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Tommen laffen.
; Deutscher Reichstag. 152. Sißung vom 22. Februar 1900, 1 Uhr.
Tagesordnung : Q Reichshaushalts-Etats für 1900 bei den Spezial- Etats für die Verwaltung des Reichsheeres und für das Reich s-Militär gericht. M
In diesem Etat sind von der Budgetkommission folgende Resolutionen vorgeschlagen :
„1) Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, dafür Sorge zu tragen, daß den Soldaten keinerlei Vorschrift darüber gegeben wird, in welcher Sprache sie beichten sollen, und daß keinerlei Unter- suhung darüber \tattfindet, in welWher Sprache sie beichten.
2) Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, darauf hinzuwirken, A die Stabshoboisten in die Servisklasse der Feldwebel verseßt werden.
3) Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, derselbe solle in Er- wägung ziehen, ob sh niht im Interesse der Aufrehterhaltung der Zucht von geeigneten Remontepferden eine Erhöhung der Remonteankaufspreise empfiehlt.“
Referenten sind die Abgg. Graf von Roon (d. kons.) und Dr. Bachem (Zentr.). Die Berathung beginnt mit dem ersten Kapitel der fortdauernden Ausgaben : „Krieg®- Ministerium“, Titel 1: „Der Kriegs-Minister: 36 000 M“
Abg. Bebel (Soz.) führt aus: Er habe bei diesem Titel seit Jahren eine Reihe von Beschwerden und Klagen vorgetragen, wélhé draußen in der Oeffentlichkeit nit in geeigneter Weise zur Sprache gebracht werden könnten und von der Presse der anderen Parteten überhaupt nicht zur Sprache gebraht würden. Auch heute sei er in dieser Lage. Zunächst müsse er auf den Fall des Reservisten Kriese in Elbing zurückommen, der als Zeuge auf die Frage, ob er Sozialdemokrat sei, geantwortet hätte: „In Zivil ja!“ — und im militärgerihtlihen Verfahren zu 14 Tagen Gefängniß wver- urtheilt worden sei. Diese Bestrafung für eine unter dem Zeugeneide erfolgte Beantwortung einer Frage des Richters erscheine ihm (Redner) als eine ungeseßlihe Handlung. Er frage heute die Militäroerwaltung, ob se si ein Urtheil in der Sache auf Grund der Akten nunmehr gebildet habe. Im vorigen Herbst sei ferner in Halle eine Prügelei vorgekommen, bei welcher der Oberleutnant der Reserve Hochheim seinem Gegner unterlag; auf seine Bitte sei er von diesem freigelassen, habe dann aber fofort „zur Rettung seiner Ehre“ feine Arbeiter herbeirufen und von diesen den Gegner, den Gutsbesißer Peyold, derart mißhandeln lassen, daß er besinnungs- los liegen geblieben sei. Das Landgericht in Halle habe den Oberleutnant mit sechs Monaten Gefängniß bestraft; einige seiner Arbeiter seien ebenfalls verurtheilt worden. In Rüdcksihht auf den Stand des Leutnants und die Härte anderweiter Bestrafungen wegen weit milderer Excesse liege bier eine außerordentlich leichte Bestrafung vor. Redner fragt, ob der betreffende Reserve-Ober- leutnant in seinem Militärverhältniß geblieben sei. Ein weiterer Vorfall habe sih in Wittenberg abgespielt. Im April 1899 hätten zwei Berliner Reservisten beim 20. Regiment ih auf Uebung befunden und seien dort von einem Leutnant, dessen Namen er (Redner) dem Kriegs-Minifter genannt habe, mit Worten beshimpft wocden. In Spandau habe ein Wattmeister die Leute feiner Kompagnie über 4 Stunde lang stramm ftehen lasen und ihnen dabei Reden gehalten wie folgende: „Es wundert mi, daß Sie si niht {on längst aufgehängt haben; zeigen Sie, daß Sie Courage haben; hängen Sie ih heute Abend auf, dann sind Sie morgen früh todt!“ Dabei habe er eine Bewegung nah seiner Tasche gemaht, als wenn er dem Mann ein Geldstück geben wollte, damit er sh einen Strick kaufe. Die Unter- suchung gegen den Wachtmeister habe kein Resultat er- gebe weil eine Anzahl Unteroffiziere als Zeugen bekundet,
n daß fie nichts davon gehört hätten. In Mey seien in vierzehn Tagen
nit weniger als vier Selóöstmorde vorgekommen. Sehr viel ließen in diesen Fällen oft die Ausfagen der Militärärzte zu wünschen übrig. So werde in einem Falle der Betreffende als an Lungenentzündung gestorben bezeihnet; von diefer Lungenentzündung fei vorher niht das Mindeste bekannt geworden. Bei der 10. Kompagnie des Infanterie-
Regiments Nr. 41 in Thorn habe sih- ein Leutnant im Oktober
1893 eine Reihe \{chlimmster Mißhandlungen zu Schulden _ Aehnliches sei ihm (Redner) mitgetheilt worden von dem in Oschay garnisonierenden Ulanen-Regiment ; ein Ulan sei infolge der erlittenen Mißhandlungen angeblih an Gehirnentzündung erkrankt. Auch hierüber erwarte er Aufschluß von dem A S Redner führt noch cine große Anzahl weiterer Fälle an. Ein Soldat, der als Maler in seiner 13jährigen Dienstzeit entgegen seinen Dienst- vervflihtungen mit Malerarbeiten beschäftigt worden, sei dabei zu Tode gekommen; dem Vater desfelben sei aber vom Regiment die- jenige Entschädigung, welche er nach Lage der Sache fordern zu können h berectigt glaubte, verweigert worden. Es würden ja überhaupt mißbräuchlicher Weise die Mannschaften, welhe Gärtner, Maler, Tischler u. \. w. wären, im Dienste zu Arbeiten, die in ihr Fah schlügen, herangezogen; namentlich werde dieser Mißbrauch von den Vorge- seßten betrieben. Die Heranziehung der Soldaten zu diesen Arbeiten, die mit der Ausbildung zur Waffenfähigkeit niht das geringste