1902 / 54 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 04 Mar 1902 18:00:01 GMT) scan diff

drei Jahren 12 neue geschaffen. Ich glaube, das beweist, daß hier effektiv vorwärts gegangen wird, und wir werden au nach dieser C hin fortfahren, aber dies do nur, soweit wirkli ein Be- ürfniß sh ergiebt, da immerhin die Reichsfonds bei Gründung jedes Berufskonsulats beträchtlih,„.in Anspruh genommen werden. Bei der Beseßung der Berufskonsulate berücksichtigen wir natürlich die öórtlihen Verhältnisse derart, daß wir Beamte, die die Ver- hältnisse kennen, möglichst lange auf ihren Posten belassen, namentli auh solche, tie die Landessprache ausreichend verstehen. Aber auf der anderen Seite ist es auch wieder ganz unmöglich, einen solchen Konful sein ganzes Leben lang auf einem und demselben Posten siven zu lassen. Das hindert auch die Schaffung von sogenannten Konsular- zonen. Es ist ein zu großer Unterschied, ob jemand sein ganzes Leben lang ‘in der ostasiatishen Zone verbringt oder in der curopäischen. Es ist naturgemäß, daß, wenn die Konsularbeamten älter werden und größere Familie haben, immer ein Drängen “nach Verseßung in die Nähe der Heimath eiutritt, das in gewisser Weise ja auch gereht- fertigt ist. Ich glaube, daß ih damit wohl das Wesentlichste erörtert habe, was der Herr Abgeordnete Dr. Hasse hinsichtlich der Konsulate geäußert hat. E L Ueber die Bildung von Handelskammern 11 Auslande hat ja das hohe Haus eine Resolution gefaßt, wona cine reichsseitige Unter- stüßung solcher Handelskammern “gewünscht wird. Wir haben einen Fonds-in den gegenwärtigen Etat nicht eingeseßt, zunächst, weil zur Zeit die Neichsfinanzlage gebot, alles das nicht einzuseßen, was nicht einem absoluten und dringenden Bedürfniß entspricht, und anderer- seits weil die verbündeten Regierungen an der Ansicht festhalten, daß eine Initiative des Reichs zur Schaffung derartiger Kammern im Auslande si nicht empfiehlt. Diese Ansicht ist n vorigen Jahre \o- wohl hier im Plenum wie in der Budgetkommission eingehend be- gründet worden und fußt wesentlich darauf, daß die geschäftlichen Interessen der deutschen Kaufleute im Auslande mit Interessen des deutshen Inlandes sehr oft wenig harmonieren. Der Herr Abg. Pr. Hasse hat ferner die Deckung der Kosten berührt, welche die Vertretung der Entschädigungsansprüche der aus Süd-Afrika ausgewiesenen Deutschen hervorgerufen habe. Es ist ge- prüft worden, ob es richtig wäre, diese Kosten aus demjenigen Fonds zu nehmen, welchen uns England für die Ausgewiesenen zur Ver- fügung gestellt hat. Cs sprechen ja manche Gründe dafür, weil die Ausgabe wesentlich im Interesse der Ausgewiesenen erfolgt, und es zweifelhaft ist, ob die Gesammtheit der Steuerzahler damit belastet werden darf. Aber wir haben doch geglaubt, daß aus demselben Grunde, aus welhem der gesammte Schutz der Deutschen im Auslande vom Neiche getragen wird, es sich als zweckmäßig erweisen werde, auch diefe Kosten auf NReichéshultern zu legen, um fo mehr, als es kein erheb-

liher Betrag ist. Es wird also die Summe, die englischerseits für die deutschen Ausgewiesenen bewilligt ist, denselben voll und unverkürzt zu gute kommen.

Herr Abg. Dr. Hasse hat dänn eine Anzahl Fälle zur Sprache gebracht, in welchen es sich um den Schuß Deutscher im Auslande handelt. Der eine dieser Fälle, der Fall Franke, ist bisher nicht zu meiner Kenntniß gekommen.

