1876 / 78 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 30 Mar 1876 18:00:01 GMT) scan diff

von Bayern in Anerkennung seiner hervorragenden Leistungen die Geheimrathêwürde verliehen und ihm diese Auszeihnung in einem sehr huldvollen eigenen Handschreiben mitgetheilt worden.

29. März. (W. T. B.) Die Mittheilung einiger Blätter, daß ein Theil der liberalen Kammerfraktion, beziehungsweise der linke Flügel derselben, eine besondere „freie Vereinigung“ tilden werde, wird von gut unterrihteter Seite a!s vollständig unbegründet bezeihnet.

Sachsen. Dresden, 29. März. Die Erste Kammer nahm in ihrer gestrigen Sizung den Gesezentwurf über die Entschädigung der Geistlihen und Kirchendiener mit geringen Aenderungen in der Fassung der Zweiten Kammer an.

In der heutigen Sißung der Zweiten Kammer wurde nah längerer Diskussion die Novelle zu dem Geseße über den Landeskulturrath mit mehreren von den Referenten vor- geschlagenen Abänderungen gegen 12 Stimmen angenommen. Hierauf bewilligte die Kammer den Etat des Ministeriums des Auswärtigen und die Ausgaben für das Deutsche Reich. Eine kurze Debatte veranlaßte der Antrag der Majorität der Deputation, die Postulate für den Gesandten in Wien und den Binisterrefidenten in München abzulehnen. Die Kammer be- willigte jedoh, dem Anrathen der Minorität der Deputation entsprehend, die gedachten Postulate mit 34 gegen 31 Stimmen.

Württemberg. Stuttgart, 28. März. Ju der heutigen Sißung der Kammer der Abgeordneten (der ersten nah der Vertagung) sind laut Bericht des „St.-A. f. W.“ folgende Anträge in Bezug auf das Eisenbahnwesen eingelaufen:

I. Antrag von Schmid, v. Sarwey und etwa 36 Gen. : die hohe Kammer wolle

a) Der Königlichen Regierung gegenüber aus\prechen: Die Abhülfe der Mißstände, welhe im deutschen Eisenbahn- wesen bestehen, sei durch das Zustandekommen eines im Sinne der Bestimmungen Art. 4, 8 und Art. 41—47 der Reichs- verfassung zu erlassenden Reichseisenbahngesetzes anzustreben, niht aber durch Erwerbung irgend eines Komplexes deu!\cher Eisenbahnen auf Rechnung des Deutschen Reiches; b) die Königliche Regierung ersuchen, dieselbe möge allen Maßnahmen, welche auf eine Uebertragung von Eisenbahnen auf das Reich abzielen, ihre Zustimmung im Bundesrath versagen.

1]. Antrag von Dr. Elben u. Gen. (Pfeiffer, Wächter, Finckh, Müller): Die Kammer möge beschließen: 1) die Regie- rung zu ersuchen, sie wolle auch im jezigen Stadium für das Zustandekommen eines wirksamen Reichs-Eisenbahngesezes, durch welches in Ausführung der Bestimmungen der Reichsverfassung die aus der Zersplitterung des Eisenbahnwesens in einem großen Theil Deutschlands entspringenden volkswirth\chaftlihen Schäden beseitigt werden können, nach Kräften thätig sein; 2) sie wolle, wenn der Ausgang der Verhandlungen über die neueste preußische Eisenbahngesezvorlage nur die Wahl läßt zwischen der Uebernahme der preußischen Staatsbahnen auf das Reich oder

er einseitigen Hinlenkung der preußishen Eisenbahnpolitif auf

Shaffung eines über die preußishen Staatsgrenzen hinaus- re¡henden Uebergewichts des preußishen Eisenbahnsystems, sich für die Reform durch das Reih entscheiden.

111. ODesterlen und Genossen stellen folgende Anfrage an |

der Minister der Auswärtigen Angelegenheiten: In Erwägung, daß in politischer, finanzieller und wirth\chaftlicher Beziehung das Wohl Württembergs, wie die föderative Grundlage des Reiches durch die preußishè Vorlage wegen Uebertragung preußischer Staatsbahnen auf das Reich gefährdet wäre, beehren sich die Unterzeichneten, den Herrn Minister darüber zu interpel- liren : a. Was ist der Königlichen Staatsregierung über die Ab- sicht der preußishen Regierung in dieser Hinsicht bekannt ? h, Welher Rechtsanficht is die Königlihe Regierung über die Frage, ob die preußisherseits geplante Uebertragung von Eisenbahnen an das Reih im Bundesrath dur einfache Stimmenmehrheit beshlossen werden könnte, oder ob fie eine Verfassungsänderung (Art. 78) involvirt? c. If die Königliche Regierung der Ansicht, daß für eine etwaige Zustimmung im Bundesrath die Zustimmung der württembergischen Landes- vertretung nöthig ist? d. Welche Stellung nimmt die Königliche Regierung ein bezüglih der Tarifreform 2c. im Eisenbahnwesen ? (Unterzeichnet is diese Interpellation von Mohl, Schwarz, Probst, Retter, Hopf, Gutheinz 2c.).

Präsident v. Hölder wird diese Anträge und die Interpella- tion auf die Tagesordnung einer der nächsten Sitzungen (Don- nerstag) sezen.

Baden. Baden-Baden, 29. März. (W.T.B.) Die Königin Victoria is mit der Prinzessin Beatrice und Ge- folge heute Nachmittag 4 Uhr hier eingetroffen und in der Villa Hohenlohe abgestiegen. Lord Derby traf cbenfalls heute Nachmittag hier ein.

Desfterreich-Ungart. Wien, 28, März. Se. Königliche Hoheit der Prinz Carl von Preußen is mit Hößstseiner Gemahlin vorgestern in Linz angekommen und gestern von dort über Salzburg nah Italien weitergereist.

Vorgestern roaren in Prag die altczehischen Landtags- abgeordneten versammelt, um die Antwort auf die Aufforde- rung des Oberst-Landmarschalls zum Erscheinen im Landtage zu berathen. In dieser Versammlung wurde, wie die „Politik“ berichtet, „der Tiroler Landtagsmajorität für deren mannhaftes Auftreten gegen die alle Autonomie der Länder erdrückende Centralisation und der Landtagsmajorität in Zara für deren entschiedenes Ver- urtheilen der politishen Korruption die wärmste Zustimmung ausgesprochen“.