zu thun haben, sei ungefeßlich. Zu solchen Leistungen sei die Armee nit da. Auch im Punkte der Öffizierduelle stehe man auf dem alten Fleck. Die äußeren Formen seien noch heute bei dem Offizier-Korps das Entscheidende. Wenn ein Dffiz'er eine Handlung begebe, die zu einer Forderung führe, so repariere er, wenn er im Duell ob- Kege, seine Ehre vollständig, und seine Unthat selbs werde von der Gesellschaft, die sh diesem Ehrenkodex unterwerfe, ignortert. Z. B. geht Redner ausführlih auf den Fall Klövekorn-Döring in Koblenz ein, in welhem die obersten Militärbehöcden die Duell- bedingungen, die außerordentli bart gewesen seien, und denen Klövekorn zum Opfer gefallen fei, au: drücklich gebilligt hätten. Döring sei zu zwei Jahren Festung verurtheilt und nah jech8 Monaten begnadigt worden und trage nun als Ehrenmann die Uniform weiter, während \chon sein Verhalten bei dem Tanz, der zu der Herausforderung führte, zu seiner Ausstoßung aus dem Heere hätte führen müssen. Im Laufe des leßten Jahres hätten noch eine ganze Reihe Duelle stattgefunden. Eines dieser Duelle habe am erften Weihnachtsfeiertag, dem höchsten Feiertag der Christenbeit, ftatt- gefunden, und gefallen sei ein unsculdiger Leutnant, den sein Major gefordert habe. In München babe ein Vorfall Auffehen erregt, weil bei dem Begräbniß eines im Duell gefallenen Offiziers der Geistliche in der Grabrede Bemerkungen gemacht habe, welche nicht eben günstig für den Duelibrauh gefklungen hätten. Der Regiments- Kommandeur habe dana das Wort ergriffen und dem Gefallenen unter einer Lobrede auf das Duell ein Lebewohl nagerufen. Hätte folcer Norfall am Grabe eines Sozialdemokraten fi abgespielt, so wäre unbedingt eine Anklage aus § 167 des Strafgeseßbuchs die Folge gewesen. Der bestehende Widerspruch sei unhaltbar, wenn Leute aus hervor- ragendem Stande mit Bewußtsein das Geseh verlezten und Sirafen dafür erlitten, welche keine Strafea seien. In der Sitzung vom 2. März 1899 hake er (Redner) auf die Tbeil- nahme der Offiziere am „Klub der Harmlosen“ und am Spiel daselbs hingewiesen, wodur dieselben sich direkt in Widerspruch mit einer Kaiserlihen Verordnung geseßt hätten. Damals habe der Kriegs- Minister erwidert, aktive Offiziere seien nicht betheiligt, und Hecr von Tiedemann habe dies bestätigt. Der Prozeß, der inzwischen statt- cefunden habe, habe ein Sittenbiid von unserer Zeiten Schande gezeiat, gezeigt wie die Gesellschast sei, zu der auch die Offiziere zu Duyenden zählten. Der Erbprinz von Thurn und Taxis, der Erbprinz von Coburg, die oberste Elite der Adels- und Fürstlichen Familien habe in diesem Arozes eine traurige Berühmtheit erlangt. Die Ursachen für diese
ns{chauungen lägen auf der Hand; sie seien begründet in der Bor- bildung des Oisfizierkorps, in der Hervorhebung desselben über jeden anderen Stand, in dem Gedanken des Herrenthums, des Nieysche?|chen
ortsepung der zweiten Berathung des
Uebermenschenthums, in dem es systematisch bestärkt werde. Auf die Ergebnisse dieser Erziehung müsse daher öffentli hingewiesen werden.
Kriegs-Minister, General der Infanterie von Goßler:
Jch hatte die Hoffnung gehabt, daß der Herr Abg. Bebel dies-
mal seine Etatsrede über Mißbandlungen nicht halten würde; denn ih glaube, er kann sih“dem Eindruck nicht entziehen, daß diejenigen Thatsachen, die er hiec in früheren Jahren vorgebracht hat, do nit von der Bedeutung gewesen sind, die er ihnea beilegt, und auch aus dem hohen Hause felbst if ihm schon entgegengehalten worden, daß gerihtliße Untersuhungen, wenn man den Thatbestand wirkli klarlegen will, in wenigen Worten niht abzumachen sind. Diese Hoffnung hat \ich jedo nicht bewahrheitet; denn am Dienstag hat er mir einen Zettel zukommen lassen, nah welchem er beabsihtige, etwa zehn verschiedene Details hier zur Sprache zu bringen. Ich habe mich bemüht, das Material zu beschaffen, es ist mir dieses jedoch nicht im vollen Umfang gelungen, da in einzelnen Fällen die Zeit fehlte, die Akten 2c. rechtzeitig herbeizushaffen. Ih kann daher nur auf die Fälle eingehen, über die ih die Beläge erhalten habe.
Wenn ih der Herr Abzeordnete Bebel für verpflichtet hält, hier stets Beshwerden über die Armee vorzubringen, weil über den Vor- gängen der Armee, wie er es nennt, ein geheimnißvoller Schleier läge, so, glaube ih, verkennt er seine Aufgabe. Wir haben durchaus keine Veranlassung, einen Schleier über das zu breiten, was in der Armee geschieht; im Gezentheil, wir sind jederzeit in der Lage nnd bereit, vor aller Welt ofen und ehrlich zu erklären, was in derselben geshieht. Daß in einer so großen Organisation auch Mängel vorhanden sind, kann niemand wundern. Das liegt — ganz abgesehen von der großen Anzahl — in den ver- schiedenen Temperamenten und den Leidenschaften der Menschen, sodaß aus diesem Grunde immer Fälle vorkommen werden, in denen man gezwungen wird, einzuschreiten. Ich hoffe, die Verhandlungen, welche hier von Jahr zu Jahr geführt worden find, werden das hohe Haus davon überzengt haben, daß mit der größten Schärfe und Strenge da eingeshritten wird, wo es nöthig ist. Unser Allerhöhster Kriegsherr bält auf das strengste auf eine solche Behandlung der Leute, daß jeder mit Freuden Soldat wird.
