1900 / 112 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 10 May 1900 18:00:01 GMT) scan diff

Deutscher Reichstag. 189. Sigung vom 9. Mai 1900, 1 Uhr.

Ueber den Anfang der Sißung wurde in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet. :

Darauf sezte das Haus die zweite Berathung des Geseß- entwurfs, betreffend die Abänderung der Unfallver- siherunasgeseße, fort. |

Die 8 61 bis 63 des Gewerbe - Unfallversiche- rungsgejseßes handeln vom Bescheid dec Vorstände. Nach § 61 hat über die Feststellung der Entschädigung die- jenige Stelle, welhe sie vorgenommen hat, dem Ent- \chädigungsberechtigten einen schriftlichen Bescheid zu er- theilen, aus welhzm die Höhe der Entschädigung und die Art ihrer Berechnung zu ersehen ist. Bei Entschädigungen für erwerbsunfähig gewordene Verleßte istt namentlich anzu- geben, in welhem Maße die Erwerbsunfähigkeit angenommen worden ist.

Abg. N S (Soz.) befürwortet eine Erweiterung dahin, daß dieser BesGeid „spätestens innerhalb 13 Wochen nah dem Unfall oder der Geltendmachung des Anspruhs auf Rente“ ertheili werden solle; feraer wünschten die sozialdemokcatishen Antragsteller, daß dem Bescheide der volle Wortlaut des ärztliGen Gutachtens, so- wie die Protokolle über die stattgefundene Unfalluntersuhung abschriftlih beizufügen feien. Redner betont, daß es darum bandle, den Arbeiter in die Lage zu seßen, seinen Rechtzansprud geltend zu machen. Mangle dem Gutachten die Zuverlässigkeit, so müsse er im stande sein, sih rect- zeitig Unterlagen für eine Korrektur desfelben zu verschaffen ; das sei ibm aber niht mögli, wenn ibm allgemein die Kenntniß des ärztlihen Gutachtens vorenthalten werd-. In allen zivil:echt- lihen Streitigkeiten sei ein les Ret der Parteien selbstverständlich. Dem Arbeiter aber wolle man dieses Recht vorenthalten. Man ziehe fi dabinter zurück, daß die Mittheilung des Gutachtens lediglih- die Entscheidung über die Rentenfestseßung zu verzözern geeigaet fei; dem gegenüber stehe aber der allgemeine Wunsch der Arbeiter, die Gutacbten im Wortlaut kennen zu lernzn, und der Reichstag habe doch feine Veranlassung , arbeiterfreundliher zu fein als die Ar- beiter selbft. i

Der Antrag wird abgelehnt und § 61 unverändert an- genommen. :

Nach § 62 der Vorlage findet gegen den Bescheid, durch welchen der Entschädigungsanspruch abgelehnt wird, sowie gegen den Bescheid, durch welchen die h. Eut festgesteUt wird, die Berufung auf schiedsgerichtlihe Entscheidung statt. Die Berufung hat innerhalb eines Monats nah der Zu- stellung des Bescheides bei dem Schiedsgericht zu erfolgen, in dessen Bezirk der Betrieb, in welchem der Unfall sih ereignete, gelegen ijt. Die Frist gilt auch dann als gewahrt, wenn innerhalb derselben die Berufung bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Genossenshaftsorgan eingegangen ist. Die Berufung soll keine aufshiebende Wirkung haben.

Abg Dr. Opfergelt (Zentr.) will der Berufung im Falle des 8 7a (Befugniß der Berufsgenofsenshaft, eventuell ein neues Heil- verfabren eintreten zu laffen) aufschiebende Wirkung beigelegt wissen.

Abg. Molkenb uhr (Soz.) vertritt folgendenA ntrag seiner Partei- genossen: „Dem Verleßten hat das Schiedsgericht auf seinen Antrag einen Betraa anzuweisen, der für die Reisekcsten des Verleßten zweck3 persönliher Wahrnebmung des Termins hinreiht, und den Verletzten bei ker Ladung zum Termin über die Berechtigung, folhen Antrag zu stellen, zu belehren“. Für den Antrag Opfergelt \pciht Redner si gleichfalls aus.

S 62 wird mit dem Antrage Dpfergelt angenommen, der sozialdemokratishe Antrag abgelehnt.

Nach § 63 is} die Entscheidung des Schiedsgerichts dem Berufenden und demjenigen Genossenschaftsorgan, welches den angefohtenen Bescheid erlassen hat, in Ausfertigung zuzustellen.

Abg. Stadthagen (Soz.): Damit allein ist dem Arbeiter niht gedient; er mufi au über den Zwcck der Zustellung belehrt werden. Man könnte fast auf den Verdacht kommen, daß man bier dem Arbeiter nur ein \heinbares Recht giebt, da ja der Arbeiter, wenn er ait organisiert ift, meistens über die Tragweite feiner Nechte völlig im Unklaren bleibt. Wir beantragen daber, dem § 63 hinzu- zufügen: „Die Entscheidung des Schiedsgerihts muß eine Rechts- belebrung über die Frist zur Einlegung des Rekurses an das Reichs- Versi§erungsamt enthalten“.

Geheimer Ober - Regierungsrath Caspar bittet, den Antraa abzulehnen.

Abg. Stadthagen: Aus der Ablehnung unseres Antrags würde t ues hervorgehen, daß es darauf abgesehen ift, ken

rbeiter über seine Rechte in Unkenntniß zu lassen.

Nach einer kurzen Entgegnung des Geheimen Ober- Regierungsraths Caspar wird der Antrag abgelehnt. § 63 gelanat unverändert zur Annahme.

Die S8 63 a—63 h und 64 betreffen den Rekurs.

8 63h der Kommissionsbeschlüsse besagt:

Ist der Rekurs unzulässig oder verspätet, so hat das Reichs- Versiherungsamt den Rekurs ohne mündlite Verhandlung zurüdck- zuweisen; ebenso kann es verfahren, wenn die bei dem Bescbluß mit- wirkenden Mitglieder einstimmig den Rekurs für offenkar ungerecht- fertigt erachten.

