1876 / 82 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 04 Apr 1876 18:00:01 GMT) scan diff

als es ‘gier uach der Wahrnehmung eiùzelner, id weiß nicht von wel&er Seite beeinflußter Versamm!lu".yen möglich is verfihern, daß vit große Mehrheit dec Einwohner von Lauenburg erheblichen Werth legt auf ihre Vorgeschihte und f die Kennzeihnung dieser Vorge- cite durch dic Benennung, die auch von der rechtmäßigen Landes- vertretung angenommen ist, we".che man hier dadurch im Gewicht zu vermindern sucht, daß man die. Ritterschaft immer voran stellt es aber die einzige verfafsungsw äßig bestehende Landesvertretung, die da ist daß diese auch die Bezeichnung der historischen Bedzutun und der Geschichte des Lkndchens Ausdruck gievt. Jch kann sagen, daß ih selten in cinem so klcinen Lande ein starkes Gefühl von lofalisirtem Nationalstolz gefunden habe, wi: in diesem Herzogthum, was fich nit gern Heczogthum Lauenburg nennen läßt, sendern die alten Leute nennen es Herzogthum Sachsen oder Herzogthum Niedersachjen, das ist der laxdeésuüblihe Ausdruck, und gerade daß dies der legte Ueberrest des alten großen Herzogthums Niedersachsen gewesen ift, His die lauenrvburgischen Herzöge ausftarben, sieht die-Einwohnerschaft des Landes in ihrer Majorität, ganz abgeschen von der Ritter- schaft, ih glaube, daß die viel cher darüber beruhigt fein würde, aber das potenteste Element is eine sehr starke und wohlhäbige Bavernsaft, und dieses dort vorherrschende Element glaube ih, würde es dankvar anerkennen, wenn Sie dem Selbftgefühl, daß dieses feine Land früher ein selbständiges und nicht unwichtiges Herzogthum gewesen ift, in der Benennung Rechaung tragen, es koftet Ihnen ja gar nichts. :

Der Antrag des Abg. Dr. Virchow wurde hierauf ab- gelehnt und §. 6 angenommen. N

Zu §. 7 „An dem provinzialständishen Verbande von Schleswig-Holstein nimmt das Herzogthum niht Theil“ bean- tragten die Abgg. Dr. Virchow und Genossen folgende Fassung: „Bis zur Einführung einer neuen Provinzialordnung für Shles- wig-Hol stein nimmt der Kreis Herzogthum Lauenburg an dem provinzialständischen Verbande von Schleswig-Holstein nicht Theil.

An der Diskusfion hierüber betheiligten sich die Abgg. Dr. Lutteroth, Dr. Hammacher, Dr. Virhow, Miquel und der Reichskanzler Fürst v. Bismarck. Der Reichskanzler erklärte nah dem Abg. Dr. Lutteroth:

Der Herr Vorredner hat das hohe Haus ersucht, der Negierungs- vorlage nicht beizutreten. Diese Ausdruckzweise trifft hier nicht ganz u. Für Sie, mein? Herren, kann es fich allerdings nur um eine Vorlage der preußischen Regierung handein, für die Königliche Regie- rung selbst aber bandelt es fih noch um eine andere Seite der Sache, uämlich um ein Abkommen mit den lauenburgishen Ständen. Diese Stände sind klein und machtlos neben dem großen preußischen Land- tage, aber auf ihr Recht zum Mitreden, insoweit a!s es erforderlich ift, um dem ganzen Abkommen hier den Charakter eines Abkoumens, eines freiwillig auch von dem s{wächeren Theil genehmigten Ab- Tommens zu gewähren insoweit muß die Königliche Regierung doch darauf halten, daß auch dem Herzogthum Lauenburg das Recht zum Mit- reden gegeben wird. Nun haben die Lauenburger Stände fih aus- drücklih gegen eine vollständige Vershmelzung zu einer Provinz mit Schleswig-Holsiein verwahrt. Ob das cine Folge der Abneigung ift, die ih in dem Maße nicht bemerkt habe, wie der Herr Vorcedner sie vorher bei einem andern Punkte kennzeichnete, die auf der alten Grenze der Holsten und der Sachsen herrsche, lasse ih dahingestellt sein ; aber wenn das der Fall wäre, so würde ih den Widerstand der Lauenburger dagegen, einer großen Majorität, die ihnen abgeneigt ift, ausgeliefert zu werden, doch noch in höverem Maße begreifen. “Daß die Provinz Schleswig-Holstein, die an sich nicht übergroß ist, wtnig- stens an der Volkszahl, das Bedürfniß hat, sich zu arrondiren, be- greife ich, und wenn diesem Bedürfniß die Bereitwilligkeit, fih annek- tiren zu lassen, von Seiten der lauenburgishen Stäade entgegen Täme, so wäre es für die Regierung erwünscht, es wäre eine ange- nehme Vereinfahung, und für di: Regierung, wenn sie der bereit- willigen Zustimmung der Lauenburger gewiß wäre, läge kein Grund vor, dieser Sache zu widersprechen. Daß dabei die zehn Gebote nicht beachtet werden und dey Lauenburg-rn ihr Patrimonium genommen werde, ich glaube, dagegen wird es im preußishen Staate noch Recht und Gerichie geben. Jch befürchte es nicht, aber es kann ja sein, daß die gegen diese Aunexion bei den Lauenburgern unzweifelhaft vor- handene Abneigung vielleiht s{chwindet, wenn sie in diesem engeren landsmaxnschaftlihen Verbande die Shle8wig-Holsteiner näher kennen lernen; daun finder. fie fie vielleiht liebenéwürdiger, als bisher bei der langen und strengen Absperrung von einander. Uns wenigstens ist es ja auch so gegangen. Die Schle?wig-Holsteiner gewinnen bei näherer Bekanntschaft. (Heiterkeit.) Warten Sie das doch ab. Bis zur Einführung einer Provinzialordnung in Shhles- wig'Holstein wie in Hannover, glaube ich, wird jedenfalls doch noch Jahr und Tag vergehen, und dann können wir Das wiederum mit den Lauenburgern mögen es noch die Stände sein oder die sonstige lauenburgishe Kreisvertretung regeln, und der Geseßgeber kaun dann immer noch beschließen, was ihm un- abweislih scheint. Wenn sich nun herausstellte, däß die Lauen- burger wesentlich lieber in dem Provinzialverbande von Han- nover wären, namentlich wenn die feste Eisenbahnb:ücke bei der Stadt Lauenburg b:rgestellt ist, wie in demjenigen von Scleswig- Holstein, so würde das zwar noch manche lokale Unbequemlichkeiten haben, aber die Zufammengehörigfeit ist doch durch das vorige Jahr- hundert hindur eine althergebrachte gewesen, die Provmzialrechte find dieselben, und ih kann mir wohl denken, daß sich dafür im Sinne cines Lauenburgaers sehr viel anführen läßt, und wenn sie nicht die Gewißheit hätten, einstweilen ihr kleines Gemeinwesen für fich zu behalten, wenn fie vor die Wahl gestellt wären, für eine Prco- vinz müßt ihr euch entscheiden, für Hannover oder Schleëwig-Holstein, so vezmuthe ih beinahe, daß die Mehrheit des Landes, d. h. diejenige Mehrheit des Landes, die an Volksversammlungen niht Theil nimmt, sich wahrscheinlich für Hannover erklärt haben würde.

