1900 / 107 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 04 May 1900 18:00:01 GMT) scan diff

dem Krankenversicherungsgeseß) beziehen, soll das 300 fache dieses ortsüblihen Tagelohns als Jahresarbeitsverdienst gelten. Der Festseßung der Rente für verleßte jugendliche Personen ist hierbei auf die Zeit bis zum vollendeten 16. Lebensjahre der für jugendliche Personen festgesezte ortsübliche Tagelohn, auf die spätere Zeit der für Erwachsene festgeseßte ortsübliche Tagelohn zu Grunde zu legen. :

Die Sozialdemokraten wollen hinter „das 300 fache dieses ortsüblihen Tagelohns“ eingefügt wissen:

„falls er 1,50 4 oder mehr beträgt. Beträgt der ortsübliche Tagelohn weniger, so ist 1,50 4 als Tagelohn zu Grunde zu legen“. ¿ ;

Ferner wollen sie folgende Bestimmung hinzugeseßt wissen:

„Bei solchen Personen jedo, die wegen noch niht beendigter Ausbildung keinen oder einen geringen Lohn bezogen haben, wird der Rente für die Zeit nah vollendetem 16. Lebensjahre als Jahres-

er Betrag zu Grunde gelegt, den während des leßten Le van Unfall autgebildete Arbeiter derselben Art in dem- selben Betrieb oder in benahbarten gleihartigen Betrieben durh- shnittlih bezogen haben“, S und im Falle der Ablehnung dieses Antrages wollen sie für jugendliche Arbeiter und noch nicht völlig ausgebildete als Jahresarbeitsverdienst das 300 fache des ortsüblichen Tage- lohns für Erwachsene zu Grunde gelegt wissen.

Abg. Hoch (Soz.) vertheidigt die von seiner Fraktion gestellten Anträge und sucht dur zahlreiche rehnerische Beispiele im einzelnen nachzuweisen, daß die Kommissionsbeslüsse die jugendlichen Arbeiter und die Lehrlinge ganz außerordentlih benahtheiligen müßten, sodaß von einer Fürsorge für verunglüdckte Arbeiter diesen Personen gegen- über kaum noch gesprochen werden könne. -

Abg. Fishbeck (fr. Volksp): Auch die Sozialdemokraten werden niht leuanen können, daß der § bb in seinem Eingang eine erbheblihe Verbesserung gegen den heutigen Zustand enthält. Nach demselben würde bereits der 120) A übersteigende Lohn nur mit einem Drittel in Anrehnung gebraht. Es wird dadurch cine Menge von Arbeitern, deren Jahresverdien| #fch seit Erlaß des Gesepes erhöht hat, auch einer höheren Rente theilbaftig; die Kommission hat diese Verbesserung, mit der au die Berufsgenossenschaften troy der höheren Belastung, die für sie daraus erwächst, einverstanden sind, nur mit Mühe gegen die Wünsche der verbündeten Regierungen durhseßen können. Dagegen Fönnen wir der‘von der Kommission beschlossenen Verschlehterung bezüglih der jugendlichen Arbeiter nicht zustimmen und stehen in diesem Punkt auf dem Boden des sezialdemokratishen EGventual- antrages.

Geheimer Ober - Regierungsrath im Neichsamt des Innern Caspar bittet, alle Anträge abzulehnen ; es würde damit das Prinzip der gleihmößigen Behandlung aller Arbeiter durchbrochen.

Abg. Dr. Hitze (Zentr.): Es läßt fch für die Berechnung der Rerte nur diejenige Lohnhöhe zu Grunde legen, welche z. Z. des Unfalls verdient wurde. Wollte man mit in Betracht ziehen, daß die unfallverleßten, jugendlihen Personen später einen höheren Lohn ver- dienen und danach die Rente fteigen lassen, so müßte man auch den Arbeitern, die in der Vollkraft der Jahre einen Unfall erleiden und Unfallrente beziehen, diese in den späteren Lebensjahren kürzen. Um aber die Ungerechtigkeit, die immerhin in dem Kommissionsbes{luß

gegen die jugendlihen Arbeiter begangen wird, möglihst abzushwähen, würde ih empfehlen, den Saß zu \treihea: „Der Festseßung der Rente für verleßte, jugendlihe Personen 2c

Abg. Fischer- SaŸsen (Soz) wendet sich gegen die Ausführungen des Gebeimen Ober-Negterungsraths Caspar, daß das Prinzip der gleihmäßigen Behandlung aller Arbeiter nicht durchbrohen werden dürfe, und sucht auszuführen, daß im Gegentheil gerade die Kom- missionsbeshlüfse eine fsolhe Durhbrehung darfstellten. ODringend wünschenswerth wäre mindestens die Festseßung einer Minimalrente, wie fie von seinen Parteifreunden beantragt sei.

Abg. von Waldow und NReitßzenstein (d. kons.) begreift nicht, wie der Rentenberehnung für den Verleßten ein Lohn zu Grunde gelegt werden folle, den er thatsählih nit verdient hakte.

i Abg. Hofmann - Dillenburg (nk.) erklärt si für den Antrag Þ

e. Abg. Hoch polemisiert gegen den Abg. von Waldow.

Jn der Abstimmung wird § S5þ mit der Modifikation an- genommen, daß gemäß dem Antrage Hiße, für - welchen sich auch der, Abg. Fishbeck ausspricht, der auf die Renten- berchnung für verleßte jugendlihe Personen bezüglihe Sah gestrichen wird.

Nach 5c ist die Berufsgenossenschaft befugt, der Kranken- kasse, welcher der Verleßte angehört oder zuleßt angehört hat, gegen Ersaß der Kosten die Fürsorge für den Verleßten bis zur Beendigung des Heilverfahrens in dem Umfange zu über- tragen, welhen die Berufsgenossenshaft für geboten er- achtet. Die Sozialdemokraten wollen diese Uebertragung von der Zustimmung des Erkrankten abhängig gemacht wissen. Dieselbe Genehmigung des Erkrankten soll nah den Anträgen von dieser Seite bei der Unterbringung in von den Kassen oder Kassenverbänden errichteten Heilanstalten Vorausseßung sein. Nach einer weiteren Bestimmung des § 5c können in einer Heilanstalt bereits untergebrachte Verleßte nur mit ihrer Zustimmung in andere Heilanstalten übergeführt werden; doh soll diese Zustimmung durch die untere Verwaltungs- behörde des Aufenthaltsorts ergänzt werden. Die leßtere Be- [egn der Verwaltungsbehörde soll nah den sozialdemokrati- chen Anträgen ebenfalls beseitigt roerden.

