1902 / 35 p. 9 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 10 Feb 1902 18:00:01 GMT) scan diff

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Zweite Beilage

zum Deuischen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M 3D.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Dann hat der Herr Abgeordnete Heine, um, wie ih annehme, die ungleihmäßige Behandlung der Gefangenen in derartigen Fällen zu verurtheilen, noch darauf hingewiesen, daß bei dem Transport des Bredenbeck, der von Dortmund nah Münster erfolgt ist, dieser Ge- fangene und ein anderer Gefangener, der auch transportiert werden mußte, gefesselt worden seien, der dritte dagegen ungefesselt dorthin gebraht worden sei. Es haben darüber Erhebungen \tattgefunden, die ein ganz sicheres Resultat freilih nit ergeben, weil die Dinge {hon zu weit ‘hinter uns liegen; die betreffenden Beamten können si der Sachlage nicht mehr genau erinnern. Aber es ist mit großer Wahr- \ceinlihfeit anzunehmen, daß in der That der Fall- vorgekommen ist. Mit Herrn Bredenbeck sind, wie man annehmen darf, zwei andere Gefangene transportiert worden: der eine von ihnen war, wie er, ge- fesselt; der zweite war gegen die ausdrücklihe Bestimmung, die der Transporteur erhalten hatte, nit gefesselt worden. In diesem Falle hat sih der Transpyorteur aus einem wie ih nit anstehe anzu- erfennen berechtigten Mitgefühl mit der Lage des betreffenden zu transportierenden Gefangenen über den Befehl hinweggeseßt, und zwar deshalb, weil es sich um einen 70 Jahre alten Berginvaliden handelte, der wegen gichtisher Anfälle kaum zu gehen im stande war, den man also den anderen rüstigeren Leuten nicht gleicstellen fonnte, der vermöge seines körperlichen Zustandes jeden Verdacht eines Flucht- versuches aus\{loß. Damit erhellt also der Grund für die ver- schiedene Behandlung - der drei Transportierten, und ih meine, Sie werden daraus dem betreffenden Transportcur nicht einen Vorwurf machen wollen, daß er in formell unberechtigter Weise hier Einen vor dem Andern begünstigt habe.

Das, meine Herren, - habe ih sachlich auf - die Ausführungen des Herrn Abg. Heine zu antworten. Seine allgemeinen Ausführungen fann i, glaube id, unbeschadet der Sache, der Würdigung des hohen Hauses überlassen. (Sehr richtig ! rets.)

0, ASONDEN Abgg. Gröber (Zentr.) und Genossen ist

inzwischen folgende Resolution zur Duellfrage eingegangen:

„Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, dem Reichstag

einen Gesetzentwurf vorzulegen, welher die den Zweikampf bevor-

zugenden Strafbestimmungen des 15. Abschnitts des zweiten Theils des Neichs-Strafgesezbuchs aufhebt und an deren Stelle

1) den Zweikampf, sowie die im Zweikampf verübte Tödtung und O a den allgemeinen Strafbestimmungen des 16. und- 17. Abschnitts des zweiten Theils des Reichs-Strafgeseß- A über Verbrechen und Vergehen wider Leib und Leben unter- stellt;

2) diesen allgemeinen Strafbestimmungen Vorschriften hinzu- fügt, welche a. die Herausforderung zum Zweikampf und die An- nahme einer solhen Herausforderung, b. die Bezeigung von “Ver- achtung wegen Unterlassung einer Herausforderung zum Zweikampf oder wegen Nichtannahme einer solchen Herausforderung mit Gefängnißstrafe bedrohen; j

3) wegen der genannten strafbaren Handlungen neben einer verwirften Freiheits\trase von mindestens 3 Monaten auch den Verlust der bürgerlihen Ehrenrehte dann zuläßt, wenn der Thäter {ih einer ehrlosen Handlungsweise schuldig gemacht -hat.“

