1902 / 35 p. 10 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 10 Feb 1902 18:00:01 GMT) scan diff

tie der Herr Vorredner hier angeschnitten hat, von einem allgemeineren Gesichtspunkt aus zu prüfen in der Lage sein.

¿ Der Herr Vorredner ist dann gekommen auf einige Vorwürfe gegen die Gerichte, die sich wohl auch wesentlih rihten gegen die preußischen Instanzen. Er hat gemeint, nah seinen "Erfahrungen würde bei der Urtheilsausfertigung in den Gerichtshöfen nicht streng nah dem Gesey verfabren, überhaupt niht immer korrekt verfahren. Nun, meine Herren, soweit es sich dabei um Geseßzwidrigkeiten handelt, sind die Parteien doch in der Lage, den Weg der Revision einzu- slagen, also im ordentlihen Wege Rechtens Remedur für die Miß- bräuche zu suchen, die von dem Herrn Abgeordneten behauptet werden. “Soweit es sich aber um Inkorrektheiten anderer Art, um Vernach- Täffigungen handeln sollte, an die ich zunächst nicht glauben möchte, muß ih den Herrn Abgeordneten an die einzelnen Landesverwaltungen, Für Preußen an den preußischen Herrn Justiz-Minister verweisen. Ih Habe feinen Zweifel, daß, wenn solche Unregelmäßigkeiten vorkommen, der preußische Herr Justiz-Minister in den Grenzen seiner Machtvollkommen- beit gegenüber den Gerichten das Nöthige veranlassen wird.

Der Herr Vorredner hat endlih bedauert, daß in unseren juristishen Kreisen das Gebiet des Strafrechts, der Behandlung \traf- re@htliher Sachen nicht gleihe Beahtung und Schäßung finde wie das Gebiet des Zivilrechts. Er meint, daß in großem Umfange bei unseren Juristen die Neigung bestehe, \sih lieber den Zivilgerihten als den Strafgerichten zuzuwenden. Meine Herren, ih muß das bis zu einem gewissen Grade zu meinem lebhaften Bedauern anerkennen; es ift das ein alter Schaden, der besteht, und ih kenne verschiedene preußische Fustiz-Minister, die in Mißbilligung dieses Vorurtheils, wie ih es nennen möhte, bemüht gewesen sind, hier auf cine zutreffendere Auffassung hin- zuwirken. Aber, meine Herren, der Justizverwaltung, die der Herr Abgeordnete anscheinend zur Verantwortung ziehen will, steht hier auch nur in sehr beshränktem Umfange ein Einfluß auf die Dis- positionen der Gerichte zu. Wenn der Herr Abgeordnete sih darüber beklagt, daß die besseren und rüftigeren Richter in die Zivilklammern und Zivilsenate, die übrigen aber in die Straffammern und Straf- Jenate geseßt werden, so kann ich ihn nur auf die Bestimmung der Neichsgeseße hinweijen, welche diese Frage der Einwirkung der Justiz- verwaltung entzieht und den Gerichtspräsidien die Aufgabe übertragen hat, die Vertheilung der Richter in die verschiedenen Ab- theilungen der Gerichte zu vollziehen. Wenn nah dieser Richtung Hin niht so verfahren wird, wie der Herr Abgeordnete wünscht, daß es geshehe, so fann jedenfalls der Justizverwaltung daraus ein Vorwurf nit gemacht werden, am allerwenigsten aber în diesen Landessachen dem Reichs-Justizamt. Wenn der Herr Vor- redner dabei Bezug nimmt auf den Artikel 17 der Reichsverfassung, der die Verantwortlichkeit des Reichskanzlers und der ihm zugewiesenen Staatssekretäre betrifft, so will ih diese Verantwortlichkeit anerkennen, aber das würde hier in umgekehrter Richtung wirken, als der Herr Abgeordnete das meint. Denn wenn der Staatssekretär sih in der pon ihm gewünshten Weise bemühen wollte, die Beseßung der Ge-

“richte zu beeinflussen, so würde er zur Verantwortung gezogen -werden, weil er dem Wunsche des Herrn Vorredners nachgegeben hat und damit die Vorschriften der Neichêgeseße verleßt und das möchten wir doch vermeiden.

