Nichtamtliches.
“__(Forisehung aus dem Hauptblatt.)
=- Deutscher Reichstag. 173. Sitzung vom 18. Februar 1922. Nachtrag.
Die Ausführungen, die bei Besprechung der J nter- pellation der Abgg. Heile und Genossen (Dem.), be- treffend Paßerleichterungen im Verkehr mit Desterreich, der Reichsminister des Jnnern Dr. Koe ster gemacht hat, hatten ‘folgenden Wortlaut: i
Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Koenen hat hier eine Reihe von Fällen vorgetragen, in denen Exekutiv- beamte an der Grenze sich gegen die Verfassung: oder gegen fonstige Bestimmungen der Goseye vergangen haben sollen. Jch bin gern bereit, dem Herrn Abgeordneten Koenen Rechenschaft über diese Dinge abzulegen, sobald er das Reich, sobald er mich in den Stand verseßt, selber Exekutivbeamte zu haben; das ist leider nah der heutigen - Verfassung niht der Fall. (Zurufe von der Kommu- nistishen Partei.)
Meine Damen 1nd Herren! Jh möchte es bei der vor- gerückten Zeit unterlassen, noch einmal in den Streit über die Wirksamkeit unserer Kapital- und Steuerfluchtgesetze einzutreten. Nur einen Frrtum möchte ih doch richtig stellen; das ist der; als ob es sich bei diesen Geseyen und der Mitwirkung der Paß- behörden darum handelte, Geld, das durch konkrete Fndividuen in der Tasche oder im. Portemonnaie über die Grenze ges{!eppt werden soll, an der Grenze zu fassen und zu beschlagnahmen. Da- von ift gar keine Rede. Sondern diese Bescheinigungen vom Finanzamt werden verlangt, um die Steuerfluht schon am Aus-= gangsreiseort zu unterbinden. Und wenn nun das Reichsfinanz- ministerium uns immer wieder versichert, daß es durch diesen Zivang und dur diese Methode Leute gefaßt hat, die bisher über- haupt noch keine Steuern bezahlt haben, und uns klar macht, daß es dadurch Abflüsse deutschen Kapitals ins Ausland verhütet hat, dann kann einfach keine Regierung darüber hinweggehen, wegen einer Vereinsahungstheorie das Paßvisum einfa fallen zu lassen. Es ist gesagt worden — und ih gebe es zu —, daß wir mit diesen Verordnungen nicht alle Fälle fassen, daß uns troßdem noch manche dur die Finger gehen. Gewiß. Aber ih kann die Logik niht begreifen, daß wir daraufhin überhaupt auf alle Be- stimmungen verzichten sollten. Das ist genau dasselbe, als wenn ih ein Staket um meinen Garten habe und nun de8halb, weil einmal einex nahts übergefkletiert ist, sage: dann kann ih ja das ganze Staket abbrechen.
h habe mich darüber gewundert, daß zwei meiner Argu-= mente überhaupt nicht oder ganz obenhin behandelt worden sind. Das ist das Argument, daß wir, um die Ueberflutung - unseres Arbeitsmarktes mit ausländishen Arbeitern zu verhindern, diese Paßvisen und diese Gperrungen brauchen. Jch bitte, sih vorzu= stellen, was es bedeuten würde, wenn heute die Grenze zwischen Deutsh-Oesterreih und uns einfa niedergecissen würde. Sie wissen, welch ein gewaltiger Einwandererdruck vom Osten und Süd] osten auf unsèren Grenzen lajtet. Sie kommen niht nux qus unseren Nachbarländern, sondern von weit hex, vom Balkan, von Georgien, von Polen, vòón Rußland.
Also diese Dinge bitte ih mit Rücksicht - auf die deutschen Arbeiter doch. gerade die Herren Kollegen von links zu beachten. Jh möchte wissen, was für Vorwürfe einer deutschen Regierung gemacht würden, wenn sie diese Grenzen plößlih fallen lassen würde. (Zuruf bei der Bayerischen Volkspartei: Es handelt sich um Oesterreih!) — Fawohl, Herr Kollege Schwarzer. Aber ih glaube, in dem Moment, wo die Grenze: fällt, ist eben das aroße Loch da. Und Sie würden, glaube ih, der erste sein, der Vor- würfe erheben würde, wenn Tausende und Hunderttausende herein- stürmten und die Wohnungsnot in den Großstädten vermehrten. Darum kommen wir niht herum.
Ein kurzes Wort zum Schluß. Es ist Beshwerde darüber ge- führt worden, daß die Exekutivorgane, an der Grenze, bei- den Finanzämtern und in - der Polizei, die Stimmungswerte, die äwishen uns und Oesterreih eine Rolle spielen sollten, sehr oft vernalässigen. Und es hat, glaube ih, der Herr Kollege von Kem- niß gefordert, daß die Reichsregierung dagegen mit Verfügungen an die Beamten vorgehen sollte. Fch halte das niht für den rih- tigen Weg. Sondern ih glaube, daß das eine Frage der Selbst- erziehung des deutschen Volkes ist, eine Frage der Parteten, das deutsche Volk so zu erziehen, daß es ohne Regierungsmaßnahmen und ohne Versügungen begreift, daß das österreichishe Schicksal deutshes Schickjal und die deutshe Zukunft österreichische Zukunft ist.
174. Sißung vom 21. Februar 1922, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vercins deutshér Zeitungsverleger®).)
Auf der Tagesordnung stehen zunächst kleine An- fragen.
Auf Anfrage des Abg. Mittwoch (U. Soz.) über die Regelung der einmaligen Einschulung erwidert ein Regie- rungsvertreter: Die vom Reichsshulausshuß “aufgestellten Leitsäße, wonach eine einheitlihe Regelung des Schulbeginns für das ganze Deutsche Reih erwünscht und aus geschichtlihen und wirtschaftlichen Gründen der einheitlihe Beginn“ des Schuljahres auf das Frühjahr zu verlegen ist, sind den Verwaltungen der einzelnen Länder zugegangen, und die Regierungen aller Länder haben sih mit der; einheitlichen Regelung einverstanden erklärt, Laut Bekanntmachung im „Zentralblatt für das Deutsche Reich“ ist vom Ostertermin 1922 ab eine einheitlihe Regelung der Ein- ihulung zu erwarten. / E
Abg. von Sh o0ch (D. Vp.) fragt an wegen des Ueberfalls eines Marokkaners auf eine Hebamme auf dem Wege von Wehen nach Neuhof und wegen des Ueberfalls cines Grubenangestellten in Homburg durch belgishe Soldaten. : i
Regierungsvertreter Graf Adelmann erwidert, daß über das Ergebnis der in beidew Fällen eingeleiteten Untersuchung von den fremden Militärbehörden noch keine Mitteilung eingegangen sei. (Hört, hört! rets.) / ;
Zwei weitere Anfragen des Abg. von S cho ch (D. Vp.) ‘be- ziehen sih auf einen Raubüberfall, der in Düsseldorf vor kurzem nachts von zwei französishen Soldaten auf einen Wiegemeister dex Rheinishen Metallwaren- und Maschinenfabrik ausgeübt worden isé, sowie darauf, daß am 30. Januar, abends 11 Uhr der Fnhaber einex Wiesbadener Kohlengroßhandlung durch den Messerstich eines Marokkaners so schwer verleßt wurde, daß an dem Auf- kommen des Opfers gezweifelt wird. A
Regierungsvertreter Graf Adelmann bestätigt în beiden Fällen den Tatbestand. Jm ersten Falle befinden sih die Täter in
#) Mit Ausnahm: der dur Sperrdruck hervorgehobenen Reden dex Herreu Minisier, die im Wortlaute wiedergegeben sind.
