Sp
: 7. Der Gemeindevorstand die gesamte Verwaltung der Stadt. Er hat insbesondere folgende Aufgaben: L Ex hat die hlüsse der Stadtverordnetenversammklung fl vo reiten. 2. Er vertritt die Stadt nah außen. Zur Abgabe ciner Willenserklärung für die Stadt genügt eine Erklärung des _ Bürgermeisters. Soll jedoch durch die Willenserklärung eine rehtlihe Verpflihtung der Stadt begründet werden, so ist in Städten mit Magistrat3verfassung außer der Er- klärung des Bürgermeisters die Erklärung cines Magistcatsmitgliedes erforderlich, Den mit der ständigen Vertretung des ea e für bestimmte Geschästs- zweige beauftragten Magistratsmitgliedern und Beigeord- neten (§8 45 Abs. 1 Say 2, 62) kann die Befugnis verliehen werden, für diese Geschäftszweige durch ihre Willens- erklärung an Stelle des Bürgermeisters entweder allein oder — in Städten mit Magistvatsverfassung — zusammen mit einem anderen Magistratsmitgliede eine rechtliche Ver- pflihtung der Stadt zu begründen; die Verleihung dieser Be- fugnis is in ortsüblicher Weise bekanntzumachen. Fn gleicher Weise kann die Befugnis der Verwaltungsausschüsse oder der Bezirksämter zur Vertretung der Stadt nah außen (88 58, 55) darauf erstreckt werden, daß einzelne ihrer Mit- glieder durch ihre Willenserklärung entweder an Stelle des Bürgermeisters oder — in Städten mit Mi verfassung — zusammen mit dem Bürgermeister eine reht- liche Verpflihtung der Stadt begründen können. Durch Ortsgeses kann der Gemeindevorstand e It werden, L ileaben Beamten einzelner Verwvaltungszweige, Ein- rihtungen, Anstalten oder Betriebe für bestimmte Angelegenheiten widerruflih die Belg nis zur Vertretung der Stadt nah außen beizulegen. Der Besch Befugnis beigelegt wird, beda l wenn die Besugnis sich darauf erstrecken soll, oder — in Städten mit Magistratsverfassung — neben dem Bürgermeister - eine rechtliche Verpslihtung der Stadt begründen Iöônnen. ; i : 8, Er verioaltet die städtishen Gemeindeanstalten sowie das
gefaßten Gemeindebeschlüsse. Ueber das unbewegliche Ver- mögen der Stadt führt er ein Lagerbuh. A ._ Ex entwirft den Haushaltsplan, macht ihn nach Feststellung
durch Gemeindebeshluß bekannt und führt den Haushalt | nach dem Haushaltsplan, sorgt für die Aufstellung der |
Jahresrechnung und legt sie mit seinen Bemerkungen der Stadtverordnetenversammlung zur Prüfung, Feststellung
und Entlastung vor, soweit niht die Prüfung der Fahres- |
réechnung durh Ortsgeses anderen Stellen übertragen ist.
. Ex stellt die städtishen Beamten an und führt die Dienst= aufsiht über sie. Z ; : i
;, Er verteilt die städtishen Abgaben und Dienste nah den Geseven und Gemeindebeschlüssen auf die Verpflichteten und sorgt für ihre Beitreibung, soweit dies niht geseßlich Sen A E u U indie y :
. Ex führt die Bürgerlisie, läßt sie öffentlich auslegen un tit N onstiaen e die Durchführung der Wahl vor- geshriebenen Maßnahmen.
i 8 88,
Der Bürgermeister kann gegen alle städtischen Beamten als Ordnungsstrasen Verwarnungen und Verweise, gegen die städtischen Beamten mit Ausnahme der Magistratsmitglieder und Bei- geordneten auch Geldstrafen bis zu 300 F festseßen. Gegen die Straffestsezung findet binnen zwei Wochen die Beschwerde an die Aufsichtsbehörde, gegen den auf die Beschwerde ergehenden Bescheid binnen gleicher Frist die Klage bei dem Oberverwaltungs= gerihte statt. es VIIL, AuftragsSangelegenheiten.
: S 89.
Auftragsangelegenheiten der Städte sind diejenigen Aufgaben | des Reiches oder des Staates, welche durch Geseß den Städten zur
Ausführung nach Anweisung übertragen sind.
Die mit der Verwaltung einer Auftragsangelegenheit be- |
auftragie Stelle ist verpflichtet, den von der beauftragenden Stelle erteilten Anweisungen zu entsprechen. h weisung ist die anweisende Stelle verantwortlich.
Magistrats- |
_ —— ri Rep es E tr rei M dia add i E
|
chluß des Gemeindevorstandes, durch den die | der ortsüblichen Bekanntmachung, | daß die Beamten | dur ihre Willenserklärung entweder an Stelle des Bürgermeisters |
E Vermögen der Stadt nach Maßgabe der darüber |
Für den Fnhalt der An-
Zu den Ausftragsgeschäften gehört insbesondere die Verwaltung DET Örtspolizei sowie die Wahrnehmung der örtlichen Geschäfte der | allgemeinen Landesverwaltung, jofern niht besondere Behörden
dafür bestellt sind. E E & 90.
