1876 / 61 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 10 Mar 1876 18:00:01 GMT) scan diff

jestät der Gegenstand hoher, aufrihtiger Huldigung und Be- geifsterung.

Au der Thiergarten, in welhem die Luisen-Insel und das Denkmal König Friedrich Wilhelms 11. in finniger Art reich mit Blumen geschmückt waren, bildeten einen Sammelpunkt für Tausende, die an dem erinnerungsreichen Tage in verehrungsvoller Liebe der Hochseligen Frau gedachten.

Das Museum im Schlosse Monbijou, das zahlreiche Gegenstände besißt, welhe an die Hochselige Königin erinnern, war heute geöffnet und erfreute fih eines zahlreihen Besuches.

Auch die Shuljugend, besonders die weibliche, wurde in entsprehender Weise auf die Weihe des nationalen Festtages aufmerksam gemacht. In allen öffentlihen und Privat- mädhenscchulen fiel der Unterricht aus und an seine Stelle trat eine Feier, in welcher der Geschichtslehrer oder der Dirigent der Anftalt den Schülerinnen das Lebensbild der Königin Luise vorführte. Besonders fleißige Schülerinnen erhielten zur dauern- den Erinnerung an die Feier des Tages Prämien, die in Lebensbeschreibungen oder Bildnissen der Königin bestanden. Jn den Knabenschulen, sowie in den Schulen, in denen Knaben und Mädchen gemeinsam unterrihtet werden, trat die Feier an die Stelle der beiden leßten Unterrichtsftunden des Vormittags.

In besonders feierliher Weise beging die Königliche Luisenstiftung, eine Anstalt, die ihr Entstehen der Königin Luise selbst verdankt, das heutige Feft. Am Morgen wurde vom Archidiakonus Müllensiefen in gewohnter Weise der ver- sammelten Anstalt die Rede vorgelesen, welhe der Prediger Dr. Janke am Eröffnungstage, am 10. März 1811, gehalten. Darauf fand der Besuch der Louiseninsel und des Denkmals Friedri Wilhelms 1. statt. Zu der Festfeier am Abend haîte Ihre Kaiserlihe und Königliche Hoheit die Kronprinzessin Höchstihren Besuch zugesagt.

Der Vaterländishe Frauen-Verein hat mit Genceh- migung seiner Allerhöhsten Protektorin, Ihrer Majestät der Kaiserin-Königin, aus Anlaß der Gedächtnißfeier bei der hundert- jährigen Wiederkehr des Geburtstags Ihrer Hochseligen Majestät eine Adresse an Se. Majestät den Kaiser und König gerichtet.

Auch in den übrigen Kreisen der Berliner Frauen und Iungfrauen fand der Gedanke, den hundertjährigen Geburts- tag der Hohen Frau festlich zu begehen, freudigen Anklang. Der Verein für höhere Töchtershulen verbindet mit der patriotischen Feier die Aufführung eines flassishen Stükes; der Berliner Hausfrauen-Verein veranstaltet in der Passage statt seines sonstigen geselligen Abends eine Feier , die aus Prolog, Rede uud deklamatorish-mufikalischen Vorträgen befteht. Déer Frauenverein für Belehrung und Unterhaltung wird dagegen ers am Sonntag den, 12. d. M., im Hotel de Rome eine entsprehende Soirée veranstalten.

Um auch kommenden 'Geshlehtern noch ein lebendiges Zeugniß von dcr innigen Theilnahme zu geben, mit der die Gegenwart den heutigen Gedenktag feiert, hat fih, wie {hon früher gemeldet, zum ewigen Gedähtniß an den hundertjährigen Geburtstag der Königin Luise der Verein „Luisenstiftung 1776—1876“ zu dem Zwecke gebildet, begabten Kindern beiderlei Geshlechtes ohne Unterschied der Religion aus den Nolksz- und Elementarshulen der Städte und des platten Landes in Deuts&land bis zu ihrer Selbständigkeit beizustehen.

Der Gedanke, der unvergeßlihen Königin ein würdiges Denkmal in Berlin zu errihten, geht seiner Verwirklihung ent- gegen. Auf Veranlassung des provisorishen Aus\hu}ses für das Luisen-Denkmal findet heute Abend in dem von den städtishen Behörden zur Disposition geftellten großen Saale des Rathhauses eine Gedenkfeier ftatt, bei welcher der Professor Dr. v. Treitshke die Festrede halten wird.

Der Bundesrath hielt gestern die 11. Plenarsizung unter Vorsiß des Staats-Ministers Dr. Delbrück. Es wurden drei Mitglieder des Reihsbank-Kuratoriums gewählt, ferner wurde ein Bankhaus zur Vermittelung der Geschäfte des Reichs- Invalidenfonds bezeihnet und hierauf ein Aus\hußberiht, be- treffend die Verordnung bezüglich der Ausführung des Geseges über die Kriegsleistungen, erstattet. Endlich wurde eine Eingabe vorgelegt.

In der gestrigen Sigzung des Hauses der Abgeord- neten erklärte in ter Berathung des Etats der Eisenbahn- verwaltung (S. Nr. 59 d. Bl.) der Handels-Minifter Dr. Achenbach in Betreff der Petitionen der Königlichen Eisenbahn- beamten um Gehaltserhöhung:

Meine Herren! Ich habe rur eine kurze Bemerkung zu machen. Auf der einen Seite wird den Staatsbahnen vorgeworfen, daß die persönlichen Auëgaben si fortgeseßt steigern und dabei zugleich die Ansicht auêgespcochen, daß man genaue Ermittelungen darüber an- ftellen müfse, wie es komme, daß die Privatbahnen billiger wirth- haften, auf der anderen Seite besteht dagegen ein fort- geseßztes Drängen, mit ven persönlihen Auëgaben weiter in die Höhe zu gehen. Dann wird wieder in einer Session, wenn die Regieruna Ihnen vorschiägt, den betreffenden Funktionären eine festere Stellung zu geben, indem sie in die Kategorie der Beamten gebzacht werden sollen, in dem hohen Hause autge- iproven, daß diese Vermehrung des Beamtenpersonals uner- träglih sei, daß mit allen neuen Anstellungen eingehalten we:den müsse, und daß man die Leute rein in dem Verhältnisse ein:s Arbeiters zu belassen habe. In der nächsten Session spricht man dagegen wieder seine vollste Sympathie mit den betreffenden Fun?ktionären aus und verlangt von der Staatsregierung, daß fie die Leute in cine festere Stellung bringe. Ich sollte glauben, meine Herren, diese Svympathieversicherungen find überhaupt völlig entbehr- li. Nehmen Sie denn an, daß die Königliche Staatsregierung hier auf cinzm anderen Standpunkt ftehe, als Sie selbft? Liegt es nicht vielleicht ihr sogar näher, da fie in einem engeren Ver- bältniz zu diesen Funktionären fteht, deren (Einkommen nach Möglichkeit zu verbessern? Aber diese Sympathie darf doch nicht fortgeseßt dazu führen, die Regierung durch Resolutionen dahin zu schrauben, mit Erhöhung der Gehälter vorzugehen. Nun wird in der Resolution zu 1 allerdings der Regierung zunächst die Sache nur zur Erwägung gegeben. Warum ? Wenn Sie glauben, daß die Grbäiter ungenügend find, so haben Sie doch auch den Muth, offen auszusprechen, daß dieselven erhöht werden sollen. So s{reiben Sie aber der Regierung die Verantwortung zu; sie soll erwä- gen, sie soll in die Frage eintreten und auf diese Weise wird wiederum diz ganze Klasse dieser Beamten beunruhigt, sie werden it fortgeïezter Aufregung erhalten, fie petitioniren aufs Neue an die Regierung, fiad unzufrieden mit ihrem Chef, weil er ibre Erwartungen nicht erfüllt, die sie rngeblich auf Grund folder Resolutioneu hegen dürfen. Sind Sie der

Ansitt, daß diese Gehälter zu niedrig find, so sprechen Sie es offen aus, ih meineëtheils bin dieser Ansicht zwar niht. Nach den- jenigen Ermiitelungen, die ich sogar in England über die Gehälter derartiger Beamtenklassen habe anftellen lassen, kann ich behaupten, daß, troß der versiedenen Theuerungsperhältnisse hier und dort unjere Unterbearzten befser gestellt sind als die englishen. Es muß doc in diescr Beziehung eiamal Hait geboten werden, man muß doch

endlich einmal eine feste Stellung einnehmen, und ih bitie Sie dringend, derartige Resolutionen abzulehnen und die Sache zur Rubke zu bringen.

Im weiteren Verlauf der Berathung antwortete der Handels3- Minifter Dr. Achenbach zu Tit. 17 (Steuern, Kommunal- abgaben 2c.) auf eine Anfrage des Abg. Berger, daß ein Geseß- entwurf über die Kommunalbesteuerung der Bahnen in der nächsten Session werde vorgelegt werden. Die Pofition wurde bewilligt.

Ä Zu Kap. 25 („Westfälishe Bahnen“) beantragte Abg. erger:

die Königliche Staatsregierung aufzufordern: 1) bei Feststellung der speziellen Pläne für die durch das Geseg vom 17. Juni 1874 genehmigte Eisenbahn von Dortmund nah Oberhausen resp. Sterk- rade nebst Zechenzweigbahnen thunlichst die Mitbenußung der vorhan- denen Eisenbahnlinien zu sichern und zu diesem Zwecke eventuell die 88. 27 ff. des Geseßes vom 3. November 1838 in Anwendung zu bringen, auch nöthigenfalls diese Geseßesbestimmungen auf Grund der gewonnenen Erfahrungen einer sahgemäßen Reform zu unterziehen ; 2) spätestens bei Eröffnung des Betriebes auf der laut Gefeß vom 17, Juni 1874 auézuführenden Eisenbahn von Dortmund nah OberHausen resp. Sterkrade den Siß der Direktion der Westfälischen Staatseisenbahn von Münster nach einem Orte des rheinisch-west- fälishen Industriebezirkes zu verlegen,

Nach Befürroortung des Antrages durch die Abgg. Dr. Hammacher und Berger erklärte der Regierungskommissar Mi- nisterial-Direktor Weishaupt sich mit dem ersten Theil desselben einverstanden, während er über den zweiten sih noch eine weitere Erwägung vorbehielt. Der Abg. Dr. Lasker hielt es für bedent- lih, die hohwichtige Frage, ob die Verwaltung centcalisirt wer- den oder lokal bleiben folle, bei diesem Anlaß zu entscheiden ; das Haus werde noch in dieser Session Gelegenheit haben, die Sade prinzipiell zu behandeln. Der Abg. Berger zog hierauf die Nr. 2 \eines Antrages zurück, Die Nr. 1 desselben wurde vom Hause angenommen.

Zu Kap. 27 („Hannoversche Bahnen“) richtete der Abg. Lauenstein die Anfrage an die Regierung, in welhem Sta- dium \fih die Angelegenheit des Elbbrücckenbaues zu Hohnstorf befinde. Der Handels-Minister Dr. Achenbah erwiderte, die Ver- handlungen hierüber würden in kurzer Zeit zu einem endgültigen Abschluß gediehen sein und seien bereits alle Vorbereitungen zur Inangrif\nahme des Baues getroffen.

Die Positionen dieses Kapitels wurden genehmigt.

Die Beschwerden der Abgg. von Wedell - Malhow und Freiherr Dr. von der Goly veranlaßten eine kurze Debatte über die Berlin-Stettiner Bahn, an welcher si{ch die Abgg. Schmidt (Stettin), Dr. Lasker und Windthorst (Meppen) betheiligten.

Zu Kap. 33 (Centralverwaltung und Eisenbahn - Kom- missariate) beschwerte fich Abg. Kalle über die häufigen in leßterer Zeit durch zu langen Gebrauch der Schienen entstandenen Achsen- brüche, sowie über die \{chlechte Heizung der Personenwagen. Der Ministerial-Direktor Weishaupt erklärte, er hätte gewünscht, daß diese Beshwerden einzeln der Staatsregierung zur Prüfung unterbreitet worden wären, da die Behauptungen ohne er- brachten Beweis nicht als feststehend betrahtet werden könnten. Der Abg. Kalle entgegnete, er sei zur Vorbringung der Beschwerden im Hause veranlaßt worden dur die Klagen über den mangelnden Einfluß des Reichs-Cisenbahnamtes, den er stärken wolle. Die Titel 1 bis 5 wurden bewilligt.