Abg. Dr. Müller- Meiningen (fr. Volksp.): Auf dem Gebiete des formalen Rechts sind wir ar dem todten Punkt angelangt. Ich hoffe, daß die Angelegenheit des fliegenden Gerichtsstands endlich er- Tedigt wird. Eine zweite Frage ist die des Zeugnißzwanges, die in Jeßter Zeit wieder akut geworden ist. Der Zeugnißzwang verstößt

die guten Sitten. In einem Fall hat der Staatzanwalt ge- Jagt, der Redakteur habe unshön gehandelt ; um so mehr muß ih es tadeln, daß er sich nicht gescheut hat, den Zeugen zu nennen. Damit Hat der Staatsanwalt das ganze System in eincr Weise ver- urtheilt, wie es nit härter verurtbeilt werden fann. Die ganze Presse ist der Meinung, daß es eine Forderung der öffent- Lichen Moral i}, den Zeugnißzwang vershwinden zu lassen. Die Entschädigung unschuldig Verhasteter ist eine dritte wichtige Forde- rung. Die Regierung hat die moralische Verpflichtung, der Oeffent- lichkeit ein Zugeständniß zu machen. Redner erinnert an den Fall der Verhaftung deo Gerbermeisters Brehm im Reußischen, der früher ein Vermögen von 300000 F gehabt und durch die Verhaftung dies eingebüßt hätte. Als der Verhasftete

guf “Entschädigung antrug, fährt der Redner fort, meinte der Fiéfus, der Entlassene habe sein Vermögen {on vor der Verhaftung verloren und könne nur als Gerbergeselle entshädigt werden; es wurden ihm 0,75 9% seines Vermögens zuerkannt. Im Prozeßverfahren sdwebt die Sahe noch. Fälle von Rechtsverweigerungen kommen immer noch vor. Im vorigen Jahre ist die Nothwendigkeit einer Aenderung der Geseßgebung betont worden. Vielleicht geschieht dies in Form eines Reichs-Kompetenzkonfliktsbofs. In Bezug auf die Behandlun der Strafgefangenen muß mehr geschehen. Der Fall Bredenbeck i geradezu beshämend. Es ist doc gleichgültig, ob der Bredenbeck Berg- arbeiter oder nur „Sißredakteur“ ist, oder ob er {hon wegen Be- Teidigung bestraft worden ist. Er war thatsählich Redakteur und anußte als solcher behandelt werden. Bemerkenswerth scheint mir die

ärung des Ober-Bürgermeisters Schmieding in Dortmund, daß die ß elung in jener Gegend das naheliegendfte und gebräuchlihste Mittel i. Gegen diese Auffassung muß der Reichstag energisch Front machen. Das plein pouvoir der Polizei muß als verwerslih zurückgewiesen werden. Ein Strafgefangencr darf nit wie der gemeinste Verbrecher und Spißbube behandelt werden. Der Staatssekretär lehnt jede Verantwortung ab. Wir wollen nicht, daß die Verantwortlichkeit Leuten fiberlassen wird, die sie nit tragen können, wie es bei der Theaterzensur der Fall ist. Der Fall Bredenbeck ist übrigens nicht vereinzelt. Auch andere Fälle zeigen, daß der Polizei die Achtung vor dem höchsten Rechtsgut, der Hre, abgeht. In Bremen und in Frankfurt, wo ein Verhafteter vergessen und beinabe verhungert ist, sind ebenfalls ähnliche Fälle vorgekommen. Au der Fall Kuhlenkampf zeigt, daß wir mit einer Aenderung des Gesetzes nicht länger warten dürfen. Der Staatssekretär bewegt si in einem circulus vitiosus; erst soll das neue Strafgeseßbuh kommen und dann die Aenderung des Strafvollzuges, und dann heißt es wieder umgekehrt. Der Fall Kuhlenkampf ist fo s{chrecklich wie E Der Frankfurter Fall nicht minder, wo der Verbaftete mit Stras- efangenen zusammengesperrt und von ihnen verhöhnt wurde. Die ängnißverhältnisse, wie sie jept sind, sind unhaltbar, wie ih {hon im vorigen Jahre sagk abe. Ein großer Theil unserer Gefängnisse ist eine Brutstätte des Lasters. die rrobung der Jugend hören niht auf. ) wirthschaftlichen Krisis wird die Zahl der jugendlichen Ver- breher noch zunehmen. Ich bedauere, daß der Staatssekretär uns für die nächste Zeit keine gesetgeberishen Maßregeln versprechen fonnte. Prügelexperimente belfen hier nihts, und ih bedauere die vorjährige Bemerkung des Abg. Oertel, die so sehr in Widerspruch teht mit seiner sonst so milden Sinnesart und mit seinem Naturell. Er hat einen delle in der Noth aus ciner deutschen Residenz ge- funden. Es ijt behauptet worden, daß ein deutsher Fürst Kinder, Mädchen und Knaben, zu Prügel strafen statt Gefängniß begnadigt habe, und daß die Prügelstrafe in einer Weise ausgeführt oche die etwas an die „lex E erinnert. Was würde Herr Oertel sagen, wenn ein Redakteur zu E, begnadigt würde? Mit einer solhen Ausübung des Begnadigungêrechts wäre den Herren nicht geholfen. Reichsrecht

