1876 / 76 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 28 Mar 1876 18:00:01 GMT) scan diff

SNA SMIÉ SE C E A A E TE a A 7

des Gesundheitszustandes der Königin berufen worden, traf estern bierfelbs ein; auch der Leibmedikus Budde aus Chri- ftiania ist gestern zu gleihem Zwecke hier angekommen.

28. März. (W. T. B.) Die Königin wird ih auf Anrathen des zur Konsultation über ihren Gesundheitszustand hierher berufenen Professor Friedrich aus Heidelberg zu längerem Aufenthalt an den Genfer See begeben und bereits Anfang nächsten Monats dahin abreisen.

Dänemark. Kopenhagen, 24. März. Auf der Tages- ordnung des Landsthinges ftand gestern die dritte Lesung des Gefseßentwurfes, betreffend die außerordentlihen Veranftal- tungen zur Beförderung des Vertheidigungswesens. Ein Aenderungsantrag des Aus\Ÿhusses, welher das Kriegs- , und das Marine-Ministerium bevollmächtigt, im Finanzjahre 1876/77 resp. 2,785,100 Kronen und 342,000 Kronen zu Ver- theidigungszwecken zu verwenden, wurde, nachdem der Kriegs- und Marine-Minister \sich damit einverstanden erklärt hatte, mit 38 gegen 7 Stimmen angenommen. Bei der Ab- ftimmung über den ganzen Gesetzentwurf erklärten \fich 39 Mit- glieder für und 11 Mitglieder gegen denselben. Der Geseyt- entwurf geht jeßt an das Folkething zurück. Die als- dann folgende zweite Lesung des Geseczentwurfes, betreffend die Theilnahme der Gemeinden an der Wahl der Pre- diger, rief eine längere Verhandlung hervor. Der Ausschuß hatte den Antrag gestellt, daß über den Geseßentwurf im Landsthinge nicht weiter verhandelt werden möge. Der Kultus- Minister kritisirte in längerer Rede diesen Antrag, \{chloß aber mit der Erklärung, daß er gegen dessen Annahme nichts ein- zuwenden habe, um so mehr da das Folkething es durch seine Behandlung des Predigergehaltsgeseßes unwahrscheinlich gemacht habe, daß in dieser Session etwas in dieser Sache zu Stande tommen werde. Die Annahme des Antrages, welcher als moti- virte Tagesordnung betrahtet und behandelt wurde, erfolgte \chließlih einstimmig.

Asien. Japan. Die japanische Regierung hat im Januar d. I. eine, von mehreren Kriegsschiffen geleitete, Ge-

sandtschaft nah Korea abgesandt, welche beauftragt ist, von i

der dortigen Regiecung Maßregeln zum Schuße der fremden Schiffahrt an den Küsten von Korea, Eröffnung des Landes für den fremden Handel und Garantien gegen Angriffe auf Japaner zu verlangen.

Ueber den Erfolg dieser Misfion verlautet bisher noh nichts. Doch rüstet die japanishe Regierung zu Wasser und zu Lande und würde nöthigenfalls in der Lage sein, die Streitkräfte in den Koreanishen Gewässern durh Nachsendung von Truppen und weiteren Schiffen in kürzester Zeit zu verstärken.

Afrika. (It. N.) Am 14. d. herrschte in Tun is großer Tumult, verursacht durch einen glückliher Weise nicht gelun- genen Mordversuh an dem italienishen Konsularrihter Pulega. Der Mörder wurde von dem Dragoman des Konsuls ershossen und man brachte seinen Körper zum italieni- \hen Konsulat. Hinterher aber wälzte sih der fanatifirte Pöbel und die Erregung war so groß, daß die Truppen ins Gewehr treten mußten, um die Zugänge zu dem italienishen und ameri- kanischen Konsulate zu beshüßen. Die Soldaten standen mch- rere Stunden mit aufgepflanztem Bayonnette da und hatten niht roenig Mühe, die immer fstürmisher andrängende Vienge sh vom Leibe zu halten. In den Kreisen der Europäer fürh- tete man fogar einen abermaligen Ausbruhch jenes religiösen Fanatismus, der im verflossenen Jahre so traurige Scenen herbeiführte.

Die Nr. 6 des Centralblatts der Abgaben-, Ge- werbe- und Handels-Geseßgebung und Verwaltung in den Königlich preußischen Staaten hat folgenden Junhalt: Anzeige der in der Gejset-Sammlung erschienenen Gesetze und Ver- ordnungen. I. Allgemeine Verwaltungsgegenstände: Einziehung der preußischen Banknoten zu 50, 100 und 500 Thaler Veränderungen in den Zoll- und Steuerstellen. IIL, Indirekte Steuern: Aus- gangsrevision der zur Durchfuhr deklarirten Manufakturwaacen. Zollrückvergütung für wieder aufgeführte Tabaksfabrikate. Zoll- erlaß für eingehende verdorbene Waaren. Besteuerung der 1. g. Dispositionsscheine der Kaufleute. Erkenntn:ß des Königlichen Ober-Tribunals, Besteuerung kaufmännischer Anweisung. V]. Per- fonaluachrihten. Stationsentfernungen auf Dampfbootkursen.

Verkehrs-Anstalten.

London, 27. März. (W. T. B.) Der „Great Wesiern“ hat auf der Fahrt nach New-York bei Long-Island Schiffbruch gelitten. H f

Philadelphia, 27. März. (W. T. B) Der Dampfer der

amburg-Amerikanishen Compagnie „Hammonia*® ist hiec ange- ommen.

New-York, 27. März. (W. T. B) Der Dampfer „Egypt“ der National - Dampfschiffs - Compagnie (C. Messingsche Linie) ift hier eingetroffen _ i

Das Po stdampf\chiff des Nordd. Lloyd „Habsburg“, welches am 11. März von Bremen und am 15. März von Southampton abgegangen war, ist heute 3 Uhr Morgens wohlbehal- ten hier angekommen.

Aus dem Wolffshen Telegraphen-Bureau.

