1922 / 55 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 06 Mar 1922 18:00:01 GMT) scan diff

(Fortsehung aus dem Hauptblatt.) | Deutscher Reichstag.

178. Sißung vom 2. März 1922. Nachtrag.

._ Die Réde, die bei der Beratung über den Haus haltsplan für das Nes lNs ministerium und die dazu vom Haupt- R qu gefaßten Beschlüsse der Reichsminister Bauer gehalten hat, hatte folgenden Wortlaut:

Meine Damen und Herren! Jch glaube, um an die leßten Worte des Herrn Vorredners anzuknüpfen, sagen zu dürfen, daß niemand das Schaßministerium an Mitgefühl für die Leiden der Bevölkerung der beseßten Gebiete und an dem guten Willen, diese ‘Leiden, soweit es immer in menschlihen Kräften und in der Kraft der Reichsvegierung steht, zu mildern, übertreffen wird. (Na, na! im Zentrum.) Fch weiß niht, worauf sih solche anzweifelnden Bemerkungen stüßen. Das, was bisher gegen die Geschäftsführung der Reich8vermögensverwaltung im beseßten Gebiet und gegen das Reichsshahministerium vorgebracht worden ist, war wirkli nicht geeignet, solhe Zweifel zu rechtfertigen. Auch das, was der Herr Abgeordnete Lange-Hegermann hier vorbrahte, waren nur allge- meine Klagen, die, wenn man ihnen auf den Grund geht, in jeder Einzelfalle sich als unberehtigt darstellen. (Widerspruch im Zeittrum.) Darüber haben wir. im Haushaltsausshuß des Reich8- tags bereits eingehend gesprochen, und ih habe die Herren gebeten, wenn sie Einzelbeschwerden haben, doch ja nicht zu versäumen, mit diesen Beschwerden an das Ministexcium heranzutreten, weil ih dann in der Lage bin, ihnen nachzugehen und für Remedur zu sorgen.

_ Selbftverständlich ist es nicht ganz zu vermeiden, daß, wo solch gewaltige Aufgaben zu erfüllen sind, o Tausende und aber Tausende von Menschen mit Ansprüchen an die Reihsvermögens- verwaltung herantreten, bei der großen Zahl der mit diesen Auf- gaben beschäftigten Beamten auch Mißgriffe vorkommen. --Das ist unvermeidlich; dafür sind es doch Menschen, die diese Aufgaben zu erfüllen haben. Aber soweit etwa solche Mißgriffe durch das Ver- Halten eines Beamten festzustellen sind, das..niht gebilligt werden Tann, werde ih natürli stets mit aller Schärfe gegenw den be- treffenden Beamten einschreiten. Jch muß “aber sagen, ‘daß ih während meiner Amtstätigkeit „zu cinem solchen Einschreiten nux in ganz vereinzelten Fällen Gelegenheit bekommen habe. Be- “gründete Beshwerden, auf Grund deren sih ein Eingreifen ‘er-

_Möglichen ließ, sind in ganz vereinzelten Fällen vorgebracht worden. -

Im einzelnen hat der Herr Abgeordnete Lange-Hegermann gesagt, bei der Anstellung von Beamten werde niht genügend Rüefsiht auf die Jnuteressen und die Wünsche der eingesessenen Be- völkerung genommen. Jch kann dem Herrn Abgeordneten sagen, daß ‘das Reichsschaßministerium und dië Reich8vermögensver- waltung, solange sie für die beseßten Gebiete tätig gewesen sind, bestrebt waren, in erster Linie Rheinländer_ odér doch Angehörige enderer deutsher Stämme, die zum beseßten Gebiet gehören, dort in beamtete Stellungen zu bringen, daß aber ‘diese Zahl rheinischer Beamten gar nicht aufzutreiben war. Sie wissen, daß wir schon gezwungen sind, bei der Beseßung von! Stellen ‘in erster Linie Rheinländer zu bexücsihtigen, weil die interalliterte Rheinland- Tommission uns. diese Bedingung gestellt, hat und: urs. Schivierig- keiten macht, so daß wir ‘oft in eine sehr: utangenehme Lage fommen, weil wir einen Beamten, der Rheinländer ist, überhaupt nicht finden; er ist aus rheinischen Kreisen einfach nicht aufzu- treiben. Auf der andern Seite aber verbietet es uns die Entente, einen Nichtrheinländer dorthin zu segen. Wenn wir schon in dieser shwierigen Situation sind, sollte man es unterlassen, nun noch unbegründete Klagen darüber zu erheben, daß seitens des Reichsshaßministeriums auf die Berülsichtigung der Wünsche der Rhetuländer nicht ausreichend Bedacht genommen werde. An uns Liegt es nicht. Wenn wir nur die entsprechendew Kräfte auftreiben lönnen, wir würden sie sofort gern nehmen. j

Was die Frage anlangt, daß rheinishe Beamte "nicht zu Ministerialräten befördert worden seien, so ift darauf zu erwidern: solche Beförderungen lassew sich doch nicht. im Handumdrehen machen. Die - Miristerialratspostew im Reichsschaßministerium waren beseßt und müssen abgebaut werden. Inzwischen“ mußte die Vermögensverwaltung im rheinishen Gebiet aufgezogen werden, Wie soll ih nun Beamte ‘der Reichsvermögensverwaltung für das beseßte Gebiet zu Ministerialräten machen, wo mix die Stellen in großem Umfange gestrichen werden?

