1876 / 119 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 20 May 1876 18:00:01 GMT) scan diff

Als dritter Gegenstand war auf die Tagesordnung gefeßt der mündlihe Bericht der IJustizkommission über den Geseß- entwurf, betreffend die Einführung der Kreisordnung

vom 13. Dezember 1872 in den Grafshaften Wernigerode und Stolberg. Der Berichterstatter Dr. Dernburg beantragte Namens der Kommission:

1) den Geseßentwurf in der Fassung des Hauses der Abgeord- neten unverändert anzunehmen; 2) die Petition des Grafen Alfred zu Stolberg dur den gefaßten Beschluß für erledigt zu erklären, An der Generaldiskusfion über die Vorlage betheiligten \ih ferner die Herren v. Wißleben, v. Knebel-Döberiß, Becker (Dort-= mund) und Baron Senfft v. Pilsah, sowie der Regierungs- Kommissar Geheimer Regierungs-Rath v. Brauchitsch. Auch der Minister des Jnnern, Graf zu Eulenburg, griff in die Debatte ein. In der Spezialdiskussion nahm zu §. 1 Herr v. Knebel-Döberiß nohmals das Wort, worauf dieser Paragraph in einer von Gr. Franz zu Stolberg-Wernigerode beantragten namentlihen Abstimmung mit 54 gegen 37 Stimmen angenommen wurde. Mit gleiher Majorität wurden auch die übrigen Paragraphen des Gesetzes ohne jede Debatte angenommen.

Bei Schluß des Blattes begann die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Uebertragung der Eigenthums- und fonstigen Rechte des Staats an Eisenbahnen auf das Reich.

In der heutigen (60.) Sißung des Hauses der Ab- geordneten, welher am Ministertishe mehrere Regierungs- Kommissarien beiwohnten, beantragten nah einigen geshäftlihen Mittheilungen des Präsidenten die Abgg. v. Benda und Ofterrath den Gesezentwurf, betreffend die Deckung der für die Weiterführung und Vollendung der Bebra-Fried- länder Eisenbahn erforderlihen Geldmittel, an die Budgetkommisfion zu verweisen, worin ihnen das Haus beitrat. Es folgte die erste Berathung des Gesezentwurfs, betreffend die Verwaltung der den Gemeinden und öffentlihen Anstalten gehörigen Holzungen in den Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen und Schlesien. Der Abg. Osterrath beantragte die Verweisung der Vorlage an die Agrarkommission, der Abg Schmidt (Stettin) die Verweisung derselben an eine besondere Kommission, während die Abgg. Rickert, v. d. Recke, Lauenstein und Graf Matuschka zwar sachlich \fich auf den Standpunkt des Abg. Osterrath stellten, jedoch in Betreff der Verweisung an eine Kommission mit dem Abg. Schmidt übereinftimmten. Die Vor- lage wurde an eine Kommission von 14 Witgliedern ver- wiesen. Nächster Gegenstand der Tagesordnung war die dritte Berathung des Geseßentwurfs, betreffend die Ge- \chäfts\prache der Beamten, Behörden und politi- schen Körperschaften des Staates. Den Abgg. Wahler (Schweidniz) und Wierzbinski, welche gegen das Geseß sprachen, trat der Abg. v. Tempelhof entgegen. Der Abg. Wierzbinski bekämpfte mit Leidenschaft die Vorlage. Der Regierungskommissar Geheimer Regierungs-Rath Herrfurth wies diese Angriffe als unberehtigt zurück und sprach die Hoffnung aus, daß die Vor- lage durch Ausgleichung der nationalen Differenzen dem Lande zum Segen gereihen werde. Der Abg. Dr. Aegidi {loß fi Dieser Auffassnng an, indem er eine Erwiderung auf die leidenshaftlihen Aeußerungen des Abg. Wierzbinski als unter der Würde des Hauses ablehnte. Der Präsident v. Ben- nigsen erklärte, daß er jene Aeußerungen des Abg. Wierzbinski, die wiederholt über die Grenzen des parlamentarisch Erlaubten hinauagegangen, nur deshalb gestattet habe, weil er geglaubt, der preußische Staat sei stark genug, um auch \olche Angriffe ruhig zu ertragen. Beim Schluß des Blattes ging hierauf das Haus zur Spezialberathung der Vorlage über.

