1876 / 39 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 14 Feb 1876 18:00:01 GMT) scan diff

Verlin, den 14. Februar 1876. abi Gestern Vormittag um 10 Uhr hat die feierliche in- Tegnung und Beisehung der Leiche des am 10. N bruar d. I. verstorbenen Generals der Infanterie z. D. . Peucker hierselb|t stattgefunden. i E VO u NOT ps der reich mit Palmen Und Lorbeer- kränzen ges{chmüdckte Sarg aufgebahrt ; hochstämmige Blattpflanzen, zwischen denen zahlreihe Kerzen ihr mildes Licht R vers hängte Zimmer sandten, bildeten den Hintergrund, in n Mitte ein kleiner Altar mit dem Kreuze des Erlösers stand. Des Verstorbenen Helm, Epauletten, Degen und Orden lagen ¡lor f dem Sarge. us Uhr a A im Trauerhause Se. Ma jestät der Kaiser und König, Se. Kaiserlihe und Königliche Hoheit der Kronprinz , Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen Friedrich Carl, Alexander und Prinz August von Württemberg; die Allerhöchsten und Höchsten Es wurden an der Thür des Hauses vom Sohne des Verblichenen, Hrn. von Schenk, auf das Ehrerbietigsie em- pfangen und nah der Wohnung geführt. Se. Königliche Hoheit der Prinz Carl ließ sfi ch durch Höchstseinen Adjutanten, dest Major von Prittwiß, vertreten. Neben dem General-Feldmarschä Grafen Moltke hatten sich die gesammte Generalität und zahl- reiche Offiziere, hohe Staatsbeamte, Mitglieder des Herrenhauses und andere angesehene Persönlichkeiten eingefunden. Aus Breslau war eine Deputation des S E . 6, dessen Chef der Verewigte war, eingetrof. M Teattt Se afserli®e und Königliche Majestät, sowie Se, Kaiserlihe und Königliche Hoheit der Kronprinz der Tochter des Verstorbenen, der verwittweten Frau Landrath von O in huldreih theilnahmsvoller Weise Ihr Beileid ausgedrüdckt un die übrigen Mitglieder der leidtragenden Familie begrüßt hatten, begann die Feier mit dem von Königlichen Chorsängern Vor- getragenen Gesange des Liedes: „Was Gott thut, das is wohl gethan.“ : A je Leichenrede, welhe der Prediger am Kadetten-Corps Hr. T A gab ein kurzes Bild der Lebensgeschichte V. Peuckers, gedahte der unwandelbaren Treue gegen seinen Kaiserlichen Herrn und betonte die hohen Verdienste, die er fh um das preußishe Heer erworben. Als General-Inspecteur des Militär - Erziehungs- und Bildungswesens : stellte er fich die Aufgabe, für die Armee ein tüchtiges Dffiziercorps heranzubilden und diente damit den höchsten Zwecken des Vater- Iandes. Was er geschaffen, das habe si glänzend bewährt und hierin liege sein bleibendes Verdienst. Auch dem Kadetten-Corps, dem er den Geist der Bildung und Siitlihkeit mitzutheilen be- strebt war, blieb er äußerlih und innerlich nahe. Er have ja selbst erfahren, daß die Wissenschaft eine reine Quelle des besten Vergnügens sei. Die Berliner Universität ehrte seine ne rarishen Leistungen durh Ertheilung des Diploms eines Doktors der Philosophie. Nachdem er 1858 zum General der Infanterie ernannt und 1863 mit dem Schwarzen Adler- Orden dekorirt worden, war €s ihm vergönnt, sein 60jähriges Dienstjubiläum zu feiern. Als er fühlte, daß seine Kräfte zu weiterem Dienste nicht mehr ausreihten, wurde ihm der erbetene Abschied in huldvollster Weise gewährt. Voll und ganz hat v. Peuter fch stets dem Amte gewidmet und mit großer Snergie seine Gedanken ausgeführt. Sein warmes Herz \chlug voll inniger Hingebung für seinen Kaiserlihen Herrn und war erfüllt mit freundlihem Wohlwollen gegen # eine Untergebenen. Jür alles echt Menschliche hatte er ein offenes Gemüth, dessen religiöse Tiefe in seinen Liedern zu Tage tritt. Allenthalben, so \{chloß der Redner, werde v. Peuckers Verlust als ein shmerzlicher empfun- den. Dem Kaiserlihen Herrn und Seinem Hohen Hause möge Gott neue Diener in solher Hingebung und Treue zuwenden, auf die Tochter und die Familie aber trôstend und lindernd die immlische Liebe \senken : 5 e Ka Geisilihe noch ein kurzes Gebet gesprochen, beendete der Gesang des Liedes: „Es ist bestimmt in Gottes # die erhebende Feier. ; E der Kaiser und König traten Hierauf dem Sarge einige Schritte näher, und geruhten, an Frau v. Niebel- \{chüß noth einige tröstende Worte zu rihten. Ein Gleiches ge» {ah von Sr. Kaiserlihen und Königlichen Hoheit dem Kron- prinzen, worauf Se. Majestät und die Höchften Herrschaften, von der sich ehrfurhtsvoll verbeugenden Versammlung Sich verab- \ciedend, das Trauerhaus verließen. | Der Sarg wurde alsdann von zwölf Unteroffizieren des 6. Shhlesishen Feld-Artillerie-Regiments aus der Wohnung nah dem Leichenwagen getragen, der mit sechs \chwarz behangenen Pferden bespannt war. Dem Sarge voran gingen zwei Offiziere, welhe die Orden des Verstorbenen auf rothen Atlaskissen trugen; die Deputation des Regimentes _ folgte unmittelbar hinter dem Sarge. Die lange Wagenreihe eröffneten die sechs\spännigen Gala-Equipagen Sr. Majestät des Kaisers und Königs und Sr. Kaiserlihen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen. Die Beisezung erfolgte auf dem alten Dorotheen- fstädtishen Kirchhof am Dranienburger _Thore. Unter den Klängen des Chorales „Jesus meine Zuversicht“ wurde der Sarg in die Gruft gesenkt; nah dem Vaterunser und dem Segens- spruch endigte die Feier mit dem Liede: „Selig sind die Todten,

die in dem Herrn sterben“.