Wenn der Staat den Städten neue Auftragsangelegenheiten |
überträgt, so muß gleichzeitig die Dedung der Kosten geseßlih ge- regelt werden. : Soweit für die Ausführung von
g ! Auftragsangelegenheiten Vermögen, Einnahmen oder Einrichtungen
der Stadt bereit-
zustellen sind, bildet die Beschlußfassung hierüber eine Selbst= |
verwaltungsangelegenheit. g 91
Die Verwaltung von Auftragsangelegenheiten liegt, sowett
nicht geseßlich eine andere Stelle bestimmt ist, dem Gemeinde- vorstande ob. A :
Die Verwaltung der Ortspolizei liegt in der Regel dem Bürgermeister ob. Ausnahmsweise kann sie, wenn das gemeine Wohl es erfordert, von der Aufsichtsbehörde einem Magistrats- mitgliede oder Beigeordneten zur selbständigen Bearbeitung über- tragen werden. Soweit die Verwaltung der Ortspolizei dent Bürgermeister zusteht, kann er die Bearbeitung aller oder einzelner Polizeiangelegenheiten unter seiner Verantwortung und nah feiner Weisung einem Magistratsmitgliede oder Beigeordneten
übertragen. i / | IX. Rechtsmittel 8 92. :
Gegen die an bestimmte Personen gerihteten Verfügungen (Gebote, Verbote) des Gemeindevorstandes oder seiner Organe steht, soweit niht die Rechtsmittel anderweit geseplih geregelt sind, dem Betroffenen dex Einspruch zu, wenn die Verfügung zum Gegenstande hat: E \
1. Das Recht zur Mitbenuzung der öffentlichen Anstalten und Einrichtungen der Stadt (§ 14) sowie zur Teilnahme an den Nutzungen und Erträgen des Gemeindevermögens;
2, Die Verpflichtung zur Benußung gemeinnüßiger Anstalten und Einrichtungen der Stadt (§ 74); : 8
. Die Verpflichtung zur Ueberführung einer privatwirtschaft-
lihen, gewerb8mä gen Unternehmung in die Gemein- wirtschaft oder das Recht zur Errichtung oder Fortführung einer solchen (§ 75); : :
1. Die Heranziehung (Veranlagung) zu den Gemeindelasten, soweit es fi nicht um Gemeindeabgaben im Sinne des S 69 des Kommunalabgabengeseßes handelt.
Der Einspruch ist binnen zwei Wochen bei derjenigen Sielle einzulegen, welche die Anordnung erlassen hat. Fs die Anordnung von einer anderen Stelle als dem Gemeindevorstand erlassen, so hat sie den Einspruch, falls sie ihm nicht stattgibt, dem Gemeinde- vorstande unmittelbar vorzulegen. Wird der Einspruch rechtzeitig unmittelbar beim Gemeindevorstande eingelegt, so gilt die Frist als gewahrt. 8 93
Ueber den Einspruch beschließt der Gemeindevorstand. Gegen den Beschluß findet binnen Bui Wochen die Klage im Ver- waltiungsstreitverfahren statt. e’ Klage kaun nur darauf gestüßt werden, daß der Kläger in seinem Rechte dadur verleßt sei, daß / 1. das bestehende Recht, insbesondere au rechtsgültige Orts-= L gelebe, nicht oder niht rihtig angewendet seien, 2, die tatsächli Vorausseyungen niht vorhanden seten, t zum Erlasse der V ung dem Kläger gegenüber
Civi ck- “u E e F D x i,
fran Laie is ain anin pit H biw aa dd aats, ifier A0 E m ebigur Bie dn Aae ti ai o ade tien as
Ait l Én avi, e B E BRE L O N dad
des Gemeindevorsiandes ‘ ifft uf diese Vor- |
dem Beschlu Prie aipranc n
S 94. : Der Entscheidung im Verwaltungsstreitversahren unterliegen ferm Streitigkeiten zwischen Beteiligten über ihre in den öffent» ichen Rechte begründete Berechtigung oder Verpflihtung der in S 92 Abs. 1 genannten Art.
S 95.
Gegen andere als die in § 92 genannten Verfügungen (Gebote, Verbote) des Gemeindevorstandes oder seiner Organe steht, soweit gejeßlih ein geordnetes Rechtsmittelverfahrn niht vorgeschrieben ist, dem Betroffenen binnen zwei Wochen die Beshwerde an die Aufsichtsbehörde, welhe endgültig entscheidet, zu. § 92 Abs. 2 findet Anwendung. Dex Gemecindevorstand hat die Beschwerde, falls er ihr nicht statigibt, dec Aufsichtsbehörde vorzulegen. Die Beschwerde kann nur auf dieselben Gründe gestüßt werden, wic die Klage gemäß § 93, :
X. Staatsaunf sicht. 8 96. __ Die Auffsiht über die Städte in Selbstverwaltungsangelegen- eiten steht dem Staate zu. Die Aufsicht umfaßt, soweit nit gesetz lich etwas anderes bestimmt ist, aus\chließlich die in diesem Gesetz
S 97.
_Die Aufsichtsbehörde kann si jederzeit dur geeigneie Maß | riahmen Über die städtishen Verhältnisse unterrihien, insbesondere
| enthaltenen Befugnisse.
riutdßat | durch Einsichénahme in die Verwaltung, durch örtliche Prüfung Cr | sowie durch Einforderung mündlicher oder shriftliher Berichte. Die
| Städte haben die erforderlihen Auskünfte zn erteilen und die
D
nötigen Unterlagen zu beschaffen, insbesondere Einsicht in die Akten, Kassenbücher und Belege zu gestatten. S 98.
Gemeindebeshlüsse und solche Beschlüsse der SiadWerordneten-
versammlung, die einer Zustimmung des Magistrats niht bedürfen
(S 81 Abs. 1), sind, falls sie das bestehende Recht verlegen, und so-= |
weit sie nicht shon von dem Gemeiudevorstand beanstandet sind
| (§ 85), von der Aufsichtsbehörde mit aufshiebender Wirkung zu be-
anstanden. Dasselbe gilt von Magistratsbeshlüssen, sofern fie nicht |hon vom Bürgermeister beanstandet find. Gegen die Be-
anstandung steht, soweit es sich um Magistratsbeschlüsse handelt, | { dem Magistrat, soweit es fich um Beschlüsse der Stadtverordneten-
versammlung handelt, der Stadtverordnetenversammlung, und so= weit es sih um Gemeindebeshlüsse handelt, der Stadtverordneten- versammlung und in Städten mit Magistratsverfassung auch dem Magistrat binnen zwei Wochen die Klage im Verwaltungsstreit- verfahren zu.
