1900 / 68 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 17 Mar 1900 18:00:01 GMT) scan diff

E I B I E E S T T E Ae C : B p E Le E E A E S E E

Deutscher Reichstag. 169. Sizung vom 16. März 1900, 1 Uhr.

Tagesordnung: Fortsezung der dritten Berathung des Geseyzentwurfs, betreffend Aenderungen und Er- Sg des rata buchs. eber den Anfang der Sißung wurde in der gestrigen Nummer d. Bl. bereits berichtet. Da gestern durch die Age des Hauses keine Gelegenheit gegeben war, R iche Bemerkungen zu machen, so gestattet der Präsident Graf von Ballestrem, diese persönlichen Bemerkungen heute zu machen.

Aba. Stoedcker (b k. F.): Der Abg. Müller-Meiningen hat in seiner bekannten Weise gesagt, id hätte am ersten Tage eine Kapuzinade gehalten. Aus seinem Munde beleidigt mih das nit; ih shiebe das auf einen Mangel an Urtheilskraft. Er hat meine Bemerkung von der bunten Gefellshaft #o aufgefaßt, als hätte ih damit die Künstlergesellshaft beleidigen wollen. Das lag mir fern. JIch habe ausdrücklich erklärt, daß ich nit beabsichtige, die Leute, die ih im Auge hätte, mit den- jenigen, die im öffentlihen Leben ein fsittlihes Urtheil zu fällen berechtigt seien, zusammenzuwerfen. Männer wie Paul Lindau, een Paulsen, der Verfasser des „Dritten Geschlehts“ und der Verfasser von „Hannele“ sind eine bunte Gesellichaft, Es ift mir nicht im Traume eingefallen dem Künstler- und Gelehrten- thum Moral absprechen zu wollen. Jw habe nur gesagt: der Maß- stab, den wir an die Dinge anlegen, ift nit derj:nige der Künstler und Gelehrtenmoral. Ih habe die christlihe Moral im Sinne gehabt. Wenn Herrn Müller - Meiningen der Ausdruck von den „\chlauen Teufeln“ mißfallen hat und er gemeint hat, auch unter diesen Bestrebungen |ei eine Masse von Intelligenz. so habe i darauf erwidert, daß die Intelligenz keinen Makftab zur Be- urtheilung dieser Dinge bildet, weil es auch eine teuflishe Intelligenz giebt; solher „schlauen Teufel“ giebt es in Deutschland genug. Der

- Ausdruck bezog ih nicht auf die Liste der Unterzeichner, sondern er war ein allgemeines Charafkteristikum. Wenn Herr Müller meint, ich würde mit Hohn, Spott und Satire später überschüttet werden, so fürchte ih mih ntcht davor, selbst wenn „schlaue Teufel“ dabei wären. Im allgemeinen gestehe ih dem Abg. Müller gern zu, daß er zu den „shlauen Teufeln“ nicht aehört.

Abg. Schrempf (d. konf.): Wenn der Abg. Müller-Meiningen mir vorgeworfen hat, ih hätte ein Wort gebraucht, das er oöhstens außerhalb des Hauses wiederholen könnte, so erwidere ih darauf: wir haben Tage lang über die Prostttution und alles, was drum und dran hängt, debattiert, und wenn ich der Sache einen deutshen Namen bei- gelegt habe und man Anstoß daran geaommen hat, so liegt das nit an dem Wort, sondern an der Sache, mit der wir es hier zu thun haben, Die deutsche Sprache ist man&mal etwas grob ... (Präsident Graf von Ballestrem: Das ift keine perfönlihe Bemerkung; wir haben es hier nicht mit der deutshen Sprache zu thun!) Wenn er ferner darauf hingewiesen hat, es hätten sih verschiedene Damen aus dem Hause entfernt . . . (Präsident Graf yon Ballestrem: Das ift wieder keine persörlihe Bemerkung, wir haben es hier nicht mit Damen, sondern mit Abgeordneten zu thun.) Herr Müller ift ja ein Freund des Nackten, dann möge er auch die nackte Wahrheit ver- i 9 N iGe Graf von Ballestrem: Auch das is nicht persönlich.

