1876 / 19 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 22 Jan 1876 18:00:01 GMT) scan diff

Im weiteren Verlaufe der gestrigen Sißung des Deutschen Reichstages erklärte der Abg. Dr. Reichensperger (Crefeld) die Ansicht seines Vorredners, des Abg. Baer (Offen- burg), nit theilen zu können, daß, wenn man die Strafverfol- gung bei leihteren Körperverlezungen dem Ermessen der Staats- anwaltschaft überlasse, damit ein Verstoß gegen das Legalitäts- prinzip geschehe; er sei für die Annahme des Antrages Herz. Der Abg. Dr. Lasker führte aus, daß in der Kom- missionsfassung einfah im Nachsage genommen sei, was der Vordersaßz zugesteht, es erscheine also die vom Abg. Herz bean- tragte Streichung vollkommen gerechtfertigt, da die Frage des Legalitätsprinzips bei der Strafprozeßordnung zum Austrage zu bringen sei. / : :

Der Referent Abg. Dr. v. Shwarze hielt es im Gegentheil für erforderlih, bis zum Erlaß der Strafprozeßordnung îm Strafgesezbuch diejenigen Vorschriften zu geben, welche die Handhabung des Strafgesezes ermöglichen sollen. Die Fassung des Kommissionsvorschlages möge redaktionell mangelhaft fein, sie würde sich aber bis zur dritten Berathung verbessern lassen; der Gedanke sei jedenfalls ein fruchtbarer und richtiger. i

Das Amendement Herz wurde hierauf nah einmaliger zwei- felhafter Abstimmung unter Zählung der Stimmen mit 142 gegen 103 Stimmen angenommen. Auch das Amendement Becker wurde für den Fall der Annahme der Regierungsvorlage genehmigt. Letztere gelangte jedoch nicht zur Abstimmung, da der Kommissionsvorshlag mit dem Antrage Herz genehmigt wurde. 88

Die nächstfolgenden §8. 240 und 241 (Nöthigung, Bedro- hung) wurden unverändert nah den Vorschlägen der Regierungs- vorlage, welche sich von dem heutigen Strafgesey durh den Weg- fall des bióher zur Kon an erforderlihen Strafantrages unterscheidet, ohne Diskussion angenommen.

L 947 bestimmt in der bisherigen Fassung des Straf- geseßbuchs:

„Wer einen Diebstahl oder eine Unterschlagung gegen Angehörige, Vormünder, Erzieher oder solche Personen, in deren Lohn oder Kost er sich befindet, begeht, ist nur auf Antrag zu verfolgen. h

Die Regierungsvorlage beabsichtigt, die Worte „oder folche Personen, in deren Lohn oder Kost er sih befindet“ wegfallen

u lafsen. G 6 hat die Kommission folgende Fassung vorgeschlagen:

„Wer einen Diebstahl oder eine Unterschlagung gegen Angehörige, Vormünder oder Erzieher begeht, oder wer einer Person, zu der er im Lehrlingsverhältnisse steht, oder in deren häuslicher Gemeinschaft er als Gesinde sih befindet, Sachen von unbedeutendem Werthe stiehlt oder unters{lägt, ist nur auf Antrag zu verfolgen. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig.“ 7 | i ;

Außerdem beantragte die Kommission, die weitere Bestim- mung des Paragraphen, wona ein Diebstahl, unter Ehegatten ftraflos ist, durch den Zusag zu beshränken: „während das eheliche Zusammenleben fortdauert.“ i

Der Referent Dr. v. Schwarze hob hervor, daß sehr viele Klagen über die bisherige Behandlung des Hausdiebstahls nur darin ihren Grund hätten, daß die Gerihte die Worte ; „oder solhe Personen, in deren Lohn oder Kost er ih befindet“, sehr verschieden interpretirten. Die Kommission glaube deshalb durch eine klare Bestimmung dieses Verhältnisses dem praktischen Be- dürfnisse zu entsprechen. Wenn nun allerdings der Ausdruck

„Sachen von unbedeutendem Werthe“ etwas unbestimmt sei, fo glaube er do, daß dies in der Praxis nicht zu Unzuträglich-