Ein zweiter betraf einen Deutschen Karl Heyl, welcher in Chile in der Nacht vom 7. auf den 8. November 1899 in einem cinsamen Gehöft ermordet worden ist. Am folgenten Tage hat der zuständige Konsul Kenntniß davon erhaltèn, er hat sofort sämmtliche Behörden in Bewegun geseßt, hat den Konsulats-Sekretär an Ort und Stelle ge- \chickt; der Gesandte in Santiago hat gleichfalls alle gebotenen Schritte gethan; aber der Mörder ist niht ermittelt worden. Wenn der Herr Abgeordneté sagt, daß der Mörder bekannt und notorisch sei, so würde ih ihm für eine nähere Nachweisung in dieser Beziehung dankbar sein; wir würden dann fofort die nöthigen weiteren Untersuchungen herbeiführen. Aber nach den uns vorliegenden Berichten haben die chilenishen Behörden, ungeahtet großen Cifers, den Mörder nicht zu entdeden vermocht, und etwas Derartiges kommt ja auch hier und da in Europa vor. Ein Verwandter des Ermordeten hat allerdings die Behauptung aufgestellt, daß der Mörder bekannt sei. Dieser Ver- wandte war aber zur Zeit des Mordes garniht an Ort und Stelle sondern, foviel mix bekannt, in Argentinien.

Den Fall Schulz-Nicaragua haben wir {on wiederholt hier diskutiert. Inzwischen sind neue Verhandlungen mit Herrn Schulz gepflogen worden; er wünscht nunmehr, daß das Abkommen, welches scin Bevollmächtigter 1896 mit der Regierung von Nicaragua ab-

geschlossen hat, jeßt zur Ausführung gelangt, und der Schaden durch -

Schiedsrichter abgeschäßt werde. Wir haben uns sofort an den preußi- schen Herrn Handels-Minister gewandt und mit dessen Hilfe eine Anzahl Bergbaubeamte festgestellt, die bereit sein würden, das Schieds- rihteramt für Herrn Schul zu übernehmen. Dies ist Herrn Schultz mitgetheilt worden; eine Bezeichnung derjenigen Persönlichkeit, die er A Schiedsrichter ausersehen will, ist von ihm noch nicht erfolgt. CaERT A ist somit alles geschehen, was geschehen fann, um verhelfen, ß bald zu der von ihm geforderten Entschädigung zu Ec A Fall Schrappe, der sih in Brasilien zugetragen hat, S e 4 8 im Großen und Ganzen die Forderung, die Herr B Älecbi hat, als zum mindesten stark übertrieben bezeichnet infótiese sen Gs ist uns neues Material zugeführt worden, und rot S i die deutschen Vertretungen, welche in Betracht beit E lbs: ert worden, eine erneute Prüfung der Angelegen- Der Fall liegt t Die Berichte derselben liegen noch nicht vor. CutiidFilaiet weldbe, jedenfalls insoweit \{wierig, als die Entschädi- Schrapp tbtdétt nal N Frage steht, ganz verschieden beziffert wird. einer! bér Beuden et richten, die mir vorliegen, 40 000 Milreis, S it i orden den Schaden auf 6000 Milreis an Saie lkt f E i E Ui Ein abs{hlicßendes Urtheil über die nit gewi ingang der erforderten Berichterstattung

Gndlich komme ih noch zu demjeni err Abg- Hasse im Anfang seiner Rede zitiert hat, Tas Fall bas Ih glaube, der Herr Diemer hat sämmtlichen Reichstags- Abgeordneten seine Broschüre zugestellt, und die Herren werden vielleicht darin Einsicht genommen haben. Ih muß sagen, es giebt Neichsangehörige draußen im Auslande, die die Wahrnehmung ihrer Ansprüche den Reichsvertretern außerordentli ershweren, und zu diesen gehört aller- dings auch der Herr Diemer. Derselbe is im Laufe der Zeit wieder- holt in gerichtliher Untersuhung gewesen in Argentinien und Uruguay wegen Ungebühr vor Gericht, wegen Widerstands gegen eine Zwangsvollstreckung, wegen versuhten Todtschlags, wegen Haus-