Stuttgart, Dienstag, 28. März. Jn der heutigen Sizung der Abgeordnetenkammer beantragten die Abgg. Schmidt, Sarwey und 25 Genossen, die Kammer möge die Regierung auffordern, auf die Herstellung eines Reichseisenbahngeseßes hinzuwir= fen, um dadurch den Uebergang deutsher Bahnen in den Besiß des Reiches abzuwenden. Der Abg. Elben stellte mit 8 Genossen den Antrag, die Regierung zu veranlassen, ihrerseiis dahin zu wirfen, daß die Kalawitäten im deutschen Eisenbahnwesen beseitigt werden möchten, Ferner solle die Regierung, wenn in der Reichseisenbahn- frage nur die Wahl gelassen würde zwishen dem Uebergange der preußischen Eisenbahnen auf das Reich und dem Ankaufe der preußishen Privatbahnen dur Preußen, erfterem Schritte beitreten, Der Ubgeordnete- Desterlen und 15 Genossen rihteten eine Interpellation an die Regierung, in der sie fragen, welche Kenutniß die Regierung von dem Reichseisenbahn - Projekt habe, welhe Stelung fie zu demselben einnehme, welche Rechtsauffassung sie bezüglich der Folgen der Erwerbung von Eisenbahnen durch das Reih für Württemberg habe. Die Be- rathung der erwähnten Anträge und die Beantwortung der In- terpellation wird am nähsten Donnerstag stattfinden.

Berlin, den 28. März 1876.

Die drei Naturforscher Dr. Finsh, Dr. Brehm und Graf Waldburg- Zeil, welche von dem Verein für die Deutsche Nord- polarfaÿrt in Bremen zu einer wissenschaftlihen For- schungsreise nach West-Sibirien entsendet worden sind, haben in St. Petersburg in allen Kreisen die freundlihste Auf- nahme gefunden. L

Nachdem dieselben dem Kaiserlich deutshen Botschafter und dem russishen Reichskanzler ihre Aufwartung gemacht hatten, wurde ihnen die Ehre zu Theil, von Sr. Majestät dem Kaiser empfangen zu werden. Auch einer Sizung der geographischen Gesellschaft, welche unter dem Vorsige Sr. Kaiserlichen Hoheit des Großfürsten Konstantin abgehalten wurde, hatten sie Ge- legenheit beizuwohnen.

Der Zweck ihrer Reise hat in den wissenshaftlihen Kreisen der russishen Hauptstadt und befonters bei den mit der wissen- \schaftlizen Erforschung Sibiriens beschäftigten Gelehrten ein großes Interesse erregt. Man bemühte \ich in zuvorkom- mendster Weise den Reisenden den großen Antheil zu be- weisen, welcher ihrem Unternehmen in Rußland zugewen- det wird. Die Herren konnten sich auch dem gerade in St. Petersburg anwesenden Kaiserlih russishen General-Gouverneur von West-Sbirien, General: Adjutant Kaznakoff vorstellen, welcher E in größter Freundlichkeit seine Unterstüßung in Aussicht tellte.

Einem Telegramm des „W. T. B.“ aus St. Petersburg von heute Vormittag zufolge ift die Expedition gestern nach Ueberwindung vieler Schwierigkeiten glücklich in Kasan ein- getroffen.

Leider hat sich zu Anfang dieses Monats auf der Insel Cypern ein bereits vorläufig von uns erwähnter bedauerns- wertizer Unglücksfall ereignet, welcher einem talentvollen jungen deutschen Gelehrten das Leben gekostet hat. Es gehen uns darüber noch nachstehende nähere Mittheilungen zu:

Der Gymnasiallehrer Dr. Justus Siegismund, aus Leipzig gebürtig, war seit dem Jahre 1873 an dem protestanti- {hen Gymnasium zu Straßburg i. E. angestellt und mit Erfolg thätig. Dur eine hervorragende Begabung für das Studium antifer Sprachdenkmäler ausgezeichnet, gelang es ihm, von der Königlih sächsischen Regierung ein Stipendium zu erhalten, durch welches ihm eine Reise zu wissenschaftlihen Forschungen im Orient ermögliht wurde. \

Er ging im Herbste vorigen Jahres über Konstantinopel nach Athen und begab sich Anfangs Februar d. Is. von dort nah Cypern. Nachdém er bereits in der Zeit vom 15. bis 24. Februar von Larnaca aus verschiedene Baudenkmäler auf Cypern besucht hatte, verließ er am 1. März von Neuem diese Hafenstadt, um eine zweite Exkursion in das Innere der Insel anzutreten, und erreichte zu Pferde am 3. März gegen Mittag das in der Nähe der Ruinen von Amathus gelegene Dorf Hagios Tychonas. Hier ließ er seinen Führer, einen griehishen Apogiaten, im Dorfe zurück, um das Mittagsmahl zu bereiten, während er selbs fich von dr Frau des Bauern, in dessen Hause er abgestiegen war, nah der Trümmerstätte des alten Amathus geleiten ließ, um ein kürzlich von dem amerikanishen Konsul Cesnola daselbst ausgegra- benes antikes Grab zu besihtigen, Letzteres scheint ziemlich tief gewesen zu sein. Beim Heraussteigen aus der Gruft stüßte sih der junge Reisende nah Angabe der bei seiner Verunglücckung allein anwesenden Väuerin “auf einen Stein, der unter dem Drucke nachgab und ihn bei seinem Hinabfturze mit fh zog, so daß der Unglücklihe rücklings derartig in die Gruft zurückstürzte, daß er mit dem Hinterkopfe aufsh"ug und ver- muthlih auf der Stelle todt blieb.

Auf die Nachricht von dem Unglücksfalle eilte der deutsche Konsularagent Herr Vondiziano zu Limafsol (welher Ort von Amathunt etwa 1+ Stunden entfernt ist) sofort in Begleitung von 2 Yerzten und einigen anderen Personen an Ort und Stelle, um dem Verunglückten, über dessen Tod erx noch feine Gewißheit hatie, Beistand zu leisten, konnte jedoch nur den Tod des Dr. Siegismund konstatiren. Rach Ansicht der ihn begleitenden Aerzte mußte derselbe \chon min- destens drei Stunden zuvor eingetreten sein. Der Leichnam des Verunglückten wurde auf Anordnung des Konsularagenten nah Limassol geschaft und daselbst -auf dem griechishen Friedhofe, unter Assistenz der Lokalbehörden und der Geistlichkeit der griechischen Kirhe „Hagia Napa“, feierlich beerdigt.