__— Die „N. Fr. Pr.“ bespriht in ihrem heutigen Leitartikel die wirthschaftlihe Krisis in Oesterrei, der fie wiederum die Entwerthung des Silbers zur Last legt, „Die Krise“, schreibt das genannte Blatt, „welche zuerst über die Aktien der Banken und über Induftriepapiere hereingebrochen, frißt weiter wie ein verheerendes Element und erfaßt nun die solidesten An- lagewerthe. Mitten im Frieden, und ohne daß auf dem ge- fammten Gebiete der inneren und äußeren Politik irgend ein beunruhigendes Ereigniß eingetreten wäre, fallen unsere Renten- course ruckweise um mehrere Prozente, und damit parallel 1äuft ein ebenso \prungweises Steigen der Goldcourse. Der Zu- sammenhang beider Erscheinungen liegt klar zu Tage, sie be- herrschen \eit Wochen unseren Cffektenmarkt, und Jene, welche unsere Artikel über die Mittel, der Krise ein Ziel zu setzen, ihrer Aufmerksamkeit würdigten, haben wohl \hon erkannt, daß in der Entwerthung des Silbers und in dem Emporschnellen des Goldpreises die allgemeine, die große Ursache der Kalamität zu suchen is, welhe über unser Land hereingebrochet ift.“

,_— In demselben Blatt äußert \sich auch Prof. Soetbeer wieder über die gleihe Frage. Derselbe verwirft den Vorschlag

der Herren Wolowski, Cernuschi, Seyd, Mees und Anderer, ein Uebereinkommen der großen handeltreibenden Nationen wegen gemeinschaftliher Feststelung einer gleihmäßigen Werthrelation der Edelmetalle für das Münzwesen und damit eine fast unershütterliße Stabilität des effektiven Geldes an- zubahnen. Nachdem Prof. Soetbeer die allgemeine Preis- fteigerung auf 50 Proz. berechnet Hat, fährt er fort: „Wenn wir au bereitwillig einräumen, daß die Entwicklung des Kreditwesens und die Papiervaluta in den Vereinigten Staaten, Italien, Oesterreich-Ungarn und Rußland zum jegzigen Minderwerthe des Geldes wesentlih beigetragen haben, \o können wir doch den Hauptfaktor für die Steigerung der Preise nur in der gewaltigen Zunahme der Baarmittel dur die kolossale Gold- gewinnung in Kalifornien und Ausftralien erkennen. Die seit einigen Jahren eingetretene progressive Zunahme der Silberproduk- tion bedroht uns jeßt von anderer Seite her mit einer weiteren Werthverminderung des Geldes. Die gleichzeitig wirksam ge- wordene beginnende Werthverminderung des Silbers wird hiergegen. Abhülfe gewähren. Wenn man erwägt, wie {ädlich und störend in allgemeiner sozialer Hinficht das Schwanken des Geldwerthes und namentlich ein ftarkes Sinken desselben wirkt, wie \{hwierig und langsam die sachgemäße und der Billigkeit entsprehende Ausgleihung der Geldeinkommen und der Kosten des Lebensunterhalts nah eingetretenen Preis- revolutionen is, so muß man es als eine Wohlthat ansehen, daß die jezt im Werke begriffenen Münzreformen den Silber- preis hinabdrücken und in den vorgeschrittenen Kulturländern das Silberkourant beseitigen werden. Möglihste Stabilität des Geldwerthes, der jezt mit der Kaufmahht des Goldes zusammen- fällt, ift eine zu wünshenswerthe Sache, als daß fie, soweit solhe überhaupt zu erreihen is, nicht durch vorübergehende und einzelne Kreise treffende Opfer und Unzuträglichkeiten, wie sie die Gle E des Silbers mit sich führt, erkauft werden ollte.“

Pest, 28. März. Im Abgeordnetenhause wurde der Antrag Zsedenyi's, wonach sich die Sektionen erst nach den Feiertagen konstituiren sollen, angenommen. Die Minister reten E nah Wien, wo dieselben bis Mitte Apcil verbleiben.

Schweiz. Bern, 28. März. (N. Zür. 3tg.) Gegen das Militärsteuergesez sind bis jezt bei der Bundeskanzkei 26,881 Unterschriften eingelangt: aus St. Gallen 7067, Wallis 3898, Appenzell A.-Rh. 1375.

(Köln. Ztg.) Die Gotthardbahn - Direktion be- zeihnet die Nachriht, daß sie dem Bundesrath erklärt habe, sie halte fich gegenüber seiner offiziellen Kontrole des Gotthardbahn- baues für dessen gegenwärtige Krisis niht verantwortlih, für ungenau.

Großbritannien und Jrland. London, 28. März. (E.C.) Veber die Ankunft des Prinzen von Wales in Suez und seinen Empfang in Kairo wird der Times von ihrem Spezial- Korrespondenten berichtet: „Als der „Serapis“ und das britische Geschwader auf der Rhede von Suez ankerten, wurden sie von den ägyptishen Kriegsschiffen begrüßt. Lord und Lady Lytton , Oberst Burne mit Gemahlin, Tscherif Pascha, Mustafa Pascha, General Stanton, Hr. Gordon, Hr. v. Lesseps, Kapitän Willoughby und andere wurden an Bord des „Se- rapis“ zum Frühstück empfangen. Lord Lytton hatte eine lange Unterredung mit dem Vrinzen und begleitcte ihn zum Bahnhof, wo er herzlihen Abschied nahm. Ein Extrazug brachte den Prinzen nach Kairo, und hier erwarteten der Khedive und die Prinzen, der Groß- fürst Alexis von Rußland mit Gefolge und viele hochstehende Persönlichkeiten seine Ankunft. Um 6 Uhr® Abends fuhr der Prinz mit dem Khedive und von einer starken Ehrenwache be- gleitet zum Palast Gezireh. Der Khedive verabschiedete \ich nunmehr von dem Prinzen, der mit dem Großfürsten Alexis \peiste und darauf die Oper besuchte. Kairo is sehr voll. Heute stattete der Prinz dem Khedive einen Privatbesuch ab und unterhielt fich lange mit ijm. Nach dem Besuche des Prinzen hatte Sir Bartle Frere eine Unterredung mit dem Khedive sowie auch mit General Stanlon und Herrn Rivers Wilson. Lord Alfred Paget reiste heute Morgen nah Italien ab. Der Prinz nahm das Diner mit dem Großfürsten Alexis im Palast El Noufsa ein. Am Sonnabend tritt der britische Thronfolger die Reise nah Malta an und der Großfürst be- gleitet ihn dahin auf einer russischen Fregatte.