Fh halte mi nun bei der Besprehung der einzelnen Fälle an die Reihenfolge, die der Herr Abg. Bebel in seiner Rede gewählt hat. Da ist zunächst der Fall Kriese. In diesem handelt es sich um keine Mißhandlung, sondern um die B-\trafang eines Reservisten. Ih war im vorigen Jahre nicht in der Lage, die Akten aus Marien- burg zur Stelle zu schaffen. Inzwischen ift dieses geshehen, und bin ih in der Beurtheilung des Falles zu folgendem Ergebniß gekommen. Der Vorfall, der der Verhandlung zu Grunde lag, war o, daß sozial- demokratische Agitatoren, zu denen a uh Kriese gehörte, auf das Land ge- gangen waren, um ihre Anfsithten in den Dörfern zu verbreiten, Flug, blätter auszutheilen u. |. w., und daß die Bauern, die auf eine der- artige Agitation nicht eingehen wollten, die Betreffenden aus dem Dorfe hinauswarfen. Hierbei mag es zu Ausschreitungen gekommen sein. Kurzum, es wurde von einem der Vertriebenen hieraus Ver- anlafsung genommen, eine Klage anzustrengen, bei der Kriese als Zeuge vor das Schöffengeriht Marienburg geladen wurde. Er diente damals gerade als Sanitätsgefreiter . in Danzig. Die Militärbehörde beurlaubte ihn zum Termin, und es i} richtig, daß Kriese, bevor er seine Aussage mate, vereidigt wurde und die Frage, ob er Sozialdemokrat sei, ihm vorgelegt worden ift, nah- dem die Vereidigung stattgefunden hatte. Die Frage beantwortete Kriese mit: „Im Zivil ja!“ Der Militärbehörde war dieser Vor- gang zunächst garnicht bekannt geworden, erft als in einer sozial- demokratishen Königsberger Z?itung ein sehr empfehlender Aufsaß übec denselben erschien, in dem gewissermaßen die Lehre ertheilt wurde, wie man militärishen Anordnungen, die in Betreff der Sozialdemokratie getroffen seien, aus dem Wege gehen könnte, erhielt sie von diesen Einzelheiten Kenntniß, und der kommandierende Ge- neral mußte nun erwägen, was einem derartigen Verhalten gegen- über, welhes doch als rein provokatorisch zu betraten war, ge“ schehen sollte. Er hat, wie das in der Natur der Sache lag, seinen juristishen Beirath befragt, und dieser hat ihn dahin berathen, daß unzweifelhaft eine Verleßung desjenigen Verbots vorläge, nah welHem sozialdemokratishe Aeußerungen und Kundgebungen in der Armee verboten find. (Hört! Hört! und Zurufe bei den Sozial- demokraten.) Ih möchte den Herrn bitten, mich aus\precen zu lassen. Es handelt si nicht um einen Meineid, sondern nur darum, ob der betreffende Zeuge berechtigt war, die Antwort auf diese Frage abzulehnen, und das konnte er; denn es giebt eine Bestimmung der Strafprozeßordnung, nah welher die Beantwortung einer Frage abgelehnt werden fkann,
wenn' eine strafrechtliche Verfolgung die Folge davon sein könnte.
Wenn der Mann feiner einfahen militärischen Pflicht folgte und die Beantwortung dieser Frage ablehnte, so folgte er seiner Instruktion, und es konnte ihm absolut nihts geschehen. Denn der vorsitende Nichtecr hatte über den zur Zeit im aktiven Dienst befindlihen Soldaten keine Strafgewalt. Er hätte sch vielmehr an die Militärbehörde wenden und ihr den Vorfall mittheilen müssen. Daß selbstverständlih die Militärbehörde dem Soldaten bann Recht gegeben hätte, unterliegt für mich keinem Zweifel. Ich fann also dem kommanktierenden General nur Recht geben, daß er auf die Durchführung einer Allerboch#| gegebenen In- ftruktion unbedingt hält und von dem aktiven Soldaten verlangt, daß, wenn eine Frage an ihn gerihtet wird, welche dieser Instruktion widersvriht, er die Antwort verweigert. Von seiten des komman- dierenden Generals iff auch eingehend hierüber an Seine Majestät berihtet worden. Ich kann nur wiederholen, ih habe niht gefunden, daß den juristishen Ausführungen, die das General-Kommando ge- Icitet haben, in der Weise widersproGen werden könnte, um die Strafe von 14 Tagen Arrest aufzuheben. Ich für mine Person stimme dem kommandierenden General, wie gesagt, in feinen Anord- nungen vollständig zu.
Der Herr Abg. Bebel is dann auf den Fall Hochheim über- gegangen, der Landwirth und Oberleutnant der Reserve if, wie der Herr Abgeordnete besonders betonte. Ih habe nicht gefunden, daß bei der ganzen Angelegenheit dieser Umftand besonders in Frage käme- Es bandelt ih einfach um einen Streit auf dem Gebiete der Land- wirthschaft, der auf dem Felde stattfand. Gegen Hcchheim konnte bieber militäriserseits nicht vorgegangen werden, weil gegen das Urtheil des Zivilgerih1s Berufung eingelegt worden ist, und ehrens- gerihtlih erst eingeshritten werden kann, wenn das Verfahren end-
gültig seinen Ab1chluß gefunden hat. Doß gegen den Genannten ein geschritten werden wird, das unterliegt natürli keinem Zweifel. Die Offiziere des Infanterie-Regiments Nr. 20, die fh in Wittenberg vérgangen hábên sollten, find nämenlós geblieben. Jy möchte die Namen gleichfalls niht nennen, und zwar um so weniger
als ih keine Kenntniß der Vorgänge habe und daher zunägst
bezweifle, daß sich die Sache so zugetragen hat, wie fie dem Herrn Abg. Bebel von anderer Seite mitgetheilt worden if. Würde er mir die, Briefe, die er bekommen hat, anvertrauen so bin ih bereit, dem General - Kommando anheimzustellen. die Verfolgung der Sache aufzunehmen. Wenn der Herr Abg. Bebel aber aus dem Vorgang geschloffen hat, daß es in der Armee gewissermaßen Sitte geworden fei, daß die älteren Mannschaften die jüngeren s{chlecht behandeln, so habe ih mich darüber im vorigen Jahre hon verbreitet. Es ist das eine Grsheinung der zweijährigen Diénstzeit. (Bewegung links.) Da der dritte Jahrgang fehlt, stehen sih die beiden Jahrgänge thatsächlich wie zwei Schul- klassen gegenüber, wo die älteren Schüler gegen die tüngeren ch Ausschreitungen erlauben. Daß das von oben befördert wird, wird meinerseits nicht angenommen; ih kann es nicht glauben, und wenn mir niht Beweise dafür beschafft werden, lehne ih es ab, dieser Sache näherzutreten. -
F bin auch nit orientiert über den Fall Knauf. Auch da find mir die Akten noch nicht zugegangen. Es i} das derje nige Train- wachtmeister, welher in Spandau jeden Abend Appell abgehalten haben und einem Manne gerathen haben soll, sih aufzuhängen. Die Sache klingt an sih so unwahrscheinlich, daß ih, ohne das Material zu haben, hierzu niht Stellung nehmen kann. Jedenfalls ift die Be- hauptung des Herrn Abg. Bebel, daß Zeugen vernommen sein sollen, die nihts gesehen haben, während Zeugen, die etwas hätten aussagen können, niht vernommen worden wären, wenig wahrscheinlich. Da kennt er unser Gerihtsverfahren doch außerordentlich \{chlecht! Es ift einfa unmöglich, daß ein derartiger Zustand geduldet würde.