Der Verein für die Geschichte Berlins hielt am Soun- abend seine 3, Arbeitssißung.

Hauptmann Schnacktenburg hielt einen Vortrag über „Berlin als Mittelpunkt des Defensionswerkes in der Mark Brandenburg zu Anfang des 17. Jahrhunderts“. Ueber die damaligen ODefensicnépläne haben sich 2 Ur- kunden erhalten, die erste befiadet sich im Original in der Königlichen Bibliothek in Berlin und betitelt fic: „Ungefäh- res Bedenken, wie ein Potentat ohne besondere Kosten und Weitläuftigkeiten sein Land könne bewehret machen und wie solches am Besten in der Churmark geschehen könne. * Ein höheren Werth besißt die zweite Urkunde, die im altmärkischen Kopialbuhe im Staatsarchive zu Magdeburg vorhanden ift und si kurzweg „Defen- sionswerk, so in der Chur- und Mark Brandenburg anzurichten“ nennt. Hier ift ein völlig durchgearbeiteter Entwurf zur Reorga- nisation des Lehns- und Landesagufgebots gegeben, welcher in seinen Einzelheiten einen Kriegsmann von Fah wverräth. Jür Berlin denkt fich der Verfasser, der übrigens zuerst den Gedanken der allgemeinen Wehrpflicht ausspricht, die Ausführung seines Planes derart, daß aus den mitte] märkischen Städten, welche eine Tagereise um das Churfürstlihe Hoflager liegen, in jeder Woche 30 Mann, nämlich 20 Mu:ketiere und 10 Spießer, nah Cöln beordert werden, wo fie am Mittwoch Abend eintreffen und sich sogleih beim Tra- bantenhauptmann melden. Derselbe wird ihnen befehlen, wohin fie ihre Waffen legen und den Wachtdienst in der Wache thun sollen. Täglich von 8—10 und von 2—4 Uhr sollen sie von den Waibeln und Befehlshabern auf dem großen Saal (in der ersten Etage des Joachimischen Schlosses vom 1—2 Portal gehend) mit Mus- kete und Spieß geübt werden; sobald es 4 Uhr {lägt, foll der Tra: bantenhauptmaun die Trommel rühren lassen, sie alle auf dem vor- dern Schloßhofe versammeln, dann mit Trommelschlag in den inneren Schloßhof „fein“ einrücken, im Hofe einmal herummarschiren, sich in Schlachtordnung ftellen und einige Bewegungen ausführen lassen, falls es den Kurfürstlihen Herrschaften oder den jungen Herren und Fräulein oder foust Kranken nicht zuwider sei, soll 2- oder 3 Mal mit Pulver, doch obne Kugeln geschossen werden, dann Alles ordentlich in die Schaarwacht gehen. Von da soll der Trabanteuhauptmann oder sein Lieutenant vom Kurfürsten oder dem Statthalter die Parole holen und nach Sonnenuntergang die Schildwacheu ausstellen, eine vor dem Gemah der Churfürstlihen Herrschaften, eine zweite vor dem Statthalter, eine dritte am Stadtthor, eine vierte am Gartenthor, eine fünfte bei der Apotheke, weil da das Pförtlein nach dem Wasser geht. Die Schildwachen werden alle 2 Stunden ahb- gelöst, in der Nacht revidirt und bei Tagesanbruch, nach der Reveille, was man in Lägern „la Diana“ nennt, eingezogen.

Zum Schluß machte Kaufmann Alfieri Mittheilungen über das Haus Poststraße 12, das wahrscheinlich das äiteste Haus Berlins ist und möglicher Weise die alte Berliner Propftei war.

Der Verein zur Beförderung des Gartenbaues in den Königlich preußischen Staaten veranstaltet zum Besten der Ueber- \{chwemmten eine Frühjahrs-Ausestellung vom 6. bis 9. April, im Admiralsgartenbade, Friedrichsstraße 102. Von Sr. Majestät dem Kaiser und König, dem Protektor des Vereins, ift als Preis eine goldene Medaille bewilligt worden, von dem Ministerium für die landwirth\schaftlihen Angelegenheiten sind 3 silberne und 6 bronzere Medaillen, sowie ausnahmsweise noch 150 4 zu Preisen überwiesen und auch von dem Miristerium für die geistlichen 2c. An- gelegenheiten 150 4. als Preis für die „schönste Gruppe blühender und nicht blühender Pflanzen“ zugesagt. Außerdem kommen 1 Vermeil- Vereinsmedaille, 3 silberne und 3 bronzene Vereinsmedaillen, sowie Geld- preise zur Vertheilung. Die Ausstellung ist von Morgens 9 bis Abends 10 Uhr geöffnet. Der Eintrittêpreis für Nichtmitglieder beträgt am Donnerstag den 6. April 1 4, an den übrigen Tagen 50 „5. 8 Billete (mit Ausnahme des ersten Tages) 3.4 Die Anmeldung der Pflanzen hat bei einem der beiden Ordner, Obergärtner Haack, Berlin W,, Thier- gartenstraße 32, oder Obergärtner König, Berlin NW., Moabit, Villa Ravené, zu erfolgen; die Einlieferung findet am 5. April, für ganz zarte Pflanzen, abgeschnittene Blumen, Bouquets, sowie für Dbj1t bis zum 6. April, Morgens 8 Uhr, statt.