Abg. Roeren (Zentr.): Der Kollege Müller hat sich gestern mit meinen Ausführungen beschäftig*, die ih vor fünf Wochen bei der zweiten Lesung gethan habe. Wenn er so fünf Wochen Zeit gehabt hatte, ih vorzubereiten, dann bätte ih annehmen können, daß meine Bemerkungen wenigstens rihtig vorgetragen würden. Wenn jemard folhe Unrichtigkeiten und Entstellungen vorbringt, dann wird es einem schwer, bei einem ar.dern, als bei dem Abg. Müller-Meiningen, eine bona fides anzunchmen. ITch könnte mih darauf beschränken, einfach mein Stenogramm vorzulesen, wenn es sch um ein gewöhn- liches koordiniertes Mitglied handelte. Da er aber nah feiner da- maligen, auf der Berliner Versammlung abgegebenen Erklärung das einzige Mitglied hier im Neichstage ist, ... (Präsident Graf von Ballestrem bittet den Redner, nicht von der Sache ab¡ushweifen) so muß ih mit Rücksicht auf die besonderen Qualitäten des Herrn Müller Einiges vorbringen. Er hat zunähst objektiv unwahr behauptet, ih hätte damals ge- sagt, alle Reproduktionen gewisser Kunstwerke seien \{chamlos und unzüchtig, davon babe ih kein Wort gesagt. Ich habe aesagt, es müsse ein Untershied gemacht werden zwischen dem Kunstwerk im Original und seiner künstlerishen Ausführung und einer photographischen NReproduktion. Auch meine Bemerkungen über die Leda und ihre unzühtigen Reproduktionen hat Herr Müller unrichtig wiedergegeben. Ih habe nur gesagt, ih wäre im Besig von zehn verschiedenen Reproduktionen dieses Kunstwerks, von denen keine der anderen und dem Original ¿leich wäre. Dann hat der Abg. Müller mir untergelegt, es wäre zu wünschen, daß Suder- mann von der Bühne vershwände. Auch das is unwahr. Als ih sagte, es müsse alles daëjenige verschwinden, was widerwärtig und \chamlos sei, erwiderte der Abg. Müller, dann würde nah § 184b wohl auch Sudermann von der Bühne verschwinden. Dieser |charfen Kritik über Sudermann bin ich niht beigetreten. Jh habe nur ge- sagt: wenn manches von Sudermann von der Bühne verschwände, so wäre es fein Uebel. In dem Kampfe der Künstler werden nah Herrn Müller die Wißblätter mit ihrem Wihß und ihrer Sati1e auf Ihrer Seite steben gegen das Zentrum und seine Kunstfeindshaft ; ih habe noch nie auf die Bundesgenossenshaft von Juxblättern wie „Ulf* und „Kladderadatsh" irgend einen Werth gelegt.

__ Abg. Dr. M üller-Meiningen (fr. Volksp.): Es ift doch ein eigenthümlihes Schauspiel, daß Sie uns erst mundtodt machen und dann uns unrichtige Darstellungen vorwerfen, die wir fadlih rihtig- zustellen verbindert sind. Auf die Frage, was an den Werken Suder- mann’s dem Herrn Roeren unsittlih erscheint, ift er die Antwort schuldig geblieben. Das genügt dem deutshen Volke. Wenn Herr Stoecker sich über den Ausdruck Kapuzinade beshwerï, so habe ih damit seine Kampfesweise des sittlichen Behagens kennzeichnen wollen, wele, ohne unzüchtig zu sein, mein Schamgefühl gröblih verlegt. Herr Stioecker ist vann mit etrer persönlihen Grobheit gegen mich aufgetreten. (Der Präsident Graf von Ballestrem rügt diesen Ausdru.) Seine Interpretation des Ausdrucks „\chlaue Teufel“ bringt mich dazu, ihm gegenüber den Azsdruckd „Kapuzinade“ auf keiren Fall zurück,unehmen.