‘Die Türkei hat ihr Versprehèen nit gehalten,

friedensbru(zs. Er hat mit aller Welt Prozesse geführt. Unsere Vertreter haben für ihn eine Entschädigung von 2000 Dollars aus- gewirkt. Diese betrachtete er aber nur als Geschenk der fremden Nation, nit als Entschädigung. Diemer hat sich dazu hinreißen lassen, Briefe zu schreiben, die im Auslande übel genommen werden und es unseren Vertretern sehr {hwer machen, für ihn mit Erfolg einzutreten. Wenn er z. B. dem argentinis@en Minister des Aeußeren, der aus dem Auslande zurückehrte, schreibt, er gratuliere ihm, daß er nicht die- selbe Unbill in Europa erlitten habe, wie er in Argentinien (Heiterkeit), wenn er dann in Schreiben an den obersten Gerihtshof von dem fremden Staate als einem unzivilisierten Lande spricht, sagt, daß er das Opfer einer falshen und ungerehten Justiz sei, daß er sih nicht wie ein Hund behandeln lasse, so ershwert das außerordentli ein Wirken if seinem Interesse. Allerdings hat aber der Herr Abg. Hasse Recht, daß diese persönlichen Verhältnisse keinen Ausschlag geben können. Die Kaiserlichen Vertreter haben aber auch das Ihre gethan, um dem Herrn Diemer, der dur geschäftlichen Rückgang in eine aufgeregte Stimmung gekommen ist, nah Möglichkeit zu seinem Nechte zu verhelfen, und werden. es geeigneten Falles auch. ferner nicht daran fehlen lassen, das Ihre für Diemer zu thun. Aber ich kann nur sagen, daß dur ihn selbst ihnen das nicht [leiht gemacht wird.

Wir sehen, daß die amtlihe Behandlung aller dieser Fälle fort- geseßt eine sehr rege ist, und daß ein Versäumniß seitens des Aus- wärtigen Amts in keinem dieser Fälle vorliegt. Daß derartige Fälle niht immer zu einer die betreffende Partei befriedigenden Lösung führen, liegt darin, daß die Forderung häufig eine nicht berechtigte oder wenigstens übertriebene ist. Aber von unserer Seite wird nach wie vor alles ges{chen, um im einzelnen Falle den berechtigten An- forderungen cines jeden deutschen Reichsangehörigen nah Möglichkeit zur Erfüllung zu verhelfen.

Abg. L S Det (nl.): Jm vorigen Jahre hat das Haus der Tendenz meines Antrages auf Errichtung deutscher Handelskammern im Auslande zugestimmt Ju den Kreisen des Handels und der Ge- werbe, in der ganzen Fachpresse war nur eine Stimme der Befriedigung darüber, daß hier endli einmal ein energisher Schritt geschehen sollte. Leider - hat der Reichskanzler unsere Resolution niht berücksichtigt. Mir werden uns daher gestatten, zur dritten Lesung diese Resolution wieder dem Hause zur Annahme vorzuschlagen.

Staatssekretär des Auswärtigen Amts Nx. Freiherr von Nichthofen:

Ich möchle den Ausführungen des Herrn Abg. Münch-Ferber gegenüber nur das eine aussprechen, daß die Allgemeinheit der Auf- fassung, wie sie der Herr Vorredner als zu Gunsten der Errichtung von Handelskammern im Auslande kestehend darstellte, keineswegs überall vorhanden ist. Es giebt sehr viele und weite Kreise, und gerade im Auslande selbst, welche die Handelskammern im Ausland nicht für eine durchaus günstige Einrichtung halten. Dies ist für die verbündeten Regierungen neben der allgemeinen Finanzlage mit maß- gebend dafür gewesen, diese Position, wie ih {hon hervorgehoben habe, nit im Etat erscheinen zu lassen.

Abg. Dr. Gradnauer (Soz.): Der Abg. Hasse hat von der Nord-Amerikareise des Prinzen Heinrich eine Verbesserung der Be- ziehungen Amerikas zu Deutschland erhofft. Diese Auffassung ist do sehr naiv. Diese Art Reisepolitik hat bei uns so überhand genommen, daß der Reichstag besser daran thâte, dagegen Front zu machen, als sie mit Jubel zu begrüßen. Au wir haben ein Interesse, mit Amerika in guten Beziehungen zu stehen ; die deutsche Zollpolitik aber schädigt diese Beziehungen, und die Reise des Prinzen Heinrich ändert daran nichts, inge. je auch no so byzantinisch gefeiert werden.“ Es tritt in dieser NReisepolitik eine Aufdringlichkeit hervor, die uns garnichts

enüßt hat. Ich erinnere nur an die dynastischen Beziehungen zu Erden Die dynastishen Interessen haben gar keinen Einfluß auf die nationalen Interessen. Gewundert hat mi, daß Herr Hasse die südafrikanisde Frage diesmal so“ stiefmütterlich behandelt hat. Man hat von der verletzten Neutralität, von der Absicht, A und Arzneien in die Konzentrationélager zu schaffen, viel gehört. Von der Erörterung der Dinge, welche in Süd-Afrika geschehen sind, hat man sich aber scheu ferngehalten. Wie kann man sagen, man wolle eine gewisse Beruhigung in die deutshe Bevölkerung tragen, wenn man niht den Muth hat, Kritik zu üben an der unglaublichen Haltung, welche die deutsche Politik gegenüber dem südafrikanischen