_ Also ih möchte vorschlagen: belassen Sie es noch einstweilen bei dem, wie es jeßt ist, weil, wenn es geändert wird, ich doch noth- wendigerweise erst in Berathung mit den lauenburgishen Ständen darüber treten müßte, ob sie dem freiwillig beitreten oder niht. Die lauenburgishen Stände nun s{chon heute aus\chließlich der Sou- veränuetät der preußischen Gesetzgebung zu unterwerfen, meine Herren, ih glaube, den Anspruch werden Sie niht erheben. Es wäre unbillig gegen ein fleines {waches Land gehandelt, w33 mit Jhnen paktirt. Also, möchte ih sagen, vertagen Sie die Frage bis zur Einführung einer Provinzialordnung in Schleswig-Holstein resp. in Hannover; warten wir ab, was dann die Kreis: oder Landesvertre- tung von Lauenburg dazu sagt, und Sie sind dann ebenso souverän in Geseßgebung, wie Sie cs heute noch nicht vollständig sind. Noch steht Lauenburg in Unabhängigkcit,

Der Abg. Dr. Virhow zog demnähst seinen Antrag zurück und beantragte für §8. 7 folgende Fassung: „Der An- {chluß des Herzogthums an eine der preußishen Provinzen wird durch künftiges Gesetz geregelt werden“.

Nachdem der Abg. Dr. Virhow seinen neuen Antrag be- gründet hatte, nahm zu demselben der Reichskanzler Fürst v. Bismarck das Wort:

Ich glaube, der Hexr Vorredner hat zu Gunsten seines Antrages eine Besorgniß bezüglich der Zukunft angerufen, die ih nicht theile. Ich glaube nicht, daß auf Seiten des Herzogthums Lauenburg oder auf Seiten der Regierung irgend Jemand der Aaficht seia kaun, daß nach dem ersten Juli die preußishe Geseßgebung nicht in Bezug auf den KreisLauenburg ebensogut wie auf jeden ten sein wird. Esgehößrt nur dann, um eine jeßt geseßlich feststehende Pofition zu ändern, dazu, daß die drei Faktoren der Geseßzebung sich einigen; deren Souveränetät gegenüber wüßte 14 aber kaum, wie theoretisch eiu Widerftand gelhaffen werd.n könnte. Also möchte ich bitten, sich durch die Besorgniß, daß die Souveränetät der preußi- schen Geseßgebuung in Zukunft beschränkt sein könne, nicht davon abhalten zu lassen, den Antrag des Herrn Vocr- redners abzulehnen. Nur jeßt, in diesen Augenblick, sage ib,

unterliezt Lauenburg der Soüveränetät der preußisden Gesebgebuag noh nit unbedingt, jeßt paktirt Laneabarg noch mit Preaßen, und wo-cum das unwürdig sein sollte, das kann ih, fo flein das Herzog- foum ist, doch nicht einsehen; Preußen hat scho mit viel kleineren Leuten Verträge geshlofsen, wie Lauenburg ist. Den Unterschied zwischen der Auffassung des Herrn Vorredners und der meinigen hat der Herr Vorreduec selbst scharf hervorgehoben, indem er sagte, es solle hier heute s{chon geseßlih festgestellt werden, daß eine Regelung nah einer bestimmten Richtung hin eiatceten müsse. Dieses Müssen möchte ih heute noch nicht auferlegea. JH glaube, daß in Zufkanft die Vertretung Lauenburgs, die jeßige oder die dann sein wird, {oa selbst einsehen wird, in dem Sinne, wie der Hr. Abg. Miquel es äußerte, daß für manche Ein- richtungen die Herstellung größerer Provinzialverbânde nüßlich ift und es sih empfichlt, fich unter irgead welchen Vermögensvediugungen, welche dann zu paftiren E, einem solchen anzuschließen oder duch das Geseß anschließen zu lassen. i Î Ih d ochte bilan, bié beiden Anträge abzu!ehnen, un das Gefeß nit heute schon dahin zu präjudiziren, daß zu einec späteren Ent- scheidung ein eigentlihes Geseß niht mehr nothwendig ist, foadecn nur die Ausführung eines jez: hon, ebe Lauenburg zu Pceußen ge- hört, zu gebenden (Seseßes, im übrigen aber das Vertrauen zu haben, daß \chwerlich eine staatsrechtlichez Theorie ans Ruder kommen kann, die nah der Einoerleibung, wenn fie am 1. Juli dieses Jahres erfolgt, die Anwendbarkeit der vollen Souveränetät der preußischen Gesetzgebung auf den Kreis Laueaburg zu beanstaäden in dec Lage sein wird.

Nachdem der Abg. Dr. Hammather sein Amendement, den S. 7 zu streichen, eventuell hinter „Herzogthum“ einzuschalten: „vorläufig“, begründet hatte, ergriff der Reichskanzler Fürst v. Bismarck noch einmal das Wort:

Ich möchte im Namen der Königlichen Staatsregierung die Bitte an Sie richten, den Paragraphen nicht zu streihen, sond:rn ihn fo anzunehmen, wie er dafteht, indem wir sonst unsererseit3 in die Lage kom:nen, diesen Tert, auf den von lauenburgis{er Seite ein erheblichzc Werth gelegt wird, so wie er si dann stellt, noch einmal mit den lauenburcgi\chen Ständen zu bespcehen. Es ist dies vielleicht unwesentlih, es läßt fich juristish manches dafür sagen, daß es auch fehlen fônnte, obswon ich dann nicht weiß, wax4s man alles aus den ersten Zeilen des §. 5 mit gutem Willen würde dedu- zirea können. Füc die Lauenburger dient dieser Paragraph einstweilen zu einer großen Beruhigung, und wenn er gestrichen werden sollte, so würde es für diz dortigen Zustände beser fein, er hätte gar nicht in dem Geseßentwurf gestanden. Ja dem Streichen würde man eine Absicht von der Art, wie si? even von lauenburgisher Seite abge- wehrt werden soll, {wer verkennen können. f

Die Anträge der Abgg. Dr. Virhow und Dr. Hammacher wurden hierauf abgelehnt, und §. 7 unverändert nah der Re- gierungsvorlage angenommen.