_ Aber ich kann darauf hinweisen, daß ein Ministerialrat, der Rheinländexr von Geburt, und zwar geborener Kölner ist, die An- gelegenheiten des beseßten Gebietes bearbeitet hat. Als der vorige Präsident der Reichsvermögensverivaltung von der Entente aus- gewiesen wurde, da ist dieser Rheinländer, dieser Ministecialrai, Präsident in Kobleuz geworden. Besser konnte doch wohl nicht be- iviesen werden, daß wir auc bei solhew Beförderungen in erster Linie an die Rheinländer denken. Fch kann also, wie gesagt, diese Beschwerden nit im geringsten als begründet anerkennen. Dann . ist weiter. - gesagt worden, die Bauten würden nicht schnell genug gefördert, und es würden insbesondere die Wünsche der- Gemeinden auf Neubauten und Ersäßbauten für beschlag- nahmte Wohnungen niht in wünschenswerter Weise gefördert. Meine Herren, solche Beschwerden werden von den Gemeinden vielfah erhoben; aber gerade Sie als Vertreter der Interessen des gesamten | Volkes, meine Herren Abgeordneten, sollten sih hüten, sih zum Sprachrohr solchex Beshwerden einzelner Gemeinden zu machen. Hier muß erst reht eine sahlihe Prüfung nachfolgen.

Ih habe im Fuli vorigen Fahres in Köln eine Konferenz mit den Städtevertretern abgehalten, um dort die Wünsche der Gemeinden in bezug auf das Bauprogramm kennen zu lernen, und ih habe mich mit den Vertretern der Gemeinden vollkommen geeinigt und ihre Wünsche, soweit das möglih war, akzeptiert, habe die eatsprechenden Summen zum Teil schon in dem Nach= tragsetat für 1921, soweit das nicht geschehen, im gegenwärtigen Etat angefordert, und es wurde da durchaus Uebereinstimmung auch über das, was mögli ift und geleistet werden kann, ‘erzielt.

Einzelne Gemeinden allerdings sind fehr {wer zufrieden- gustellen. Sie möchten niht nur was ja verständlich ist, wenn man die Wohnungsnot ix allen Gebieten Deutshlands berüdck- fihtigt die Ersaßbauten dafür haben, daß ihnen durch Ein«

quartierung so und soviel Wohnungen genommen sind, sondern sie

möhter darüber hinaus eben noh die Hilfe des Reichs zur Linde-

rung der allgemeinen Wohnungsnot in Anspru nehmen. Es ist

sogar hier und da vorgekommen, daß die Gemeinden über - diese Fragen unzutreffende Angaben gemacht haben, so daß sihch bei späterer Nachprüfung herausstellte, daß ihre Forderungen erheblich übertrieben waren. Fede Sache hat also ihre zwei Seiten.

Der Herr Abgerdnete Lange-Hegermann scheint zu meinen, der Herr Staatssekretär für das besezte Gebiet habe ein besonders warmes Herz für die Rheinländer, und wenn der erst die Sache unter sih hätte, würde den Rheinländern jeder Wunsch erfüllt. Die Sache würde sich aber in dem Augenblick ändern, wo der Staatssekretär für die beseßten Gebiete eine Verantwortlichkeit hat und an den Rahmen der bewilligten Etatsmittel gebunden ist. Etivas anderes ist es, solange er nur der gute vermittelnde Herr ist, der si die Beschwerden vortragen läßt und sagt: ja, ih werde dafür sorgen, daß alles erfüllt wird, und dann. zu den verantwort- lichen Reichsbehörden geht und sagt: die Gemeinden wollen das haben; kann das nicht sofort gemaht werden? Da muß ihm dann von den verantivortlichen Stellen gesagt werden: das kann leider nicht gemacht werden; so und so liegen die Dinge; wir sind an die Mittel gebunden, die uns der Etat zur Verfügung stellt. Die- selbe Stellung würde der Staatssekretär für die beseßten Gebiete in dem Moment einnehmen müssen, wo er die Verautwortung für diese Dinge zu tragen hätte. Die Pflicht der Regierung ist es, die Interessen der gesamten Bevölkerung Deutschlands zu “vertreten; wir müssen auch auf unsere finanzielle schwierige Lage Rülcksicht nehmen und können deshalb niht alle Wünsche erfüllen, ins- besondere niht Wünsche, die unbegründet sind, unbegründet immer von -dem Standpunkt aus, daß hier lediglich die Besaßungslasten mit zu übernehmen sind und nit eine Wohnungsnot zu beseitigen ist, wie sie beispielsweise in Köln * dadur entsteht, daß dort Tausende von Kaufleuten aus dem Auslande sih ansiedeln und dadur die Wohnungsnot ins Unermeßliche steigern. Dafür kann das Reich nicht die Verantwortung übernehmen; um diesem Uebel- stand abzuhelfen, kann es nicht die Mittel aufbringen. So liegt es in einer ganzen Reihe anderer Städte auch.

Was die Förderung der Bauten anbelangt, so habe ich im Auss\chuß darauf hingewiesen, daß es niht einmal nur am Wollen liegt, sondern daß man auch können muß. Sie kennen doch die shwierige Lage unseres Baumarktes. Sie werden gerade wieder in den leßten Tagen gelesen haben, daß cin ungeheurer Mangel an Baustoffen vorhanden ist, und daß wir von dem, was pro- duziert wird, noch gewaltige Mengen als Reparationen ausführen müssen, und daß deshalb für den inländischen Bedarf Baustoffe sehr [chwer zu beschaffén find. Es fehlt aber niht nur an Bau- stoffen, sondern auch an qualifizierten Arbeitskräften, an gelernten Mauxern usw., so daß doch der Knüppel beim Hund liegt und man eben nit vorwärts kann, auch wem man will. Außerdem haben ir ja schon seit längerer Zeit, - um den Beschwerden gegen die Reichsvermögensverwaltung zu begegnen, cinen großen Teil der Bauten den Gemeinden zur Ausführung übertragen. Es liegt an den Stadtverwaltungen selber, wenn dic Bauten nicht vorwärts gehen. Den Stadtverwaltungen geht es genau so wie uns, wenn wir in eigener Regie Bauten errihten. Die Stadtverwaltungen können angesichis der Schwierigkeiten auch niht schneller vorwärts kommen als die Reihsvermögensverwaltung. Also auch diese Be- schwerden kann ih als begründet nicht anerkennen, wobei i immer wieder“ zugebe, daß in- dem einen oder anderen. Fall eine verantwortliche Stelle auch eininal einèn Mißgriff tun kann. Dáfitr kann ih selbstverständlich uicht einstchen. Aber das darf man nicht vexallgemeinerm.. j i Bi