Die Klagen über In der jeßigen

geht do vor Landesrecht. Verantwortlich ist ja zunähst der betreffende Minister des betreffenden Staats, und ih frage den Staatssekretär, was er von dem Fall weiß. Die Reformbedürftigkeit des Reichs- Strafgeseßzbuhs zeigt der Fall der Beschlagnahme der Antwort des Grafen Leo Tolstoi an den heiligen Synod in Sachsen. Dieser Fall ist sehr beschämend für uns. Die Schrift ist auf Grund des § 166 als Beschimpfung der christlichen Religion beschlagnahmt worden. In Rußland ist jene Schrift zwar formell beschlagnahmt worden weil alle derartigen Schriften formell verboten werden, sie ist a in Hunderttausenden von Exemplaren in Rußland verbreitet. Die Stadt der größten „Helle“ in Sadien ist noh russischer als Rußland. Das sähsishe Gericht hat \sich schwer blamiert, aber die Haupt- huld trifft den § 166 des Strafgeseßbuchs. Die Kämpfe bei der unseligen lex haben bewiesen, daß fie ein Kinderspiel waren gegen die, welche das neue Strafgeseßbuh entfahen würde. Weil in der nächsten Zeit an eine prinzipielle Aenderung dieses Geseßbuches nit zu denken ist, so muß das Reih wenigstens unsere Jnitiativanträge be- züglih der Majestätsbeleidigungen, der leichten Diebstablsfälle u. f. w. Bs Gesez erheben. Die Statistik des Staatssekretärs über Majestätsbeleidigungen hätte doch nur einen Werth, wenn die poli- tischen Fälle von den anderen getrennt würden. Es kommen Fälle vor, wo ein armer Strolch eine Majestätsbeleidigung begeht, um unter Dah und Fah ‘zu kommen. Jn der Duelltrage hat sich in der Presse ein großes Maß von Heuchelei gezeigt. Christenthum und Standeévorurtheile und Duelle lassen sih nit vereinbaren. Der han Bennigsen-Falkenhagen hat dem Faß den Boden ausgeschlagen. er Mordgeselle hat dem {mählich betrogenen Freunde die Ehre ge- raubt und ihn dann niedergeknallt, und hier in Berlin trieb si der Bursche bei Sekt und Austern mit Dirnen in Ballsälen herum! Und dafür steht ihm weiter nihts als Festungsstrafe bevor, die eigentli keine Strafe ist! Da muß allmählich der Gedanke an Klafssenjufstiz sich Geltung verschaffen. Für einen Burschen von \o gemeiner Ge- finnung ist die castodia honesta niht am Playe. Mit der Ziffer 2 und 3 des Antrags Gröber sind wir einverstanden. Zwischen der Herren- moral im Duell und den furhtbaren Strafen gegen die Arbeiter tritt ein Unterschied hervor, der in den Arbeiterkreisen Haß und Groll hervorrufen muß. Der erwähnte Erlaß der Minister des Innern und der Justiz muß den Gedanken an eine Klassenjustiz in der Arbeiter- schaft noh verstärken. Gewisse Juristenklassen müssen sich becinflussen lassen durch jene Anweisungen. Es giebt doch auch schr {wache Richter, und es muß selbst der Verdacht vermieden werden, daß auf diese Weise auf sie eingewirkt werden könnte. Der Reichskanzler und der Staatssekretär haben ein Ueberwahungérecht über die Justiz. Das Vertrauen zur Justiz ist nicht mehr das alte. Der Staatésekretär sollte Reformen, die nothwendig sind, nicht länger hinziehen.

Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. Nieberding:

Meine Herren, ih habe nur einige Richtigstellungen zu machen und einige Fragen des Herrn Vorredners zu beantworten. Auf die allgemeinen Ausführungen werde ih nit eingehen.