Abg. Gröber (Zentr.): Die besonderen éigenartigen Bedürfnisse der: Presse wegen des Gerichtsstandes haben {hon wiederholt Ver- anlassung gegeben, auf eine geseßliche Regelung zu dringen. Wie steht es mit den bezüglichen Arbeiten? Im Fälle Bredenbeck sind die vorgekommenen Ausschreitungen mißbilligt worden; es wird aber bestritten, daß der Fall zu unserer Kompetenz gehöre. Das können wir nit gelten lassen. Im Punkte der vorläufigen reglementarischen Ordnung des Strafvollzuges kann ih nur dem Staalssekretär beitreten; der eigentliche Strafvollzug ist Landessache, und nur wenn - reichsrechtliche Bestimmungen darüber nicht \sinn- gemäß ausgeführt würden, hätten wir Grund zur Klage. Solche Bestimmungen sind aber eben noch nicht vorhanden. Ich sehe die- erfolgte Va Vereinbarung als Vorarbeit "für das fünftige Reichs-Strafvollzugsgeseß an; sie hat- auch erfreuliche Fort- schritte gegen die bisherigen landesgeseßlihen Bestimmungen gebracht. Etne communis opinio auch nur der gelehrten Welt über die beste Regelung der Strasvollstreckung ist nicht vorhcnden, die Strafvoll- zugsbeamten gehen in ihren Meinungen noch weitex auseinander. Die Vorbereitung wird wohl noh eine Reihe von Jahren in An- spruch nehmen In erster Nei L interessiert die Frage der Be- sträfung jugendliher Verbrecher. O ist, daß die Vorarbeiten für die Nevision des Strafgeseßbuches hon im Gange ind. Aber wie mit dem fliegenden Gerichtsstand gesondert vorgegangen werden soll, so würden sih au verschiedene Materien des eigentlichen Strafrechts vor dieser allgemeinen Revision regeln lassen, und dazu gehört vor allem die Frage des Zweikampfes. Hierzu haben wir ‘den angefündigten Antrag eingebracht. “Es liegen ja andere Anregungen vor. Eine derselben will beim Militär-Etat die Frage zur Verhand- lung stellen; damit wird der Gesichtskreis zu sehr verengt; der Geseß- entwurf, den der Abg. Schrader eingebracht hat, dürfte noch lange auf seine erste Lesung zu warten haben. Darum sind wir mit dieser Resolution gekommen. Das geltende Strafrecht enthält Begünstigungen des Duellwesens, „indem es sie unter besondere Bestimmungen stellt. Gewisse Stände erachten sich besonders befugt, in ihren Kreisen das Duell - zu pflegen, sie haben auf baldige Be- gnadigung zu rechnen; das sind ungesunde Zustände. Das Haus ist in ter Verurtheilung dieser Bevorzugung eintg,_ anders der Bundes- rath. Der Kriegs-Minister huldigt der Auffassung, das Duell sei

esezlid vorgeschrieben; diese seine auffallende Erklärung ist seiner eit auffallender Weise unwidersprochen geblieben und hat erst später cine Zurückweisung erfahren, indem ich an den Kriegeherrn selbst appellierte, ob die Auslegung des Kriegs-Ministers richtig war. Es if uns aber weiteres nicht bekannt geworden. Wir legen jener Auffassung gegenüber die unsrige in der Refolution dar. Andere Gesetzgebungen sind nit so zumperlich wie die deutsche gegen das Duellunwesen aufgetreten. Auch die deutsche gerihtlihe Praxis faßt noch immer das Duell allzusehr mit Sammethand huhen an. Die Festungsstrafe wird in Fällen verhängt, wo nach allgemeinem Urtheil durchaus eine Gefängnißstrafe am Plaße gewesen wäre. Die Straf- rehtslehrer sind gegen die Bevorzugung. Die Tödtung im Duell fann ein ganz ¿bee Mordfall fein, E Binding, wo nur einige äußere Formalitäten beobachtet worden find. Die Feslungssirafe, ist cigentlih überhaupt keine Strafe. Eine besondere Strafark sür diese strafbare Handlung ist nicht angezet t, darin stimmen die Urtheile der Strafrechtsautoritäten überein. ir wollen die S den Zweikampf abgeschafft und den allgemeinen Bestimmungen Über Körperverleßung unterworfen wissen. Die Bezeigung von A wegen Nichtannahme einer Herausforderung muß mit Gefängniß

bedroht werden.