Es ist richtig, daß die Militärbehörden eine ganze Reihe von Wohnungen zurückgewiesew haben- mit * allerlei Beanstandungen: die Offizierswohnungen seien nit gut genug, die Fassade des Hauses sei unschön und. dergleichen Dinge mehr. Als berechtigt konnten diese Zurückweisungen nicht ‘anerkannt werden. Es ist auch. dank des tüchtigen und sachlichen Vorgehens des Präsidenten der Reich8vermögensverwaltung nah eingehenden Verhandlungen mit den Besaßzungsbehörden erreiht, daß heute fast restlos alle von Offizieren dex Besaßungsbehörden zurücgewiesenen Wohnungen nunmehr übernommen werden. i

Im übrigen hat gerade General Dégoutte angeordnet, nach- dem er zujammen mit unseren Beamten die Wohnungen hat prüfen lassen, daß die Wohnungen zu beziehen sind und die Ab- lehnung nit -gerechtfertigt ist. i

Also auch daraus sollten Sie Vorwürfe gegen die Beamten, die dort die Sache gemacht haben, ünd gegen das Reichs\chay- ministerium niht erheben. Das ist, wirklih nicht berechtigt.

Damit glaube ih, die Vorwürfe, die gerade der: Herr Abgeord- nete Lange-Hegermann erhoben hat, als unbegründet widerlegt zu haben.

Auf die anderen Fragen, auf die Verwertung der Proviant- und Bekleidungsämter, auf die sowohl ‘der Herr Abgeordnete Dr. Cremer wie der Herr, Abgeordnete Lange-Hegermann zu sprechen gekomnten sind, will ih heute niht weiter eingehen, weil wir ja bei cinem Untértitel des Etats in die Spezialbehandlung dieser Frage eintreten müssen und da natürlih ausgiebig darüber zu sprechen seim wird.

Ih möchte heute nur sagen, daß von der Gründung einer Kleideraktiengesellschaft, von der die Rede war und die der Herr Abgeordnete Lange-Hegermann gitierte, heute immer noch nicht gesprochen werden kann, weil immer nuv Vorbesprehungen s\tatt- gefunden haben und bisher irgendeine Gründung einer Gesellschaft für die Kleiderverwertung mniht in die Erscheinung getreten ist, Sagen möchte ih noch, daß es si bei den Bekleidungsämtern- im ganzen um 5%s solcher Aemter handelt und daß cs im Jnieresse der Arbeiter, die dort beschäftigt sind etwa 800 für die Be- fleidungs- und einige Hundert für die Schuhindustrie —, Leute, die Jahrzehnte in diesen Betrieben tätig waren, liegt, auch weiter darin Arbeit und Brot zit finden, daß es bisher nicht mögli war, eine Einzelverwertung der Aemter zu erreichen, und daß wir ins- besondere bei einer Einzelverwertung mit einem großen Amt sizen bleiben würden: Wilhelmshaven, für das sih bisher ein Liebhaber æbsolut niht gefunden“ hat. Die Gesamtverwertung liegt also im wirtschaftlichen JFnteresse des Reichs und der Arbeiter, und sie wird ja in der Weise vorgenommen, daß diese Anlagen vermietet wèrden. Wir übergeben sie ja niemandem zum Eigentum, sondern wix machen nur cinen Mietsvertrag. Ob das Reich bei der Gesellschaft, die diese Aemter, wirtshaftlih verwertet, sich beteiligen soll, ist eine Unterfrage, über die der Reichstag zu entscheiden hat.

‘* Ebenso liegt es mit den Proviantämtern. Auch ‘hier \ind die Wünsche, die der Abgeordnete Lange-Hegermann äußerte, daß bei diesex Gelegenheit Reich und Genossenschaften landwirtschaftliche

unß Konsumgenossenschaften nehme it bo an bie Meh

haben sollen, von jeher der Leitstern meiner Politik gewesen. Von dem Boden bin ih immer ausgegangen, und Sie wissen ja aus dey Ausshußverhandlungen, daß der Aktienbesiß so verteilt werden sol, |

daß 30 Prozent die landwirtschaftlichen uud Konsumgenossey, schaften, 25 Prozent das Reich und 10 Prozent das Handwerk (r, halten sollen, so daß also shon 65 Prozent si in den Händen de Reiches und solher Korporationen befinden, die die Bewir haftung dieser Aemter niht etwa von rein privatkapitalistischey Gesichtspunkten aus vornehmen wollen.

Damit kann ich diesen Punkt heute verlassen, weil wir a bej der Spezialdebatte im einzelnen alle diese Fragen werden erörtert müssen,

Dann wünschte der Herr Abgeordnete Dr. Cremer, daß eine solche Forderung wie dic für die Stickstoff-Unternehmungen in Zu: kunft dem Reichstage doch rechtzeitiger vorgelegt ivürde. Ja, Herr Abgeordneter, das wird shwer anders mögli sein als mit dey Etat. Jm Etat werden solhe Mittel angefordert, und der Reich: tag oder der Haushaltsausschuß hat es ja in der Hand, wenn: ey eine weitere Aufklärung haben will, die Sache zurückzustellen und sih entsprechende Fnformationen einzuholen. Das ist ja auh in diesem Falle geshehen. Ein Unteraus\schuß hat die Sache eingehend geprüft und ist einstimmig zu einem gustimmenden Ergebnis ge: langt. ih ear do dié Forderung nicht früher vorlegen als beim Etat (Erneuter Zuruf.) Es ist richtig, sie war nicht in der gedrucktey Vorlage, sie wurde aber mit dem Etat zusammen vorgelegt, weil inzwischen die Verhandlungen beendigt waren und der Reichsrat zugestimmt hatte. Aber was nach dieser Richtung geschehen kany, um solche Anforderungen auch bereits im gedruckten Etat auf- zunehmen, das soll natürli geschehen.