Untersuhungshaft, nahdem- der Vorfall den französishen Behörden gemeldet worden war. Jm zweiten Fall ist gleiajalls der fran- öosishen Militärbehörde Meldung erstattet worden.
_ Auf eine „Anfrage des Ubg. LavérTrEn z (D, Nat.) wegen Entschädigung der Deutschen des Memellandes, die von den Russen 1914/15 verschleppt waren und wieder in die Heimat zurüdgekehrt |tnd, wird von dem Regierungsvertreter erwidert, daß Ersaß für Kriegsichäden grundsaßlih nur deutschen Reichsangeÿörigen gez wahrt werden könne, das Memelland aber nicht méhr Reichsgebtet ¡7 die Frage, ob seine Bewohner vom Gesichtspunkte der Kriegs- \hadenerzaßleistung als Reichsangehörige 3u behandeln seien, jei noch nicht endgültig geklärt. Für die Zeit kis zur Abtrennung des Memelgebietes kônnien Familienunterstüzungen nachgezahlt werden, für die Zeit nah der Abtrennung werde eine Regelung im Wege des Staatsvertrages erwogen. Uebrigens bliebe auch die Möglichkeit, den Bewohnern des Memelgebietes aus dem Härte- [onds des F 11 des Auslandschadengesetes zu helfen. ;
__ Auf Anfrage des Abg. Leutheußer (D. Bp.) wegen Beein-
trachtigung der Vereinigungsfreiheit der Beamten durch. den ersten Bürgermeister in Langensalza Dr. Tückhardt, der sämtliche Beamte und Angestellte der Stadt zum Austritt aus dem Bürgerbund auf- gejordert habe, erwidert Ministerialrat Daniels, daß die preußishe Regierung um Mitteilung darüber ersucht worden, eine Antwort aber noch nicht eingegangen sei. : _ Auf eine Anjrage des Abg. von Scho ch (D. Vp.) wegen Mißhandlung harmlojer Passanten dur französishe Soldaten am 4. Dezember in Eußkiren erwidert Regierungsvertreter Graf Adelmann: Es wurden mehrere deutshe Zivilpersonen von drei ansheinend angetrunkenen französishen Soldaten belästigt und mißhandelt. Die Soldaten hielten die Leute art und, wenn diese jh wehrten, s{hlugen sie ohne weiteres auf die Angegriffenen los. Dieses Schicksal widerfuhx insbesondere auch dem Musiklehrer D. und seinem Begleiter. Zuerst rempelte einer der Soldaten den Be- gleiter an. Als dieser sih ein solhes Verhalten verbat, s{chlugen die Soldaten ihn zu: Boden und nahmen ihm Hut und Stock weg. Der Musiïlehrer D. erhielt ohne jede Veranlassung cinen Schlag ins Gesicht, der ihm erhebliche Verleßungen an einem Auge und am Mund verursachte und ihn zu Boden streckte. Hierbei verlette er sich noch am Hinterkopf. Anschließend- überfielen die Soldaten dann noch einen Schassner in der Nähe des Bahnhofs, der die Bahnhofswache herbeirief. Die Täter sind ermittelt. Eine kriegS- gerichtliche Untersuchung ist gegen sie eingeleitet. Ueber das Er- geonis ist noch nichts bekannt.
Auf eine Anfrage des Abg. Dr. Deermann (Bayer. Vp.) ivegen Zurückhaltung der 84jährigen Tochter Marcelle des Arbeiters Heymann in Köln ‘in Frankreih gibt Geheimer Legationsrat von Schnibler die einzelnen Schritte bekannt, die von der deutschen Botschaft in Paris getan seien, um die Her- ausgabe ‘des Kindes zu betreiben. S
Eine Anfrage des Abg. Schuldt - Stegliß (Dem.) bezicht sih darauf, daß die Fnteralliierte Kommission in Oppeln die Aus- zahlung der: sih aus der Höherstufung der Orte ergebenden Mehr- beträge für die Beamten verzögert habe. Der Regierungsvertretèr Gesandtshaftsrat von Dirksen erwidert, daß der Standpunkt
der JFnleralliierten Kommission, die für die Auszahlung zuständig.
sei, formell richtig sei, daß sic die Auszahlung erst gewähren könne, wenn das bezüglihe Geseh formell publiziert jei. Wegen der Notlage der Beamten hätte die deutsche Regierung sih aber um die sofortige Auszahlung noch vor Weihnachten bemüht. Die Regierung werde alles tun, um in Zukunft solche Verzögerungen zu vermeiden.
