1876 / 114 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 15 May 1876 18:00:01 GMT) scan diff

den «administrativen Wahlen, maßgebend fei. Allen, die die Valks\chulen besucht haben, \foll ohne Rücksicht auf das Ein- fommen das politishe Waßlrecht zugestanden werden.

Türkei, Konstantinopel, 14. Mai. (W.T. B.) Die Regierung sieht sfih veranlaßt, hier und durch ihre auswär- tigen Agenten crklären zu lassen, daß keinerlei Kundgebungen vors gekommen sind, durch welche die Ruhe gestört oder die Sicher- heit der Fremden gefährdet gewesen wäre. Es sei nur Thats Fache, daß von Seiten der Theologen der Sultan um Ersezung des Scheich ul Islam ersuht worden wäre und daß diesem Ver- langen stattgegeben worden sei.

Bisher haben feine weiteren Ernennungen fiattgefunden. Raschid Pascha hat noch das Minisierium der Auswärtigen An- gelegenheiten; der neue Gouverneur von Brufsa (an Stelle des zum Kriegs-Minister ernannten Hussein ‘Avni Pascha) is noch nicht ernannt. Die kürzlih erlassene Verfügung, wonach alle Journale der vorgängigen Censur unterliegen sollen, is wieder aufgehoben worden.

(W. T. B.) Nachrichten, welche der Regierung aus Salonichi zugegangen find, bestätigen, daß dort 36 bei den leßten Ereignissen kompromittirte Personeu, ohne daß die Ruhe dabei gestört worden wäre, verhaftet worden sind. Weitere Verhaftungen seien in Aussicht genommen.

In Bulgarien find der „Pol. Corr.“ zufolge eben- falls Unruhen ausgebrochen. In den kleinen Städten Slatigza und Tatar Bazardjik sollen die Kaimakams verjagt und der Aufruhr in aller Form organisirt worden sein.

14. Mai. (W. T..B.) -Der „Levant-Herald® if wegen ungehöriger Aeußerungen über den russishen Botschafter suspendirt worden,

Rumänien. Bukarest, 13. Mai. (W. T. B.) Der Senat hat dem noch von dem Ministerium Catargiu vor- gelegten Anleihegeseß, durch welches die Regierung zur Aus- gabe von 16 Mill. Schaßbonds ermächtigt wird, seine Zu- stimmung ertheilt. Die Führer der jeßigen Opposition in der Deputirtenkammer haben erklärt, sie seien bereit, die weiteren Finanzvorlagen zu votiren, ohne jedoch damit dem Ministerium ihr Vertrauen aussprechen zu wollen.

14. Mai. (V. T. B.) Der Senat hat dem Fürsten durch eine Kommission eine Adresse überreichen lassen, worin die volifte Ergebenheit gegen den Fürsten ausgesproheu und die Unterftüßung der Regierung in allen Stücken, insbesondere in der Finanzfrage zugesichert wird.

Amerika. New-York, 13. Mai. gemeldet, daß die Meldung, General Dominigue sei an seinen Wunden geftorben, \sch nicht bestätige. Nach Berichien aus Porto-Rico haben die \panishen Behörden den

Aus Hayti wird

rc. «4 3

Kapitän des britishen Schiffes „Octavia“, an Bord dessen mehrere Jnsfurgentenführer ihre Fluht aus San Domingo be- werkstelligt haiten und deren Auslieferung von der Regierung dieser Republik verlangt worden war, auf freien Fuß geseßt.

Venezuela. Caracas, 27. März. Der Geburtstag Sr. Majestät des Deutschen Kaisers ist in diesem Iahre hier ganz allgemein gefeiert worden. Machte {hon die Hauptstraße durch die Menge ausgehängter deutscher Fahnen fast den Ein- druck, als befände man sich in der Heimath, \o bot die ganze Stadt einen festlichen Anblick, denn man sah auch manche an- dere Flaggen, besonders spanische, venezolanishe und italienische. Die Leib-Compagnie des Garde Regiments stellte fich als Ehren- wache vor dem Hause des deutshen Geschäftsträgers auf, und während des Diners, welches dieser dem diplomatischen und Konsular-Corps gab, spielte die Regimentsmusik draußen auf dem Plate. Der Präfident der Republik gratulirte dem Kaiser- lihen Vertreter in besonders verbindliher Weise, und auch von Seiten der venezolanishen Presse geschah des -deutshen Festtages gebührende Erwähnung.

Kunst, Wissenschaft uud Literatur.

In Angsburg ftarb am 12. Mai im 73. Lebensjahre Dr. A. J. Altenhoefer, ehemals Chef-Redakteur der „AUg. Zeitung“.

Gewerbe und Handel,

Dr. Then Grames. Klett, Fabrifbefiger zu Nürnberg, wurde in den erblichen Freiherrnstand erhoben.

Kaiserslautern, 9. Mai. Die feierliße Grundsteinlegung des monumentalen Baues unfers pfälzischen Gewerbemuseums findet am Sonntag den 21. Mai statt.

Die Lebensversiherungs-Gesellshaft zu Leipzig bringt zu öffentlicher Kenntniß, daß nach ihren allgemeinen Versicherungs- bedingungen eine Reise zur Weltausstellung nah Philadelphia die Gültigkeit ibrer Versicherungen nicht berührt, so daß es weder CS S Anzeige noch der Zahlung einer Extraprämie bedürfe. D SINl

Wien, 13. Mai. (W, T. B.) Der Rechnungsabs{chlyß der Albrechtsbahn weist, der „Presse“ zufolge, pro 1875 ein De- fizit von 72,000 Fl. auf und hat die Verwaltung bei der Regierung um Aufnahme dieses Defizits in die Staatégarantie petitionirt. Der am 1. Juni c. fällige Coupon soll mit 2 Fl. in Silber eingelöft werden. Die Generalversammlung wird in den leßten Tagen des Juni stattfinden.

__ Der aus den österreichischen Staaten diesseits der Leitha auêge- wiesene Banquier Aub von Frankfurt a. M. hat zur Ordnung sener Geschäfte einen Aufschub voa 14 Tagen bis zum Ende dieses Monats erhalten.

…_— Die „Times* ist ermächtigt mitzutheilen, daß die Herren Frühling und Goeschen, als die Londoner Agenten der ägyptischen

Anleihen von 1862 und 1864, in Kairo auf telegraphishem Wege gegen das jüngst veröffentlihte Dekret des Khedive, soweit dasselbe diese Anleihen betrifft, protestirt haben. Uebrigens beurtheilen „Fconomist*, „Saturdoy Svectator“ und „Examiner“ den ägyp- tischen Finauzplan höchft ungünstig.