Der „Morning Post“ zufolge sind die Berichte über eine Reise der Kaiserin Eugenie und des Prinzen Louis Napoleon nah Deutschland aus der Luft gegriffen und hat weder sie noch der Sohn Shislehurst verlaffen.

Die indishe Titelvorlage bleibt der Hauptgegen- stand, in welhem fih gegenwärtig das ganze politische Interesse vereinigt. Jm Oberhause steht für den 30. die zweite Lesung auf der Tagesordnung, welche von der Opposition als solcher niht beanstandet werden wird. Es steht indessen ei» Amendement Lord Shaftesburys auf der Liste, welche3s vom Serzog von Bucclenh befürwortet werden und dem Vernehmen nach die Unterftüzung der Oppofition überhaupt erhalten soll. Im Unterhause foll gleih- zeitig der Marquis of Hartington den Premier ersuchen, der Königin den Rath zu geben, fie möge den Erlaß der Vrokla- mation über Annahme des üeuen Tiiels hinaus\cieben, bis das Unterhaus Gelegenheit gehabt, den Antrag Prof. Fawcetts, der mit der Motion Shaftesbury im Oberhause der Hauptsache nah übereinstimmt, zu erörtern.

Der „Times“ wird unter dem 26. d. aus Calcutta berichtet : Die Angelegenheiten in Khelat find noch nicht geord- net und unlängst fand zwischen den Bahoa-Häuptlingen und dem Khan ein Gefecht statt, in welchem der Legtere gänzlih geschlagen wurde. Major Sundeman, der bei den Stämmen großen Einfluß besizt, geht nah Khelat, um über Beilegung der Streitigkeiten zu unterhandeln, und eine Truppeneskorte begleitet ihn. Seinem Berichte zufolge ift thätliches Einschreiten unnöthig, da die indische Regierung gegen keine der beiden Parteien Ver- pflihtungen hat. i

Frankreich. Paris, 28. März. Der „Köln. Ztg.“ wird geschrieben: Die Politik der Tagesblätter bewegt fich noch immer wesentlich um Waddingtons Entwurf zur Reform des Unterrichtsgeseßes, und sie erweitert sh zu einem allgemeinen Wortkampf des liberalen Heerlagers gegen das klerikale. Das leßtere thut, was es immer und überall zu thun gewohnt ift, es jammert über Verfolgung und Bedrückung. Aus der Einstimmigkeit der liberalen Presse aber ist deutlich zu ersehen, wie sehr der Klerus auch hier “dur seine Herrshgelüste und durch seine Art sih geltend zu machen, die öffentlihe Meinung gegen \ich auf- gebraht hat, Die neuesten Proteste des Papstes

gegen die Toleranz in Spanien find niht ohne Einwír- kung auf die Stimmung in Frankreich. Indenr fie dem Volke zeigen, was es von der „Freiheit“ des Ultramontanismus zu erwarten haken wjrd, dienen fie dazu, die antiklerikale Stim- mung zu verstärken. Der französishe Episkopat, der zur Gründung der katholishen Univerfität in Paris einen Verband ges{lossen, wird fih morgen im erzbishöflichen Palast zu Paris versammeln und fich unter Kardinal Guiberts Vorsiß mit den Maßregeln zur Entwicklung dieses Werkes, zugleih aber auh mit Waddingtons Gesezentwurf beschäftigen.

Versailles, 29. März. (W. T. B.) In der heutigen Sigzung der Deputirtenkammer wurde bei Gegelegenheit der Prüfung der Wahl des republikanischen Deputirten Guyho für das Departement Finistère von dem bonapartistishen Depu- tirten Prax-Paris der Majorität des Hauses der Vorwurf ge- naht, daß es ihr an Unparteilichkeit fehle und daß fie nur die Wahlen ihrer politishen Gegner für ungiltig erkläre. Nach leb- hafter Debatte wurde die Wahl Guyho's bestätigt.

29. März. (W. T. B.) Der Konseilpräsident Du- faure und der Minifter des Innern, Ricard, haben \ch in der Kommission des Senats gegen eine allgemeine Amnestie ausgesprochen, dagegen für Begnadigung Einzelner.

Spanien. Es haben sich, wie man der „Köln. Ztg.“ schreibt, viele Freiwillige gemeldet, die fich noch den nah Cuba zu \hickenden Verstätkungen aaschließen wollen. Neuerdings wurden wieder zwei Kavallerie-Regimenter nah der Insel geshickt. Seit der Besiegung der Carliften if die Beendigung des Aufstandes mad noch eine Frage der Zeit und es giebt keine cubanische Frage meYr.

(Köln. Ztg.) Das Breve des Papstes an den Kardinal-Erzbishof von Toledo, dessen Veröffentlihung durch den legzteren den Grund zu einer Interpellation in den Cortes gab, if vom 4. März datirt. Pius 1X. bezieht sich im Eingang auf ein Schreiben des Kardinals, in welchem derselbe ihm von seiner an die Cortes gerihleten Petition für die Glaubenseinheit in Spanien Mittheilung gemacht hatte. Hier- durch und dur die zahlreich aus allen Theilen Spaniens er- \hallenden Bitten bewogen, habe er seinen Nuntius nah Madrid gesandt, mit dem Auftrage, bei den Kammerdeputirten, . den Ministern und dem Könige selbst mit aller Energie dahin zu wirken, daß die lezten Spuren der beklagenswerthen Revolutionen der Jüngstzeit verwisht würden und das Konkordat vom Jahre 1851 nebst den später darauf abgeschlossenen Verträgen wieder in seine alte Rechte trete. Das Breve fährt dann fort:

Und da die Verfassung von 1869 eine {were Vergewaltigung gegen diesen Vertrag enthielt, eine Vecgewaltigung, der man durch die Proflamirung der Kultusfreiheit Gesetzeskraft gab, so wandte unser Nuntius gemäß den von uns empfangenen Instruktionen seinen gan- zen Einfluß an, diesen Vertrag wieder in Kraft treten zu lassen, mit energicher Zurückweisung jeder Neuerung, die ihrer Natur nach der religiösen Einheit hätte schaden können. Gleichzeitig erachteten wir es für unsere Pflicht, dem katholischen Könige in einem eigenhändigen Schreiben unjere Ansichten in diesem Punkte auseinauderzusctzen. Selbst dann noch, als die spanische Presse den Text des neuen Ver- fassungsentwurfs veröffentlichte, wie er den Cortes zur Berathung vor- gelegt werden sollte und dessen eilftes Kapitel sih auf die gesetzliche Billi- gung der Freiheit oder Duldung der nichtkatholischen Religiensbekennt- nisse bezieht, jelbst dann noch haben wir unserm Kardinal- Staatssekretär aufgetragen, dem Vertreter der spanischen Nation unter Zuzrunde- legung des in Frage stehenden vom 13. August 1875 datir‘en Doku- ments unsere auf Ret und Pflicht begründeten Einwürfe gegen das genannte Kapitel auseinanderzuseßen. Als die spanische Regierung uns hierauf mit einer Anzahl von Auscinanderseßungen erwiderte, haben wir noch einmal die gleiche Klage erhoben, und unser Nuntius in Madrid fuhr fort, in feinen Konferenzen mit dem Staats-Mi- nisterium zu verlangen, daß seine Beschwerden den Öffentlichen Akten des Ministeriums eingereiht würden. Und trotz alledem erlebten wir den tiefen Schmerz, zu sehen, daß unsere eigenen Bemühungen wie die des Kardinal-Staatssekretärs und unseres Nuntius zu Madrid gleich fruchtlos blieben. Noch einmal protestiren wir im Verein mit den Bischöfen und dem größten Theile der Gläubigen Spaniens dagegen, daß die Tole- ranz der nihtkatholishen Kulte Geseßzesk: aft erlangt, wir protestiren dagegen als Arden eine Verleßung der Wahrheit und der Rechte der katholischen Kirhe. Würde diese Duldung zur Thatsache, so wäre damit der Verbreitung des Jrrthums und in zweiter Linie - der Ver- folgung der katholishen Kirhe Thür und Thor geöffnet. Eine Un- zabl von Uebeln würde fich über diese echabene Nation ergießen, welche von jeher diese Religionéfreiheit mit Unwillen von si zurück- gewiesen hat, welche mit ganzer Seele an der von den Vorfahren ererbten Religionseinheit hängt, die so innig mit den Denkmälern und Ueberlieferungen der Geschichte, der Sittea und des Ruhmes dieser Nation verflochten ist.

Pius IX. wünscht, daß diesem Schreiben durch den Mund

‘der Kirche die größtmögliche Verbreitung unter allen Gläubigen

Spaniens zu Theil werde.

Italien. Rom, 29. März. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer machte Biancheri die \chrift=- lihe Mittheilung, daß er das Präsidium der Kammer niederlege. Nachdem hierauf der Minister-Präfident Depretis erklärt, daß Biancheri das volle Vertrauen des neuen Kab:nets befiße, und nachdem Minghetti und Crispi ihrem Vertrauen zu Biancheri Ausdruck gegeben, lehnte die Kammer die Demission Biancheri's einftimmig ab. Nachdem der Minister-Präsident Depretis Zeit zur Prüfung der früher eingebrahten Regieru ngsvorlagen verlangt hatte, vertagte fih die Kammer bis zum 25. April d. I.

Die „Opinione“ freut si, bestätigen zu können, daß selbst die Organe der Linken erklären, daß in der Staatsverwal- tung zwar manhe Veränderungen bevorstehen, an der Heeres= und Flottenorganisation aber nichts geändert werden foll. Die „Opinione” giebt darauf hin der Hoffnung Ausdruck, daß sih die neue Heeres- und Marineverwaltung darauf beschränken werde, die von ihren Vorgängern angebahnten Reformen ge- wissenhaft durhzuführen.

In der Adresse der internationalen Deputation an den Papst, welhe der Herzog Des Cars vorlas, finden fih folgende Stellen: . . . „Deine Feinde wollen die Heerde vom Hirten trennen, sie halten sih für die Stärkeren, und halten mit ihren Hoffnungen und Absihten nicht zurück. Sie sagen es laut, daß sie Deine und unsere Geduld ermüden werden. Sie glauben, Deine heiligsten Rechte bestimmen zu können, und schen aber nit, wie gerade ihre Kraftanfstrengungen Deine Rechte immer mehr verstärken, sie weigern fich in Deiner h. Person den Vertreter des absoluten Herrn unserer Seelen anzuerkennen, der, erfüllt von seiner Liebe, erleuchtet von seinem Geiste, bekleidet durch seine (Christi) Macht, der geseßmäßige Ausleger seines h. Willens, auf Erden feine Justiz erhält und seine Gnade spendet.….….“ „Niemals werden wir Verträge mit jenen machen, welhe behaupten, Deine geistige Macht beziehe sich nur auf die Seelen und habe keine Gewalt über das öffentlihe Leben der Menschen“ ..…..,

Dem „Schwäb. Merkur“ \{chreibt man aus Mailand unter dem 23.: Die Ultramontanen find mit ihrem Fest - programm füx Legnano fertig. Soeben verkündigt es der

\ (

„Katholishe Beobachter*®, das hiesige Organ derselben: Es wird das Gedächtniß des Sieges über Barbarossa darnach auf sieben- fahe Art gefeiert werden. Im Dom zu Alessandria errichtet man eine Statue von St. Ambrosius, dem Mailänder Patron. Dann wird eine Abordnung nah Rom zu Pius IX. gesandt, um dem Nawfolger Alexanders I1IL. zu huldigen, demselben einen Protest gegen die Schismatiker und eine Ergebenheitsadresse zu überreihen. In der S. Simpliciankirhe wird eine religiöse Feier mit ambrosianishem Lobgesang stattfinden. Eine Abend- unterhaltung soll die Erinnerung an die Schlacht in verschiede- nerlei Gestalt auffrishen. Eine Gelegenheits\{hrift , Traktätlein) wird vorbereitet. Endlih wird man Denksteine an die statt- gehabte Feier errihten.

Türkei. (W. T. B.) Aus Ragusa wird unter dem 29. März gemeldet: Der türkishe Kommissar Wassa Effendi hat unter dem gestrigen Tage eine von hier datirte Proklamation erlassen, in welcher er, anknüpfend an das jüngste Kaiserliche Reform-Irade, bekannt maht, daß die auf vier Wohen festge- sezte Amnestiefri| vom 24. d. M. ab gereGnet wird. Die binnen dieser Frist heimkehrenden und die Waffen niederlegenden Einwohner sollen außer den ihnen durch die Reformen gewähr- ten Vortheile eine einjährige Besreiung vom Zehnten und eine zweijährige Befreiung von allen sonstigen gesezlihen Steuern genießen. Alle übrigen Einwohner werden, wie bereits ander- weitig gemeldet, nicht nur der Wohlthaten der Reformen ver- lustig gehen, sondern ihr Befig wird verkauft und der Erlös unter die Heimkehrenden vertheilt werden.