8. 8 lautet:

„Der lauenburgische Landeskommunalverband bildet in seiner egenwärtigen Begrenzung und unter Beibehaltung jeiner bisherigen Benennung einen besonderen freisständischen Verband mit den Rechten einer Korporation und wird als solcher bis auf Weiteres von der Ritter- und Landschaft des Herzozthums Lauenbu-g in ihrer bisherigen Zusammensetzung vertreten. Der Ritter- und Landschaft werden die Obliegenheiten, Geschäfte und Befugnisse üÜübertrazen, welche die Verordnung vom 22, September 1867 in den S8S. 7 bis 10 den Kreisständen zuweist, mit den Maßgaben, daß 1) bei Er- rihtung von Kreis-Statutea die Anhörung des Provinziallandtages nicht erforderlih is und 2) die Verwaltung des Vermsgens des Landeskommunal - Verbandes nicht von dem Landrathe, foudern bis auf Weiteres nach den S8. 13 und folgenden des Gesetzes, betreffend die Uebertragung der Verwaltung des Domanialvermêögens und der aus demselben zu unterhaitenden Landesanstalten auf den Landeskommunal - Verband, sowie die anderweitige Einrichtung der ftändishen Verwaltung, vom 7. De- zember 1872 von dem Erblandmarschall2 und dem Landschaftskolle- gium geleitet wird. Außerdert ist die Ritter- und Landschaft berufen, über die Einführung, Abänderung oder Aufhebung von Gesetzen, welche den Kreis aus\ch{ließlich betreffen, thr Gutachtzn abzugeben, iowie im besonderen Interesse des Kreises Bitten und Beschwerden an die Staatsregierung zu richten.“ j

Hierzu beantragte der Abg. Dr. Hammacher, im erften Alinea statt „bis auf Weiteres“ zu segen: bis zur anderweitigen gesezlihen Regelung, längstens jedoh bis zum 1. März 1878“.

Die Abgg. Dr. Virhow und Dr. Lutteroth beantragteir, im leßten Alinea hinter „Gutachten“ hinzuzufügen: „falls es von der Staatsregierung erfordert wird“.

Nachdem die Antragsteller ihre Anträge begründet, erklärte s\{ch der Regierungskommissar Geheime Ober-Finanz-Rath Dr. Michelly mit dem Antrag Hammacher einverstanden, aber gegen den Antrag Virchow, da die Regierung ge- neigt sei, der lauenburgishen Ritterschaft das lebhaft begehrte Recht zuzugestehen, obligatorisch in den eigenen Angelegenheiten Lauenburgs gehört zu werden.

Der Abg. Miquel befürwortete den Antrag Virchow, da es ihm unthunlih erschien, Lauenburg auch nah der Einverleibung in Preußen besondere Privilegien vor den übrigen Provinzen bei der Geseßzgebun ; zuzugestehen.

Demnächst erklärte der Reichskanzler Fürst v. Bismar t:

Jch will mich mit dem Hzerrn Vorredner auf dem Gebiete der Gefetzeskenntniß nicht messen, aber so viel ih mi erinnere, wird hier für Lauenburg, \o lange es ein gewisses Maß von provinzieller Selbständigkeit behält, nihts anderes in Anspruch genommen, als für alle anderen preußishen Provinzen besteht, nämlih, daß in Bezug auf solhe Gesetz, welche die Interessen einer Provinz allein und aus\chließlih betreffen, ein Gutachten der Provinzialstände vorber eingeholt wird, und ich glaube, Sie könnten, ohne ein Novum im preußishen Recht einzuführen, au bei diesem vertragsmäßigen Ab- kommen sehr wohl diesem neu zu erwerbenden Landestheil, der ja noh nichi erworben ist, auch ein analoges Recht geben, was für die lauenburgishen Stände der Ausdruck gewesen ift, die Einverleibung im Einklang zu erblicken mit den Zusicherungen, die ihnen bei der Uebernahme des Landes gegeben sind in Bezug auf die lauenburgische Verfassung. Nach der lauenburgischen Verfassung hatten die lauen- burgishen Stände mit Ausnahme von allen Finanzsahen, worin sie selbständig beschlossen, das Recht über alle übrigen Gesezesvorlagen, die fie allein angingen, gehört zu werden, und die Kontinuität dieses Rechtes wenigstens mii in den preußishen Siaat bei Gelegenheit des Accessionsvectrages mit herüberzunehmen, ist ein Wunsch, auf dessen Berücksichtigung die lauenburgishen Stände eben Werth gelegt haben. Sie können ja naher, wenn das Land erst beigetreten ist, wenn es fich nit mehr um ein Abkommen mit dem Lande handelt, alles ein- führen, wie hier s{hon vorher ecwähnt und zugestanden wurde, was Guts der preußischen Geseßgebung in Uebereinstimmung be-

ießen.

Nach kurzen Bemerkungen der Abgg. Miquel, Dr. Lasker und des Regierungskommissars Geh. Ober - Finanz - Rath Dr. Michelly wurde §. 8 mit: den Anträgen der Abgg. Dr. Virhow und Dr. Hammacher angenommen. Die übrigen Paragraphen des Gesezes wurden nach kurzer Debatte, an welcher fich die Abgg. Dr. Virchow, v. Kardorff und der Regierungskommissar Geheimer Ober-Finanz-Rath Dr. Mihhelly betheiligten, unverändert genehmigt. *Schluß 2+ Uhr. Nächste Sißzung Mittwoch 1 Uhr.

Das Haus der Abgeoördneten hat in seiner Sizung vom 29. v. M. bekanntlih den Antrag der Abgg. Dr. Lasker

und v. Köller zu dem Bericht der Spezialkommission zur Unter-

suchung des CGisenbaHakonzessionswesens angenommzn, welcher in Betreff des Aktienwesens lautet: di: Königlihe Staats- regierung aufzufordern, dahin zu wirken, daß diz Reform der Geseze über das Aftienwesen im Sinne a. eines besseren Shugzes aller im ôöffentlihen Iateresse gegebenen Gesegesvorschriften; b. der verstärkten Verantwortlichkeit aller bei Gcündung, Leitung und Beaufsichtigung des Unternehmens betheiligten Personen ; c. einer selbständigeren und wirksameren Kontrole über die Ver= waltung; d. der leihteren Verfolgbarkeit der Uebertretungen der im öôffentlihen Intere}e gegebenen Vorschriften durch die Reich3= gesezgebung baldigft in Angriff genommen werde.