Jn erster Beratung wird das Geseß über die Verforgung der infolge des Ultimatums vom 5. Mai 1921 entlassenen Soldaten (Ultimatumsversorgungsgeseß) ohne Erörterung an einen Aus\huß überwiesen. /
Es folgt die erste Beratung des fünften Nachtrags zum Haushaltsplan für 1921, wodurch 9,7 Milliarden “auf dem Wege der Anleihe flüssig gemacht werden sollen, um. u. a. die erhöhten Bezüge der Beamten zu decken:" -
Abg. Frau Ry ne ck (Soz.): Der Nachtragsetat fordert u. a. 850 Millionen Mark für widerruflihe wirtschaftlihe Beihilfen. Damit wird für die Beamtenschaft ein ganz neuer Weg beschritten. Ob er für längere Zeit gangbar sein wird, darf stark bezweifelt werden. Nachdem aber die Verhandlungen mit den Spitzenorgaüi- sationen zum Abschluß gekommen sind, wird uns nihts weiter ubrigbleiben, als der Vorlage zuzustimmen. ‘Erheblihe Bedenken haben wir dagegen, daß die Wirtschaftsbeihilfen auch den Beamten in den oberen Besoldungsgruppen gewährt werden sollen. Wir werden der Vorlage nur mit dem Vorbehalt, zustimmen, daß die Regelung nur eine vorläufige ist, und daß das Reichsfinanz- ministerium nunmehr mit größter Beschleunigung die Abänderung der Besoldungsordnung zum Abschluß bringt. Bei diesex Neu- regelung verlangen wir auf das bestimmteste, daß nur die mittleren und unteren Gehälter aufgebessert werden, während die oberen unverändert bleiben. Dex Reichsfinanzministexr hat erklärt, daß die Neuregelung der Besoldungsordnung zum 1. April fertiggestellt sein werden. ‘Wir hoffen, daß das kein leeres Versprechen bleibt, es würden sich sonst die ernstesten Konsequenzen. für unser ganzes Wirtschaftsleben daraus ergèben können. (Beifall bei den Sozial- demokraten.) Weiter fordert der Nachtragsetat Beihilfen zur Ver-. billigung von Auslandêmais für Futterzweckte. Es soll dadur eine Vermehrung des Vichbestandes und damit eine Besserung der Volk8ernährung herbeigeführt werden. Fn Wirklichkeit ist aber der
ßte Teil dieser Summe eine Liebesgabe an die Agraxrier, denn ze Mengen dieses verbilligten Ausland3maises werden niht.zur
N itterung, sondern zur Schnapsbrennorei verwendet. Diese ganze Maisverbilligung3aktion is ein einziger - großer Skandal. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Zahlreiche Schieber haben aus den Maislieferungen riesige Gewinne gezogen. Unsere Vor- ausfage, daß die Aufhebung der Zwangswirtsckaft im Ernährungs- wesen einer gewissenlosen Spekulation Tor und Tür öffnen würde, ist leider nur zu sehx in Erfüllung gegangen. Die Getreidepreise sind weit über das dur die erhöhten Produktionskosten notwendig gewordene Maß in der unglaublihsten Weise in die Höhe ge- trieben worden; dabei bleibt die Landwirtschaft mit ihrem Liefe- rungssoll ganz erheblih im Rückstand. Durch das Umlagever- fahren sollten 214 Millionen Tonnen aufgebracht werden; man rechnet aber bis zum 31. März d. J. nur mit einem Eingang von 1 300 000- Tonnen. F bitte um Auskunft: welche Bezirke und mit welhen Mengen sind sie noch im Rückstand, und sollen die vor- gesehenen Strafmaßnahmen in Anwendung gebracht werden? Die Preissteigerung ist einfach ungeheuerlih. Fs es doch so weit gekommen, daß heute amerikanisches Weizenmehl billiger eingeführt werden kann, als was das im Jnland produzierte uns kostet. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Die Nuynießer dieser ungeheuren Preise sind nicht die kleinen und mittleren Landwirte
die haben ihr Getreide gleih nach der Ernte verkauft und haben auch im wesentlihen ihre Umlageverpflichtungen erfüllt —, die Nußnießer sind die Großagrarier, die zu gleicher Zeit die \{limmste Steuerhinterziehung und Steuersabotage treiben. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Die Arbeiterfrau muß heute ihren Brotbedarf selbex rationieren, d. h. sie muß nur zu oft ihre Kinder hungrig ins Bett schicken, weil sie ihnen das teuere Brot nicht kaufen kann. Und dabei jammert man über die Begehrlichkeit dex Arbeiter! Hier muß die Regierung einen Ausgleich finden, wenn niht unsere ganze Ernährungstwirtschaft zusammenbrehen soll. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Nicht viel besser liegen die- Dinge auf dem Kartoffelmarkt. Dies Kartoffel ist heute für die meisten Familien schon ein. Luxusgeriht geworden. Die Kartoffeln, die jeßt aus den Mieten genommen werden, werden vielfach unter der Bezeichnung „Saatkartoffeln“ zu 350 X pro Zentner - verkauft. (Abg: Adolf Hoffmann ruft: Es gibt ja überhaupt nur noch Saatkartoffeln!) Ebenso ist es mit der Zuckerwirtschaft. Die Zuckerwirtschaftsstelle plant aber eine abérmalige Preiserhöhung von 1,50 pro Pfund. Der Bevölkerung wird damit ein wihtiges Nahrungsmittel, denn das ift heute der Zucker, entzogen, während die Hauptabnehmer, die Schokoladen- und Konfitürenfabriken, gern beteit und in der Lage sind, die unglaublichiten Wucherpreise für Zucker zu zahlen.