Ein weiteres Telegramm von demselben Tage be- rihtet: Zwischen General Rodih und Mukhtar Pascha ist nunmehr eine Verftändigung dahin erzielt worden, daß vom 28. d. bis zum 10. April inkl. in der Herzegowina die Feindseligkeiten vollständig eingestellt werden follen. Mukhtar Pascha kehrt heute nach Trebinje zurück, Ali Pascha wird mor- gen Ragusa verlassen.

Nuflaud und Polen. St. Petersburg, 28. März. Eine Konsular-Konvention zwishen Rußland und Spanien ist, der „N. Wr.“ zufolge, in diesen Tagen abgeschlossen wor- den. Nah derselben werden 11 neue Konsulate und Vize-Kon- sulate eingerichtet w:rden. Die Aufhebung des baltischen General-Guberniats gestattet, nah demselben Blatte, eine reine Ersparniß von 80,000 Rbl. Der ungefähr 12 Proz. der ganzen ursprünglich ausgeworfenen Summe von 91,000 Rbl. betragende Rest soil zur Bestreitung der Kosten für die in dies \en Gouvernements - Verwaltungen fsich jeßt steigernde russische Korrespondenz, sowie zur Besoldung zweier Beamten aus der Kanzlei des General - Gouverneurs, welche das Ministerium wegen ihrer Kenntniß der speziellen Verhältnisse der Ostsee- provinzen in Angelegenheit dieser Provinzen verwenden will, und endlih zur Unterstüßung und Erziehung von Beamtenkinde:n verwandt werden. i

(St. Pet. Herold.) Im verflossenen Lchrjahr wurden in den Junkershulen 4400 Junker unterrichtet. Unter diesen befanden sich 3410 Personen, welche fich zu Offizieren für Fuß- Regimenter vorbereiteten, 480 für Kavallerie- und 510 für Kosaken-Regimenter. Aus dieser Zahl haben mit vollständigem Erfolg gearbeitet 77 pCt.; mit geringem Erfolge, ohne daß die Hoffnung auf ein günstiges Resultat bei fernerem Verbleiben in der Schule aufgegeben werden mußte, 5 pCt.; vollständig er- folglos, so daß sie aus der Anstalt ausgeshlossen wurden, 8 pCt. Wegen \chlechter Führung wurden entfernt 2 pCt., niht exami- nirt wurden 2 pCt. und auf eigenen Wunsch traten aus den Anstalten 6 pCt. Als Offiziere sind endlich aus den Anstalten entlassen worden 1632 Mann.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 27. März, Die heutige „Post och Inv. Tidn.* enthält folgende Mitthei- lung: Bei der Berathung über den Gesundheitszustand Ihrer Majestät der Königin, welche gestern zwishen dem Professor Friedreich aus Heidelberg, dem Leibmedicus Budde aus Christiania und den Professoren Malmsten und Abelin stattfand, und welche alle sowohl hinfihtlih der Beschaffenheit der Krankheit Ihrer Majestät, \owie der Behandlung derselben vollflommen übereinstimmende Ansihten hegten, wurde beschlossen, Ihrer Majestät, welche fortgeseßt und in un- verändertem Grade an geshwäcter Herzthätigkeit, Blutarmuth und Störungen in der Thätigkeit des Nervensystems leidet, anzurathen, zur Erlangung der großen und wichtigen Vortheile, welche ein mildes Klima und eine frishe und reine Luft er- bieten können (je früher desto besser), nah der südlihen Schweiz abzureisen, um si daselbst, in der Gegend des Genfer Sces, aufzuhalten, bis Ihre Majestät Anfangs Juni, oder, sobald die WVitterungsverhältnisse solches erlauben, eine höher gelegene Ge- birg8gegend besuchen kann, wo Ihre Majestät auch die Gelegen- heit, ein mildes eisenhaltiges Wasser anzuwenden, erhält.

Schwedens Zollein nahmen in 1875. Zufolge des nunmehr abgeschlo}enen Hauptbuches der Königlichen General- Zollvecwaltung betrugen die Brutto-Einnahmen im genannten Jahre 25,224,853 Kronen 15 Oere gegen 30,405,975 Kronen 14 Oere in 1874, mithin 5,181,121 Kronen 99 Dere weniger. Nah Abzug der Erhebungskoften (2,277,678 Kronen 93 Oere in 1875), Bonifikationen 2x. beträgt die Nettoeinnahrne in 1875 21,317,657 Kronen 3 Dere gegen 26,424,629 Kronen 82 Dere in 1874, folglich eine Mindereinnahme von 5,106,972 Kronen

79 Dere.

Dänemark. Kopenhagen, 27. März. Das Lands- thing nahm in seiner Sizung am Sonnabend das Finanz- gese für 1876/77 und das Geseg, betreffend die Beobachtung der Feiertage der Volkskirche, in dritter Lesung mit allen gestellten Aenderungsanträgen einstimmig an. Beide Gesegzent- würfe wurden zum Folkethinge zurückgesandt. Ohne Debatte wurden die Gesegentwürfe, betreffend das Uebungslager und die Nachtragsbewilligung zum Finanzgeseß, zur dritten Lesung verwiesen. In der Sizung des Folkethinges am Sonnabend gab der von Bojsen eingebrachte Gesehentwurf, be- treffend die Veränderung des militärischen Strafrechtes, welher zur ersten Lesung stand, zu einer längeren Ver- handlung Veranlassung. Der Kriegs-Minister versprach in nächster Session, wenn er noch Minister sein werde, selbst ‘einen bezüglichen Geseßentwurf einzubringen. Er sei der Ansicht, daß die körperlihe Züchtigung im Heere abgeschafft werden müsse, und daß man auch dahin fommen werde, den in der Marine noch gebräuhlihen geringen Rest der körperlihen Züchtigung aufgeben zu fönnen. Wenngleich er mit dem Antragsteller einig sei, so könne er doch den vorliegenden Entwurf niht annehmen, da er niht im Stande sei, seine persönlihe Anficht gegenüber den im Heere und namentlich in der Marine herrschenden An- fihten durchzuführen. Der Uebergang des Gesegentwurfs zur zweiten Lesung und dessen Verweisung an eine aus 11 Mit-

gliedern bestehende Kommission wurde {@&ließlich tinstimmig angenommen. - ,

29. März. (W. T. B.) “Jin der heutigen Sizung des Folkething wurden bei der Berathung des Wehrgeseßzes die von der Partei der Linken gestellten Amendements mit 56 und 39 Stimmen angenommen und die demgemäß abgeänderte Vor- lage mit 47 gegen 47 Stimmen abgelehnt. Der Reichstag wurde sodann durch ein Königliches Dekret’ ge\chloss\en.