Mit Rücksicht auf diesen Beshluß bemerken wir in Betreff der Lage, in welcher fich die Revision der Gesezgebung über das Aktienwesen befindet, Folgendes:

In der Sitzung des Deutschen Reihstags vom. 4. April 1873 hatte der Abg. Dr. Lasker den Reichskanzler um Auskunft darüber ersuht, ob ihm die im Aktienwesen bemerkbar gewordenen Mißbräuche bekannt seien, und ob eine Reèmedur erwartet werden fönne? In der ertheilten Antwort war enthalten, daß die Angelegenheit wohl bemerkt und Gegenftand ernster Bera- thung geworden sei, daß man auhch beabfihtige, die einzelnen Regierungen um Mittheilung der gemachten Erfahrungen und der wünschenswerth {zinenden Maßregeln zur Abhülfe zu er- suhen. Nachdem das Lehtere geshehen war und die eingefor- derten Aeußerungen der Regierungen dem Reichskanzler-Amt vorlagen, ersuchte dasselbe den Aus\{chuß des Bundesraths für Justizwesen unterm 28. April 1874, sih bei Berathung über Plan und Methode für die Ausarbeitung des Civilgefezbuhs zugleich auch darüber \chlüssig zu mahen und einen Beshluß des Bundesraths herbeizuführen, ob die wegen eventueller Aen- derung des Aktienrehts eingeleitete Verhandlung bis zur all- gemeinen Revifion des Handelsgeseßbuchs zu fistiren oder in separato zum Abschluß zu bringen sei. In Folge dieser Auf- forderung hatte der Aus\{huß für JIustizwesen sich in seinem Bericht über das Gutahten der zur Berathung des Planes und der Methode für die Aufstellung des Entwurfs eines deutschen bürgerlihen Gesezbuchs gewählten Kommission auch über die Reform der Geseczgebung über das Attienw:sen geäußert. Der Aus\{chuß war der Ansicht, daß die neuere Aktien- gesezgebung in Verbindung mit dem regeren Treiben auf dem Gebiete der materiellen Interessen Erfahrungen ergeben habe, denen gegenüber sh die geseßgebende Gewalt nicht gleihgültig verhalten fönne. Zur Zeit s{cheine es indessen nicht gerathen, mit besonderen geseßlihen Maßregeln einzuschreiten, weil die ein- getretenen \{chlimmen Folgen niht mehr rückgängig zu machen seien, auch die in der Hauptsache hoffentlih überstandene Krisis im Augenblicke nit der Art sei, daß rashe Maßregeln nöthig wären, und weil es sih ohnehin niht empfehle, gerade unter dem Ein- druck einer überstandenen Kalamität ein geseggeberishes Werk zu unternehmen. Wcan werde nicht daran denken, das Institut der Aktiengesellschaften, welhes immer neben seinen Lichtseiten auch seine Schattenseiten haben werde, zu beseitigen; ebensowenig werde \sih die nachtheilige Lage, in der sh Gewinnsucht und Leicht- gläubigkeit einer komplizirten Geschäftsform gegenüber befinden, ganz beseitigen lassen. Es werde also für den Geseßgeber immer auf eine Vermittelung zwischen der zu gestattenden Freiheit im Gebrauch jener Geshäftsform und der notwendigen Rücksicht auf Beshränkung des Mißbrauchs ankommen. Hier möge \ih die Grenze unter Beachtung der gemachten Erfahrun zen finden und die Frage näher erörtern lassen, ob die Abhülfe mehr vom Civilreht oder vom Strafrecht zu erwarten sei, Ein Be- dürfniß zu \chleuniger Avhülfe und zu außerordentlihen Maßregeln und s\olhe würden im jeßigen Augenblicke in einer neuen Regulirung des Aktienwesens zu erkennen sein, sei sonach nicht vorhanden. Man könne einstweilen auch wohl darauf aufmerksam machen, - daß eine strenge Handhabung der Strafgeseze gegen den Mißbrauch der aus der Gesezgebung über das Aktienwesen herzuleitenden Rechte von Einfluß sein werde. Sonach war der Ausschuß der Ansiht, daß die Revision der Geseße über Aftiengesellshaften mit der Revifiöón des Han- del8gesezbuhs zu verbinden sei. Der Bundesrath ist, in seiner Sizung vom 22. Juni 1874 dieser Ansiczt beigetreten und hat demgemäß beschlossen.

Am 3. d. M. begannen die Berathungen des JIustizaus\chusses des Bundesraths und zwar mit den Beschlüssen der Reihs-Justizkommission zum Entwurf eines Ge=- rihtsverfassungsgeseges für das Deuishe Reih. Anwesend waren als ordentliche Mitglieder des Ausschusses die Justiz- Minifter von Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg und Hefsen-Darmstadt, der Wirklihe Geheime Rath Dr. Liebe und Minister-Resident Dr. Krüger, \owie als stellvertretende Mitglieder die Justiz-Minister von Baden und Schwarzburg-Rudolstadt.

Die Reihs-Cholera-Kommission eröffnete heute Vormittag ihre Sizungen im Gebäude des Reichskanzler-Amts. Die- Kommission is gebildet aus den Herren: Dr. v. Pettenkofer, Professor, Geheimer Rath in München (Vorsizender), Dr. Hirs, Geheimer Medizinal-Rath und Universitäts-Professor in Berlin, Dr. Mehlhausen, General-Arzt und ärztlicher Direktor der Charité zu Berlin, Dr. Günther, Geheimer Medizinal-Rath in Dresden, Dr. Volz, Dder-Medizinal-Rath in Karlsrußze. Die Berathun- gen werden voraussihtlich bis zu Gnde dieser Woche dauern und dürften mit Nückfiht auf das zu Grunde gelegie vorgear- beitet? Material zu günstigen Erfolgen führen.

O A M

Am künftigen Freitag wird, wie die „Nat. Ztg.“ mittheilt, die Reichstagskommission für das Parlaments- gebäude zu einer Sizung hier zusammentreten, in welher der Vize-Präsident des Reichstags, Dr. Hänel, den Vorsig führen wird.