Dann noch einige Worte zu den Ausführungen des Herrn Ah- geordneten Schuly (Bromberg). Der Abgeordnete Schulß plädiert sehr eingehend für die Auflösung des Reichsshabministeriums, E: meinte, das Schatministerium . hätte eigentlih gar keine ver- nünftige Arbeit mehr übrig behalten. Das ist ja sehr \chmeichelhaft für das Schaßministerium. Aber es ist eben tit so; wie der Herr Abgeordnete Schulß die Sache darstellt. Dadurch, daß die Auf: gaben, die das Reichsshaßministerium für die Versorgung dez Heeres übernommen hatte, ihm auf Gebot der Entente wege genommen sind, ist etwa ein Viertel der Tätigkeitsgebiete . des Schazministeriums verloren gegangen, drei Viertel sind ihm ge blieben. Es ist selbstverständlich, daß noch ein erheblicher Teil der jeßigen Aufgaben des Schaßministeriums im Laufe der Jahre ver- schwinden wird und daß man deshalb zu geeigneter Zeit auch über eine Umorganisation von Ministerien wird reden können. Aber, wie gesagt, das ist im Laufe eines Jahres oder bis zum 1. April 1923 natürlih ganz ausgeschlossen;. denn die weserttlisten Aufgaben hängen eben mit der Ausführung des Frieden®pertrages zusammen. Fh glaube ja nit, daß wir bis zum 1. April 1923 von diesem Friedensvertrag so weit los \ein werden, daß die meisten Aufgaben aus dem Friedensvertrag als erledigt angeseher werden können. Es ist also die Auffassung -des Herrn Abgeordneten Schulß doch eine recht einseitige. j i

Er meinte, der Reihsrat hätte eingehend zu der Frage Stellung genommen, und der sei doch zu dem .Ergebnis gekommen, das, Reichsschabministerium müsse - aufgeteilt werden. «Ja, das ist rihtig. Der Reichsrat hat cinen solchen Beschluß gefckßt. Aber wi ch schon im Ausschuß erklärt habe, kann ih nicht zugeben, daß d nach eingehender Beèratungen géèshehen ist, sondern als ich mit meinem Etat an den Reichsrat kam, hatten die Reich8rats8vertreter, wenigstens die meisten, sich bereits von threm Regierungen ‘cine feste Parole geholt, ohne meine Gründe zu kennen und ohne dic Tatsachen ausreichend gewürdigt zu haben, und nah dieser Parole ihrer Regierungen stimmten dann die Vertreter, und ih hätte mit Engelszungen reden und die s{önstew Gründe anführer können, es wäre do nichts dabei herau8gekommen. So erklärt fih diesèr Beschluß.

Auf der anderen Seite hat aber doch die große Mehrhett des Haushaltsausshusses anerkannt, daß es niht angängig ist, ein Ministerium Knall und Fall aufzulösen angesihts der Ueberlastung der bestehenden Ministerien mit Arbeiten, so daß es lediglith hieße, niht an Ausgaben, an Menschenkraft zu sparen, sondern eine noÿ fompliziertere und unübersichtlichere Verwaltung. zu schaffen, als wir sie gegenwärtig haben. Und das, meine Herren, kann- dod wohl nicht der Wunsch der Abgeordneten sein, die darauf dringen, daß wir eine einheitliche gentralistishe Reichsverwaltung be- ommen, in der die einzelnen Minister wirkli eine Uebersicht über ihre Verwaltungen haben, die dann au allmählich so sparsam und so rationell aufgezogen werden fönnen, wie es sich nur irgeid machen läßt. ;

Mit der sparsamen Wirtschaft und der Herabmkinderung de! Verwaltungskosten hängt die Zahl der Reichsministerien nit: in entscheidendem Maße zusammen, sondern man kann sehr wohl darüber streiten, ob man etwa acht Ministerien in ungebührliche! Größe oder zehn oder zwölf etwas kleinere hat, in denen wirkli, ivie ich shon sagte, jeder Minister auch seinen Apparat überschaut und wirklich dirigierend auf die Geschäfte des Ministeriums eir wirkt. Deshalb ist, glaube ih, die Ablehnung des Antrags, der von der deutshnatoualen Fraktion im Haushaltsausshuß - gestellt wurde und jeßt wieder aufgenommen :worden ist, durchaus - zl Recht erfolgt, Man kann solche Fragen nicht übers Knie brehét, sondern es genügt meines Erachtens vollständig, daß die Reihé- regierung in eing Prüfntng der Vereiufahung der Verwaltung eit tritt und den Wünschen des Reichstags auf weitere Herab minderung der Ausgaben Rechnung trägt,

Der Herr Abgeordnete Schul fagte: alles, was wir di machten, habe ja nit viel Wert, was da an Liegenschaften übri bleibe, sei ohne Bedeutung. Ja, ih will Fhnen sagen, daß dit Liegenschaften, die dem Reich gehören und bei uns vertwaltt! iverden, einen Wert von 2 Milliarden repräsentieren. Fch glaub, daß das do immerhin schon etwas ist, über das sih reden läßl und daß da auch manche Arbeit zu leisten ist, um diesen Besiy Reiches in ordnungsmäßiger Weise zu verwalten und das Reit vor Schaden zu hüben.