Berlin, Montag, den 10. Februar

Abg. Dr. Esche (nl.): Der Staatssekretär hat erfreuliher Wéise die Nothwendigkeit einer Revision des Strafgeseßbuches anerfannt, aber leider soll es noch lange dauern, bis wir eine solche Vorlage erhalten. Das Wünschenswertheste wäre ein neues Strafge}eßbuch, aber dann würde die Verabschiedung si wohl sehr lange verzögern. Es möchte ch daher auch nah meiner Meinung mehr empfehlen, nah dem Vor- gange bei der Gewerbeordnimg mit Novellen vorzugehen. Die Be- stimmungen über die Strafmündigkeit sind dringend der Abänderung bedürftig; die untere Grenze muß auf das 14. Lebensjahr hinauf- g werden. Auch die jeßt im Geseß gegebenen Kriterien

ür die Verurtheilung eines jugendlichen Verbrehers sind unhaltbar. Dem Richter muß au die Möglichkeit gegeben werden, nah eng- lishem Muster sogleih an Stelle der Strafe auf Ueberweisung an eine Besserungsan|talt zu erkennen. Ferner sind die Vorschriften über die Beleidigung durchaus reformbedürftig Schwere Beleidigungen,

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Verleumdungen, üble Nachrede kommen jeßt vielfa mit zu geringen Strafen davon, weil die Strafmaxima zu niedrig sind. Hier müssen durhaus höhere Strafen eingeseßt werden. Durch Verleumdungen können nit allein moralisch, sondern au wirthschaftlich ganze Existenzen vernichtet werden; für Verleumdungen, bei denen die Ehr- abschneidung bewußte Absicht war, sollte sogar Zuchthausstrafe ver- hängt werden. „Nichtswürdig ist die Nation, die nicht ihr alles freudig seßt an ihre Ehre.“ Damit will ih niht dem Duellwesen das Wort reden; ih begrüße mit Freuden die Vorschläge Gröber und Schrader. Eine ungemein dringliche Reform ist diejenige der Bestimmungen über den groben Unfug, die dur die neuere Recht- sprechung ganz ihrem ursprünglichen Inhalt entfremdet worden sind. Wenn ein Reichs-Strafvollzugsgeseß noch keine Aussicht hat, so sollte doh ein Reichskommissar zur Nevision der einzelstaatlihen Straf- anstalten bestellt werden, damit wir auf diesem Gebiete etwas weiter fommen. Die Strafprozeßordnung erfüllt au noch nicht alle be- rechtigten Ansprüche. Wir brauchen die großen Schöffengerichte, welche im Volke viel Anklang finden würden. /

Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. Nieberding:

Meine Herren! Ich habe vorher versäumt, auf eine Anfrage Auskunft zu geben, die der Herr Abg. Gröber im Laufe seiner Dar- legungen an mich gerichtet hat; ih möchte das jeßt nachholen.

Der Herr Abgeordnete hat auf die Verhandlungen Bezug ge- nommen, die im vorigen Jahre hier gepflogen worden sind über den sogenannten fliegenden Gerichtsstand der Presse, und er hat mich an die Erklärungen erinnert, die ih damals abgegeben habe. zu der Frage, wie-die legislatorische Behandlung dieses Gegenstandes stehe. Seine Bezugnahme auf die vorjährigen Verhandlungen war durchaus zu- treffend. Bei der Berathung des Urhebergesczes war ein Antrag ge- stellt worden, dieses Geseß zu benußen, um die Frage des fliegenden Gerichtsstandes zu einer von der Revision der Strafprozeßordnung ab- schenden selbständigen Erledigung zu bringen. Ich konnte damals

niht empfehlen, diese Frage mit dem ihr fremdartigen Gegen- stande des Urheberrechts zu verbinden; ih habe aber meine Bemühungen zugesagt, damit die Frage baldmöglichst zu einer Er- ledigung komme. Der Reichstag hat daraufhin von einer Verbindung der Materien abgesehen und sih darauf beschränkt, eine Resolution zu fassen, die von neuem die Regelung des fliegenden Gerichts\tändes ab- gesondert von der Strafprozeßordnung verlangt.