S8 99,
Jst die Verwaltung der Stadt nicht in geordnetein Gange, unterläßt oder verweigert insbesondere die Stadt die für die ordnungsmäßige Verwaltung der ihr auf Grund öffentlichen Rechts obliegenden Angelegenheiten erforderlihen Maßnahmen, jo hat, soweit nicht geseylih die Zuständigkeit einer anderen Behörde begründet ist, die Aufsichtsbehörde (§ 109), wenn Verhandlungen mit der Stadt niht zum Ziele führen, die Verpflihtung der Stadt zu den erforderlihen Handluugen oder Unterlassungen fest- zustellen.
_ Gegen die Feststellung steht dem Gemeindevorstande und der Stadtverordnetenversammlung binnen zwei Wochen die Klage im Verwaltungsstreitverfahren zu. Die Klage kann nur darauf ge- \tUßt werden, daß die angefohtene Feststellung das bestehende Recht nit oder nicht richtig anwende oder daß die tatsählicen Vor- ausfeßungen nicht vorhanden seien, welhe die Aufsichtsbehörde zu der Feststellung berehtigt haben würden. S 100,
Die gewählten Bürgermeister, Magisiratsmitglieder und Bei=
geordneten bedürfen der Bestätigung. Lediglich ivegen der Zuge-
hörigkeit des Gewählten zu einer politishen Pactet darf die Be- |
Die Bestätigung erteilt:
stätigung nicht versagt werden. in Stadtkreisen das
L binsihilich der Oberbürgermeister Staatsministerium,
2. in den übrigen Fällen die Aufsichtsbehörde (§ 109).
In den Fällen zu 2 tann die Bestätigung von der Aufsichts- behörde (S 109) nur unter Zustimmung der Beshlußbehörde ver- sagt werden. Lehnt die Beshlußbehörde die Zustimmung ab, so ann auf Antrag der Aufsichtsbehörde der Minister des Innern fie ergänzen. Versagt die Aufsichtsbehörde unter Zustimmung der Beschlußbehörde die Bestätigung, so kann auf Antrag des Ge- meindevorstandes oder der Stadtverordnetenversammlung der Minister des Junern sie erteilen.
__ Vor Versagung der Bestätigung ist in allen Fällen dem Ge- wählten Gelegenheit zur Aeußerung zu geben.
8 101. __ Der Gemeindevorstand hat Gemeindebeshlüsse vor threr Aus- führung der Aufsichtsbehörde unter Beifügung der zugehörigen Unterlagen vorzulegen, wenn sie betreffen:
1. den Erlaß von Ortsgeseßpen,
2. cine Abweichung von den Vorschriften über die Verwaltung
des städtishen Vermögens;
9. die Aufnahme einer Anleihe;
4. die Uebernahme einer Bürgschaft;
9. die Veräußerung von Gemeindewaldungen:
9. die Gründung von Kommunalkanken.
Gegen den Beschluß kann die Aufsichtsbehörde — unbeschadet des Rechtes zur Beanstandung wegen Gesezwidrigkeit (§ 98) — aus Gründen des gemeinen Wohls binnen vier Wochen nah Vor- legung des Beschlusses Einspruch einlegen. Ueber den Einspruch beschließt auf Antrag des Gemeindevorstandes die Beschlußbehörde. _ Beschlüsse der in Abs. 1 bezeihneten Art dürfen erst ausge- ührt werden, wenn die Aufsichtsbehörde erklärt hat, keinen Ein- [pruch einlegen zu wollen, innerhalb der Frist keinen Einspuch ein- gelegt hat oder wenn der Einspruch endgültig zurückgewiesen ist.
8 102,
. Unterläßt oder verweigert die Stadt die Erfüllung der ihr gejeßlih obliegenden, von der gusindigen Behörde festgestellten Verpflichtungen oder führt sie Beschlüsse aus, deren Ausführung überhaupt oder einstweilen (8 101) unzulässig ist, so ist die Auf- sichtsbehörde berechtigt, mit Zustimmung der Beshlußbehörde die Handlung oder Unterlassung, zu der die Stadt verpflichtet ist, mit den geseßlichen Zwangsmitteln (§8 132 lg. des Landesverwal- tungsgeseßes) durchzuseßen, insbesondere die nötigen Ausgaben in den Haushalisplan einzustellen oder von Hm abzuseßen, fowie die Leistung oder Nichtleistung der außerordentlihen- Ausgabe (S 80 Abs. 5) zu verfügen. Bei der Einstellung in den Haushalts» plan sowie bei der Verfügnng der Leistung einex außerordentlichen Ausgabe ist zugleich über die Art der Deckung (§ 8 Abs. 3, Abs. 5 Satz 1) Verfügung zu treffen. : :
Gegen die mit Zustimmung der Beschlußbehörde erlassenen Verfügungen der Aufsichtsbehörde steht dem Gemeindevorstande und der Stadtverordnetenversammlung binnen zwei Wochen die Beschwerde an den Provinzialrat zu, welher endaültig entscheidet.
8 103.
Neber die Art der gerihtlihen Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen gegen Stadtgemeinden (§ 15 zu 8 des Ein- ge teneo zur deutschen Zivilprozeßordnung vom 30. Fanuar 1877 in der Fassung vom 17, Mai 1898) beschließt die Beschluß- behörde.
8 104
Veber die Festsiellung und den Ersab der Desekie der städtischen Beamten nach Maßgabe der Verordnung vom 24, Fanuar 1844 beschließt die Beschlußbehörde. Der Beschluß ist vorbehaltlich des ordentlichen Rehtêweges endgültig.