Vernichtungskriege bis auf den heutigen Tag beobachtet hat. Mit Stolz hat Graf Bülow uns gesagt, Deutschland habe [eine

so eingerihtet, daß be- daß Deutschland niemals fehle, wo es sich um Humanität und hutnanitäre Interessen handle. Wo war denn Deutschland, als England gegen die Burenrepubliken das Völker- recht brah? Welchen Hohn auf die hohen Worte der Haager riedensakte stellt doch dieses Vorgehen Englands dar! Und keine Macht, auch nicht Deutschland, hat auch nur den Versuch einer Ver- mittelung gemacht! Vom völkerretlichen Standpunkt stände der Reichsregierung auh heute noh nil t das geringste Hinderniß dazu entgegen. Der Burenkrieg ist noch nicht zu Cnde; die Buren haben den Engländern sehr böse Schlappen beigebraht. Nun verweist man auf die politischen Gegengründe einer ver a Vermittelungsaktion; Graf Bülow hat uns das ja klar zu maHen versucht. Niemals aber hat er klar gelegt, wo denn die große Schwierigkeit und die große Gefahr liegt, die jeden derartigen Versuch unmöglich macht. at si ins Geheimniß gehüllt, auf diplomatishe Schwierigkciten sh zurückgezogen. Aber damit kann er uns nicht befriedigen; das deutsche Volk verlangt nah wie vor die Intervention. Die gemachten Andeu- tungen beweisen nur, daß feine Neigung in gewissen Kreisen besteht, etwas zu thun. Die kleine Differenz mit Chamberlain ‘vird doch sicher nicht groß genug gewesen sein, um die bis dahin so herzlichen deuts-englishen Beziehungen zu trüben; wenn aber so innige Beziehungen herrschen, dann soll es dem einen der beiden Freunde nicht einmal möglich sein, in freund- haftliher Weise cine derartige Vorstellung, wie vor kurzem sie die [MNndil che epierand unternahm, dem anderen zu machen? Die Unter- nehmungen der Vereinigten Staaten und Hollands sind freilich bis jeßt erfolglos geblieben; aber ist das ein Unglück für einen Diplomaten? au dem deutschen Kanzler würde das Volk die Erfolglosigkeit in einem solchen für die Sacbe der Humanität gethanen Schritte gern ver eihen. Graf Bülow hat es doch andererseits erleben müsfen, daß sich die eng- lische Regierung mit dem von ihm angegriffenen Chamberlain solidarisch erklärte, und dieser éohec hat ihm nicht geschadet. Im Jahre 1896 schickte der Deutsche Kaiser seine Depesche an den Präsidenten Mee Qi

L eriateiten im Gefolge gehabt ha das ‘soll fúr Deutschland Schwierigteiten n bens har h do die

; 5 äherte; indem fan verso rae e aal ist dazwischen gekommen u. a. t

i ; der C N ‘Staaten annektieren, au wenn man ihre Haupt-

ä ; mit der Annexion glaubte England jeden Wider- s E EeTE a ntocbéntióndgelt te_ zurückgeschlagen zu haben. Die

roflamation des Lord Roberts {hlägt dem Völkerreht ins Gesicht ; die Verhängung des Standre ts gegen die Burenrepublikaner, die Nerbringung derselben in die Konzentrationslager, die Proklamation Kitchener?s R Völkerre Tei Le ersten Grades. Uns treibt feine einseitige, blinde ympathie für die Buren, sondern wir wollen Gerechtigkeit; wir üben dieselbe Kritik, wenn es si um unser eigenes Land handelt, wir haben die chinesische Expedition nicht beschönigt. An den Vorkommnissen in Armenien darf der Reichstag ebenfalls - niht stillschweigend vorübergehen. es haben seitdem