Präsident Graf von Ballestrem: Das ist keine Beleidigung, indem die Kapuziner hôöbft achtbare Leute sind.

Abg. Stoecker: Wenn Herr Müller bei dem Auétdruck „Kapuzi- nade“ bleibt, so ist mir ein solhe immer noch lieber als eine „Harlekinade“.

Nunmehr schreitet das Haus zur Abstimmung über die S8 184, 184a und 184b.

8 184 wird unter Ablehnung des Antrags Becth-Koburg, der -das „Vorräthighalten“ der unzüchligen Gegenstände straf- frei lassen will, nah dem Kompromißantrage angenommen. Damit wird Nr. 2 der Regierungsvorlage wiederhergestellt, die Strafbarkeit auf die Fälle beschränkt, daß unzüchtige Sqriften, Abbildungen oder Darstellungen einer Person unter 16 Jahren (stait unter 18 Jahren) gegen Entgelt überlassen oder angeboten werden. :

8 184 a wird in der Fassung des Kompromißantrages von derselben ea angenommen; damit entfällt nah der Erklärung des Präsidenten der Antrag, über die von dem Abg. Beckh beantragte Streichung des Z 184 a namentlich abzustimmen. / E

Da der Präsident Graf von Ballestrem erklärt, in derselben Weise die Abstimmung über § 184 b und den auch dazu vorliegenden Antrag auf namentlihe Abstimmung be- háändeln zu wollen, bemerkt der Abg. Singer (Soz.), daß

en Theils des Reichstages

damit den Wünschen eines ro l y l groß d beantragt namentliche

niht Rechnung getragen würde, un über sämmtliche Anträge zu § Zentr.) erklärt ichter (fr. Volksp.) en Antrag gewählten ident erkenn

Abstimmun den Antrag Singer

[t dagegen den einzig t die Zulässigkeit des An- Da dieser Antrag auch die erfolgt zunächst d

bg. Gröber für verspätet; der Abg. den für diesen Ant rihtigen. Der Präf trages Singer an. Unterstüßung findet, j stimmung über den Kompromißantrag zu folgende Fassung zu geben: „Wer in öffentlihen Vor Unterhaltungsstücken oder innerhalb Aufführungen öffentlih ein Aergerni L welche, ohne unzüchtig zu sein, das Schamgefühl“ wird mit Gefänanißstrafe bis zu einem Jahre oder bis zu 1009 M bestraft.“ Der Kompromißan angenommen sämmtlichen

ie nament 8 184þ, demselben

trägen von Gesangs- oder sonstigen - öfentliher Schaustellungen oder ß giebt durch eine Handlung, gröblih verleßt, mit Geldftrafe

trag wird mit 166 gegen 124 Stim denselben stimmen die Linken mit Nationalliberalen und einigen Antisemiten ; Mitglied enthält sich der Abstimmung dent Graf von Ballejitrem er 1 l Kompromißparteien den Antrag Beckh auf Streichung

flärt mit der Annahme tes

Antrags der des § 184b für beseitigt.

Nach §8 184 c, Vorlage angenonimen, mit Gefängniß bis zu 6 Mona Gerichtsverhandlungen, für we Sittlichkeit die Oeffentlichkeit a diesen Verhandlungen zu stücken öffentlich Aergerniß zu

Abg. Stra Gelegenheit dieses vôllig verleugnet. libkeit der späteren Gel-eg eifrigste gegen diese | Unter Anführung zahlreicher den Nachweis zu führen, daß durch diesen | die Kennzeilnung schurkisher Verführer vor der Oeffentlich hindert werde; es werde damit also ein hohes sittlihes Priazip verlept um einer angeblihzen Schonung jener Sittlichkeit willen, deren normalec Repräsentant die höhere Tochter sei. Redner erwähnt, daß ec in seiner Rechtsanwalt Gelegenheit gehabt habe, alie Arten exueller Natur kennen zu lernen. Es müsse im ndruck erweckt werdén, als ob man in Deutsc- land Ursache habe, den sittlihen S&muß vor den Augen der Oeffent- lihkeit zu verbergen, sobald die Wohlh-benden, die Reichen, die Es seiea, wie fich ja aus endiosen Beispielen nachweisen lasse, vielfah diese verdammenswerthen In- Personen, die nah außen hin von Sittlichkeit tröffen. sei unbegreiflidz, daß auch das Zentrum diesen Paragraphen jeßi auf einmal für unannehmbar erkläre.