_Den leßten Saß beantragt Abg. Stadthagen zu

streichen. :

Der Antrag wird abgelehnt, § 63bþ in der Kommissions- fassung angenommen.

S 63 c der Vorlage:

__ „Das Reichs-Versicherung8amt entscheidet über die zu ge- wähbrende Entschädigung S fecien Ermessen, ohne an die Be- aründung des Rekurses oder an die Anträge der Parteien oder die

_ Entscheidung des Swiedsgerichts gebunden zu sein“, ist von der Kommission gestrihen worden.

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.) beantragt die Wiederher- stellung des § 63 c.

Abg. Fischbeck (fr. Volksp.) befürwortet die Streichung.

Das Haus beschließt nah dem Kommissionsantrag.

_ Die S8 65—65d N die Veränderung der Verhält: nisse, welche für die Fesistellung der Entschädigung maßgebend gewesen sind.

Nach § 65 darf nah Ablauf von 2 Jahren von der Rechtskraft des Bescheides oder der Entscheidung über die end- Nrge Entschädigung ab wegen einer im Zustande des Ver- eßten „eingetretenen Veränderung eine anderweite Fest- stellung der Rente nur in cinjährigen Zeiträumen vor-

enommen werden. Die anderweite Feststellung erfolgt inner- - halb der ersten 5 Jahre von der Rechtskraft ab auf Antrag oder von Amtswegen durch Bescheid der Berufsgenossenschaft, später nur auf Antrag durch Entscheidung des Schiedsgerichts. Zu dem Antrag auf Wiederaufnahme des Heilverfahrens ist neben dem Verleßten auch die Krankenkasse, der er e Gie

im Reichsamt des Innern

berechtigt. Die vorstehenden Bestimmungen über die Fristen sollen nur gelten, wenn nicht zwischen dem Empfangsberech- tigten und der Enderoe Sea über eine kürzere Frist oder über die anderweite Feststelung ausdrücklihes Einver- Zländniß erzielt ist.

Abg, Fischer- Sachsen (Sai

befürwortet die zu di - graphen gestellten fozialdemo pu Plclem Baro

ratishen Amendements, 1) die Worte

„nach Ablauf von 2 Jahren® zu fireicen; 2) folgenden Zusahß zu machen: „Widerspricht der -Verleßte der Herabseßung der Rente inner- balb 8 Tagen, nachdem ihm die Unterlagen für die Herabseßung oder Aufbebung der Rente zugegangen find, fo entscheidet das Schiedsgericht darüber, ob von jenem Zeitpunkt ab eine Herabseßung oder Auf- hebung der Rente stattfinden foll.* Der Redner weist darauf hin, daß nichts die Erbitterung gegen die Berufsgenossenshaften und damit auch zum theil gegen dieses Gesct felb| jo sehr unter den Arbeitern geschürt habe, als die von den Berufsgeaossen\ckchaften geübte Willkür bei der Os und Kürzung der Renten. Um diesen gerecht- fertigten Beschwerden über das den Arbeitern dadur zugefügte Un- recht die Spiße abzubrechen, genügte die Vorschrift der Vorlage niht; es müßte mindestens die Erweiterung eintreten, welche die fozialdemokratiscen Anträge enthielten.

Geheimer Ober-NRegierurgérath Caspar legt Verwahrung ein gegen die Auétführnng, daß den Arbeitern mit der Kürzung der Rente fast immer ein Unreht geschehe. Die Sireihung der Worte „nah Ablauf von 2 Jahren“ sei völlig unannehmbar.

Abg. Dr. Hitze (Zentr.): Wir wies recht gut, daß vielfache Klagen der Arbeiter in der angegebenen Richtung Silben: wir hatten deshalb im Jahre 1897 beantragt, eine Herabseßung nur auf Grund sciedszerichtlichen Urtheils zuzulaffen. Was die Negierungen geboten haben, ift für jeßt daz einzig Erreihbare; wir müssen es als eine Ab- \{hlag8zablung hinnehmen und werden bemüht fein, in der Zukunft unser weitergehendes Ziel zu erreihen,

Abg. Freiherr von Stumm jpriht gleichfalls gegen die An- nahme der beantragten Amendements.

65 wird unverändert angenommen.

ah § 66a ruht das Recht auf Bezug der Rente: 1) so lange der Berechtigte eine die Dauer von einem Monat übersteigende Freiheitsstrafe verbüßt oder so lange er in einem Arbeitshaus oder einer Vesserungsanstalt untergebracht ist. Hat der Berechtigte im Jnlande wohnende Angehörige, welche im Falle seines Todes Anspruch auf Rente haben würden, so ist diesen die Rente bis zur Höhe jenes Anspruchs zu überweisen; 2) so lange der Berechtigte niht im Jnlande seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Diese Bestimmung kann durch Beschluß des Bundesraths für bestimmte Grenzgebiete oder für solhe auswärtigen Staaten, durch deren Geseß- gebung deutschen, durch einen Betriebsunfall verlegten Ar- beitern eine entsprehende Fürsorge gewährleistet t außer Kraft geseßt werden. Die Berufsgenossenschaft ijt befugt, deutshen Staatsangehötigen im Auslande die Rente forzu- zahlen; sie ist hierzu verpflichtet, wenn der Bezugs8berechtigte im Dienste eines inländischen versiherungspflichtigen Betriebes im Auslande beschäftigt ist.

Abg. Freiherr von Stumm will eine Nummer 3 folzenden Inhalts eingefügt wiss-n: „So lange der Berechtigte freiwillig auf den Bezug der Rente verzichtet und mindestens denselben Lohn bezieht wie vor dem Unfall. Erreicht dieser Arbeitsverdienst nicht den ortsüblichea Tagelohn, fo ist dieser leßtere Borbedingung für das Ruhen der Nente.“

Die Abgg. Albrecht und Genossen (Soz.) wollen die Nummern 1 und 2 beseitigt wissen (eventuell soll statt „Berechtigte“ gesagt werden „berechtigte Ausländer“), sodaß nur der Passus „die Berufsgenossen|haft ist befugt“ 2c. stehen bleiben würde.