Nath §. 59 Nr. 4 und 5 des Reich3gesezes Uber die Beurkundung des Personenstandes vom 6. Februar 1875 \oll die Eintragung von Sterbefällen auch enthalten: den Vor- und Familiennamen des Ehegatten des Verstorbenen oder Vermerk, daß der Verstorbene ledig gewesen sei, sowie auch den Vor- und Familiennamen, Stand oder Gewerbe und Wohnort der Eltern des Verstorbenen.

Da die Standesbeamten nicht in der Lage und, nah §. 59 a. a. O. leßter Saz, auch nicht verpflichtet find, über die Familicnverhältnisse der im Gefängniß verstorbenen Personen Ermittelungen anzustellen, so hat der Minifter des Innern durch Cirkularerlaß vom 1. v. M. bestimmt, daß die Vorsteher der Gefangenanstalten bei Erstattung der ihnen nah §. 58 a. a. O. obliegenden Anzeige dem Standesbeam- ten auch in Betreff der Eingangs gedachten Punkte Mittheilung zu machen Haben, und daß, um dies zu ermöglichen , bei der Einlieferung von Gefangenen künftighin jedesmal auch in Be- tref jener Punkte die erforderlihen Notizen in die Nachweisung über ihre persönlihen Verhältnisse aufzunehmen find.

Unbedenklih erscheine es hierbei, daß die Aufnahme der in Rede stehenden Notizen in die Personalakten der Gefangenen

Tediglih nah deren eigener Angabe sofern dieselbe im ein- zelnen Falle nicht aus besonderen Gründen für unglaubwürdig gehalten werden muß erfolgen, und daß die Anzeize an den Eten ebenso auf Grund dieser Angabe erstattet wer- en darf.

_— Der Beschluß der Rathskammer am hiesigen Stadt- geriht, betreffend die Schließung der „sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands“, äußert, wie die „O. T. C.“ besonders hervorhebt, seine Wirkung auf ganz Preußen. An allen Orten der Monarchie, wo Anhänger dieser Partei in der Form von selbständigen Lokalvereinen oder ohne eine äußere Form einer lofalen Sondereinigung existiren, ift das Abhalten von Versammlungen und das Sammeln von Beiträgen auf Grund des erwähnten Gerihtsbeschlu}ses von den Polizeibehörden zu inhibiren. Die Rathskammer fiüßt dem Vernehr:en der „O. T. B. nach ihren Beshluß auf die vom Appellationsgericht zu Münster in Beziehung auf den ehemaligen Mainzer Katholiken- Verein ausgesprochene und vom Ober - Tribunal im November v. I. gebilligte Entscheidung, daß nicht nur die lokalen Mitqlicd- schaften, sondern auch der Centralverein selbst, troßdem er im Auslande seinen Sig hat, für ganz Preußen zu s{hließen sei. Dieses Urtheil hatte zur unmittelbaren Folge, daß der WMainzer Katholikenverein ih vollftäändig auflöste. Aehrlih, wie diefer Verein ist die „sozialiftische Arbeiterpartei Deutschlands“, die bes kanntlih aus der Vereinigung des Allgemeinen deutshen Arbeiter- vereins und der Bebelschen Verbindung hervorgegangen ift, orga- nisirt. Der Hauptsig der Partei ist in Hamburg ; dieselbe hat ihre meisten Mitgliederrefp. Mitgliedschaften in Preußen und if angeblich über mehr als hundert Orte verbreitet. Diese ausgedehnte Ver- breitung, zu welcher der neue Verein es in verhältnißmäßig kurzer Zeit gebracht hat, konnte von vorn herein nicht ohne Weiteres Seitens der Behörden inhibirt werden, weil die Leiter des Vereins die Bildung von Untervereinen, welche dur das Vereinsgeseß unbedingt verboten ist, in den einzelnen Ortschaften vermieden. Sie schickten Agenten in die für die sozialistishe Agitation empfänglichen Orte, welche die Reflektanten unmittelbar in den großen Verein aufnahmen, ohne daß diese der Form nah unter sich in eine ständige Verbindung traten. Thatsäh- lih aber bildeten die Agenten gleihsam die Centralpunkte für gesonderte lokale Vereinigungen, und ihre Vollmatten ge- fiatteten ihnen die Pflege derartiger Untervereinigungen. Sie verwandten die ihnen von den ortsangehörigen Mitgliedern der Partei gezahlten Beiträge theilweise zu rein lokalen VParteis zwecken, indem sie die Kosten für die von ihnen einberufenen Versammlungen 2c. damit bestritten. Diesen und ähnlichen, eine Umgehung des Vereinsgeseßzes bezweckenden Manipulationen if nunmehr dur die vorläufige Schließung des großen Vereins selbst in Preußen die Spigze abgebrochen.

Die wiederholte Hehlerei ist, nah einem Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 10. März d. I., als eine gewohn- heits- oder gewerbsmäßige nicht zu erachten, wenn der Hehler die gestohlenen Waaren niht von verschiedenen Personen, fon- dern von einer und derselben Person gekauft hat und die Gegen- stände der Hehlerei, im Ganzen genommen, geringfügig find.

Die Bevollmächtigten zum Bundesrath: Kö- niglih \ächsischer Staats-Minister der Justiz Abeken, Königlih jähsisher Geheimer Justiz-Rath Held, Fürstlih {hwarzburgisher Staats-Minister von Bertrab, Königlich württembergisher Mi- nister der Justiz und der Auswärtigen Angelegenheiten von Mitt- naht, Großherzoglich badisher Ministerial-Präsident, Wirklicher Geheimer Rath von Freydorf, Königlih bayerisher Staats- Minister der Justiz Dr. von Fäustle, Königlih sächsischer Ge- heimer Justiz-Raty Anton, Vräfident des Großherzoglich hessi- schen Ministeriums der Justiz Kempff, Königli bayerischer Ministerial-Rath von Lgaë, Großherzoglich hesfisher Ministerial- Rath Finger, sind in Berlin eingetroffen.

Der General - Major des Barres von der Armee und Direktor der Ober-Militär-Examinations-Kommission, welcher ih fürzlih in dienstliGßen Angelegenheiten nah Dresden begeben hatte, ist von dort hierher zurückgekehrt.

S. M. S. „Deutschland“ und S. M. Kanonenboote „Drache“ und „Tiger“ find am 1. d. M, in Wilhelmshaven, S. M. S. „Nymphe“- ist am 1. d. M. in Danzig, S. M. S. „Niobe“, sowie die Briggs „Musquito“ und „Undine“ und S. M. Knbt. „Delphin“ find an demselben Tage in Kiel in Dienst gefteUt.