Zu Tit. 6 (Eisenbahnkommissariate 100,275 6) \prah der Abg. Lipke den Wunsh aus, daß die Eisenbahnkommissariate von den Direktionen getrennt werden, da beide Aemter, in einer Hand vereinigt, Unzuwtäglichkeiten verursahten.

i RREs Titel der dauernden Ausgaben wurden be- willigt.

Beim Extraordinarium Kap. 10 Tit 10 (Westfälische Bahn) wies der Abg. Schulz (Biedenkopf) darauf hin, daß der Bau pon Eisenbahnen auf die Arbeiterverhältnisse in den Gebirgsgegenden den wohlthätigsten Einfluß übe, und bat den Handels-Minister, die Prüfung der Vorarbeiten für die dur die Kreise Wittgen- stein und Biedenkopf zu bauende Bahn zu beshleunigen.

Bei dem Extraordinarium für die Ostbahn machte der Abg. Berger geltend, daß das glänzende Resultat des Mehrüber- \{chu}ses von 22,300,672 #4 in dem Gesammtetat der Eisen- bahnen für das Iahr 1876 aus dem Minderansagz der extra- ordinären Ausgaben resultire, und daß die wohlwollenden Ab- sichten des Handels-Ministers für Unterhaltung der Baulich- feiten und Neubauten namentlich an der Ostbahn von dem Finanz-Minister vereitelt worden seien. Der Handels-Minister Dr. Achenbach entgegnete:

Ich bin dem Herrn Vorredner sebr dankbar für die Wünsche, welche er bezüglih der Eisenbahnverwaltung ausgesprochen hat; auf der anderen Seite muß ih aber doch bemerken, daß auch die Eisen- bahnverwaltung wie jede andere Verwaltung sich nah der aflgemeinen Finanzlage des Staates zu richten hat, und wenn wir in den zuleßt vergangenen Jahren bei der Fülle des Geldes in der Lage waren, ganz außerordentlich hohe Extraordinarien auszubringen, so kann wohl Niemand im Hause Zweifel darüber ge- habt haben, daß dies nicht für alle Zukunft möazlich sein werde. Die Extraordinarien, wie sie theilweise noch jeßt auf dem Etat des Han- dels- Ministeriums stehen, sind im Vergleich zu manchen früheren Jahren niht so ganz unbedeut:nd. Fch will dabei zugeben, daß das Erxtra- ordinarium der Cisenbahnverwaltung in di-sem Jahre allerdings ge- ring erscheint; es ift aber zu berüdcksichtigen, daß von den Be- willigungen der vorigen Jahre Manches noch nicht hat verwandt werden fönnen, und daß wir daher im laufenden Jahre noch manche Mittel zu verbauen haven werden, welche aus dem vorigen Etat herrühren. __ Zugleich darf ich dem Herren Vorredner versichern, daß wir, was die Stationen der Oftbahn anbetrifft, dieser Angelegenheit fortgeseßt unsere Aufmerksamkeit zuwenden, daß aber nit immer Sparsamfeits- rücfsihten es sind, die das Zustandekommen der Station oder Haltestelle verhindern. Vielfach sind z. B. bei folhen Anlagen Verhandlungen wegen An!egung von Wegen und Chausseen, die zu solchen Stationen geführt werden sollen, im Gange oder haben mit den betreffenden Interessenten niht zu einem entsp:echenden P gebraht werden fönnen. Bei manchen und zum Theil, wie ih glaube, auch bei den bezeihneten Haltestationen \chweben 3. Z. Verhandlungen auch darüber, ob die ursprünglich in Aussicht genommenen Kosten der zu erwartenden Nüßlichkeit der An- lage entsprechen werden.

Sämmtliche Titel des Extraordinariums wurden genehmigt und damit war der Etat der Eisenbahnverwaltung erledigt.

Hierauf vertagte das Haus um 3 Uhr die Fortsezung der Etatsberathung.

In der heutigen (24.) Sißung des Hauses der A b- geordneten, welher am Ministertish der Minister des In- nern Graf zu Eulenburg und der Minister der geistlihen 2c. An- gelegenheiten Dr. Falf, mit mehreren Kommissarien beiwohnten, theilte der Präsident die erfolgte Wahl und Konstituirung der Kommission für den Gesezentwurf über die Vermögensverwal- tung der fatholishen Diözesen mit. Gewöählt find die Abgg. Dr. v. Sybel (Vors.), Dr. Petri (Stello.), Haute, Werner (Shriftf.), Dauzenberg, Staß, Windthorst (Biele- feld), Dr. Wehrenpfennig, Jung, Schröder (Königsberg), Hollen-

berg, Clauswiß, Allnoch. Au die Kommission für den Geseß= entwurf über die amtlihe Geschäftssprache is gewählt und hat sich konstituirt. Gewählt sind die Abgg. Loewenstein (Vor=- fißender), Dr. Lutterroth (Stellvertreter), Nolte, Elgnowsfki (Schriftführer), v. Lyskowski, Reincke, Kantak, Welter, Magd= zinsfi, v. Wierzbinski, Dr. Aegidi, Dr. v. Cuny, Plath, Stahr, Hansen, Wittrock, Witt, Beisert, Hundt v. Hafften, v. Grand-Ry, Dr. Franz. Ferner theilte der Präsident mit, daß dem Hause von dem Minifter des Innern der Entwurf einer Städteordnung für den Geltungsbereih der Kreisordnung zu- gegangen ist. Der Abg. Frhr. v. Heereman hat eine Interpella=- tion eingebraht über das Verfahren der Regierung und des Ober-Präsidiums zu Münster bezüglih der Benußung der von den Kapuzinern und Franziskanern inne gehaltenen Gebäude. Eine andere Interpellation des Abg. Lyskowski hat die Auflösnng von Volksversammlungen wegen Anwen- dung der polnishen Sprahe zum Gegenstand.