Während dieser Rede gelangen eine Anzahl von den en formulierter neuer Anträge zur Vertheilung. Heine (Soz.) nimmt den im Antrage des Abg. Prinz von Arenberg enthalten gewesenen, in der Kommission und vom Hause in zweiter Lesung angenommenen wieder auf: die Gesundhe!t einer Person dadurch gefährdet, daß er wissend, daß er mit einer anstecktenden Geshlehtsfrankheit bebaftet ist, den Bei'chlaf ausübt, wird mit Gefängniß bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 1000 46 bestraft.“

Ferner beantragt der Abg. Heine, hinter 184 c einen 8 184 d einzuschalten, wonach die Bestimmungen der 184 a und 184 b feine Anwendung auf künstlerische tionen und Darstellungen finden sollen.

/ Horn und Stadtha endlich die Einfügung folgender zwei neuen

8 362a: „Jedes Arbeits- oder Dienstverhältniß darf ohne Ein- Kündigungsfrist von dem Dienstverpflichteten auf- gehoben werden, wenn dur das Arbeits- oder Dienstverhältniß die Sittlichkeit des Dienstverpflichteten gefährdet ift,“

8 „Jedem Einwohner des Deutshen Reichs ohne Unter- ied des Geschlehts steht das Recht zu, siŸ zur Erringung besserer hne und Arbeitébedingungen oder einer besseren Lebenslage mit Wer dieses Recht verleßt, wird mit Ge- fängniß bis zu 6 Monaten bestraft. Der Versub ist strafbar.“

In dem weiteren Verlaufe seiner Ausführungen wird der

Nbg. Stadthagen von stürmishzn Rufen aus dem Zentrum und voa der Rechten „Zur Sache!“ unterbrochen. Schmidt ersuht den Redner, sich durh diese Zwischenrufe nit stôren zu lassen.) Redner verspricht, dem nachzukommen und weist darauf hin, daß nach dieser Gnunciation des Präsidenten diese Zwischen- rufe sehr unsahlich gewefen seien. über die Geschichte ter Prostitution und {ließt mit dem Ausdruck der Erwartung, daß die verbündeten Regierungen einem folhen Para- graphen zum Shuye der Unsittlichkeit nicht zustimmen wurden.

Abg. Heine erklä-t, ebenfalls mit der nöthigen Ausfüßclichkeit eine andere Seite der Frage behandeln zu wollen. Gerich1svertandlungen die Oeffentlichkeit ausschließen wolle und die Verlautbarung von Vockommnissea verbieten wolle im Interesse der öffentlichen Sittlichkeit, so sei unerfindlih, weshalb nicht das Gleiche gefordert werde im Juteresse der öffentlihen Ordnung. „Üergerniß erregen“. es fich au hier wieder um Staatssekretär

unverändert nah der soll mit Geldstrafe bis zu 300 M oder ten bestraft werden, wer aus lche wegen Gefährdung der oder aus den

in zweiter Lesung

usgeschlossen war, 1 ) de liegenden amtlichen Schrift- lungen macht, welche geeignet sind,

entrum habe bei

dthagen (Soz) führt aus. das Z e Vergangenheit

Gesetzes au in diesem Punkt seine Uls es sich um das Gesetz, betreffend tie handelte und auch

die Wortführer des Zentrums aufs Beschränkung der Oeffentlichkeit angekämpft. einzelner Gerihtefälle fut Medaer Ausf{luß der Oeffentlichteit

Gerichtsverhandlyngen, enheiten, bätte

Praxis als der Auéshw-ifung f Auslande der

Urheber dieses Schmuytzes seien.

Sozialdemokrat Der Abg.

en beantragen

Die Abg S 362 a und 362.

baltung einer

Anderen zu vereinigen.