keiten führen werde. Der Abg. Thilo wünschte zwar statt. des unbestimmten Ausdrucks „von unbedeutendem Werthe“ lieber die Aufstellung einer festen Grenze, wollte aber doch dem Vorschlag der Kommission, da er den praktishen Bedürfnissen entspreche, bei- stimmen. Den Zusay im zweiten Alinea dagegen: „während das ehelihe Zusammenleben dauert“ hielt er niht für zweckmäßig. So lange die Ehe niht geschieden sei, habe der Staat keine Befugniß, das chelihe Verhältniß irgendwie zu kontroliren oder in dasselbe einzugreifen, Der Abg. Westermeyer \prach sich von seinem Standpunkte als Geistlicher ebenfalls entschieden für die Streichung des Zusates „während des ehelihen Zusammenlebens* aus, da dadurh eine außerordentlihe Erschwerung der Sühneversuche zwischen getrennten Ehegatten herbeigeführt werde. Dur Auf- nahme des betreffenden Passus werde die Hoffnung auf Wieder- versöhnung in weite Ferne gerückt, und doch halte gerade eine wiederversöhnte Ehe fester, als eine nie getrennte. Abg. Stenglein hielt es andererseits für durchaus nothwendig, daß getrennt lebende Ehegatten in ihrem Eigenthums- rechte gegen einander geshüßt werden. Die Fälle, in denen lüderlihe Ehemänner ihrer ordentlichen Frau ihre Habseligkeiten wegnähmen, seien gar nicht selten. Ein solches öffentliches Aergerniß dürfe niht ftraflos bleiben. Der Abg. Dr. Reichen- sperger (Crefeld) vermißte den Nachweis eines Bedürfnisses, Lehrlinge, Dienstboten und ähnlihe Personen im Falle eines Vergehens gegen das Eigenthum milder zu behandeln als Andere. Die Sicherheit in den Haushaltungen werde dadur erheblich beeinträhtigt. Der Ausdruck „von unbedeutendem Werthe“ \ei \o dehnbar, daß der Staatsanwalt und der Richter bei der Beurtheilung des einzelnen Falles gar keinen Anhalt habe. Er beantrage deshalb die Wiederherstellung der Regierungsvor- lage resp. die Streichung der Worte „oder wer einer Person“ bis „stichlt oder untershlägt“ in der Fassung der Kommisfion. Jn Bezug auf die Diebstähle unter Eheleuten stimme er dem Amen- dement des Abg. Thilo bei, weil außer den bereits angegebenen Gründen der Ausdruck „ehelihes Zusammenleben“ zu vielen Kontroversen Anlaß geben werde. Abg. Dr. Thiel wies darauf hin, daß das frühere persönliche Verhältniß zwischen Dienstherrshaft und Gesinde namentlich auf dem Lande faft vollftändig geschwunden und also eine mildere Behandlung von Vergehen gegen das Eigenthum von Seiten der Dienstboten durch Nichts gerechtfertigt sei. Er beantrage deshalb, in der Fassung der Kommission die Worte: „oder in deren häusliher Gemeinschaft er als Gesinde \sich befindet“ zu ftreihen. Der Abg. Dr. Lasker hielt die Aenderungen der Kom- mission für wesentliche Verbesserungen der Regierungsvorlage. Allerdings sei der Ausdruck „von unbedeutendem Werthe“ etwas dehnbar, man fönne aber die Beurtheilung desselben ohne Bedenken dem Richter überlassen, insbesondere weil jener Aus- druck bereits an einer anderen Stelle im Strafgesez gebraucht sei. Der Abg. v. Sauen-Tarputschen bestritt auf Grund einer dreißigjährigen praktishen Erfahrung die auf rein theoretischer Kenntniß der ländlihen Verhältnisse beruhende Behauptung des Abg. Thiel, daß das Verhältniß zwischen der Herrschaft und dem Gefinde erheblich gelodckert sei. Und selbs wenn dies der Fall wäre, würde may zu einer Befestigung dieses Verhältnisses viel mehr beitragen durch die Annahme der Kommissionsvor- \chläge, als durch das Amendement des Abg. Dr. Thiel. Der Abg. Dr. v. Shulte erklärte fih gleihfalls für die Kommissionsvorschläge, da die Regierung die von ihr vorgeschlagene Abänderung der

tivirt habe. Bezüglih der Bestrafung des Diebstahls unter Ehegatten flimme er aus den bereits angegebenen Gründen dem Amendement des Abg. Thilo bei. :

Nachdem der Referent Abg. Dr. v. Schwarze die von dem Abg. Dr. Lasker gegebenen Erläuterungen zur Interpretation der Kommissionsvorshhläge durchweg bestätigt und die lezteren nochmals zur Annahme empfohlen hatte, wurden die Amende- ments der Abgg. Dr. Thiel und Reichensperger (Crefeld) abgelchnt, dagegen der Antrag des Abg. Thilo auf Streihung der Worte „während das eheliche Zusammenleben dauert®* angenommen, und mit dieser Modifikation sodann der ganze 8. 247 nah den Vorschlägen der Kommission genehmigt.

Um 4 Uhr vertagte sich das Haus.

Der Deutsche Reichstag sehte in seiner heutigen (35.) Sitzung die Berathung der der XI. Kommission Üüberwiese- nen Paragraphen der Strafgesehnovelle (f. Nr. 12 d. Bl.) weiter fort, und genehmigte ohne wesentliche Debatte die §8. 263 (Vorspiegelung falscher Thatsachen), 292 (Unerlaubte Jagd) und 296 (Unberechtigtes Fischen), (leßteren nah Streihung des zwei- ten Absatzes) in der von der Kommission vorgeschlagenen Fas- sung. Beim Schluß des Blattes ging das Haus zur Berathung des §. 303 (Vorsäßlihe Beschädigung fremder Sachen) über.

In der Sizung der Reihstags-Kommission zur Vorberathung der Entwürfe eines Gerichtsver- fassungs-Gesetzes, einer Strafprozeß-Ordnung und einer Civilprozeß - Ordnung nebs Einführungs- gesezen wurde am 19. d, M. der neunte Titel „Staatsanwa lt- \haft* berathen. Die §8. 114—117 wurden nicht beanstandet. Bei §. 118, welcher den Sah enthält, daß die Beamten der Staatsanwaltschaft den dienstlihen Anweisungen ihrer Vorgeseßten nachzukommen haben, entspann sich eine längere Debatte über die Frage, ob und inwieweit der Staatsanwalt auch in der mündlihen Verhandlung bei Stellung seiner Anträge an die Anweisungen feiner Vorgeseßten gebunden sei. Darüber herrschte keine Meinungsverschiedenheit, daß er bei Prüfung der Beweisfrage durch Instruktionen niht gebunden werden könne; die Differenz bezog sich hauptsählich darauf, ob er auch eine von der Ansiht seiner Vorgeseßten abweihende reht- lihe Ansicht bei den nah dem Schlusse der Beweis- aufnahme zu stellenden Anträgen vertreten könne oder nicht. In dem ersteren Sinne entshied \sich die Kommission durch Annahme eines Antrages der Abgeordneten Reichensperger und Miquel. §. 119 erlitt keinen Widerspruch. 8. 120 führte zu einer eingehenden Erörterung über einen Antrag des Abg. Lasker, wonah nah dem Vorbilde der in Hannover und Dl- denburg bestehenden Einrihtungen das Amt der Staatsanwälte dur Richter mittelst widerruflihen Auftrags versehen werden soll. Dieser Antrag gelangte mit einigen von den Abgg. v. Forcade und Struckmann beantragten Modifikationen in fol- gender Gestalt zur Annahme: §. 120 Abs. 1. Der Ober-Reichs- anwalt, die Reihsanwälte und die Ober-Staatsanwälte sind nit rihterlihe Beamte. §. 121 a. Das Amt der Staatsanwälte wird dur Richter, welche mindestens zwei Jahre Mitglieder eines Gerichts gewesen sind, auf Grund eines dauernden, aber jeder Zeit widerruflihen Auftrags ausgeübt. Denselben wird für die Dauer dieser Amtsführung eine besondere Besoldungszulage neben ihrem rihterlihen Gehalte gewährt, Wird der Auftrag zurückgenommen, \o müssen sie fich bei ihrem Rücktritt in die rihterlihe Stellung eine mit Verkürztng ihres richterlihen Ge- halts nicht verbundene Versezung an ein anderes Gericht desselben Ober- Landesgerichtsbezirks gefallen lassen. Eine vorübergehende Vertretung eines verhinderten Staatsanwalts fann von dem Vorstande eines Gerihts einem Richter übertragen werden. §8. 121b. Zur Annahme eines dauernden Auftrags sind die Richter nicht verpflichtet. Die erfolgte Annahme kann nicht zurückgezogen werden ; jedoch kann der Richter nah drei Jahren seinen Rücktritt in eine rihterlihe Stellung verlangen. Während der Richter das Amt eines Staatsanwalts versieht, steht er auf dem Besoldungs- etat der Richter. Er kann rihterlihe Geschäfte nicht wahr- nehmen. Verschzungen gegen seinen Willen dürfen, wenn fie nicht das Ergebniß eines Disziplinarverfahrens sind, nicht zu einer Schmälerung seines rihterlihen Gehalts führen.“ Schließ- lih gelangte §. 122 mit einem vom Abg. Struckmann bean- tragten Zusaße zur Annahme, daß eine Dienstauffiht über die Richter der Staatsanwaltschaft niht übertragen werden dürfe. Es sind gegenwärtig nur noch vier Paragraphen des Gerichtsverfassungsgeseßes rücständig.