Dann wurde die zweite Berathung des Staatshaushalts= etats (\ unter Landtagsangelegenheiten) mit der Diskussion des Etats des Ministeriums der geistlihen 2. Angele- genheiten fortgeseßt. Die Einnahmen aus dem Domkapitel in Brandenburg in Tit, 4 veranlaßten eine Diskussion, an welcher die Abgg. Dr. Eberty und Shumann fowie der Minister des Innern Graf zu Eulenburg Theil nahmen. Zu Tit. 1 der Aus= gaben (Gehalt des Ministers) veranlaßte eine Rede des Abg. Windthorst (Meppen) eine Entgegnung des Staats-Ministers Dr. Falk, in welchec derselbe seinen prinzipiellen Standpunkt in Betreff des evangelishen Summepiscopats wahrte und aus- führte, daß dadurch die gerechte Behandlung anderer Genossen- haften niht beeinträhtigt würde. Eine etwaige katholishe Abtheilung des Kultusministeriums würde bald ihren ftaatlihen Charakter verlieren und einen firhlihen annehmen. Der Abg. Dr. Wehrenpfennig beleuhtete das taktishe Verhalten der kleri- falen Partei, aus welchem die beginnende Ohnmacht derselben hervor- leute. Gegen eine weitere Rede des Abg. Windthorst machte der Kultusminister energischen Widersproh geltend, indem er versicherte, daß au die Meinungen der klerikalen Partei zur Kenntniß Sr. Majestät des Königs gebracht würden. Der Abg. Miquel trat durch eine genaue Definition des Begriffes der Parität der Auffassung entgegen, als werde durch die Synodalordnung die Parität der Konfessionen verlegt. Der Abg. Dr. Hänel führte aus, daß, wenn die klerikale Partei sh aufrihtig auf den Stand- punkt der Parität stelle, die Ausgleihung der jeßigen konfessio- nellen Gegensäße bald zu erwarten wäre. Nach einer Rede des Abg. Dr. Virhow und einigen persönlichen Bemerkungen wurde bei Schluß des Blattes die Position bewilligt.

Im Iahre 1875 sind 42,660,000 Pa kete mit der Post befördert worden, 7°/- mehr als im Jahre 1874, Die Zunahme beträgt bei den Packeten bis 5 Kilogr. nur 4/0, während gerade die \chwereren Patckete sich in stärkerem Maße, nämlih um 12 bis 18% vermehrt haben. Hieraus folgt, daß die vielfa geschehenen Aeußerungen, als würde durch das billige Paet- porto zur Zertheilung \{hwererer Sendungen in so umfassender Weise Anlaß gegeben, daß eine Beeinträchtigung des Eisenbahn- Frachtverkehrs sih daraus ergebe, unbegründet waren. Die schweren Sendungen unterliegen einem nicht unerheblichen Porto. Wenn fie gleihwohl in steigendem Maße mit der Post befördert werden, was für die postalishen Betriebseinrihtungen nur Schwierigkeiten hervorruft, \o kann dies also niht in dem Tarif

beruhen, sondern es wird mit der \s{hnellen und präzisen Be= |

sorgung und mit der bequemen Einlieferung und Bestellung zusammenhängen.

Die Ableistung eines Manifestationseides wird, nah einem Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 2. Februar d. I., als Meineid bestraft, wenn der Shwörende ein erst später fällig werdendes Forderungsreht anzugeben unterlassen hat.

Die von einem Forstberehtigten bestellten und nah Vorschrift der §8. 32 und 33 des Holzdiebstahlsgesezes vom 9, Juni 1852 vereideten Privataufseher genießen den Shuß des §. 113 des Str. G. B. und der Widerstand gegen einen derartigen Privat-Forstbeamten is demnach dem Widerstande gegen einen öffentlichen Beamten gleichzustellen. (Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 9. Februar d. I.

Die Handelskammer von Leith in Schottland hat beschlossen, zu erklären, daß Leith nunmehr als Kohlenhafen in der kommerziellen Bedeutung dieses Worts zu betrachten sei.

Der Kaiserliche Botschafter am Kaiserlih und König- lich öôsterreichish-ungarischen Hofe, Graf zu Stolberg, ist nah Ueberreihung seines Beglaubigungsschreibens hierher zurüt- gekehrt. Während feiner Abwesenheit von Wien fungirt der Botschaftsrath Graf Dönhoff als interimiftischer Geschäfts- träger.

Déer Königlih niederländishe Gesandte Herr von Rohussen is nah Berlin zurückgekehrt und hat die Leitung der niederländishen Gesand.\haft wieder übernommen.

Wie W. T. B. aus. London, 9. März, Abends, meldet, ist gestern Nachmittags der deutsche Torpedodampfer „Ziethen“ von 860 Tonnengehalt in Blackwall vom Helling der „Thames Iron Works“ vom Stapel gelassen und zum Zweck des Ein- seßens der Maschinen nah Deptfort bugsirt worden.

Sigmaringen, 6. März. Der auf den 8. d. M. fal- lende 300. Jahrestag der Stiftung des hiesigen Für- stenhauses wird, dem „Schw. M.“ zufolge, auf besonderen Wunsch nicht öffentlih gefeiert werden.

Meckelenburg. Sternberg, 9. März. (W. T. B.) Der mecklenburgishe Landtag ist heute Mittag durh Verlesung des \chwerinschen und des strelißshen Landtagsabschieds ge- \chlos\sen worden. In dem \chwerinschen Landtagsabschiede heißt es: „Anlangend das Kap. III, der Proposition wegen der fran- zösishen Kriegskosten-Gntschädigungsgelder und Ablösung von Stolgebühren, gereiht die patriotische Opferwilligkeit, mit welcher die getreuen Stände in voller Würdigung der zur Frage stchenden wichtigen staatlihen und kirchlichen Interessen ihre Beschlüsse über diese Vorlage gefaßt haben, Sr. Königlichen Hoheit zu be- sonderer Befriedigung, und haben Hochdieselben auch gern davon Kenntniß genommen, daß die getreuen Stände Allerhöhstihren Wünschen in Bezug auf den Zeitpunkt des Baues eines Museums in ganzem Umfange entgegengekommen sind.“ Zum Schluß. \priht der Großherzog den Ständen seine gnädige Anerkennung für die von denselben auf diesem Landtage aufs Neue gewährte Unterstühung seiner auf die Förderung der Landeswohlfazrt ge- richteten Absichten aus. Die neugewählten Vertreter des Fürstenthums Rayeburg sind auf Montag, den 27. März d. J., einberufen worden.