Verkehrs: Austalten.

Die Eisenbahn zwischen ‘Ducherow fund Swin ee münde ist heute für den allgemeinen Verkehr eröffnet worden.

New-York, 13. Mai. (W. T. B.) Der Dampfer „Hol- land“ der National - Dampfschiffs - Compagnie (C. Messingshe Liaie) ift hier eingetroffn Das Postdampf- schiff des Norddeutschen Lloyd „Rhein“, Kapt. H. C, Franke, welches am 23, Kpril von Bremen und am 2. Mat von Southampton abgegangen war, ist heute 11 Uhr Vormittags wohl- behalten hier angekommen. Sas

Aus dem Wolffschen Telegraphen-Bureau.

Berlin, 15. Mai. Das Panzergeshwader , bestehend aus den Panzerfregatten „Kaiser“ (Kapitän zur See Frhr. v. d. Golß), „Deutschland“ (Kapitän zur See Maclean), „Kronprinz“ (Kapitän zur See Livonius) und „Friedriclz Karl“ (Kapitän zur See Prcziwisinski) und dem Aviso „Pom- merania“ (Kapitän-Lieutenant Georgi), welches in der Formation begriffen ist, wird, nachdem Contre-Admiral Batsh den Oberbefehl übernommen hat, im Laufe der nähsten Woche nach Salonichi abgehen. Das Kanonenboot „Ko- met“ (Kapitän-Lieutenant v. Pawelsz), welches gestern in Dienst gestellt worden ist, geht in dieser Woche ebenfalls dahin ab, Die Korvette „Medusa“ wird in diesen Tagen dort erwartet. Das Kanonenboot „Nautilus“ (Korvettenkapitän Valois), welches auf dem Wege von Malta nah Port-Said ift, wird von dort nah Konstantinopel dirigirt werden.

Ems, Montag, 15, Mai. Der König und die Königin von Belgien trafen mittelst Extrazuges heute Vormittag 9/4 Uhr zum Besuch des Kaisers von Rußland hier ein.

Konstantinopel, Montag, 15. Mai. Der Regierung ist von den Spezialkommissarien aus Salonichi heute folgende weitere Meldung zugegangen: Seit der lezten telegraphischen Mittheilung find achtzehn weitere Verhaftungen vorgenommen worden und werde noch andere folgen. Die Aburtheilung der der Theilnahme an der Ermordung der Konsuln Verdächtigen hat begonnen. Die Strafen werden ohne Verzug und mit voller Strenge volstreckt werden.

Kopenhagen, Montag, 15. Mai. Die Eröffnung des Reichstages findet heute ohne besondere Formalität statt. Der König und die Königin von Griechenland sind heute, Vor= mittags 97 Uhr, eingetroffen.

Berlin, den 15. Mai 1876.

Am Sonnabend Vormittag um 11 Uhr hat die feierliche Eröffnung der Ausstellung wissenshaftliher Appas- rate in London durch Ihre Majestät die Königin von Großbritannien in Begleitung Jhrer Majestät der Kaiserin-Königin mit glänzendem Gefolge stattgefunden. Ihre Majestät die Kaiserin-Königin drückte dem deutshen Kom- missar Allerhöchstihre Befriedigung über die deutsche Betheili- gung aus,

Deutscher Bazar. Ds3s Kuratorium der unter dem Protektorate Jbrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Frau Kronprinzessin des Dentschen Reiches

und von Preußen begründeten „allgemeinen deutshen Pen- sionvanstalt für Lehrerinnen und Erzieherinnen hat in jeiner statutmäßigen Jahresëfißung am 7. d. M. beschlossen, zum Besten des Hülfsfonds der Anstalt im Monat Novetm- ber d. I, einen deutschen Bazar, verbunden mit einer V:r- loosung, glei{zeitig in Berlin und in einer Anzahl gnderer auf Bor- stag dir Bezirkêverwaltungsausschüfse ¿u bestimmenden Städte Deutschlands zu veraustalten, und mit den Vor- bereitungen dieses Unterrehmezs eine Kommission beauftragt, welche ihre Thätigkeit unter Vorfiß des Direktors des Central- verwaliung8aués{usses Ministerialdirektors Greiff, Unter den Linden 4, begonnen hat. Das Kuratorium bringt dies untec Vor- behalt näherer Mittheilungen zur öffentlichen Kenntniß, um in den weitesten Kreisen Interesse sür den günstigen Erfolg des Bazars zu erwecken, und bittet die geehrten Zeitungsredaktionen um gefällige un- entgeltlihe Aufnabme dieser Bekanntmachung, : Berlin, 15. Mai 1876. M L.

- G Gneist, Bor fitzender

stelleertretender Vorfißender des Kuratoriums.

Am Sonntag Vormittag fand Hierselbst die Einführung des neuen Propites und Pfarrers an St. Petri, des biéher an der Universität zu Bonn habilitirten Professors Freiherrn Dr. v. d. Golß, statt. Die Kirche, zu deren unterem Theile nur die be- fonders Geladenen Zutritt hatten, war bis guf den leßten Plaß ge- füllt; Laube und Blumergewinde \{müdckten die hohen Strebepfe:ler, die Apsis war in eiuen duftigen Blüthenhain umgewandelt, In d-r Mitte der’elten prangte der Taufftein als riesiges Blumenbouquet, zu beiden Sciten defseiben zogen sich die Sitze für die Deputationen der Königlichen und ftädtisden Behörden hin. Es wohnten der Feier außer ciner it der Kultus-Minister Dr. Falk, der Unter- «. Sydow, der Minifterial-Direktor Förster, der Evangelifchen Ober - Kirhenraths Dr, Herr- mann, l Prâfident Dr. Hegel. Die slädtischen Deborden waren vertreten èurch den Ober - Bürgermeister Hokrecht, mehrere Stadträthe und eine Deputation der Stadtver- ordnetenvirfammlung unter Vorantritt des Vorstehers Dr. Straß- mann. Mit dem Gesange des S{nöpfschen Kirhencho!8: „Jaucbzet dem Herrn alle Welt!“ und dem Cherale: „Herr Jefu Chrift dich zu uns wend *, erôffnete die Feier; nah der von dem Prediger Weitling abgehaltenen Liturgie führte der General-Superintendent Dr. Brüdger,

Staatsfekretär Dr. Präsident des mann, der Konsistorial -

beiden Geistlichen der St. Petrikircke assistirten, und Propst mit einec längeren Ansprache in fein neues Amt ein Derselbe erinnerte auch daran, daß Frhr. v. d. Gols zum N2hfolger des siligen Neander berufen werde, der ihn vor Jahren in dieser telben Kirche die Würde des Priefteramtes ertheilte, und daß er unter Mitwirkung des Seldprobfts Dr. Thielen, der ihn einst taufie uad fonfirmicte, heute in fein neues Amt eingeführt werdz. Daraus folgte die Aushändigung der königlichen Bestaliungs- urfünde, dec städtischen Vokatior, die übliche V:rpflichtung des Ein- geführten und die Ertheilung des Segens.