Abg. Molkenbuhr empfiehlt diesen Antrag, der eine soziale Ungerechtigkeit aus der Welt schaffen folle.

bg. Fishbeck tritt für die Streihung der Ziffer 2 ein.

Abg. Freiherr von Richthofen-Damsdorf (d. konf.): Ziffer 2 steht wörtlih auch im JInvalidenversiherung8gesez. Die Kommission hat aber durch den Zusaß, welcher die Berufsgenossenschaften zur Zablung befugte, so viele Auênahmen Wugelassen, daß fein Grund er- O ift, die Ziffer 2 in dieser Beschränkung niht aufrecht zu echalten

Unter Ablehnung aller Anträge wird § 6ba in der -von der Kommission beschlossenen Fassung angenommen.

S 67 handelt von der- Kapitaisabfindung. Dieselbe soll auf Antrag des Entshädigungsberechtigten statthaft sein bei theilweiser Erwerbsunfähigkeit, für welhe 20 Prozent oder weniger der Vollrente gewährt werden. Gegen den Bescheid ist Berufung zulässig. Nach Absay 2 kann der Entschädigungs- berechtigte, wenn er ein Ausländer ist, falls er seinen Wohnig im Deutschen Reiche aufgiebt, auf seinen Antrag mit dem dreifachen Betrage der Jahresrente abgefunden werden.

Abg. Molkenbuhr will die Kapitalsabfindung nur auf Renten beshränkt wiffen, welche 16 9/6 der Vollrente und darüber betragen; es solle damit der häufig vorkommende Vorgang vermicden werden, daß der Rentenberehtigte sich übereilt auf die Kapital3abfindung einlafse, weil er glaube, mit dem empfangenen Kapital ein Geschäft begründen und führen zu können, während er ina Wirklichkeit meistens das Kapital und Geschäft sebr bald wieder einbüße und dann gän¡lih mittellos dastehe. Den Absay 2 will er, wie folgt, gefaßt wissen: „Giebt der Entschädungstberechtigte seinen Wohnsiy im Deutschen Reiche auf, fo muß er auf seinen Antrag mit einer der kapitalifi-rten Rente ents sprehznden Zahlung abgefunden werden.“ Endlich soll dem ersten Absatz hinzugefügt werden: „Der Verlezte muß vor Annahme seines Antrages darüber beleb:t werden, daß er nach der Abfindung auch in dem Falle keinerlei Anspruch auf Rente mehr babe, wenn sein Zustand ih erheblich verschlechtern würde.“ Namentlih auf die Annahme des leßteren Antrages legt Redner besonderen Werth.

Abg. Freiherr von Stumm beantragt, im zweiten Absay die Worte „auf seinen Antrag“ zu streichen.

Abg. Freiherr von Richthofen-Damsdorf erklärt sh gegen den fozialdemokratishen Antrag.

Geheimer Ober - Regierungêrath Caspar: Wenn man die Kapitalabfiz dung auf Renten von 1009/ und darunter beschränkte, \o würde sie überhavpt faum noH praktisch werden. Gerade das Interesse der Rentenempfänger selbst erfordert, noch die Abfindung bei Renten bis zu 20 9/9 zuzulassen. Einer Belehrung der Bezugs- berehtigten wird es nit bedücjen. Der Antrag von Stumm dagegen ist durhaus berechtizt.

Abg. Molkenbuhr: Mir \FSeint, daß für diefen § 67 weit mehr als die Belästigung der Empfänger so kleiner Renten das materielle Interesse der Berufs8genofsenshaften spricht, die auf diese Weise eine große Masse von Unfallreninern abshütteln können. Von 100 Abgeschüttelten dürfte höthstens 10 die Kapitalsabfindung zum s f Dillenburg (n1.) und Fischbeck spre

Die Abgg. Hofmann - Dillenburg (n7.) und Fi ed sprechen ih gegen sämmtliche Ahändécnicsanttägs aus,

67 wird unverändert angenommen.

Nach § 68 soll die Uebertragung der Ansprüche auf Dritte und die Verpfändung oder Pfändung nur insoweit rechtliche Wirkung haben, als sie erfolgt: 1) zur Deckung eines Vor- schusses von der Berufsgenossenschaft; 2) zur Deckung der im R Abs. 4 der Zivil-Prozeßordnung bezeihneten Forderungen;

) zur Deckung von Forderungen der ersaßberehtigten Gemeinden, Armenverbände u. st. w. darf der Bercchtigte den Anspruch gan tragen, sofern dies von der unteren nehmigt wird.

S 68 wird nah Ablehnung eines von dem Abg. Stadt- hagen vertheidigten Antrages auf Streichung der Nr. 1 und des Schlußsaßes unverändert angenommen.

Nach Z 70a sind die Zentralbchörden berechtigt, von jeder Genossenschaft einen Betriebsfonds einzuziehen. Dieser ist nah

Ausnahms3weise oder theilweise über- erwaltungsbehörde ge-

‘Wahl der Genossenschaften in vierteljährlihen oder monatlichen

Theilzahlungen an die den Genossenschaften von der postbchörde zu bezeihnenden Kassen abzuführen. Der Betrie fonds kann für die ersten 5 Jahre nah dem Jnkrafttreten deg Mefehes aus dem Reservefonds entnommen werden.

ie Kommission hat diesen Paragraphen mit großer Mehrheit abgelehnt.