F 4‘
105. | | i Durch Beschluß des Steuismini iums fann eine Stadt»
verordnetenversammlung ausgelöst werden. Binnen dvei Monatew
wet Pf
R 2/8
nach Mitteilung des Auflösnngsbeschklufles iff ete Neuwaßk vors zunehmen. S 106
Wenn die Exhaltung oder Herstellung eines geordneter: Ganges der Verwaltung der Stadt auf anderem Wege nicht erreicht werden kann, ift die Aufsichtsbehörde berechtigt, Kommissare zur Wahrnehmung der Obliegenheiten einzelner Organe der Stadt z1 bestellen, S 107
Gegen alle Beamten der Stadt kann die Aufsichtsbehörde das förmli Disziplinarverfahren auf Entfernung aus dem Ante einleiten. \ i :
Dasselbe gilt für Ordnungsstrafen gegen den Bürgermeister, Magistratsmitglieder und Beigeordnete sowie gegen andere Beamte der Stadt dann, wenn der Vürgermeister von der thm zu- stehenden Strafbefugnis (§8 88) keinen Gebrauch macht oder die von ihm verhängte Strafe iy einer angemessenen Ahndung des Dienstvergehens niht ausreicht. / :
Auf das förmliche Disziplinarverfahren finden die Vorschriften des Disziplinargeseßes vom 21, Fuli 1852 und des § 157 Nr. 2 des Landesverwaltungsgeseßes mit folgenden Maßgaben An= wendung: -
1. Die Einleitung des Verfahrens, die Ernennung des Untersuchungskommissars und des Vertreters der Staats anivaltschaft für alle Justanzen erfolgt durch die Aufsichts4 behörde; / f - L ;
. Entscheidende Disziplinarbehörde erster Jnstanz ist der Bez zicksaussMuß, zweiter Fnstanz das Oberverwaltungsgericht;
3. Bei Einstellung des Verfahrens gemäß § 157 Nr. 2 des Landesverwaltungsgeseßes kann die in erster Fnstanz zu- ständige Behörde geeignetenfalls eine Ordnungsstrafe ver- hängen. Gegen eine so verhängte Ordnungsstrafe steht dem Betroffenen binnen zwei Wochen der Antrag auf mündz liche Verhandlung im Verwaltungsstreitverfahren u;
. Gegen ein rechtskräftiges Disziplinarurteil steht dem Ver- urteilten der Antrag auf Wiederaufnahme des Strafver= fahrens zu unter entsprehender Anwendung der Vorschriften der Strafprozeßordnung.
XI. Nebergangs- und Schlußbestimmungen.
S 108. .
Städte, in denen die Magistratsverfassung besteht, können durh Ortsgeseß die Einführung der Bürgermeisterverfasjsung be» schließen.
Städte, in denen die Bürgermeisterverfassung besteht oder gemäß Abs. 1 eingeführt wird, behalten diese Verfassung endgültig.
S 109. E
Die Aufsicht des Staates über die Städte nah Maßgabe dieses Geseyes übt in ersièr Justanz der Regierungspräsident unter der geseplih geregelten Mitwirkung des Bezirksausschusses, in weiter und leßter Instanz der Oberpräsident unter der geseßlich geregelten Mitwirkung des Provinzialrates.
6 110, «
Beschlußbehörde und Verwaltungsgericht ist in den in diesem Geseß bezeihneten Fällen der Bezirksausschuß. O
“An die Stelle des Provinziallandtages treten in den in diesem Gefeß geregelten Föllen in der Provinz Hessen-Nassau die Kom- munallandtage der Bezirksverbände Cassel und Wiesbaden.
S 111 : : /
Solange die Auflösung der selbständigen Gutsbezirke noh niht durchgeführt ist, finden auf sie die für Landgemeinden gelten- den Vorschriften dieses Geseßes entsprehende' Anwendung.
Als Landbürgermeistereien im Sinne dieses Gesezes gelten ie Landbürgermeistereien in der Rheinprovinz, die Aemter in der NRrovinz Westfalen, die Kirchspiels-Landgemeinden in der Provinz Schleswig-Holstein und die auf Grund der neuen Landgemeinde- ordnung neu eingerichteten gleichartigen Kommunalverbände.
8 112. E
Die für die Stadt Berlin bestehenden besonderen Vorschrifteit bleiben unberührt. § 126 findet auf die Stadt Berlin keine An- wenduna. E /
Für die in § 27 Abs. 1 der Kreisordnung für die Provinz Hannover vom 6. Mai 1884 genannten Städte behält es bei den bestehenden Vorschriften hinsihtlih der Verwaltung der Polizei und der Wahrnehmung der Geschäfte der allgemeinen Landesver- waltung (§8 5 Abs. 2, 71 Abs. 4 der Städteordnung fur dic Provinz Hannover vom 24. Juni 1858) sein Bewenden, bis sie durch Provinzialgeseß aufgehoben werden.
8 113. :
Alle bisher in den Städten geltenden Ortsgeseße und Ge- meindebeschlüsse, soweit sie nicht mit den Vorschriften dieses Geseßes in Widerspruch stehen, bleiben in Kraft, solange sie nit auf dem in diesem Gese vorgesehenen Wege abgeändert werden.
Dasselbe gilt für die Bestimmungen von Eingemeindungs- verträgen, Eingemeindungsbe]chlüssen und Eingemeindungs- geseßen, auch soweit sie von den Vorschriften der Gemeinde- verfassungs- und Abgabengeseze abweichende Festseßungen ant halten, unbeschadet des § 1 des Geseyes, betreffend steuerlihe Vor- rechte in eingemeindeten Ortsteilen, vom 25. Februar 1920, des L 92 des Gesetzes, betreffend vorläufige Regelung verschiedener Punkie des Gemeindeverfassungsrehts, vom 18. Juli 1919 und des §£ 8 Abs. 4 der Verordnung über die anderweiie Regelung des Gemeindewahlræechts vom 24. Fanuar 1919.
8 114.