Die „Flora in Charlottenburg, welche seit Beginn dieses Jahres unter der Leitung des Direktors W. Salamonski steht, hat ihre Frühjahrsfaison am 25. März mit zwei großen Aus stellun- gen eröffnet, deren erste eine Wiederholung der im vorigen Jahre mit Beifall aufgenommenen holländishen Blumenausstellung. der Haarlemer Firma J. D. Zoocher u. Voorhelm Schneevoogt ist. Diesmal jedo hat das weitaus reichhaltigere Material, unter dem sfih wieder viele ganz neue, farbenprächtige Hyazinten- und Crocus- arten befinden, der besseren Uebersicht wegen seinen Plaß in der großen Vorhalle des Hauptgebäudes gefunden. Besonders schön ist hier die Dekorirung der Riesenbüste Sr. Majestät des Kaisers und Königs mit großen Hyazinten, die sämmtilich in ganz fleinen, originellen Gläsern gezogen worden find, Der vor- jährige Ausstellungsraum, der Annex, ist durch den Garten- direktor J. Glatt, unter dessen bewährter Leitung sich sämmt- liche Pflanzen des Palmenhauses während des Winters überraschend shôn gehalten haben, in eine mit blühenden Camelien und Rosen,

die sich um die Kaiserbüste gruppiren, dekorirte Halle umgewandelt worden, während gleichzeitig auf der gegenüberliegenden Seite des Palmenhauses ein zweiter, glei großer Annex eröffnet worden ist. Dieser leßtere trägt einen Theil der gegenwärtig gleichfalls ausge- stellten Flora-:Lotterie-Gewinne, deren Mehrzahl, zu ges{chmackvollen prächtigen Gruppen vereint, den Hauptsaal anfüllen. Die auch durch thren Kunftwerth ausgezeichneten Silbergewinne find in einem kleine- ren Nebensaale aufgestellt.

Das Mikroskopische Aquarium ist das erste unter den naturwifsenschafilichen Instituten Berlins, «welches, um feine Wixk- samkeit auf noch weitere Kreise auszudehnen, mit einer populär- naturwissenshaftlichen Zeitschrift hervortritt, Vor uns liegt die Probenummer betitelt „Der Polyp“, Organ für pcpuläre Mit- theilungen aus dem Reiche der Natur, Zeitschrift des Mikroskopischen Aquariums, herau®ëgegeben und redigirt von Dr. W. Zenker, voll reichen und mannigfaltigen Fuhalts. Einem kurzen Prospekt folgen Artikel über den erwahenden Frühling und die Hochwasser, über das Nordlicht, über die technisce Ausstellung des Mikroskopishen Agquariums und cine Korrespondenz üter Trichinenzucht.

Die bisherigen Leistungen des Herausgebers auf dem Gebiete der strengwissenschaftlihen Forschung sowohl, wie der populären Dar- stellung, Tassen erwarten, daß auch in dieser Zeitschrirt nach beiden Seiten hin das Beste geleistet werde und daß dur sie die Resultate der Yatucforshung, auch die neuesten nicht autgeschlossen, stets {nell und klar in alle für Bildung interessirten Kreise getragen und so in das allgemeine Geistesleben des deutshen Volkes eingeführt werden. Der Preis der Zeitschrift ist ein mäßiger (viertelj. 1 A). Probe- nummern find im Mikrosfkopischen Aquarium gratis zu haben.

(Arbeitgeber.) Die Frankfurter Rollb ahn, die erste in Deutschland, ist am 19. d. M. vom Schlittschuh-Klub eingeweiht worden. Die Bahn ist ungefähr 50 M. lang, 15 M. breit und vom besten Asphalt aus dem Val de Travers auf einer Unterlage von Steinen und Cement hergestellt. Die Rollschuhe, aus der Fabrik von A. Stoß in Stuttgart, nach den besten englischen Mustern verfertigt, bilden einen kleinen Wagen: sie haben nämlich vorn und binten je 2 Räder oder Rollen von Buhsbaumholz mit Achsen von Stahl, die mittels angelegten Kautschuks etwas seitlich sih bewegen können, so daß man, wie auf dem Eis, Bogen fahren kann, :

Theater.

__ Im Königlichen Schauspielhause eröffnete gestern Frl. ClaraZieglec ihr diesmaliges Gastspiel als Medea in Grillparzers gleichnamiger Tragödie. Der Erfolg entsprach der eminenten künstlerischen Leistung des Gastes in vollem Maße. Die Künstlerin wurde nah jedem Afte hervorgerufen uud mit Beifall übershüttet. Jm Laufe der Woche seßt Frl. Clara Ziegler ihr Gastspiel als „Iphigenie“ und R E Galotti) ge Weiterhin steht mit der genannten Trägödin dic Aufführung von Hebbels „Judith“ u 4

„Penthefilea* in Aussicht. E B E

Am Friedrich-Wilhelmstädtishen Theater wird das Gastspiel der Herzoglih Sachsen:--Meiningenschen Ho f- shauspielergesellshaft am 1. Mai mit dem „Tell“ beginnen.

Wosltersdorff-Theater. Frl. Gallmeyer ist von ihrem Unwohlsein wieder hergestellt und werden daher ine die Borstel- lungen der „Luft\{lösser“ wieder aufgenommen, während die Proben zu der Anfang nächsten Monats zur ersten Aufführung gelangenden Pohlschen Posse „Verfehlter Beruf“ begonnen haben.

Dem erneuerten Gastspiel der Fr. Marie Seebach am Nationaltheater verdankt das Berliner Publikum die Vorführung des guten alten, derb-naiven Nürnberger Fastnachtöspiels von Hans Sachs: „Das heiß Eisen", welches Rudolf Genée geschickt bearbeitet und Direktor Laube im Stadttheater zu Wien zuerst auf die Bühne gebracht hat. Die drei handelnden Personen des Stücks, das der von einem Herold gesprochene, treuherzig belehrende Prolog einleitet, fanden dur Fr. Seebach (die Frau), Hrn. Müllner (der Mann) und Fr. Hüftel (die Gevatterin) eine recht charafteristische Vertretung. Vor allem erwarb sich Fr. Seebach dur die feine Detail- malerei, die sie auf. ihre Rolle verwandte, die hbeifällige Aner- kennung des Publikums. Ihre virtuoje Leistüng als Katharina in der „bezähmten Widerspenstigen" von Shakespeare, welches Lust- spiel dem &astnachtéshwank folgte, ift hinreichend bekannt und des Oefteren gewürdigt worden. Neuerdings hat die Künstlerin auch die Aufführung des Halmschen Schauspiels „Griseldis“ am National- theater ermögliht. Dem Perjonal dieser Bühne, voran Hrn. Direk -. tor Buchholz, der fih als Petrucchio durch frischen Humor und kava- liermäßiges Auftreten auszeichnete, gebührt bei den hohen Anfor- derungen, welche der rasche Wechsel des Repertoizs an dasselbe ftellt,. für seinen Fleiß die vollste Anerkennung.