__ Den „Ha mburgerNachr.“ entuehmen wir Folgendes; „Sine fin- nige Feter vereinigte ar? gestrigen Abend einen größeren Kreis auswär- tiger und einheimischer Theilnehmer. Es war der glüdlihe Gedanke des Vorstandes der geographischen Gesellschaft gewesen, die Heiút- kehr Des deutschen Kriegsschiffes „Gaze lle * von einer fast zweijährigen Reise festlih zu begeben, Die Gesellschaft hatte daran ein nahes

Interesse, weil die Fahrt der „Gazell2“ großentheils wiffs.nschaftlicchen |

Zwecken bestimmt gewesen war: sowohl deutsche Astronomen zur Be-

ckabtung des Venusdurhgangs im Dezember 1874 zu ihrer Station | Kerguelen überzuführen, wie auch eine Reihe i

auf den fernen

„Ein zweites großes Stück des Kessels war

wenig bekannter Länder und Meere in geographischer und natuiwissenschaftliher Beziehung zu durGforsken. Der Comman- deur der „Gazelle*, Frhr, v. Schleinit, das Offizier-Corps derselben und die Gelehrten, welche die Expedition begleiteten, hatten der Ein- ladurg zu ein:m hier zu veraustaltenden Gastmahle freundlich ent- sprochen. Eine große Zabl von Mitgliedern der geographischen Ge- sellschaft und von eingeladenen Gästen, unter welchen si der preußische Gesandte v. Wenßel und die Herren Oberst v. Böhm und Oberst-Lieutenant v. Restorff befanden, waren um 6 Uhr versammelt, um die aus Kiel eingetroffenen Ehreugäste zu begrüßen, und zu der sestlih geshmüdckten Tafel zu führen. Der Senator Dr. Kirchenpauer, Präsident ter geogra- phischen Gesellschaft, eröffncte die Reihe der Trinksprüche mit dem mit Begeisterung aufgenommenen Hoh auf den Deutschen Kaiser, dem wir zu feinen anderen glorreihen Thaten die Stiftung der deutschen Marine verdanken. Der Vize-Präsident, Schulrath Harms, schilderte in gedrängter Ueberficht die Fahrten und Unternehmungen der „Gazelle“, welche sie in die von Cook zuerst besuchten Meere geführt, und brachte mit freudi. er Anezkcnnung ihrer Verdienste das Wohl ibres Füßrers und der Offiziere aus, welches Frhr. von Schleiniß mit einem Hoch auf Hamburg erwiderte, indem er besonders betonte, wie die „Gazelle“ auch an dea fernsica Küsten, die sie besucht, die Zeugnisse von Hamburgishem Unternehmungsgeist und Hamburgischer That- fraft gefund-n habe. Der Bürgermeister Dr. Petersen trank mit einer Erinnerung an den Artheil, den Hamburg in alien Zeiten an dem Schuße deutscher Küsten genommen, auf die deutsche Marine und thren gegenwärtigen Chef, den Staats-Minister von Stosch, und Hr. Adolph Godeffroy auf das Heer und seine Führer. Eine gehobene Stimmung herrschte bis zum Schlusse an der Tafel,

_ Aus Köln, 13. Mai, meldet die „Köln. Ztg.“ : Eine \chrecklihe Katastrophe ver1etzte heute die Gemüther der hiesigen Einwohner in große Aufregung Gegen 411 Uhr Vormittags veruahmen die Be- wohner des Cunibertéflosters und der umliegenden Straßen bis nah dem Eigelstein hin, sogar vor dem Eigelsteiner Thore auf dem Felde N Leute, einen fürchterlihen donnerähnlihen Shlag, der die Häuser der Krahnengasse, unter Kahlenhausex und am Cuniberts- floster erbeben machte. Jm selben Augenblicke flogen große und fleine Eisentheile, ganze und zerknitterte Balken, Bretter, Zinkfassungen, Dachpfannen uad Steine, leßtere in großer Menge, durch die Luft und ficeen in die nahe der Cyniberctskirche liegenden Gärten und Straßen, auf die Däch:cr und dur Se Fenster in die Wohnungcu nieder. Die Bewohner der betroffenen Häuser liefen voll Angst und Schreckten zusammen oder stürz- ten hinaus ins Freie, in dem Glauben, ein mächtiges Erdkeben habe die Stadt heimgesucht und die nähfte Mirute werde ihnen den Untergang bringen. Nach einigen Sekunden, als der Stein- und Baikenregen zu Ende war, wandte man si dem Orte zu, von wo das eniseßzliche Ereigniß ausgegangen. Es war das am Cuniberts- kloster 5 und 7, zwischen den dichtb-völkerten obengenaanten Straßen und in nächster Nähe des Marienhospitals gelegene Etablissement von Ferd. Mayer, „Fabrik für mehanische Weberei von Lasting, Serge de Berry und Schuh-Elaftiques". Hier bot sich nun dem Auge ein un- beschreiblicher schauderhäfter Anblick dar, Das Maschinenhauz zer Fabrik lag in Folge einer Kesselerplosion vollständig in Trümmeryu. Die meisten der- daselbst beschäftigt gewesenen Arbeiter unter denselben begraben. Drei unter Rahlenhausen - liegende kleine Hâäuschen

T i , } Waren durch die Gewalt der Explosion ebenfalls eingestürzt. An de

ck17 - ck14 î C tos Ç. 5 J Y 3T F 4 } ; T4 s í F v 2 tis dem ter F:ldpropft Dr. Thielen, Konsifterial-Rath Ncël und és | Marienhospital hatte die fürdterliche Katastrophe un ai Fenster den neuen Pfarrer | x

herauêgerissen.