Amerika. (A. A. C.) Kabeldepeshen aus Washington und New-York vom 27. ds. melden: Die Justiz-Kommission des Repräsentantenhauses erachtet jeßt die gegen den ehemaligen Kriegssekretär Belknap vorliegenden Beweise für hinreichend, und wird wahrseinlih diese Woche die „Impeahment“ Artikel dem Hause unterbreiten. In Massachusetts, Connecticut und Rhode-Island find durch die heftigen Regengüsse in voriger Woche große Uebershwemmungen eingetreten. Fabrik- gebäuden und Brücken, sowie verschiedenen Theilen der Eisen- bahnlinien wurde erhebliher Schaden zugefügt. :

Eine Depesche der „Times“ aus Philadelphia meldet die daselbst crfolgte Ankunft des Dampfers „Hammonia“ aus Hamburg mit den Ausstellungs-Kommissären der Schweiz und 1200 Tonnen Aus fstellungsartikeln aus der Schweiz, Deutschland, Oesterreih, Dänemark und Aegyp en. Gleichzeitig ist der „Nederland*“ aus Antwerpen mit dem belgishen Kunst- fommissar und 960 Kisten aus Belgien, Nußland und Deutsch- land angekommen. : i i

Eine Kabeldepesche aus Rio de Janeiro meldet die am 26. ds. erfolgte Abreise des Kaisers von Brasilien nah den Vereinigten Staaten.

Asien. China. Die „Staatsztg.“ veröffentliht ein Edikt der Kaiserinnen-Regentinnen, in welchem befohlen wird, daß der junge Kaiser im 4. Monat des laufenden Jahres seine Studien beginnen \oll. Weng-Tung-ho, der Vize-Kanzler des Groß: Sekretariats, und der Vize: Präsident Hia tung-\han sind zu dessen Lehrern ernannt. Des Kaisers Vater, Prinz Thun, ist mit der Oberleitung des Unterrichts betraut.

Afrika. Aegypten. Alexandrien, 30. März. (W. T. B.) Nach hier eingegangenen Nachrihten wurde der zwischen den ägyptischen Truppen und dem König Johann von Abes\nien verabredete Waffenstillstand von dem Leßteren ge- brohen. Die ägyptishen Truppen brachten dem Könige jedo eine {were Niederlage bei. Derselbe wih na Lahlali zurück und hat abermals Friedensvorshläge gemacht.

Statistische Nachrichten.

O. A. Schulz’? foecben im 38. Jahrganzge (1876) erschienenes „Allgemeines Adreßbuc für den Deutschen Bnchhandel, den Antiquar-, Kolportage-, Kunst-, Landkarten- #nd Musikalienhandel sowie verwandte Geschäftszweige. Bearbeitet und herausgegeben von

ermann Schulz, Mit Heinrich Brockhaus’ Bildniß. Leipzig, Schulz" verzeihnet für 1876 im - Ganzen 4750 Firmen alle auf dem Titel genannten Geschäftszweige (gegen 4531 im vorigen Jahre); davon beshäftigen sich 1176 nur mit dem Verlass - Buchhandel, 210 nur mit dem Ver- lags - Kunsthandel, 131 nur mit dem Verlags - Musikalienbandel, 107 mit dem Sortiments - Kunsthandel ¿als Hauptgeshäft), 150 mit dem Sortiments - Musßkalienhandel (desgl.), 95 nur mit dem Anti- quariatshandel, und 2820 mit dem Sortiments - Buch-, Antiquar-, Kolportage-, Kuust-, Musikalien-, Laadkarten-, Papier- und Schreib- materialienhandel; unter den leßteren befinden sich jedoch viele, die ebenfalls schr bedeutenden Verlag besißen, Von den auswärtigen Handlungen halten 1425 Auslieferungzlager in Leipzig; nur 727 Sortiments-Buch- 2c. Handlungen nehmen unverlangt Neuigkeiten an und 2661 pflegen dagegen ihren Bedarf felbst zu wählen. Das gesammte Kommission8wesen des Buchhandels vertheilt sich unter 7 Haupt-Kommisfionsvläßen mit zusammen 223 Kommissionären, wovon auf Leipzig 115 (mit 4358 Kommittenten), Stuttgart 15 (500), Berlin 30 (287), Wien 31 (460), Budapest 11 (103), Prag 16 (88) und auf Zürich 5 (mit 91 Kommittenten) kommen. An neuen Etablissements find im Jahre 1875 bis Ende Februar d, J. 365 erstanden, wogegen die Anzahl der erloschenen und verän- derten Firmen 449 beträgt. Von der oben genannten Gefammt- zahl von 4750 Firmen mit 85 Filialen, welche fich auf 1170 Städte vertheilen, kommen 3622 (in 814 Städten) auf das Deutsche R-ich, 4 auf Luxemburg, 588 (in 198 St.) auf Oesterreich, 535 (in 128 St.) auf die übrigen europäishen Staaten, 79 (in 24 St.) auf Amerika, 2 auf Afrika (Alexandrien), 3 axf Asien (1 Jedo, 2 Tiflis) und 2 auf Australien (Melbourne und Tanunda).