Der nächste Fall betrifft einen gewissen Winkels in Mey. Nah den Ausführungen des Herrn Bebel soll der Mann infolge von Miß- handlungen gestorben sein. In diesem Falle liegen mir die Akten vor. Es ift rihtig, daß der Muéketier Winkels, der als s{chlechter Schüße mit anderen zusammen nahzielen sollte, bei dem Nachzielen auh Gewehrübungen machen mußte. Nicht richtig ist aber, daß er hierbei besonders angestrengt worden wäre; denn hon bei diesen Ziel- und Gewehrübungen hat ih ergeben, daß er ein Geshwür unter dem linken Arm hatte. Bei der Krankmeldung des Mannes stellte sch beraus, daß er an einer Vereiterung der Drüsen unter der linken Achselhöhle und an Lungenentzündung litt, — beides tiefgehende Leiden, die mit den Ziel- und Gewehrübungen in keinem Zusammenhang standen. Infolge der sofort eingeleitetea kriegsgerihtlihen Untersuhung ift übrigens“ der Unteroffizier, der die Gemeinen die Gewehrübungen hat ausführen lassen, obwohl nur Ziel- übungen angeordnet waren, bestraft worden, ebenso der Vorgeseßte, der die Aufsicht führte, und endlich auch noch der Feldwebel, weil nah Ansicht des Kriegsgerihts der betreffende Musketier Winkels einen Tag zu spät ins Lazareth gekommen ist, was man dem Feld- webel zum Vorwurf gemaht hat. Daß eine Mißhandlung vorge- kommen sein sollte, ift aus den kriegsgerihtlihen Akten in keiner Weise zu ersehen.
Weitere vom Herrn Abg. Bebel noh angeführte Fälle sind um so \hwieriger zu beurtheilen, als nit angegeben worden if, wo, das heißt, bei welhem Truppentheil sie stattgefunden haben. Er hat Sergeanten erwähnt, die {chlechte Schüßen beim Schießen geprügelt haben. Ic halte das für eine fo \chlechte Vorbereitung zum Schießen, daß ih die Sache eigentli mehr als einen {lechten Scherz be- traten möchte, da doch stets Aufsicht beim scharfen Schießen ftatt- findet.
Auch über den Vorgang beim Regiment Nr. 21 in Thorn find nähere Details niht angegeben worden. Will er mir die Anzeige über- mitteln, so bin ih bereit, sie der zuständigen Stelle zuzusenden.
Der Gedanke, daß die Selbstmorde in der Armee infolge \{lechter Behandlung wesentlich zugenommen hätten, ist niht richtig, Die Selbstmeorde verringern si, Gott sei Dank, fortwährend und betragen jeßt ungefähr die Hälfte nah der Prozentzahl im Jahre 1891, näw- lih drei auf 10 000 Köpfe, während es 1891 noH 95,33 waren. (Hört! bört! rets.)
Im Falle des Musketiers Roehl, der beim Weißen der Kaserne verunglückte, ist der Abg. Bebel viel zu weit gegangen, wenn er an- genommen hat, daß er während seiner Dienstzeit dauernd mit Arbeiten seines Berufs beschäftigt worden wäre. Es handelt {sich hier ledigli um das Auweißen der Kaserne; ein solches findet alle drei Jahre einmal ftatt, Es ist nämli den Truppentheilen gestattet, zur Vereinfachung der Vet waltung, zur Erzielung von Ersparnissen, die dann zum Besten der Soldaten verwendet werden sollen, das Weißen der Kasernen dur Mann? schaften ausführen zu lassen. Eigene Utensilien hat der Mann nit zu verwenden brauchen, er hat fi aber, troydem ihm dieselben geftellt worden sind, von seinem Arbeitsgeräth, an das er gewöhnt war, dur seine Eltern verschiedene Stüde \chicken lassen. Leider ift Roehl dann bei der Arbeit von einem Gerüst, das er \sich in verbotener Weise unvorsichtig zusammengestellt hatte, gefallen und hierbei verunglüdt- Ein Verschulden is niemandem beizumessen.
In einem sclhen Falle würden übrigens die Bestimmungen des Invalidengesezes in Kast zu treten haben, da es fich um eine Kommandierung zu dienstlihen Zwecken handelte. Wenn der Vater darüber Klage geführt hat, daß er zu wenig Geld bekommen habe, so möchte ich nur erwähnen, daß das Regiment thatsächlich den Tranéport der Leiche nah Berlin, den Zinksarg und die Kosten ter Verbringung der Leide vom Bahnhof nah tem Friedhof in Höhe von 60 Lestritten hat, während der Vater Rcebl 156.20 4 fordert. Dieses is} die Differenz. Das Regiment hatte es abgelehnt, den Rest von 96,20 4 zu zahlen, weil es glaubte, daß tie gezahlten Beträge dem thatsählihen Bedürfnisse entsprächen. i
Nun komme ih zum Fall Koh. Der Herr Vorredner hat dit Behauptung auêgesprochen, daß dieser Mann von seinen Kameraden mißhandelt worden wäre, weil er als Gärtner von seinen Vorgeseßten begünstigt rourde. Dies geht aus den Akten nit hervor. Der Streit hat sich vielmehr darum gedreht, wer den Korridor fegen müßte: Die Leute, die aus diesem Anlaß den Koch mißhandelt haben, find, entsprechend der bei dem Vorgang zu Tagé getretenen Robheit, sehr strenge bestraft worden, und zwar der Anstifter, ein gewisser Bonhoff, der ror dem Eintritt ch0" eine Gefängnißstrafe von 18 Monaten wegen Vornahme unzüchtige*
Handlungen mit Personen unter 14 Jahren erlitten hatte und nah dem Dienstantritt wegen Unterschlagung gegenüber- einem Kameraden mit 14 Tagen Arrest und Verseßung in die zweite Klasse des Sol- datenstandes bestraft worden war, mit 1 Jahr Gefängniß wegen Nöthigung und gefährliher Körperverlegung, der Andere, ber si von Bonhoff hatte verleiten lassen, mit 6 Monaten Gefängniß,
Daß in Rostok Soldaten als Wärter für eine Hunde- Ausstellung gestellt worden wären, is mir unbekannt; ih bezweifle es übrigens, stehe aber nit an, zu erklären, daß ih eine derartíge Verwendung als durchaus dienstwidrig erahten und bereit sein würde, das Ent- sprehende zu veranlassen.