Haltung auf der Haager Konferenz

wiesen sei,

Niedermebßelungen von Menschen und Verwüstungen der Ländereien

efunden. Diese Greuel sind weniger dur religiöse als dur shaftliche Gegensäße zwishen Türken und Armentern bedingt, - die sich der europäischen Kultur zugewandt haben. Cs h dort ein Zustand der Rechtlosigkeit und Barbarei. Die Berichte der Agenten des Ministers Delcassé ließen darüber gar keinen Zweifel. Fin der Türkei besteht keine Instanz, welhe gegen diese Greuel vorgehen fönnte. Wer es thut, wird als Revolutionär erklärt. Hat der Staatssekretär nihts von diesen Mittheilungen - e und hält er es nicht für seine Pflicht, Vorstellungen ei der Pforte zu machen, um diesen Zuständen ein Ende zu machen? Der Deutsche Kaiser hat ja die guten Beziehungen zwischen Deutsch- land und der Türkei nahdrücklih hervorgehoben. Ich komme nun zu der von uns vorgeschlagenen Resolution. Der Thatbestand ist voll- kommen flargestellt, ebenso auch die Rechtslage. Es fragt ih, ob der Verzicht der chinesischen Regierung uns wirklich berechtigt, das zu Unrecht erworbene Gut zu elrtten China hat nah der „Nord- deutschen Allgemeinen Zeitung“ auf die Instrumente mit Rüdfid auf die Schwierigkeiten der Zurückbeförderung verzichtet. Die offiziöse resse hätte gut daran gethan, diese Mittheilung, in der sich feiner pott mit Ironie paarte, nicht zu veröffentlichen. Die Mittheilung der chinesishen Regierung wollte doch nur besagen: Behaltet nur die Instrumente als Denkmal der Schande . 3

Präsident Graf von Ballestrem: Dieser Ausdruck, auf die deutshe Regierung angewandt, verstößt gegen dic Ordnung des Hauses, und ih rufe Sie zur Ordnung!

Abg. Dr. Gradnauer (fortfahrend): Wenn vor Gericht cin Be- stohlener so etwas sagt, so läßt si ‘der Staatsanwalt nicht abhalten, die Verurtheilung des Angeklagten zu beantragen. Jt der Herr Präsident der Meinung, daß man die Wegnahme der Viktoria auf dem Brandenburger Thor nicht einen Raub nennen darf? Treitschke hat ein vernihtendes Urtheil über das französishe Volk ge- fällt, als es die geraubten Kunstwerke niht zurückgeben wollte. Ein folhes Urtheil könnte auch einmal über die deutsche Regierung -. und das deutshe Volk von einem Historiker gefällt werden. * Was hält uns ab, die Instrumente zurückzugeben? Alle anständigen Leute würden uns dazu Glück wünschen. Oder giebt es Leute, die lid von diejen Instrumenten nicht losreißen können? Wenn es wirk- [ih ein beschlagnahmtes Gut ist, wie fann es nach Sanssouci in Privatbesiß fommen? Wo sind die astronomischen Instrumente im Etat verzeihnet worden? Es mußte doch n die chinesische Schuld entsprechend verkürzt werden. Aehnlich steht es mit der Fort- führung von 80 chinesischen alten Bronzekanonen aus dem 17. Jahr- hundert, die im Kriege garniht verwendet werden konnten. Cin Theil davon ist im sächsishen Arsenal aufgestellt worden. Es ist eine Chrensache des Deutschen Reichstages, den gesehenen Fehler wieder

ut zu, mahen. Das Völkerrecht wird überall und immer verleßt, in frika, China u. f. w.; umsomehr haben wir die Pflicht, eine fo ekÉlatante Völkerrechtêwtdrigkeit aus der Welt zu schaffen.

Reichskanzler Graf von Bülow:

Ich muß zunächst meinem Bedauern Ausdruck geben über die Art und Weise, wie der Herr Vorredner sih ausgesprochen hat über die Reise des Prinzen Heinrih nah Amerika (sehr richtig! rechts), - über die Art und Weise des Empfangs, den das amerikanishe Volk dem