Redacteur: F. Prehm. Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner.

Fünf Beilagen (einschließlich Börsen-Beilage).

Berlin:

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußisheu Siaals-Anzeiger

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Nießtamtlißes.

Nußland und Polen. Monats- Uebersicht für Februar. Unter den Nachrichten, die vom Hofe kamen, mate die Kunde von dem am 21. Februar erfolgten Verscheiden der Großfürstin Maria Nikolajewna einen allgemein betrübenden Eindruck. Die Großfürftin war außerordentlich populär; ihr Interesse konzentrirte fich auf die Kunst und Wissenschaft. Die Akademie der Künste, deren langjährige Präfidentin fie war, verdankt ihrer vielseitigen Förderung die großen Erfolge der lezten Jahrzehnte. Auch zahlreihe wohlthätige Stiftungen verdanken der verstorbenen Großfürstin ihr Aufblühen und Gedeihen. An ihrer Stelle wurde der Großfürst Wladimir Alexandrowitsch Präsident der Akademie der Künste.

Von der Anwesenheit der Fürsilichkeiten während des Fe- bruar in St. Petersburg haben die auswärtigen Blätter mehrfah ausführlih Notiz genommen, wie namentlih in Beranlassung der Feier der Silberhochzeit des Herzogs Georg von Mecklen- burg-Streliß und der Großfürstin Katharina Michailowna am 16. Februar. Im Laufe des März wird die Herzogin von Edinburgh mit ihrem Gemahl erwartet; da der Herzog von Edinburgh behufs Erlangung der Admiralswürde einige Jahre in aktivem Dienst ein Geschwader kommandiren muß, wird die Herzogin längere Zeit in Rußland, ihrem Heimathlande, ver- weilen.

In Kokand ist endlich eine endgültige Entscheidung eingetreten. Nachdem General Skobelew am 20. Fanuar Andidschan beseht hatte, brate er dem Insurgentenführer Abder- rahman Awtobadschi am 30. Januar bei Assakeh eine Niederlage bei, nach welcher leßterer sich außer Stande erklärte, den Kampf zu erneuern. Abderrahman Awtobad\shi ergab s\ich am 5 Februar mit 26 Führern dem rusfishen Befehlshaber. Nasr Eddin, der Sohn Chudojars, und Fulal Bek, der von Awtobadschi unterstüßte Gegen-Prätendent, wollten beide aufs Neue \ich zu Herren Kokands proklamiren ; aber die von den unaufhörlihen Erschütterungen ermüdete Haupt- ftadt wies beide Prätendenten zurück, nachdem Fulats Partei Nasr-Eddin besiegt, und legterer den Kriegswirren gegenüber seine völlige Ohnmacht, Ruhe zu \chaffen, bethätigt hatte. Fulat Beks Truppen erlitten am 9. Februar bei Utsch Kurgan dur den Baron Möller - Sakomelski eine vollständige Niederlage worauf das ganze friedensbedürftige Chanat Rußland seine Unterwerfung antrug. Der General Kolpakowski, welcher ‘in Abwesenheit des Generals Kaufmann das Generalgouvernement Turkestan verwaltet, nahm vorbehaltlih Kaiserliher Genehmigung die Unterwerfung des Chanats an, welches ohnehin, mit Aus- nahme der Gebirgsstrelen im Südosten, eine Art Enklave inner- halb russischen Gebietes vorstellte. :

Unter den ftaatlihen Anordnungen hat die Auf- hebung des vakant gewordenen Postens eines General-Gouver- neurs der baltischen Provinzen mehr oder weniger von sich reden gemacht. Sie war erfolgt im Sinne eines {hon seit 1826 angenommenen Systems, nah welhem die außerordentlichen Zwischeninstanzen nur noch dort beibehalten werden sollten, wo die lokalen Verhältnisse es erforderten oder doh wünschenswerth machten. Demgemäß wurden unter der gegenwärtigen Regierung \chon die General-Gouverneurspoften von Charkow, St. Peters- burg und Odessa abgeschafft, und dieStatthalterschaft von Warschau in ein mit viel weniger Machtvollklommenheit ausgeröstetes General-Gouvernement umgewandelt. Die Eintheilung des Reiches in Gouvernements stammt aus dem Jahre 1775 und wurde bis 1780 durchgeführt. Es gab damals in Rußland keine Mi- nifterien, sondern nur Kollegien mit einem engeren Wir- kungsfkreise: die Statthalter oder General-Gouverneure reprä- sentirten für einen Komplex von Gouvernements gewisser- maßen die ministerielle Instanz. Als unter Alexander I. die Ministerien organisirt wurden, gingen die meisten General - Gouvernements ein. Eine Kommission von 1826 \sprah fich endlich dahin aus, daß General - Gouverne- ments nur noch in den entlegenen Grenzgebieten und allenfalls noch dort, wo aus andern lofalen Gründen die Kaiserliche Ge- walt einer mit außerordentlihen Vollmachten bekleideten Re- präfentanz bedurfte, fortbestehen sollten. Danach werden au noh andere General - Gouvernements eingehen, sobald die be- treffenden lokalen Bedingungen \sich anders gestalten. Die \peziell baltishen Angelegenheiten werden nah wie vor von einem in St. Petersburg befindlihen Comité wahrgenommen. ,

In ciner wichtigen Frage der inneren Verwaltung, die Wiederbewaldung solcher Provinzen, bei welhen das Ab- holzen zum Wassermangel und zu chronishen Mißernten ge- führt, hat das Domänen-Ministerium energishe Maßregeln er- c riffen. Es werden 120 Prämien Verleihung von silbernen Medaillen nebsi 100 Rubel Geld jeder Medaille für die befte entsprehende Thätigkeit jährlih vertheilt. Diese Prämien sind vornehmlih für die Bauern und Bauergüter bestimmt. Für größere Grundbesißer werden folgende Belohnungen beftimmt: zwei Hauptprämien goldene Medaillen nebst je 500 Halb- imperalen und fünf goldene Medaillen ohne Geldgratifikation für Anlegung neuer Wce*dungen. Endlich werden zei goldene Medaillen mit je 200 Halbimperialen als Hauptpreise und fünf goldene Medaillen ohne Geld als geringere Preise für solche Gutsbesitzer, resp. auch Förster und Oekonomen gestiftet, welche dur das rationelle System, mit welchem sie die bestehen - den Wälder konserviren, sih auszeihnen.