Akg. Molkenbuhr vertritt diese Abänderungsanträge, welche verhindern wollten, daß der erkrankte Arbeiter von den Unternehmern und den Berufsgenossenschaften einfah als Sache behandelt würde.

Abg. Hilbck (nl.) protestiert gegen diese Auffassung, will aber seinerseits den ganzen Absay, der von der Verbringung der Verleßten aus einer Heilanstalt in die andere handelt, gestrihen wissen.

Geheimer Dber-Regierungsrath Casvar empfi:hlt die unver- änderte Annahme der Kommissionsbeschlüsse und nimmt die Becufs- gemoniSaltee gegen den in den Wortea des soztaldemokcatishen

edners enthaltenen allgemeinen Vorwurf in Schuß.

__ Nachdem die Abgg. Molkenbuhr und Hilbck nohmals für ihre Anträge eingetreten sind, wird § 5c unverändert nah den Kommissionsbeschlüssen angenommen.

Der § 54d bestimmt:

„vom Beginn der fünften Woche rah Eintritt des Unfalls bis zum Ablauf der 13. Woche is das Kcankengeld, welhes den dur einen Betriebsunfall verlezten Personen auf Grund des Kranken- versiherungsgeseßes gewährt wird, auf mindestens § des bei der Be- rechnung “rge zu Grunde gelegten Acbeitslohnes zu bemessen.“

Abg Fischer-Sachsen befürwortet hierzu folgenden Zusatz: „jedo dürfen diese 2/3 nit rfe als 1,50 M P E: RY

Dieser Antrag wird abgelehnt und § 5d unverändert an- genommen.

Nach § 5e hat die Berufsgenossenschaft, wenn der An- spruch auf Krankengeld vor dem Ablauf von 13 Wochen nach Eintritt des Unfalls weggefallen, aber bei dem Veil. ten eine noch über die 13. Woche hinaus andauernde Beschränkung der Erwerbsfähigkeit zurü 1eblieben ist, dem Verleßten die Unfall- rente {hon von dem Tage ab zu gewähren, an welchem der Anspruch auf Krankengeld in Wegfall kommt.

Die Abgg. Albrecht und Genossen wollen die Worte : „noch über die 13. Woche hinaus andauernde“ gestrichen

wissen. Ebenso wollen sie die Bestimmung gestrichen wissen, daß durch Statut bestimmt werden könne, daß die Rente nah dem Wegfall des Anspruhs auf Krankengeld auch dann zu ewähren sei, wenn nach jenen Zeitpunkte zwar noch eine eshränkung der Erwerbsfähigkeit infolge des Unfalls ver- blieben sei, aber voraussichtlih |hon vor Ablauf der 13. Woche nah dem Unfalle fortfallen werde. Die Rente müsse für jede Erwerbsgunfähigkeit gezahlt werden.

Abg. Roesicke-Dessau weist darauf bin, daß die Sozial- demokraten im Jahre 1890 so weitgehende Wünsche nicht geäußert hätten. Sie sollten diese aussihtslosen Anträge lieber unter den Tisch fallen lassen, die das Zustandekommen einer Vorlage nur ershwerten, welche anerkanntermaßen dem Arbeiter viele Vortheile bringen würde.

Abg. Hoch bestreitet, daß die Sozialdemckraten ihre An- sihten binsihtlich der Aufhebung der Karenzzeit geändert hätten; nur der Vorredner habe seine Ansiht geändert, aus Furht vor dem Widerspruch der Regierungen oder der Berufsgenofsenshaften. Man müsse hier volle Arbeit hafen, weil in absehbarer Zeit an eine weitere Reform nicht zu denken sei. Im Jahre 1890 habe es sich nur um ein Nothgeseß gehandelt, und da habe seine Partei sich allerdings auf das Erreichbare beschränken müfsen.

Fall ar; Hitze erwidert, daß seine Partei ganz dasselbe in diesem alle thue.

Abg. Hoch: Die Herren sollten charakterfest bleiben und nicht immer einen halben Schritt vorwärts und einen ganzen zurückgehen.

Abg. Roe sicke- Dessau glaubt, daß die Sozialdemokraten im Jahre 1890 in ihrem Janitiativantrag dieselben Bestimmungen hätten verlangen können wie heute, daß fie es aber nicht gethan hätten, weil sie praktishe Politik treiben wollten, wie er, Redner, und Andere es aut häten. Manchen gehe dieses Geseß schon zu weit, und sie hofften, daß die Regierung ein von ten Sozialdemokraten ver|chlechtertes Gesetz niht annehmen werde. Die Hoffnung müsse im Interesse der Arbeiter felbst durhkreuzt werden. : e f

Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Stadthagen und Roesiccke-Dessau wird 5e nah Ablehnung des An- trags Albrecht unverändert angenommen.

S Sf gelangt ohne Debatte zur Annahme.

Um 1/4 Uhr wird die weitere Berathung auf Freitag 2 Uhr vertagt.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 66. Sißung vom 3. Mai 1900, 12 Uhr.

Zur zweiten Berathung steht der Antrag der Abgg. Dr. Ie ihe- Herford (kons.) und Genossen auf Annahme eines Giseßentwurfs zur Abänderung des Geseyes, betreffend die Förderung der Errichtung von Rentengütern, vom 7. Juli 1891. :

Abg. Dr. Weihe befürwortet den Antrag und \{lägt die Ver- weisung desselben an eine Kommission von 14 ‘Mitgliedern vor.

Abg. von Riepenhausen (kons.): Der Finanz-Minister hat im vorigen Jahre im Plenum erklärt, diesem Antrage keine Schwierig- keiten machen zu wollen, hat dann aber in der Kommission die ent-

egengeseßte Stellung eingenommen. Es handelt sih hier um eine ufgabe der Arbeiterwohlfahrt. Herr von Miquel hat aber in der vorjährigen Kommission gemeint, daß in dem Antrage ein verkehrtes Angreifen einer großen Frage an einem Zipfelchen liege; den Beweis dafür ift er uns \{uldig geblieben, die Kommission dagegen hat mit überwiegender Mehrheit sih für dieses Vorgehen ausgesprochen.