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Es tut not, daß das Ernährungsminisizrium dem schamloseu
Wucher auf dem Gebiete unserer Ecnhiumggwirtisast ein Ende are ei handelt sich um Sein oder Nichtsein unseres Volkes, (Beifall bei den Sozialdemokraten.) i E
Abg. Dr. Herz (U. Soz.): Die auf die Beseitigung der Zwangswirtschaft gesehten Hoffnungen haben sih nicht erfüllt. Die Tagungen des Brandenburgischen Landbundes in Berlin und des Deutschen Landbundes in Hannover haben nihts von dem Ver- antwortungsbewußtsein der Landwirte gezeigt (Unruhe rets), Man hat lediglih shärfste Bedingungen materieller Art arsgestellt, man verlangte Beseitigung des Umlageverfahrens bei Getreide, lehnte die Zwangsanleîhe ab und shimpfte auf die Finanzämter, weil diese Steuerhinterziehungen der Agrarier festgestellt haben, Ein solches Verhalten E geradezu zu Zwangsmaßnahmen (Zu- ruf rechts: Und die jüdischen Schieber ?). Wer (08 denn die so- fortige Verabschiedung des verschärsten Wucherge eyes verhindert? Sie (zur Rechten) sind es gewesen R rechts und Wider ruh), Der Nachtragsetat enthält auch eine Nachsorderung zur Verbilligung ausländischer Futtermittel. Jm ganzen würde damit die Be- schaffung * voñ Billigem Mais der Reichskasse 5 Milliarden kosten, Jn unverantwortlicher Weise hat man hier den Wünschen der Agrarier Rechnung getragen. Entweder war es Dummbheit odex
.unverantivoxtlicher Leichtsinn, daß man sih zu dieser Aktion ent-
lossen hat. Daß man kein reines Gewissen hat, beweist die neue Ut die es auf die Entwicklung der Devisen schiebt. Die Spaten pfeifen cs aber von den Dächern, was die wahre Ursache ist: es sind die ungeheuerlihen Betrügereien zahlreiher Groß- agrarier, denen die Regierung zum Opfer gefallen ist. Der Minister hat seinerzeit den Kollegen Schmidt ersucht, ¿hm das Material Use gehen zu lassen. Aber seit 9 Monaten ist nichts lg Die Re- gierung fordert vielmehr, daß wir die vorgekommenen etrügereien dur den Nachtragsetat geseßlih sanktionieren. Es ist nicht ge- lungen, mehr Getreide aus den Erzeugern herauszuholen. Der Herr Ernährungsminister Hermes hat ganz verschiedene Meinungen, je nachdem die Situation ist. Wenn die Reichszuschüsse far die Ver- billigung der Lebensmittel abgebaut werden, müssen sie da weiter geletstet werden, wo sie der notleidenden Bevölkerun zu uta lommén. Für das Steuerkompromiß fordert die Deuts E olf3- partei sachliche und persönliche Garantien. Was heißt das? Hier fönnen: Ste persönlihe Garantien fordern, - wo es sich um einen Mann handelt, der Reichsgelder vershleudert hat. L E Abg. Sch iele (D. Nat.): Wo soll die Staatsautorität her
“fommen, wenn in solchen Darstellungen Sozialdemokratie und Uns
hon auf 245 Milliarden Mark an. Jn den leßten Fahren sind on T áge des Etats und der Fehlbeträge regelmäßig bedeutend überschritten worden. Das nötigt uns zum entschiedenen Miß trauen gegen die Zukunft. Ungeheure Anforderungen werden hier wieder an uns gestellt. Diese neuen Milliarden lee auf dem Wege der Anleihe flüssig gemacht werden, aber die
abhängige zusammengehen? Unser Etat steigt mit den Pa Er
e E Ms t enau so auf dem Vapier wie die Anleihen aus den früheren Nachz fragsetats. ‘Wir ben wieder vor einer neuen Les Man darf Ursache und Wirkung der Finanz- und Wirtschaftspolitik nicht verwechseln. Bei uns ist die Fnflation nicht die Ursache, son- dern die Wirkung gewesen. Vorhergegangen ist die Wirkung des Ultimatums und dazu kommt, daß die Volkswirtschaft fals einges stellt ist. Die wesentlihe Ursache der Geldentiwertung und E gibt uns der Passivsaldo unserer Zahlungs®bilanz. Die 11,6 a jo arden, die wir im April 1921 in den Etat für die Erfüllungspolitik eingeseßt haben, sind s{ließlich auf 112,3 Milliarden a dg v: Min: Die Passivität unserer Bilanz stüht sih vor allem auf E iejen- forderungen des Feindbundes, aber auch auf die innere M der eigenen Wirtschaft. Wir müssen auf 4,7 Milliarden Goldma kfalkulieren, was wir ins Ausland über das _hinausgeben MUO was wir selbst produzieren: Die Wirtschaftsbilanz hängt E r weniger mit der Zahlungsbilanz zu ammen. Wir turieren jegt nur an den Symptomen cines franken Wirtschaftskörper3 Li Wissenshäftler und Diagnostiker erkennen aber die us el in der Handelsbilanz. Woher jollen wir unter solchen Berhä tnia bei dieser Wirtschaftseinstellung die Devisen für De v schaffen? Darum lautet unsere Forderung, daß wir Produktions politik treiben müssen. Durch solche Operationen, ivie R ait den Finanzen vorhaben, wird die Wirtschaftslage niht g fler Die Finanzen sind nur die Zeiger, die Wirtschaft ist das Ae Gegenüber der fundamentalen Tatsache, daß wir infolge Mies Produktionsrücganges eine Einfuhr von 61 Milliarden notig ha N ist die Erfüllungspolitik mahrhaftig ein leerer Wahn (Hört! Hör 4 Heute kommt es darauf an, daß der Bauer und Landarbeiter au dem eigenen Boden das Nötige shasst, um die Bevölkerung satt zu machen (Sehr richtig! rechts). Alle Probleme, mögen je Hees Valuta- oder Rohstoff- oder Steuerprobleme, Ran E f r sozialen Probleme, wurzeln leßten Endes im Ernährungsproblem, Was die Maislieferungsscheine anlangt, fo bedauern wir felbst, daß die Absicht, diesen Mais aus\{ließlich Futterzwecken zuzuführen, niht in vollem Umfange erreicht worden ist. Wir bedauern aut, daß, und zwar infolge des . ganzen Veranlagungssystems, günstigungen einzelner Landwirte vorgekommen sènd; aber der anderen Seite darf man doch die Gefamtvorteile niht ver- kennen, die durch diese Maisbelieserung erreiht worden sind: die Vermehrung der Milch- und Fleishproduktion und die Vermehrung des Viehstandes, namentlih der Schweine. Wenn ein Teil des Maises zu Schnaps verbrannt worden ist, so hat das auf der anderen Seite den Vorteil gehabt, daß entsprechende Mengen von Kartoffeln für die Volksernährung freigemacht worden sind. Die ungünstige Entwicklung des Kartoffelmarktes bedauevn auch wtr; aber man darf doch dabei niht übersehen, daß infolge andauernden Frostes scit November eine ruhige und andauernde O Kartoffeln überhaupt niht möglih gewesen kst, und, soweit No lieferungen versucht wurden, sind tnfolge des Acht aen (Jronisches Bravo! b. d. Soz.) und infolge des Eisen “eder noch große Mengen erfroren. (Zuruf links: Und wo bleiben die Kartoffeln jeut?) Sie (nach links) können das nicht wissen. dent Sie verstehen nichts von der Landtvirtschast, aber ih will es H sagen, felbst auf die Gefahr, hin, daß Ste es niht verstehen werl ; (Sehr gut! und Heiterkeit rechts): Die Kartoffeln haben bis ielt noch nicht aus den Mieten herausgenommen werden können, un es waren daher bis jeßt nur Notlieferungen möglich. Was die Frage der Zioangstwirtschaft in der Getreidebelieferung _betrifsh jo darf ih daran erinnern, daß selbst Mitglieder der H ien kratishen Fraktion sih im Ausshuß dahin ausgesprohen deEN daß sie mit allen Mitteln die freie Wirtschaft erstrebten. p Ernährungsminisier hat auf dem Parteitag des Zentrums er e von einem Uebergang zur freien O! föônne erst dann x Rede sein, wenn eine erheblich größere Stabilität und eine wesen liche Besserung der Verhältnisse auf diesem Gebiete eingetreten sei. Solange die Verhältnisse aber mit der gleihen Schwere né auf uns lasen, werde in diesem Fahre ein Uebergang zur es Wirtschaft noch nit stattfinden könmwen. Ün lan pirtschaft Ati Kreisen hat diese Erklärung eine große Beunruhigung aid t gerufen, die ihren stärksten Ausdruck auf den Landbundtagun Þ der leßten Zeit gefunden. Mir scheint, daß ein begründeter für laß für die Beibehaltung der gebundenen Wirtschaft auch noh E die kommende Ernte nicht mchr vorliegt. ' (Lebh. Beifall und 3 j stimmung rechts.) Was wir als Folgen der Lena age 2 ausgesagt haben: cine ungerechte Veranlagung, das EmpovwuÇ} cines üblen Denunziantentums, die «Bevorzugung der guten it besten Böden auf Kosien der shlechten und mittleren und da is ein Rückgang der Produktion, ist eingetroffen, und die Folge nicht eine Verbilligung, sondern eine Verteuerung des Brotes wesen. (Beifall und Zustimmung auf der Rechten.) Die S v lation muß mögli{st eingeschränkt werden. Das Auskland2gelret muß von einer Zêntralstelle bewirtschaftet werden, und für Zet der Not bedarf es der Vorratsbildung, wie s Friedrich der Gl machté und später Gräf Kaniß wollte. Das Ganze ist ein W R das nur ein Mann durchführen kann, der sich vollständig frei Wo von politishen Strömungen. Es muß ein Minister nur für Lb wirtschaft und Ernährung sein, der allein das wirtschaftliche N hafb esse voranstellt. Das niedergebrotene Reich ist aus der wirtsha/ lichen Hörigkeit zu befreien. (Beifall rets.)