Dex Niederländische Landwirthschaf:lihe Kongreß

iert Ende Juni d. I. in Amsterdam sein dreißigjähriges Chen Aus diesem Anlasse soll mit dem Kongresse eine Ausstellung von Hülfsmitteln für den landwirth- \haftlihen Unterricht und für landwirthschaftliche Untersuchungen verbunden werden. _Dieselbe wird am 96. Iuni und an den darauf folgenden Tagen in Amsterdam stattfinden. Nach Inhalt der au an die landwirthschaftlichen Lehr- und Versuchsanftalten in anderen Staaten versandten Einladungen zur Betheiligung an der Ausstellung, werden „in derselben die Gegenstände in folgende Gruppen eingetheilt sein : I. Unterrihts- und Versuhswesen im Allgemeinen,

1IL. phyfikalische und a gts zu landwirth\chaft- lihen Unterrihts- und Versuhszwecen, E s 111, Arbeiten über Thierphysiologie, Arbeiten über Pflanzen- Physiologie und Arbeiten über Bodenkunde. S 4 Anmeldungen zur Ausstellung sind, und zwar möglichst bald,

an „Dr. M. Salverda, 2e van den Boschftraat 23, ‘s Sraven- age. Holland“ zu richten. s u Kongrek Ug sämmtliche Assekuranzkosten und außer- dem für ausftellende Untercichts- und Versuchsanstalten die er- wachsenden Unkosten überhaupt, während er für Fabrikanten, welche sich an der Ausstellung betheiligen, eine Ermäßigung der

Im Wissenschaftlihen Verein H

ielt in Gegenwart Jhrer Majestät der Kaiserin-Königin am

ne m P Soatiälerd der Professor Dr. Schrader einen Vortrag

über „die Bibliothe? Sardanapals“. Obschon früher die Sage den

Namen Sardanapals verherrliht hat, so hat doch die reg Ge-

\chi{tsforschung erwiesen, daß der angeblich 888 v. Chr. lebende König

dieses Namens eine rein mythishe Person ift. Vergleicht man die

griechischen Berichte des Ktefias, Diodor und Anderer mit denen des Bitte

sus, Alexander Polyhistor, des ptolemäischen Kanons und der Monumente,

so ergiebt sich mit völliger Gewißheit, daß Sardanapal identis ift mit König Asurbanipal, der a!s einer der mächtigsten Herrscher RAran von 667 bis 625 v. Chr. regierte und den Nord- und Südpalasf

von Kuj jard sehiek (das alte Ninive) erbaute, oder do reftaurirte.

Die Bibliothek des Königs Sardanapal aufgefunden zu haben, ist das Verdienst des englischen Forshers Layard. Die _Biblicthek befand sich zu Kuj jund schick, Mozul gegenüber, und zwar in dem einst von Sanherib erbauten Palafte. Sie bestand pa lauter Thontäfclhen, die mit einer sehr sorgfältig ausgeführten Kei . schrift bedeckt waren. Die Schrift war meist sehr scharf eingegraben oder eingerißzt, dabei aber nicht selten fo flein, daß es, zumal bei der Verwandtheit der Schriftzüge, Layard niht mögli sien, ohne ein Vergrößerungsglas die Zeichen von einander zu {eiden und zu lesen. Die Täfelhen waren alle genau bezeichnet und numerirt und erwiesen sh den gelehrten Forshera gegenüber überwiegend als Kopien älterer babylonischer Werke, die theils" "vos Ajur- banipal angefertigt, oder aus älteren Bibliotheken Tiglath Pilefars und Anderer herübergenommen find. Was den Juhalt dieser Bibliothek betrifft, so zerfi:l fie in das Reichsarchiv und die Büchersammlung. Jm Reichsarhiv waren niedergelegt die amtlichen Depeschen und Urkunden, amtliche Liften (Tributlisten, Aronten- verzeihnisse u. #. w.) und sonstig? amtlihe Schriftstücke. Die Bücher- sammlung umfaßte zunäGst geschichtliche Darftellungen , meist eine synchronistise Geschichte __Assyriens und Bakbyloniens, ferner Länder-, Flüsse- und Städteverzeichnisse und schließ- lich Abschriften älterer, insbesondere akkadisher Werke, zum Theil mit Interlinearüberseßung. Leßtere umfassen wieder Hymnen, astre- logish-astronomische, mathematishe und anderweitige Täfelchen. Ju einem Falle besien wir neben der späteren assyrishen Kopie auch die altbabylonische Urschuift. Sollte nun wirkli, fragt der Redner, biz auf dieses eine, ganz zufällig gefundene Thon- täfelchen der einstige Jnhalt der alten babylonischen Bücher- sammlung zu Grunde gegangen sein? Auf Sqritt und Tritt trifit der Wanderer in den sumpfigen Gegenden Babyloniens auf die Trümmer einer einstigen hohen Kultur. Unzählige Steine mit Jus {riften und mythologischen Darstellungen befinden sich in den Museen Europas und geben Zeugniß davon, bis zu weld;em Geade das Land am Unterlaufe des Euphrat und Tigris der Siß einer denkwüÜrdi- gen Kultur war. Die Stätten der Paläste Nebukadnezars und anderer Köô- nige sind wiedergefunden und die Museen bergen die Backsteine und Säulen dieser alt-babylonischen Herrscherpaläste; verwahrt do das Königliche Museum hierselbst nihts Geringeres, als das Siegel des Zerstörers JIeru- salems, Nebukadnezars! Und sollten die aiten Bibliothekeu von Ur-Akkad u. f. w., deren Werke Sardanapal dur seine Tafelschreiber kopiren licß, spurlos vershwunden sein? Sollten nicht vielmehr so {"!oß der Redner nah ein.m Hinweise auf die neuerdings im Gektiete des alten Elam gemachten Funde an den Stätten, an welchen die Baefsteininschriften der Zeitgenossen Abraham, die jeßt im Britischen Museum zu London aufbewahrt werden, za Tage ge- fördezt wurden, nicht auch noch Rest: sich befinden „jener altbabylo- nischen Büchersammlungen? Wer wollte das verneinen? Wer aber wird der Glückliche sein, dem die Hebung auch dieser Schäße gelingt

Verein für die Geschichte Berlins.