Abg. Singer (Soz.) befürwortet die Annahme. Die Groß, industrie habe kein Recht auf eine zinélose Kreditgewährung auz Reichsmitteln in so großem Maßstab2. Das Reih müsse hier Be, triebsmittel an die Reihs-Postverwaltung liefern, die ih im Be, harrungszustande auf 240 Millionen Mark belaufen und in ent, \svrehendem Umfange die Sthuldentilgungen des Reichs erschweren. Diese Betriebsmittel des Reichs seien {on jeßt ganz unzulänglig, Die Berussgenossenshaften hätten nicht die geringste Berechtigung diese vielen Millionen einfah vom Reih in Anspruß zu nehmen. Brauche die Industrie diese Millionen wirkli für ihren Betrieb, so müsse sie doch so viel Noblefse besißen, um dem Reiche eine Ver, zinsung anzubieten; davon fei aber keine Rede. In diesem Punkte untersGheide sih die Großindustrie kaum wahrnebmbar von den Agrariern, die auch die Mittel der Gesammtheit für ihre eigenen, privaten Zwecke reklamierten. Bei der ersten Unfallgeseßgebung sei darüber nicht bie gehörige Klarheit vorhanden gewesen, daß es \sih {ließli um so ungeheuere Beträge handeln würde. Es liege niht der geringste Grund vor, den Berufsgenofsenschaften diesen Kredit aus der Neichskasse, der ja immer noch wachsen muß, weiter ¡u gewähren, da doch geseßlih feststeht, daß die Unternehmer die Kosten der Unfallversiherung zu tragen haben. Die Regierung seine allerdings keinen übermäßigen Werth auf die Aufrehterhaltung ihres Vorschlages zu l-zen, obwohl feststehe, daß an der eventuellen Unannehmbarkeitéerklärung das Zu- standekommen des ganzen Geseßzes nicht \cheitern würde. Andernfalls müßte man doch auch die Krankengelder vorshußweise an die Kcanken- kassen geben. Aber es ziehe sih wie ein rother Faden dur die Vor- lage das Bestreben, die Nehte der Berufsgenofsenschafsten möglichft zu {üßen und zu erweitern, alle Vershlechterungen aber auf bie unfailversiherten Arbeiter abzuwälzen.

Staatssekretär des Jnnern, Staats - Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Die Bedeutung dieses Paragraphen ift niht eine fozialpolitisce, fondern eine finanzielle. Wir haben in zwei Vorlagen das hohe Haus gebzten, die Betriebsfonds des Reichs zu verstärken. Wenn die Herren einmal Gelegenheit nehmen wollten, die leßte dieser Vorlagen eine zusehen, so werden sie fich überzeugen, mit welhen minimalen Bes triebsfummen sowohl die Reichs - Postverwaltung wie die Reichs- Militärverwaltung arbeiten müssen. Seit dieser Vorlage haben \ih die Ausgaben des Neihs wiederum ganz außerordentlich erhöht, die Betriebssummen sind aber dieselben geblieben.

Meine Herren, das Reich hat vielleiht ein geringeres Interesse daran, den Betriebsfonds zu verstärken, als die Einzelstaaten. Da- durch, daß die großen Betriebéverwaltungen und die Heeresverwaltung niht über genügende Betriebsfonds verfügen , tritt die Folge ein, daß der finanzbureaukratishe Apparat der Abrehnung zwischen Reich und Einzelstaaten ganz außerordentlich vermehrt und ers{chwert wird. Wir würden eine Masse Zu- und Abschreibungen, das Hin- und Herschicken der Ueberweisungen und der Matrikularbeiträge wesentlih vereinfahen können, wenn uns ein reiderer Betriebsfonds zur Verfügung stände. Um wenigstens einigermaßen unseren Betriebsfonds im Neiche zu er- leihtern, deswegen haben wir diese Bestimmung aufgenommen, die uns wenigstens von den großen Vorsüssen entlasten foll, welche jeßt den Berufsgenossenshaften zufließen. Sollten Sie indeß bei den Kommissionsbeshlüfsen stehen bleiben und au weiterhin den Berufsgenossenschaften die bisberigen erheblihen Vorschüsse gewähren wollen, so möchte ich wenigstens an die Mitglieder der Budget- kommission die dringende Bitte richten, ihrerseits die verbündeten Re- gierungen zu unterstüßen, wenn Ihnen wiederum eine Vorlage zugehen sollte, betreffend die Erhöhung der Betriebsfonds im Reih. Jh bin ja meinerseits jeßt nur noch schr entfernt an der ganzen Frage inter- essiert, aber das kann ih aus meiner eigenen Wissenschaft in meiner früheren Stellung als Staatssekretär des Neichsshaßamts bezeugen, daß Sie der Reichsverwaltung und den Bundesstaaten in ihrem ganzen Finanzgebahren einen wesentlihen Dienst erweisen, daß Sie die ganze Reich8maschinerie wesentlih einfacher gestalten würden, wenn Sie dem Reiche die Betrieb2fonds zur Verfüzung stellten, die es zu seiner Finanzgebahrung meines Erachtens abfolut bedarf. Jch nuß Sie deshalb zunächst bitten, dem Antrag Albrecht und Genossen fstatt- zugeben und die Regierung8vorlage- wieder herzustellen. Sollte sich hierfür eine Majorität niht finden, fo kann ich nur dringend bitten, daß Sie Jhrerseits die Bemühungen der verbündeten Ne- gierungen unterstüßen möchten, die dahin gehen, die Betriebsfonds des Reichs enisprehend seinen fortgeseßt und alljährlich steigenden Aus- gaben zu verstärken.

È 70a wird mit geringer Mehrheit gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, einiger Mitglieder der Volkspartei, der Nationalliberalen und des Zentrums gestrichen.

Die 88S 71 ffff. betreffen das Umlagze- und Erhebungs- verfahren.

Nach § 74b sind unter anderen Streitigkeiten, welche zwischen den Berufsgenofßsenschaften einerseits und den Bau- herren oder Zwischenunternehmern andererseits über die Haftung entstehen, mit Ausshluß des Rechtsweges dur das Reichsversicherungsamt zu entscheiden.

Abg. Stadthagen will zu der Entscheidung Arbeitgeber und Arbeitnehmer hinzugezogen wissen. Der Antrag wird von dem Geheimen Ober-Regierungsrath Caspar bekämpft und vom Hause abgelehnt.

Nach S 76a der Kommissionsbeshlüsse müssen die Be- stände der agene eaen mündelsicher angelegt werden. Außerdem dürfen diejelben in Werthpapieren, welhe nah landesgeseßlihen Vorschriften zur Anlegung von Mündel- geldern zugelassen sind, sowie auf Beschluß der Genossenschafts- versammlung in solhen auf den Jnhaber lautenden Pfand- briefen deutscher POR o E Mett tEes angelegt werden, welche die Reichsbank in Klasse I beleiht.