Am 12. Februar feierte man in St. Petersburg das 50 jährige Bestehen der zweiten (kodifikatorishen) Abtheilung der Kaiserlihen Kanzlei einer Behörde, welche stets die hervorragenden, juristishen, ftaatsmännisch - wissenschaftlihen Kapazitäten umfaßte. Es giebt viele Quellen, welche über Ruß- lands Recht und Geseg aus älterer Zeit Auskunft geben. Seit 1649 gab es jedo kein \ystematishes Gesezbbuch und die Gerichte mußten sich unter den über das ganze Land verstreuten Ukasen zurehtfinden. Die Errihtung von Gesehgebungs-Kom- missionen führte zu keinem Resultat. Da wurde von dem Kaiser Nikolas l. die zweite Abtheilung der Kaiserlichen Kanzlei errichtet und ihr folgende Thätigkeit zugewiesen: 1) alle Ukase seit 1649, die geschlihe Bestimmungen enthalten, zu sammeln und in chronologischer Ordnung zusammenzustellen und zu numeriren ohne Rücksiht auf die momentane Gültigkeit der darin ent- haltenen Bestimmungen; 2) nach einem wissenschaftlihen

Erste Beilage

Berlin, Dienstag, den 28. März

1876.

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Syftem die in Geltung stehenden Bestimmungen aus der chronologischen Sammlung auszuziehen und gzu einem Ganzen, welches eben das Reichsgeseßdu ch bildet, zu vereinigen. Die chronologishe Sammlung hei t die „Vollstän- dige Sammlung der Gesegze“ (Polnoje Sobranije); die Ufase von 1649 bis 1825 bilden dort 40 Foliobände mit 31,000 Num- mern; jeder spätere Kaiser erhält eine neue Abtheilung. Das Reichsgesezbuch dagegen umfaßt 15 Bände und ift unter dem Namen „Swod* bekannt: zu jedem Paragraphen dcs Swod muß die Nr. des Ukases der Polnoje Sobranije angegeben sein. Der Swod erschien 1832 in erster, 1842 in zweiter, 1857 in dritter Ausgabe. Supplementaus gaben bringen die inzwischen nöthig ge- wordenen Nachträge. Die Stellung eines Chefs dieser Abthei- lung wurde nach einander von folgenden Männern ausgefüllt : Graf Michael Speransky 1826—1839; Fürst Daschkow 1839; Graf Dimitri Bludow 1839—1861; Graf Modest Korff 1861—1864; Graf Panin 1864—1867; Fürft Sergej Urufsow eit 1867.

! Am 6. Februar traten die leßten Uniaten, die sh noch in Rußland (in Warschau) befanden, zur griehish-orthodoxen Kirche zurück. Der uniirte Kultus hat \somit in Rußland zu existiren aufgehört. 7 A i

Eine Kaiserlihe Verordnung {ränkt die Feier der Jubi- läen ein. Es dürfen offizielle Jubiläen nur unter spezieller Allerhöchster Genehmigung gefeiert werden, und zwar blos, wenn Jemand 25 Iahr lang ununterbrochen in derselben Funk- tion gestanden oder wenn ein Militär feit 50 Jahren Offizier gewesen; Korporationen und Stiftungen dürfen nur alle 50 Jahre Jubiläen feiern. Unter jeder Bedingung aber if es untersagt, bei Personen, welhe fih in dienstliher Abhängigkeit von einem Iubilar befinden, zu dessen Jubiläum Subskriptionen umgehen zu lassen. O /

Publizirt wurde die am 20. Mai 1875 in Paris abge- \{lofsene internationale Meterk onvention.

Der „Regierungs-Anzeiger“ brachte eine bemerkenswerthe Statistik der Häuser mit Schenkgerechtigkeit. In ganz Rußland gab es im Jahre 1873 139,308 Sche=ken, wovon 28,960 auf die Städte und 110,348 auf die Dörfer und das flahe Land fommen. Die Gesammtziffer der \tädtishen Bevölkerung Ruß- lands beträgt übrigens nur 10 Proz. der Gesammtbevölkerung, so daß die Schenken in den Städten weit zahlreiher als in den Dörfern sind. In den Städten kommt eine Schenke auf 120 Köpfe, in den Dörfern eine auf 254 Köpfe, was durh- shnittlih eine Schenke auf 11 Dörfer ausmacht.

Nachdem am 831. Iuli vorigen Jahres die Konzession auf die Donnetz-Kohlenbahn vergeblih ausgeboten wurde, ist sie am 16. Februar auf Herrn Mamontow übertragen worden, und zwar für den Gesammtwerth von 22,806,625 Rubeln (ein Rubel zu circa 32 Silbergroschen gerechnet), unter Garantie einer Ein- nahme von 5 Prozent. Die betreffende Aktiengesellschaft muß binnen 3 Monaten beisammen, die Bahn bis zum 16. August 1878 fertig gestellt sein. Die Donneß-Kohlenbahn verbindet die beiden nah Süden gehenden Linien KursE-Charkow- Asow und Woronesch-Rostow und bekommt drei Abzweigungen : zum nörd- lihen Donneß, nah Slawsansk und nah Bachmut. Gesammt- länge der Donnet-Kohlenbahn und ihrer Abzweigungen 500 Werst: in 81 Jahren fällt die Bahn an den Staat. S i

Die griehi\sch-orthodoxe Kirhe in Rußland wird bekanntlih von der Synode verwaltet, welhe Behörde an Stelle des ehemaligen, von Peter dem Großen abgeshafften Moskauer Patriarchats getreten is, und nah wie vor bei ôku- menishen Konzilien der griechischen Kirche die Stimme und die Rechte dieses ehemaligen Patriarchats vertritt und ausübt, Die Glieder der Synode alterniren, und nach der gegenwärtigen Zu- sammensezung gehören zu ihr: 3 Metropoliten (von St. Peters- burg, Kiew und Moskau), 3 Erzbischöfe (von Poloßk, Litthauen und Woronesch), der Beichtvater des Kaisers, der Oberstabs- geistlihe und ein Oberpriester. Das Staatsinteresse wird in dieser Versammlung dur den Ober-Procureur wahrgenommen jegt den Unterrichts-Minister Grafen Dimitri-Tolstoi. Zur Synode wird übrigens au der Erxarh von Grusien oder Geor- gien gezählt. Im Ganzen gibt es in Rußland 59 orthodoxe griehishe Eparchien, von welchen 4 zum grusinishen Exarchate gehören. Eine orthodoxe Eparchie befindet sich außerhälb der russisGen Grenzen in dem? Territorium Alaska. Die Eparchien werden verwaltet von 3 Metropoliten, 20 Erzbishöfen und 35 Bischöfen nebstt 27 Vikariatsbishöfen.