(Fortsehung îin der Fünften Beilage)
[ Fünfte Beilage Nr. 45. : I R O E I E T T D T
F (Foriseßung aus der Vierten Beilage.)
—— —
_Abg. S ölle in (Komm.): Das Elend, in das das Proletartat gestürzt wird, ist ¿ine Folge der Erfüllungspolitik, an der sih auch die Sozialdemokraten beteiligen. Die Außenpolitik des Kabinetts Virth, die dem Diktat der Entente folgt, findet t r in der verbrecherishen Fnuenpolitik. Den Eisenbahnern spricht man das Streikreht ab, obivohl es Notwehr gegen die tnnere Politik war, die die Streikenden trieb. Zett treibt die Etsenbahn hureaufvatie eime ruch- und shamloje Maßregelungspoliti?. Herr Groencr warnt die Eisenbahner vor einem neuen Streik aber die ihnen gemachten Zusicherungen hat man gebrochen. Herr Groener läßt Handgranatenattentate erfinden und nimmt Spißel in Dienst (Vizepräsident Ver. Rießer! bittet den Redner, sich in feinen Ausdrüden zu maßigen.) Ein Sozialdemokrat, der Polizeipräsident Richter, suchte Pogromstimmung gegen diè Kommunisten zu er- wecken. Ein anderer ‘Polizeipräsident, dieselbe Nummer, Lübbring in Königsberg, ist aus dem Bauarbeiterverband wegen seines Vor- gehens gegen Arbeiter au3geschlossen worden. Die Maßregelungt- politik hat einen wirtschaftlichen Untergrunòd, die Beamtenzalzl toll vermindert werden. Man entläßt die Arbeiter, die sih in den Betriebsräten mißlicbig gemacht haben. Was nügen alle Re- gieuungéerflärungen,“ enn Groener sie naher dur seine Aus- lozung verdreht. Die 20 000 Eisenbahner, die his “Ende März entlassen werden sollen, sind ‘nur der Auftakt für weitere Massenentlassungen. Aber die Zahl der Geheimräte wird nicht vermindert, die* Geheimratswirtshaft geht weiter, bei den Eisen- bahnezrn wie bei der Post, 1nd gerade da sizen die Scharfmacher die keine positive Arbeit leisten. Grocnev sagt: „Ein Hundsfott, wer streift!“, aber er sagt niht: „Ein Hundsfott, wer \ich, ohne positive Arbeit zu leisten, Riesengehälter zahlen läßt!“ Besonders bei der Post herrsht der bürokratische Wasserkopf. Viel zu groß ist die Zahl der Referenten. Und die Leistungen? Ein Brief geht oft s{hneller als ein Telegramm. Eine Beamtin ist auf Betreiben der anderen Beamtinnen entlassen worden, weil sie etn uneheliches Kind hatte; dasselbe ist ciner Beanitin passiert, deren Eheschließung erst im Kriege cinige Jahre nah - der Geburt des Kindes erfolgt ist. Die Reichszuschüsse für die Verbilligung der. Lebensmittel stellt man rücksihtslos zum Schaden der breiten Massen ein, aber andererseits treibt man eine ungeheure Liebes- gabenpolitik, 3, B, beim Mais, bei dem Riesengewinne erzielt worden sind. Die Verbilligungsaktion für Lebensmittel diente übrigens gar niht den breiten Massen, sondern den Kapitalisten. Lie Sozialdemokrat-n wollten aber mit der Verbilligungsaktion nur der sozialen Revolution ausweihen. - Mit der Brotpreis- steigerung wird eine neue gewaltige Verteuerungswelle durch das Land ziehen. Auch vom Berlinex Magistrat sollen Massen- entlassungen vorgenommen werden, namentlich - bei der Straßen- bahn, und dafür soll die Arbeitszeit verlängert werden. Die Er- füllungspolitif joll auf die breiten Massen abgewälzt werden. Die Privatindustrie verschlechtert gleichfalls die Arbeitsbedingungen und unternimmt Vorstöße gegen den Achtstundentag. Wenn die Ge- werkschaftsbürokraten solchen Versuchen zustimmen sollten, würden die Arbeiter sie zum Teufel jagen. Auch die Demokraten scheint, mitmahen. Hat do der Abgeordnete
ihr Gegenstück nux
wollen, wie es Vothein eben erst im „Acht-Uhr-Abendblatt“ einen Scharsmacher- ertikel losgelassen. Man plant auch, wie man hort, die Etin- sührungckeines Zwangsdienstjahres. Nicht nur den Beamten, quch den Arbeitern suht man mit allerlei. Nücken und Tücken das Etreikreht zu rauben; im Kreise Soldin hat der Amtsrichter tmfah durch eine einstweilige Verfügung das Streikpostensiehen verboten. Der Fall Kachne wird uns beim Justizetat Ver-= inlassung geben, in den Saustall unserer Justiz hineinzuleuchten. je. systematischer die Koalitionsregierung ihre Politik deèr Aus- vessung und Ausplünderung der breiten Volksmassen fortseßt, um v entschlossenex wird sich das Proletariat zu einer geschlossenen lbwehrfront zusammenballen, und der Sieg wird auf seiner Seite tin. (Beifall bei den Kommunisten.)