Den leßteren Saß von „außerdem“ ab beantragt der Abg. Freiherr von Stumm zu streihen- und dafür die Be- stimmungen der Vorlage wieder herzustellen, wonah die Zu- lassung der Anlegung in deb mündelsicher landesgeseßlih er- klärten Papieren nur geschehen soll für Berufsgenossenschaften, deren Bezirk nur auf den betreffenden Bundesstaat sih er- streckt; wenn aber der Bezirk einer Spagnems@ait sih auf mehrere Bundesstaaten erstreckt, wo nicht dieselben Werth- i soll die Anlegung nur nah Zuziehung der M der betreffenden Staaten erfolgen dürfen. Wird die Einigung nicht erzielt, sto kann der Bundesrath genehmigen, daß das Vermögen der Genossenschaft in solhen Werthpapieren bis - zu demjenigen Betrage angelegt wird, welcher für das leßte Geschäftsjahr

ur Anlegung zugelassen. sind,

papiere

ältni er Mitgliederbeiträge aus dem die Werth- dem Verhältnis n Staakïe zu den. gesammten Beiträgen der papiere nschaftsmitglieder entspriht. Zustimmung wie Geneh- s können zurückgenommen werden. Ln Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner: ]

Meine Herren! Bei der Abänderung der Negierungsvorlage bab? ¡H mi zunächst gefragt: welche Gründe liegen dazu vor? Das Bürgerliche Geseßbuch und das Einführungsgeseß zum Bürgerlichen Gesczbuch stellen den Kreis der mündelsicheren Papiere ausreichend fest. Ich glaube, die Berufsgenossenshaften können doch nur das Anteresse haben, die Gelder des Refervefonds, die ih als heilige Gelder bezeihnen möchte und die absolut sicher angelegt werden müssen, auch wirkli in dieser Weise anzulegen. Eine Erweiterung der Bestimmungen der Regierungsvorlagen wäre deshalb meines Erachtens doch nur nothwendig, wenn die Berufsgenossenschaften nit in der Lage wären, genügend Kapitalien, die nah den jeßigen Vor- shriften des Bürgerlichen Geseßbuhs und des Einfübrung8gesetzes mündelficher sind, auf dem offenen Markte zu kaufen. Diese Behaup- tung ist aber bis jeßt nicht ausgestellt worden. (Sehr richtig! rets.) Nun geht die Regierungsvorlage meines Erachtens von dem ganz ge- sundea Grundsaße aus, daß jede einzelne Regiecung am beften beur- theilen kann, 0% die in ihrem Bezirk ausgegebenen Papiere für mündelsiher zu erachten find oder niht, und fie geht ferner von dem Grundfatze aus, daß, wenn sih Berufsgenossenschaften über mehrere Staaten ausdehnen, zunähft der Bundesrath zu entsheiden hat, was weiter als mündelsihec anzusehen ist und was nit, und wenn eine Einigung nicht zu stande kommt, dann von den betreffenden in den Einzelstaaten zugelassenen Papieren nur fo viel angekauft werden darf, a!s relativ die Berufs- genossenschaft des betreffenden Staates zu dem gemeinsamen MRe- servefonds der Berufsgenossenschaften beigetragen bat. Sie haben diese Bestimmung erseßt durch eine Bestimmung, die auf den Aus- führung? vorshriflen des Reichébank-Direktoriums zu dem Reichsbank- statut beruht. Sie wollen alle die Papiere für mündelsicher erklären, die nah den Ausführungsvorschriften des Reichsbank-Direktoriums für Lombardzwecke unter Ia beliehen werden können. Ih kann aber einen Parallelismus zwischen der Mündelsicherßeit des Bürgerlichen Geseßbuchs, die de die Grundlage bildet für die Anlegung des Ver- mögens jeder Korporation, und jenen Vorschriften, die das Reichsbank- Direktorium für die Beleißung von Papieren zum Zwecke des Lom- bards erlassen hat, absolut nicht finden. Denn die Vorschriften des ReichsLank-Direktoriums schreiben vor, daß diese Papicre nur beliehen werden dürfen bis zu 75% ihres Kurswerths, daß ferner, wenn dieser Kurswerth sinkt, sofort weitere Sicherheit zu verlangen ift, und endlich kana ein Lombartdarlehen jederzeit gekündigt werden. Hier handelt es sich also um eine ganz vorübergehende Anlage, für die das Reichsbank. Direktorium doppelte und dreifache Sicherheit fordert, und wenn diese Sicherheit auch nur im allergeringsten er- shüitert wird, so kann das Reichsbank-Direktorium entweder sofort das Lombarddarlehen kündigen und eventuell die GErekution an dem Faustpfand vollstrecken oder weitere Sicherheit verlangen. Daß alfo das Reichsbank-Direktorium hierbei jemals einen Verluft erleiden könnte, erscheint fast ausgeschlossen. Hier aver wendet man Vor- schriften, die für ein vorübergehendes Faustpfand-Darlehen argebracht sind, für das alle diese Kautelen vorgesehen find, auf eine fortdauernde Arlage zu mündelsiheren Zwecken an. Jch kann also eine Parallelität, die dafür spricht, diese Grundsäße für eine dauernde Anlzge eines Vermögens anzuwenden, was in feiner Zweck- bestimmung so wichtig ist, was Gewähr bieten soll dafür, daß die Berufsgenossenschaften auch dauernd potent bleiben, ihre Ver- pflihtungen zu erfüllen diesen Zweck hat doch der Reservefonds meines Erachtens —, nach keiner Richtung hin anerkennen, und ich fann vor allen Dirgen für diese Beschlüsse der Komrwrission keinen sahlihen Grund finden, das heißt keinen Grund, der mit dem inneren Wesen dieses ganzen Geseyzes zusammenhängt. Denn der Zweck dieses Gesetzes kann nur sein, für die Gelder, die von den Berufsgenossenshaften für den Reservefonds angelegt sind, die also den Arbeitern die Sicherheit bieten sollen, daß sie für ihre Forderungen fortgesegt befriedigt werden, au die sicherste Anlage zu finden, die sich überhaupt auf dem Markte finden läßt. Wir haben aber massenhaft absolut mündelsihere Anlagen am Markte. Troßdem follen hier und darauf möchte ich noch ausdrüdlich hinweisen sämmtliche Hypothekenpfandbriefe mit ganz wenigen Aus- nahmen, d. h. mit Ausnahme von solchen, bei denen die Verhältnisse vom Reichsbank-Direktorium wohl noch nicht genügend geklärt sind für mündelsicher erklärt werden. Es ist das ja eine etwas heiße Materie, und ich will deshalb niht weiter darauf eingehen ; aber Sie durfen au) nicht vergessen, daß auch Hypothekenpfandbriefe bestehen und bestanden haben, bei denen man an der Mündelsiwerheit mit einigem Recht zweifeln kann, und daß Dinge vorgekommen sind, die wohl geeignet sind, diesen Zweifel zu unterstüßen. Ich kanu Sie aus allen diesen Gründen nur dringend bitten, dem Antrag des Herrn Freiherrn von Stumm-Halberg stattzugeben und die Regierungs- vorlage wieder herzustellen.