m Verein für die GeshichteBerlins hielt am Sonnabend Abend der Magistrats-Sekretäc Ferd. Meyer vor einem zahlreichen Publikum einen N S Mittel S in ; in“, dem wir folgende Mittheilung entnehmen: Der A Beet, gcb. am 10. Juni 1769 in Frankfurt a. O, begründete zu Anfang dieses Jahrhundets hier in Berlin eine Zucker- siederei. Er war ein betriebsamer und zugleich ein woh! ollender Mann, ein Kunst-Mäcen und ein Freund des Königstädter Theaters. Seine Gattin Amalie, geb. Wolff, war mildthätig und „eichnete fih namentlich durch ihre Fürsorge in den Jahren 1813 bis 1815 aus, Dec König schenkte ihr als Anerkennung dafür einen Abguß von dem Marmorbilde der Königin Luise in Charlottenburg. Beer starb 1825, seine Gattin fuhr fort, über ihre Kräfte hinaus Arme und Noth- leidende zu unterstüßen; kein Bedrängter durfte abgewiesen werden. Ihr Haus war außerdem stets ofen für Leute wie Holtei, Jenny ind u. A. E 4 i Aus der Beer schen Ehe waren 4 Söhne hervorgegangen. Ver zweite, Wilhelm, geb. 1797, machte die Befreiungékriege mit, Üüber- nahm später die Geschäfte des Vaters und ist der bekannte Astronom, der Freund Mädlers, Ritters und Humboldts. Er starb 1850_ Der dritte, Michael, 1809 geboren, ist der bekannte Dichter des Stru-nsee, der erst nah seinem Tode 1846 in Berlin aufgeführt wurde. Ein Neivenfieber rate ihn 1833 in München hinweg. Der jüngste, Heinrich, war Maler, aber nicht von hervorragendem

t. i G älteste der vier Brüder, am 5. September 1791 in dem Hause Spandauerstraße 72 geboren, wo einst Graun gelebt und gewirkt hatte, trat {on als öjähriger Knabe in Gesellschaftskonzerten auf und debütirte zuerst öffentli 1800 in einem Paßigschen Konzerte. Von Weber und Zeller in der Theorie weiter gebildet, in Darm- stadt ein Schüler Voglers, fühlte er sih nicht befriedigt von seinen geistlichen Kompcsitionenz ein unüberwindliher Hang zog ihn zur dra- matischen Musik. N E s

Aber seine ersten Opern „Jephthas Gelübde“ und „Abimele fanden geringen Beifall. Er mußte zuerst Italien sehen, che er zur Meisterschaft gelangte. Jn Venedig shrieb er nah fast einjäh- rigen Studien zwei Opern, die ungetheilten Beifall fanden, Er ver- wandelte seinen Namen damals in Giacomo M eyerbeer.

Sein „Robert der Teufel“, zuerst in Paris am 22. November 1831 aufgeführt, errang 1832 in Berlin nur einen zweifel» haften Erfolg. Es folgten 1836 in Paris seine „Hugenotten. 1846 ging der Komponist wieder nach Italien und volendete 1848 seinen „Propheten“, der am 28. Oktobec 1850 zuerst hier aufgeführt wurde. Giacomo \{chuf nun seinen „Nordftern“, seine „Dinorah und hatte kaum seine „Afrikanerin“ beendet, als der Tod ihn im Jahre 1864 an die Seite der Mutter rief. Er hinterließ 3 Töchter, von denen die älteste an den Baron von Korff und die jüngste an den Maler Prof. Richter verheirathet ift.

s in San Francisco am 24. v. M. eingetroffene „Dampfer Gito Tokio“ Cine nach der „New-Yorker Handelszeitung“ die Nachricht, daß in einem bedeutenden Bankhause von Foo ow ein Feuer ausgebrochen sei, welches so {nell um sih gegriffen habe, daß Tausende von Häusern zerstört worden seien.

v i Carl beehrte am Se. Königliche Hoheit der Prinz ar e Sonnabend die Vorstellung im Wallner - Theater mit Höchst- e EC Kalieelidié und Königliche Hoheit der Pt n beehrte die zum Benefiz des Verfassers Hrn. Sal in orn am R aben d veranstaltete 25jte Aufführung der Posse: „Die L durch Berlin in 80 Stunden“ im Friedrich-Wilh elm- städtishen Theater mit seinem Besuch und wohnte der Vor- i [usse bei. S VERRES S Pie De raa beabsichtigt, im Woltersdorff- Theater am Freitag, 18, Februar, zur Feier des fünfzigiäßrigen Schriftstellerjubiläums C. A. Görner, der als Schauspieler wie als Dichter in der Geschichte des deutschen Theaters einen hervor-

¿hlung ohne Namen*, in der Rolle des Keppel mitwirken, E na A Görner wurde am 29. Januar 1806 zu Berlin geboren. Sein Vater. ein Beamter im Finanz-Ministerium, stand im Verkehr mit den damaligen Koryphäen der Shauspielkunst : If. land, Mattausch, Kaseliz, Wurm und Unzelriann, mit Ludwig Devrient und Lemm. Sein Sohn b-esuchte schon als pieulährigee Knabe das Theater. Mehr noch wirkte auf ihr. der persönliche Ver- fehr mit Devrient, dem er als Souffleur beim Memoriren seiner Rollen behülflich war. Devrient studirte dem Knaben auch seine ersten Rollen ein: den Florian in Koßebu-'s „Großmama ' den Schneider Fips in „Die gefährliche Nachbarschaft“ U. a. m, _ZON theatralische Laufbahn begann Görner Ende Februar 1822 in Stettin, wo er bei dem Direktor Curiol ein Engagement mit zwei Thalern Wochengage fand. Später 1rat er in das Herzogliche Hoftheater zu Côthen als Mitglied ein. Als dieses jedo bereits nah kurzer Zeit aufgehoben wurde, übernahm er im Atter ven 18 Jahren die Direktion einer wandernden Truppe, mit welcher er in kleineren s&hfis{hea Städten, auftrat. Nachdem er die Direktion niedergelegt, blieb er noch bis 1827 bei dieser Gesellschaft, in welchem Jahre er als erfter Charakterspieler an das Hoftheater zu Streliß berufen wurde. Dort blieb er, bald zum Ober-Regisseur, später zum Direktor erhoben, einundzwanzig Jahre lang bis zu- Auflösung des Theaters. Von da wurde er nach Breélau engagirt; nach einigen Jahren berief ihn Direktor Deith- mann an das Friedrich-Wilhelmstädtishe Theater zu Berlin. Später führte er zwei Jahre hindurch die Leitung des Krollschen Theaters, bis er im Jahre 1857 nach Hamkurg ging, wo er seitdem ab- wechselnd beim Stadt- und Thaliatheater “als Charakter)vieler und Ober-Regisseur fungirte. A Ober ils Bühneusdtriftfteller war Görner von einer fast beispiellosen Fruchtbarkeit. Sein erstes Werk „Gärtner und Gärtnerin“ wurde am 15. Februar 1826 zu Freiberg aufgeführt. Ia dem halben Jahrhundert, welches seit dieser ersten Aufführung verflossen ist, hat Görner die deutsche Bühne mit 148 Stücken beschenkt, v:n denen

worden find. : : eis A Wien nft am 10. Februar der beliebte und au in Berlin befanut? Komikec des Theaters an der Wien, Karl Rott, g-storben.