Der Herr Vorredner hat mir den Vorwurf gemacht, daß ih die

Gesetzgebung auf dem Gebiete des Strafrechts und vielleiht auch auf anderem Gebiete nicht genügend fördere, und daß es meine Aufgabe sei, dieser Gesetzgebung Fortgang zu \{haffen. Jh muß dem Herrn Vorredner antworten, daß das niht meine Aufgabe ist. Die Geseß- gebung liegt verantwortlih bei den verbündeten Regierungen und nit bei mir. Ih habe in diesem Betraht nihts Anderes zu thun, als diejenigen Dinge, die von dem Bundesrath namens der verbündeten Negierungen bes{lossen werden, auszuführen. i : Der Herr Vorredner hat dann an mih die Fragé gerichtet, ob mir etwas Näheres bekannt sei über gewisse Begnadigungsfälle in einem fleineren Bundesstaat. Jch antworte darauf, daß mir über diese Begnadigungsfälle nihts bekannt ist, daß ih auch keine Veranlassung genommen habe, mi mit der betreffenden Regierung aus Anlaß von allerhand Preßmittheilungen in Verbindung zu \seßen. Die Ver- fassung und die Geseßgebung des Reichs geben mir keine Unterlage, um in dieser Beziehung Aufklärung von einer der Bundesregierungen zu verlangen, und wenn ih sie verlangen würde, dann würde ih eine Antwort erhalten, die mir nicht willkommen sein könnte.

Der Herr Vorredner bat mir tann nacgesagt, ih bewegte mi auf dem Gebiet der Neform des Strafgeseßbuhs in einer gewissen Unklarheit: bald wäre vom Strafvollzug die Rede, bald von einer Reform des Strafsystems und dann wieder von einer Reform des Strafgeseßbuchs, bald würde das eine, bald das andere in Vordergrund ges{hoben, und so entstehe ein circulus vitiosus. Der Herr Vorredner hat mich wohl mißverstanden. Die Reform des Strafsystems ist ein Theil der Reform des Strafgeseßbuchs. Wenn das Strafsystem in Angriff genommen wird für eine Reform, so geben wir an eine Reform des Strafgeseßbuchs selbst. Es stehen nur zwei Dinge in Frage: die Reform des Strafgescßbuhs und die geseßliche Regelung des Strafvollzugs. Jch habe mich auf den Standpunkt gestellt, daß das Strafgesezbuch zuerst revidiert werden müsse, und daß wir erst dann an die Regelung des_Strafvollzugs herantreten könnten. Wie darin ein circulus vitiosus gefunden werden konnte, das kann ih uit erkennen. 7 ;

Der Herr Vorredner hat dann verlangt, daß unbedingt bei der Megelung des Strafvollzugs eine Trenzung der Untersuhungêsgefangenen von den Strafgefangenen eintreten müsse. Wenn der Herr Vorredner sih die Bestimmungen, die in dieser Beziehung in den einzelnen Bundesstaaten erlassen sind, ansehen wollte, dann würde er erfahren, daß diese Trennung jeßt {on geboten ist, daß also in dieser Be- ziehung von unserer Seite nihts zu geschehen braucht. Sollten in einzelnen Fällen die Vorschriften niht beachtet werden, so kann das lebhaft bedauert werden, aber das kann der Justizverwaltung des Reichs keine Veranlassung geben, an neue reformatorische Gedanken heranzutreten. ï

Der Herr Vorredner hat dann gegen mich den Vorwurf erhoben, daß von seiten des Reichs-Justizamts nihts geschehen sci in Verfolg des Erkenntnisses, welches das Reichsgeriht im Mai vorigen Jahres gefällt habe über die Stellung des Reichsgerihts zu den Kompetenz- konflikten einzelstaatlißher Instanzen; ih glaube, der Herr Vorredner bewegt sih auch da in einem Mißverständnisse. Das Reichsgeriht hat sih im vorigen Jahr in einem maßgebenden Urtheil auf den Standpunkt gestellt, daß gegenüber dem Reichs- gericht bei allen den Sachen, die an das Reichsgericht gelangt sind, von Kompetenzkonflikten, die von einzelnen Landesiuftanzen erhoben werden, feine Rede sein könnte, daß das Reichsgeriht in diesen Kompetenzfragen gegenüber den Landesinstanzen souverän sei. Dieser Gedanke is bereits in einer Anzahl von Landesgeseßzen zur Aus- führung gekommen. Eine Lücke in dieser Beziehung besteht in Preußen. In Verfelg des Urtheils des Reichsgerihts ist man aber auch bier an die Regelung der Sache gegangen, und voraussihtlich wird in kurzem in Preußen die Vorlage eines Gesetzes erfolgen, durh welches unter Aufrechterhaltung des Standpunktes des Reichsgerichts ausgeschlossen wird, daß Kompetenzkonflikte erhoben werden können bei Sachen, die beim Reichsgericht s{chweben. Also alles, was der Herr Vorredner wünscht, wird in kurzer Zeit erreicht sein. |