In der heutigen (5.) Plenarfißzung des Hauses der Abgeordneten, welher am Ministertische die Staats-Minister Dr. Achenbach, Dr. Falk und Dr. Friedenthal. beiwohnten, theilte der Abg. Bernards mit, daß er zum Forstmeister mit dem Range eines Regierungs - Raths ohne Gehaltserhöhung er- nannt worden sei. Mit der Frage über die Fortdauer des Mandats des Abg. Bernards wird die Geschäftsordnungs- kommission \fich beschäftigen. Der Präsident veröffentlichte sodann die Namen der Kommiffarien für bie 17 Etatsgruppen, welche die zweite Berathung des Budgets vorbereiten sollen, und das Resultat der Wahlen und der Konstituirung der Fachkom- missionen; i L

I. Für die Geschäftsordnung: die Abgg. Wahler (Vorsf.), v. Denzin (Stellv.), Elgnowski, Hauke (Schriftf.).

IL. Für Petitionen: Dr. Gneist, Dr. Petri, v. Behr, v. Goldfus, Lehfeldt.

[1], Zur Prüfung des Staatshaushalts-Etats: v. Benda, Dr. Virchow, v. Grote, Schröder (Königsberg), Dr. Seelig, Tiedemann. /

I1V, Zur Prüfung der allgemeinen Rehnungen: Dr. Vir- chow, Dr. Hammacher, Dr. Dohrn, Strecker. |

V. Für das IJIustizwesen: Loewenstein, Droese, Wittrock, Dulheuer.

VI, Für das Gemeindewesen: (Stargard), Gajewskfi,

VII, Für das Unterrichtswesen: Dr. Tehow, Dr. Paur, Dr, Wallis, Dr. Lindemann. / :

V11I. Für die Agrarverhältnisse: Schellwiß, Frhr. v. Schor- lemer-Alst, Albreht, Henze. 2

Auf der Tagesordnung stand die Verlesung der Inter- pellation des Abg. Dr. Virhow und Genoffen, betreffend die Publikation der General-Synodalordnung. Dieselbe lautet:

„Nach Erklärungen des Herrn Kultus-Minifters {ien die Ab- sicht zu bestehen, den aus den Beschlüssen der Generalsynode hervor- gegangenen Entwurf einer General-Synodalordnung ohne Mitwirkung der Landesvertretung mit der Sanktion Sr. Majestät des Königs als landeskirchlihes Geseß zu publiziren. In der Thronrede ift aner- fannt, daß eine Reihe von Bestimmungen der landesgeseßlichen Sanktion bedarf, und daß eine hierauf bezüglihe Vorlage den Land-

Delius, Runge, Wagner

Unter diesen Umsinden S Vora die UnterzeiHneten an die König» iche Staaisregierung die Anfrage: .

N estebt die Absicht, bei versammeltem Landtage dié General-Synodal- ordnung als landeskirchliches Geseß zu publiziren und einseitig die- jenigen Punkte zu bezeichnen, für deren Feststellung die Mitwirkung des Landtages als erforderlich zu erachten sei?“ i Nachdem der Staats-Minister Dr. Falk sich zur sofortigen Beantwortung der Interpellation bereit erkläri hatte, motivirte der Interpellant seine Anfrage, obwohl ihr Hauptzweck durch die gestern erfolgte landesfirhlihe Publikation der Synodalordnung durch Allerhöchste Verordnung aufgehoben sei. Selbst die o publizirte Synodalordnung habe Punkte, welche die geseßmäßige Mit= wirkung des Landtages erforderten und welche selbst noch nach der Publikation in der Geseßsammlung mit landesherrlicher Sank- tion abgelehnt werden könnten. Durch einen solchen eventuellen Vorgang würde die Allerhöhste Autorität niht gestärkt. Auch könne der Landtag sich nicht die Beschränkung gefallen lassen, daß die Regierung einseitig die Punkte feststellen solle, über welche der Landtag mitzusprehen habe. Auch die Kompetenz des Monarchen, landeskirchliche Gesehe als Träger des Kirchen- regiments zu erlassen, das Besteuerungsrecht der Synoden seien Fragen von Höchster staatsrechtliier Bedeutung, welche bei dieser Gelegenheit zum endlihen Austrage gebraht werden müßten. Der Staats-Minister Dr. Falk ent- gegnete, daß gerade die Nücksiht auf die Interp:llanten zu dem gerügten Vorgehen geführt habe, damit sie mit voller Kenntniß des Thatbestandes in die Behandlung der Interpellation eintre- ten könnten. Die Regierung beabsichtige keineswegs eine neue firhlihe Legislation neben der weltlihen zu ftabiliren, sondern sie werde baldigst einen Gesegentwur\ über diesen Gegenstand einbringen, wobei der Landtag seine Ansicht durch Beschlüsse wie bei jedem anderen Gesey geltend machen könne. Das diesmalige Vorgehen fei dem vom Hause als korrekt und einzig korrekt anerkannten Vorgehen im Jahre 1873 analog und durch die Aufhebung des Art, 15 der Verfassung dieser Ana- logie nit entzogen worden. Das landesherrliche Kirchenregiment sei historish begründet und faktish da. Auch hätten die früheren Publikationen von landesherrlihen Gesezen ohne vorherige landesgeseßlihe Sanktion niht zu praküschen Inkonvenienzen ge= führt. . s Der Abg. Dr. Virchow erkannte die heutigen Ausfüh- rungen des Ministers als korrekt an und verzichtete auf die weitere Besprechung seiner Interpellation. Die nächste Sißzung wird nach dem Schlusse der heutigen Reichstagssession anbe- raumt werden.