Soweit in den bisherigen Städteordnungen bestimmte Ter-
mine festgeseßt waren, deren Festseßung nah diesem Geseß dur Ortsgeseß oder Gemeindebeshluß erfolgen joll, verbleibt es bis zum Erlasse eines solhen Ortsgesezes oder bis zum Ergehen eines jolchen Beschlusses bei dem bisherigen Zustand. “Jn Städten, in denen bisher gemeinschaftlihe Beratungen der Stadtverordnetenversammlung und des Magistrats bestan n haben (§ 49), bleibt der bisherige Zustand bestehen, bis dur Orts- geseß ctwas anderes bestimmt wird. Dasselbe gilt für die Wahl des Bürgermeisters und der Magistratsmitglieder durch die Bürger- haft mit der Maßgabe, daß eine Präsentation von Bewerbern niht mehr stattfindet.
Wo bisher die Stadtverordnetenversammlung, der Magistrat, die Stadtverordneten, Stadtverordnetenvorsteher und Magistrat8- mitglieder anders bezeihnet werden als in diesem Sa ueie bleibert die bisherigen Bezeihnungen bestehen, bis durch Ortsgejeß etwas anderes bestimmt ivird. 5 E
Die bestehenden Vorschriften über Aufstellung und Prüfung dec Jahresrechnung bleiben in Geltung, bis durch Ortsgeseb etwas anderes bestimmt n, Än i
De
Die nach den bisherigen Städteordnungen geltenden rehtlichert Vorschriften über das Gemeiudegliedervermögen werden auf gehoben ‘
Das Gemeindegliedervermögen ist fortan Gemeindevermögen! und nach den dafür bestehenden Vorschristen zu verwalten.
Jst das Recht zur Teilnahme an der Nußung des Genteindc- au ens durch ein Einkaufsgeld erworben, so i der isher Berechtigte Anspruch auf Rückzahlung des Einkaufsgeldes abzüglich des Kapitalwertes der von ihm genossenen Runge Die Festseßung des zurückzuzahlenden Betrages erfolgt durch den E s as gen die Festseßung findet Einspruh und
age statt (S , 93).
Muf das nicht im Eigentum der Gemeinde als solcher stehende Vermögen, an dem einzelne Gemeindemitglieder Nußungsrechte haben, die niht auf der Gemeindeangehörigkeit selbst beruhen Fnteressentenvermögen, Realgemeindevermögen usw.), finden die Vorschriften in Abs. 1 bis 3 keine Anwendung, |
(Fortsezung in ver Dritten Beilage.Ÿ
P R A E I R P E E R t W ì
Ier. 76.
Dritte Beilage
Berlin, Donnerstag, den 30. März
qum Deutschen Reichsanzeiger unò Preußischen Staatsanzeiger
1922
D U Dp, E
(Fortseßung aus der Zweiten Beilage.)
§ 116.
Die bestehenden Vorschriften über das Gemeindeabgabenrecht, insbesondere das Kommunalabgabengeseß vom 14. Juli 1893 jleiben au hinsichtlih des Verfahrens und der Staatsaufsicht mnberührt, soweit sich nit aus diesem Geseß etwas anderez ergibt.
8 117.
Die bestehenden Vorschriften über die Rechte und Pflichten jer Kommunalbeamten, insbesondere das Geset, betreffend die An- sellung und Versorgung der Kommunalbeamkten, vom 30. Zuli 1899, jas Geseß, betreffend vorläufige Regelung verschiedener Punkte des (emeindebeamtenrehts, vom 8. Juli 1920 und das Disziplinar- gese vom 21. Juli 1852 bleiben, soweit sih niht aus diesem Gesetz (was anderes evgibt, bis zur geseßlichen Neuregelung mit der Naßgabe unberührt, daß in § 13 des Gesezes, betreffend die An- felung und Versorgung der Kommunalbeamten, vom 30. Juli 1899 jer Reichsdienst dem Staats- und Kommunaldienste gleich- gestellt wird.
8 118.
_Für Städte mit mehr als 15 000 Einwohnern, in denen der ßürgermeister die Befähigung zum Richteramt oder höheren Ver- paltungsdienste nicht i tritt die Vorschrift des § 40 Abs. 3 Say 2 erst dann in Krast, wenn der bisherige Bürgermeister aus dem Amte ausscheidet.
8 119.
Die bestehenden AErilen über die Verwaltun Paldungen oder forstlihen Nußungsrechten bestehenden ermögens bleiben unberührt.
8 120.
Bis zum Erlaß eines Geseßes über den Denkmals3- und Heimat- shuß bleiben die bestehenden Vorschriften über Veräußerung oder pesentlihe Veränderung von Sachen, welche einen besonderen pissenschaftlichen, geschihtlihen oder Kunstwert haben, unberührt.
8-121.
Die Vorschriften des Geseßes, betreffend die Errichtung öffent- liher, ausschließlich zu benußender Schlachthäuser, vom 18. März A ou September 1904 bleiben unberührt mit der Maßgabe, aß fortan
1. an Stelle der terte und der Genchmigung des
Bezirksaus\husses der Erlaß eines Ortsgeseßes tritt, 2, an Stelle der Uebertretungsstrafen nah §8 14 des genannten Deleves die Ordnungsstrafen gemäß § 76 dieses Gesetzes eten.
des in emeinde-
8 122.
Die bestehenden Vorschriften über Rechte und Pflichten der Städte auf dem Gebiete des Schulwesens bleiben bis zur geset- lichen Neuregelung unberührt.
8 123.
_Die bestehenden Vorschriften über das Sparkassenwesen |leiben bis zur geseßlichen Neuregelung unberührt. 8 124.
Ortschaften (Flecken), welhe weder zu den Städten noch zu en Landgemeinden gehören, sind nach“Anhörung der betreffenden emeinden, Landbürgermeistereien und Kreise durch Beschluß des R EM U fhexiys entweder zu Städten oder zu Landgemeinden zu- erklären.