Konzerte.

Im Saale der Singakademie hatte der Stern! che G' (aub edin: unter Leitung seines jeßigen Direktors, des Professors J. Stockhausena, ein Konzert veranstaltet, welhes zu den inter- efsantesten dieses Winters gehört und darum au den Saal bis auf den letzten Platz gefüllt hatte. Zur Aufführung kam zuerst die Bal- lade vom Grafen Moriß v. Strahwiß: Pharao, für gemischten Chor und Orchester komponirt von B. Hopfer: ein tüchtiges Werk, bei dem ih der vokale und der instrumentale Theil harmonisch und gleichberechtigt zur Durchführung eines in sich durchans wahren und sinngemäßen Tonbildes verbanden. Melodisch, ohne Grübelei und darum flar, aus dem Herzen, nicht dem Verstande hervors geaangen , zeichnete es die Angst der Juden, iren Hülferuf zu Gott, den Uebermuth der Aegypter, das herein» brehende Strafgeriht und JIsraels Dank in treffender Weise, Die Komposition \chliet sich eng und knapp dem. Textes an und wirkt wohlthuend und erhebend, so daß ihm der Beifall de überwiegend aus Kunstverftändigen bestebenden Zuhörer reid lid zu Theil wurde, zumal es e:st jezgt mit Orchefterbegleitung und in der vollendeten Ausführung durch den Chor zu voller Geltung fam, Dann folgte eine nicht schr bedeutende Cantatc von J. S. Bach: „Schlage doch gewünschte Stunde“, von Srl. Kling mit ihrer \{chönen, wohlgeshulten Altstimme und ihrer deutlichen Aussprache trefflich vorgetragen. Der Cantate, in der durch das fortwährende Klingen eines Glöckchens wohl der Stundenschlag illuftrirt werden joll fehlt jedoch der tiefere Inhalt. Das Hauptwerk des Abends war das „deutshe Requiem“ yon Brahms, welches zum ersten Male hier aufgeführt wurde, eine melodienreihe Tondichtung, die zugleich des Meisters vollkommene Beherrschurg des Orchesters zeigt. Mild und s{ön war der 1. Saß: «Selig find die da Leid tragen“, edel im Styl, und macht eine diskrcte Anwendung der Harfe hierin einen tiefen Cindruck, Klagend (in B-moll) ift der zweite Saß, denn alles Fleisch is wie Gras, aber tröstlich die gott setzung (in ges-dur), wo die Sordinen in zarter Weije angewendet werden, frohlockend, mit marschartigen Creêcendos unter Veo nußung der Trompeten, der Schluß des Sabßes, welcher mal, BN die Erlôsten mit Jauchzen gen Zion kommen. Ein würdiges Bari 0n Solo (von Hrn. Senfft {höôön und stimmungsvoll vorgetragen) mil Chor folgt, dann ein lieblicher Zwischensaß (Nr. 4, in es-dur) von den Wohnungen des Herrn ; Nr. 5 ist ein Sopran-Selo, von Frl, S orh a0 trefflih ausgeführt: Ihr habt Traurigkeit bei welchem der a: immer einfällt: Jch will Euch trösten, wie Einen seine Butter ol Fn Nr. 6 malt das Umhertappen der Bäfse ¿as Suchen A zukünftigen Stätte und das Geheimniß, das verkündet wird. S0 mächtige Fuge {ließt diefen Saß. In gelungener Weise führ Schluß: Selig sind die Todten, wieder in deu Anfang zurü S rundet fo ein Werk ab, das zu den bedeutendsten Schöpfungen der NG zeit gerechnet werden darf und durch dessen Aufführung fich Hr. Prof Stockhausen ein Verdienst erworben hat.

r D l ie leßte Sonnabendvorstellung des Circus Renz gesta tete is zu Lia der interessantesten der ganzen Sziscn. Hatte e die Ankündigung der neuen Pantomime genügt, das Haus bis ay den leßten Plaß zu füllen, so wurde den Besuchern E, q seltene Genuß zu Theil, nah langer Zeit Hrn. Direktor E. d J einmal selbs nach zwei Richtungen, in der Pferdedressur n A höheren Reitkunst als Meister bewundern zu können. N der Vorführung des in Freiheit dressirten Tigerhengstes „Mohamed M das Publikum ihm seinen Beifall laut zu erkennen, i Y immer unübertroffenen Reiter aber, a!s welher sich Hr. ens g dem Schulyferd „Elbedavy* zu erweisen Gelegenheit fand, wurde A ftürmische Ovation und viermaliger Hervorruf zu Theil. D 16 Enkel, der kleine öjährige Oskar Renz, ‘einst dem Namen des Tal vaters Ehre machen dürfte, bewies ]eine Vorführung des zier d silberfarbenen Ponuys „Diamant“, den der kleine Künstler von l Sultan von Zanzibar als Anerkennung für seine Leistungen ¿18 \ alten hat. . : V ne fiis e Fest“, an dem sih das gesammte Person in phantastischen chinesishen Kostümen betheiligte, ist vou pn. : rektor Renz auf das geschickteste arrangirt und prächtig ass Im ersten Theil entfaltet das männliche Personal des Cir G4

2 se anze Fertigkeit in der Jonglerie jeder Art, worin auc Fr. Wed

ie folgende Abtheilung wird von dem gesammten Balletpersonal aus Ee wes obi in einem brillanten von 24Damen in neuen fo (Lin Kostümen getanzten Grand pas chinois und einer überraschend h Danse de Parasols, Das prächtige, von elektrischem Lichte be un Schlußtableau, an dem fih alle Künstler und Künstlerinnen ca ligen, gehört zu dem schönsten, was der Cirkus Renz bisher O hat. Laute Anerkennung und mehrfache Hervorrufe lohnen V Direktor Renz für seine Bemühungen, dem Publikum NZ v etwas Neues, Außerordentlihes zu bieten, das denn auch : wöhntesten Geshmack zu befriedigen im Stande sein dürften.