Dann die Reichsbauverwaltung. Ih bin sehr erfreut darübet daß der Herr Abgeordnete Dr. Cremer und au der Herr Abg“ ordnete Lange-Hegermann si in durchaus anerkennender Weist über die Reichsbauvèrwaltung geäußert und anerkannt haben, de es doch im Fnteresse des Reiches liege, eine solche einheitliche u

dentralisierte Verwaltung. zu haben. Jm Haushaltsaus[chuß dd

(Zuruf rets.) Fa, Herr Abgeordneter Dr. Semler, |

Reih8tags wurde eigentlich allgemein der Wunsch lauft, die

L tralisation dex Reichsbauverwaltung noch \traffer zu *tiehen-

und au diejenigen Ministerien, die heute noch draußen stehen, unter diese Gesamtverwaltung zu stellen. Auf den Standpunkt, wie ihn der Herr Abgeordnete Schulz vertreten ‘hat, eine Reichs- hauverwaltung ist nicht nötig, diese Aufgaben können alle den Landesregierungen übertragen werden, die ihre eigenen Bauver- waltungen haben auf diesen Standpunkt kann die Reichs- regierung sih nit stellen, und ih bitte auh- das hohe Haus, sih nit auf. diesen Standpunkt stélleu zu wollen: - Jh darf nach den Verhandlungen im Haushaltsaus\shuß ja wohl auch annehmen, daß cine Mehrheit für diese Auffassung im Hause “niht vorhanden sein wird. Es hat sih als durhaus unzweckmäßig herauszestellt, daß das Reich seinen großen Besiy an eigenen Liegenschaften, der durch die Uebernahme: insbesondere au der Steuerverwaltung auf das Reich gewaltig gewachsen ist, durch andere Organe verwalten läßt. Jm früheren Stadium, vor Errichtung der Reichsbauver- waltung, ist das ja vielfah geschehen. Es haben sih dabci aber

| doch große Unzuträglichkeiten herausgestellt.

Nun meinte der Herr Abgeordnete Schult, dadurch, daß die Reichswehr jeßt auch noch ihre eigene Bauverwaltung bekommen habe kráft des Gebots der Entente, sei nicht mehr viel übrig ge- blieben. Das ist auch wieder ein großer Jrrtum, denn die Reichs- wehr hat im ganzen nur etwa 4 Prozent der Bauaufgaben über- nommen, die die Reichsbauverwaltung zu erledigen hat: -Die Auf- gaben, die bei der Reihsbauverwaltung zu erfüllen sind, sind doch gegenüber. denen der Landesbauverwaltungen sehr erheblich. Fn Preußen beispielsweise hat die Reichsbauverwaltung auf den Kopf eines höheren Beamten Bauaufgaben von 2,83 Millionen zu erfüllen, die Landesbauverwaltung nur 0,667 Millionen. Jn Bayern kommen auf den Kopf cines höheren Beamten der Reichs- bauverwaltung 4,16 Millionen, auf den eines Beamten der Landes- bauverwaltung 0,97 Millionen, in Sachsen 1,89 für die Reichs- und 1,09 für die Landesbauverwaltung, in Bayern 1,79 Bes ziehungsweise 1,48, Sie sehen also, daß die höheren Beamten der Reichsbauverwaltung weit mehr angestrengt sind als die der Landesbauverwaltungen. Wenn man ‘also die Aufgaben der Reichs= bauverwaltung auf die Landesbauverwaltungen übertragen wollte, so würden diese gezwungen werden, wieder ein neues Heer von Beamten einzustellen. Außerdem würde, da die Baubeamten der Länder nur der Disziplinarmacht- der einzelnen Länder unterstehen, das Reih immer nur als Bittsteller erscheinen können, wenn es seine Aufträge erteilen will.

Es ist auch durchaus unzutreffend, daß im beseßten Gebiet die Bauaufgaben sih so ‘entwidelt hätten, daß nun eigentlih nicht mehr viel zu leisten sei. Fch kann hier auch einzelne Zahlen an- führen. Es sind bis zum 1. Fanuar 1922 seit Beginn der Be- sazung 875 Offizierswohnungsbauten, 253 Unteroffiziers- wöhnungsbauten, 31 Kasernen mit Zubehör und 4 Flugpläte fertiggestellt. Fni Bau begriffen sind 1507 Offizierswohnungs- bauten, 960 Unteroffizierswohnungsbauten, 14 Kasernen mit Zu-

} behör, 2 Flugpläße. Jm Entwurf ‘sind 440 Offizierswohnungs-

bauten, 482 Unteroffizierswohnungsbauten, 6 Kasernen mit ZU- behör, Von diesen 4574 Bauvorhaben sind beziehungsweise werden direkt vom Reich ausgeführt 2213, während von den Städten unter Aufsicht des Reichs 2361 Bauvorhaben erledigt werden. Dement- sprechend ist auch das Persónal verteilt, Es ist durchaus unrithtig,

daß. im beseßten- Gebiet etwa ein zu ‘großes technisches Personal

vorhanden wäre. Das technische Personal im besetzten Gebiet:wird

} nötig bleiben, auch wenn die Bautätigkeit eingestellt wird. Bei

der Reichsvermögensverwaltung sind 38 höhere und 61 mittlere planmäßige Beamte, 839 außerplanmäßige höhere 9340 Vertragsangestellte im besezten Gebiet vorhanden. Außerdem werden 58 Privatarchitekten mit 24 Vertragsangestellten be- schäftigt, die Bauaufgaben direkt vom Reich übertragen erhalten haben. Die Städte haben auf Kosten des Reichs 63 Beamte, 128 Vertragsangestellie und 235 Privatarchitekten mit Bau- aufgaben beauftragt. Sie sehen also, daß das Beamtenelement des- Reihs nur einen kleinen Bruchteil darstellt, so daß - diese BVeamtenschaft kaum in der Lage ist, überall die Bauten, die von Privatarcitekten und dén Städten ausgeführt werden, zu Üübéêr- wachen. :

Ebenso irrig ist es, wenn Herr Schuly sagte, das Reichsschat- ministerium hätte nur noch eine einzige Provinzialbehörde und war die im beseßten Gebiete. Ex übersieht, daß bei den Landes- ftnanzämtern noch etwa 4000 Angestellte und Beamte im Auftrag s Reichsshaßministeriums arbeiten, und was das besezte Gebiet ánlangt, so haben wir dort nicht nur eine Provinzialbehörde, sondern wir haben dort eine Direktorialbehörde, das ist die Reichs- vermögensverwaltung Koblenz mit dem Präsidenten, drei Zweig- stellen ‘in Köln, Mainz und Landau, eine Rheinschiffahrtsstelle, 13 Reichsvermögens8ämter, 33 Reich8vermögensverwaltungsstellen, 9 Verpflegungsämter . zur Verpflegung der Besaßzungstruppen, 17 Vertreter des Reichsinteresses bei 11 Feststellungsbehörden, 13 Vertreter des Reichsinteresses bei 12 gemischten Orts8aus- shüssen, 228 BVesaßungsstandorte, die wir betreuen müssen. Dazu lommen aber noch die Reich8neubauämter und die Entfestigungs- ämter; - denn wir müssen bekanntlich auch alle Befestigungen im beseßten Gebiete unter Aufsicht der Entente shleifen usw. Dort ist ein so gewaltiges Ausmaß von Arbeiten zu leisten, daß man die Sache nicht einfa damit abtun ‘kann, daß man fagt; es’ ist cine Provinzialbehörde, und was hat die ‘viel zu tun.