Der Disziplinarhof für nihtrichterliche Be- amte trat heute im Gebäude des Kammergerichts zu einer Sitzung zusammen.

In den deutschen Münzstätten find bis zum 15. Januar 1876 geprägt: an Goldmünzen: 982,105,100 6 Doppelkronen , 304,129,160 6 Kronen; hiervon auf Privat rechnung: 89,887,345 #6; an Silbermünzen: 25,915,620 5-Markstücke, 110,522,854 6 1-Markstüce, 12,727,977 A6 50- Pfennigstücke, 20,373,212 # 20 „S 20- Pfennigstüe; an Nickelmünzen: 13,089,743 f 90 -Z 10-Pfennigstüce, 7,408,523 Á6 45 H d-Pfennigstüke; an Kupfermünzen: 4,697,721 30 2 -Pfennigstücke; 2,520,031 6 37 Z 1-Pfennigstüte. Gesammtausprägung: an Goldmünzen: 1,286,234,260 H; an Silbermünzen: 169,539,663 # 20 „Z; an Nickelmünzen: 20,498,267 M6 35 .§; an Kupfermünzen: 7,217,752 4 67 S.

Das Anlagekapital der Staatseisenbahnen belief sich Ende 1874 auf 1,016,021,082 f; dasselbe ergiebt nah dem Etat pro 1876 54,694,211 /6 oder 5,33 4. Ueberschuß. Die Zinsgarantie, welhe der Staat für Eisenbahnen über- nommen hat, erftreckt \sich zur Zeit auf 479,435,940 Im Besiß des Staats befinden sich 2,789,400 s Oberschlesische, 6,384,600 Stargard-Posener, 9,000,000 / Berlin-Hamburger und 5700 # Kottbus-Schwilochsee, zusammen 18,179,700 6 Eisenbahnaktien.

Für das Jahr 1875 waren zur Klassensteuer in Preußen veranlagt 4,850,791 Personen mit einem Steuerbetrag von 44,495,262 é, und zwar für d'e 1. Stufe (420—660 s Ein- kommen): 2,416,271 Personen mit 7,248,813 A, für die 2. Stufe (660—900 6): 1,167,829 Personen mit 7,006,974 M, für die 3. Stufe (900—1050 6): 419,990 Personen mit 5,039,880 M, für die 4. Stufe (1050—1200 M4): 203,073 Personen mit 3,046,095 M, für die 5. Stufe/(1200—1350 4): 151,126 Per- sonen mit 2,720,268 H, für die 6. Stufe (1350—1500 H): 126,434 Personen mit 3,034,416 A, für die 7. Stufe (1500—1650 A6): 78,781 Personen mit 2,363,430 M, für die 8. Stufe (1650—1800 4): 80,418 Personen mit 2,895,048 M, für die 9. Stufe (1800—2100 4): 57,255 Personen mit 2,404,710 sé, für die 10. Stufe (2100—2400 46): 64,499 Per- sonen mit 3,095,952 é, für die 11. Stufe (2400—2700 f): 40,717 Personen mit 2,443,020 46, für die 12. Stufe (2700—-3000 #6): 44,398 Personen mit 3,196,656 #

Zur klassifizirten Einkommensteuer waren für das Jahr 1875 veranlagt 150,496 Personen (darunter 9781 Per- sonen, «die im Vorjahre zur Klassensteuer veranlagt waren) mit einem Steuerbetrag von 30,161,826 4 (darunter an Einkommen- steuer von im Vorjahre zur Klassensteuer Veranlagten: 987,804 M); u. A. waren zur 1. Stufe (Steuersaz: 90 6) veranlagt 43,873 Personen, zur 10. Stufe (324 4): 2847 Per- sonen, zur 25. Stufe (2520 H): 108 Personen, zur 50. Stufe: 1 Person mit 39,600 f, zur 87. (leßten) Stufe: 1 Person mit 106,200 M

Der Seminarpriester L. zu S. hatte, ohne die dur das Geseß vom 11. Mai 1873 vorgeschriebene Qualifikation zu besigen, in der dortigen katholishen Kirche den Nachmittags- gottesdienst und das Hochamt abgehalten und wurde auf Grund des §. 2 des Gesehes vom 21. Mai 1874 wegen rechts- widriger Vornahme geistliher Amtshandlungen angeklagt und in zweiter Instanz vom Kriminalsenat des Appellationsgerichts zu A. verurtheilt. Die vom Angeklagten dagegen eingelegte Nichtigkeitsbeshwerde, in der er betonte, daß die Hand- lungen, wegen deren Vornahme er bestraft worden, nicht Amtshandlungen seien, sondern nur geistliche Funktionen, deren Vornahme das Gese nit mit Strafe bedrohe, wurde vom Ober-Tribunal durch Erkenntniß vom 6. Ja- nuar d. I. zurückgewiesen. „Der Angeklagte“, führt das Er- kenntniß aus, „ist der Zuwiderhandlung wider den §. 2 des Geseges vom 21. Mai 1874 wegen Abhaltung des Rachmittags- gottesdienstes und des Hochamts für \{huldig erklärt worden. Der Nachmittagsgottesdienft aber sowohl, wie das Hochamt ge- hôren, wie nah allgemeinen kirhenrechtlihen Grundsäßen nicht bezweifelt werden kann und in der Rehtsprehung des Ober- Tribunals völlig feftstcht, zu den geistlihen Amtshandlungen

bisherigen Beftimmung des Strafgesezbuhes durch Nichts mo-

tage zugehen solle.

im Sinne der Maigesezge und dürfen daher von einem Geist-

lichen, welcher den Vorschriften der §8, 1—3 des Gesches vom a uy 1873 nicht Genüge geleistet hat, nicht vorgenommen werden“.