Geheimer Finanzrath Foerster: Die Regierung bat zu diesem im vorigen Jahre angenommenen Antrage noh keine Stellung genommen, si2 wird es thun, falls der Antrag jeßt anzenommen werden sollte, Wenn der Finanz-Minister im vorigen Jahre eine ablehnende Stellung vertreten hat, so kann ih zu meinem Bedauern auch keine andere in Auésicht stellen. Das Wohnungswesen muß lokal geregelt werden, der Staat kann niht in der Weise eingreifen, wie es der Antrag wünscht.

Abg. Dr. Hiye (Z?ntr.): Die Regierung sollte uns niht immer Vorlesungen über diese Frage halten, sondern mit prafktishen Thaten vorgeben. Die Hergabe der Mittel der Altersversiherungsanstalten zum Bau von Arbeiterwohnungen darf in keiner Weise, ershwert werden; die Arbeitergroshen müssen zu diesem Zweck benußt werden ; ebenso sind difür die Bestände der Sparkassen zu verwenden. Fch hoffe, daß die Kommission den Antrag mit erdrückender Mehrheit an- nehmen wird, :

Abg. von Riepenhausen entnimmt aus der Erklärung des Regîierungsvertreters, daß der Finanz-Minister thatsächlih auf seinem ablehnenden Standpunkt beharre, und empfi-ht der Kommission, den entgegengeseßtea Standpunkt des Hauses festzuhalten.

Der Antrag Weihe wird einer Kommission von 14 Mit- gliedern überwiesen. -

Es folgt die Berathung des Antrags der Abgg. Schmid t-Warburg (Zentr.) und Dr. Krieger- Königsberg (fr. Volksp.):

„die Königlihe Staatsregierung zu ersuchen, dafür Sorge zu tragen, daß den in der Eisenbahnverwaltung beschäf- tigten Cisenbahn-Bau- und Betriebs-Inspektoren und Maschinen-Inspektoren eine die Dauer ron 5 Jahren übersreitende Zeit der diätarishen Beschäftigung bet der Fe st - sezung des Besoldungsdienstalters in Anrehnung gebracht werde“,

sowie des Antrags der Abgg. Dr. Krieger- Königs- |

berg, Rickert und Genossen :

„die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, dicjznige Anzabl Bauinspektorstellen in der allgemeinen Bau- verwaltung zu schaffen, welhe nothwendig is, um die jeßt vor- handene Wartezeit der N-gierungs-Baumeister von zwölf Jahren auf ein Höchstmaß von zehn Jahren zurückzuführen.“

Die Budgetkommission beantragt, beide Anträge

abzuleynen.

Abg. Krawinkel (nl.) empfiehlt namens seiner Freunde, die Anträge der Regierung zur Berüdcksichtigung zu überweisen, Die juristi)chen Beamten seien viel besser gestellt, deshalb ließen die Eltern thre Söhne lieber in die juristische Laufbahn eintreten. Die Aus- führung der Bauten hänge von der Tüchtigkeit und der Stellung der tehnishen Beamten ab. An eine Abnahme der Bauthätigkeit der Eisenbahnverwaltung sei nicht zu denken. Daher sei die Vermehrung der etatsmäßigen Stellen durhaus nothwendig.

G ¿heimer Ober-Finanzrath Belian: Dem erften Antrag stehen dieselben Bedenken entgegen, die neulich gegen den Antrag bezüglich der technishen Beamten in der Bauverwaltung von der Regierung geltend gemacht wo1den sind. Aus demselben Grunde muß die Re- gierung au diesen Antrag hier ablehnen. Gerade bei den Eisen- bahnbau- Inspektoren liegt keine Veranlassung vor, die diätarische Dienstzeit anzurehnen, da ihre Anstellungsverbältnisse viel günstiger liegen, als bei den gleihen Beamten in der Bauverwaltung.

Abg. Schmidt - Warburg (Zentr.) weist darauf hin, daß er die Gründe setnes Antrags neulih schon ausführlih dargelegt habe. Der zweite Antrag möge ja befser sein, aber die Vermehrung der etats- mäßigen Stellen nüße nur den künftig zur Anstellung gelangenden Beamten, nicht auch den älteren, die \chon angestellt seien, und niht denjenigen, welhe noch nicht angestellt, aber hon fünf Jahre diätarish beschäftigt seien. Der Eisenbahn - Minister fordere für seinen Etat allerdings immer mehr, aber der Finanz - Minister \treihe es ihm wieder heraus.

Abg. Macco (nl.) bemerkt, daß die Anträge die einmüthige Zustimmung des Hauses fänden. Es beftehe ein Unterschied zwischen

der Stellung der Juristen und derjenigen der tehnishen Beamten

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in der Eisenbahnverwaltung. Das Bedürfniß an Baubeamten in der Eisenbahnverwaltung sei niht gedeckt. Von den seit 1883 bewilligten Eisenbahnkrediten seien 298 Miklionen noch nit zur Verwendung gelangt. Dur die Kanalvläne würden die Bauaufgaben des Staats immer größer. Die Erfindungen mehrten si fortgeseßt, die Technik Hane zum Kulturfortschritt in bedeutendem Maße bei. Die tehnishen Beamten in der Bau- und Eisenbahnverwaltung seien für diesen Beruf viel tüchtiger als die Juristen. Das sei au eine wirth- schaftlihe Frage für den Staat, denn mit tüchtigen technischen Ss könne die Verwaltung viel billiger arbeiten als mit den uristen.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Thielen:

Meine Stellung zu dem Antrag Schmidt (Warburg) und Dr. Krieger habe ih bereits in der Sißung vom 27. v. M. dargelegt. Ich will darauf heute nit weiter zurückzehen. Jh muß aber einige Bemerkungen richtig \tellen, die von meinen Herren Vorrednern ge- macht sind. Es is immer die Rede davon, es wäre ein großer Mangel an Bautechnikern vorhanden. Das is} zur Zeit do nur in sehr beschränktem Maße der Fall. Auch die ungünstige Konjunktur, die augenblicklih in der Bautechnik bezüglich ihres Avancements herr \cht, kor:mt keineswegs daher, daß seiner Zeit zu wenig Leute angenommen sind, sondern sie ist einzig und allein dadurch herbeigeführt, daß in derVergangen- heit zu viel Baumeister eingestellt find; infolgedefsen ift das Avancement so außerordentlich verlangsamt worden, und es ist dann Aulaß ge- nommen, künstlihe Mittel anzuwenden, um das Avancement zu ver- bessern. Zur Zeit liegt die Sache so und das bitte ich niht zu vergeffen —, daß, wenn auch die doppelte Anzahl von Baumeistern und Bauinspektoren arbeiten, darum die einzelnen Bauprojekte nicht wesentlih rascher gefördert worden wären; denn Sie vergessen, daß es niht bloß der eine Faktor des Bautechnikers ist, der nöthig ift, um die Projekte zu fördern, sondern daß noh zwei andere Faktoren hinzu- kommen, die mindestens ebenso wichtig sind. Der zweite Faktor ift der Faktor Geld und ter dritte ist der Faktor Arbeiter. Sie werden mir zugeben, daß diese beiden Faktoren es durhaus dringend erforderlich machen, daß ein gewisses Maß in der Förderung der Bauthätigkeit eingehalten wird, und das geschieht zum Wohle des Landes.

Meine Herren, zweitens mahe ih darauf aufmerksam, namentli den Ausführungen des Herrn Macco gegenüber, daß die Stellung der Bautechniker in der Staats-Eisenbahnverwaltung sh von Jahr zu Jahr verbessert hat. Vor 1895 hatten wir 133 höhere technische Stellen ; jeßt haben wir 178. Vor 1895 war ein großer Theil der Stellen, die jt ausschließlich in technischer Hand sind, in der Hand von Administrativen. Es sind bei der Neuorganisation die Bau- und Betriebs-Infpektionen geschaffen worden, die eine selbständige Stellung für die Bautechniker bieten, und die sehr vielen dieser Herren an- genehmer und wünschenswerther find als die Stellung in den Direktionen: einmal weil fie vollständig selbständig stehen, einen eigenen selbständigen und interessanten Verwaltungsbezirk haben, und zweitens deswegen, weil sie dort faft durchgängig mit Dienstwohnungew ausgestattet sind.

Meine Herren, was ih damals gesagt habe, nämli, daß es mein Bestreben sein würde, thunlihst einen Parallelismus zwischen Technik und Administration in der Eisenbahnverwaltung duyrchzu- führen, dieses Programm habe ih durchaus innebehalten, und zwar, wie das nit anders sein konnte, zum Nachtheil der administrativen Beamten, für die seit der Zeit weniger geschehen konnte als für die Techniker. Das wird auch von den einsihtigen Technikern meiner Verwaltung durchaus anerkannt. Ich bedaure sehr, daß der Herr Abg. Macco seine langjährige Berührung mit der Eisenbahnverwaltung niht besser ausgenußt, fich niht eingehendere Kenntniß von der Eisenbahn- verwaltung vershafft hat, als das anscheinend der Fall ist, Er würde dann wissen, daß das, was tehnish ift, ih auch in tehnishen Händen befindet, daß es aber weder im Interesse der Technik noch im allgemeinen Landesinteresse is, wenn administrative, juristishe Dinge, Tarifangelegenheiten u. \. w. in Hände gelegt werden, die dafür niht ausgebildet sind. Dafür brauÿe ih keinen Mann auf die Technische Hochschule zu shicken, um später in Tarifangelegenheitzn Dezernent zu werden. Das wäre meines Erachtens ein Mißbrauch, den man mit der tewnischen Vorbildung treiben würde. j

Abg. Dr. Krieger - Königsberg : Die Gleichstellung der Techniker: mit den Jucisten ist noch immer nit erfolgt. Ez müßte einmal ein Techniker an die Spitze der Verwaltung gestellt werden, und nicht immer ein Jurist. Eine Vermehrung der Bau- Jyspektorstellen ift thatsächlih eine Nothwendigkeit. Es is wünschenêwerth, daß die Baubeamten eine Zeit lang in kommunalen Verwaltungen thätig sind; sie erhalten aber aus Mangel an Personal keineu Urlaub, es wird ihnen vielmehr gleih anheimgestellt, aus dem Staatsdienst aus- zuscheiden. Der Redner sucht ziffccnmäßig nahzuweisen, daß die Zzhl

der etatêmäßigen Bau-Inspektor)tellen in den verschiedenen Zæetgen der Bauverwaltung zu klein sei.

Minister der öffentlihen Arbeiten von Thielen:

Meine Herren! Jh muß leider wieder auf einige Jrrthümer aufmerksam machen, die dem Herrn Vorredner untergelaufen sind; er bätte {on aus den Perfonal. Nachrihten der höheren Verwaltung wie aus dem Etat sich überzeugen können, daß seine Angaben zum theil Irrthümer sind, wenigstens nah dem, was ih verstanden habe. Es sind niht 3, sondern 4 Techniker Eisenbahndirektions-Präsidenten. Das iffst ja kein großer Unterschied, aber das hätte der Herr Vorredner oder vielmehr sein Gewährsmann wohl wissen können. (Heiterfkeit.) ;

Und zweitens steht bei allen 21 Direktionen im Etat ein Ober- Baurath; Sie haben behauptet, es wäre keiner. Ober-Regierungs- rath oder Ober-Baurath, das ist nur ein anderer Titel; in der Stellung stehen sie völlig gleih, und die Regel ist die, daß, wenn irgend mögli, dem technishen Präsidenten ein Ober- Regierungérath zum Vertreter gegeben und dem administrativen ein Ober-Baurath zur Vertretung gegeben wird.

Wenn nun die alte Titelfrage Bauinspektor oder Baurath, Baumeifter oder Ober-Baumeister angeregt worden ift, so möchte

ih das hohe Haus mit der Erörterung dieser Fraze bier heute ver-

schonen.

Meine Herren, der Herr Vorredner hat bald von der allgemeinen Bauyerwaltung, bald von der Eisenbahnbauverwaltung gesprochen, es ist daher sehr \{chwer, im einzelnen zu unterscheiden, ob er diesen oder j:nen Theil der Bauverwaltung gemeint hat.