Was die Thätigkeit der russishen Geifilichkeit betrifft, so dürfte die erfolgreißhe Ausbreitung des Chri- stenthums unter den Heiden und Mohamedanern be- sondere Beahtung verdienen. Diese erfolgreihe Bekeh- rungsthätigkeit nahm seit dem Jahre 1870 ihren Ausshwung, indem man damals die Nothwendigkeit erkannte, vor Allem die Sprachen der zu Bekehrenden zu erlernen, zumal die russische Kirche ihren Angehörigen das Recht giebt, den Gottesdienst in ihrer Muttersprache zu celebriren. Zunächst wurde 1870 die große russische Missionsgesellschaft erneuert, und bei dieser gingen an Beiträgen ‘ein im Jahre 1870 47,066 Rubel, 1871 82,222 Rubel, 1872 96,516 Rubcl, 1879 126,371 Rubel, 1874 148,723 Rubel: davon blieb für 1875 statutenmäßig als eisernes Kapital 240,143 Rubel, Reservefonds 134,840 Rubel, zu Missionszwecken 56,854 Rubel. Dabei sind die als Geschenk eingelaufenen Bücher und Kirchengeräthe gar niht mit- gerechnet. In Kasan bildete sich 1570 die Brüderschaft des heiligen Gurij \peziell zur Bekehrung . der Mohamedaner (und Heiden) der Wolgagegend. Diese Brüderschaft hatte bis zum Jahre 1874 aus ihren Mitteln 115 Schulen errichtet, in welchen unterwicsen wurden 1992 Tataren und 339 Tatarinnen, 114 Wotjaken und 7 Wotjakinnen, 355 Tshuwaschen und 20 Tschuwaschinnen, 420 Tscheremissen und 380 Tscheremissinnen. Jn Kaukasien wirkte die Andreas-Brüderschast, und andere Brüderschasten in verschiedenen Theilen Rußlands. Recht er- folgreich zeigte sich die mit großer Umsicht betriebene Thätigkeit der Mission von Jrfkutsk und im Altai. Außerordentlihen An- flang fanden die Lehren der griehis{ch-orthodoxen Kirche in Japan, wo son drei orthodoxe Gemeinden bestehen, nämlich in Jeddo, Hakodadi und Sendaï. Die orthodore Mission in Japan be- steht aus 12 Katechisatoren und 30 Katechetenschülkern.

Landtags- Angelegenheiten.

Berlin, 28. März. Die eingehende Mittheilung, welche der Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Camp - hausen in der gestrigen Sißung des Hauses der Ab- geordneten über den Final-Abschluß der Finanzver- waltung des preußischen Staats für das Jahr 1875 machte, hatte folgenden Wortlaut: E

Meine Herren! Jn der verflossenen Woche hat der Rehnunzs- abs{chl1ß der Finanzverwaltung für das Jahr 1875 stattgefunden, und ih bitte um die Erlaubniß, Jhn:n eine eingehende Mittheilung über die Resultate machen zu dürfen.

In dem Etat für das Jahr 1875 waren die Einnahmen ver- anshlagt zu 694,498,919 #4, in der- Wirklichkeit haben diese Ein- nahmen sich belaufen auf 704,090,821 Æ, es ist also gegen den Etatsvorauschlag eine Mehreinnahme von 9,591,902

In dem Etat waren die Ausgaben eben so hoh veranslagt, wie die Einnahmen mit 694,498,919 A Wenn man bei den Ausgaben, wie wir das zu thun pflegen, die Ausgabereste, die das Jahr 1874 dem Jahre 1875 überliefert hat, in Abzug bringt und wenn man zu den Ausgaben nicht allein die bereits wirklich geleisteten Ausgaben, sondern auch die Auszabereste mit in Ansay bringt, die dieses Jahr dem Jahre 1876 ebenso überliefern wird, wie das Jahr 1874 die Aus- gabereste dem Jahre 1875 überliefert hatte, dann stellt sfih die Ausgabe in der Wirklichkeit auf 686,712,785 4, es sind daher bei den Ausgaben Minderausgaben eingetreten zum Betrage von 7,786,134 A In Folge dessen hat sih bei der etatsmäßigen Verwaltung des Jahres 1875 ein Uebershuß ergeben von 17,378,036 (4 Von dieser Summe, meine Herren, hat ein Betrag von 1,984,914 4 entnommen werden müffen, um Mehrausgaben zu decken bei der sogenannten extraordinären Ver- waltung. Die sogenannte extraordinäre Verwaltung hat an Ein- aahmen gehabt 138,776,078 #4, sie hat an Ausgaben gehabt 140,360,492 Æ, und sie hat daher einen Zushaß bedurft von 1,584,914 (A Dieser Zuschuß ift hguptsächlih veranlaßt worden durch - den Umstand, daß die Regierung auf ihren Besiß an Oberschlesishen Stammaktien die neu ausgegebenen kticn al pari ermnwvorben und dafür eine Summe von 1,079,400 M zu zahlen gehabt hat, eine Ausgabe, die also eigentlich eine Kapitalanlage darstellt, wie eine ähnliche Ausgabe im Jahre 1873 auch stattgefunden hat. Ferner war. noch ein Zuschuß zu leisten für den Bau einer der Bergwerks8verwaltung gehörigen Eisenbahn, für die sich ein Titel in dem Etat für das Jahr 1875 nicht befand, und die einem früher geäußerten Wunsche des Abgeordnetenhauses gemäß nunmehr bei der extraordinären Verwaltung in Ausgabe gestellt wor- den ift. Zieht man diesen Zuschußbedzrf ab, so ergiebt fih bei der etatsmäßigen Verwaltung des Jahres 1875 ein diêponibler Ueberschuß von 15,793,121 Œs ift das für eun-Jahr, das mit so vielen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, wie das verflossene, als ein günstiges Resultat zu betrahten und übertrifft die Erwartung, die ih selbft bei meinem Vortrage vom 18. Januar noch hegen zu müssen glaubte. Damals war mir nämlich voch nicht bekannt, daß bei verschiedenen Verwal- tungen die Minderausgaben den Umfang annehmen würden, den ste in der Wirklichkeit angenowmen haben. Jch gestatte mir, auf diesen Punkt etwas näher einzugehen. Die Minderautgaben gegen den Etat haben fich belaufen bei verschiedenen Verwaitungen zusammenge- nommen auf 16,099,017 4, darunter 13,385,921 M bei dem Ordi- narium, 2,713,126 6 bei dem Extraordinarium. Auf der andern Seite, meine Herren, haben aber auch Mehrausgaben gegen den Etat stattgefunden, und zwar haben diese Mehrausgaben einen Betraa erreicht von 8,312,913 4. Diese Mebrausgabe von den Minder- ausgaben abgesetzt, läßt einze Minderausgabe überhaupt von 7,786,131 A6 hervortreten. 2 i i