Meine Herren, wenn auch dur diese Resolution ohne weiteres den verbündeten Regierungen die Sache nahegelegt war, so habe ih doch auch mein Versprechen, das ich damals abgegeben habe, halten wollen und meinerseits die Sache bei den hohen Regierungen zur An- regung gebracht. Das ist auch, wie ih dankbar anerkenne, insofern nicht auf unfruchtbaren Boden gefallen, als Ver- handlungen unter den Regierungen eingeleitet wurden. Jch muß aber erklären , daß diese Verhandlungen zur Zeit noch nicht zum Abschluß gekommen und noch nicht bis zu einem Entwurfe ge- diehen find, der für die Vorlage an das hohe Haus geeignet wäre. Sie haben inzwischen aber doh den Erfolg gehabt, daß in der Praxis die Verfolgung von Strafthaten, die mittels der Presse begangen werden, außerhalb des Ortes, an denen das betreffende Preßerzeugniß ershiénen ist, im wesentlichen beseitigt ist. Im Großen und Ganzen wird dort verfolgt, wo das Blatt erscheint, mit Auénahme der Privat- klagen. Auf die Verfolgung der Privatklagen, meine Herren, hat ja die Staatsverwaltung feinen“ Einfluß; da liegt es in der Hand des Klägers, wo er die Verfolgung einleiten will. In diesem Punkte haben aber auch die verschiedenen Resolutionen, die der Reichstag gefaßt hat, und die Beschlüsse der Kommission zur Strafprozeßordnung an- erfannt, daß hier eine Ausnahme gerechtfertigt sei. Soweit aber da- mals eine geseßlihe Regelung im Sinne eines einheitlichen und einzigen Gerichtsstandes zur Erörterung stand, sind von mir -die Schritte gethan, die erwartet werden fonnten.

Was die vielfachen Anregungen betrifft, die in den Ausführungen des leßten Herrn Vorredners enthalten waren, so möchte ih nur einen Punkt berühren, weil ich glaube, ihn berühren zu müssen, damit nicht über meine Stellung zu der betreffenden Frage hier im hohen Hause ein Mißverständniß sih ergebe. Es betrifft das die Heraufseßzung des strafmündigen Alters bei den Kindern. Dieses Alter beginnt be- fanntlih nah dem Strafgeseßbuch mit dem 12. Jahre. Der Herr Vorredner hat sich zum Anwalt derjenigen Meinung gemacht, welche es für rihtig hält, eine gerichtliche Bestrafung überhaupt erst im späteren Lebentalter eintreten zu lassen, also diejenigen Kinder unter diesem Alter, die gegen die Strafgeseße fehlen, niht vor den Straf- richter zu verweisen, sondern anderweiter Besserung zuzuführen. Er Hat dabei Bezug genommen auf eine Erklärung, die ih hier vor einigen Jahren abgegeben habe, in der ih nicht Anstand nahm, für mich persönlih gzu sagen, daß ih diesem Gedanken freundlih gegenüberstehe. Das Neichs-Justizamt hat denn auch über die Frage ausführliche Erörterungen mit den Einzelregierungen an- gestellt und hat namentlich auch statistishe Unterlagen erbeten, um die Frage maßgebend beurtheilen zu fönnen. Nun habe ih bereits im vorigen Jahre auf eine Anfrage hier im Hause sagen können, daß die zahlenmäßigen Erhebungen zum Abschluß gekommen wären, daß sie aber keineswegs wie ih nohmals zu meinem großen Bedauern fonstatieren muß das günstige Resultat bezüglich der Kriminalität der Jugend ergeben hat, von dem ih früher ausgegangen war, und das mich bestimmte, in diesem Punkte der Auffassung des Herrn Vor-

trafe.