Bezüglich der allgemeinen Verwaltung steht die Sache so, daß 415 Baumeister vorhanden sind; davon werden in der ,Staats- verwaltung nur 280 gebraucht und beschästigt, die übrigen sind sämmt- lih in anderen Ressorts beschäftigt oder beurlaubt. Der Herr Vor- redner hat behauptet, das geshehe überhaupt garniht. Sie sind bers urlaubt ¡zu Kommunalbauten, sie find beurlaubt in andere Ressorts,

find theilweise au beurlaubt zu Privatdiensteu und so weiter. Also von 415 sind nur 280 im Dienste der allgemeinen Bauverwaltung, die übrigen find beurlaubt.

Dann hat der Herr Vorredner bemängelt, daß 20 Stellen, wenn ih rihtig gehört habe, von den Kreis-Baubeamten dür ältere Bau- meifter verwaltet werden müßten. Die Sache liegt \o, daß diese älteren Baumeister und nur aus diesem Grunde liegt sie so bei größeren Bauten thätig sind, von denen fie zur Zeit nit weg- genommen werden können. Es wäre aber eine Härte, wenn nun jüngere aus diesem Grunde in die etatsmäßigen Stellen einges{hoben werden würden. Daher werden im Interesse der betreffenden Beamten die Stellen einstweilen durch Baumeister verwaltet; das wird gewiß keiner in diesem hohen Hause, auch nicht diejenigen Herren, die sich für die Anträge ausgesvrochen haben, wüns{en, daß es anders wäre.

Es ift endli darauf hingewiesen worden, daß in einzelnen Re- gierungsbezirken Wasser-Bauixspektionen nicht bestönden. Ih mache darauf aufmerksam das geht auch aus dem Etat hervor —, daß das Ressort der öffentlichen Arbeiten nur die Wasserbauverwaltung der schiffbaren Flüsse hat. Wenn also in einem Regierungsbezirk ein \hifbarer Fluß überhaupt garniht vorkommt oder nur in geringer Ausdehnung ich will mal sagen Hildesheim; es giebt eine ganze Reihe —, dann werden die wenigen Funktionen, die die Wasser-Bau- inspektionen zu vollsühren hätten, in der Regel dur die Meliorations- Bauinspektionen vollzogen, die in diesem Falle jedenfalls auh noch in höherem Maße sachverständig sind als der Wasser-Bauinspektor, der an schiffbaren Flüfsen thätig ift.

Zum Antrag selbst muß ich erklären, daß er von dem Stand- punkt -der Staatsregierung ebenso unannehmbar is wie der Antrag Schmidt (Warburg). Eine ganz andere Frage if es und da bin ih gern bereit, die Hand zu bieten —, ob nicht nah Benehmen mit dem Finanz-Ministerium im nächsten Etat auf anderem Wege cine Abhilfe geschaffen werden kann für wirkliG vorhandene Bedürfnisse und Nothstände.

Geheimer Ober-Finanzrath Dombois bemerkt als Vertreter des Finanzressor!8, daß die Vermehrung der etatsmäßigen Stellen nur nah Maßgabe des dauernden Bedürfniss:-s erfolgen könne, und daß Bau- und Finanzverwaltung in der Beurtheilung diejer Frage immer einig gewesen seien. Die Finanzverwaltung wolle hierin keine

engherzige Fiskalität walten lassen, sondern sei auch beim nächsten Etat wieder bereit, das Bedürfniß der Stellenvermehrung zu prüfen.

Abg. Dr. Arendt (fr. kons): Ich erkenne die gute Absicht des Antrags Krieger an, halte aber diesen Weg nicht für rihtig. Nach diesem Antrag scheint eine diätarishe Wartezeit von zehn Jahren für angemessen erklärt zu werden. Der Antrag Schmidt übt dagegen einen Druck auf die Regierung aus, die diätarishe Beschäf- tigungszeit abzukürzen, und führt \chließlich auf diesem Wege auch zu etner Vermehrung der etatsmäßigen Stellen. Daß die Baumeister eine höhere Remuneration für ihre diätarishe Beschäftigung erhalten als andere Beamte, liegt im Interesse des Staats selbsst, denn der Staat muß die tüchtigsten- tehnishen Kräfte haben. Gefreut habe ich mich über die Grflärung des Ministers, daß er bereit ist, auf anderem Wege Ab- hilfe zu schaffen. Der Antrag Schmidt ist geeignet, der Eisenbahn- verwaltung das Nückgrat gegen die zu sparsame Finanzverwaltung zu ftärken. Dem Antrage Krieger kann ih nicht zustimmen, obwohl ih mit seinem Ziel einverstanden bin. Dayegen empfehle ih den An- trag Schmidt. Die Erklärung des ersten Regierungskommissars war {rof ablehnend, die des zweiten dagegen erfreuliher Weise entgegen- ommender.

Unter-Staatssekretär Lehnert: Der erste Kommissar hat über den Antag auf nas der diâtarishzn Dienstzeit ge]prohen, und in dieser Frage hat die Regierung von vornherein einen ablehnenden Standpunkt eingenommen. Der zweite Kommissar sprach über die Vermehrung der etatsmäßigen Stellen, und diesem Antrag steht die Regierung allerdings etwas freundlicher gegenüber.

Abg. Feli ch (konsf.) erkennt das warme Herz des Ministers für die lehnishen Beamten an, meint aber, daß mit der Besserstellung derselben kur ein altes Unreht wieder gut gemaht werde. Die Kon- servativen bätten ebenfalls cin warmes Herz für die Beamten, und ein großer Theil seiner Freunde nehme den Antrag Schmidt an.

Auf einige weitere Bemerkangen der Abgg. Macco und Dr. K&rieger-Königsberg erwidert der

Minister der öffentlihen Arbeiten von Thielen:

Ih muß zu meinem großen Bedauern nochmals auf diese Sache zurückkommen. Einen Punkt hat der Herr Abg. Dr. Krieger niht wieder erwähnt. Er hatte gesagt, daß in der Eisenbahnver- waltung besondere Stellen für technishe Ober-Regierungsräthe nicht vorhanden seien. Ich habe ihm darauf erwidert, daß 21 Ober- Bauräthe, die ganz parallel mit den Ober-Regierungsräthen \}tehen, vorhanden find. W:nn er nun den Schwerpunkt auf den „Ober-Regierungs- rath* legt, so hat er formell volllommen Recht, materiell aber ent- schieden Unrecht. Denn es würde durhaus niht im Interesse der Herren liegen, wenn wir einen Techniker mit Regierungsrath oder Ober - Regierungsrath bezcihnen follen; es würde [kein außerhalb der Verwaltung Stehender erkennen können, daß in diesem Gewande des Ober-Regierungsraths ein Techniker einberschreitet.