Bon zwei Kesseln war der eine de: Länge nah durch

| die Fabrik ge\chleudert worden, während der andere in mehrere Theile

zerrissen den Weg dur das Dachwerk in die Höhe genommen hat Ein mähtiger Theil desselben, dessen Cbae vas auf 30 Cte, |châßte, war wohl 150 Fuß weit über ein etwax 35 Fuß hohes Haus der Krabnengasse mit soler Wacht gegen das gegenüberliegende Haus geworfen worden, daß er einen Theil der Vordermauer mit einem Kenster weggerisscn hatte. Dieser Kefseltheil lag in der Krahnengafsse. U noch weiter, etw 300 Fuß, durch die Luft ceflogen, hatte in seinem Su an der bia teren Seite cincs neuen Hauses unter Kahlenhausen das Dach zer- trümmert und war bis auf die zweite Etage deé Gebäudes durchgeschlagen. Der ganze Viehmarkt lag voller Balken, zerfeßter Holztheile, Steine 2c. Durch die Glaëdachung des noch weiter abliegenden Schlachthofes wareu Ventile, lonstigc Eijentheile, Steine und Holztrümmer niedergefallen. Fast alle Häuser in der Nachbarsaft der Unglücksstelle hatten mehr oder weniger an Dächern, Mauerwerk und Fenstern gelitten. Das ganze Bild der Zer- rung und Verwüstung läßt sich unmöglich beshreiben. Sofort uach der unglü&lichen Katastrophe wurde die Feuerwehr auf telegraphischem Wege nach dem Orte des Schreckens beschieden. Drei Minuten spâter brauste tieselbe heran, Auch aus den Kasernen trafen bald

Mannschaften zur Hülfeleistung ein. Nun wurden die zu dec Fabrik und den eingefallenen Häuscrn führenden Straßen abgesperrt und dann mit Aufbietung aller Kraft die Trümmer weggeräumt, um zu den unter denselben Begrabenen zu gelangen und ihnen, wenn mögli, Rettung zu bringen. Gegen +1 Uhr hatte man, so viel wir erfalzren konnten, 17 Personen unter den eingestürzten Gebäuden bervorgezogen. Bon diesen waren l.ider fünf todt und sieben {wer verlett. Die Berstümmelungen einzelner Leichen sollen gräßlih sein, Die Verwun- detea übergab die Polizei dem Marienhospital, einzelne auch dem Bürgerho1pital in Pflege. Ob durch die durch die Luft geschleuderten Kesseltheile, Balken, Steine 2c. au erhebliche Veeleßungen vorge- kommen, konnte man nit erfahren. Es scheint jedo, daß größere Unglücksfälle außer den durch den Einsturz herbeigeführten nit zu beklagen find. Von den in dec Fabrik beschäftigt gewesenen Arbeitern und Mädchen wurden gegen 1 Uhr noch mehrere vermißt. Ueber di-e Entstehung des Unglücks ließ sih bis jeßt noch nichts feststellen.

In der Londoner „Pall-Mall-Gazette“ vom 10. d, d

si L! ors ! E Me

s ist keineëwegs unwahrscheinlich, daß im Laufe der ften Jahre die Chinesen in Masse dem A cbeitGidar tes bis Landes zustrômen werden, wie fie es bereits in Kalifornien gethan haben. Auch kann kcin Zweifel darüber bestehen, daß sie als Dienst- boten in vielex britis{chen Haushalten warme Aufnahme finden wer- den, welche fast bis zur Zerrüttung gebracht sind durch die Unluft Unredlichkeit und Trägheit von Köchen, Hausmädchen und sonstigen Dienstboten, die sich ebenfalls freuen werden über die ihnen gebotene Gelegenheit, diesen interessanten Fremden Verrichtungen zu überlaffen, deren Ausführung ihnen selbst ebenso widerwärtig wie erniedrigend ift.

Theater.

Im Königlichen Opernhause trat am Sonnabend zum ersten Male Frl. Zucchi, vom Theater della Scala in Mailand, als Gast in dem Ballet: „Das \{lecht bewacte Mâädchen* auf. Das Publikum verbielt sih gegenüber dieser ihm neuen Erschcinung, die an fich nichts Blendendes hat, zuerst kühl abwartend und rubig ; dann aber steigerte sich der Beifall von Scene zu Scene, und wucde dem Gaft ein mehrmaliger Hervorruf zu Theil. Dieser Beifall muß ein berechtigter genannt werden in doppelter Beziehung; Frl. Zucchi ift gewandt in der mimishen Darstellung und gab alle die kleinen Shwänke dieser Partie mit anmuthiger Koketterie; dann aber besißt sie eine cminente Virtuosität in allem Technischen ihrer Kunft, große Kraft und Gewandtheit; namentlich ift sie bedeutend durch Sthnelligkeit und tur die Pirouetten und Pas auf der Fußspite, nur fehlte es dabei und namentlich in der Haltung dec Arme, oft an Grazie. Die nächste Partie, im Sardauapal, wird zeigen, ob Frl. Zucchi auch für diese Art serieus:n Tanzes und großer Mimik sich eignet. Dem Ballet voran ging das alte Lustspiel „Der Weg durch's Fenfter*, in den die beiden nenen Mitglieder des Schauspiels, Frl. Abich als junge Baronin und Frl. Hrabowska als Lise Pomme auftraten und beide durch die Natürlichkeit ihres Spiels wie durch die Anmuth ihres Wesens, welche bei Fri. Abih mit viel Innigkeit, bei Frl. Hrabowsfa mit reizender Drolerie gepaart war sehr gefielen. :

Um Hrn. August Neumann Gelegenheit zu bieten, fi Berliner Pablikum anch in manchen s les G Em zeigen , wird morgen, Dienstag, im Wallnertheater die bckannte Pohlsche Gesangsposse „Lucinde vom Theater* zur Aufführung ge- langen. Der Rentier Hüuenkepf des Hrn. Neumann ift mit seiner draflischen Komik noch genugsam in Alter Erinnerung, und einen be- sonderen Reiz dürfte die V-rstellung noch dadurch erhalten , daß Frl. Ernestine Wegner „die von Frl, Stauber fkreirte Rolle der Hermine Af Ca en meb, Ae übrigen Hauptrollen sind mit den Damen

er, Garlsen, Verg, Bredow, und d 4 if Biene, Deutaui Lelet d den Herren Engels, Meißner

Neben dem einmaligen Gastspiel des Hrn. Otto Schindler als Hans Styx wird im Woltersdorff-Theater in La Auf- U 2 Ans Ls der R R le auch das Debut der Gr. rect - Lange, von ihrem früheren Engagement am Frietrich- Wilhelmstädtishen Theater hter bekannt, als Eurydice, itatlfinben

Redaeteur: F. Prebm. Veriag der Expedition (Kessel). Druckt: W. Elsner- Vier Beilagen (eins{ließlid Börsen-Beilage), (4521) außerdem ciu Fahrplan der Biheinischen Eisenbahn,

Berlin:

Erfte Beilage

zum Deutschen Reihs-Auzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

Nichtamfliches.