Jch möhte dann zu einer anderen Frage übergehen, -das ift die Frage der Gleichberechtigung der Techniker. Jch bin stets be- strebt gewesen, die Gleichberehtigung der Techniker durchzuführen. Sie ist ja dur die Reichsregierung auch längst anerkannt. Jm einzelnen haben die Techniker natürlich oft das Empfinden, daß sie dur die Vorgeseßten niht immer so behandelt und gefördert würden, wie es ihrer Auffassung’ nah notwendig sei. Das mag manchmal berechtigt sein, ist oft aber auch unberechtigt. Aber so- weit. solche Beschwerden berechtigt sind, bîn ih gern bereit, ihnen nahzugehen. F habe durchaus Verständnis für die. Bestrebungen der Techniker, die ja lange Zeit in den amtlichen Stellen nit als ganz ‘vollwertig gegenübèr den Verwaltungsbeamten angesehen wurden. | “u Dann zur Frage der Kriegsgesellshaften. Der Herr Abgeord- tete Dr. Cremer hat ja \chon dankenswerterweise darauf hinge- wiesen, daß wix die Kriegsgesellshaften, soweit es uns mögli war, «bgebaut haben. Unter der Verwaltung des Schagzministeriums kefinden sih jeßt noch 11 Kriegsgesellschaftèn in Liquidation. Die

Beamte,

Ziffern ändern sich von Tag zu Tag. Wir haben seinerzeit bei Be- endigung des Krieges 193 Kriegsgesell\schaften fesigestellt. Wenn uns die Kriegsgesellschaften soviel Unliebsamkeiten bereitet haben, wénn vielfach über s{chlechte Geschäftsführung in den Kriegsgesell- schaften geklagt wurde, so sind das Dinge, die meist in der Ver- gangenheit liegen (sehr richtig! bei den Sozialdemokraten), und für das Unheil der Kriegs8gesellshaften können Sie natürlich die jeßige parlamentarishe Regierung nicht verantwortliÞh machen. (Sehr rihtig!) Wer hat denn die Kriegsgesellschaften ins Leben gerufen, Herr Abgeordneter Schuly? Diese Frage muß gestellt werden, wenn Sie so sehr verdammen, was jetzt geschieht, und meinen, wir hätten einen so breiten Rücken, daß auf uns alles abgeladen werden kann. (Zuruf rechts.) Das sind niht Mißstände der Republik, sondern die Art, wie die Kriegsgesellshaften während des Krieges unter der kaiserlichen Regierung aufgezogen wurden. Das war ein unglaublicher Zustand. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten und Zurufe rets.) Führer der Gewerkschaften ruft hier ein Herr; ja, Führer der Gewerkschaften wurden auch hier und da in die Verwaltungsorgane der Kriegsgesellschaften berufen, um dort Aufsicht zu üben, aber sonst haben sie damit nichts zu tun. Die Ge- werkschaften haben keine Kriegsgesellshaften gegründet, sondern diese wurden von ganz anderen gegründet, von den Behörden ge- meinsam mit den Industrien und dem Handel. Da wurde allerdings cine Wirtschaft geführt, wo an Vershwendung von Reichsmitteln Ungebührliches geleistet wurde. (Sehr wahr!) Wenn man in diese Dinge hineinleuhten und. die Geschäfte, die während des Krieges gemacht wurden, aufdecken wollte, meine Herren, das stinkt zum Himmel, was da geleistet worden ist! Aber was hat es für einen Ziveck, wenn man herkommen wollte Arbeit haben wir genug und alle diese Dinge ausgraben und zeigen wollte, wie damals mit dem deutshen Volksvermögen gewirtschaftet und wie es vergeudet wurde. Jh glaube, daß dur solche Vorwürfe nur die gegenseitige Verbitterung steigen würde. Fch habe es als meine Aufgabe hbe- trachtet, was einmal an s{lechter Erbschaft übernommen wurde, so \chnell als möglich aus der Welt zu shaffen und dafür zu sorgen, daß wir zu gesunden Zuständen kommen, und dieses Bestreben ist in der gesamten Regierung vorhanden. Wenn nun fortgeseßt, haupt- sächlih in dex Presse, aus politishen Gründen mit Korruptions- vorwürfen operiert wird, so haben wir über diese Frage im Haus- halt8ausschuß eingehend gesprochen, und ih erkenne dankbar an, daß der Herr Abgeordnete Cremer hier vorbehaltlos anerkannt hat, daß gegen die Beamten des Reichsshaßzministeriums der Vorwurf nicht erhoben werden kann, daß sie an irgendwelchen Korruptions- handlungen beteiligt gewesen seien. Gewiß sind bei der Ver- wertung des Heeresgutes hier und da, und vielleißt auch in größerer Zahl als uns bekannt geworden ist, Unredlichkeiten vor- gekommen. Aber Sie müssen bedenken, wie es damals aussah, als das Heeresgut einfah wéggeworfen wurde man mußte es erst zusammenfassen und in Obhut bringen —, wie beispielSweise von militärischen Stellen das Heeresgut einfach veräußert wurde. Wir haben solche Veräußerungen in zahlreichen Fallen nahgeprüft und gefunden, daß auch Offiziere in größerem Umfange dabet beteiligt waren. Kürzlich ist erst ein Fall bekannt geworden, wo ein Ritt- meister von seinem eigenen Truppenteil Pferde gekauft hat, und zivar zu einem sehr billigen Preis, und sie dann auf sein Gut brachte. Wie in tausend anderen Fällen haben wir ihm gesagt: Lieber Freund, du hast dié Pferde: viel zu billig gekauft. Du mußt soundsoviel naczahlen! Wir verlangen nicht “den Preis - vom