Abg. Dr. Lehr (nl.) ersucht um getrennte Abstimmung über die Worte L der Kommissionsfafsurg: „auf Beschluß der Genossenschafts- verfammlung“.

Abg. Gamp (Rp ) erklärt si ebenfalls gegen den Koamissions- antrag. W328 folle geschehen, wenn die Reichsbank den genannten Hypotheken - Pfandbriefen die Beleibbarkeit in der ersten Klasse ent- zehe? Dann würde eine allgemeine Deroute eintreten. Noch \{hlimmer aber sei es, einfa die landcsgeseßlihen Vorschriften für die Anlegung von Mündelgeldern gelten zu lassen und alle die be- treffenden Papiere für reich8mündelsfiher zu erklären. Ueber fo wichtige Dinge wie die Gelderanlegung müßte doch mindestens die Generalversammlung der Genossenschaften befragt werden.

_ Abg. von Staudy (d. kons.): Ich kann mir einstweilen noch niht vorstellen, daß die Reichatagsmebrheit den omm isionbeGluy acceptieren wird. Das Vermögen der Berufsgenossenschaften muß do

absolut \sicergestelt werden. Beide Häuser des preubll@en Landtages haben übereinstimmend erklärt, daß nicht alle Hypothekenbanken als mündelsicher angesehen werden können. Völlig unannehmbar ift der Antrag Lehr, durch den die Vorlage nur noch weiter yershlechtert werden würde.

Abg. von Tiedemann (Rp.) spricht sih ebenfalls gegen die Wiederherstellung der Vorlage aus.

Staatssekretär des Jnnern, Staats - Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Die Frage ist so wichtig, ih es für meine Pfliht kalte, hier festzustellén, daß, während die Reibsbank diese

Faufipfand, das jeden Tag gekündigt werden kana, nach der Kom- missionsvorlage diese selben Hypothekenpfandbriefe zur dauernden An- legung als mündelsiher angesehen werden sollen. Mithin find die Grundsäge des Kredits, den die Reichsbank einräumt, ganz andere als der Kredit, der nunmehr seitens der Berufsgenofsenshaft diesen Hypothekenbanken gewährt werden fol. Es besteht mithin nur eine formelle Gleihbeit mit einer sehr wesentlichen inneren Verschiedenheit. Die Reichsbank denkt garnit daran, so weit zu gehen, wie der Koms- missionsbeshluß; sie sichert sih viel mehr; die Gleichheit steht alfo nur auf dem Papier. Wenn man aber diesen Weg gehen sollte, was ih bedauern würde und nit für rihtig halte, dann fellte man do wenigstens dafür forgen, daß die Anlage in solchen Papieren nicht in dem engen Gremium des Vorstandes bes{lossen werden kann, sondern nur in der freien Luft der Oeffentlichkeit, und deshalb die Genossen- \haft8versammlung darüber beschließen lassen. Da ist die Oeffent- lichkeit, meines Erachtens, schr an ihrem Plaße! Ih sehe darin wenigstens eine gewisse Kautel, wenn die Genofsenshaftsversammlung in ihren Sigungen erörtert: in welchen Papieren ift das Vermögen der Genossenschaft anzulegen und in welchen nicht? Den Einwand des Herrn Abg. von Tiedemann kann ich als be- rechtigt nit anerkennen; denn na der NRegierungëvorlage würden die Berufsgenossenschaften niht in der Lage sein, etwa ihr ganzes Vermögen in Pfandbriefen ciner Hypothekenbank des Fürstenthums Reuß anzulegen, {ondern, werin eine Einigung nichi erfolgt, würden sie in den Pfandbriefen einex solchen Hypothekenbank nur fo viel Ver- mögen anlegen fönnen, aïs verhältnißmäßig die Berufsgenofsen aus diesem Staate zu dem Gesammt-Reservefo1ds der Genossenschaft beigetragen haben.

Ich kann hiernach nur dringend bitten, prinzipaliter den Antrag des Herrn Freiherrn von Stumm anzunehmen, mindestens aber an der Kommiisionsvorlage nihts zu ändern.

Abg. Freiherc von Stumm: Die preußischen Hypothekenbanken würden durch die Annahme des Kommissionsbeshlusses entschieden ge- {ädiat werden. :

Nachdem nochmals die Abgg. von Staudy, von Tiedemann und Freiherr von Stumm zur Sache das Wort ergriffen, werden im Kommissionsbeshluß, dem Antrage des Abg. Dr. Lehr entsprehend, die Worte „auf Beschluß der Genossenschaftsversammlung“ gegen die Stimmen der Rechten gestrichen, im übrigen wird § 76 in der von der Kommission vorgeschlagenen Fassung angenommen.

Abschnitt V, S8 78 bis 86, betrifft die Unfallverhütung und die Ueberwachung der Betriebe.