Renz mit ihren graziösen Produktionen auf dem Drath|eile glän

Redacteur: F. Prehm. Verlag der Expedition (Kessel). Drack W. Els

Vier Beilagen (eins{ließlich Börsen-Beilage),

anßerdem cin Preis - Courant der Bremer Cigarren

Berlin:

Transporttarife zu erlangen hofft. q

innimmt, eine Vorstellung zum Benefiz desselben zu ren D T wird darin in dem Lustspiel „Eine kleine

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vou Inlius Schmidt in Hauuover.

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Köui

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Nußland und Polenu. (Monats-Uebersiht für Januar.) Das neue Iahr begann mit einer Reihe von Gnaden- erweisen, sowie auch mit der üblichen Vertheilung der Geschäfte im Reichsrathe, wie leßtere alle halbe Jahre stattzufinden pflegt. In der Besetzung des Präsidiums des Reichsraths, das seit einer ge- geraumen Reihe von Iahren in den Händen des Großfürsten Kon- jtantin Nikolajewitsch sich befindet, ist keine, und unter den übrigen Inhabern von Funktionen im Reichsrath find wenige Verände- rungen eingetreten. Der Großfürst Alexis Alexandrowitsch ward zum Chef des 1. sibirishen Linien-Bataillons ernannt. Der Ad- miral Graf Lütke erhielt den Andreas-Orden, der Fürst Ba- gration, General-Gouverneur der baltischen Provinzen, den Alexander-Newski-Orden in Brillanten, andere hohe Würden- träger, darunter der Vorsißende im Oekonomie-Departement des Reichsraths Abasa und Vize-Admiral Lessowski Adlatus des Dirigirenden im Marine-Ministerium verschiedene hohe De- kforationen, worüber der Telegraph und die Tageblätter das Nähere {hon gebracht haben.

„Unter den Jubiläen, welche zum Beginn des neun Jahres gefeiert wurden, waren die bemerfenswerthesten das des General- Adjutanten Fürsten Suworow welher am 1. (13.) Januar 1876 fünfzig Jahre im Offiziersrange gestanden, von 1848 bis 1861 Gen. ral-Gouverneur der baltishen Provinzen ¿n 1861 bis 1866 General-Gouverneur von St. Petersburg gewese. und seitdem General-Inspektor der Infanterie ist; ferner das 10jährige JIubicäum des General-Adjutanten Grafen Heyden als Chefs des Generalstabes; endlich das 50jährige Jubiläum des Akademikers Brandt als Doktors der Philosophie.

Unter den bemerkenswerthen Todesfällen im Januar waren besonders zu verzeihnen am 14. neuen Styls der des Staats- S.:kretärs, ehemaligen Direktors der Kaiserlichen öffent- lihen Bibliothek und späteren Präsidenten der Abthei- lung für Gesege im Reichsrath, Grafen Modest Korff, zugleih hervorragenden riftstellers; ferner am 15. Januar der Tod des Admirals Krabbe, Dirigenten des Marine-Mini- steriums, endlih am 29. Januar der Tod des Fürsten Bagra- tion, General-Gouverneurs der baltishen Provinzen. Graf Korff hatte hon seit längerer Zeit sih von der Stellung eines Prä- sidenten der Abtheilung für Gesetze zurückgezogen und war der Staatssekretär Fürst Urussow an seine Stelle getreten; an Stelle des verstorbenen Admirals Krabbe ward der Vize-Admiral Les- sowsfi zum Dirigirenden des Marine-Ministeriums ernannt.

Im Befinden der Großfürstin Maria Nikolajewna \heint eine Wendung zum Besscren eingetreten zu sein; Bulletins über ihr Ergehen werden niht mehr herausgegeben.

In Bezug auf Mittela\ien ist zu konstatiren, daß zunächst im transfaspishen Gebiet ruhigere Zustände eingekehrt find und fih \fogar fonsolidirt haben. Dagegen haben die Tekte-Turkmenen am Atref aufs Neue russfische Karawanen geplündert, und damit große Rekognoszirungen im Thale des genannten Flusses nöthig gemaht. Auch in der chiwesishen Dase ver- langen die Turkmenen die \orgsamste Ueberwachung. Gefähr- lih ift aber der fokandishe Aufstand, welcher jedesmal an einem andern Punkte auflebt, sobald er an einem niedergeschlagen wird. Der General Skobelew, mußte bei einem erneuerten Angriffe der Kip- tshaken und Aftobed\ci's einen entsheidenderen Schlag versuchen. Er trieb die Horden auseinander, welhe sih zwischen dem Kara- Darja und dem Naryn angriffsfertig gemacht, nahm dann am 16, Januar neuen Styls eine Position bei Afk-Tschakmak unweit Andidshan, wo sich Äbderrahman Aftobed\chi verschanzt hatte. Sfobelew beshoß Andidshan am 19.; sein Unterbefehlshaber Baron Möller-Sakomeleki erstürmte einige Theile der Stadt am 20., worauf sie am 21. beseßt ward. Der General-Adjutant von Kaufmann befindet ih seit dem 18. Dezember in St. Pe- tersburg.

Das Budget für 1876 is nunmehr in seinem vollen Um- fange veröffentliht worden. Mit dem Budget des Vorjahres verglichen , stellt fich das Reichsbudget pro 1876 wie folgt: Im Jahre 1875 wurden die regulären Einnahmen des Reiches auf 532,306,209 Rubel, die außerordentlihen und Um- sazgeinnahmen auf 27,054,984 Rubel, die sämmtlichen Staats- einnahmen fomit auf 559 361,193 Rubel veranschlagt: im Jahre 1876 \chaßt man die regulären Staatseinnahmen auf 994,791,290 Rubel, die außerordentlihen und Umsagzeinnahmen auf 39,947,018 Rubel, die sämmtlichen Staatseinnahmen auf 970,138,308 Rubel. Die regulären Staatsausgaben wurden (mit Einrehnung der Steuerausfälle) auf 529,050,426 Rubel, die außerordentlihen und Umsagzausgaben auf 27,054,984 Rubel veranschlagt; im Jahre 1876 belaufen sich die regulären Staatsausgaben auf 534,705, 120 Rubel, die außerordentlichen