redners zu folgen. Meine Herren, wir haben feststellen lassen das wird

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das hohe Haus für die Würdigung dieser Frage interessieren —, wie»

viel Strafthaten in den Jahren 1894—1898, in diesen 5 Jahren,

von Kindern im Alter von 12—14 Jahren verübt sind im Deutschen: Reich, und welcher Art diese Strafthaten waren. Da hat si nun

zu unserer shmerzlichen Ueberrashung Folgendes ergeben : Es sind in

diesen 5 Jahren im Ganzen bestraft - worden wegen Vergehen und

Verbrechen Uebertretungen lasse ih fort, ih rechne hierher auch die

bekanntlih unter der Jugend sehr zahlreichen Delifte des Forstfrevels und Felddiebstahls 45 510 Kinder, sodaß auf die Kinderwelt unseres Vaterlandes im Durchschnitt dieser 5 Jahre jährlih 9000 Straffälle: abgerundet es kommt auf die kleineren Ziffern ja nicht an fallen. Von diesen 9000 Fällen jährlich sind nur durhschnittlih !/15, also etwa 900 von den Gerichtshöfen so angesehen worden, daß die Zurehnungs- fähigkeit der - Kinder, um es kurz auszudrücken, nicht so weit nah- gewiesen war, um sie zur gerichtlichen Bestrafung zu ziehen, sie wurden: infolge dessen auf Grund des § 56 Absah 1 des Strafgesebuchs frei- gesprochen. In den übrigen neun Zehntel Fällen haben aber die- Gerichte angenommen, daß die Kinder strafrechtlich verantwortlih» gemacht werden könnten, und deshalb die im Strafgeseß vorgesehenen: Strafen eintreten müßten. Zur näheren Charakterifierung führe i noch an, daß die Strafthaten, die im Bereich der Kinderwelt vor- gekommen sind, keineswegs immer leichte Delikte gewesen sind. Es ergaben ih bereits unverkennbare Spuren dafür, daß hiér au Keime des gewohnheitsmäßigen Verbrechens si ausbilden... Unter den Diebstahlsfällen finden sich 223 Fälle, bei denen die Kinder wiederholt, wegen Rüffalls, zur \trafrechtlihen Ver- antwortung gebracht werden mußten. Aber noch weiter, meine Herren, es sind auch zahlreiche, Fälle vorgekommen, aus denen fich ‘er- giebt, daß Kinder bei sehr schweren Verbrechen ihre Mitwirkung ge- liehen haben. Es sind Kinder überführt worden in 8 Fällen bei Mord, in. 15 bei Münzverbrechen, in 116 bei Raub und räubecisher Erpressung, in 19 bei vorsäßliher Gefährdung eines Eisenbahnzuges, in 222 wegen vorsäßliher Brandstiftung und zuleßt der traurigste, in 726 Fällen wegen Unzucht mit Gewalt oder an Kindern. Meine Herren, wenn man sih diese erschreckenden Zahlen vergegenwärtigt, muß man stußig werden, ob es richtig sein würde, cine Erhöhung des strafmündigen Alters jo, wie es der Herr Abg. Esche im Auge hat, und zu der, wie ih nicht leugne, aud) ih früher neigte, eintreten zu laffen. Es wird Gegenstand

weiterer Erwägung sein müssen, ob in anderer Weise hier eine Nü- sicht auf das Kindesalter genommen werden kann, etwa derart, daß: man Kinder nicht, alten Verbrechern glei, öffentlih vor dem Richter zur Rechenschaft zieht. Das aber haben diese Zahlen begründet, daß von seiten des Reichs-Justizamts zur Zeit der Gedanke nicht weiter verfolgt werden kann, alle Kinder bis zum dreizehnten oder vierzehnten Lebensjahr der strafrehtlihen Verantwortlichkeit völlig zu entziehen. Wir würden, glaube ih, angesichts der Zahlen, die ih die Chre hatte vorzutragen, damit einen nicht zu verantwortenden Schritt thun,