Ferner hat der Herr Abg. Dr. Krieger vollständig Unrecht be- züglih der Beurlaubungen. Wir beurlauben auch für Kommunal- verwaltungen. Jh bin der Meinung, daß die Kommunalvyerwaltung, wenn si: sih einen Stadt-Baurath oder einen Stadt-Bauinspektor aus unserem Personal aussucht, innerhalb eines halben Jahres oder eines Jahres ein Urtheil darüber gewinnen kann, ob sie den Mann behalten will oder nit, und für dieses halbe oder ganze Jahr wird er anstands- Ios beurlaubt. Aus der Eisenbahnverwaltung beurlauben wir bis zu 4 Jahren und zwar nicht bloß zur Dier stleistung bei anderen Ressorts, sondern auch bei Kleinbahnen und Nebenbahnen, inländishen und aus- wärtigen, z. B. an die anatolische Bahn oder nah Japan oder nah Kiautshou. Aber im Interesse der Zurülkbleibenden müssen wir doch dieser Beurlaubung ein gewisses Ziel seßen, und dieses Ziel beträgt, wie gesagt, 3 bis 4 Jahre, nur in Ausnahmefällen, wo ein erhebliches öffentlihes Interesse vorwaltet, auch noch länger.

Meine Herren, diese H:rren haben in der Zwischenzeit meistens oder fast durchgängig ein sehr viel böheres Einkommen, als die Staatsbaubeamten haben, und es wäre Unrecht, ihnen ihre Stellen längere Zeit offen zu halten und die anderen im Dienstalter ihnen folgenden Kollegen damit zu s{ädigen.

Der Antrag Schmidt wird mit großer Mehrheit und der Antrag Krieger mit knapper Mehrheit angenommen.

Es folgt die Berathung des von Mitgliedern aller Parteien unterstüßten Antrags des Abg. Prinzen von Arenberg (Zentr.) :

die Regierung zu ersuhen, in den nächftjährigen Etat das

Gehalt der Eisenbahn-Betriebs-Sekretäre mit 1500 bis 3300 und einer Auffteigefrist voa 18 Jahren einzuftellen.

Die Budgetkommission beantragt, den Antrag ab- zulehnen und mehrere Petitionen von Eisenbahn-Betriebs- Sekretären durch den Beschluß für erledigt zu erklären.

Abg. von Pappenheim (kons.):, Die Budgetkommission hat schon im vorigen Jahre einen ähnlihen Antrag Svartonne und das Haus hat gegen die Kommission entschieden. Die ommission trägt daher keine Verantwortung für die Folgen. Die Touen solher Be- \chlüse wie des eben gefaßten sind große neue Geldanforderungen, zumal aus allen anderen Beamtenklafsen Berufungen auf einen solchen Beschluß kommen werden. Ih muß auch hier wieder für den Kommissions- antrag eintreten. Natürlich werden den Konservativen wieder “Vor- würfe gemaht werden, daß sie kein Herz für die Beamten haben ; wir müssen das über uns ergehen lassen. Die Feige für die Beamten kann nicht darnach bemessen werden, wie hier eine Partei stimmt. Wir müssen auch die finanziellen Folgen für den Staat in Erwägung ziehen. Solche Beschlüsse beunruhigen auch die Beamten, und Reden, wie sie hier gehalten werden, lockern die Disziplin, wenn hier gewissermaßen die Beamten als die An- ge ihrer Vorgeseßten auftreten und zualeich ein Gegensayz zwischen dem Eisenbahn- und dem Finanz-Minister konstruiert wird. Die Beamten schlagen in ihren Eingaben an das Haus einen Ton an, wie wir ihn nit zulassen können. In etner Eingake wird dem Minister sogar vorgeworfen, daß er hier wider besseres Wissen Behauptungen aufgestellt habe, und von meinen in nicht öffentlichen Kommissionssißungen gesprohenen Worten wird Gebrauch gemalt, um daran heftige Vorwürfe gegen mich zu knüpfen. Wir haben die Lage der Beamten in leyter Zeit wesentlih verbessert; mit Rücksicht auf die Konsequenzen bitte ih, den Antrag abzulehnen. Der Minister sollte uns die finanziellen Konsequenzen darlegen, wenn wir die Ge- hälter einer einzelnen Beamtenklasse weiter erhöhen.

Minister der öffentlihen Arbeiten von Thielen:

Meine Herren! Die Ausführungen des Herrn Abg. von Pappen- heim geben mir Anlaß zu einigen allgemeinen Bemerkungen, die si aber niht allein auf die vorliegenden Anträge beziehen, sondern au auf die Petitionen, die dem Hause seitens der Budgetkommission noch nicht vorgelegt sind.