Der Vorgang in Göttingen, wo beim Bundes-Sängerfest einige Soldaten Kellnerdienste verrihtet haben follen, ift zutreffend. Als nämli das Festdiner spät Abends {stattfinden sollte, \trikten plößlich die Kellner. Der Festaus\chuß hatte ihnen 6 4 für den Abend ge- boten, fie forderten aber 7,50 oder 10 M4 und das Einkassieren von Trinkgeldern von den Gästen. Infolge dessen trat eine große Ver- legenheit ‘ein, sodaß sh das dortige Regiment bereit fiaden ließ, 30 Mann zu stellen, die am Abend des zweiten Festtages das Essen zugetragen haben. Fn das Festzelt sind sie niht hineingekbommen, sie haben vielmehr nur Aushilfsdienfte verrihtet. Dem Regiment ift später bemerklih gemaht worden, daß das. Verfahren unberechtigt sei.
Der Herr Abgeordnete is dann auf die Duelle übergegangen und hat in den hierüber bestehenden Bestimmungen einen Widerspruch ge- funden gegenüber der Strafgesezgebung. Ih habe \chon früher erwähnt, daß die Einführung der Verordnung über die Ehren- gerihte auf der Reichs-Verfassung beruht, daß also auch bei Stiftung des Deutschen Reichs die Verordnung über die Ehrengerichte, die der Herr Abg. Bebel hier angegriffen hat, eine grundlegende Bestimmung für das Deutsche Reih ge- worden is, und daß nah dieser Verordnung bis heute ver- fahren wird, mit dem Unterschiede, daß die Bestimmungen, zur Vermeidung des Duells inzwischen wesentlich schärfer ge- worden sind. Die Duelle haben denn auch thatsählich abgenommen. So haben im Jahre 1899 nur 4 Duelle zwishen aktiven Offizieren stattgefunden. Außerdem waren noch in 3 anderen Fällen aktive Offiziere an solchen betheiligt, und zwar in 2 Fällen gegen Zivil- personen, in einem gegen einen Offizier einer fremden Armee. Jh meine denn do, wenn im Ganzen nur 4 Duelle zwischen Offizieren vorgekommea sind, so ist das ein Zeichen, daß die Allerhöchsten Ver- ordnungen befolgt werden und eine gute Wirkung äußern.
Wenn der Herr Abg. Bebel den Offizieren das Ehrgefühl
absprehen will und in diefer Hinsicht behauptet, daß ein militärisches Ehrgefühl nicht bestände, fo kann ih das nur aus seiner vollständigen Unkenntniß der militärishen Verhältnisse erklären. (Sehr richtig !) Mit einem Offizierkorps ohne Ehrgefühl wäre überhaupt nihts zu machen; es wäre dann besser, es existierte überhaupt nicht. “Menn ferner der Herr Abg. Bebel uns die Burenoffiziere zum Muster aufstellt, so bin ich weit entfernt, gegen die Burenoffiziere irgend etwas Nachtheiliges zu äußern ; ih möhte aber Her:n Bebel do nit rathen, einen Burenoffizier zu ohrfeigen, der würde einfa den Revolver nehmen und ihn niederschießen." (Heiterkeit.) Die Zwei- fämpfe sind historisch daraus zu erklären, daß man aus einfachen Konflikten entstehenden Todtshlag vermeiden wollte, fie beruhen auf alten Ueberlieferungen der Gerihte und Kirchen. Um, wie gesagt, ¿u vermeiden, daß sofort zu Dolch oder Pistole gegriffen werde, hat man die Zweikämpfe als mildere Form anstatt der auf der Stelle geübten Rache eingeführt. Ih kann nur dabei bleiben, was ich immer gesagt habe: die Menschen sollten die nöthige Rücksicht gegen einander nehmen und die der einzelnen Persönlichkeit gezogenen Sgranken beobachten, dann korrigiert fih das von selbst.
Auf das Duell Klövekorn-Döring brauche ih als bekannt nicht näher einzugehen. Ich meine aber, wenn man geohrfeigt wird, so ist das eine solhe Beleidigung, daß ih nicht weiß, wie man aus eincr derartigen Situation anders herauskommen soll, als daß man sein Leben für seine Ehre einseßt. (Bravo! rets. Zurufe links.)
Wenn Herr Bebel sagt, der Leutnant Döring babe unehrenhaft gehandelt, indem er das Duell fortfeßte, obgleich Klövekorn so gut wie kampfunfähig war, so ist das unrichtig. Die Verwundung war ganz leiht, ein ganz leiter Streifshuß am reten Unterschenkel, der der Kampffähigkeit keinen Eintrag that.
Ueber das Potsdamer Duell brauche ih mih nicht weiter aus- zulassen. Ein Streit zwishen zwei Fähnrichen, der mit Schlägern ausgetragen wirb, ift kein Duell. (Sehr gut! rechts.)
Der Vorwurf des Herrn Bebel gegen die Armee, ihre Ehr- begriffe seien nicht rihtig, ist von ihm niht zu rechtfertigen. Wenn er sein eigenes Buch „Der Sozialismus und die Frau“ zur Hand nimmt, so wird er si überzeugen, daß er von der Ehre garnihts hält (große Heiterkeit rechts), nach ihm soll ja das Geschlechtsleben hier auf Erden gaaz frei, die Che das größte Unrecht sein, welches ein Mensch begehen kann. (Ah! bei den Sozialdemokraten.) Wenn Herr Bebel etwa darauf eingehen wollte — ih bin sehr bereit, zu antworten. (Zurufe links.) Jh glaube, Herr Bebel if am wenigsten berechtigt, der Armee in dieser Beziehung irgend welche Vorwürfe zu machen.