Hierauf nimmt der Reichsminister der Finanzen Dr. ßermes das Wort, dessen Rede wegen verspäteten Eiugangs 6 Stenogramms erst in der nöchsten Nummer d. Bl. im Vortlaute wiedergegeben werden wird.
Abgeordneter Bl u m (Zentrum): Wix werden den Nachtrags- tat bewilligen. Der Minister meinte, wir sollten niht mehr soviel über Zwang3wirtschaft oder freie Wirtschaft reden, aber ich hoffe doch, daß wir die Zwangswirtschaft bald zu den Toten rechnen binnen. (Sehr richtig! rechts.) Wir können der Zwangswirischaft nts lokenswertcs nahsagen. Gegenüber den Artigkeiten der tinken gegen die Landwirtschaft möchte ih doch den Versuch einer Ehrenrettung machen. Der Landwirtschaft ist ein ehrenvolles Jeugnis von neutraler Seite geworden, nämlih von dem früheren Neihsfanzler Michaelis, der seine Lebenserinnerungen heraus- gegeben hat. Er schreibt darin, daß er die ganze Zwangswirtschaft mit ihren fürchterlihen Konsequenzen vor Augen gehabt und ste plange als möglich bekämpft habe; er habe den freien Verkehr bei- behalten wollen. Er verkennt auch nicht den guten Willen des “Ándmanns, wenn er sagt, er habe nicht feststellen können, daß die große Mehrheit der Landwirte sih je von Eigennuyß habe leiten lssen. Es sei nicht wahr, daß die Grundbesißer die Schlemmer ind Prasser gewesen seien. Der Minister Hermes gehört zu den Diplomaten und hat sich über das Umlageverfahren diplomatif{ iusgesprochen. Soweit der Bauer etwas von Diplomatie versteht, hat er herausgehört, daß von der Zwangswirtschaft zur freien Virtschaft übergegangen werden, joll. Dem Minister wird keiner iahsagen können, daß scine volkäwirtschaftlichen Maßnahmen nicht von Erfolg begleitet gewesen sind, sondern daß er sogar mit seinen konsequent durchgeführten Mitteln Großes erreiht hat. \ch glaube, nan kann sagen, daß ex mit konsequent durchgeführten Nitteln ein großes Ziel erreicht hat. (Sehr richtig! im Zentrum.) \ch hoffe, daß der Minister also, nahdem er den Mut gefunden hat, der zwangsläufigen Meinung von der Nüglichkeit oder Not- j vendigkeit der Zwangswirtschaft entgegenzutreten, es auch fertig tingen wird, die Zwangswirtschaft des Umlageverfahrens nun- mehr endgüstig zu beseitigen. Daß das Umlageverfahren zroße Nangel hat, hat er ja offen cingestanden, dabei sind ihm, glaube id, die schwerwiegendsten Mängel gax nicht zur Kenutn1s ge= lommen. Wir haben schon, als das Umlageverfahren beschlossen wurde, darauf hiegewiesen, daß es sich auf de unzuverlässigste Wissenschaft der Neuzeit, nämlich die Ctatistik, stüßc. Dabei hat sich die Anbaufläche nament- (ich seit dem Kricge so erheblich verschoben, daß gang unglaub- lihe Ungerechtigkeiten die Folge sein mußten. Dazu kommen die ‘normen Kosten, die mit dem Umlageverfahren verbunden sind. Ste nd tatsächlich riesengroß, es gibt Kommunalverbände, die sechs, t, zehn Beamte brauchen. Eine Entscheidung, ob das Umlage- dtrfahren weiter geführt werden“ wird oder nicht, ist schon deshalb wtwendig, damit die Kommunalverwaltungen wissen, ob sie pl
amten behalten odex weiter beschäftigen sollen. (2 ishenrufe inks.) Wix Landwirte treiben keine. Plusmacherei. Yowohl Sie nah links) bebrillt sind, können Sie uns doch nicht ins Herz schen. Sehr gut! und Heiterkeit.) Sonst würden Sie darin ein warmes Nitgefühl mit der Not unseres Volkes erkennen. Wir haben ab- lut nicht die Tendenz, die Preise in die Höhe zu [LOVEN, wir lauben aber, daß wir dur die freie Wirtschaft in die Lage geseßt erden würden, mehr Getreide auf den Markt zu bringen, und aß die große Hilfsaktion, die die Landwirtschaft jeßt posPe Be L hren Auswirkungen tatsächlich dahin führen wird, die große “hie it Brotgetreide wesentlich zu mildern. Dann ‘ist gesagt L E lioßje Kartoffelnot sei darauf zurückzuführen, daß die Landwirte
it den Kartoffeln zurückhielten. Jch bestreite das, bis De mi
nen Baztern nennen, der böswillig Kartoffeln zurückhält. Nennen
zum Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Gfaátsanzeiger.
Berlin, Mittwoch, den 22. Februar
Sie mir ober einen, dann dürfen Sie überzeugt sein, wir würden ihn dem Wuchergericht übergeben, und wir würden keineu Augen- blick zögern, ihn aus unseren Reiben auêzuscbließen. (Zuruf links: Wie wollen Sie denn das machen?) Jch wiederhole, wir werden diese große Hilfsaktion- dazu benutzen, um das ôußerste zu leisten, und unserer Bevölkerung die notwendigen Nahrungséniittel zu er- träglihen Preisen zur Verfügung zu stellen. (Beifall im Zentrum.) _ Persönlich bemerkt Abg. Sch m idt - Cöpenick (Soz.): Er habe ic im Ausschuß keineswegs grundsäßlih, sondern: nur unter ge- wissen Voraussetzungen gegen die ZJwangswirtschaft auf dem Ge- bicte des Umlazeverfahrens ausgesprochen.
__ Abg. Lin dt (D. Nat.) erklärt, er habe in Hannover zwar von einer „verfluhten Judentwirtshaft“ gesprochen (hört, hört! links), aber nicht im Zusammenhang mit der NReichsgetreidestelle; cr halte Tediglih gesagt: „Die Liebesgabe, die die Landwirtschaft in Gestalt der Getreideumlage aufbringen muß, ist nur zu einem bescheidenen Teile indie Hände der Verbraucher gekommen, weil sich dieser Ene Beamtenapparat zwischen Erzeuger urid Verbraucher ge= tellt hat.“
Die Vorlage. wird an den Hauptausschuß verwiesen. Es folgen die Abstimmungen zum Geseßemt- wurf über die Erhebung einer Abgabe zur
Förderung des Wohnungsbaues. Das Geseßz wird unter Ablehnung aller Abänderungsanträge im wesent- lichen nah den Beschlüssen der Kommission angenommen.