Meine Herren, die Staatsregierung stebt auch beute noch auf demselben Standpunkt, den sie im vorigen Jahre bei Gelegenheit der Gehaltsaufbesserung der Beamten eingenommen hat, und der damals au von der großen Mehrheit des hoben Hauses, des Landtages über- haupt, vollständig getheilt ist, nämlich dem Standpunkt, daß die Frage der Aufbesserung der Beamtenbesoldungen für absehbare Zeit abgeschloffen is. Meine Herren, die Staats- regierung kann auch nach der gewissenhaftesten Prüfung aller Ver- hältnisse und bei allem Wohlwollen für ihre Beamten aller Kategorien nit die Ueberzeugung gewinnen, daß die Beamtenbesoldungen an sih zur Bestreitung einer den Verhältnissen der betreffenden Beamten an- gemessenen Lebenskaltung niht ausreihen, oder daß ein Miß- verhältniß zwischen den einzelnen Beamtenkategorien inner- halb derselben Verwaltung oder zwischen anderen Refsorts zur Zeit besteht, und die Beamtenbesoldungen also absolut oder relativ unri@tiz bemessen seien. Es ist zur Verbesserung der Lage der Beamten sowie zur gerehten Ausgleihung der Besoldungs- verhältnisse zwischen den verschiedenen Beamtenklassen in den legten Jahren fo viel geschehen, wie niemals zuvor, und das, meine Herren, in einer Zeit, in der bei uns im Lande der Mittelstand, dem doch ein großer Theil dicser Beamten zuzurechnen i}, der Mittelstand in Stadt und Land allgemein und in immer s\teigendem Maße darüber flagt, daß seine Wirthschaftslage heruntergeht und unsiher wird. Demgegenüber i die. Lage der Staats- beamten sowohl in Bezug auf die Höhe des Einkommens wie auf die Sicherheit des Einkommens eine geradezu bevorzugte. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, es sind kbekanntlih im Jahre 1890/91 und im Jahre 1899 die Gehälter der Unterbeamten, im Jabre 1897/98 auh die Gehälter der mittleren und böheren Beamten fundiert worden ; von Jahr zu Jahr sind die Etatéstellen vérmeh1t. In den leyten drei Jahren find allein bei den Staatsbahnen 22 000 neue Etats- stellen geschaffen. (Hört, bört! rechts.) 22000! Die Revision der Klasseneintheilung der Orte hat im Jahre 1897 einer nicht geringen Anzahl von Beamten erhöhte Wohnungégeldzushüsse gebraht. Es find unter Berücksichtigung der wirthschafstlihen Lage der Beamten in den besonders theuren Industriebezirken Stellenzulagen von über drei Millionen Mak in den Etat gebracht worden. Berüctksichtigt man alle diese Verbesserungen, so ergiebt ih, daß die beute in der Eifenbahnverwalturg besckäftigten Beamten 35} Millionen mehr er- kalten, als sie erbalten würden, wenn jene Verbesserung rit in den Jahren eingetreten wäre. (Hört! bört! rechts.) Es geht daraus doch meines Erachtens mit Evidenz hervor, daß weder der Ressort - Minister noch der Finanz - Minister ein hartes Herz und eine geshlofsene Hand den Beamten gegenüber gehabt hat. (Sehr ricôtig! rechts.) An diesen Einkommenêverbefserungen nimmt jeder Beamte aller Kategorien, ob hoch, ob niedrig, theil. Im Durchschnitt kommen auf den Kopf 270 Æ, das beißt 14% seines Einkommens.

Meine Herren, man hätte xun wohl mit Recht erwarten können, daß infolge dieser Erhöhungen der Besoldungen die Bestrebungen der Beamten auf Verbesserung ihrer äußeren Lage einiger- maßen zur Ruhe kommen würden. Meine Herren, das Gegen“ theil ift gesheken, wie Herr von Pappenheim vorhin sehr rihtig ausgeführt hat. In den Fachzeitschriften der einzelnen Beamtenkategorien, in einem großen Theil der politishen Presse roird lebhafter denn je zuvor für die Erhöhung der Beamtenbesoldungen eingetreten, die Zahl der Petitionen ift ganz außerordentlih gestiegen. Meine Herren, ih bitte mir das nicht zu verargen, aber ich möhte doch au darauf hinweisen, daß in den Parlamenten, Reichêtag und Landtag, ih bereits Spezialanwälte für die einzelnen Kategorien der Beamten ausgebildet haben. (Sehr wahr! rechts.) Meine Herren, ih habe sogar in einem Handbuch der Parlamente {hon gelesen, daß das unter die besonderen Eigenschaften der betreffenden Herren zu rechnen ift. (Heiter- keit.) Meine Herren, es ift so weit gekommen mit rühmlihen Aus- nahmen, muß ich anerkennen daß die einzelnen Beamten-Kategorien es für ihre Pflicht gegen Weib und Kind und gegen sich selbst er- achten, nur ja nit auf¡uhören und locker zu lassen in dem Wett- bewerb um die Steigerung in den Beamtenbesoldungen. Meine Herrea, daß das nicht ohne den allernah!heiligften Einfluß auf die Disziplin und die Ordnung in den Verwaltungen bletben kann, liegt auf der Hand. (Sehr wahr ! rechts.) Und, meine Herren, die Aufrecht- erhaltung der strasfen Disziplin, namentli in der Eisenbahnverwaltung, liegt niht bloß im Interess2 der Verwaltung, sie liegt im Interesse des ganzen Landes. (Bravo! rechts.) Jn keiner Verwaltung liegt das so klar auf der Hand und ift so deutlih zu erfassen, wie gerade in der Gisenbahnverwaltung, und welhe Früchte diese fortlaufende

Behandlung der Besoldungsfrage zeitigt, das hat der Herr Abg. von Pappenheim Ihnen vorhin {oa an einzelnen Beispielen sehr: Tar avszeführt. Noch sind das, wte ih gerne anerkenne, Ausnahmen, es liegt an Ihnen, sie niht zur Negel werden zu lassen. Die Staats- rezierung könnte es daher nur dankbar begrüßen, daß die Budget- kommission des hohen Hauses au ihrerseits Stellung genommen hat lef diese übermäßige Agitation unter den vershiedenen Beamten- afen.

Daß es unmöglich ift, alle Wünsche zu erfüllen, die seitens der Beamten vorgetragen werden ihren Vorgeseßten und in noch viel höherem Maße dem Landtage, ltegt auf der Hand; daß sie aber auh wirklich zum theil von kaum glaubliher Naivität in ihren Ansprüchen ausgehen, davon möchte ih den Herren ein Beispiel geben.