Sommer 1920 oder' 21, :ahex..wir- verlangen mindestens den Preis,

der damalsim Dezember: 1918 marktgängig war. Nach ‘langem

Sträuben hat denn der Mann zahlen müssen, troßdem fih andere

hervorragende Perfönlichkeiten, uriter anderem ein General, der im

Krieg8ministerium beschäftigt war, bei mir für ihn einseßten. So

tönnte ih eine ganze Reihe von Geschäften aufzählen, die unsauber

waren, die wir korrigiert haben und bei denen wir verlangt haben,

daß die Käufer nachzahlen.

Solche Dinge sind also vorgekommen. Aber erfreulichev- weise muß do anerkannt werden, daß auch nicht in einem einzigen Falle ein Beamter des Reichsschaßministeriums in eine solche Affäre verwickelt worden ist, und daß bei allen diesen Unter- suhungen viele . sind auf unser Ansuchen von der Staats- anwaltschaft eingeleitet worden! auch niht der Schatten eines Vorwurfs gegen einen Beamten des Reichsshaßministeriums hat erhoben werden können. Angesichts der vielen Versuchungen, denen solhe Leute ausgeseßt sind, ist das, glaube ich, doch als ein ganz hervorragendes Zeichen von Pflichttreue und Zuverlässig- keit anzuerkennen. (Zurufe rechts: Der alte Geist!) Gut, Herr Kollege, in der Beziehung stehe auch ih durchaus auf dem Bodeu des alten Geistes, und ‘ih werde stets dafür eintreten, daß dieser alte Geist unverändert erhalten bleibt. Fnsoweit sind wir volk- ständig eins!

Nun hat der Herr Abgeordnete Dr. Cremer zwei Fälle be- nannt, zuerst den Fall Windmüller, für den übrigens auch kein Beamter des Reichsschaßzministeriums verantwortlih ist. Beamte des Ministeriums haben vielmehr erst später diesen Fall auf- gedeckt, in dem nur Angestellte der Reichstreuhandgesellschaft ver- wickelt waren. Hervorragende Geschäftsleute des betreffenden Ortes, ein Bankdirektor und der Direktor eines großen industriellen Werkes, sind die Schuldigen; denn sie haben die armen Angestellten gekauft, bestohen und mit ihnen Verträge abgeschlossen, die zum Schaden des. Reihs ausfallen mußten. Nachdem die eigenen Be- amten des Schaßministeriums den Fall aufgedeckt hatten, wurde die Sache vor das Gericht gebracht, und die Betrüger sind be- straft worden. Auch das ist also ein Vorgang, aus dem man gegen das Reichsshaßministerium keinen Vorwurf ableiten kann.

Dann der Fall Morvilius! Ein ungeheures Treiben wurde darüber in der Presse entfaht, alles shrie über Korruption im Reichsschaßministerium. Jh will auf den Fasl nicht im einzelnen eingehen, weil der Herr Abgeordnete Dr. Cremer ausdrüdlih anerkannt hat, daß kein Vorwurf gegen diejenigen zu erheben ish die den Morvilius seinerzeit eingestellt haben. Jch muß aber doch hervorheben, daß dieser Morvilius lange Zeit bei der Seehandlung tätig wax, der preußischen Staatsbank, ' also einem Institut, das ein großes Ansehen genießt, und dann bei einem privaten Bücher- revisor in Stellung trat, der mit der fortlaufenden Revision der Zentraleinkaufsgesellshaft betraut war. Dieser Bitcherrevisor be- auftragte seinen Gehilfen Morvilius, die Revisionen auszuführen, und der hat dann diese Tätigkeit jahrelang ausgeübt und sich dur seine Tüchtigkeit ein großes Ansehen erworben. Als dann in aller’ Eile das Reih8verwertungsamt errihtet werden mußte, um die Heeresgüter in Verwahrung zu. nehmen, meldete sich auth

Morbilius. Der thn bantt eînstellte, isf ber vormalige Staats- sekretär Albert gewesen, ein Mann, der über den Verdacht erhaben ist, irgend jemand eingestellt zu haben, vor dem er niht überzeuät“ war, daß er ein tadelloser Mann fei. Morviliùs hatte die besten Zeugnisse vorgelegt und wurde auch von dem Geschäftsführer. dex Zentraleinkaufsgesellschaft empfohlen. : L Eigentümlich ist nun, daß später Warnungsbriefe geschrieben sein - sollen. “Dex Ministerialdirektor Kaut,. der. des Zusammen= arbeitens mit Morvilius beschuldigt wurde, ist in der Beziehung durchaus unschuldig und hat ‘tatsächlich nie einen Warnungsbriéf bekommen. Bedauerlich ist, daß Kauy, ein alter, vetdienter Be-- amter, gerade zur Zeit des Bekanntwerdens des Falles eine s{chwere / Erkrankung hinter sich hatte und nun durch die *n der Presse ér- folgten Angriffe seelisch dermaßen beeinflußt wurde, daß er. cinen shweren Rückfall exlitt und geradezu in geistige Verwirrung geriet.