_ Nächste Sitzung Mittwoch, 2 Uhr: dritte Lesung des Reichsmietengesectes, ‘der Abgabe - zur Förderung des Wohnungsbaues, zweite Lesung des Etats (Haushalt des NReichspräsidenten und des Reichskanzlers).
Schluß gegen 7 Uhr.
Preußisher Landtag.
102. Sißung vom 20. Februar 1922, Nachtrag.
Die Rede, die bei der Beratung über den Haushalt des Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung im Recmungsjahre 1922 der Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung Dr. Boe li § gehalten hat, hatte folgenden Wortlaut:
Meine Damen und Herren, nah der ausführlihen Behand- lung meines Etats im Hauptauss{chuß möchte ih mich heute zu nächst hier bei dem Kapitel Ministerium und allgemeine Ver- waltung auf einige grundsägßliche Gedanken beschränken, die einer- scits für meine persönlihe Stellungnahme wichtig sind und anderseits die großen bedeutsamen Fragen bestimmen, die mein Ressort augenblicklich beschäftigen.
Der Kampf im Ausschuß is wesentlih ein Kampf um lebte Bildungsideale gewesen, und dieser Kampf — das sage ih offen — is hoc erfreulich gewesen, denn er hat nns gezeigt, daß sich eine Wendung vollzogen hat von Nüglichkeitsfragen oder gar von rein parteipolitisch eingegebenen Fragen zu Fdeen. Wenn es ein - Ministerium gibt, das ron ‘FJdeen lebt, dann ist es das Ministerium, das meiner Verw... üg untersteht, und wenn es ein Ministerium gibt, das unter der Fülle erdrückender Klein- arbeit zusammenbrechen könnte, so ist’ es mein Ministeriüum. Jun dieser Hinsicht bin ih von ernster Besorgnis ‘erfüllt. Wenn ih darauf hinweise, daß die Zahl der bearbeiteten Sachen im Jahre 1913 101080 betrug und im Jahre 1921 auf 156 201 ge- stiegen ist, d. h. also um 55%, und demgegenüber sagen muß, daß nur ein Ministerialrat mehr gegenüber 1913 im Minisie- rium sißt — die Zahl von 28 ist auf 29 gestiegen —, so werden Sie daraus erschen, daß hier eine Fülle von Arbeit horliegt, die faum noch bewältigi werden fann. Wenn Klagen kommen, daß Reformarbeiten nicht schnell genug von statten gehen, so muß ih darauf hinweisen, daß - diese erdrücktende Kleinarheit leider ein shweres Hemmnis bedeutet dafür. Wenn ferner die Zahl der Ministerialsekretäre vom Fahre 1913, wo sie 78 betrug, bis zunt Jahre 1921, wo fie 85 beträgt, nur um 7 gestiegen ist, und die Zahl der Kanzleisekretäre vom Fahre 1913, wo sie 24 betrug, auf 26, also um 2 gestiegen ist, so werden Sie erkennen, daß hier eine ungeheure Arbeit liegt, unter der unter Umständen das Ministerium erdrückt werden könnte.
Fch sagte soeben, daß das Ministerium des Geistes. rur vou der Kraft dieser Jdee leben kann. Dao ist es erfreulich, daß im Ausschuß absolute Einigkeit darüber herrschte, daß die Staats- idee und die Fdee der Kultureinheit die beherrshenden Gedanken für dié Arbeit meines Ministeriums sein müssen. Es war ein gewaltiger Fortschritt, als beides ganz lar zu der J dee der deutshen Bildungseinheit zusammengefaßt wurde. Jh habe im Ausschuß darauf hingewiesen, daß die Erziehung unserer Fugend zur Staatsgesinnung einer der Haupt- aufgaben sein muß, die wir vom Ministerium aus zu leisten haben. Wir Deutschen sind — das is gar keine Frage — viel zu spat zur Staatsgesinnung gekommeu. Wix waren sehr. lange cine Kulturnation, ehe wir den Staat als die Lebensfornt der Nation erkannt haben. Jh gehöre wahrlich nicht zu denen, die den aslteu Staat schmnähen. Wir müssen ihm dankbar sein für alles, was er geleistet hat, und feiner bon uns hier im Saale wird ver- gessen und darf es vergessen, daß alles, was die heutige Gesellschaft an Kulturwerten hat, in diefem alten Staat und zum großen Teil von diesem alten Saat geschaffen worden ist. (Sehr wahr! rets.) Aber eins muß zugestanden werden, daß cine bewußte, starke, freudige Erziehung zur Staats- gesinnung, eine. bewußte, starke, freudige Erziehung zur Staats- idec, den ganzen Menschen zura Dienst am. Staat zwingt, in der Vergangenheit vielfah gefehlt hat. (Sehr richtig! rechts.) Es mag unerórtert bleibeu, woran das gelegen hat. Wix wollen
De
nur feststellen, daß jevt die Not der Zeit die EinsiHt zum AU-
gomeingut gernacht hat, daß ein Volk ohne staatliche Ein- heit und Geschlosseuheit mit derx Vernichtung auch seiner kulturellen Werte bedroht ist, (Sehr rihtig!) Jch habe vor einigen Tagen das ernste Wort gekesen: Geht uns Deutschen heute unser Staat verloren, so ist die Ge- schichte der deutschen Nation zu Ende. Dieses Gefühl der Une x - seubarkeit des Staatsgedaukens fir alle Lebenswerte hat erfreuliche Fortschritte gemacht, und es muß unter allen Um-
1922
ständen - mit aller Kraft hinein in die Schule, in die Volkss{huTle, in die- höheren Schulen und in die Universitäten. :
Von diesem - Gesichtspunkt der Unersebhaxkeit - des. Staats- gedankens: haben wir uns auch gefreut, daß- das Görlißer Pro- gramm zustande gekommen ist. (Sehr gut!) Von: diesem Gestchts- punkt aus haben wir von. seiten der Deutschen Vslkspartei dis große Koalition gefordert, meine Damen und Herren, nit etwa, um in die Regierung hineinzukommen, sondern um in-- dieser Regierung in vollstem Umfange positiv an- der Wiederaufrichturig des Staates mitzuarbeiten. (Sehr gut!) /