8 78 besagt in der Fomulierung der Kommission:

Die Genofs:nschaften sind befugt und können im Aufsichtäwege angehalien werden, Vorschriften zu erlafsen: 1) über die von den Mitgliedern zur Verhütung von Unfällen in ihren Betrieben zu tceffenden Einrichtungen und Anordnungen unter Bedrohung der Zuwiderhandelns den mit Geldstrafen bis zu 1000 (G und mit der Einshäßung ihrer Betriebe in eine höhere Gefahrenklafse 2c. (Hinter „Betrieben“ foll nach einem sozialdemokratischen Antrage eingeschaltet werden „um Schuß von Leben und Gesundheit der Arbeiter“). 2) Ueber das in den Betrieben von den Versi@erten zur Verhütung von“ Un- fällen zu beobachtende Verhalten unter Bedrohung des Zuroider- handelnden mit Geldstrafe bis zu 6 G Die Genofsenschaften find außerdem befugt, folie Vorschriften für bestimmt abzugrenzende Bezirke oder für bestimmte Gewerb2zweige oder Betriebtarten zu erlafen.

Abg. Molkenbubr befürwortet den erwähnten Antrag und empfiehlt ferner die Hinzufügung des folgenden neuen Absaßes: „Die Vorstände der Orts-, Betriebs-, Innungs-, Knappschafts-Krankenkafsen und der freiwilligen Hilfskassen find, falls die Mitgliederzahl der Kasse mindestens 500 beträgt, befugt, für den Umfang ihres Kafsen- bezirks Unfallverhütungévor)Griftez zu erlaffen.“

Unter Ablehnung dieser Anträge wird § 78 unverändert angenommen.

Um 58/4 Uhr wird die Fortsezung der Berathung auf Donnerstag 1 Uhr vertagt. (Vorher Vorlage, betreffend die militärishe Strafrechtspflege in Kiautschou.)

Preußischer Landtag. Herrenhaus. 9. Sißung vom 9. Mai 1900, 2 Uhr.

Der Vize-Präsident Freiherr von Manteuffel eröffaet die Sizung mit der Mittheilung eines Schreibens des Präsi- denten, n zu Wied, aus S. Margherita, nah welchem derselbe durch Krankheit an der Theilnahme an den Sißungen verhindert ist. Er erbittet und erhält die Ermächtigung, dem Präsidenten die Wünsche des Hauses für dessen baldige Ge- nesung zu übermitteln. ] 4 i

Der Vize-Präsident Freiherr von Manteuffel theilt ferner mit, daß er zur Großjährigkeitserklärung Seiner Kaiserlichen und Königlichen E des Kronprinzen Jhren Kaiserlichen und Königlichen Majestäten sowie dem Kronprinzen die Glü- wünsche des Hauses dargebraht und den Auftrag erhalten habe, den Dank dafür dem Hause auszusprechen. :

Das Andenken der verstorbenen Mitglieder Graf Finck von Finckenstein-Schönberg, Graf zu enug und Büdingen- Meerholz, Graf zu Dohna-Finckenstein und Ober-Bürgermcister Schüller-Koblenz ehrt das Haus in der üblichen Weise.

Neu berufen sind Majoratsbesißer Dr. Henning von Burgsdorff auf Markendorf, Ober-Bürgermeister Fun ck- Elberfeld und Erster Bürgermeister Dr. Kersten-Thorn. Die ersten beiden sind in das Haus eingetreten und werden vom Vize-Präsidenten VOIOEE: He /

Alsdann tritt das Haus in die Tagesordnung ein.

Die Petition des Magistrats und Bürgervorsteher- Kollegiums zu Wunstorf und von anderen Gemeindevorständen um Errichtung eines Amtsgerichts in der Stadt Wunstorf wird der Regierung als Material überwiesen, über mehrere Petitionen um Erhöhung der Ruhegehälter der vor dem 1. April 1897 in. den Ruhestand übergetretenen Beamten dagegen zur Tagesordnung übergegangen.

Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Bildung von Gesammtverbänden in der evangelisch- lutherischen Kirche der Pr E T Man Lee wird auf Antrag des Berichterstatters , Ober-Bürgermeisters Stru ck- mann, ohne Debatte unverändert angenommen.

Jn der Berathung des 51. Berichts der Staats- \chuldenkommission über die Verwaltung des Staats- \huldenwesens im Jahre 1898/99 wird der Hauptverwaltung der Staatsschulden über die Rehnungen Decharge ertheilt.

Die vom Zustiz-Minister ‘auf Grund eines Strafantrags des Miloslawer Deutschen Männer-Gesangvereins erbetene Ermächtigung zur Einleitung einer strafgerichtlihen Unter-

Lütetsburg um den Bau einer ] nah Norden beantragt die Eisenbahnkommi|sion der Re- gierung zur Berücksichtigung zu überweisen.

Koscielski wegen Beleidigung wird auf Antrag der Ge- \{häftsordnungekommission nicht ertheilt.

nn- und Knyphausen auf

Die Petition des Fürsten zu D G ; ollbahn von Emden

Geheimer Ober-Finanzrath Lehmann bittet, die Petition, nah

der alten Gewohnheit der beiden Häuser des Landtazes gegenüber so!chen Petitionen, der Regierung nur als Material zu überweisen. Die gewünschte Vollbaln würde allerdings den Verkehr mit Norderney beschleunigen, aber doch eines zu großen Kostenaufwand erfordern.

Nachdem Ober-Bürgermeister Küper und Graf von

Sezmising für die Ueberweisung zur Berücksichtigung ein- getreten sind im Jnteresse der Besucher von Norderney, wird die Petition der Negierung zur Berücksichtigung überwiesen.

Veber cine Petition um Aufbesserung der Ein-

kfommensverhältnisse der Eisenbahnbremser geht das Haus zur Tage2ordnung über.