Dasselbe gilt für diejenigen Städte in der Provinz Hannover, die auf Grund des § 4 der Städteordnung und § 2 der Land- gemeindeordnung sowie der §8 61 bis 63 der Bekanntmachung vom 8. April 1859 eine von ‘den Vorschriften der Landgemeinde- ordnung abweichende Verfassung erhalten haben, sowie für die- jenigen Städte tin der Rheinprovinz und der Provinz Westfalen, die nach der Landgemeindeordnung verwaltet werden (§ 1 der Rheinishen Landgemeindeordnung, § 21 der Kreisordnung und V 1, 66 der Landgemeindeordnung für die Provinz Westfalen). L Bis zur Neuregelung behalten diese Ortschaften die bisherige Verfassung.
Grundstü, die bisher keinem Gemeindegebiete angehört haben, sind nach Anhörung der Beteiligten durch Beshluß der Veshlußbehörde, sofern niht die Eingemeindung in eine Land- (emeinde geeignet erscheint, mit einem Stadtgebiete zu vereinigen.
8 125. Jn den Hohenzollernshen Landen findet dies Geseh keine An- bendung. 8 126.
Die Wahlen zur Stadtverordnetenversammlung finden auf Grund dieses Geseßes zum ersten Male innerhalb von drei Nonaten nah Jnkrafttreten des Geseßes statt. i
Bis zur Einführung der neuen Stadtverordneten findet § 22 faß 3 Anwendung. Die bisherige Stadtverordnetenversammlung linn ein Ortsgeseß gemäß § 18 Abs. 1 beschließen.
8 127.
Die Wahlzeit der bei dem Jnkrafttreten dieses Geseßes3 im Amte / befindlihen Ehrenbeamten, auch der auf Lebenszeit ge- bählten, endigt gleichzeitig mit der der bisherigen Stadtverord- netenversammlung. Ï 41 Abs. 1 Say 2 findet Anwendung.
Die Wahlzeit der bei dem Jnkrafttreten dieses Geseßes im Amte befindlichen gewählten besoldeten Beamten, auch der auf Lebenszeit gewählten, wird dur dieses Gesey nicht berührt. Die uf Lebenszeit gewählten besoldeten Beamten können jedoch, so- bald sie das 65. Lebensjahr vollendet haben, ohne Rücksicht au hte Dienstfähigkeit in dem Verfahren gemäß § 67 Sag 3 bis in den Ruhestand verseßt werden. i i;
Hinsichtlih der bei dem Jnkrafttreten dieses Geseßes im Amte befindlichen besoldeten Magistratsmitglieder (§ 39 der Städte- irdnung für die Provinz Hannover) bleibt § 44 Abs. 1 und 2 der êtädteordnung für die Provinz Hannover unberührt.
Dieses Geseß tritt am L e C Oi “Zu demselben Zeitpunkte treten alle entgegenstehenden geseß- lihen Vorsthriften außer Kraft, inshelonyeee die bisherigen êtädteordnungen und Geseke über die Verfassung und Verwal- ang der Städte sowie die §8 7 bis 23 des Zuständigkeitsgeseßes om 1. August 1883. e
Soweit n Gesetßen oder Verordnungen auf Vorschriften hin- wiesen ist, die durch dieses Gese außer Kraft geseßzt werden, reten an ihre Stelle die entsprechenden Vorschriften dieses Gesenes.
Das Staatsministerium is ermächtigt, das Fukrafttreten für félle des Staatsgebietes, die wet ausschließlih unter teußisher Verwaltung stehen, auszuseven. ; |
My Minister e auern erlaßt die zur Ausführung dieses
eseßes nötigen Anweisungen.
E D EÁ
Deufscher Reichstag. 196. Sißung vom 28. März 1922, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger*).)
, Das Haus ist sehr stark beseßt; dasselbe gilt von den Re- gierungsbänken, auf denen fast das gesamte Kabinett sowie sehr B Vertreter des Reichsrats anwesend sind. Auch die
ribünen sind bis auf den leßten Plaß gefüllt.
Präsident L 6 be eröffnet die Sißung um 24 Uhr und gibt nach kurzen geschäftlichen Mitteilungen sofort zu dem einzigen Gegenstand der Tagesordnung: „Entgegen - nahme einer Erklärung der Regierung“ das Wort dem
Reichskanzler Dr. Wirt h: Meine Damen und Herren! Die Sitzungen des Reichstags waren in der vergangenen Woche ausgefüllt durch die Beratungen über die neuen Steuergeseze, welche die Ne- gierung unter verantwortliher Würdigung der inneren und äußeren Lage des Reiches vorzulegen verpflihtet war. Die Bezeichnung „Steuerklompromiß", unter der die in dem Mantelgeseß zusammen- gefaßten neuen Steuern bei uns und auch im Ausland laufen, kenn- zeichnet die Tatsache, auf die ich hier besonders hinzuweisen Ursache habe, die Tatsahe nâmlich, daß es nur nach langen Bemühungen gelungen ist, für diese große Steuerbelastung des deutshen Volkes in einer Zeit höchster wirtschaftliher Unsicherheit eine so große parlamentarishe Mehrheit zu finden. Die beiden Parteien, welche das Kompromiß von rechts und links stüßen, haben unter Zurüdk- stellung s{chwerer parteipolitisGer und wirtschaftliher Interessen an den 14 neuen Steuergeseßgen mitgewirkt und \{ließliO dur die Einbeziehung der Zwangsanleihe in das Mantelgesetz dem MNeiche eine zusäßlißhe Einnahme von einer Million Goldmark gesichert, wovon der größte Teil noch die Lasten des Jahres 1922 tragen helfen soll. Die Reichsregierung und die mit ihr arbeitenden Parteien hatten die Hoffnung, durch diese positive innere Arbeit des Aufbaues und der Sanierung der deutshen Finanzen die auswärtige Politik des Reiches zu fördern, die darauf gerihtet ist, das Problem der deutschen Reparationsleistungen, welches die Beziehungen Deutschlands zu den größten ausländischen Mächten beberrs{cht, allmählich so zu lösen, daß zwischen der wirtschaftlihen Leistungsfähigkeit Deutschlands und den ihm auferlegten Lasten ein vernüftiger Ausgleich gefunden wird. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.)