Der Herr Vorredner Yat dann meine Mitwirkung genommen in der Frage der Fesselung des Gefange: es lâge in der Kompetenz des Reichs, hier cinzush polizeilihem Gebiete. Ich bedauere, in dieser Beziehung « Meinung zu sein. Ih weiß nicht, worauf er die usi Reichsinstanz gründen will, um in die landeépolizeilichen Ano und Verordnungen einzugreifen. Das würde nur auf dem Wege

em Trtse Ws Geseßgebung erreiht werden können. Indeß au dié Reform des

Strafgesezbues kann si nie und nimmer auf einé Kompetenz,

erweiterung des Reichs auf tem Gebiet polizeilicher Anordnungen er-

strecken. Aber was das Reich betrifft, meine Herren, und soweit

sich um Fesselungen handelt, tie innerhalb der dur geordneten Justizpflege liegen, so will ich dem Herrn Vorredner

versprechen, der Frage näher zu treten, ob hier irgend etwäs zu g sehen hat, um eine Gleihmäßigkeit der Behandlung in ganz Deuts"

land herbeizuführen.

Abg. Heine: Bei dem Fall Bredenbeck habe ih nicht die einzelnen

ersonen angegriffen, sondern das Reglement, Es ist l S worden, day jeder Gefangene gefesselt wird; das das Unglück. Was hat die Aufsicht des Reiches über die Kriminalgerihtsbarkeit für einen weck, wenn der sekretär in der Sache der Gewerkschaften erklärt, es si niht seine Sache, sich in die Interna der cinzelnen Justizverwaltungen einzu- mishen? Wir haben feine Garantie erbalten, daß solche wie die Fesselung Bredenbeck's nicht wieder vorkommen werden D sekretär hat die Nichtfesselung des dritten Gefangenen mit Humaniläte: gründen cntshuldigt. Habe 1h denn einen Vorwurf dagegen erhoben, daß der dritte Gefangene nicht gefesselt worden ist? "Statt des Reglements wegen des Strafvollzuges hätte ein Reichs- erlassen werden können, welches die schlimmfsten Uebelstände b

an- eben und

namentli den, daß zwischen der Strafhaft in den Zuchtbäüsern und in den Gefängnissen faum noch ein Unterschied Im dies zu ändern, brauht man feine neuen Gebäude zu bäuen.

Die Gelehrten helfen uns hier wenig, einig werdenlsié nie werden. Auf die Beseitigung der Ausnahmestéllüg" Duelle haben“ wir längst hingewirkt. Aber mit Ih eien) Antrage werden Sie doch nichts ändern, so lan Macht des Junkerthums nicht beseitigen. Wollt Ihr dis ; beseitigen, so beseitigt vor allem das Junkerthum, anders geht Sn Die custodia honesta sollte man nit einshränken, soïbet weitern, nur so würde man zu einer feineren Nüanzierung têt eben fommen. Beseitigt man sie, fo würden auch die dafteure schärfer angefaßt werden. Ebenso verkehrt wäre eine Bestrafung wegen Beleidigung. Schon heute sind die Paragraphen des Strafgeseßbuchs die Handhabe, womit die herrs Klasse jede Kritik todtmacht. Jede shärfere Anrede eines Eis beamten wird als Beamtenbeleidigung geahndet, während man bon

jedem beliebigen Beamten angefahren werden kann. Die Kritik öffent-"

licher Uebelstände darf niht unterbunden werden. Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. Nicberding: Meine Herren! Ich muß eine Bemerkung des Herrn Vorredners sofort und entschieden bestreiten, weil ich fürhte, daß, wenn ih es nit thue, sie leiht in der Presse zu gewissen Zwecken fruktifizierk