Die übersichtlihe Darstellung der Ergebnisse der Ver-

handlungen des Landeseisenbahnraths im Jahre 1899 werden durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt, ebenso der Dou ert der Eisenbahnverwaltung für 1898/99 nebst der extraordinären Dispositionsfonds dieser Verwaltung für 1898/99.

den Rechenschaftsberihten über die Verwendung

Im Anschluß an den leßteren Bericht bemerkt der Minister der öffentlihen Arbeiten von Thielen: Meine Herren! Das Gesck vom 8. Juni 1897 hat eine Bahn

genehmigt von Peterédorf im {lesien Riesengebirge nah der öster» reihishen Grenze unserer \{@l-fi|hen Landestheile mit den betreffenden in Desterceichishs Mähren, namentlih zur Verbindang' mit VNeichenberg und Urigegend. Bei der speziellen Bearbeitung dieses Projekts einer Gebirg8bxÿn in allen thren Th:ilen hat fi beräusgetcllt, daß die ursprünglich ver- anfchlagte Summe zur Ausführung dieser Linie von 6 180 009 4, denen noch 5809000 Æ Pauschalbetrag für Grunderwaib hinzu-

bei Ober-Polaun ¿um Zweck der Verbindung

zurechnen sind, nicht auéreiht, daß vielmehr diese Summe ganz erbeblih wird Üüber!chritte]n werden müssen, und zwar €inmal deswegen, weil die ursprüngliße Tracierung von Linien rwoegen der großen technischen SHwizerigkeiten an vielen Punkien hat ver- lassen und verbessert werden müssen. Zweitens ader hat diz Aus- \hreibung dec Erdarbeitez ergeben, daß die Angebote um etra 959% den ursprünglichen Anschlag überschritten, weil sich kei den Vor- arbeiten und bei den Schürfversuhen herausstellte, vaß in weit höherem Maße, als angenommen werden konnte, Felsarbeiten vors genommen werden mußten. Soweit bis jeßt ein Anschlag aufgestellt werden fonnte, wird dahzr voraussihilich der Kostenbetrag dieser Linie von 6 180 090 A um eciwa 2600009 M übershritten werden, das heißt um 42 bis 43 9%.

Meine Herren, die Staatsbahnverwaltung befindet H bezüglich dieses Projekts in einer cigenthümlihen Zwangslage, und zwar infofern, als mit dem öfterreihishen Staat ein BVerirag über die Fortietzung dieser Linie auf öôsterreihishem Gebiet beshlofsen worden ist, weler die Bestimmung enthält, daß in beiden Ländern nit dem betreffenden Babnabschnitt gleihmäßig vorgegangen und sie beide gleichmäßig bis zum 15. Juni 1902 vollendet sein sollen. Dieser Termin ift aber nicht einzuhalten, wenn nicht sofort mit der Aus- führung der Linie begonnen wird.

Im Einvernehmen mit dem Heren Finanz-Minister habe ich daher den Auftrag ertheilt, mit den Erdarbeiten {hon jeßt vorzugehen. Die beiden betheiligten Herren Minister werden aber beim Landtaze der Monarchie in der nähsten Session eine Gefezesvorlage einbringen, die eine Erhöhúng des Kredits um die erforderlihe Summe beantragt. Œs würde das s{chon in der laufenden Session in der einen oder andecen Form geschehen sein, wenn es möglich wäre, jeßt {on genau den Betrag der Mehrforderungen übersehen zu können. Ich habe aber nit unterlz¿ssen wollen, von dieser Thatsache hon jeßt dem hohen Hause Kenntniß zu geben, und boffe, daß die eingehende Begründung, die im nächsten Jahre die Nalforderung begleiten wird, den Landtag veranlassen wird. die Mehrforderung zu genehmigen.

Der Bericht über die Ergebnisse des Betriebes der vereinigten preußischen und hessishen Staats- eisenbahnen im Jahre 1898/99 und die Nachweisung der bis 1899 bewilligten Staatsbeihilfen aus den Fonds zur Förderung des Baues von Kleinbahnen, fowie der bis 1898/99 erfolgten Rückeinnahmen auf Staats- beihilfen für Kleinbahnen werden durch Kenntnißnahme für erledigt erflärt.

Die Petition der Handelskammern zu Bromberg, Breslau und Posen und von anderen Korporationen der östlihen Pro- vinzen um möglichst schleunige Einführung einer Tages- \hnellzugsverbindung von Königsberg und Danzig über Dirf@&i, Bromberg, Jnowrazlaw, Posen nach Breslau und umgekehrt beantragt der Berichterstatter, Herr von Graß namens der Eisenbahnkommission der Regierung zur Erwägung zu überweisen.

Ezster Bürgermeister Knobloh- Bromberg bittet im Interesse der Stadt Bromberg den Minister dringend um Erfüllung dieses Wunses, damit die öôstlihen Städte in dea Stand gesezt würden, mit dem Westen gleihen Schritt zu halten.

Minister der öffentlihen Arbeiten von Thielen:

Meine Herren! Ich verkenne durhaus ni@t die wirths@aftlihen und politischen Gründe, die für die Herstellung einer solen Schnell- zugsverbindung sprehen, Die Petition geht auf die Einricztung einer Schnellzugverbindung zwishen Königsberg, Danzig einerseits und Breslau nebst Oberschlesien andererseits unter Berührung von Brom- berg, Jnowrazlaw und Posen. Die jeßt bestehende Verbindung geht über Kreutz, ein Umweg, der allerdings einen Mehbrzeitaufwand von fast zwei Stunden erfordert. Jh hade mi bereits dahin aus- gesprochen, daß nach meiner Auffaffung die Befriedigung des Bedürf- nisses eine Aufgabe der Staatseisenbahnverœwaltung in den nächsten Fahren sein wird, Allein, meine Herren, es sind so viele dringliche Verkehrebedürfnifse auf Vermehrung der Personenzüge, auf Umwand- lung der Personenzüge in Schnellzüge vorhanden, daß doch mit einiger Vorsicht und nur allmählih nah dieser Richtung vorgegangen werden darf. Ih möhte mir in der Beziehung nur erlauben anzuführen, daß der neue Schnellzug einen Kostenaufwand von jährli 5- bis 600 000 M erfordern wird. Was nun die Dringlichkeit des Verkebrs- bedürfnisses anbetrifft, so liegt dieselbe wohl mehr in der Zukunft als in der Gegenwart. Jh habe die Zahl der Reisenden feststellen laffen die im Jahre 1899 diesen Schnellzug zwischen den verschiedenen

Hypothek enpfandbriefe nur mit 75 °/ ihres Kurswerths beleiht als

suchung gegen das Mitglied des Herrenhauses Herrn von

Gebieten benußt haben würden. Das find täglich die Rüdckfahr-

E R iz T S t aEdaR Lg E T E A E O T T A S EC U T E E E T E S E E O S