§. 257 des Neichs-Strafgesezbuches bestimmt, daß Der- jenige, welcher nah Begehung eines Verbrehens oder Ver- gehens dem Thäter oder Theilnehmer wissentlich Beistand leistet, um denselben der Bestrafung zu entziehen, wegen Begünstigung mit Geldstrafe oder Gefängniß zu bestrafen ist. Zum Thatbestande dieser Strafbestimmung genügt es, nach einem Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 5. Ianuar d. I., daß der Thäter durch seinen Beistand bezweckt hat, einen Verbrecher 2c. der Bestrafung zu entziehen, dagegen is nichti erforderli, daß dieser Zweck erreiht, am wenigsten, daß die Verurtheilung oder Strafvollstreung definitiv unmöglih geworden sei.

Zur Behebung laut gewordener Zweifel hat der Finanz- Minister dur Cirkularreskript vom 9. d. M. bestimmt, daß die weiblihen Stücke des Roth- und Dammwildes vom 1. Januar bis 15. Oktober des auf ihre Geburt folgenden Iahres als Schmalthiere anzusprechen resp. zu verrechnen sind. Dasselbe gilt vom Rehwilde bezüglih des Ansprechens als Schmalrehe. Hiernach ist vom laufenden Jahre ab zu verfahren.

Königsberg, 20. Ianuar. Der Provinziallandtag beschloß in Sachen des Chausseebaues in seinen legten Sizungen nah längerer Diskussion die Aufnahme einer Anleihe, ohne indeß bestimmte Beschlüsse über die Modalitäten derselben zu fassen.

Vayeru. München, 20. Januar. Die Frau Her zogin Maximilian hat, nah dem heutigen Morgenbulletin, die Nacht in ununterbrohenem Schlafe zugebraht, und is ein weiterer Kräfteverfall seit gestern niht zu bemerken, Nach dem heutigen Abendbulletin is der Zustand der Frau Herzogin be- friedigend, Wie die „Alg. Ztg.“ außerdem vernimmt, \chöpfen die Aerzte neuerdings einige Hoffnung auf Wiedergenesung der hohen Kranken. Im Befinden des Generals v. Brodesser zeigt sih einige Besserung, so daß man die Hoffnung auf Neun des hochbejahrten Offiziers noh nicht ganz auf-° giebt.

Hessen. Darmstadt, 19. Januar. (Karlsr. S) Sn der Rödelsheimer Affaire ist die Anklage auhch auf den Kaplan Landvogt in Offenbah ausgedehnt und er sowohl, wie Dr. Haffner und Dr. Raih zu Mainz sind auf den 28. d. vor das Polizeigeriht in Homburg unter der Beschuldigung zitirt worden, ohne vorschriftsmäßige Anzeige in Rödelsheim an Stelle

des suspendirten Pfarrers Hungari gepredigt 2c. zu haben. -

In Monsheim (Rheinhessen) find mehrere hervorragende Mitglieder der Landes\ynode eingetroffen, um, wenn mög- lih, den beabsichtigten Mafsenaustritt dortiger Protestanten aus der evangelischen Kirche zu verhindern, zu dem fie in Folge der Beschlüsse der Synode entschlossen sind, wie be- kanntlich ein gleiher Schritt aus gleiher Ursache von über 100 protestantishen Männern neulih in Rüsselsheim erfolgt ist.

Mecklenburg-Schwerin. Rostock, 21, Ianuar. In Bezug auf den Artikel des Professors Dr. Th. Mommsen in Berlin, im Januarhefte der „Preußischen Jahrbücher“, in wel- chem derselbe mittheilt, die philosophishe Fakultät der Universität zu Rostock habe im Jahre 1873 den Doktor- titel auf Grund einer Abhandlung ertheilt, die später als Plagiat erkannt sei, veröffentlicht die Fakultät nachstehende beiden Be- kanntmachungen:

Nachdem die unterzeichnete Fakultät die Gewißheit erhalten hat, daß die bei ihr zum Zweck der Promotion von dem Hrn. Wilhelm Dabis zu Berlin eingereichte Abhandlung : „Abriß der römischen und hristlihen Zeitrechnung, Berlin 1873“, ihren Hauptbestandtheilen nach fremdes Eigenthum ist (vergl. „Börsenblatt für den deutschen Buchhandel“, d, d. 29, Dezember 1875, Nr. 301 p. 4786), erklärt sie die von ihr d, d, 8. Juli 1873 vollzogene Promotion des Hrn. Dabis selbstverständlich für null und nichtig.

Rostock, ‘den 18, Januar 1876.

Die philofophische Fakultät der Universität Rostock. Dr. Graf zur Lippe, d. Z/ DelTan,

Die Erfahrung, daß die bisherigen Promotions-Bestimmungen der unterzeichneten Fakultät derselben keinen autreihenden Schuß vor Täuschung gewährt haben, hat sie zu dem Beschluß veranlaßt, die nah §. 3 ihrer Promotions-Bestimmungen in gewissen Fällen zu- lâssige Dispensation vom mündlichen Examen fortan niht mehr ein- treten zu lassen.

Rosto, den 18. Januar 1876,

Die philosophische Fakultät der Universität Roftock. Dr. Graf zur Lippe, d. Z. Dekan.

Sachsen - TWeimar- Eisenach. Weimar, 20. Januar. Der Landtag wird nah der „Magdeb. Ztg.* {hon am 9. Fe- bruar zu einer außerordentlihen Session, die etwa drei Wochen dauern wird, zusammentreten. Gestern war der Medizinal- Rath Dr. Matthes aus Eisenach hierher berufen, um dem Groß- herzog über die Franfkenheimer Typhusepidemie Vortrag zu erstatten. Die Zahl der Kranken hat zwar zugenommen, doch find neue Todesfälle nicht vorgekommen; die eingerichteten Lazarethe bewähren si.