Unter den Petitionen liegt auch eine Petition der Bremser und Schaffner vor. Darin wird beansprucht, statt des jetzigen Gehalts von 900—1200 A mit einer Aufrückungsperiode bis zum 21. Jahre ein Gehalt von 900—1500 A in 15 Jahren zu bewilligen. Die Annahme dieses Vorschlags würde der Staatskasse ungefähr 4} Millionen kosten. (Hört! hört!) Nun bezieht {hon gegenwärtig der Bremser im Durchschnitt 1050 46 Gehalt, 210 4 Wohnungsgeldzuschuß, 310 4 Nebeneinnahmen aus dem Zugdienst (hört! hört !); macht in Summa 1570 A Daneben bezieht er - in“ den theureren Industrie- gebieten auch noch eine Theuerungszulage, wenigstens in den aller- meisten Fällen, von 60 bis 80 4 Meine Herren, rechnen Sie das zusammen und sehen Sie sich einmal in Stadt und Land um, was denn ein Handwerksmeistex (sehr richtig! rets), was ein Bauer für ein Einkommen hat, und mit wie wenig Sorge um sein tägli Brot nun der Beamte zu kämpfen hat; daß er nebenbei noch eine ganze Reihe von Vortheilen genießt, daß er beispielsweise, ohne dafür irgend ein Opfer zu bringen, Pensionierung- Wittwen- und Waisengelder, daß er freie ärztlihe Behandlung genießt, seine Angehörigen freie Arzenei; wenn Sie das alles berück- sichtigen, wird die Differenz zwischen der wirthschaftlihen Lage der Beamten, die ih in dieser Kategorie in der Regel aus den Arbeitern rekrutieren, gegenüber der wirthschaftlißen Lage der Klafsen, die ih vorhin genannt habe, noch viel mehr in die Augen springen. (Sehr wahr! rechts.)

Meine Herren, derartige Beispiele könnte ich Ihnen noch eine ganze Reihe vorführen. Jh bin mir wohl bewußt, daß es eine sehr {were Pflicht ist für den Ressort-Minister, eine derartige Stellung einzunehmen ; es würde für mih sehr viel dankbarer, sehr viel einfaher und sehr viel erfreulicher sein, wenn ih allen Wünschen der Beamten nah- kommen könnte; aber i würde meine Pfliht als Staats-Minister auf das Gröblichste verleßen. Meine Herren, wenn wir so verfahren würden, so würde das Ende einer geregelten und vernünftigen Finanz- wirthschaft bald herbeigekommen sein. Meine Herren, nur das, was jeßt in diesem Jahre petitioniert wird, würde einen Aufwand von über 36 Millionen erfordern. (Hört, hört!) Und, meine Herren, find Sie denn der Meinung, daß damit nun die Sache ein Ende hätte? Nach den bisherigen Erfahrungen können Sie das unmöglich annehmen. (Sehr riGtig!) Und es wäre auch unrecht, wenn es damit cin Ende hätte, denn es würde eine ganze Reihe von Beamtenklassen Ihnen nachweisen, daß nur ihre Bescheidenheit, ihre alte, angestammte Beamtenauffassung fie verhindert hat, ihrerseits auch zu petitionieren und Anträge zu \stellen. Sie können dreist die doppelte Summe nehmen, die dann herluttommen würde; um au diesen, dann gerechten Ansprüchen Ihrerseits zu willfahren.

Meine Herren, das ofen auszusprechen ift bei der gegenwärtigen Lage der Linge, auh in der parlamentarischen Lage, in der sich die Angelegenheit befindet, durhaus nothwendig, und ih habe mich dieser Pflicht nit entzießen wollen und. können.

Die Budgetkommission hat eingehend und gründlih die Sache bei jeder einzelnen Position geprüft, hat die absolute und relative Nichtigkeit der jet gewährten Besoldung erwogen und ist auf Grund dieser Prüfung nah langen Verhandlungen zu dem Ergebniß ge- kommen, bei dem hohen Hause die Ablehnung zu beantragen.

Das, meine Herren, war der Moment, wo auch ich ein klares Wort s\prehen mußte. Das ist geshehen, und ch kann Ihnen aus meiner vollsten Ueberzeugung und bei all demjenigen Wohlwollen, welhes der Ressortchef seinen Beamten gegenüber haben muß, und welches ih, ohne mich zu überheben, wohl auch für mich beanspruhen kann auf Grund defsen, was in den neun Jahren, während welcher ih an meiner Stelle stehe, für die Beamten ge- schehen ist, nur dringend empfehlen, sich dem Antrage Ihrer Budget- kommission anzuschließen. (Lebhaftes Bravo rets.)

Abg. Dr. Kelch (fr. kons): Die Befürchtungen, die an einzelne solche Petitionen geknüpft werden, find doh übertrieben; die Finanz- verwaltung hat bei dem Abshluß der Befoldungsverbesserungen sich selbst die spätere Ausgleihung einiger Ungleichheiten vors behalten. Die Herren vom Bunde der Landwirthe haben anerkannt, daß die Forderung der Eisenbaßn-Betriebs-Sekretäre berehtigt i; das hat mir Herr Habn gesagt. Mit der Ausführung des “Antrags des Prinzen Arenberg würden diese Beamten zufrieden sein. Wir haben es ferner {hon vor einigen Jahren der Regierung zur Erwägung anheimgestellt, Eisenbahn- Betriebs-Sekretäre, welche gute Zeugnisse aufweisen können, auch ohne Examen zu Eisenbahn-Sekretären zu befördern. Der Redner beantragt \{ließlich, diejenigen Petitionen, welche sih auf Vereinigung der mit Anwärtern für Eisenbahn: Sekretärstellen beseßten Betriebs-Sekretär- stellen mit den Stellen der Eisenbahn-Sekretäre zu einer Klafse und

auf Vermehrung der Stellen für Eisenbahn-Sekretäre beziehen, der Regierung zur Erwägung zu überweisen.

Geheimer Ober-Finanzrath Belian leat unter eingehender Dar- tellung der Funktionen der Eisenbahn- Sekretäre und der Eisenbahn- Betrieb-Sekretäre die Gründe dar, weshalb es unmögli sei, die Eisenbahn-Betriebs-Sekretäre vor anderen Beamtenklassen zu bevorzugen. Díe Budgetkommission habe diese Gehaltserhöhung mit 12 gegen 6 Stimmen abgelehnt. Er bitte das Haus dringend, ebenfalls die Ablehnung zu beschließen. Jn den Anforderungen der Beamten müsse endlich einmal Nuhe eintreten,

Hierauf vertagt sih das Haus.

Präsident von Kröcher erbittet und erhält die Ermächti:

ung, Jhren Kaiserlihen und Königlichen Majesiäten sowie Sbinar Kaiserlihen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen die Glückwünshe des Hauses zur Feier der Großjährigkeits- erklärung des Kronprinzen auszusprechen.

Schluß gegen 41/4 Uhr. Nächste Sißung unbestimmt, voraussichtlich nicht vor dem 14. Mai.