Was die noch in den Kreis der Erörterung gezogene Beerdigung in Münghen anlangt, so war das Gefühl, welches die Zuhörenden beseelte, insofern ein richtige8s, als man einem Todten niht gern noch Vorwürfe maht; am Sarge vergißt man gern, was der Betreffende im Leben gethan. Aus diesew Gefühl hat der betreffende Offizier gesproen. Wenn er dabei über die Grenzen hinausgegangen ift, so ist das rektifiziert worden.
Endlich ist der Herr Vorredner auf den Klub der Harmlosen ge: kommen. Ec hat mir aus meiner vorjährigen Bemerkung, aktive Offiziere seiea hierbei nicht betheiligt, den Vorwurf gemacht, ih wäre über den Klub nit orientiert. Nun, das ift do sehr einfa; ich pflege niht anzuklagen, ehe ih nicht sicher informiert bin, nenne keine Namen, wenn ich nit für das, was ih sage, eintreten kann. (Sehr gut! rechts.) Daß ih für meine Perfon diesem Klub nicht angehöôre und so auch niht weiß, wer ihm angehört, versteht sich von selbst. Ich warte also ruhig das Nesultat der Untersuchung ab und bin aus viesem Anlaß in keiner Weise bereit, den Ausspruch des Herru Bebel etwa ruhig hinzunehmen, daß wir den Mantel der christ- lichen Liebe darüber decken und die Sace vertuschen wollten. Ich glaube, mit einer größeren Schärfe als in diesem Prozeß ist niemals von oben eingegriffen worden. Ich bin in Berlin relativ bekannt, ih kenne aber die Reihe von vornehmen Familien nit, di- am Klub der „Harmlosen“ betheiligt sind. Daß die vornehme Gesellschaft, wenn ih es so nennen
darf, in derartigen Lokalen verkehrt, is ein Jrrihum, den ih von Herrn Bebel nicht begreife. Er hat behauptet, die ganze vornehme Welt von Berlin wäre durch diesen Pcozeß in Mitleidenschaft ge- zogen. Diesen Eindruck habe ih niht. Es haadelt sich hier um leihtsinnige Leute, die bestraft worden und aus der Armee aus- geschieden sind.
Die Schäßung der geistigen Thätigkeit unserer Offiziere ift nah dem Herra Vorredner eine sehr geringe; er spriht von einer geiftigen Oede in den Kasernen. Auch da kann ih nur sagen, er kennt unseren Dienst niht. Daß von unseren Offizieren geistig viel verlangt wird, daß die Anforderungen ih alle Jahre steigern, ist für den, der den Dienst und die Armee kennt, ganz unzweifelhaft. Der Nath, unsere Offiziere so zu erziehen, daß man sie mit den Versuchung-n der Großstadt sehr bald bekannt macht, ift pädagogisch niht zu rechtfertigen. Wir können unsere Offiziere nur so erziehen, daß sie die nöthige Charafte: stärke erlangen, und wenn sie die besigen, können sie sich ja den Versuhungen aussezen. Wir haben einen ganz anderen Schluß aus jenen Vorfällen ge- zogen und sind Seiner Majestät hierfür fehr dankbar — wir {ließen daraus, daß wir die Bildung der Offiziere erhöhen, den Unterricht in den Kadettenanstalten noch auf eine höhere Stufe bringen und möglihst die Aaforderungen im Offiziersexamen so tellen müssen, daß wir carakterfeste Leute bekommen. Dann bietet man der Armee viel mehr, als wenn man ihr die Erziehungsprinzipien des Herrn Bebel auferlegen will. Den Eindruck, daß es in der Armee Uebermenschen gebe, habe ih nie gehabt. Das mag in anderen Ständen der Fall sein. Daß aber ein Mann, der die Uniform anzieht, sih als U-bermensch be- trahtet, beruht ledigli in der Phantasie.
h bleibe dabei, sämmtlihe Fälle, die Herr Abgeordneter Bebel in seiner langen Rede angeführt hat, sind von keiner großen Be- deutung gewesen. (Sehr richtig! rechts.) Es ift s{hwer, genügendes Material zu sammeln, um eine so lange Rede ihrem SInhalte nah auszufüllen. (Beifall rechts.)
Sächsischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Major Krug von Nidda: Ueber den aus Oschay erwähnten Fall tritt das Krieasgericht erst am 28, d. M. zusammen. Ich bin deshalb nicht in der Lage, schon jeyt eine Mittheilung zu machen, behalte mir das vielmehr für einen späteren Zeitpunkt vor.
Abg. Graßmann (nl.) erklärt, er könne ih bezügli@ des 5 Falles den Ausführungen des Kriegs - Ministers nicht anschließen.
Abg. Gröber (Zentr.): Ih bin ebenfalls nicht in der Lage, dem Kriegs-Minister beipfl'chten zu können. Hätte der Kriese seine Aussage verweigert, fo wäre er wegen verweigerter Aussage ebenso straffällig gewesen. Voriges Jahr hat der Kriegs-Minister noch aus- drüdcklich erklärt: „Wäre der Mann unter Eid genommen worden, fo bätte er niht in Strafe genommen werden können.“ FIegt ist er ent- gegengesezter Meinung, nachdem er sein richtiges, gutes, niht durch einen juristishen Beirath getrübtes Urtheil hat fälshen lassen. Jch bitte thn dringend, an seiner früheren, rihtigen Ansicht festzuhalten. E Rd wird dann die Saz wohl in unserem Sinne er- edigt sein.
Kriegs-Minister, General der Jnfanterie von Goßler:
Fch bin durchaus bereit, immer dem gesunden Menschenverstand Rechnung zu tragen, und denke, daß die Sache dadur erledigt wird, daß vom 1. Oktober ab ein Reichs-Militärgeriht bestehen wird, dem die Entscheidung derartiger Fragen, welche die Aus- legung der Gesche betreffen, reserviert i. Bei der Sache ist mir das Eine aber noch sehr zweifelhaft, ob der betreffende Richter berechtigt ist, eine derartige Frage vorzulegen. (Zuruf.) Ich bestreite das. Der Richter kann meines Grahtens die politische Gesinnung in dem Augenblick der Verhandlung nicht feststellen wollen, er kann nut feststellen, wie bei der Begehung der betreffenden That die politische Gesinnung des Angeschuldigten gewesen ist. Hätte ex diesen Weg verfolgt, so wäre die ganze Sache überhaupt niht zum Austrag ge- kommen.