Aubhalt. Dessau, 20. Januar. Die Prinzessinnen Friedrih und Hilda sind von einem mehrmonatlihen Be- suhe bei der Prinzessin Wilhelm von Schaumburg-Lippe in Nachod gestern hier wieder eingetroffen. Aus dem bereits gestern erwähnten Berichte der Budgetkommission er- geben sich noch folgende Thatsahen: Das Land besigt ein großes Domanialvermögen, dessen Erträge indeß einer wesentlihen Steigerung nicht mehr fähig sein dürften. (466 Domänen mit über 14z Mill. Mark, durchs\chnittlich pr. Hektar 80 # Ertrag; bedeutende Einzelpachtäcker und Wiesenflähen; an Forsten fast 22,000 Hektar mit durh- \hnittlich 20 A pr. Hektar Ertrag.) Die Staats\{huld is nur noch gering, ihre Tilgung in einem verhältnißmäßig kurzen Zeitraume gesichert, ohne daß es besonderer Anstrengung bedarf. (Die Staats\huld, die 1869 abzüglih der Aktiva 13,290,430 M betrug, beläuft sih jeßt auf nur 1,466,948 M, so daß in ungefähr 6 Jahren die Verminderung beinahe 12 Millionen betragen hat.) Endlih wird die in fortwährendem Wachsen begriffene Steuerkraft des Landes, gegenüber andern Ländern, in sehr mäßiger Weise in Anspruch genommen. Nah der „Cöth. 3.“ werden in diesem Jahre die Kommunal- und Kreisfteuern in den Städten, und namentlih in den Kreisftädten das 2}- bis Zfache der Staatssteuern erfordern,

Desterreich -: Ungarn. Wien, 21. Januar. Wie dem „Pester Lloyd“ aus Wien geschrieben wird, soll die Vertagung

Der Eisenbahnausschuß des Abgeordnetenhausez hat den Antrag des Referenten, betreffend den auf Staatskosten auszuführenden Bau der Donau-Uferbahn von Nußdorf bis zur Stadelauer Brücke mit einer Abzweigung von Nußdorf zur Ver- bindung mit der Franz-Iofefbahn, genehmigt.

Pei, 20: Januar, Jm Äbgeordnetenhause fand heut die Berathung der Regierungsvorlage wegen Einlösung von 20 bis 22 Millionen Schaßbonds aus der zweiten Hälfte des Rentenanlehens statt. Helfy und Simonyi sprachen da- gegen; leßterer ftellte den Beshlußantrag auf Ablehnung der Vorlage. Bujanovics hielt den Gesczentwurf gleihfalls für überflüssig, erklärte jedoch, ihn unter derx Bedingung anzuneh- men, daß der Minister angewiesen bleibe, über die Konversion eine besondere Vorlage zu machen. Wahrmann kann zivar diese Finanzoperation nit als eine Konversion betraten ; nach- dem aber {hon im Rentenanleihegesez ausgesprochen worden sei, daß aus dem Anlehen ein Theil der Schaßbonds eingelöst werden soll, nahm er die Vorlage an. Hierauf ergriff der Finanz - Minister Szell für die Vorlage das Wort.

Nach dem Finanz - Minister vertheidigte der Präsident des Finanzaus\chu}ses Zsedenyi die Konversionsvorlage, worauf dieselbe vom ganzen Hause, die äußerste Linke ausgenommen, im Allge- meinen angenommen wurde. In der Spezialdebatte wurden mehrere oppositionelle Amendements nah eingehender Polemik Seitens des Finanz-Ministers verworfen und die Vorlage gänz- lich unverändert votirt. Hierauf wurde die Spezialdebatte über die Verwaltungsaus\hü}se fortgeseßt. Pata Herics trat für die Städte ein, als Förderinnen höherer Kultur und höheren Sinnes sür Freiheit. Der Referent Gullner entgegnete mit dem Hinweise auf die Haupttendenz der Vorlage, die Gleichartigkeit der Ver- waltung im ganzen Lande herzustellen.

Niederlande. 17. Januar. Im Beginne der heutigen Sigzung der Ersten Kammer der Generalstaaten machte der Kolonien- Minister Mittheilung von telegraphishen Meldungen aus At- chin, welche über die dortigen Ereignisse vom 1, bis 13. Januar Nachstehendes berihten: Die Kampongs Garut und Lampadang wurden, da fie das Bivouak der niederländischen Truppen zu Pakenbaden beschof}sen, einge- äschert. Die Kommunikation mit Oleh-leh wurde gesichert. Die stark befestigte Stellung Bital - Lamtermin, von dem Feinde infolge der Manöver der niederländischen Kolonnen verlassen, wurde beseßt. Die Befestigung von Pakenbaden wurde fortgeseßt und eine Schiffbrücke über die Lagune bei Sinangri hergestellt. Es wurde eine Rekognoszirung nah den 1V Mukim hin ausgeführt, wo man auf ein sehr un- günstiges Terrain stieß und eine Expedition nah Lamtenga und Sabong unternommen. Bei der Moschee Lamtenga fiel auf feindliher Seite Panglima Mudalalamtetu; die Nieder- länder hatten zwei Verwundete; sie besezten Sabong. Die V1, Mufim sind jeßt ganz in ihrem Besize. Tuku Lemparei begab fich nah Kluang, um die Häuptlinge der 1V. Mukim aufzurufen. Der Häuptling von Lampager kam in das Bi- vouak der Niederländer, um sich zu unterwerfen. Am 11. Januar wurde eine Rekognoszirung nah Lampager unternommen, mit der Bevölkerung Besprehung gehalten und eine Besaßung zurückgelassen; die Bevölkerung von Lampager bat um die Hülfe der Niederländer gegen Tufu Nanta und Tuku Tjihiklamuga. Am 13. Januar hatte eine Reknognoscirung nah Lamb-adak ftatt, zu dem Zwecke, die Häuptlinge der [V Mukim zu entmuthigen. Der Geist der agi- renden Truppen blieb vorzüglih. Der Gesundheitszustand unter den Truppen is günstig, außer bei den Maduraschen Barifsan. Dcr allgemeine Gesundheitszustand in Atchin war befriedigend.