Sachsen-Meiningen-Hildburghausen. Meiningen, ] 8. März. (Magd. 3.) Nachdem die Kirchengemeinde- und Syno- dalordnung mit dem 1. März in Wirksamkeit getreten ist, hat die Regierung auch das Geseß über die Kirchen gemeindes lasten bekannt gegeben. Nach demselben sind die Ausgaben aus dem Kirchengemeindeverbande vorbehaltlich rechtsbegründeter Leiftungen Dritter, sowie der observanzmäßigen oder ortsstatu- tarishen Beiträge aus dem Abwurf des Vermögens der politi- {hen Ortsgemeinde zu bestreiten: 1) aus dein Abwurfe des Kirchenvermögens und den sonstigen verfüglihen Mitteln der Kirche, 2) durch Umlagen und Leistungen der Kirchengemeinde. Letztere werden nah dem Maßstabe der allgemeinen Steuern umgelegt und sind gleih diesen beiziehbar. Natural dienste für die Kirhengemeinde werden nah Maßgabe der jeweiligen Be- ftimmungen über die Frohnden von den Kirchengemeinde-Mit- gliedern geleistet. Auf die hiefige Hofkirhengemeinde findet dieses Geseg zunächst keine Anwendung.

Elsaß-Lothringen. Straßburg, 4. März. (Elf. Korr.) Die Entwickelung der Volks\hule in Straßburg bewegt fich nach wie vor in ruhigem, fiherem Geleise. Wie sehr auch die derzeitigen städtishen Fragen der Stadterweiterung, der Wasserleitung, Kanalanlage u. A. m. die städtische Verwaltung beschäftigen, so wird doch auch die hohwichtige Sache der Volks- schule nicht außer Acht gelassen. Die Schulpflichtigkeit übt, ohne daß an betreffender Stelle harte Strafmittel angewandt wurden, ihre heilsamen Wirkungen aus; es giebt bereits Volks- \chulen, in denen der Shulbesuh nihts mehr zu wünschen übrig läßt. Das Interesse der Lehrerschaft, ihre erhöhten Aufgaben mit beftem Erfolge - zu lösen, is in erfreulichem Wachsen be- griffen. Das Konferenzwesen hat si sehr vorth-ilhaft ent- wick-lt; allmonatlih finden Lehrer- und Lehrerinnen-Konferenzen unter lebhafter allseitiger Betheiligung statt. Das Fröbelsche Kindergartenwesen briht \sich mehr und mehr Bahn; von mehrcren Asylschulen kann behauptet werden, daß sie den Prozeß der Umwandlung zum größten Theil vollzogen haben; andere verhalten sich dagegen zu der Fröbelschen Erziehungsweise noh negativ; bis jeßt ift in dieser Sache ein Zwang irgendwelcher Art nicht ausgeübt worden; was geschehen ist, erfolgte nach vor- gängiger Darlegung der Sache dur den Kreis\chulinspektor aus freien Stüen.

Die Befürchtung, daß na Fortfall der französischen Sprache aus den Volksschulen diese sih entvölkern würden, hat sich nicht bestätigt. Im Gegentheile, die Schülerzahl nimmt von Tag zu Tage zu. Seit 3 Iahren dürfte dieselbe um ca. 1000 gewachsen sein. Seit dem Jahre 1870 wurden die damals vorhandenen 80 elementaren Schulklassen um 30 vermehrt, und mit Ostern c. werden 10—12 neue Klassen hinzugefügt. Man will so viel als möglich allen berechtigten Wünschen der städtishen Bevöl- ferung genügen und auch durch Innehaltung einer niht zu hohen Schülerziffer das Wirken in den einzelnen Klassen er- leihtern und erhöhen. Damit die Jugend extra muros des fürzeren oder weiteren Schulweges mit seinen Gefahren und Beschwernissen überhoben werde, wird mit Ostern, nachdem in Königshofen, Kronenburg und den Annexen auf der Nord- und Ostseite der Stadt bereits früher mit der Gründung eigener Schulen vorgegangen worden, auch am Grüneberg, den Wünschen der dortigen Bevölkerung entsprehend, mit der Anlage von drei neuen Squiklassen begonnen. Nah und nah werden so sämmt- lihe Schüler, außerhalb der Stadt wohnend, ihren Unterricht besonders und in nächster Nähe empfangen.

Gegen Ende dieses und Anfang des nächsten Monats wer- den die Schulentlassungsprüfungen statthaben. Wie bisher, so werden auch diesmal Schulkommissionen, vom Bürgermeister- amte besonders bezeichnet, die Prüfungen abhalten und darüber Befundberichte behufs geseßlicher Entlassung einreichen. Die betreffenden Schüler der verschiedenen Privatshulen werden zu Einer Prüfung zusammengeshlossen, um die Arbeit der Kom- missionen zu vereinfahen. Nah dem Urtheile vieler Kommis- sionsmitglieder hat in den legten 5 Jahren jede folgende Prü- fung einen höheren Stand unterrichtlicher Leistung ergeben ; hoffen wir, daß die diesmalige Prüfung gleihfalls günstige Re- sultate zu konstatiren hat.

Oesterreich-Ungarn. Innsbruck, 9. Márz. (W. T. B.) Bei Beginn der heutigen Landtagsfizung erklärte Graf Brandis, daß die Majorität des Landtags wegen der empfindlichen Kränkungen, die das öffentliche Recht Tirols in den leßten Jahren er- litten habe, den Landtag verlasse. Die Majorität verließ nach dieser Erklärung den Landtagssaal. Vom Statthalt-x wurde der Protest des Grafen Brandis als grundlos und gesezwidrig zurückgewiesen und das Vorgehen der Majorität als pslihtwidrig bezeihnet. Der Landtag ist nach dem Austritt der Majorität niht beschlußfähig.

Pest, 8. März. Die Wiederaufnahme der Verhand- lungen zwishen den beiderseitigen Ministern erfolgt am 30. März in Wien.

—- 9, März. (W. T. B.) Das Abgeordnetenhaus hat die Gesezvorlage, betreffend die Anleihe zum Zweck eines Arrangements wegen der garantirten Eisenbahnen, unverändert angenommen. Die laufende Session soll in den nächsten Tagen geschlossen, die Session 1876/77 aber kurz darauf eröffnet werden.