Abg. Pr. von Dziembowski-Pomian (Pole): Besonders: reformbedürftig ist die genaue Abgrenzung der Kompetenz zwischen den- ordentlichen und den Verwaltungsgerihten. Damit erst wird der Justiz- reform der Schlußstein N t. Cine der wundesten Stellen in unserer Rechtspflege ist die Möglichkeit für die Regierung, nah ihren Belieben den S zu erheben, wodur die Nechtsprehung der Gerichte sehr bequem S werden kann: Redner verbreitet ih dann über die Frage der Vorbildung der Juristen und yerlangt, daß der Schwerpunkt auf das Privatrecht gelegt werde. Er rügt ferner die fortgesezte Verwendung von Gerichts-A essoren als Hilfs=

: :

richter bei wichtigen Fragen, auch solchen mit politischem Hintergrunde, wie es im Wreschener Squlprozeß wieder geschehen sei. Der Be sei nicht unabseßbar, wie es der erkennende Nichter nach der Verfassung sein solle. Auch bei der Urtheilsausfertigung werde nicht immer den Vorschriften entsprechend verfahren.

Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. Nieberdin g:

In den einleitenden Bemerkungen seines Vortrags ist der Herr Norredner auf einen Gegenstand gekommen, der voraussichtlih in furzer Zeit das hohe Haus aus anderer Veranlassung beschäftigen wird. Der Herr Vorredner hat sich darüber beshwert, daß vow den an und für sich mit privatrechtlichem Charakter bekleideten Streitsahen, die vor die BZivilgerihte gehören würden, in einzelnen Staaten er hat ‘da namentlich wohl Preußen. im Auge ein gewisser Theil an andere Instanzen ver® wiesen werde. Jch. kann demgegenüber nur verweisen auf den 8 13 des Gerichtsverfassungsgeseßes mit den bezüglihen Be- stimmungen der Zivilprozeßordnung. Diese reichsgesezlihen Vor=- schriften gestatten es den Einzelstaaten, in gewissem Umfange Privat- rechtssahen an andere Behörden wie die ordentlichen Zivilbehörden zu verweisen. Das ist nicht nur in Preußen, das ist au in anderen Staaten geschehen, aber auf dem Wege der Bundesgescßgebung und der Mitwirkung der Stände. Es liegt hier also ein reichsrechtlich und landesre(tlih normaler Zustand vor, und wenn die Angriffe des Herrn Abgeordneten begründet sind, dann muß er sie richten gegen die einschlägigen, von mir angezogenen Vorschriften im Gerichtsverfassung8- geseß und in der Zivilprozeßordnung. Materiell ist da allerdings nichts entschieden, und für jeden einzelnen Bundesstaat ist es bis zu einer bestimmten Grenze“ in das Ermessen der Landesgesetzgebung gestellt, welche Streitfragen dem Nichter und welche andéren Behörden über= wiesen werden sollen. In ter That ist das auch in den einzelnen Bundes- staaten in sehr verschiedenem Umfang geschehen. Diese Frage ist bei der Be= rathung des Bürgerlichen Geseßbuchs zur Sprache gekommen, und damals ist von dem hohen Hause der Wunsch ausgesprochen worden, eine: Uebersicht über den einschlägigen Nechtszustand in den einzelnen Bundes= staaten zu bekommen. Diese Uebersicht ist dem Hause auch bereitwillig, versprohen worden, und sie ist jeßt so weit gediehen, daß wir sie in kurzer Zeit dem Hause werden vorlegen können. Die meisten Staaten haben das nöthige Material in wohl vorbereitetem Zustande geliefert, auch der größte Staat, Preußen, hat das Material bereits vorgelegt; es fehlt nur noch aus einem Bundesstaat. Sobald es au) von diesem eingegangen sein wird, werden wir nit zögern, dem Hause die

entsprehende Vorlage zu machen. Das Haus wird“ dann die ‘Frage,