Gestern Mittag 12 Uhr is der auf der Werft von Möller und Hollberg in Stettin für die Kaiserlihe Marine gebaute Dffensiv-Torpedodampfer glücklih vom Stapel ge- laufen. Derselbe hat bei der Taufe den Namen „Ulan“ erhalten,

Bayern. Mün chen, 1. April. Der Aus\chuß zur Berathung des von dem Abg. Dr. Iöôrg eingebrahten Wahlgesezentwurfs hat nun seine zweite Sizung abgehalten. Als Referent isi, wie be- kannt, Hr. Schels aufgestellt worden; zum Korreferenten wurde am 28. v. Mts. der Abg. Dr. v. Schauß ernannt. Nah län- gerer Berathung über dic formale Behandlung des Entwurfes wurde beschlossen, zunähst eine Gezneral-Diskussion zu pflegen und sodann den beiden Referenten zu überlassen, die Streitpunkte nach Berathung mit iren Gesinnungsgenossen festzustellen. In der hierauf folgenden General- Diskussion, in welher Jörg die flerikale, Schauß die liberale Partei vorwiegend vertrat, platten die Gegensäße \harf auf einander; es zeigte sich aber auch, daß die Parteien selb in wesentliGen Punkten auë- einandergehen. Die Frage, ob die Eintheilung der Wahlkreise durch eine geseßliche Bestimmung in dem Waßlgescze \elb|t ge- regelt werden soll, also ob sie in Zukunft nur mit zwei Dritt- theilen der Stimmen abgeändert werden dürfe, oder ob sie in einem einfachen, jeder Zeit durch die Majorität der Stimmen abänderbaren Geseg festgestelt werden foll, rief eine mehr als einsiündige Debatte hervor, an der sich auch der Vertreter der Staatsregierung, Ministerial-Rath v. Riedel betheiligte. Letzterer erklärte, daß die Regierung an ihren früheren Vor- \hlägen festhalten und der Regelung der Frage durch ein ein- faches Gesey aus konservativen Gründen entgegentreten müsse. Sie könne nicht wünschen, daß zufällige und vielleiht \chnell vergänglihe Majoritäten durh Versuche, die Wahskreisein- theilung für ihre Partei-Interessen günstiger zu gestalten, das Land in fortwährender Aufregung halten.

Die folgenden Stunden waren einem Antrage des Abg. Dr. Beckh gewidmet, nah welhem den fkatho- lischen Geistlihen das aktive und passive Wahlrecht versagt werden soll. Die HH. Rittler, Daller und Molitor also drei Geisilihe in einer Kommissión traten dem An- rag mit aller begreiflihen Entschiedenheit entgegen. Schließlich einigte man sich dahin, daß wenigstens das aktive Wahlrecht den Geistlihen zu lassen sei und daß man die Geisilihen aller Glaubensbekenntnisse vom passiven Wahlrecht aus\{hließen müsse, wenn man és den fkatholishen Geistlihen nehmen wolle,

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Herr Ritiler kündigte endli einen Antrag an, wona au die Mitglieder geheimer Cefellshaften des Wahlre{chtes verlustig er- klärt werden sollen. Hr. Dr. v. Shauß meinte, hierin liege ci Kompromißvorslag, auf den man eingehen könne. Er ci seinerseits bereit, für einen solhen Antrag zu stimmen, wenn dagegen die Klerikalen auf das Wahlrecht der Geistlichen ver- zihten wollten. Nah diesen Erörterungen trennte man fi, wie die „Südd. Pr.“ bemerkt, wohl allerseits mit der Ueberzeu- gung, daß weder die Einbringung des Iörgshen Antrages ernst gemeint war, xoch daß aus den ermüdenden Sizungen etwas herausfommme.

Die „Südd. Pr.“ \chreibt: „Wegen unterlassener Ver- lesung des Königlihen HSandschreibens ift der Abg. Bürgermeister Lerzer vom Bezirksamnt Neumarkt zu einer Strafe von 20 #4 verurtheilt und mit sciner bezüglihen Appellation von der oberpfälzishen Kreisregierung abgewiesen worden. Jeßt will er bei dem Ministerium eine Beschwerde einreihen; \päter fann dann die Sache ja wohl in die Kammer kommen. Sollten die Herren wirklich das Königliche Handschreiben förmlich und offiziell in die Diskussion ziehen wollen ?“

Das in Saargemünd garnisonirte 5. Chevaux- legers-Regiment, „Prinz Otto“, welhes am 1. April 177) von Kurfürft Karl Theodor in Creuznah aus 3 Com- pagnien Leib-Dragoner und 2 Compagnien Pfalzgraf-Mar- Reiter als Drazoner-Regiment Leininger errichtet wurde, feierte am 1. April sein hundertjähriges Stiftungsfest.

Sachsen. Dresden, 3. April. Beide Kammern Hbielten heute Sitzungen ab. Die Erste Kammer seßte die Spezial- berathung des Gesetzentwurfes über die höheren Unterrichts- anftalten ohne besonders erheblihe Debatten fort. Nah Be- rathung von §. 61 wurde die Sitzung vertagt.

In der Sißung der Zweiten Kammer beantwortete der Regierungékommissar, Geheimer Rath v. Thümmel, eine Juter- pellation des Abg. v. Wagner, welche anfragt, warum die ihrer Vollendung nahende Staatseisenbahn von Bautzen nah Kirschau entgegen der seiner Zeit in der Kammer gegebenen Zusage, sie zweigeleisig herzustellen bei sämmtlichen Brücken und Dämmen nur in der Breite für ein Geleis ausgeführt worden sei, dahin, daß im Falle des Bedürfnisses das zweite Geleis zur Herstellung gelangen werde.