Preußen. Berlin, 15. Mai. Im weiteren Ver- laufe der Sißung des Hauses der Abgeordneten am 13, d. Mts., bei der Spezialberathung über den Gesegzents- wurf über die Geschäfts\prahe der Beamten, Be- hörden und politishen Körperschaften des Staats On der Minister des Innern Graf zu Eulenburg das

ort:

Der Gesetzentwurf is in der Kommission auf das grün lichfte berathen, und haben die Berathungen in dem Kommissionsberichte eine außerozrdentlich klare Darstellung gefunden. Nicht blos in der Form, sondern auch in der Sache selbs sind Vorschläge gemacht, mit denen die Regierung im Großen und Ganzen sich ein- verstanden erklären kann. Es werden also die BVerthej- diger des Kommissionsberihts zugleich als Vertheidiger der Regierungsansicht angesehen werden können.

Wenn ih jeßt das Wort ergreife, so ift es nur, damit die Re- gierung bei der Generaldebatte über das Geseß nicht stumm er- feine, und wenn ih mit wcnigen Worten den Standpunkt der Regierung bezeichnen will, so kann ich das am besten thun, indem ich zu den Aus- drücken des Berichis meine Zufluht nchme, Sprachverschiedenheiten haben im preußishen Staat ja seit 50 Jahren und länger bestanden, aber sie sind in der leßten Zeit an Umfang größer geworden; daneben find die Institutionen des preußischen Staates, um nicht zu sagen Tomplizirter, aver wenigftens lebendiger geworden. Es ist namentlich die Mündlichkeit und Schuelligkeit des Austausches der Gedanken im offentlichen Verfahren ein ausgesprochenes Bedürfniß ¿ewordeu, und die Gesetzgebung hat fih bemüht diesem Bedürfnisse nachzukommen. Daß bei dieser Lage der Dinge Sprachverschiedenheiten zu Reibungen und Schwierigkeiten führen, liegt auf der Hand und hat fih von Jahr zu Jahr mehr gezeigt. Es ist nicht blos ein natürlicher Ge- danke, sondern ein in der öffentlichen Meinung zum Ausdruce kTommendes Bedürfniß, daß es fih empfehle, eine Staatssprache zu fixiren. Ich betone diesen Ausdruck, weil er rihtig den Gegensatz zur L2-olkssprache ausdrückt, auf welche der Hr. Abgeordnete aus der

fin Posen so großen Werth gelegt hat, und die er mit so großer

mphajse für gefährdet erklärt. Es handelt sich um die Sprache, welchem, wie der Bericht sagt, bei dem Zusammentreffen mehrerer Volkssprahen für die Wahrnehmung gemeinsamer Angelegenheiten die entscheidende Geltung zuerkannt werden soll. Eine solche StaatsfprateZ muß eingeführt werden, und daß es nur die deutsche sein kann, geht doch erstens daraus her- vor, daß wir in der überwiegenden Majorität deuts find; dann aber noch aus einem anderen Gesichtspunkte, der, in dem Bericht nur bei- läufig erwähnt, meiner Ansicht nach eine große Bedeutung hat. Es ist da an einer Stelle gesagt, wo von den polaischen Juristen die Rede ist, sie dächten wesentlich deutsch und wüßten fich deutsch aus- zudrücken. Das ift ziemlich natürli, denn die Uebersetzung scharfer Begrifföbezeichnungen ist stets schwierig und in unentwickelten Sprachen un- möglich; wenn wir „also verwickelte Justitutionen mit s{arfen Be- griffsbezeihnungen zum Gesetz erheben, dann muß die Sprache dem folgen und muß diesen Justitutionen und ihren einzelnen Phasen einen Ausdruck geben, der sich bei Weitem leichter und mit mehr Präzision deuts ausdrücken läßt als in irgend einer der Sprachen, die bei v8 noch gesprochen werden. Ziemlich Fahe liegt das zitiren könnte-man es wohl: warum hält die Naturwissenschaft we- senilich an Fr lateinishen Terminologie und die römis\ch-katholische Kirche an ‘der lFeinishen Sprache fest? Nach dieser Richtung hin ist es für den gesammien Geschäftsverkehr eine wesentliche Wohlthat, wenn angeordnet wird, daß er in einer Sprache geführt werde, die den Bedürfnissen desselben den besten Ausdruck giebt. Wenn Sie das zugeben, meine Herren, dann, glaube ih, ist das Bedürfniß für Festseßung einer Staatssprache als erwiesen an- zusehen. Was bleibt dann übrig als Oppositionsgrund gegen den Geseßentwurf? Blos die Furt der Bewohner der Provinz Posen, daß man damit zu gleicher Zeit ihre volkssprachliche Eigenthümlichkeit verleßen wolle. Die Absicht des Gesetzes ist dies nicht, kann es nicht fein und wird es auch, glaube ich, im Erfolge nicht sein.

Die Verträge von 1815, die zitirt werden, besprehe ih nicht nochmals. Jch betone nur, daß wie ja wiederholt hervorgehoben und auch wohl nicht bestritten worden is, den damals kontrahirenden Staaten ausdrücklich überlassen wurde, den einzelnen Theilen des pol- uischen Reiches so viel nationale Selbständigkeit oder so viel natio-

- nale Institute zu lassen, als die kontrahirenden Staaten in ihrem

eigenen Interesse für nöthig halten würden, und damit, glaube i, ist diese ganze politische Frage entschieden. ;