und Umsfagausgaben auf 35,347,018 Rubel, die sämmtlichen Staatsausgaben somit auf 570,052,138 Rubel. Wahrend man im Jahre 1875 einen Uebershuß von 3,255,783 Rubel erwartete, hofft man jegzt auf einen Uebershuß der Einnahmen um 86,170 Rubel. Dabei ergibt sich gegen das Vorjahr eine Erhöhung der Einnahme bei 22, und eine Verringerung bei 14 Positionen; eine Erhöhung der Ausgaben in 13, und eine Verringe- rung in 4 Positionen. Unter den Positionen, in welchen eine Erhöhung der Einnahmen erwartet wird, dürften folgende hervorzuheben sein: Getränksteuer von 186,185,300 Rubel auf 191,787,700 Rubel; Zölle von 54,538,000 Rubel auf 60,470,000 Rubel; unter den Punkten, wo eine Verringerung der Einnahmen erwartet wird, folgende: Rückzahlung von Vor- \{hü}sen für Eisenbahnen von 20,151,379 Rubel auf 16,200,000 Rubel ; Münzregal (wegen einer Auswechselungsoperation) von 4,729,255 auf 3,198,634 Rubel ; verschiedene kleine Einnahme- posten von 11,027,453 auf 6,641,226 Rubel. Eine Erhöhung der Ausgaben wird unter Anderem erwartet im Militärbudget von 178,049,492 Rubel auf 180,267,019 Rubel, im Justiz- Ministerium (wegen Ueberweisung der Justizverwaltung Polens an unser allgemeines Justiz-Ministerium) von 12,844,547 Rubel auf 14,340 226 Rubel, eine Verringerung der Ausgaben dagegen in folgenden Kapiteln: Zahlungen auf die Staats\huld von 108,417,987 Rubel auf 106,910 946 Rubel ; Marine-Ministe- rium von 25,106,017 Rubel auf 25,038,381 Rubel; Domänen- Ministerium von 19,726,966 Rubel auf 19,042,177 Rubel; Ministerium der Verkehrswege von 17,598,871 Rubel auf 17,018,350 Rubel. Dabei hat Rußland im Jahre 1874 nah dem Kontroleshluß einen Einnahmeübershuß von 14,876,000 Rubeln gehabt und seit 1870 die Staats\hulden um 87,870,000

Erste Beilage

Berlin, Montag, den 14. Februar

konsolidirter Eisenbahn-Obligationen amortifirt. Die gesammte Staats\huld Rußlands beziffert fich nun auf 1,494,070,791 Rubel. Das Wachsthum der jährlichen Staatseinnahmen seit 20 Jahren beläuft f{ch auf 295 Millionen Rubel, und zwar ohne Erhöhung der Steuern, jedoch unter steigender Entwicke- lung der Ressourcen und Reform der Verwaltung.

Es liegen Daten über die Resultate der legten Aushebung vor, wenn au vor der Hand nur in Bezug auf das europäishe Ruß- land. Von 150,000 jungen Leuten, die 1874 beansprucht wur- den, fkam-:n 143,919 auf das europäische Rußland, bei der leßten ushebung (von 1875) unter den 180,000 Ausgehobenen 172,605 auf Europa. Jm Jahre 1874 waren die Ausgehobenen aus einer Zahl von 693,000 Stelungspflichtigen auszuloosen, jeßt aus einer Zahl von 678,000. Verheirathet waren unter den - Ausgehobenen 1874 53,639, unter den von 1875 aber 64,544. Die Zahl der Privilegirten, die vor der Einführung der all- gemeinen Wehrpfliht nicht fstellungspflihtig waren, betrug in beiden Jahren 2} Prozent der Ausgehobenen. Un- tauglih befunden wurden 1874 49,000 Stellungspflih- tige, jezt nur 40,000. Nicht gestellt hatten sih 1874 etwa 24,000, jezt aber nur 16,000; die überwiegende Zahl die- ser Säumigen gehört dem jüdishen Glauben an, ein kleinerer Theil aber auch den Tataren, doch werden die leßteren nicht durch die nahfolgenden Loosnummern ersezt. Daher blieb das Resultat der Aushebung in dem Gouvernement Taurien mit 229 Mann im Rüekstande, während der Rückstand im ganzen übrigen Reihe nur 59 Mann beträgt. Von 32,311 Juden, die sih gestellt hatten, wurden 4418 ausgehoben.

Die Darlehnskassen nah dem Prinzipe der Selbf|-

hülfe haben in Rußland, wiewohl die erste vor noh niht zehn Jahren gegründet ward, unter der ländlichen Bevölkerung ungeheuren Anklang und Erfolg gehabt. Die erste dieser Kas- sen erstand im Gouvernement Nowgorod und die Regierung, verordnete für alle ähnlihen Stiftungen einen {nellen und ein- fahen Modus der Bestätigung (durh den Finanz-Minister). Im Jahre 1865 wurde eine solche Kasse bestätigt, 1869 —2; 1870—13; 1871 45; 1872 101; 1873 180; 1874 149; und in den ersten Monaten des Jahres 1875 weist der betreffende Be- riht hon 69 Neubestätigungen nah. Am 1. Iuli 1875 waren somit 557 solcher Kassen bestätigt, von welchen blos eine ein- ging und 10 niht zu Stande kamen. In drei Gouvernements (St. Petersburg, Livland, Cherson) giebt es in allen Kreisen solche Kassen, in 30 Gouvernements, nämlich Witebsk, Wladimir, Minsk, 9 Weichselgouvernements (nämlih im Königreich Polen außer Sumalki), 6 kaukasischen, 6 fibirishen und 6 central- asiatishen Provinzen. Dagegen giebt es in Polen viele Gemeinde - Leihbanken für Bauern, z. B. im Gouver- nement Lublin allen 8 uwd im Gouvernement Siedlec 39. Solcher Gemeinde-Leihbanfen giebt es auch im übrigen Rußland, z. B. in Podolien allein 1143. Außerdem giebt es in Rußland 50 ökonomische Gesellschaften, und haben im Jahre 1875 82 landwirthschaftlihe Kongresse stattgehabt. E Der „Regierungs-Anzeiger“ bringt eine Uebersicht der Brände, welhe während des Iahres 1875 in Rußland stattgehabt. Es gab demnach in 66 Gouvernements, in 7 Provinzen (Oblasti) und 2 Stadthauptmannschaften (Derbend und Sebastopol) zu- sammen 25,976 Brände. Unter diesen Feuersbrünsten liegt bei 3609 der Verdacht oder die Gewißheit der Brandftiftung vor; 6836 Brände entstanden aus Unvorsichtigkeit, 900 dur Bli, 14,631 aus unbekannten Ursachen. In 2543 Fällen war der durch den Brand hervorgerufene Schaden nicht angegeben ; die übrigen 23,433 Brände verursahten einen Gesammtschaden von 64,096,896 Rubeln.