Was nun die Mehrausgaben betrifft, meine Herren, so find die hauptsächlich eingetreten beim Justiz-Ministerium, welches gegen den Etat einen Mehrbetrag von 4,220,009 Æ erfordert hat. Allerdings hat auf der anderen Seite das Justiz - Ministerium au eine höhere Einaahme an Sporteln u. st. w. geliefert; eine höhere Einnahme, die diesen Mehrbedarf der Ausgaben vollständig gedeck uud noch einen kleinen Uebershuß gelassen hat; die Mehreinnahmae hz:t rämlih betragen 4,749,707 f Ferner, meine Hecren, hat eine beträchtliche Mehrausgabe stattgcfunden beim landwirthschaftlichez Ministerium. Wenn da das Ordinarium und Extraordinarium zusammengezähir werden, so stellt sich eine Mehrauëgabe von 1,023,000 M heraus. Auch hier gilt theilweise der Saß, daß entgegenstehende Mehreinnahmen in Betracht kommen, indem beispielsweise eine beträchtliche Mehr- ausgabe bei den Auseinanderstungskosten Übertragen wird durch eine Mehreinnahme bei der betreffenden Verwaltung. Ferner, meine Her- ren, hat eine Mehrauêsgabe bei den direkten Steuern, und zwar im Extraordinarium stattgefunden, aber ohne daß den Chef dafür eine Schuld trifft; es hat sih nämliGch um eine Mehrausgabe bei der Berechnung der Kosten für die Veranlagung der Grundsteuer gehandelt, die sfich ungefähr auf 1 Million Mark beläuft. Die Minderausgaben, die eingetreten find, von denen fällt ein Betrag von 3 Millionen Mark theils auf den Etat der allge- ineinen Finanzverwaltung, theils auf den Etat der Staatsschulden- verwaltung, wo wiederum 1,200,000 Mark haben erspart werden köanen, indem die Schaßanweisungen nicht ausgegeben sind, fie fallen dann mit 24 Millionen auf das Kultus-Ministerium, zum Theil cine Folge des Kulturkampfes, der manche Ausgaben unterlafsen ließ, die sonst hätten stattfinden können. Hier wird aber die Ersparniß für den Staat theilweise niht eine wirkliche fein, weil fie auf unrichtigen Buchungen beruht, indem Auëgaben, die zu einem Sammelfonds übertragen werden müssen, bereits als Minderausgaben berechnet find.

Die größten Minderausgaben, meine Herre», kommen vor im Ressort des Handels-Ministers, und zwar in dem ansehnlichen Betrage von 8 Millionen Mark. Davon fallen auf die Bergwerksverwaltung 992,000 M, und es fallen auf die Eisenbahnverwaltung 5,827,477 e. bei der ordentlichen Verwaltung und außerdem noch eine Ersparniß bei dem Extraordinarium von 1,172,009

Was die Bergwerksverwaltung betrifft, die in Folge des von mir angeführten Umstandes einen Ueberschuß von nahezu 2,000,000 4 ergeben hat, so bin ich auf diesen Punkt \chou in meiner Darlegung vom 18. Januar eingegangen. : | »

Was die Eisenbahnverwaltung anbetrifft, so glaube ih, daß es von Interesse sein dürfte, wenn ih das Ergebniß etwas näber dar- lege, zumal sich die Verhältnisse bei den Eisenbahnen bei Weitem besser herausgestellt haben, als wie ich noch vor zwei Monaten an- nehmen durfte. E :

Bei den Eisenbahnen, a Herren, ift die Solleinnahme im Etat veranschlagt zu 172,616,210 A

Die S eiaabme des Jahres 1875 hat betragen 164,189,409 6 Die Einnahmen sind also gegen den Etatsvoranschlag um die Summe von 8,426,801 M zurüdgeblieben Indessen möchte ich in Bezug auf diesen Punkt daran erinnern, daß wir in dem Etat von 1875 die Einnahme beträchtlih höher ausgebraht hatten, als in dem voran- gegangenen Etat, und daß, wenn man die wirkliche Einnahme des Jahres 1875 mit der wirklichen Einnahme des Jahres 1874 vergleicht, fo ziemlich ganz genau dieselbe Summe herauskommt. 1875 betrug die Jstein- nahme 164,182,000 A; 1874 hat fie betragen auch 164 Millionen, au 100,000 und noch 52,000 G ; S

Diesen Einnahmen gegenüber tritt nun ein ungemein interessan- ter Unterschied bei den Ausgaben hervor. Die Ausgaben waren in dem Etat veranschlagt zu 122,184,223 s Die R bei der in der bekannten Weise mit den Restauegaben verfahren wird, belief sih auf 116,356,748 4 und ergab eine Ersparniß gegen den Etats-