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

In Cöln verstarb am 24. März der Geh. Regierungs-Rath Christian Josef Matzerath, der langjährige Freund Ferdinand Freiligraihs. Als Student und nachher als Auscultator und Refe- rendar im Cölner Landgericht verwandte er einen großen Theil seiner Zeit auf geschichtliche und literarishe Studien, die cine Anzahl poe- tisher Blüthen trieben. Zu Anfang des Jahres 1838 erschien bei I. G. Cotta in Stuttgart ein Band seiner Gedichte (in drei Büchern : Balladen und Nomanzen, Vermist,te Gedicht-, Dithyramben, Elegien, Idyllen und dramatische Scenen). Mit Simrock und Freiligrath im Verein gab er das „Rheinish2 Jahrbuch für Kunst und Poesie“ (Cêln, Du Mont-Schauberg) in zwei JIahrgängen 1840 und 1841 heraus. Von ihm angeregt dichtete Niclas Vecker im Herbst 1840 das Lied: „Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein.“

Wir erwähnten bereits vorgestern, daß auf der Kunst- und kfunstgewerblihen Ausstellung in München auch 4 Fo- lianten und ein Oftavband aus der berühmten fogenannten Sil- ber-Bibliothek d:s ersten, 1568 gestorbenen Herzogs von Preußen, Albrechts des Aelteren, welhe die Königliche Bibliothek“ zu Königsberg aufbewahrt, autgestellt sein werden. Der Herzo, welcher bekanntlih das Ordensland Preußen in ein protestantisches Herzogthum verwandelte und die Universität zu Königsberg gründete, war ein Freund der Wissenschaften und Künste. Er ftand in lebhaftem Briefwechsel mit Melanchthon und vielen anderen bedeutenden Män- nern seiner Zeit und benußte diese Verbindungen auch zur An- legung der Schloßbibliothek zu Königsberg. Von den damals ange- schaften Büchern ließ er eine Anzahl Erbauungsschriften von Nürn- berger Meistern in ciselirtes und gravirtes, zum Theil vergoldetes Silber binden. Zwanzig dieser Einbände existiren noch, zum Theil ohne den Inhalt, welcher verfault ift, während die Silber-Biblio- thek im siebenjährigen Kriege in Cüstrin, wohin sie geflüchtet worden war, Jahre lang an einem feuchten Orte aufbewahrt wurde. Eine Vorstellung von der Pracht dieser Arbeiten mag die folgende Beschreibung eines der erwähnten Bände geben: Auf dem oberen Buchdeckel befindet fich das vereinigte Wappen des Herzogs und jeiner Gemahlin, einer braunschweigishen Fürstin, an dem die Helme und das die Schilde umgebende vergoldete Blätterwerk vortrefflich ciselirt sind; die Zwischenräume zwischen dem runden Wappen und dem dasselbe einrahmenden verschobenen Quadrat scheinen früher mit Zellenschmelz ausgefüllt gewesen zu sein. Darunter liest man die Jahreszahl 1555. Eine in Silber gravirte reiche Land- schaft mit Gebäuden, Bergen und einem Flusse, welche von wandern- den odex ruhenden Pilgern belebt is, umgiebt das Mittelstück von allen Seiten bis an die gleichfalls vergoldeten Leisten, welhe den DeXel einrahmen, um jenes und die Gravirungen bei dex Benußung des Huches

vor dexr Berührung mit dex Tischplatte zu {chüßen. Das Mittelfeld l

der Rückseite zeigt in erhabener Arbeit 21 auferstandenèn Chin. w*lcher den Drachen zertriit, und im Hínt.rarunde die {landen Wäcäter, die Bäume des Gartens und die drei zum Grabe wallen- den Fr.uen. Die Umgebung dieser Darstellung bilden hier die meisterhaft gravirten lebenêvollen Figuren der vier Evangeliften mit ihrea Si/mbolen. Johannes, welcher verzückt nach der durch das Fenster in den Wolken sihtbarea Jungfrau mit dem Kinde blickt, und Lacas, der die Feder eintauhen will, find in der oberen Hälfte, in der unteren der }chreibende Marcus und der seinem Engel zu- hôrende Matthäus von einer reihen Architektur umgeben, deren eins zelne Theile, wie Pilaster, Kapitäle u. \. w. mit den reizendftcn Or- namenten der Frührenaissance bedeckt find. Den Rüden des Buches theilen 6 vergoldcte und vortrefflich ciselirte Bänder, in dener Früchte, Blätter und fleine Figuren ein reizvolles Ganze bilden, in 5 Felder, welche von s{ön verschlunzenen Flechtbändern auf s{raffirtem Grunde ausgefüllt werden. Die übrigen Bände sind nit weniger mannigfaltig, Einer derselben, welcher eine deutsche Bibel ein\chließt und gleih- falls die Jahreszahl 1555 trägt, ift sogar ganz vergoldet, und auf beiden Seiten mit wundervoll ausgeführten Reliesdarstellungen be- deckt ; einzelne Felder mit “wohl erhaltenem Email erhöhen noch die Wirkung des Ganzen. Neben diesen Meisterwerken der Gold- shmiedefunst erregt noch das Gebetbuch der ersten Gemahlin des Herzogs Albrecht, einer dänischen Priuzesfin, Interesse. Es führt den originellen Titel „Feuerzeug christliher Andahi“ und ist 1536 mit dem dänishen Wappen und auf allen Biättern neben und unter dem Text mit Malereien ges{hmück worden. Das Seitenstück zu diesem Werk, das Gebetbuch des Herzogs Albkrecht, besißt Se. Kaiserlile und Königlihe Hz:heit der Kronprinz, Höchstwelcher dasselbe ebenfalls für die Ausstellung zugesagt hat.

Gewerbe und Handel.

In- der gestrigen Generalversammlung der Baugesellsch aft für Mitelwohnungen wurde der Geschäftsbericht vergelegt; nach demselben bat die Gesellschaft im Jahre 1875 180 Qu -Ruthen Bau- terrain verkauft. Der Verkaufspreis is von 20 Thlr. auf 22 Thlr. pro Qu.-Ruthe gestiegen. Der Reingewinn beträgt 8454 1, die Dividende wurde auf 1,50 4. pro Aktie festgeseßt.