Welgien. Brüssel, 19. Januar. Die Abgeordneten- kammer hat gestern ihre seit Weihnachten unterbrochenen Ar- beiten wieder aufgenommen. Die Regierung brachte einen Ge- seßentwurf, betreffend das Waffentragen, ein. Der durh den Finanz - Minister in Abwesenheit des JUstiz- Ministers vorgelegte Entwurf lautet nah der „Ind. belge“ wie folgt: „Art. 1. Jeder, der ohne geseßmäßigen Grund oder ohne gesezmäßige Autorisation im Besige einer Kriegswaffe be- troffen wird, soll mit einer Geldbuße von 26 bis 200 Franks bestraft werden. Wenn der Schuldige bei einem Auflauf betroffen wird, kann er außerdem mit Gefängniß von 8 Tagen bis zu 3 Monaten bestraft werden. In beiden Fällen wird die Waffe mit Beschlag belegt und konfiszirt. Art. 2. Die in diesem Gesetze vorgesehenen Vergehen werden nah Art. 85 des Strafgeseßz- buches bestraft, Art. 3. Ein Königliches Dekret wird die Beamten bezeichnen, welche zur Ausstellung der in Art. 1 er- wähnten Erlaubnißscheine befugt sein sollen.“ Nach einigen weiteren Zwischenfällen begann die Kammer die Berathung des Budgets des Ministeriums des Innern.

Großbritannien und Jrland. London, 20. Januar. Die Königin hat den General Lord Napier von Magdala zum Gouverneur von Gibraltar ernannt. Seit 1870 be- kleidete Lord Napier den Posten cines Oberbefehlshabers der indischen Armee. Lord Lytton, der neue Vizekönig von Indien, traf gestern von Lissabon kommend, in London ein. Die neueste Kap-Post übermittelt den Text der Depesche des britishen Ministers für die Kolonien, Lord Carnarvon, welche die Konferenz über die projektirte Konföderation der Kolonien und Staaten Südafrikas in London gb- zuhalten empfiehlt. Der Minister bemerkt u. A.: Der Vortheil eines solchen Verfahrens erwies sich als sehr groß, als die Einzelheiten der canadischen Kon- fôderation geregelt wurden, und im Hinblick auf die eigenthüm- lichen Verhältnisse, unter welchen wir jeßt an ein ähnliches Abkommen herant eten, wird es nicht in Frage gestellt werden, daß viele Zweifel und Mißverständnisse aus dem Wege geräumt werden dürften, wenn es möglich gemacht wird, viele Punkte, sobald als sie entstehen, \{chnell und summarisch zu erledigen .…. Es braucht nicht besorgt zu werden, daß irgend eine Kolonie oder ein Staat, der sich an den Konferenzen betheiligt, weder durch die Beschlüsse, zu denen die Majorität gelangen dürfte, noch sckbst durch die Handlungen oder Stiwmmabgaben ihrer Reprä- sentanten gebunden sein wird, Aber ih bin nicht ohne Hoffnuyg, daß eine solhe Basis einer allgemeinen Uebereinkunft erzielt werden wird, welche die verschiedenen Legislaturen überzeugen dürfte, daß es sowohl eboten wie wünschenswerth ist, unter Bedingungen fich zu kon- Fibaiten, die nicht sehr von denjenigen abweichen, welche die Pro- vinzen adoptirten, die nunmehr das große Dominion Canada bilden.“ Ein amtlihes Dokument giebt die Zahl der Desertio- nen von der Königlichen Marine im Jahre 1874/75 auf 1178 an, Es wurden nur 282 Deserteure wieder eingefangen.

Frankreich. Paris, 21. Januar. Dem „Journal officiel“ zufolge ist der am 15. d. Mts. erloshene italienisch-französ- sisheHaudelsvertrag bis zum 1. Juli verlängert worden. Aus Nantes wird gemeldet, daß der von der National- versammlung zum Senator ernannte Hr. Ernst de Larochette

des Reichsrathes mit dem 20. Februar d. I, zu gewär- UÂgen sein,

am 19. Abends am Schlage gestorben ist. Die durch diesen Todesfall in dem neuen Senate eingetretene Lücke wird entweder

dieser selbst oder vielleicht noch die Nationalversammlung durh Wahl auszufüllen haben. Die Frage ist in dem Senatsgeseze nicht vorgesehen.

Spanien. Madrid, 21. Ianuar. (W. T. B.) Bei den gestrigen Deputirtenwahlen find hier regierungsfreundliche Deputirte gewählt worden; die Republikaner konnten nur die Wahl zweier ihrer Kandidaten durhsezen. Castelar if nirgends gewählt worden.

Türkei. Aus Ragusa, 22. Januar, meldet „W.“T. B,*: Nach hier eingegangenen Nachrichten aus füdslavisher Quelle haben in der Zeit vom 18. d. bis zum gestriaen Tage auf der Straße nach Trebinje anhaltende Kämpfe stattgefun=- den, welhe nah der Versiherung von Augenzeugen zu Un- gunsten der Türken und mit großen Verlusten derselben geendigt haben sollen. Die Straße von Ragusa nach Trebinje befindet fich augenblicklih in der Gewalt der Insurgenten.