Ueber die für die Kammern bestimmte Geseÿyvorlage über die fatholishe Kirche theilt die „Köln, 3.“ Folgendes mit: Die Verhältnisse dieser leßteren waren bisher hier dur ein älteres Mandat von 1827 geregelt, welches das Placet, die Verpflichtung der katholishen Geißlichkeit auf die Landes- geseße 2c., enthielt. Beim vorigen Landtage wurde einz neue geseßlihe Regelung der Staatshoheitsrehte über die katholische Kirhe aus der Mitte der Zweiten Kammer beantragt. Diesem Antrage ist nun entsprohen. Der Gesezentwucf greift giemlich \charf ein; was in Preußen durch die Maigesecte und \pâter ftückweise eingeführt worden, wird hier auf einmal verfügt. Das Placet bestand hon, es wird nur genauer präzisirt. Auh in rein inneren Angelegenheiten der tatholischen Kirche darf nihts angeordnet werden, ohne daß die Regierung Kenntniß davon erhält; soba!d eine folhe Anordnung, wenn au nur mittelbar, das staatlihe oder bürgerlihe Gebiet berührt, bedarf fie zu ihrer Veröffentlihung der vorgängigen Genehmigung der Regierung. An die Spitze gestellt i? der Saz: Keine kirhlihe Verordnung darf den Staatsgeseßen widersprehen, und weiterhin wird dics dahin ausgeführt: was denselben widerspriht, is als nicht vorhanden (rechtsungültig) zu betrachten, und im Zweifelsfall entscheidet die staatliche Be- hörde, ob dies der Fall sei. Alle über das streng kirchlihe oder religiöse Gebiet übergreifenden, gegen Leib, Vermögen, bürgerlize Ehre u. st. w. gerichtete Zwangsmittel der Kirche sind unfsiatthaft, desgleihen solhe, welche ver- hängt werden wegen in Befolgung der Staatsgeseße begangener Handlunzen. Mißbräuchlihe Anwendung kirchliher Zwangs- mittel ist von Amtswegen oder auf desfallsige Beschwerde zu ahnden. Für die Anstellung katholisher Geistlihen is eine be- stimmte Bildung als Vorbcdingung aufgestellt. Nur Deutsche und auf“ deutshen Lehranstalten Vorgebildete sind anstellbar. Geisilihe, welche die auf ißre Amtirung bezüglihen Geseze ver- legen (also zum Beispiel Anordnungen ohne das erforderliche Placet treffen oder Zwangsmittel ungeseßliher Weise verhängen), müssen auf Erfordern der Staatsregierung entlassen werden ; weigert sih die oberkirchliche Behörde dessen, so tritt Entziehung des Ge- haltes und Annullirung aller staatliGen Wirkungen der geist- lihen Funktionen ein. Jede geistliße Gerihtsbarkeit außerhalb des Landes if ausgeshlossen. Das kirchlihe Vermögen unter- liegt der Staatsauffiht. Orden und ordensähnliche Bruder- schaften sind verboten. Auch als Einzelner darf ein Ordens- angehöriger nicht im Lande seine Thätigkeit als solcher üben. Gegen BVerlezung dieses Gesehes sind Geld- und andere Strafen angedroht.

Desterrei; - Ungaru. Wien, 1. April. Die erste Sektion der niederösterreihischen Handelskammer hielt gestern Abend eine zahlreih besuchte Sißung. Gegenstand der Diskussion bildete ein Antrag, dahin gehend, die niederö fterreichische Handelskammer möge in einer, am 5, April stattfindenden Plenar- berathung Tie Einberufung einer Enquête beschließen, welche bestimmt formulirte Anträge zur Bewältigung und endlichen Eindämmung der wirthschaftlihen Krise stellen follte. Die Debatte über diesen Antrag war eine ungemein rege, sie abforbirte mehr als drei Stunden; von allen Seiten wurde die Nothwendigkeit der Enquête anerkannt und ausdrü{lich betont, daß dieselbe noch Ersprießliches leisten könnte, vorausgeseßt, daß die Berathungen nicht auf die lange Bank geschoben und bei der Regierung dahin gewirkt wird, daß diese die Beschlüsse der Enquête durchführe. Man einigte fich \{chließlich dahin, daß dieser Enquête 8 Mitglieder der Handelskammer und 5 Mit- glieder der Börsenkammer angehören sollen, welche sih dann un- verweilt konfüituiren und aus hervorragenden Industriellen, Ban- kfiers, 2 Advokaten und 2 Eisenbahn- Direktoren kooptiren foll,

Die Session der Landtage neigt fich ihrem Ende ent- gegen, da für dieselbe im Ganzen fünf Wochen in Aussicht ge- nommen find. Eine Reihe von Landesvertretungen jene von Tirol und Dalmatien ungerehnet, deren Thätigkeit einen jähen Abschluß erfuhr hat in verhältnißmäßig sehr kurzer Frist ihre Arbeiten durhgeführt und ihre Verhandlungen bereits geschlossen. Die übrigen Landtage werden fich beeilen, die ihnen noch zur Verfügung stehende Frist zur Erledigung ihres Materials zu benugen. Nur Galizien dürfte eine Ausnahme machen; denn aus Lemberg wird gemeldet, daß man an eine Verlängerung der Session des galizischen Landtages denkt und ein entsprecen- des Ansuchen an die Regierung stellen will.

4. April. (W. T. B.) Heute findet die bereits in Aus- sicht gestellte Zusammenkunft des General Rodih mit den Insurgentenchefs in der Suttorina statt.

Lemberg, 2. April, Dic hiesige „Gazeta Narodowa* ver- öffentlihte in diejen Tagen einen Artikel, welher di: maßgeben- den Kreise für die gänzlih: Polonisirung der Lemberger Universität, an der die deutsche Sprahe noch zum Theile geduldet wird, zu gewinnen sucht.

__ Schweiz. Von allen Seiten kommen Berichte über Be- sprechungen des Banknotengeseßes, das am 23. Apcil der Abstimmung des Schweizervolkes unterliegt. Diese Berichte lauten, nah dec „N. Zürch. Ztg.“, durhwegs schr günstig für die Annahme des genannten Gesetzes.

Großbritannien und Jrland. London, 3. April. (W. S. B.) _ Der Bericht Cave's isst heute unter die Parlamentsmitglieder vertheilt worden. Derselbe prüft genau die Hülfsquellen und die Finanzverwaltung Aegyptens und kommt zu dem Resultate, daß die Ausfälle und das dauernde „Opfer von 23 Millionen Pfd. Sterl. der jährlichen Einnahmen, welche dur die Vorauseninahme der Grundsteuer und durch die kostspieligen Anleißen verursacht if, die gegenwärtige Lage Acgyptens fritisch geÄaht haben. im Schlusse hebt der Bericht indessen hervor, daß, wenn die Staats- {huld zu einem annehmbaren Zinsfuß konvertirt würde, und die Hülfsquellen auf eine rationelle Weise ausgebeutet würden, leßtere hinreihen würden, um alle Ausgaben zu bestreiten.