Zara, 9. März. (W. T. B.) Der Statthalter von Dal- matien, Feldzeugmeister v. Ro dich, begiebt sich in Folge beson- derer Weisung des Grafen Andrassy abermals nah dem In- surrektionsgebiet und wird mit dem türkischen Gouverneur des Vilayets konferiren.

Niederlande. Haag, 6 März. In der heutigen Sizung der Zweiten Kammer der Generalstaaten ist die am 11. August v. J. in Brüssel zwischen Frankreich, Belgien, Groß- britannien und den Niederlanden abgeschlossene Konvention, die Besteuerung der Zuckerfa brikation betreffend, mit 56 Stimmen gegen 17 abgelehnt worden, nachdem sh die Kammer vorher für die Priorität der Abstimmung über die Regierungsvorlage vor derjenigen über die Vorlage des Abgeordneten de Bruyn Kops wegen Abschaffung der Zucker- accise mit 47 Stimmea gegen 24 ausgesprochen hatte.

Das Interesse in und außerhalb der Kammer vor der Entscheidung über die Geseßesvorlage war sehr lebhaft, die Diskussion selb| verhältnißmäßig Ju

Nah der Ablehnung der Konvention durch die Kammer wurden die beiden mit der Konvention im Zusammenhange stehenden Accisegesezesvorlagen von der Regierung zurückgezogen. Der Abg. de Bruyn Kops beantragte hierauf, den von ihm eingebrahten Geseßesvorschlag wegen Abschaffung der Zucker- accise auf die nächste Tagesordnung zu segen, erklärte fich jedo \chließlich mit dem Antrage des Abg. Kapeyne einverstanden,

wona die Verhandlungen über diese Frage sofort nad Been- digung der Diskussion über die den höheren Unterricht betref- fenden Geseßesvorlagen ihren Anfang nehmen s\ollen.

Großbritannien und Jrland. London, 8 März. In der leßten Nummer der „Gazette“ wird die Ernennung des bisherigen britishen Geschäftsträgers in München, Herrn Morier, zum Gesandten in Lissabon amtlich angekündigt. Den letzten Nachrichten aus Jndien zufolge ist der Prinz von Wales auf der Rückreise von Nepal in Allahabad angekommen und von dem Vizekönig, dem Oberkommandanten der in Indien stehenden Truppen, dem Gouverneurlieutenant der nordwestlichen Provinzen und den Spigen der Civil- und Militärbehörden mit großer Feierlichkeit empfangen worden. Eine Adresse des Stadtrathes wurde vorgelesen. Der Prinz begab sih vom Bahnhof zum Regierungsgebäude und hielt dort ein Kapitel des Sterns von Indien ab. Die also Ausgezeichneten befinden si im Gefolge des Prinzen, und die Ceremonie war deshalb auch mehr privater Natur im Gegensaß zu der großen Junvestitur, die der Prinz vor seiner Abreise von Calcutta abhielt und bei der hauptsählich iodishe Fürsten betheiligt waren. Von Allahabad hat sich der Thronfolger nach Jndore begeben.

9. Mars (V. 2. D) om Unterhause kündigte heute der Deputirte Campbell an, daß er demnähst den An- trag auf Annahme einer Resolution einbringen werde, worin es als inopportun für England erflärt wird, daß sich dasselbe an irgendwelcher Abmahung zur Erleichterung einer von de-m Khedive von Aegypten aufzunehmenden Anleihe betheilige.

Im weiteren Verlauf der Sizung beantragte der Premier Disraeli, die zweite Lesung des Gesezentwurfes über die Titel der Königin vorzunehmen, und machte zugleich die Mittheilung, daß die Königin ihren bisherigen Titeln den einer Kaiserin von Indien hinzufügen werde. Samuelson stellte den Antrag, die Berathung der Vorlage einstweilen zu vertagen. Nach einer lebhaften Debatte, in welcher Gladstone sich gegen die Annahme des Titels „Kaiserin“ aus\prahch und es tadelte, daß die übrigen Kolonien in dem Königlichen Titel nicht be- rücksichtigt werden, ward der Vertagungsanirag mit 284 gegen 91 Stimmen abgelehnt und die zweite Lesung der Vorlage be-

\chlossen.

Frankrei. Paris, 9. März. (W. T. B.) Das neue Ministerium ist konstituirt und folgendermaßen zu- sammengeseßt: Dufaure, Vize-Präsident des Ministerkonseils und Minister der Iustiz, Ricard, Minister des Innern, Herzog De- cazes, Minister der auswärtigen Angelegenheiten, de Cissey, Kriegs-Minister, Fourichon, Marine-Minister, Léon Say, Finanz- Minister, Christophle, Minister der öffentlichen Arbeiten, Teisse- renc de Bort, Minister des Ackerbaues und des Handels, Wad- dington, Minister des öffentlichen Unterrichts.

10. März. (W. T. B.) Das „Journal oto veröffentliht die neue Ministerl iste in derselben Zusammen- seßung, wie dieselbe vorstehend gemeldet is. Dufaure, welcher zum Konseils-Präfidenten ernannt ist, übernimmt auch das Ministerium des Kultus, das von dem Ministerium des öffentlichen Unter- richts getrennt wird.

Versailles, 9. März. (W. T. B.) In der heutigen Sißung der Deputirtenkammer übernahm Grévy das Amt des provisorishen Vorsienden mit Worten des Dankes für seine Wahl und mit der Versicherung, daß er ein getreuer Wächter der Würde und der Prärogativen der Kammer sein und sich bei Leitung der Debatten der strengsten Unparteilich- feit befleißigen werde. Hierauf begann die Kammer mit den Wahlprüfungen und wurden mehrere Wahlen für giltig erklärt. Von den zu Vorsitzenden der Abtheiiungen der Kammer Gewählten gehören 6 der Linken, 2 der äußersten Linken und 3 dem linken Centrum an.