___ NMußland und Polen. St. Peter rg, 20, Januar. Heute um die Mittagszeit fand mit üblicher Feierlichkeit und dem hohen Range des Enlshlafenen entsprechenden militärischen Ge- prange von der Admiralitätskirhe aus die Beerdigung des Marine-Ministers, General-Adjutanten, Admirals Krabbe statt, Der „Golos“ widmet demselben folgenden Ne- trolog: Am 3. Januar um 5 Uhr Morgens verschied nah langwieriger und s{chwerer Krankheit der Verweser des Marine - Ministeriums, General - Adjutant, Admiral Nikolai Karlowitsch Krabbe, mit dessen Namen sämmtliche wichtigen Veränderungen bei der Flotte während der lektten 15 Jahre verbunden sind. N. Krabbe war in Grusien 1814 ge- boren und trat, 12 Jahre alt, an das Marine-Kadettencorps, gegenwärtig Marineschule genannt, aus welhem er 1832 gls Midshipman entlassen wurde. Dies war der erste und letzte Rang, welchen Krabbe nicht für Auszeichnung erhalten hat. Krabbe hat das Meer wenig befahren; seine Seekampagne betrug nur 19 Monate und 6 Täáge; die Dienstlaufbahn des Ver- storbenen war fast ganz durch Administrativposten bezeichnet. Sechs Jahre nach Beförderung zum Offizier wurde N. Krabbe Adjutant bei dem Chef des Haupt-Marine-Stabs, Fürsten Mentschikow, bei welhem er bis zur Mitte des Jahres 1854 verblieb, zu welcher Zeit er zum Flügeladjutanten ernannt, die Stellung des Vizedirektors erhielt, während er im Iahre 1855 Direktor des Jnjspektionsdepartements des Marine-Ministeriums wurde. Auf diesem Posten wurde N. Krabbe 1856 zum Kontre- Admiral bei der Suite Sr. Majestät, im Jahre 1858 zum General-Adjutanten ernannt. Jn die Verwaltung des Marine- Ministeriums trat der Verstorbene am 10. April 1860. Dem verblichenen N. Krabbe haben wir es zu danken, daß unfere ganze Panzerflottein Rußland und von russishem Material gebaut wurde, ihm gebührt das Verdienst der Gründung der Obuchow'schen Gußftahlfabrik. Jm Verlauf seiner 43 jährigen Dienstzeit nahm N. Krabbe mehrmals Theil an Kriegsereignissen. Im Jahre 1837 als Adjutant bei dem General-Lieutenant Weljaminow und später als Dejour-Stabsoffizier bei dem Kapitän ersten Ranges S\serebrjakow, wirkte Krabbe bei der Truppengus- schisfsung am kaukasishen Ufer und in den Schlachten mit den Bergvölkern bei Gelentschik u. a. O. mit; im Jahre 1839 bei der Dessante von Ssubash kommandirte er die Asow'sche Flo- tille, nahm später Theil an der unglücklichen Erpedition des Grafen Perowsky gegen Chiwa und erfüllte \{ließlich während des Krimfkrieges unter andern Funktionen die eines Stabs- Chefs bei der Eskadre des Vize-Admirals Sserebrjakow, wäl- rend des Bombardements des Nikolshen Hafens durch die Türken. Außer dem St. Georgs-Militärkreuz und dem St. Andreas-Orden hatte der Verstorbene sämmtliche russische O

L den der höchsten Klassen. Ferner zählte er als beständiges Mitglied der bei der Moskauer Universität bestehenden Natur- forfcher-Gesellschaft für Anthropologie und Ethnographie und war Chrenmitglied des Moskauer polytechnishen Museums. Aus Taschkent wird dem „Golos“ vom 15. Januar telegraphirt, daß in Namagan und Umgegend Alles ruhig is. Bei der Ueberschreitung des Narym stieß General-Major Sikobelew auf keinerlei Widerstand. Oberst Baron Möller-Sakomelski führte auf dem Wege von Andidshan eine Rekognoszirung aus, wobei er durch die Bewohner von Ssyrmak mit Flintensc{üssen be- grüßt wurde. Baron Möller griff den Feind an und {lug den Feind in die Flucht. Der Feind ließ auf dem Platze 50 Todte zurück. Auf russisher Seite wurde cin Kosak verwundet. Gegen Ende Januar beabsichtigt man cine Rekognoszirung in die Hohen von Serawschan auszuführen. i

Amerika. (A. A. C.) Aus Philadelphia wird der „Times“ unterm 19, d. per Kabel gemeldet: „Das Subsidien- Comité des Revyräsentantenhauses hat den Etat für das diplomatishe Corps und die Konsuln gegen das vorher- gehende Jahr um die Summe von 300,000 Dollars reduzirt. Sämmtliche Gehälter sind herabgeseßt, die der Gesandten bei Groß- britannien, Frankreich, Deutschland und Rußland auf je 14,000 Dollars; dem Gesandten am Hofe von St. James, General Schenck, wurden 2500 Dollars extra bewilligt. Die Gehälter der Ge- sandten bei Spanien, Oesterreih, Brasilien, Mexiko, Japan und China sind auf je 10,000 Dollars herabgeseßt, die der Minister- residenten in Portugal, Belgien, der Schweiz, der Niederlande, Dänemart, Schweden, Norwegen und der Türkei auf je 6500 Dollars, und das des bevollmächtigten Ministers in Liberia auf 4000 Dollars. Der Gesammtetat für die Chargé d'Afffaires it von 40,000 Dollars auf 20,000 Dollars herabgescßt worden.

Nr. 3 des „Central-Blatts für da3 Deutsche Reich“, herausgegeben im Reichskanzler-Amt, hat folgenden Inhalt: Allges meine Berwaltungssachen: Werweisung von Ausländern aus dem Reicbögebiet. Zoll- und Steuerwesen: Errichtung und Kompetenz von Steuerstellen. Münzwesen: Uebersicht übcr die Ausprägung von Reichsmünzen. Finanzwesen: Nachweisung über die am 31, Dezember 1875 im Umlaufe beziehungsweise im eigenen Be- stande der deutschen Zettelbanken vorhanden gewesenen, sowie au der nach erfolgter Einlösung vernichteten beziehungsweise zur Vernichtung zurückgelegten Banknoten; Status der deutschen Notenbanken Ende Dezember 1875, ==- Justizwesen: Zwangsvollstreckung dur rumänische Gerichte. Militärwesen: Bekanntmachung eines Ver- zeicsnisses derjenigen höheren Lehranstalten, welhe zur Ausstellung gültiger Zeugnisse über die wissenschaftlihe Befähigung für den einjährig-freiwilligen Militärdienst berechtigt sind. Konsulatwesen: (Frinäctigung zur Vornahme von Eheschließungen 2c. Personal- Veränderungen 2c. : Ernennung.

Nr. 7 des „Amtsblatts der Deutschen Neihs-Post- und Telegraphen-Verwaltung“ hat folgenden Inhalt : Ver- fügungen: Vom 14. Januar 1876. Zulassung der Telegraphen- unterbeamten zu den Kleiderkassen für die Postunterbeamten. Vom 12, Januar 1876. Beauffichti, ung der Postge)panne. Vom 12. Ig-

vuar 1876. Leitung des Postbeiriebs auf der Eisenbahnstrecke Grau- hof-Lautenthal. Vom 13. Januar 1876, Generalyerfügung an