In diesem Zusammenhang Hat man in Deutschland die neuen Steuern betrachtet, und dies allein war das treibende Element, das die widerstrebenden Parteien und Interessen zusammengeführt und zu gemeinschaftliher Arbeit gebracht hat. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten und im Zentrum.) Man kann also wohl mit Recht das Steuerkompromiß einen integriereriden Bestandteil unserer auswärtigen Politik nennen (sebr richtig!) 1nd daraus die Folgerung ziehen, daß, wenn dieses Steuerkompromiß von innen oder von außen gestört wird, damit auch die auswärtige Politik der Negierung in Frage ge- stellt ist.
Meine Damen und Herren! Diese Störung, die von innen nicht mehr zu befürchten war, nachdem der Reichstag das Steuer- kompromiß in zweiter Lsung angenommen hatte, ist in der Tat von außen erfolgt, und zwar durch die Note, welhe die Reparations- kommission am 21. März an die Reichsregierung rihtete, und durch das Schreiben, das vvn derselben Stelle dem deutshen Reihs- kanzler zugestellt wurde. Diese beiden Mitteilungen sind es, welhe die Negierung veranlassen, heute mit einer Erklärung vor das Par- lamént zu treten.
Ich will zunächst zur Klarstellung der historishen Entwicklung folgendes sagen: Die beiden Noten der Neparationskommission sind die Entscheidung auf das Stundungsgesuch, welches die Reichs- regierung am 14. Dezember vorigen Jahres wegen der im Januar und Februar fälligen Reparationszahlungen in bar an die Reparations- Tommission richtete, und auf unsere Note vom 28. Januar, in der wir der Neparationskommission das verlangte Reformprogramm für den Haushalt und den Notenumlauf mit geeigneten Garantien und unsere Ausführungen für die Barzahlungen und Sachleistungen für das Jahr 1922 unterbreiteten. Dieses Stundungsgesuch vom 14. Dezember war die Folge jenes Schrittes, den wir, wie Sie wissen, bei der Bank pyon England unternommen hatten, um für die im Januar und Sebruar fälligen Barzahlungen, die wir aus eigenen Mitteln nit leisten konnten, einen furzfristigen oder langfristigen Kredit zu er- halten, und der erfolglos blieb, weil die Bank von England erklärte, sie könne Deutschland keinen Kredit gewähren, solange es — das war der flare Sinn der Antwort— unter den unerfüllbaren und mit der wirtschaft. lichen Leistungsfähigkeit Deutschlands nicht zu vereinbarenden Zahlungs- bedingungen des Londoner Ultimatums stehe. Im Ans{chluß an die Besprechungen, die der jeßige Minister des Aeußern, Herr Dr. Rathenau, in London über die Lage der Dinge geführt batte, erfolgte dann die Zusammenkunft des damaligen französischen Ministerpräsidenten Briand mit Herrn Lloyd George in London, deren Ergebnis das Londoner Protokoll war. Jn diesem wurden die Zablungen Deutschlands in bar und seine Sachleistungen für das Jahr 1922 herabgeseßt und eine Reihe von Bedingungen und Garantieen aufgestellt, unter denen diese vorläufige Abänderung des Londoner Zahlungsplans (denn um eine solche bandelte es sich, wenn auch nur in Beschränkung auf das Jahr 1922) Deutschland bewilligt werden sollte. Zugleich kamen die beiden Regierungen, die französischGe und englische, überein, auf einer Konferenz in Cannes unter Zuziehung und Anhörung deutscher Ver- treter endgültig über diese Angelegenheit zu beschließen. Dieser Plan wurde zwar in Angriff genommen, die Konferenz fand statt, und der deutshe Vertreter wurde in Cannes gehört, aber die Entscheidung der Konferenz wurde unmöglich, weil sich währendder Canner Verhandlungen in Frankreih der Negierungêwechsel vollzog, der Poincaré zur Führung der Geschäfte berief. Die unmittelbare Folge dieses Ereignisses — die ganze Tragweite für die Geschichte Europas in dieser tragischen
*) Mit Ausnahme der durh Sperrdruck hervorgehob Neden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben fink.
Epoche seiner Entwicklung kann heute niemand ganz abmessen — war die Ueberroeisung des deutshen Stundung3gesuches an die Nepa- rationskommission, an jene interalliierte Behörde, welche mit weit- gehenden Befugnissen als Ueberwachungs- und Vollzugsorgan des Versailler Friedens eingeseßt wurde. Nachdem die Reparations- kommisfion am 13. Januar eine vorläufige Entscheidung gefällt hatte, die uns, wie Sie wissen, die Dekadenzahlungen von 31 Millionen Goldmark auferlegte und von uns Erklärungen über Reformen und Garantien verlangte, eine Forderung, der wir durch unsere Note vom 28. Januar genügten, is jeßt durch die oben genannten Noten der Reparationskommission eine Entscheidung erfolgt, die wohl als eine endgültige zu betrachten wäre, wenn wir in der Lage wären, die Bedingungen zu erfüllen und die geseßten Fristen einzu- halten, die aber dann ausdrücklich einer nochmaligen Prüfung unterliegt, wenn dies nicht der Fall sein sollte. Jim ersteren Fall hätten wir also für das Fahr 1922 eine Gewißheit und Sicherheit für die von uns zu leistenden Verpfli- tungen, im leßten Falle würden wir uns neuen Entscheidungen, sei es der Neparationskommission, sei es des Obersten Rates, gegenüher- gestelit sehen, für die als Grundlage niht mehr das deutsWe Mora- toriumsgesuch und die in seinem Verfolg geführten Verhandlungen, sondern der Versailler Friedensvertrag und seine späteren VJnter- pretationen, insbesondere das Londoner Ultimatum, zu gelten hätten.