Abg. Gröber: Dzm gegenüber möhte ih doch das Recht des Richters wabren, nah der politishen Ueberzeugung zu fragen, weil e darauf sehc viel hinsihtlih der Glaubwürdigkeit des Zeugen an- ommt. - Abg. Dasbach lZentr.): Aus den Aeußerunaena des Kriegs- Ministers über die Duelle geht doch hervor, daß die Verhand- lungen des Reichstages über diese Frage bei ihm nicht die von uns erwartete Wirkung gehabt haben. Im Falle Klövekorn soll eine nur durch das Duell zu sühnende Beleidigung \hwerster Art ftattgefunden haben. Hätte der Leutnant auf dem Tanzboden nicht zu dem Wortwechsel Veranlassung gegeben, . so wäre ein hoffnungsvolles Leben erhalten geblieben. Und wegen folher Bagatele mußten nah der Ansiht des Ehrenraths so \chwere Bedingungen vorgeschrieben und eingehalten werden! Auch die Ver- wundung genügte niht zur Reparatur der beleidigten Ehre; es mußte bis zur völligen Kamwpfunfäbigkeit fortgeshossen werden. Das war eine einfahe Barbarei, ein Mord, nichts Anderes. Das Ehrgefühl fordert doch, daß man, wenn man cinen Fehler begangen hat, das einsieht und um Entschuldigung bittet. Hier aber wird der Ehrenrath mit ter Bagatelle befaßt und schreibt Bedingungen vor, welhe so {wer sind, daß man die Entrüstung des Publikums dagegen durch eine Notiz in der Zeitung zu beschwichtigen Veranlassung nahm. Redner geht dann auf weitere Duellfälle ein und erwähnt unter anderen dasjenige des Prinzen von Siam, welches sogar im Beisein der direkten Vorgeseßten in RN stattgefunden habe. Dem Duellzwange könnten ih die Offiziere- Aspiranten nicht entziehen; sogar die Gerichte nähmen darauf als auf einen mildernden Umstand Rücksicht. Das werde niht anders werden, und niht früher werde Besserung zu hoffen sein, bis der oberste Kriegsherr das Duell überhaupt verbiete. Wenn Leutnant Döring schon nah einem halben Jahre begnadigt worden fei, so werde damit die Wirkung der Strafe aufgehoben. Der Kriegs-Minister soute seinen Einfluß bei dem obersten Kriegsherrn dahin aufbieten, diesem cine andere Meinung über das Duellwesen beizubringen. Wenn auch die Zabl der Duelle h vermindert have, ein einziger Fall wie der von Koblenz wirke ungeheuer erregend auf tas Volk, da er ihm zeige, daß man im Deutschen Reich einen Mord ungestraft begehen könne, denn das halbe Fahr Festung sei keine Strafe. Die Armee würde tüchtiger werden, wenn diesem Unfug ein Ende bereitet würde.
Kriegs-Minister, General der Jnfanterie von Goßler:
F kann dem Herrn Vorredner darin nicht Recht geben, daß er die Anlässe zu diesen Duellen, die er beleuhtet hat — ih meine namentlich das in Koblenz —, für geringfügig hält. Ih denke, wenn jemand geohrfeigt wird, so ift das keine geringfügige Handlung. (Sehr richtig! rets.) Wie kann man die Ehre eines Anderen \{chwerer angreifen, als wenn man ihn ins Gesiht {lägt! Unter Offizieren wäre vielleicht noch ein anderer Ausweg gewefen, - obgleih er bei derartigen thätlihen Beleidigungen sehr shwierig ist. Aber bei einem Streit mit einer Zivilperson — finde ih — bleibt kein anderer Ausweg als der, roelher gewählt worden ift.
Wenn der Herr Abgeordnete den Studiosus Klövekorn fo er-
hoben hat, so kann ih dem nicht zustimmen. Ih habe fehr ein- gehende Berichte darüber bekommen, aber ih möchte davon Abstand nehmen, sie mitzutheilen, weil ih das Andenken eines Todten nit herabwürdigen will, was ih sonst thun müßte.
Von den Duellen im Grunewald weiß ih nihts. Ich habe in Zeitungen auch davon gelesen, bestätigt haben sich die Nachrichten aber nicht. Was für ein Miniftersohn (Zuruf in der Mitte) —, oder Sohn eines Generals gemeint sein könnte, davon habe ih keine Vor- tellung.
Auch das Duell in Potsdam soll eine geringfügige Ursache gehabt haben. Es handelt si da ebenfalls um einen thätlihen Angriff, und deshalb ift unter den jungen Leuten, wie es Sitte ift, mit der Waffe, mit der si: au8gebildet werden, dieser Ghrenhandel ausgetragen worden.
Die Verordnung, die der Herr Abgeordnete vorgelesen hat — aus dem Jahre 1713, glaube ih — s\pricht au von Strafen für das Duell. Weil damals die Strafen überhaupt barbarisher waren, versteht es sih von selbst, daß dementsprechend die Verordnung gestaltet ift. Jedes Duell wird jeßt nah dem Geseßze bestraft ; das deutsche Strafgeseßbuh hat dafür ganz bestimmte Strafen. Ich verstehe also die Bezugnahme in dieser Hinsicht niht ganz.
Was die Begnadigung anbelangt, so ift sie allein Sache Seiner Majestät, und ich werde Seiner Majestät keine Lehren unterbreiten, wie Er Sein Begnadigungsrecht autüben folle. Im übrigen kann ih nur sagen, daß das Begnadigungsreht von Seiner Majestät in einem so umfassenden Maße auh gegenüber anderen Personen des Soldatenstandes, z. B. Unteroffizieren und Gemeinen gebrauht wird. Wir köanen Ihm wieklich nur sehr dankbar sein, daß Er diese gütige Gesinnung im vollen Umfange gegen jeden zum Ausdruck bringt.