Wenn das aber der Fall ift, dann weiß ich nit, wie die Hecren darauf kommen, aus der Einführung der deutschen Staatssprache eine Gefahr für fie erkennen zu wollen. Jh habe mit großer Freude aus dem Bericht erschen, und heute zu meiner Ueberraschung wiederholen hören —— es war mir eigentlich neu —, daß Se wirklich agent wir

efennen, Bürger eines deutschen Staats zu ' in. Das haben Sie bisher in dieser Präzision nicht gesagt. Niemais habe ich etwas An- deres von Ihnen verlangt. Oft ift hier in der hohen Versammlung das Wort von mir zitirl worden, ih verlangte, daß Sie deutsch wüden. Das habe ich nie gesagt, oder ih habe mich sehr falsch ausgedrüdckt. Wer damals mit gutem Willen verstehen wollte, was ih sagen wollte, muß es verstanden haben. Jch habe nicht gesagt, die Polen müssen deutsch werden, fondern sie sollen das Bewußtsein bekommen, Bürger eines deutschen Staates zu sein. Wenn Sie dieses Bewußtsein haben, wenn Sie das zugestehen und mir zugeben, daß der erste Theil meiner Auséeinandersezung richtig ist, daß es für den preußishen Staat Be- dürfniß sei, eine Staats\prache zu haben, daß Sie uns nicht zumuthen Tönnen, eine andere Staats\prache als die deutshe zur Staatssprache zu machen, dann zeigen Sie, daß Sie gute Bürger des deutschen Staates find, indem Sie deutsch lernen und Ihre Sache vor Gericht deutsch vertheidigen und an öffentlichen Angelegenheiten si deuts betheiligen. Das i die ganze Forderung, die die Regierung stellt.

Nach einigen Bemerkungen des Abg. Hansen und des Rcferenten Abg. Beisert wurde §. 1 nah den Anträgen Hansen und Aegidi genehmigt, \o daß derselbe jeßt lautet:

8. 1. „Die deutshe Sprache ist die ausschließliche Geschäfts- \prace aller Behörden, Beamten und poelitishen Köperschaften des Staats. Ein shriftlicher Verkehr mit denselben is nur in der -deut- \chen Sprache gestattet." 8. 1a. „Jn dringlichen Fällen können {hriftlihe von Privatpersonen ausgehende Eingaben, welche in einer anderen Sprache abgefaßt sind, berücksihtigt werden. Im Falle der Nichtberücksichtigung find fie mit dem Anheimstellen zurückzugeben, sie in deutscher Sprache wieder einzureichen.“

S. 2 lautet in der Kommissfionsvorlage:

&ür die Dauer von höchstens zwanzig Jahren von dem Inkraft- treten P Gesetzes ab, kayn im ene on [icher Verordnung für einzelne - Kreise oder Kreistheile der Monarchie der Gebrauch einer fremden Sprache neben der deutschen für die mündlihen Verhand- lungen und die protokollarischen Aufzeihnungen der Schulvorstände, fowie der Gemeinde- und Kreisvertretungen, der Gemeindeversamm- lungen und Vertretungen der sonstigen Kommunalverbände und für \chriftlihe Eingaben an die Behörden gestattet werden.

Während des gleichen Zeitraums kann dur Verfügung der ti, regierung den der deutschen Sprache nicht mächtigen Beamten länd- liher Gemeinden gestattet werden, ihre amtlichen Berichte und Er- Elärungen in der ihnen geläufigen Sprache einzureichen,

eispiet und }

Berlin, Montag, deu 15. Mai

Hierzu beantragte: y 1) Der Abg. Wahler (Schweidnitz): im Absaz 1 die Worte:

„und für \chrifilihe Eingaben an die Behörden“ zu. ftreichen.

2) Der Abg. Hansen : a. in den Schlußzeilen des ersien Absages die Worte: „und für \{chriftlihe Eir:gaben an die Brhörden“ zu streihen und dagegen b. in dem zweiten Absag zwischen „Be- amten ländliher Gemeinden“ und „gestattet werden“ einzu- halten: „durch Verfügung der vorgeseßten Gerichtsbehörde, be- ziehungsweise des Vormundschaftsgerihts den der deutschen Sprache niht mächtigen Gerichtsvögten und Vormündern.“ Nach einer furzen Debatte zwishen den Abgg. v. Czarlinski (Neustadt), Dr. Franz und Löwenstein empfahl der Regierungskommissar, Geheimer Justiz - Rath Oehlshläger die Anträge Hansen und Wahler zur Annahme, wenngleih eine redaktionelle Aenderung derselben wünschenswerth! sei, indem anstatt der Worte: „der vorgeseßten Gerih“sbehörde“ besser „das Appellationsgeriht“ gesagt werde. Die Fassung der Kommission dagegen sei unklar, da nit feststehe, ob die eingeräumte Befug- niß lokal an den betreffenden Kreis oder an seine Bewohner geknüpft sein soll, Der Abg. Hansen erklärte sh tit der Redaktionsänderung seines Antrages, welhe der Regierungs- kommissar gewünscht hat, einverstanden.

Nachdem noch der Referent Abg. Beisert die Kom- missionsbeshlü}sse befürwortet, wurde der Paragraph mit dem modifizirten Amendement Hansen angenommen.

Darauf vertagte fih das Haus.

Die Erwiderung des Ministers für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten Dr. Friedenthal auf die Ausführungen des Abg. Dr. Lasker in der Sizung des Abgeordnetenhauses am 12. d. M, hatte folgenden Worilaut : /

Meine Herren! Jch werde auf den ersten mehr persön!ichen Theil der Ausführungen des geehrten Herrn Vorredners nur mit einigen Worten antworten. Ob meine Vertheidigung gegen jenen An- griff heftig war, ob sie mehr das pasönlihe Element vorkehrte als den Angriff, das mag dem hohen Hause zu beurtheilen überlassen bleiben, ebenso das Urtheil darüber, ob jencr persönliche Angriff bei dieser Gelegenheit überhaupt in irgend eincx Weise motivirt war. Jch werde mich auch nicht einlassen auf die irrthüm- lie Auslegung meiner Ausführung, bctreffend die Aeußerung des Herrn Minister - Präsidenten, näher einzugehen, ich habe das Gefühl, das von Eifersucht dabei fkeixe Rede war; ich glaube auch, das ift klar aus meinen Ausführungen hervorgegangen ; ih habe den Eindruck, als ob das bohe Haus derselben Meinuyg hierüber sei, und daß cs sich damals nur karum handelte, die äußer- liche Varknüpfung eine gelegentlich in Privatfkreisen abgegebenen Aeußerung mit dem Geseß und den geseßgeberischen Motiven in der ftattgehabten Art zurückzuweisen, weil derartige Verknüpfungen nicht geeignet sein können, sahlich Gesetze zu kritisiren. j