Sofort, als der Fall bekannt tourde, habe ih, da ih ja selbst keine Anordnungen treffen konnte, den Vorsizenden des Aufsichts- rats und den Generaldirektor der Reichstreuhandgesellschaft zu mix gebeten und habe den Herren gesagt: hier muß sofort die gründ- liste Revision eingeleitet werden; ih bitte Sie, sämtliche Belege mit Beschlag zu belegen, in Schränke zu verschließen und die Schränke zu versiegeln, damit nichts abhanden kommen fann. Das ist geschehen. Seit der Zeit, wo die Sache Morvilius bekannt ivurde, wird die Prüfung durhgeführt und ih lasse die Érgebnisse der eigenen Prüfung der Reich8treuhandgefellschaft noch €inmal von der Revision8abteilung der Reichskredit- und Kontrollstelle nahprüfen, Der von dieser Revisionsabteilung mir vorgelegte Bericht lautet: i

Die Nachprüfung der von Morvilins geleiteten Finanzabteilung ist abgeschlossen mit dem Ergebnis, ap MNorvilius seine ‘sehr sachverständige und hingebende Arbeit niht durch Unredlichkeit entehrt hat. Es ist also nit das geringste gegen Morvikius gefunden worden. Unredlichkeiten in seinem Amte selber hat der Mann nit bé- gangen. Fedenfalls hat er, wie {hon Herr Dr. Cremer sagte, ein Doppelleben geführt: während er Hier tadellos gearbeitet Hat, war er auf der anderen Seite in den Händen einer Weibergesellschaft, die ihn ins Unglück gestürzt hat. So erkläre ih mir die Sache. Aber davon war bei der Reichstreuhandgesellschaft niht das mindeste bekannt, und schlicßlich ist niemand in der Lage, : fich gegen solche Dinge zu. hüten. :

Dann, meine Damen und Herren, noch ein Wort über die Sparsamkeit! Es wurde auch gewünscht, daß wieder ein Spar- famkeitsfommissar eingeseßt wird. Jch will ja der Stellungnahme der Gesamtregierung nicht vorgreifen, sondern nur meine PEr=- sönlihe Meinung sagen. Zch kann nur sagen: als ih seinerzeit i gehörte ja damals der Regierung nicht an den Bescchluß - las, daß ein Sparsamkeitsk'ommissar eingeseßt. werdem solle, konnte ih mih einer gewissen Heiterkeit niht erwehren. Was soll folth ein armer Kerl bloß machen? (Seiterkeit.) Wie stellen Sie. Hch - das vor? Sparsamkeit erzwingen kann nur der Finanzministor; . er ist derjenige, der einen. EinbliÆ in jede Verwaltung hat ‘mid- der auch im einzelnen einigermaßen nachprüfen kann, was an den Anforderungen, die von einem Ressort gestellt wexden, Bbe= rehtigt ist oder nit, derx gezivungen ist, diese Anforderungen in Einklang. zu. buingen mit den-Mitteln, über die E verfügt. Das ist der geborene Sparsamkcitskommerissar. Ein Manu uber, ‘der zwár dem Finanzministerium angegliedert ist, der aber außerhalb der eigentlichen Verwaltung steht, hat gar feinen genügetiden Einblick in die Dinge. Er kann diese schwere Aufgabe unmöglich erfüllen. Der Sparsamkeitskomnissar mußte fcheitern, auch wenn er noh so großes Entgegenkommen fand. Jch glaube, der Weg, den wir jeßt beschritten haben, ist dex richtige; daß die Gesamt- regierung eine Denkschrift über die Vereinfachung der Verwaltung und über die Möglichkeit weiterer Ersparnisse vorzulegen hat, und daß diese Dinge von einem Gesamtstandpunkt einheitlich behandelt werden. Nur so kann man ¿u einem befriedigenden Ergebnis kommen. :

Damit, meine Damen und Herren, hätte ih mich wohl zu den sahlihen Ausführungen in der Debatte im wesentlichen ge- äußert. Der Herr Abgeordnete Schuly glaubte ja, es sth nit versagen zu dürfen, sich auch noch einige kleine politische Sottisen zu leisten. Er spra davon, daß das Leiden derx Bevölkerung im beseßten Gebiet auf die Unterzeichnung des Friedensvertrags zurückzufühvren sei. Fch will diese Debatte nicht weiter vertiefen, möchte abex nur das eine sagen: der Herr Abgeordnete Schul verwedchselt fortgeseßt troß aller Belehrungen das Primäre mit dem Sekundären. Der Vertrag von Versailles war eben. nur das. Sekundäre, das Primäre war der * Krieg und die Niederlage, die wir erlitten haben (sehr rihtig! bei den Sozialdemokraten), die uns leider niht mehr die Möglichkeit gab, na eigenem Ermessen zu handeln. (Erneute Zustimmung links.) :

Bezüglich des Ausdruckes, den er gegenüber dem Abgeordneten Stüdcklen gebrauchte, der sich aber nur auf die verantwortlichen Regierungsorgane bezichen kann, daß jeßt eine Luderwirtscaft getrieben würde, brauche ih wirklih niht zu antworten. . Ein solcher Anwurf liegt so tief, daß er mich und die übrigen Mitglieder - der Regierung niht trifft. (Sehr richtig! links.) Wenn im Deutschen Reich Luderwirtschaft getrieben wird, ist der Reichstag dafür im selben Maße verantivorilich wie die Regierung. Von Luderwirtschaft kann gar keine Rede fein. Wenn wir heute zu einer Etatwirtschaft gezwungen sind, die von ivirtschaftlihen Ge- sihtspunkten aus nit zu vertreten ist, so sind das doch wieder Umstände, die außerhalb unseres Willens liegen und für die eben Teine Regierung, ob sie Fehrenbah oder Wirth heißt, oder ob sie" Hergt heißen würde, verantwortlich gemacht werden kann. A

Damit bin ich am Schluß und mSÖchte Sie noch einmal bitten, den Antrag auf Auflösung des Schaßminisberiums abzulehnen. (Bravo!) y 2

180. Sißung vom 4. März 1922, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger) Gemäß den Anträgen des Geschäftsordnungsausschusses ivird ohne Erörterung beschlossen, die nachgesuchte Ge- nehmigung zur Einkeitung der Strafve olgung bzw. des atklageverfahrens gegen die Abgg. Anterleitner,

*) Mit Ausnahme der dur Sperrdruck E pel Neden' t

der: Hexren Minister, die ün Wortlaute wiede d