Die Halle-Casseler Bahn, wegen deren Erwerbung für den Staat dem Landtage ein Gesetzentwurf vorgelegt ift, hat eine Länge von 221,253 Kilometer, wovon 24,075 auf die mitbenußte Babn- strecke der Hannoverschen Südbahn von Münden bis Caffel fallen. Das Anlagekapitnl besteht in 15,009,000 Thlr. in Stamm- aftien Litt. B. der Magdeburg-Cöthen-Halle- Leipziger Eisenbahngesell- schaft, von welchen 810,000 Thlr. aus dem, §. 6 ibidem näher be- zeichneten Allerhöchsten Vermächtniß gezeichnet und 14,190,000 Thlr., mit 4°/giger Staatszinsgarantie au?gestattet, anderweit be- geben worden sind. Auf die Bahn waren abgesehen vou 79,698 Thlr. Subventionëgelder, welche bei der Buhung der Grunderwerbungs- und Nußurgs - Entschädigungen akge- {rieben worden sind, nach einem am 1. August 1873 aufgestellten Hauptrechnungsabichluß 14 359,246 Thlr., nah dem Ges{äftsbericht der Maadeburg-Cöthen-Halle-Leipzigec Eisenbahnzgesellshaft für das Jahr 1874 Ende des Jahres 14,804,483 Thlr. definitiv verausgabt. Der Reservefonds haite Ende 1874 einen Baarb-stand von 91,546,15 M, der Erneuerungsfond einen solhen von 407,079.74 4. Die Brutto- Einnahmen der Bahn betrugen : 1873: 5,320,263 M, 1874: 6,915,781 A6, 1875: 6,422,837 46. die Reinerträgnisse, nah Dotirung des Reserve- und des Erneuerungsfonds 1873: 462,504 M4, 1874: 715,167 M, 1875: 1,385.605 6 Der vom Staate garantirte Reinertrag beträgt : 1,702,800 6 und wurden auf Grund dessen für 1873: 1,083,383,23 M, für 1874: *62,603,71 M, 1875: 277,545,01. Æ Zuschüsse geleistet.

Die Rittershaftlihe Privatbank in Pommern wird für das Jahr 1875 eine Dividende von 93% bezahlen.

Der Verwaltungsrath der Aktien-Gesellschaft Sool- bad Salzungen hat die Dividende pro 1875 auf 35/;%, also auf 23 # pro Aktie festgestellt. : E

Leipzig, 29. März. (W. T. B) In der heutigen General- versammlung der Aktionäre der Leipzig-Dresdener Eis enbahn- gejellshaft wurde der von der Regierung für die Bahn oferirte Kaufpreis von 9%/6 R-nte zu einem Courswerth von 700 abgelehnt und beschiossen, die Bahn nur gegen eine 10% Rente bei cinem Courswerth von 1000 M an die sächsishe Regierung zu überlassen.

Die Generalversammlung der Aktionäre der Württem- bergishen Notenbank vom 25. d, M. genehmigte die Bilanz. Aus dem Geschäftéberiht führen wir folgende Daten an: Die Cir- fulation der Banknoten war am stärksten am 1. Februar 1875 mit 295,710,500 #, am s{wähsten am 16. September mit 21,697,300 M, die täglihe Durchschnittëcirkulation war 24,411,300 und die durchschnittlibe Baarbedeckung 12,639,000 d Der Gesammtumsaß der Bank ketcug 309,428,525 M oder 59 Millionen Mark mehr, als im Vorjahre. Diskentirt wurden an Gulden- und Thalerwcchseln 112,643,567 oder 1,039,000 A mehr, als 1874. Der Diskonto wurde im Laufe des Jahres 6 Mal verändert und betrug durchschuittlid 4/19 %. In Darlehen wurde durchschnittlich ein Kapital von 1,613,300 M ver- wendet mit einem Zinsertrag von 5,51%/9 Der Gewinnfaldo von 769,137 M. vertheilt sich mit 6/5 %/9 = 985,009 M. an die Aktionäre, 76,913 Æ an den Resecrv-fond, 33,222 (4 an Tantième und 69,667 6. Gewinnantheil des Staates; der Rest mit 9380 4. kommt auf neue Rechnung; der Refervefonds erreiht nunmehr die Höhe von 317,345 A.

Die Kommanditgesellshaft auf Aktien von Grimme, Natalis & Co. in Braunschweig vertheilt pro 1875 eine Dividende von 83%. Der Umsaß erreihte die Höhe von 1,546,000 , und wurden 22,052 Stü Maschinen verkauft, alfo 3098 Stück mehr, als voriges Jahr. Die Zahl der selbstfabrizirten Maschinen hat fich gegen das Vorjahr um 23972 Stück vergrößert. Das Gewinn- und Verlust-Konto zeigt einen Ueberschuß von 174,709 4 Neben den statutenmäßigen Abschreibungen empfiehlt die Verwaltung eine Extra-Abschreibung von 8000 4. auf Gebäude- und Grundstück- Konto, 3900 4 auf das Anlage-Konto der Circkular-Elastic-Ma- schinenfabrik, endlih eine Ertra-Ueberweisung von 12,000 4. an das Delkredere-Konto; es verbleibt dann nach Zahlung der Dividende eix Gewinn-Saldo von 2868 46. vro 1876. ,

London, 29. März. (W. T. B.) Dem „Evening Standart* zufolge hat die Firma Streckeisen, Bischoff andCompagnie von der Seidenbranche, Great Winchester buildinas, London, ihre Zahlungen eingestellt. Die Passiva sollen 120,000 Pfd. Sterling betragen. s s

De afiaulinopel, 29. Mars, (W. D. B) Die Regis rung beschloß, die Zahlung des Apriicoupons bis zum 1. Juli zu vertagen. Die hiesigen Vertreter der Mächte find von diesem Beschluß heute offiziell in Kenntniß geseßt worden Dem Vernehmen nach hat sich die egierung prinzipiell für die U nifikation D'ET ottomanishen Staatsschuld entschieden. Die Verhandlungen mit den Delegirten der englischen und französischen Inhaber türkischer Coupons dauern fort. i

S 29. Mara, Abends. (W. T. B.) Für den Aprilcoupon, dessen Einlösung, wie bereits gemeldet, bis zum 1. Juli c. verschoben ist, werden 6 pCt. Zinsen vergütet werden. Der offizielle Text der diesbezüglihen Erklärung wird exst morgen publizirt werden, weil dies jelbe in dem die Motive enthaltenden Theile nachträglich abges ändert wurde.

Aus dem Wolffschen Telegraphen-Bureau.

Pest, Mittwoch, 29. März, Abends. In der heutigen Sißung des Unterhauses beantwortete der Minister-Präsident Tisza eine Interpellation wegen der ever;tuellen zwangsweisen Heimsendung der Flüchtlinge aus der, Herzegowina dahin, daß die bisherige Gastfreundschaft nicht uerpflihten könne, auth dam nach \chwere Osofer zu bringen, oenn den Flüchtlinge", die Heimkehr möglich geworden sei. -— Die Sißungen des Unter= Biufes sind bis zum 20. April vertagt worden,