Lassen Sie mi, meine Damen und Herren, in diefem Zu- sammenhang ein Wort über die Koalitionspolitik ‘ein- fügen. Es sind sich alle Parteien, die in der Koalition sint, dar- über klar, daß die Koalition von jeder Partei - Opfer fordert, Opfer. der vorläufigen Zurüdckstellung von Forderungen des Parteis programms, die keine zentrale Bedeutung haben und deren Be- tonung einen Kampf innerhalb der Koalition entfesseln - könnte. Sie verlangt von. niemand ceinen- Verzicht grundsäßlicher Art. Koalition heißt Arbeitsgemeinshaft- und nichx Gesinnungsgemeinschaft. Aber eins- verlangt die Koalition, das ist: Berständnis des einen für. den anderen (sehr rihtig!), um das Trennende so weit zurückstellen zu ‘können, damit gemeinsame Arbeit innerhalb der Koalition geleistet werden kant,
Meine Damen und Herren, keine Koalitionspartei darf — worüber schon Bismarck geklagt hat — Politik treiben, als ob sie ganz allein da wäre. (Sehr rihtig!) Aber soll dieses Verständnis vorhanden sein, so darf es unter keinen Umständen einseitig vors handen sein: Mon soll nicht etwa von uns verlangen, daß wir uns nun immer auf die Seelenlage der Sozialdemokratie ein- stellen sollen, daß wir sie versiechen und würdigen, - wenn man auf der anderen Seite es etwa ablehnen sollte, volles Verständnis für das Bürgertum und feine Lebensnotwendigkeiten zu gewinnen. (Sehr richtig!) Auch die Partei, dié als leßte in die - Koalition eingetreten ist, muß Verständnis für sih fordern, auch von der Partei, ‘die am weitesten links von dieser Koalition steht. (Sehr richtig!) c
Wird min nach diesen Gesihtspunkten innerhalb der. Koalitiore und innerhalb der -Koalitionsparteien cine rein sachliche Politik ge- trieben, auch in Personalfragen, so kommen wir - über die Schwierigkeiten hinweg, von denen das Regierungsprogramm. seinerzeit bei der Bildung’ der Koalition gesprochen hat. i
Nach diesem Exkurs kehre ih wieder zu der. Frage. der Staats idee zurück. Troß der überraschenden - Uebereinstimmung, - daß die Staatsidee im Mittelpunkt unserer gesamten Erziehung untd unseres gesamten“ Unterrichts stehen müsse, bestehen doch“ tief greifende Unterschiede in der Deutung diesex Staats ide.e weiter. Meine Damen und- Herren, das - Wort von der freudigen Bejahung des - Staates ist : viel umstritten. Nachdem soeben mein verehrter Herr Vorredner erneut davore gësprochen hat, möchte ih au hier noch ein - kurzes Wort dars über einschieben. Der deutsche Staat ist niht die Summe dex
jeßt lebenden Deutschen, der deutsche - Staat- wird niemals 1- : 0
sammengebunden lediglich durch Kenntnis der Verfassung odzr durch einseitige Betonung der Wirtschaftspolitik. Der deutshe Staät ist, wie jedes organische Gebilde, gewachsen, und seine tiefsten Wurzeln liegen ‘in der deutschen Vergangenheit. Soll dieser Staat lebendig erhalten tverden, so dürfen wir unter keinen Umständen diese Wurzeln durchschneiden. (Sehr trihtig!) Denn die Geschichte unserer großen Vergangenheit ist das Quellgebiet, aus dem uns alle unsere - Kräfte zustromen. (Sehr wahr!) Als preußischer Kultusminister habe ih ein starkes Bewußtsein davon, was wix der deutschen und der preußishen Geschihte zu verdanken haben, ih brauche ‘hier niht zu wiederholen, was ich oft gesagt, daß gerade die Kenntnis der Geschichte der Vergangenheit für die Gegenwart von der ungeheuersten Bedeutung ist, daß wir mur so die Kräfte gewinneu können, die wir für den Wiederaufbair unseres Staates nötig haben. Aber, meine Damen und Herren, das muß man sich auch klar machen, daß der deutshe Staat, eben als geschichtlih gewordener, der gegebene Staat ist. Dieséc Staat ist weder „ein idealer Zukunjtsstaat, noch ist er ein als ideal betrachteter Staat der Vergangenheit. Eine Staotsgesinnung, die das. übersicht, macht diesen geshichtlich gewordenen Staat
“ideallos und entzieht ihm so seine stärksten Kräfte, und er ver=
schiwendet seine starken Jdeale wirkungslos in erträumten Jdeal gebilden. Die starken und großen Fdeale unserer Jugend, die ih kenne. und zu würdigen weiß, wollen wir nit in Traumidealen zerflattern lassen. Diese starken Jdeale sollen in dein gegebenen. Staat einströmen, der heute allein geschichtlich und damit als Pflihtgebiet für elle-gegeben ist. Das nannte ih Erziehung zue freudigen Bejahung des Staates.
Jch. wiederhole die Worte, die ih im Hauptaués{chuß F, sprochen habe und die in diesem Zusammenhang auch noch einmal das, was mein verehrter Herr Vorredner soeben zitiert hat — ex hat mir. da einen leihten Vorwurf machen wolleu —:- wix dürfen nicht imaner nur sentimental in die Vergangenheit zurückshaueu. Das führt zu nichts. Wir müssen die Geschichte kennen, um aus genauester Kenntnis der Vergangenheit heraus : die Kräfte er« kennen und benuvzen zu können, die für den Wiederaufbau uots wendig sind. Wir dürfen uns abex auch niht utopistischen Träuméêun von einer Zukunft hingeben, die vielleicht niemals sein- wird, Wir müssen unsere Knaben und Mädchen fest auf den Boden dex Gegenwart stellen; wir müssen sie auf den harten Boden deg Gegentart stellen, damit sie ihu bearbeiten und dann iu dis Furchen deu Samen streuen, aus denen uns einmal die Garben Eftgegensprießen- sollen. Das allein löst die Kräfte in der Jugend alts, die ‘erforderli sind, wenn sie den Kampf mit ‘der Not des Zeit siegreich bestehen sollen. Wenn wir die deutsche Jugend “iu diesem Sinne in die deutsche Kultur einführen, dann werden dia deutschen Fdeale im gegebenen Staat stark genug sein, um sich in organischen Wachstum immer mehr zum wahren deutschen. Staate zu entwickeln. E “e „Lassen Sie mich in diesem Zusammenhange mit einem Wok auf diè Anfrage des Herrn Abgeordneteu König eingehen, der
davon sprach, daß der Erlaß über die Völkerversöhe