In den Reichsraths-Departements für Geseße und Staats- Oekonomie, die sih zu diesem Behufe zu gemeinsamer Berathung zusammengethan, wird unter Mitwirkung von Delegirten der kom- petenten Ministerien, sowie auch des Adels, der Landstände, und gro- her Städte der Gesezentwurf einer neuen Arbeiter- und Dienstboten-Ordnung diskutirt. Lezterer ward im vorigen Jahre in einer Kommission, wo Delegirte der kompetenten Mi- nisterien, sowie auch 24 Adelsmarschälle und Landschafts3-Präsi- denten, sowie auch Delegirte der größeren Städte saßen, unter dem Vorsiß des Domänen-Ministers Walujew durchberathen. In diesem Projekt, das die betreffenden Fragen in ihrem ganzen Umfange behandelt, werden dem Arbeitnehmer in Bezug auf den Rücktritt vom Arbeits- oder Dienstvertrage einige Erleich- terungen gesichert, dagegen dem Prinzip, daß der Arbeiter und Dienstbote von seinem Vertrage nit willkürlich abspringen darf, durch Einführung von Arbeitsbüchern eine wirksame Ga- rantie an die Seite gesezt. Das willkîrlihe Weggehen von der Arbeit, und die faktische Unverfolgbarkeit solher Kontraktbrüche gehört zu den \{limmsten Kalamitäten unserer Landwirthschaft. Seit der Einführung der Gerichtsreform und der modernen Justiz - Institutionen gab es mancherlei Kompetenzstreitigkeiten zwischen der Justiz, der Staatsanwaltshaft und den Polizei- behörden. Die Zweifel, welhe zur Sprache kamen, wurden von dem Senat stets im Sinne der modernen Jurisprudenz ent- schieden. Die wiederholten Anfragen von verschiedenen Seiten ließen es aber wünschenswerth ersheinen, den Behörden im Sinne des Allerhöchsten Ukases eine allgemeine Instruktion über die zweifelhaften Punkte zu ertheilen. Eine Kommission von den betheiligten Ministern hat eine \olche Instruktion aus- gearbeitet, welche in Form von Cirkulären an die Behörden ergehen wird; einige Punkte, deren Interpretation aus dem Allerhöhsten Ukase über Einführung der Gerichtsreform nicht zu entnehmen ift, bedürfen noch der persönlihen Entscheidung oder doch der speziellen Bestätigung des Kaisers.

Reichstags - Angelegenheiten. TI, __ Die Strafgeseßtnovelle lautet nah den Beschlüssen des Reichstags in dritter Berathung :

S. 360. 3) wer als beurlaubter Reservist oder Wehrmann der Land- oder Seewehr ohne Erlaubniß auswandert, ebenso wer als Er- saßreservist erster Klasse auswandert, ohne von feiner bevorstehenden Auswanderung der Militärbehörde Anzeige erstattet zu haben;

glih Preußisheu Staats-Anzeiger.

„ISES

a | papier, Stempelmarken, Stempelblauketten, Stempelabdrüden, öfent- | Uchen Bescheinigungen oder Beglaudigungen dienen fönnen, anfertigt oder an einen Auderen als die Behörde verabfolgt ;

7) wer unbefugt die Abbildung des Kaiserlichen Wappens oder von Wappen eines Bundesfürftea oder von Landeswappen gebraudht ;

__ 12) wer als Pfandleiher oder Rückaufshändler bei Ausübung jeines Gewerbes den darüber erlasseneu Anordnungen zuwiderhandelt ;

S. 361. 6) eine Weibsperson, welche wegen gewerbsmäßiger Un-

zucht einer polizeilihen Aufsicht unterstellt ist, wenn sie den in dieser Hinsicht zur Sicherung de: Gesundbeit, der óffentliwen Ordnung und des ôffentlihen Anstandes erlassenen polizeilichen Vorschriften zuwider- handelt, oder welche, ohne einer solchen Aufsicht unterstellt zu sein, gewerbsmäßig Unzucht treibt; ___§. 363. wer, um Behörden oder Privatpersonen zum Zwecke seines besseren Fortkommens oder des befferen Fortkommens eines An- deren zu täuschen, Pässe, Militärabschiede, Wanderbücher oder fonstige Legitimationepapiere, Dienft- oder Arveitsbücher oder sonstige auf Grund besonderer Vorschriften auszustellende Zeugn:fse, sowie F3h- rungs- oder Fähigkeitszeugnisse falsch anfertigt oder verfäl'cht, oder wissentlich von einer folcen fa:schen oder verfälsten Urfunde Be- brauch macht, wird mit Haft oder mit Geldstrafe bis zu Einhundert- fünfzig Mark bestcaft.

Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher zu dems-lben Zwecke von solchen für einen Andecen ausgestellten echten Urkunden, a!s ob sie für ihn ausgeftellt seien, Gebrauch macht, oder welcher solche für ihn ausgestellte Urkunden einem Anderen zu dem gedachten Zwecke überläßt.