Die erste Note an die Reichsregierung enthält im großen ganzen die Mitteilung, daß die in Cannes in Aussicht genommenen Ab- änderungen des Londoner Zahlungsplanes, soweit das Jahr 1922 in Betracht kommt , von der Reparationskommission gebilligt werden. Es werden uns danach anstatt der Barzahlungen in Gold, die nah dem Londoner Zahlungsplan für 1922 etwa 3/4 Milliarden Mark be- tragen würden, Barzahlungen im Gesamtbetrage von 720 Millionen Goldmark auferlegt. Mit diesen Goldzablungen hatten wir nad dem bisherigen Gange . der Verhandlungen rechnen müssen, und so große Vorbehalte auch angesichts der unsicheren Entwicklung der Wirts(hafts- lage fogar für . die Leistung dieser herabgeseßten Barzahlungen ge- macht werden mußten, hätte \sich aus dieser Regelung eine afktuelle politishe Schwierigkeit kaum ergeben. Ebenso waren wir auf die Festseßung der von uns zu bewirkenden Sahhleistungen gefaßt, die für Frankrei 950 Millionen Goldmark, für die anderen Alliierten 500 Millionen, zusammen also 1450 Millionen Goldmark, in Waren betragen sollen. Auch in diesem Punkte hat die von der Reparations- kommisfion getroffene Entscheidung ungefähr das gebracht, was wir erwarten mußten. Es sind des weiteren auch die beiden Vorausseßungen der Verhandlungen in London und Cannes von der MNReparationskommission eingehalten worden, nah denen der Ertrag des britishen recovery act und die Besahungskosten auf die Sachleistungen in Anrechnung gebracht werden sollen. Wir würden also in dieser Neuregelung des Zahlungs- plans für das Jahr 1922 eine ziffernmäßige Erleichterung erblicken können, wenn niht in Ziffer 4 der Ihnen zur Einsicht gegebenen Note der unsichere und |provisorishe Charakter dieser Negelung betont und die ganze Geltung des Abkommens an die Frist des 31. Mai gebunden wäre. Dem zu diesem Zeitpunkte will die Reparationskommission prüfen, ob der provisorische Autschub zu be- stätigen oder für unwirksam zu erklären ist. Für den leßteren Fall behält sie sch ausdrücklih vor, die vorläufig gestundeten Summen innerhalb 14 Tagen einzufordern. (Hört! Hört!) Meine Damen und Herren! Ich kann in diesem Verfahren eine praktische Logik nit erblicken. (Sehr rihtig!) Denn wenn Deutschland auf Grund seiner nachgewiesenen Leistungsunfähigkeit ein Moratorium bewilligt wird — und dies ist ja durch Aenderung des Zablungtplans für 1922 ges schehen —, so. ift es logisch unmögli, am 31. Mai über diese ja bereits anerkannte Tatsache der Zablungsunfähigkeit Deutschlands einfach hinwegzugehen und aufs neue Forderungen zu stellen, die nit erfüllt werden können. (Lebhafte Zustimmung.)
Aber ich will mich bei diesem inneren Widerspru nit lange aufhalten, sondern zu dem Schreiben übergehen, das die Reparations- kommission an den deutschen Reichskanzler gerihtet hat und in dem die Bedingungen festgestellt werden, in denen wir jene tatsählie und neue Ershwerung der Lage zu erblicken haben, die ganz Deutschland mit Recht auf das Tiefste erregt hat. (Sehr wahr!) Es wird in diesem Briefe, der überaus schroff gehalten ist (hört! hört), nur mit wenigen kurzen Worten auf die ausführlihen und gründliben Dar- legungen Bezug genommen, welche unfer Vertreter auf der Konferenz in Cannes und welche die deutsche Regierung in der der Note vom 28. Januar beigefügten Denkschrift über den wirtschaftlihen Zustand Deutschlands und über die Lage der Reichsfinanzen gemacht hat. Das Reformprogramm der deutschen Regierung, das die Beseitigung der Subventionen für Ernährungszwecke, die finanzielle Gesundung der Staatsbetriebe und die Maßnahmen für das Gleichgewicht des Haushalts auseinanderseßte, wird in dem Briefe zwar furz erwähnt, aber es tritt ganz deutlich hervor, daß die ernsthaften Anstrengungen, welche die deut sde Regierung in dieser Hinsicht gemacht hat, von der Reparationskommi!sion in keiner Weise gewürdigt werden. (Hört! Hört!) Insbesondere scheint ihr jedes Verständnis dafür zu fehlen, welche Bedeutung der im Gange befindlichen Steuerreform beizumessen ist. (Sebr richtig !) Der beste Beweis für diese Tatsache ist, daß der Brief von der Zwanggsanleihe, die durch das Steuerkompromiß gesichert ist, nur wie as A vagen und belanglosen Andeutung der deuten Regierung pricht.
Auf Grund dieser völlig ungenügenden Würdigung sowohl der wirtshaftliGen Verhältnisse Deutschlands als auch der von uns gemachten Anstrengungen kommt der Brief sodann zur Fest: seßung der Bedingungen, unter denen der vorläufige Aufs{ub- wie ich ihn vorhin carakterisierte, bewilligt werden soll Von diesen Bedingungen sind einige bereits aus den Verhandlungen in London und Cannes bekannt gewesen, und das dur die Note vom 28. Januar der Reparationskommission vorgelegte Reform- programm hatte bereits im weitesten Umfange diesen Forderungen Rechnung getragen.
Die peinlichste Ueberraschung dagegen bedeuten zwei Punkte dieser Bedingungen, auf die ih hier zunächst eingehen möchte.