Die Einnahmen an Zöllen und gemein- \chaftlihen Verbrauchssteuern im Deutschen Reich

haben für die Zeit vom 1. Januar bis zum Schlusse des Monats April 1876 (verglihen mit demselben Zeitraum des Vorjahrs) betragen: Zölle 37,656,306 H (— 556,455 #6), Rübenzucker- fteuer 20,742,517 M (+ 10,622,174 A6), Salzsteuer 9,750,261 (— 187,266 M), Tabaksfteuer 354,532 M (+ 93,095 M), Branntweinsteuer 18,189,188 M (— 326,788 H), Uebergangs- abgaben von Branntwein 41,764 A (+ 4132 H), Brausteuer 7,198,784 M (+ 188,453 A6), Uebergangsabgaben von Bier 306,402 M (+ 8138 M). Zusammen 94,239,754 A (- 9,845,483 M).

In den deutschen Münzftätten find bis zum 13. Mai 1876 geprägt: an Goldmünzen: 1,081 049 600 Doppelkronen , 320,405,050 /6 Kronen; hiervon auf Privat- rechnung: 170,077,445 /; an Silbermünzen: 42,917,190 M 9-Markstücke, 132,876,475 A 1-Markftücke, 23,990,343 A 50 o0-Pfennigstücke, 24,059,608 4/6 80 „Z 20- Pfennigstücke; an Nickelmünzen: 16,037,466 46 50 Z 10-Pfennigstücke, 9,400,178 4 70 S 5 - Pfennigstüle; an Kupfermünzen: 5,448,778 M 8 S 2-Pfennigstücke; 83,002,106 M 47 .Z 1-Pfennigstüe. Gefammtausprägung: an Goldmünzen: 1,401,454,650 F; an Silbermünzen: 223,843,617 # 80 .§; an Nidtelmünzen: 29,437,545 A 20 S §; an Kupfermünzen: 8,450,884 M 55 S.

In ter heutigen Börsen-Beilage befindet sih di tabellarishe Uebersiht der Wohen-Ausw eise ba beuttt (u Zettelbanken vom 15. d. M. Dieselbe {ließt mit folgenden summarishen Daten: Es betrug der Kassenbestand der 19 Banken der Tabelle 764,433,000 M, d. h. gegen die Vor- woche mehr 19,079,000 #; der Bestand an Wechseln mit 635,118,000 M zeigt gegenüber dem Status der Vorwoche cine Abnahme um 23,886,000 A; die Lombardforderungen mit 93,436,000 F haben sich um 1,392,000 / gegen die Vor- woche verringert; der Notenumlauf stellte sich auf 903,387,000 f, d. h. 8,858,000 M weniger als in der Vorwoche. Die täglich fälligen Verbindlichkeiten im Betrage von 190,764,000 A6 wei- sen eine Vermehrung um 6,131,000 auf, während die an eine Kündigungsfrist gebundenen Verbindlichkeiten in Höhe von 162,093,000 M sich um 732,000 6 verringert haben.