(Vize-Präsident

Nedner verbreitet sich eingehend

Wenn man bet

Mehr als

Nergernisse Niebert ing

unbestimmt der Ausdruck vermuthen, volizeit-chnischen Sinne handle. habe jüngst gemeint: Lücken in der Gesetßgebung nicht autzufüllen, set zu gewagten Interpretationt- n. Darin habe er Recht, aber das Uebel werde nicht vermieven, indem man den Richtern, ftatt thnen engere Grenzen Kautschukparagraphen die Fehler der Justiz

roeil dann die Richter fünsten fämen.

die Hände Das beiße, Gelegenheit nehmen, an der bestehenden Gesellshaftsordnung Kritik übe, errege natürli Kritik unangenehm empfunden werde, Aergerniß, und dagegen wolle man auf diesem billigen Wege einschreiten. andere Leute als diese Kreise empfänden Aergerniß über öffentliche Vorkommnisse, ohne daß ihnen ein folcher Paragraph hilfreih zur Nichts habe in letzter Zeit im ganzen Deutschen Reich fo viel Aergerniß erregt, als die Abseßung des Privatdozenten Dr. Arons von der Berliner Universität. darauf aus, von dem unmittelbaren und öffentlihen Verfahren langsam zurückzukommen auf den längst überwundenen Standpunkt der Heim- lichkeit und Heimlichthuerei.

Wirklicher Geheimer Ober-Regierungsrath im Reihs-Justizamt von Lenthe: Die Vorschriften, welhe der Redner bekämpft, bestehen bei uns seit 1880 zu Recot.

Damit schließt die Diskussion. Der Abg. Singer be- 8 184 c namentlihe Abstimmung. Der Antrag

verschleiern nachzuweisen.

Seite gestellt werde.

Die Reichsregierung gehe

antragt über wird genügend unterstüßt.

Abg. Dr. Rintelen (Zentr.) bestreitet in persönliher Be- merving, daß das Zentrum 1892 diesen § 181c für unannehmbar er-

ärt habe.

Abg. Graf von Oriola (nl.): Der Abg. Stadthagen hat für nöthig gehalten, meinen Namen in seine Rede zu verflehten, indem ir imputierte, ih hätte bei seinen Ausführungen gelacht. Ich seine Ausführungen überhaupt nicht beahtet und mich in einem

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Privatgespräh befunden; Herr Stadthagen hat, nur e verlängern zu können, sih diefes unqualifizierten Ausfalls e

Abg. Stadthagen: Herr Rintelen irrt; ih habe nur n stenographischen Bericht zitiert. Herr Graf Driola hat that dem bei meinen Ausführungen gelacht ; daß er im Privatgesprà ädhlih und meine Ausführungen zu beachten nicht in der Lage war idm nit nens a oige Dat Das A Mee dazu, zu glauben er gerade derjenige ist, der mir dur sein bloßes 6 ; O Verlängerung meiner Rebe lieferte? hes Lachen Stoff

Abg. Graf von Arnim (Rp.): In der Rede des Herrn St hagen fommt ein Paus vor, worin es heißt: „Wenn der Para dts angenommen wird, so würde ein vergewaltigtes Lindmädchen cagrapß Gegend, wo die Familie Arnim sehr begütert ist, nicht Mittheila der aus der betreffenden Gerihtöverhandlung machen können; bele ‘ven sie das oh.“ Im Namen der Familie Arnim arf

Präsident Graf von Ballestrem: Es if ja sehr bedauerli daß die Geschäftsordnung es nit zuläßt, aver Sie dürfen im Na d, der Familie Arnim hier keine Erklärung abgeben. inen

Abg. Graf von Arnim: Ih nehme an, daß diese Bemerky des Herrn Stadthagen ih nur daraus erklärt, daß die Küdre ng Denunziationen bei den Sozialdemokraten jeßt an der Tagesocdnung sind

