidenden Anhaltépunkt. Das Sinken der Preffe fowohl bei den ein- wie bei den ausgeführten Gegenständen mußz eben- falls in Betracht gezogen werden. So war z. B. die Menge der im Sabre 1875 ausgeführten Steinkohlen eine größere, als im Jahre 1874, Gleichwohl stellt sich der Werthbetrag der Ausfuhr während der leßten zwölf Monate in diesem Zweige auf 230,000 Pfd. Sterl. weniger als im vorhergegangenen Jahre. Insofern ist das bekannte, aus der Ausfuhrliste geshöpfte Argument der Arbeitgeber, wenn es sich um Herabdrückung der Löhne handelt, nit in jedem einzelnen Falle stichhaltig.

In der Einfuhr hat im abgelaufenen Jahr eine Verminderung um 10°/, stattgefunden, im Vergleich zu 18/4. Bemerkenswerth ift dabei, daß die Einfuhr von Nahrungsmitteln und Luxusgegenständen do fortwährend zunimmt. Auffallend groz ist die Abnahme im Hesammtbetrag der Ausfubr. Sie beziffert sih auf 63 gleich zu 1874; auf 12% im Vergleich zu 1873. Erwägt man nun, daß unter der englischen Ausfuhr nächst den Baumwollwaaren, die in der Liste von 1874 mit nahezu 60,000,009 Pfd. Sterl. stehen alle auf die Eisen- 1 Scktablfabrikfation bezüglichen Waaren den zweithöchsten Posten ausmachen und zwar in der Liste von 1874 mit nahezu 39,009,000 Pfd. so läßt sich leicht ermessen, welches die Folgen der drohenden 2 einstelung und Au?sperrung für das nächste Jahr sein könnten.

Ein in seinen Anfängen ziemlich unbedeutender Kampf zwischen Arb eitern und Arbeitgebern in Großbritannien droht bedeutende Dimensionen anzunehmen. 200 Leute einer Eisenfirma zu Erith in Kent, niht weit von der Hauptstadt, weigerten sich vor einiger Zeit, die ihnen angebotene Stückarbeit zu verrichten und mach- ten sdließlih Strike, weil der Verband der vereinigten Maschinen arbeiter, ein weit ausgebreiteter Arbeiterverein, dem fie angehörer denjenigen Mitgliedern, welche biéther nach Zeit arbeiteten, nabme von Siücklohn verbietet. Dieser Einmischung des Nrbeiter vereins gegenüber werden die dem Verbande der Arbeitgebe

Nerstände von Firmen im Eisenhandel sich darüber berathen,

\ammtlibe Mitglieder des genannten Arbeitervereins, die ihnen beschäftigt sind, entlassen werden sollten, falls sie ihre L dung mit dem Verein niht aufgeben, Schon aus dem Um/s daß die Ama’gamated Engineers Association (der Verband der c \cinenarbeiter) über einen Fonds von etwa 15 ',000 Pfd. Sterl. ver- fügt, läßt sich abnehmen, wie viele Arbeiter und Arbeiterfamilien von ciner solchen Maßregel betroffen würden, deren traurige Folgen sih zu dieser Jahreszeit doppelt schwer fühlbar macen würden

Paris, 12, Sanuax (W. 2. D) Bekanntmachung haben die Inhaber türkischer Nenten, ihre Zinsen an europäischen Bankpläßen gezahlt zu erhalten wünsche dies der Banque ottomane in Paris oder deren Filialen bis spätestens am 18. Januar c. anzuzeigen und ihre Coupons zu deponiren. Nach diesem Termin werden, derselben Bekanntmachung zufolge, die Cou- pons nur noch in Constantinopel eingelöst. Die Certifikate für die depoxirten Coupons follen am 20. Januar geliefert und am 30, O nuar ausgezahlt werden.

Die Eröffnung der jütishen Jndustrie-Ausstellung in Aarbuus ift auf den 1, Juli 1876 feftgest Ut worden.

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J B35 . „Fal +5 Nach einer hier erfoigten

Verkehrs-Anstalten.

Hamburg, 10. Januar. der Elbe ik in der

leßten Nacht allenthalben zum Stehen gckommen, Jm Niederhafen haltea freilich die Steinwärder Dampffährvöte an beiden Stellen noch Fahrrinnen offen, während die Fußpafsage beim Altonaer Fisch- markt nah Altenwärder und den dortigen Eiéinjeln {on übers E!s geht. Die Koblenschiffe „Panther“ und „Prague“ geriethen geftern Abend jenseits Neumühlen im Eise fest, während die „Alster" vom Eisbrecher bis Altona hinaufbugsirt wurde. Auch an der Spitze dics Moorwärder Stacks zeigte fich gestern Abend noch einige Bewegurg im Eife. Bei der Grasbrookfähre ward heute Bahn übers Eis \üc die Fußpassage gemact. General-Direktion der Kaiser-Franz-JI0- \eph-Bahn macht in der „Wien, Z.“ bekannt, daß in Folge der eingetretenen Schneeverwehungen der Zugsverkehr nur in einzelnen Strecken aufiecht erhalten werden konnte. Es verkehren die Züge fahrplanmäßig in den Strecken Wien-Krems, Budweis-Eger, Gmünd- Prag und Budweis-Wessely, während zwischen Wien-Eggenburg nur die f brplamnäkigen Züge Nr. 7 und 9 und retour die Züge Nr. 2 und 14 in Verkehr geseßt werden; die Strecke Eggenburg-Budweis bleibt vorläufig gesperrt.

Das Eis

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