Die Vorschriften der Generalsynodal-Ordnung Abschnitt V1 machen für die nach der Kirchengemeinde- id Srnodal: Ordnung vom 10. September 1873 in Funktion ftehenden Krei s- \synoden eine Reorganisation rüsihtlich der gewählten -Mit- glieder erforderlich (8. 43 Nr. 3 das.). Diese betragen künftig die doppelte Anzahl der nach §. 43 Nr. 2 daf. als vollberech- tigte Mitglieder an der Kreis\ynode Theil nehmenden Geistlichen und zerfallen in zwei gleih? Hälften. Die eine Hälfte entspricht . dem Maße der Betheiligung, welche allen einzelnen Gemeinden des Synodalkreises durch ihre Geistlihen an der Kreissynode zukommt: es hat daher jede Gemeinde eben so viele Personen, als fie stimmberechtigte Geistliche in der Kreis\ynode hat, aus dem Bereiche ihrer derzeitigen oder früheren Aeltesten zu erwählen und als Synodalmitglieder zu entsenden. Die andere Hälfte, deren

aus den angesehenen, kirchlich verdienten und erfahrenen Män- nern geistlihen oder weltlihen Standes, welhe dem Synodal- freise angehören, zu erfolgen hat, foll von den an Scelenzahl stärkeren Gemeinden abgeordnet werden. Pran bedarf es für jede Kreissynode einer individuellen Festftellung, durch welche die einzelnen Gemeinden, die an der Wahl dieser Hälfte zu betheiligen find und die Zahl der ihnen beizulegenden Abgeordneten bestimmt werden. Nach Vor- \hrift der Synodalordnung soll hierbei die Seelenzahl als An- halt dienen, so jedoch, daß neben dieser au die örtlihen Ver- hältnisse der Gemeinden und des Kreises Berückfichtigung finden. Es wird daher nah einem Cirkularerlaß des Evangelischen Ober-Kirchenraths nächst der Seelenzahl au die dur die besonderen Umstände bedingte Bedeutung der einen oder anderen Gemeinde in Betracht zu ziehen und, was die Verhältnisse des Kreises anlangt, dahin zu ftreben sein, daß weder einer Eemeinde die Majorität \ämmtliher Synodalmitglieder zufällt, noch umgekehrt, wenn etwa in einem Kreise nur eine bedeutendere Gemeinde vorhanden i, diese durh zu weit gehende Be- theiligung kleinerer Gemeinden den leyteren gegenüber in eiu offenbares Abhängigkeitsverhältniß versezt wird. Die Repar- tition fällt für das erste Mal dem Königlihen Konsistorium, in seiner Verftärkbung durch den Provinzialsynodal-Vorstand, nach gutahtliher Anhörung der Kreissynodal-Vorstände zu. Die Konsistorien sind daher beauftragt worden, zunächst die Seelen- zahl der einzelnen Gemeinden festzustellen und nah den vorher besprochenen Gesichtspunkten über die Betheiligung derselben an der Wahl der zweiten Hälfte der gewählten Deputirten einen Plan zu entwerfen, der dann der gutachtlihen Beurtheilung der Kreis\ynodal-Vorstände mit Rückficht auf die örtlihen Ver- hältnisse zu übergeben“ ist. Nach Eingang dieser Gutachten hat dann die \cließlihe Feststellung der Vertheilung unter Zuziehung des Provinzialsynodal-Vorstands zu erfolgen.

Zugleih hat der Evangelishe Ober-Kirhenrath die Auf- merksamkeit der Konsistorien auf die Vorschrift im Schlußabsaß des §. 43 a. a. D., betreffend die Theilung größerer Diözesen gelenkt. Es sei unumgänglih, auf dem Wege der Theilung \o viel als möglich dem Mißstande vorzubeugen, daß eine Kreis\ynode zu einem Personalbestande anwächst, der mit ihrem Geschäftskreis in keinem Berhältniß steht und die gedeihlihe Führung ihrer Verhandlungen hindert. In dieser Be- ziehung werde keine bestimmte Zahl bezeichnet, weil die konkreten Verhältnisse hierbei in erster Stelle in Betraht kommen müssen; wenn in der Regel ein Personalbeftand der Synoden von gegen 90 Mitgliedern als der wünschenswerthe zu betraten sei, so würden in einzelnen Fällen erhebliche Ueberschreitungen, wenn unvermeidlich, noch getragen werden können.