Was diese Kritik betrifft, so weit sie sahliher Natur war, so verfteht sih ganz von filbft, daß ih gegen deren Berechtigung nichts einzuwenden habe. Sind doch Auseinanderscßzungen des Herrn Vor- redlers,. auh im Falle mangzlnder Ueb ‘ceinstimmung, so be- lehrend, daß. daraus ein föôrderlihes Mesultat entsteht." Das, wogegen ih mich entschieden zurückweisend wendete, war nur die Art und Weise; ih habe damals das Nöthige gesagt, so daß heute darauf zurückzukommen keine Veranlassung rorliegt. : 4

In der Sache behauptet der Herr Vorredner, das Geseß hätte nicht den Charakter eines Reformgeseßes, soudern nur den Schein eines solchen. Jch bin da durch genöthigt, wenn auch in Kürze, die- jenigen Hauptpunkte vorzuführen, in denen die beabsichtigte Emanzi- pation des Ansiedelungswesens von früheren Beschränkungen liegt, um au fzukiären, in wieweit die heutigen Anführungen des Herrn Vor- redners gerechtfertigt sind, oder vielmehr das günstige Urtheil zutrifft, das er früher über die Vorlage fällte. Früher bestand in den 6 öst- lichen Provinien erstens folgende Vorschrift : E

„Der Aushändigung des Baukonsenscs und der Berichtigung des Besißtitels müßte die Vertheilung der öffentlichen Lasten und die Regulirung der Gemeinde-, Kirchen-, Schulverhältnisse vorangehen. ®

Die hierin liegende E.sparung wird durch die Vorlage für die Ansiedelungen pure beseitigt.

Zweitens : i

„Der neue Avstedler muß die besonderen Unkosten und Laften tragen, welche du: SeDen Hinzutritt dem Gemeinde-, Kirchen-, Schul- oder fonftigea Verbande entstehen“

aufgehoben. | j N

Was jeßt kommt, gilt auch für Westfalen, während die soeben bezeichneten Bestimmungen uur für die östlichen Provinzen gelten.

„Alle, und nicht nur die außerha b der Ortschaften zu errih- tenden Niederlassungen auf dem platten Lande find bisher den Vor- {riften über Ansiedelungen unterworfen." ;

Die Vorlage befreit dagegen diejenigen Niederlassungen, die sich an die bestehenden Ortschaften anschließen, gänzlich von dem Erfor- derniß des Ansicdelungékonsenses. L

Meine Herren, d. h. °%/109 aller Fälle neuer Ansiedelungen, welche dem Ansiedelungsverfahren unterliegen, sollen nicht mehr als neue An- siedelungen gelten. Wenn zur Zeit in einem Dorfe, an dessen Ende oder an einer Seite ein neues Wohnetablissemeni errichtet werden sollte, so bedurfte es des A:siedelungskonsenses Und darin liegt eine große Beschränkung der wirthschaftlihen Bewegung, welche die Ver- größerung der ländlichen Ortschaften von dem Gutdünken der Ver- waltungsbehörde abhängig macht. Meine Herren, diese Bestimmun- gen, welche den größten Theil des bisher’gen Anwendungsgebietes des G unatueriahzens decken, sollen nach der Vorlage aué scheiden.

iertens:

„Auch bereits bebaute Grundftückte, wenn fie ohne Zulegung zu anderen benachbarten Grundstücken vom Hauptgute abgetrennt werden (in Westfalen nur während 5 Jahre nach der Bebauung) unterliegen den Vorschriften über Ansiedeluagen.*

Aufgehoben.

Fünstens: : i

„Die Ansiedelung mußte untersagt werden, wenn die Gemeinde widerspriht und der Ansiedler nicht und zwar durch den Besiß von Grundstücken oder sicheren Hypotheken oder durch die Ver- sicherung zweier zuverlässiger Gemeindeglieder den Besiß eines hinlänglihen Vermögens zur Ausführung des Baues und zur Er- richtung der Wirthschaft nachweist.“

Aufgehoben.

Sechstens :

„Die Anfiedelung kann versagt werden, wenn davon Gefahr für das Gemeindewejen zu besorgen i"

Meine Herren! Eine ganz allgemeine willkürlichster Anwendung ausgeseßte Bestimmung. Worin kann eine än Bette Fs nicht überall Gefahren für das Gemeindewesen sehen! Ebenfalls aufgehoben.

Siebentens: Í f

„Gefahr für das Gemeindewescn und die polizeilihe Beaufsich- tigung mit ungewöhnlichen Schwierigkeiten verbunden ist. Dies ist insbesondere bei erheblicher Entfernung oder sonst unpafsender Lage“

oder sonst unpassender Lage! : „sowie bei Bescholtenheit des Nachsuchenden anzunehmen,

1876.

In solchen Fällen hat in Westfalen die Gemeindevertretung die Ansiedelung zu genehmigen; in den östlichen Provinzen soll es, wenig- ftens in der Regel nit ge\{ehen, wenn ter Nachsuchende notorish unvermögend oder besholten war.

An Stelle dieser leßten, in das Gutdünken dec V-äwaltungs- behörden gestellten Vorschriften s{lägt dec Eatwurf die §8. 14, 15 und 16 vor. Jch glaube, dieje Gegenüveistellung wird ge- nügen, meine Herren, um meine Behauptungen zu beweisen, daß ein Geseg, welches die vorgeführten Beschränkungen aufhebt, einen durchweg reformatorishen (harakter hat, nit nur den Schein einer Reform an sich trägt. Ich komme nun zu den Ausführungen des Hrn. Vorredners, welche in der Hauptsache darin gipfelten, daß §. 15 resp. 16 alles Gute des Gesetzes zu nichte macht. Jn der That wären fast alle Ausführungen, die der Hr. Vor- redner gab, zutreffend, wenn er nicht außer Betracht gelaffen hätte, worauf es ankommt, nämlich, daß es im Entwurfe heißt: „Thatsachen u. s w.“ Entgegen dies:m Kriterium citirt der Herr Vorredner: „daß zu vermuthen sei, es werde ge- mißbraucht werden, aber daß die Voraussetzung da sei, daß die Ge-

hren eintreten. Wenn das nun im Gesetz stände, dann hätte der geordnete Recht. Wenn also der Plan etwa so lautete:

enn Einspruch erhoben und die Behauptung aufgestellt wird, daß

die Ansiedelung, den Schug u. \. w. gefährden werde, so müßte eire derartige Fassung verwerflih erscheinen; sie enthielte etwas ganz Vages, und die Verwaltungëgerichte würden nicht in der Lage sein, auf Grund derselben zu entsheizen. Das Gegentheil liegt vor. Wer den Paragraphen unbefangen liest, kommt meines Er- messens nothwendig zu folgender Auslegung: k die Ansiedelung darf, abgesehen von dem Erforderniß; des Weges, nit versagt werden aus dem allgemeiuen Grunde, weil fie nur die- jenigen Folgen nach sih zieht, welche noihwendig aus dem Wesen jeder Ansiedelung si ergeben, fie darf nur untersagt werden, wenn bestimmte Thatsachen vorhanden find und darauf lege ich den allergrößten Nachèruck Thatsachen, weiche nach der konkreten Ge- sammtbeschaffenheit des besonderen Falles die Annahme der Gefahr recht- fertigen. Die Thätigkeit der Verwaitungsgerichte wird darin liegen, zu untersuchen, ob solche Thatsachen nachgewiesen sind. Wenn Jemand sagt, ih erhebe Einspruch gegen die ¿eue Anfiedelung, weil jede An- siedelung eine Gefährdung für den Nacbar herbeiführt, weil, wenn mehr Menschen auf eine rbeftimmteu Fläche sich anbauen, dann na- türlih auch mehr Menschen da sind, weiche das Eigenthum des An- dern beeinträchtigen föônnen. Glauben Sie, meine Herren, daß unsere Berwaltungégerichie darin Thatsachen fiuden werden, wie jie hier nach dem Gejeßze ge}ordert wecden? Wr eine felche Meinung hätte, der müßte allerdings au der gesamiuten Institution verzweifeln. Denn das wäre und ih appellire an jeden Jucisten unter Jhnen eine Auslegung und Behandlung, die den juristischen #us!egungs- regeln geradezu wiecrspräche. E i

Hiermit aver fallen alle Ausführungen des Herrn Vorredners, da seine Argumentation darauf hinauslief, die Verwaltunssgerichte könnten auf Grund der Voclage niht prüfen und äußerlich entscheiden. Die Regierungsvorlage hat offenbar folgende Tendenz: an sich ift die Ansiedelung erlaubt und darf niht gehindat, sie darf nur auênahmóweise versagt werden,“ wenn spezielle Thatsachen behauptet und Lewiesen sind, aus denen die Gefäßzrdung folgt. Was will nun der Herr Abgeordnete? Der Herr Atgeordnete will, und das ist der einzige Uaterschied seiner reformatorischer A:.shauung und der Anschauung der Vorlage er will dem- Richter verdeßken, wie er diese Thatszchen beurtheilen soll, und zwar nah seinem ersten Antrage hierbei das persönlihe Moment allein in den Vordergrund stellen. Jch bleibe noch heute dabei stehen, meine Herren, da} eine solche Vorschrift in dem Geseße nothwendig, die zum Einspruch Be- rechtigten und die Behörden dazu drängen werde, von persöaiicher Qualis fifation mehr abhängig zu u.achen, als es einer rationellcn Ansiedelungs- freiheit enispriht. Es 1st aber ferner der Ausgangspunkt hierfür nicht zutreffend. Der Hr. Abgeordnete hat augenscheinlich aus der Gewerbe- ordnung, woraus auch unsere Fassung stammt, seiren Antrag herge- nommen. Nun bitte ih, fih zu vergegenwärtigen, daß, wenn es in der Gewerbeordnung sich handelt um die Schanfkonzession, eine per- \önliche Konzession in Frage steht, die jeden Augenblick im Falle des Mißbrauches nah dem Gejeße wieder zurückgezogen werden kann. Hier dagegen handelt es sih um eine Anlage, die eine bleibende und von der Person unabhängige ist, und «3 muß diefe Verschiedenheit in dem Geseße Ausdruck finden; es kann das persönliche Moment nicht wie bei den Schanfkfkonzessionen das allein maßgebende fein.

Monatsübersicht für April 1876. III, (Vergl. Nr. 112 d. B.)

Großbritannien und Irland. Die Titelfrage, welche [ange Zeit das englische Volk in allen Schihhten bewegt hat, ift jeyt entschieden; am 28. April ift durch feierlihe Proklamation angezeigt worden, daß Ihre Majestät die Königin fortan ihren anderen Titeln den der Empress of India hinzufüge. |

Aus den sonstigen parlamentarishen Vorkommnissen if zu erwähnen, daß die Klosterfrage im Unterhause angeregt worden, die Regierung aber nit die Initiative ergreifen, sondern warten wollte, bis ihr die Beweise für eine Nothwendigkeit der Revision vorgelegt seien. Ferner wurde das Budget vorgelegt, bei dem fich ein Defizit von 774,000 Pfd. Sterl. ergab, zu dessen Deckung eine Erhöhung der Einkommensteuer um 1 Pence per Pfd. Sterl, aber nur von 150 Pfd. Sterl. an, vorgeschlagen wurde; dies würde einen Uebershuß von 365,000 Pfd. Sterl. ergeben. Die vorgeshlagene Einführung des Schulzwanges wurde abgelehnt. Das Blaubuh über den Aufftand in der Herzegowina ist dem h ar A vorgelegt und in diesem Blatte

ereits eingehend gewürdigt. j i

: Die Ln der Regierung eingebrahte Schiffahrtsbill zum Schutze der Seeleute fand keinen Anklang, weil fie nicht für zu=- reihend gehalten wurde. Endlich kam, wie seit 10 Fahren regelmäßig die Frauenfrage und das Wahlrecht der Frauen zur Sprache und wieder wurde der Antrag ábgelehnt. Die dagegen stimmende Majorität if von Jahr zu Jahr gestiegen und betrug diesmal 239 gegen 152 Stimmen. ,

Die katholishe Partei hat in diesem Monate nur zweimal die Aufmerksamkeit auf sih gezogen ; zuerst dadurh, daß der Papst seinen besonderen Segen allen Denjenigen verhieß, welche zur Umwandlung des Fort Augustus in Schottland in ein Be- nediktinerklofter beitragen würden, und dann dadur, daß die ultra- katholishen Mitglieder des Stadtraths in Dublin keine Glückwunsch- adresse an den Prinzen von Wales wegen seiner glücklihen Rückkehr zu erlassen iO t weil er in Malta nit den Grundstein zu

einem ausschließlich für katholishe Kinder beftimmten Waisen- hause legen wollte, was ihm aber nur dadurh unmöglich ge- macht worden, weil der Bischof die Feier zu einer ganz katho- lishen gestalten wollte. Dagegen haben 3620 englische Geist-

lihe (darunter 33 BisYöfe) u. 4093 Laien eine Dankadresse an