werden könnte. Der Herr Vorredner hat behauptet, daß ih hier *

erklärt habe, es sei in- Preußen eine Verfügung erlafsen, nah welher jeder Gefangene (Zuruf bei den Sozialdemokraten) stets zu fesseln sei. Jch habe das Gegentheil erklärt. Jh habe er- flärt, cs sei eine Anordnung ergangen, wonach den Behörden zur Pflicht gemacht werde, keine Fesselung eintreten zu lassen ohne Prüs fung der Lage des cinzelnen Falls, und, wenn eine Fefselung als ge- boten erscheint, sie dtoch nicht auszuführen, bevor nicht ein höherer Polizeibeamter seine \criftlihe Ermächtigung dazu gegeben hat. Das ist also gerade das Gegentheil von dem, was mir der Herr Abg. Heine in den Mund gelegt hat. }

Hierauf wird die Berathung abgebrochen.

Schluß 53/4 Uhr. Nächstè Sißung Montag 1 Uhr. (Erste Berathung des “Gesehentwurfs, betreffend das Gen Neutralitätszeichen: Fortseßung der Berathung des Justiz- Etats; Reichspost-Etat.) i

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. Ars 23. Sißung vom 8. Februar 1902, 11 Uhr.

__ Das Haus erklärt zunähst das Mandat des M sistorial:-Präsidenten Dr. Stockmann (freikons.) Oen durch die Verleihung des Ranges der Räth

afse. f Zu Mitgliedern der Stactss{huldenkommission werd@ tif Anirag des Abg. Grafen zu Limburg-Stirum (kons) die Abgg. Dr. Paasche (nl.) und Kreitling (fr. Volksp.) dür Zuruf wiedergewählt.

Darauf wird die zweite Berathung des Staatshaus? halts-Etats für 1902 fortgeseßt.

Der Etat des Herrenhauses wird chne Debatte bewilligt.

Fs Etat des Hauses der Abgeordneten bemèrkt

g. Daub (nl.): Im vorigen Jahre hat ein Auétaush zweier

Grundstücke in der Näbe des Abgeordnetenhauses stattgefunden, um hier den Bau cines Gebäudes für das Militärkabinet zu ermöglihen. Die Budgetkommission des Reichstages hat die Bewilligung von Mitteln für lePteren vorläufig abgelehnt. Ich fürchte nun, dieser Plan aufrecht erhalten wird, und möchte diejenigen Mit- glieder des Hauses, die auch im Riichstag sitzen, bitten, dahin ¿ü wirken, daß der Plan niht zur Ausführung kommt; denn das neuê Gebäude foll hart an die Grenze des Abgeordnetenhauses gebaut werden, und damit würde das ganze Bild verdorben werden. -

Geheimer Ober-Finanzrath Belian: Es besteht die Abscht, von neuem in schr eingehende Erörterungen der Frage unter Zuziehung des Herrn Präsidenten des A bocoeatziribte einzutreten. sollen die Wünsche des Hauses berücksihtigt werden.

Abg. Metger (nl.': Jh bitte um Aufklärung darüber, wie das Abgeordnetenhaus ausgeschmückt werden foll. Es sollen die leeren

Nischen mit Bildern aus den cinzelnen Provinzen ausgefüllt werden: Falls dies geschieht, möge man au die cinoieiihes Künstler be-

rüdcksichtigen. ; Abg. Wetekamp (fr. Volksp.) will die Frage erörtern, ob nit der Landtag früher einberufen werden könnte, witd aber vom Prä- sidenten von Kröcher ersucht, dies bei einem ankeren Titel zu thun. Der Etat wird genehmigt. Es folgt der Etat des

S C Bureaus des Staats: Ministeriums.

Abg. Lükho ff (freikons.) lenkt die Aufmerksamkeit der Staatë

regierung auf die Thätigkeit des Buren-Hilfsbundes zu Gunsten der Konzentrationslager auf dem südafrikanischen Kriegèschauplate, schildert das Elend der Frauen und Kinder in diesen Lagern an der Berichté der englischen Schriftstellerin Hobhouse und spricht sein Be- dauern darüber aus, daß die Regierung diesen Greueln mit verschränkten Armen zusehe. Dies habe im Volke große Mikstimmung erregt. Die Regierung solle die Thätigkeit der Hilsövereine dur Vermittelung bei der britischen Regierung unterstüßen, damit ihre Gaben in Form von Waaren in die Konzentrationslager gelangten. f L

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