A

wirt

„Prinzen Heinrich bereitet hat, und über unsere Beziehungen zu Amerika-

Das war um so bedauerlicher im Hinblick auf die schöne Aufnahme, welche der deutsche Prinz bei dem amerikanischen Volke gefunden hat. (Sehr richtig! auf allen Seiten des Hauses.) Der Herr Abg. Hasse hatte kurz vorher in ganz zutreffender Weise hervorgehoben, daß die Reise des Prinzen Heinrich nach Amerika keinen bestimmten politishen Zweck ver- folgte. Der Zweck aber, den wir verfolgen und den wir mit großem Ernst anstreben, das ist die Aufrehterhaltung der traditionellen guten Beziehungen zwishen Preußen - Deutschland und Amerika, wie: sie bestehen seit den Tagen des großen Friedrich und des großen Washington. (Sehr gut!) Beide Völker, das deutsche und das amerikanishe Volk, haben allen Grund, sih gegenseitig zu achten; sie haben gar keinen Anlaß, sih zu veruneinigen oder ih zu streiten; fie haben alles Interesse daran, auf der Grundlage voller Gegenseitigkeit mit einander in Frieden und Freundschaft zu leben. (Sehr richtig!) Auch in der fernsten Zukunft sieht meinAuge keinen Punkt, wo die politischen Wege des deutschen Volkes und des amerika- nishen Volkes sih zu durhkreuzen brauchten. (Bravo!) Das habe ih {on einmal von dieser Bank ausgeführt, ih glaube vor drei Jahren, und ih hatte damals den Eindruck, daß die große Mehrheit dieses hohen Hauses mit meinen damaligen Darlegungen einverstanden war. «Ich bin überzeugt und ih sage das niht nur für das Snland, sondern auch für das Ausland ich bin überzeugt, daß ih mich in Uebereinstimmung befinde mit den Ansichten der sehr großen Mehrheit dieses hohen Hauses, wenn ih sage, daß das deutshe Volk mit lebhafter Befriedigung verfolgt die gast- freie, ritterlihe und glänzende Aufnahme, welche das arterikanishe Volk dem Bruder des Deutschen Kaisers - bereitet. (Bravo!) Nun hat der Herr Abg. Dr. Gradnauer mit großem Pathos die Angelegenheit der astronomischen Instrumente behandelt. Bei diesem Anlaß trat wieder mal zu Tage, daß der Herr Abg. r. Gradnauer und seine Freunde wirklich chinesisher sind, als die Chinesen. (Zuruf links, sehr richtig! rechts.) Wenn die Chinesen so cauvinistisch- wären, wie der Herr Abg. Hr. Gradnauer für China chauvinistish ist, so würden wir den Frieden mit China noch gar- nicht haben. (Zuruf links.) Ich habe soeben den Herrn Abg. Dr. Gradnauer während seiner recht langen Ausführungen weder unter- brochen, noch über dieselben gelacht, nun möchte ih bitten, au mich ruhig anhören zu wollen. Die Frage der Zurücksendung der astronomischen Instrumente ist au von uns erwogen worden, nah- dem ihre Ankunft bekannt geworden war. Nach eingehenten Er- wägungen haben wir aber von dieser Rücksendung Abstand genommen, und ich will Ihnen au gleich fagen, warum wir das gethan haben. Wir haben einmal davon Abstand genommen, weil die chinesishe Ne- gierung uns gegenüber auf den Fortbesi dieser Instrumente ihrer- seits gar keinen Werth gelegt, vielmehr uns dieselben bei der ersten Erörterung der Frage sogleich förmlich zur vollen Verfügung gestellt hat. Volenti non fit injuria! Dann aber würde bei den eigen- artigen Anschauungen des chinesischen Volkes die große Masse des- selben, wenn wir die Instrumente zurückgeshickt Haben würden, angenommen haben, das geschehe auf Befehl der chinesischen Re- gierung, was allerdings unserer Stellung in Ost-Asien Abbruch gethan hätte. Wenn wir die Instrumente jeßt zurücks{chicken würden, würte bei ihrer rihtigen Cinsicht in die politischen Verhältnisse die Kaiserin-.

- Mutter von China, die eine sehr gescheidte Dame ist, \sich geradezu

verlegt fühlen (Heiterkeit links), während die cinesishen Massen denken würden, daß wir durch furchtbare Niederlagen gezwungen

Nunmehr sind diese Instrumente unter voller Zustimmung der chinesischen Regierung in unseren rechtmäßigen Besiy übergegangen. Damit fallen"

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dieselben unter die Kategorie derjenigen Geschenke von Regieruns zu Regierung, wie sie gerade im Verkehr mit der chinesischen Re-

worden wären, die Instrumente zurückzusenden. (Sehr richtig! rc{chts)