4. April. (W. T. B.) Jn der gesirigen Sißung des Oberlaufes wurde der von Lord Shaftesbury eingebrachte Antrag, die Königin zu ersuchen, den Titel „Kaiserin“ nicht anzunehmen, nach längerer Debatte, bei welcher der Lord= Kanzler, Cairns, und der Staatssekretär der Kolonien, Carnar- von, gegen denselben, Lord Selborn und andere für denselben sprachen, mit 137 gegen 91 Stimmen abgelehnt.

Im Unterhause zeigte der Premier Disraeli an, das Parlament werde des Osterfestes wegen vom 10. bis 23. d. M. vertagt werden. Hierauf legte der Kanzler der Schaßkammer, Northcote, das Budget vor. Nah dem von Northcote hierbei gegebenen Exposé b-tragen die Einnahmen des vergangenen Jahres 77,131,000 Pfd. Sterl, die Au3- gaben 76,421,000 Pfd. Sterl. und stellt \sch dem- nah ein Uebershuß von 710,000 Pfd. Sterl. heraus. Die Ausgaben des laufenden Jahres sind auf 78,044,000 Vfd. Sterling, die Einnahmen auf 77,270,000 Pfd. Sterl. vorveran- \c)lagt, es ift demna ein Defizit von 774,000 Pfd. Sterl. vor- handen. Northcote {lug vor, die Einkommensteuer um cinen Penny zu erhöhen. Von dieser Steuerergöhung foll indeß das Einkommen bis zu 150 Pfd. Sterl. nicht betroffen werden, ebenso sind noch andere Ausnahmen von der Steucr- erhöhung in Vorschlag gebracht. In Folge der proponirten Steuer- cryöhung ftellt sich außer Deckung des anshlagsmäßigen Defizits noch ein Uebershuß von 365,00) Pfd. Sterl. heraus.

Der bereits erwähnte Antrag Chambers' über das Klofterwesen war ursprünglih anders gefaßt und bezweckte, wie die „K, Z.“ erfährt, einfah Aufhebung der Klöfter. Man hielt diesen durhgreifenden Antrag aber noch nicht für zeitgemäß und suht nun dasselbe Ziel auf dem Umweg der Enquête zu erreichen, welhe nachweisen werde, daß Klöster über- haupt in England ungesezlih feien.

_Frankreich. Paris, 2. April. Der Widerstand der Geistlichen gegen die Regierung nimmt immer leidenschaftlichcre Formen an; jede Forderung der Behörden, den Staats- geseßen Folge zu leiften, nennen sie „Verfolgung der Kirche“; auf die gestrige Anfrage im Untersuhungs-Aus\chuß: „1) ob die Geistlihfeit der Erklärung von 1682 (welche die galli- kaniscze Kirche konstiluirt) gemäß handle, und ob diese Erklärung in den Seminarien gelehrt werde; 2) falls die Geistlichkeit dieser

| Erklärung nicht Folge leiste, ob die Regierung das Gese aus-

führen werde, und über welche Mittel sie verfüge,“ antwortete der Justiz-Minister Dufaure, wie der „Köln. Ztg.“ mit- getheilt wird, es sei die Untersuhung nothwendig, um dies zu erfahren und darnah Maßnahmen zu treffen. Und auf die Frage Bethmonts (linkes Centrum), ob di- Regierung entschlossen sei, die Veröffentlihung der vom Vatikan ausgehenden und gegen die französischen Grundgeseze gerichteten Schriftstücke zu vethindern, und ob sie dem ungesezlihen, verfassungswidrigen Verfahren der Geistlichkeit entgegentreten werde, erwiderte Dufaure, er habe die Psliht und den Willen, dem Eifer der Vrie®er entgegenzu- treten, welche den Syllabus gegen die Verfassung und die befichen- den Geseße auslegen würden.

Darauf antwortet nun das „Univers“: „Nun wetl: die UntersuGhung ift ohne Nugen! Herr Dufaure hâtte sofort die nöthigen Aufklärungen geben können. Nun! Die Erklärung von 1682 wird in den Seminarien nicht gelehrt, und zwar deshalb niht, weil in den Seminarien nur die von der unfeh!baren Autorität des Papstes gebilligten Doktrinen ge- lehrt werden und weil die Lehren der „Erklärung“ vielfach föria- lih verdammt worden sind. Will der Justiz-Minister zufällig und um den Radikalen zu gefallen, verlangen, daß dieser Unterril niht den Lehren der Kirhe gemäß gegeben wird? Wir bena rihtigen ihn, daß er einen Weg betritt, wo der Widerstand kcä tiger sein wird, als sein Wille; felbst die gehässigsten Verfs gungen werden ohne Wirkung bleiben.

Ls m U E

î E ‘4 Was die anderen Fra- gen des Herrn Bethmont, die Verhinderung der Veröffentlihung der Lehren des Papstes in Frankreich, anbelangt, so warten mir, bis wir erfahren, was Herr Dufaure sagen wollte, als er von \ci- ner Pflicht und von seinem Willen spra, dem Eifer der Priefter Einhalt zu thun, welhe den Syllabus gegen die Vecfassung

Wenn die Worte des Herrn Sirn haben wie die des DUA BDelmont, 0 wissen wie, daß die Res gierung . des Marschalls, den Befehlen der radikalen Partei gehorhend, die Verfolgung gegen die Geistlichkeit und die Katholiken überhaupt beginnen wil, Was sich auch ereignen mag, verbergen kann man es si{ch nicht, daß die Revo:ution sich vorbereitet, Für die Katholiken is es der Augenblick, fich fest zu zeigen und laut zu \agen, daß fie entshlossen sind, eher Alles zu erdulden, als auf ihre Rehte zu verzihten, und daß sie, ohne die Verfolgung zu befürhten, mit der man sie bedroht, fich bis aufs Aeußerste vertheidigen werden.“

Die „Rép. Frangç.*“ bringt den Nahweis, daß die Versamm- lung der 30 Bischöfe ein ungeseßliher und sirafbarer Aft ge- wesen, da sie ihre Diözesen nicht ohne - Erlaubniß des Staatsoberhauptes verlassen, noch sich ohne Ermächtigung ver- sammeln dürfen, und daß die Bischöfe ebenso das Geseh als den in die Hände des Staatsoberhauptes niedergelegten Eid verlegen. Gegen die beiden Prälaten, den Kardinal- Erzbischof von Paris und Bischof von Vannes, wird man übrigens bei der Untersuhurg mit der größten Shonung vorgehen; dem Erfteren will man anßeimstellen, wo und wie er jeine Nussage abgeben wil, und an den Letteren wird man

und die Dufaure

Geseßze auslegen. den nämlichen