Die Ansprache, mit welcher der Präsident Herzog von Auddiffret-Pasquier am 8. d. M. den neuen proviso- rishen Bureaus der beiden Kammern im Namen des ständigen Ausschusses die Vollmachten der Nationalversammlung übergab, lautete wie folgt:

Meine Herren Senatoren! Meine Herren Deputirten! Meine Herren Minister! Sie Alle, welche hier die neven Staatsgewalten des Landes vertreten, seien Sie willkommen geheißen. Frei befragt, hat Frankreih den Beschlüssen der Nationalversammlung eine glänzende Heiligung gegeben. Mit doppelter Autorität fordern heute diese Beschlüsse Gehorsam und Achtung von Jedermann. Die republikanische Verfassung vom 29. Februar war, wie Sie wissen, ein Werk der Versöhnung und der Beruhigung; Ihnen steht es zu, dasselbe fortzuseßen und zu vertheidigen. Geschaart um den Marschall Mac Mahon, werden Sie es verstehen, unserem Lande cine Regierung der Ordnung und des Friedens zu geben. Sie werden ihm die er- wünschte Ruhe sichern, deren es fehr bedarf, um die Ausgleichung seiner Unglücksfälle zu beenden und die Lasten tragen zu können, welche die Folge derselben waren. Wie wir, fo werden auch Sie es Shren Nachfolgern beruhigt, glücklich und frei übergeben wollen. Mit Vertrauen habe ich also die Ehre, Ihnen im Namen der Nationalversammlung die souy ränen Vollmachten zu überreichen, welche ihr die Nation gegeben hatte.

In Ajaccio kam es am 8. d. M. zu Unruhen. Am Morgen gaben dem Prinzen Napoleon, als er die Stadt ver- ließ, an Tausend Personen unter Hochrufen auf die Republik und Absingen der Marseillaise das Geleite. Dafür benußten am Nachmitcage die Bonapartisten die Gelegenheit des Abganges von 200 Matrosen, die in Ajaccio als Wähler eingeschrieben find und welche Rouher von Marseille hatte kommen lassen, damit sie für ihn stimmten, eine Gegenkundgebung. Die Gens- d'armen aber schritten ein, wodurch einem blutigen Zusammen- stoße, der zwischen Kaiserlichen und Republikanern shon drohte, noch eben vorgebeugt wurde.

Italien. Rom, 7. März. Die Thronrede, mit welcher der König am 6. d. M. das Parlament eröffnet hat, lautete, der „Allg. Ztg.“ zufolge, wörtlich, wie folgt:

„Meine Herren Senatoren und Deputirten! Das Jahr, welches vergaugen ift, seit Ich Mich das leßte Mal unter Ihnen befunden habe, darf uns zu Trost und Hoffnung gereihen. Die inneren Zu- stände des Landes sind gut und die Beziehungen zum Auslande voll- kommen herzlich. N : e

Die Verpflichtung, einen internationalen Vertrag mit einem be- freundeten Souverän auszuführen, brachte in Meiner Regierung den Gedanken zur Reife, die Eisenbahnen aufzukaufen. Jtalien tritt fühnen Mutbes an die Lösung eines sehr \chwierigen Problems heran, das die Regierungen und Parlamente der ciyilisirtesten Nationen {hon lange beschäftigt. Es wird Ihnen ein Vertrag mit Oesterreich-Ungarn und ein Gesetzentwurf vorgelegt werden, welcher den Kauf und Be- trieb der Haupteisenbahnen des Königreichs und die Beschaffung der dazu nöthigen Summen betrifft. Obgleich eine so große Neuerung den Staatsschaßz belastet, fo vertraue ich doch, daß in dieser Session zum ersten Mal das Gleichgewiht der Einnahmen und Ausgaben im Staatshauéthalt ohne Erhöhung der Steuern hergestellt wer- den kann.

Der gute Wille, mit welchem das ebenso, delikate, wie Geduld verlargende Werk dex Zollrevision 1m Einyvz?rständnisse mit Frankreich,

der SHweiz- und Oesterreich-Ungarn fortgeseßt wird, giebt Mir die Zuversicht, dan Ihnen während dieser Sesfion die neucn Hande !5- verträge vorgelegt werden fönnen.

Es ist Mein Wuns, daß die Fehler verbessat werden, welhe die Erfahrung entdeckt hat, daß der Staatsfaß ¡einzu Vortheil findet und daß den italienishen Produftea ein größerer und sicherer Markt erêffnet wird, ohne jedoch die Prinzipien des Freibandels aufzugeben.

Einige wichtige Gesetzentwürfe, welche die Gerechtigfeiti pflege, den Unterrit und namentlich den BVolkéunterriht, Steuer- und Ber- waltung8reformen betreffen, konnten in der vergangenen Session nicht votirt werd:n. Ich habe Meiner Regierung b-fohlen, fie Zhnen von neuem vorzulegen, und ich empfehle sie Jhrer Sorgfalt 5

Ih habe Mich in den Uebunsélagern zu Meiner hoben Befriedi- gung aus eigener Anschauung von den Fortschritten unseres Heeres überzeugert- können. Es ist Zeit, uns der Marine mehr anzunehmen, denn sie verdient in demselben Maße, wie das Landheer, die Liebe des Landes und die Sorgfalt des Parlaments. Mein höcbfter Wunsch ift: Italien jenes gerechte Vertrauen zu feinen Streitkräften zu geben, welches die Unaohängigkeit aufrecht erhält und den Schus der eigenen Rechte sichert.

Meine Herren Senatoren und Deputirten! Unsere guten ziehungen zu den anderen Mächten sind durch die Besuche der Kgjjser von Oesterreich-Ungarn und Deutschland bestätigt worden. Fch Ain im höchsten Grad erfreut gewesen, sie als Gäste zu haben. Venedig und Mailand haben den Gefühlen und Empfiadungen der Nation würdigen Auédruck g-geben. In jenen herzlichen Freundschaftsvezeigungen der Souveräne war eiu Ünterpfand für die dauernde Sympathie der Völter.

Der Aufftand in der Herzegowina und Bosnien hat zu Ver- bandiungen der Mächte Anlaß gegeben, welche die Integrität des tür- fischen Reiches garantirt haben. Jch habe es für zweckmäßzig ge- balten daran Theil zu nehmen, um im Ginverständnisse mit ihnen die Nuhe im Orient wieder herzustellen, und das Loos der christlichen Bevölkerungen sier zu stellen Seine Majestät der Sultan hat die ihm zu diesem Zweckte gemachten Vorschläge gut aufgenommen. Jch wünsche, daß die rasche und gewissenhafte Ausführung der angekün- digten Reformen zur Pazifizirung jener Länder und zur Verbefferung der Lage ihrer Bevölkerungen führen. möge.