S. 366. 3) wer auf ösffentlihen Wegen, Straß-n, Pläßen oder Wasserstraßen das Vorbeifahren Anderer muthwillig verhindert ;

8) wer nach einer ösffentlihen Straße oder Wasserstraße, oder nach Orten hinaus, wo Menschen zu verkehren pflegen, Sacen, dur deren Umstürzen oder Herabfallen Jemand beshädigt werden kann, ohne gehörige Befestigung aufstellt, oder aufhängt, oder Sachen auf eine Weise ausgießzt oder auswirft, daß dadurch Jemand beschädigt oder verunreinigt werden fann ;

__ 9) wer auf sffentlihen Wegen, Straßen, Pläßen oder Wasser- straßen Gegenstände, durch welche der freie Verkehr gehindert wir, aufstellt, hinlegt oder liegen läßt;

10) wer die zur Erhaltung der Sicherheit, Bequemlichkeit, Rein- lichkeit und Ruhe auf den öffentlihen Wegen, Straßen, Plätzen oder Wasseritraßen erlafsenen Polizeiverordnungen übertritt ;

S. 367. 5) wer bei der Aufbewahrung oder bei der Beförderung von Giftwaaren, Schießpulver oder Feuerwerken oder bei der Auf- vewahrung, Beförderung, WVerauégabung oder Berwendung von Sprengstoffen oder anderen explodirenden Stoffen, odr bei Ausübung der Befugniß zur Zubeceitung oder Feilhaltung dieser Gegenstände, Ee Arzeneien, die des‘alb ergangenen Verordnungen nicht esolgt;

8) wer ohne volizeilihe Erlaubniß an bewohnten oder von Menschen besuchten Orten Selbstgeschosse, Schlage!fen oder Fußangeln legt, oder an solchen Orten mit Feuergewehr oder anderem Schießz- werkzeuge schießt, oder Feuerwerkskörper abbrennt ;

10) wer bi einer Schlägerei, in welche er nicht ohne sein Ver- \chulden hineingezogen worden ift, oder bei einem Angriff sich einer Waffe, insbesondere eines Messers oder eines anderen gefährlichen Werkzeuges bedient ;

S. 369, Mit Geldstrafe bis zu Einhundert Mark oder mit Haft bis zu vier Wochen werden bestraft :

1) Schloffer, welche ohne obrigkeitlihe Anweisung oder ohne Geneh- migung des Inhabers ciner Wohnung, Schlüssel zu Zimmern oder Behältnissen in der leßteren anfertigen oder Schlösser an denselben öffnen, ohne Genehmigung des Hausbesitzers oder scines Stellver- treters einen Hausschlüssel anfertigen, oder ohne Erlaubniß der Po- lizeibehörde Nachichlüssel oder Dietriche verabfolgen :

2) Gewerbtreibende, bei denen zum Gebrauche in ihrem Ge- werbe geeignte, mit dem geseßlichen Eichungsstempel nicht versehene oder unrichtige Maße, Gewichte oder Waagen vorgefunden werden, oder welche sich einer anderen Verleßung der Vorschriften über die Maß- und Gewicßtspolizei s{uldig machen ;

3) Gewerbtreibende, welche in Feuer arbeiten, wenn sie die Vor- schriften niht befolgen, welche von der Polizeibehörde wegen Anl-gung und Verwahrung ihrer Feuerstätten, sowie wegen der Art und der Zeit, sich des Feuers zu bedienen, erlassen sind.

Im Falle der Nr. 2 ist neben der Geldstrafe oder der Haft auf die Einziehung der vorschriftswidrigen Maße, Gewichte, Waazen oder sonstigen M-cßwerkzeuge zu erkenven.

S. 370, Mit Geldstrafe bis zu Einhundertfünfzig Mark oder mit Haft wird bestraft:

1) wer unbefugt ein fremdes Grundftück, einen öffentlichen oder Privatweg oder einen Grenzrain durch Abgraben oder Abpflügen ver- ringert ;

2) wer unbefugt von öffentlichen oder Privatwegen Erde, Steine oder Rasen oder aus Grundstück?-n, welche einem Anderen gehören, Erde, Lehm, Sand, Grand oder Mergel gräbt, Plaggen oder Bülten haut, Rasen, Steine, Mineralien, zu deren Gewinnung es einer Ver- leihung, einer Konzession oder einer Erlaubniß der Behörde nicht be- darf, oder ähnliche Gegen'iände wegnimmt ;

3) wer von einem zum Dienststande gehörenden Unteroffizier oder Gemeinen des Heeres oder der Marine ohne die schriftliche Erlaub- niß des vorgeseßten Commandeurs Montirungs- oder Armaturstücke fauft oder zum Pfande nimmt;

4) wer unberechtigt fisht oder frebst ;

5) wer Nahrungs- oder Genußmittel von unbedeutendem Werthe oder in geringer Menge zum alsbaldigen Verbrauche entivendet.

Eine Entwendung, welche von Verwandten aufsteigender Linie gegen Berwandte absteigender Linie oder von einem Ehegatten gegen den anderen begangen worden ift, bleibt straflos ; 5

6) wer Getreide oder andere zur Fütterung des Viehes bestimmte oder geeignete Gegenstände wider Willen des Eigenthümers wegnimmt, um dessen Vieh damit zu füttecn.

In den Fällen der Nr. 5 und 6 tritt die Verfolgung nur auf Antrag ein. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig.

Artikel Il. Hinter die §8. 49, 103, 223, 296, 353 und 366 des Strafgeseßbuchs werden die folgenden neuen §8. 49 a., 103a, 223a,, 296 a., 353a. und 366a., hinter die Nr. 8 des 8. 361 wird die neue Nr. 9 eing stellt,

8. 49a. Wer einen Anderen zur Begehung eines Verbrechens oder zur Theilnahme an einem Verbrechen auffordert, oder wec eine folche Aufforderung annimmt, wird, soweit nit das Gesetz eine an- dere Strafe androht, wenn das Verbrechen mit dem Tode oder mit lebenslängliher Zuchthausftrafe bedroht ist, mit Gefängniß nicht un- ter drei Monaten; wenn das Verbrechen mit einer geringeren Strafe bedroht ist, mit Gefängniß bis zu zwei Jahren oder mit Festungs- haft von gleiher Dauer bestraft.

Die gleiche Strafe trifft Denjenigen, welcher sh zur Begehung eines Verbrechens oder zur Theilnahme an einem Verbrechen erbietet, fowie Denj-.nigen, welcher cin solches Erbieten annimmt.

Es wird jedoch das lediglich mündlich auégedrückte Auffordern

—,, 4) wer ohne shriftlihen Auftrag einer Behörde Stempel, Siegel, | Stiche, Platten oder andere Formen, welche zur Anfertiguag von |

Rubel vermindert, endlich jährlih gegen 28 Millionen Rubel

Metall- eder Papiergeld, oder von folchen Papieren, welche nah S. 149 dem Papiergelde gleihgeachtet werden, oder von Stempel-

oder Erbieten, fowie die Annahme eines solchen nur dann bestraft, wenn die Aufforderung oder das Erbieten an die Gewährung von Vortheilen irgend welcher Art geknüpft worden ift.

Neben der Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürgeclichen Ehrenrechte und auf Zulässigkeit von Polizeiaufsiht erkannt werden.

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