Das Duell als Mord zu bezeichnen, is meines Erachtens, fo zu sagen, eine Redensart, denn das Strafgesezbuch macht zwischen beiden Strafthaten einen Unterschied; und zu empfehlen, in der Leidenschaft einem Anderen das Messer in die Bruft zu stoßen, statt unter bestimmten, doch immerhin vorsichtigen Formen die Sache zum Austrag zu bringen, das, meine ih, is nicht richtig. Man kann unmöglich ein Offizierkorps oder eine Bevölkerung damit bessern wollen, daß, wenn zwei sih streiten, sie si das Mefser in die Brust rennen sollen. Dann bin ih de mehr dafür, den Weg zu gehen, den wir gegangen find, nämli bei Streitigkeiten zunächst die Sache ruhig zu erwägen, und so, dem Willen Seiner Majestät entsprechend, fast alle Streitigkeiten ina Güte zum Ausdruck zu bringen.
Abg. Dasbah: Wenn der Offizier wegen der Beleidigung, die er den andern zugefügt hat, eine Ohrfeige bekommt, fo hat er fie einfa verdient. Wenn ein Ehrenrath bestimmt, es muß gekämpft werden bis zur völligen Kampfunfähigkeit, so ist das eine barbarische U es wird ein Mord angeordnet (Vize-Präsident Dr. von
cege: Der Redner wird einem deutshen Gericht nasagen, es unterstüßze einen Mord. Ih rufe ihn dafür zur Ordnung.) Ih \sprach von dem Ehrenrath. (Vize-Präsident Dr. von Freie Cn diesem Falle vertritt der Ehrenrath das Ehrengeriht; ih bleibe bei meiner Er- klärung) Die fortwährenden Begnadigungen müssen das Rechts bewußtsein ershüttern. Die Gegner sollen h beide überlegen, ob nicht ein anderer Ausweg gefunden werden kann.
Kriegs-Minister, General der Jnfanterie von Goßler:
Ich will die Diskussion über die Duellfrage nicht verlängern und möchte nur thatsählich eine Angabe des Herrn Vorredners berihtigen. Der Ehrenrath in Koblenz hat das Duell niht festgeseßt, davon kann keine Rede sein, sondern die betreffenden Parteien haben das Duell unter si vereinbart. Es ist also nit richtig, daß, wie er sih ausdrüdckte, eine Gerihtsbehörde das Duell in dieser Form fest- geseßt habe.
Abg. Bebel erklärt, er habe dem Kriegs-Minifter nicht einen Zettel, sondern in aller Form einen Brief geshrieben. Der Brief fange an mit „Eure Excellenz“ und beovahte alle Formen. Wenn je in einem Falle die Kriegsverwaltung Unrecht gehabt habe, so sei es im Falle Kriese; das ganze Berhalten des Kriegs-Ministers zeige, daß er lediglih bemüht sei, seine Verwaltung vor diesem Vor- wurf des Unrechts zu s{üßen. In den Fällen, wo er (Redner) die Namen und die Zeugen genannt habe, verlange er Unter- suhung; durch die Nennung der Truppentheile habe er die eren die es angehe, warnen wollen. Den Vater des erwähnten Malers, dabei bleibe er, habe man nicht anständig behandelt. Die Ehrengerichte sollten Streitigkeiten \{lichten, aber nicht die Offiziere zwingen, auf ein Duell einzugehen Die Sozialdemokraten bekämpften übers haupt die Ausnahmestellung, welche di? Offiziere im Staat einnehmen wollten. Jeder Andere, und wäre es auch der Reichékanzler, müßte sih in Beleidigungsfèagen dem Geseß fügen und sich an die ordent- lihen Gerihte wenden. Für die Offiziere sei dies verpönt. Und dieser Zustand sollte in einem Nechtsstaat nicht weiter bestehen, Der Gegner des Leutnants Döring wäre vor einem Zivil- geriht, weil er provoziert gewesen sei, mit der geringsten Straj}e be- legt worden. Daß man das Duell erzwungen, fei barbarish geroesen. Redner kommt dann nohmals auf den Fall in München zu sprechen, N auf die Betheiligung aktiver Offiziere am „Klub der Harm- osen“. Mit Bezug auf sein Buch „Dec Sgzialismus und die Frau“ erklärt Redner fi bereit, mit dem Kriegs-Minister weiter disputieren zu wollen, wenn dieser es erst wirkli gelesen haben werde.
Kriegs-Minister, General der Jnfanterie von Goßler:
Zuerst möchte ih dem Herrn Abg. Bebel darin vollkommen Recht geben, daß er an mich einen Brief geschrieben hat, an dessen Form i durchaus nichts auszusezen habe; wenn ih das Wort Zeitel ge- braucht habe, so bezog fich bas nur auf die Aufreihung der verschie- denen Details, die von ihm angeführt sind. Es hat in meiner Aus- druck3weise durhaus niht irgend ein Vorwurf liegen sollen, das konstatiere ih ausdrülich.
Daß ih in Betreff des Reservisten Kriese zu einer anderen Stellung gekommen bin als damals, als ih nicht informiert war, gebe ih ohne weiteres zu. Wenn aber in etnem Immedtatbericht des fommandierenden Generals, der mir fpäter zugegangen ist, von seinem juristishen Beirath auseinandergeseßt wird, auf Grund welcher geseßz- lihen Bestimmungea und Vorschriften der Strafprozeßordnung er so verfahren wäre, und wenn von anderen Juristen dem beigetreten wird, fo ist der Kriegs-Minister nicht in der Lage, seine Meinung dem gegenüber aufrecht zu erhalten. Ih bin verpflichtet, cinem besser be- rathenden Juristea zu folgen. Daß man dabei zwei verschiedene An- sichten haben kann, gestehe ih zu, und darum glaube ih, ist es sehr erwünscht, daß demnähst das Reichs-Militärgericht derartige Fragen [lôsen kann.
Wenn der Abg, Bebel vershiedene Fälle von Mißhandlungen und sonftigea Ungehörigkeiten angeführt hat und mir dann überläßt, aus dem stenographischen Bericht die Konsequenzen zu ziehen und eine Untersuhung mögli in die Wege zu leiten, so kann ih ja das natürli thun, indem ih das Material der betreffenden Stelle zugänglich mache. Allerdings wäre es mir wesentlich lieber, wenn derjenige, der