Abg. Graf von Oriola: Ich wiederhole nur ganz kurz daß mein Lachen mit der Rete des Herrn Stadthagen nihts zu thun e Er brate mi mit seiner Bemerkung in den {weren Verdatht, alz hätte ih niht auch das Gefühl der Empörung für die Mißhandlun und Vergewaltigung von Mädchen durch hochstehende Persone Wenn er annimmt, daß ein an#ändiger Vèann darüber nicht empört sein könne, so überlasse ich das Urtheil über dieses Nihtverstebensollen dem hohen Hause. i

Abg. Stadthagen: Wenn ih dem Grafen Oriola diese Em, pôrunz nicht zugetraut hätte, würde ih iha gar niht apostrophiert

haben A :

Jn namentlicher Abstimmung wicd § 184€ mit 196 gegen 73 Stimmen angenommen; zwei Mitglieder enthalten sich der Abstimmung.

Zur Verhandlung kommt darauf der oben mitgethei Antrag Heine auf Annahme eines § 184d. getheilte

Abg. Gröber: Der Antcag will die Debatte wieder aufnedmen über cine Frage, welhe bei § 184 a bereits entschieven ist. Jy balte das nit für zulässig.

Abg. Singer: Diese Auffassung ist irrig, Der neue Autrag behande.t nit, was in § 184a verhandelt ist, Der Antrag s&ließ

ch eng an die Untersheidung-n an, welche die Gewerbeordnung mat zro:schen Darstellungen und Produktionen, bei wclchen etn höheres Interesse der Kunst und Wissenschaft vorwaltet, und jolhen, wo das nit d-r Fall ist. Der Antrag entspri®t auch den Wün'chen der Negierung und der Kowpromißantrazftellec selbst, wi- Sie das wiederbolt betont haben. Gleichzeitig theile ih mit. vaß für den Fall das Haus die Bedenken des Herrn Gröber theilen sollte, ih einen Antrag einbringen werde, wonach die Bestimmungen der §§ 184 184g und 184b erst am 1. Januar 1929 ia Krat treten sollen.

16g. Richter (fr. Volksp): Im Jahre 1879 hat sich ein ganz ähnlichec Vorfall abgespielt, Gegen den Wunsch der Rezierurg wurde ein Flahszoll angenommen, und um ihn nit in Kraft treten zu lassen, beschloß man, ihn zwei Jahre später als den Zolltarif in Kraft teten zu lassen; naher hat man dann durch eine Novelle zum Zolltarif diesen Flahszoll wieder aufgehoben. Es handelt si also um ein durchaus berechtigtes Vorgeben. i

Abg. Gröber: Die Herren wollen durch ihre Déstrultion eine Debatte aufnehmen, die bereits geschlofsen ist. Gerade weil jene Paragraphen jeden Unterschied, den die Herren zu machen suh2n, ab- lehnen, weil ohne jeden weiteren Unterschied jede Schri't, jedes Bild- niß 2c., gleichviel, ob es ein angebli fünstlerishes Gepräge hat, oder nit, unter diese Paragraphen fällt, halten wir es nah wie vor für unzulässig, sie nohmals zur Debatte und Entscheidung zu bringen.

Abg. Singer: Wenn unser Antrag keinen anderen Erfolg erzielt hätte, als den Abg. Gröber zu zwingen, dem, was er eigentlich will, tlaren Ausdruck zu geben, fo hätten wir unsern Zweck erreicht. Während die Herren gestern mit der sittlihen Entrüstung, der sie fähig sind, fic dagegen verwahrt haben, als ob se die Kunst und Wissenschaft mit treffen wollen, sagt uns heute Herr Gröber, es sei ganz glei, ob das Bild oder Buch einen künstlerishen Werth habe oder nicht. Ich nagele dicses Zugeständniß fest. Es zeigt, welche Gesinnung die Herren, wenn das Geseß unter Dach und Fach gebracht ijt, bethätigen werden. Der Vorwurf, daß wir die Ob- struktion verlängern wollen, ist unbegründet; wenn wir aber eine folhe bâtten treiben wollen, so brauhten wir urs ihrer durchaus nicht zu s{ämen. Wir halten es für unsere Pflicht, mit allen parlamentarischen Mitteln der Geschäftsordnung das Volk vor einem solchen Gescy zu s{üten. Wollen die Herren ein solches Gese machen, so mögen sie gefälligst 200 ihrer Freunde hierher beordern, Mit unseren Stimmen erhalten sie positiv oder negativ dieses Gesetz nicht. C i