Jtalien wird seine Pflicht als Großmach? erfüllen, indem es mit dez befreundeten Regierungen zur Erhaltung des Friedens beiträgt. Indem es seine liberalen Justitutionen und seinen Wohlstand zu entwickeln sucht, wird es seinen Einfluz so anzuwenden verstehen, daß es si die Achtung und das Vertrauen ‘der c‘vilisirten Völker erwirbt,“ .

9, März. (W. T. B.) Der Minister für öfentlihe Arbeiten, Spaventa, hat heute der Deputirtenkammer die abgeschlossenen Eiscnbahn-Konventionen vorgelegt. Die Kammer hat die dringlihe Behandlung dieser Borlagen alsbald genehmigt.

Türkei. Belgrad, 9. März. (W. T. B.) Die zur Unter - suchung der Exzesse in Kragujevacz eingescßte Spezialkom- mission hat mehrere Personen, darunter den seitherigen Gemecinde- vorstand, verhaftet und mehrere Beamte und Lehrer von ihren Aemtern suspendirt. Leßtere sind sämmtlich zur Untersuchung gezogen worden.

Numänien. Bukarest, 10. März. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer hat mit großer Maiorität das Finanz=- projekt der Minorität des Ausschusses, welches der Regierung nur eine provisorishe Anleihe von zwölf Millionen bewilligen wollte, abgelehnt.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 8. März. Aus Kokand sind folgende neuere telegraphische Nachrichten eingelaufen: „Fulat-Bek, der sh zum Chan aufgeworfen haite, war bekanntlich mit dem früheren Bek von Karateg, Musafar- Sa, der fih seit dem Iahre 1870 in Kokand verborgen hielt, in die Alai-Berge geflüchtet. Allem Anschein nah hofften fie, bei den dortigen Bergbewohnern eine Stüye zu finden. General - Lieutenant Kolpakowski hatte bereits Anordnungen zur Deta- chirung einer besonderen Abtheilung getroffen, um etwaigen neuen Unordnungen oder Erhebungen in der Gegend vorzudeu=- gen, da wurde Fulat-Bek mit seinem Begleiter, in der Nacht vom 18. zum 19. Februar, von 30 zu seiner Verfolgung abge- sandten Dshigiten, unter Mitwirkung der Karakirgisen aus Osch und Margelan, selbst ergriffen. Beide Flüchtlinge wurden nah Andidshan gebraht und uns überliefert. Der frühere Chan von Kokand, Nafsr-Eddin, befindet fih in Taschkent.

_— Die „Turk. Wed.“ veröffentlichen nachstehendes, vom General - Major Abramow am 25. Januar/6. Februar in Tas chkend eingegangenes Telegramm:

Ich habe die Expedition nah Matscha vollkommen glücklich aus- geführt, und find die errungenen Resultate in jeder Beziehung vor- treffliche. Unser rechtzeitiger Abmarsch verhinderte den Ueberfall Seitens der kokandischen, unter Anführung des Akbata stehenden Bande, welhen Kalendar - Bek herbeigerufen hatte; denn Afbata, welher am 19. Januar auf Obburdan zu mar- \chirte und unterwegs erfubr, daß ih hon nach Matscha hinübergezogen, fehrte um und subte das Weite. In der Nacht vom 19. zum 20. Januar wurde, Dank der bewünderungswürdigen Umsicht und Energie des Stabs - Kapitäns Arendarenko, Kalendar- Bek unweit Madruschkaft gefangen. Darauf zog ich nach Poldorak und sandte Arendarenko weiter. Ueberall bekannte man sich zum Gehorsam. Die Auselieferung dec Waffen wurde gefordert und erfolgte. Ueberhaupt ift die Ordnung durchaus hergestellt; un- zweifelhaft wird die Ruhe im Innern, wenn nicht Intriguen und Beeinfiussungen von Außen nach Matscha wirken, niht gestört werden. Während der ganzen Expedition ist nicht ein Schuß abge- feuert worden. Ich bin auf dem Rückwege und sende diese Depesche aus Remawat am 23, Januar. Das Detachement überwindet alle Schwierigkeiten dieses beschwerliden Winter- und ebirg-Feldzuges aus- gezeichnet. Nicht ein Einziger iit erfranft, Die Führung Aller im anzen Detachement ist in jeder Bez'ehung vorzügiih. Besonderes ob verdienen die Herren Offiziere. Ein genauer Bericht folgt au3

Ssamarkand, woselbst ih zum 1. Februar einzutreffen hoffe.

Dänemark. Kopenhagen, 9. März, Das Folke- thing beendete gestern die Verhandlungen über den Etat des Kultus-Ministeriums. Troß Widecspruchs des Kultus-Ministers wurden alle Positionen gemäß den Ausshuß-Anträgen angenom- men. Einem gestern aus den Niederlanden eingetroffenen Telegramm zufolge, ist von dem betreffenden Untergericht hin- sichtlich der in Veranlassung des Zusammenstoßes zwishen dem Dampfschiffe „Phönix“ und der holländischen Tjalk „Drei Gebroeder“ erhobenen Frage, wegen Aufnahme eines Gut- achtens von Sachverständigen über das Manöpvriren, das Urtheil gefällt worden. In diesem Inzidenz» punkte ist das Urtheil ungünstig für den „Phönix“ ausgefallen, indem der Behauptung der Gegenpartei, daß es der Aufnahme eines solchen Gutachtens nicht bedürfe, Folge gegeben und die Prozeßkosten der Rhederei des „Phönix“ aufer= legt wurden. Die Bevollmächtigten der finnländischen Bank haben, zufolge „Aftonbl.“, der Regierung zur Erwägung unterbreitet, ob fie niht in Anbetracht des fortgesegt sinkenden Werthes des Silbers einen Geseßentwurf, betrefsend den Ueder=- gang Finnlands zur Goldwährung, dem Landtage vorlegen wolle. Einen Antrag in gleiher Richtung gedenken die Bank= bevollmächtigt:n an den Landtag zu rihten.

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