Abg. Richter: Herr Gröber \priht von angebli künstleris@en, angebli wissensbaftliwen Interessen. Wenn hier Bestimmungen gé- troffen werden sollen übec fkünstlerishe Produktionen und Dar- stellungen, fo kann es sich um „angeblih“ niht mehr handeln, dann haben Behörden und Gerichte zu entsheiden. Was wir verhindern wollen, ist, daß, wenn ein fkünstlerishes Interesse vorliegt, doch auf Grund dieser Bestimmung eine Bestrafung erfolgt.

Abg. Gröber: Sie lesen aus den Worten heraus, was nit darin ist. Der Kunst- und Theaterparagraph macht diesen Unterschied niht; es soll eben gleiches Reht für Alle gelten. Die Belletriftik und die wahre Kunst werd-n mit dem Strafgeseß niht in Konflikt fommen. Sie wollen die Kunst von jedem Gese frei machen und dagegen hat die Mehrheit entschieden. Herr Singer hat nunmehr ofen bekannt, daß die Herren alle Mittel der QGe- shäftäordnuag anwenden werden, um das Gesey zu hintere treiben, obwohl Sie wissen. daß eine feste Mehrheit vorhanden ift. Meine Herren von der Demefratie, das ist demokratisch. Fällt die Wahrheit gegen Sie aus, dann greifen Sie zur Obftruktion, Gestern haben Sie den Saal verlassen und uns beshlußunfähig ge- macht, die Geschäftsordnung gewährte Ihnen dazu die glickeit. Diejenigen, welche die Verantwortung auf si genommen haben, werden auc überlegen müssen, ob sie angesichts solcher Vorkomuunifse an den bisherigen Bestimmungen festhalten können. Die Minderhe! hat das Recht, gehört zu werden, die Mehrheit hat sich aber von der Minderheit nicht tyrannisieren zu lassen. »

Abg. Singer: Dieses Geseg zur Unterdrückung ; parlamentarischen Freiheit, diese „lex Gröber“, welhe Sie ankünd gen würde sich würdig der „lex Heinze“ an die Seite stellen. L eine Zeit gegeben, wo Ste den Schuß der Minderheit S nothwendig brauchten, und ih habe immer noch das Vertrauen, e Herr Gröber si die Sahe noh überlegt. Wenn hier überhaup beit Bergewaltigungen gesprochen werden darf, dann ift es Lie Mebl die sie übt. Der ganze Antrag ist ja nur d weil Sie die Minorität vergewaltigt haben. Wenn es ide hier darum handelt, icgend einen Zoll zu vertreten, agrar “d oder bimetallistishe Reden zu halten, dann sitzen die Herren La i Wochen lang und hören immer wieder dieselben Reden au. 2 N die Debatte über ideale Interefsen denn doh vor. ne Se Opposition gegen das Gese konsequent treiben, das ist HRE Entdeckung des Herrn Gröber. Die Mehrheit des Reichstag i nicht die Mehrheit des Volks hinter sich. Ich bitte, die Abt in zur Entscheidung über den Widerspruch, den Herr Gröôber gegen u Antraz erhoben hat namentlich vorzunehmen. gerung

Abg. Richter: Es handelt sih- hier niht um die Veri oeglih der Session, sondérn darum, ob eine gründliche Berathura ist. Sie können von uns nicht verlangen, baß wir s I ibrer di machen, die Verhandlung abzukürzen. Als gestern Ihre Sid ge Sertiguag vorshlugen, Mya Sie Ihre eigenen Fübrer 1 (d lassen. Dafür sind wir Ihnen Dank schuldig, Wir ha", dern früber die Orohung gehört, daß man die Geschäfte ordnu nd «rohen müsse. Diese Drohung ift auch heute ofen genug ausg

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