Der Vorstand der Feldgemeinde G. hatte, ohne dur den Gemeindebeshluß ermächtigt zu sein, an einem Privat- wege eine Warnungstafel aufstellen lassen, nah welcher alles, nicht „zu landwirthschaftlihen Zwecken“ dienende Fuhrwerk von der Benußung des fraglichen Weges ausgeshlossen sei. Das Ober-Tribunal hat in der Sizung vom 27. April d. I. dieses Verbot für wirkungslos erklärt, weil es als eine selbst- verftändlihe Vorausseßung des §. 368 Nr. 9 des Reihs-Straf- gesezbuches betrahtet werden: müsse, daß die einen Privatweg absperrends Warnungstafel von einer hierzu berechtigten Person aufgestellt sei, im vorliegenden Falle aber der ermähtigende Gemeindebeshluß fehle, -

i Fs Î Der General-Felömarschall Herwarth- von Bitten- feld ist von Bonn hier cingetröffen und im British-Hotel ab- gestiegen,

_— Der General-Lieutenant von Voigts-Rheßy, à la suite des Königs-Grenadier-Regiments (2. Westpreußisches) Nr. 7 und Commandeur der 20. Division, ift nah beendigtem Urlaub nach Hannover zurückgekehrt.

_— Der Contre-Admiral Bat\ch, Chef des Stabes der Kaiserlihen Admiralität, hat sh nach Wilhelmshaven begeben, um dort das Kommando über das Mittelmeer-Geshwader zu übernehmen.

Der Kaiserlih russishe General - Adjutant Baron E ist gestern Abend aus St. Petersburg hier ein- etroffen.

S. M. S. „Elisabeth“ if am 18. d. Mts. Behufs Ueberführung nah Kiel, in Danzig in Dienst gestellt. M S. M. Knbt. „Comet“ is am 18. d. Mts. Nath- mittags von Kiel nah dem Mittelmeer in See gegangen. ___S. M. Kbt. „Nautilus“ am 19. d. Mts. früh in Port Said eingetroffen und beabsichtigte noch an demselben Tage nah Konstantinopel in See zu gehen.

Hannover, 17. Mai. Die hannoversche Landes- synode nahm heute nah mehrwöchentliher Vertagung ihre Berathungen wieder auf zur Erledigung des allein noch rück- ständigen Gegenstandes, des Gesegentwurfs über fkir{hlihe Trauungen. An der Spie des Gesezes steht der Say: Die kirhlihe Trauung hat die rechtsgültig ges{lossene Ehe zur Vor- aussezung. Der Antrag auf Streihung des Saßes wurde ge- gen eine Minderheit von nur 6 Stimmen abgelehnt, und damit das Hauptbedenken wider den Entwurf beseitigt.

Bayern. München, 18. Mai, Die Bevölkerung Mün- chens hat die ihr dur die dermalige Kammermehrheit auf- gedrungene neue Landtagswahl heute vollzogen, Wenn Hr. Abg. Wülfert in der Kammersißzung vom 4. d. äußerte: „Wenn die hiefigen Wahlen kasfirt werden, so wird München die rehte Ant- wort geben“, so ift, wie die „Allg, 3tg.“ hervorhebt, diese Prophe- zeiung heut im vollsten Maß in Erfüllung gegangen. „Die Zahl der liberalen Wahlsiege, die wir \eit einer Reihe von Jahren bei den Reichstags-, wie bei den Landtags- und Gemeindewahlen errungen haben, is Heut um einen neuen vermehrt worden. Bayerns Haupt- und Residenzstadt hat ihre liberale Gefinnung von neuem glänzend bewährt. Nach vorläufiger Zusammenstellung wurden bei der heutigen Wahl 9950 libe- rale und 4900 ultramontane Stimmen abgegeben, und wurden von 49 Wahlbezirken 249 liberale und von 7 Wahlbezirken 35 ultramontane Wahlmänner gewählt. Bei der leßten Wahl im Juli 1875 war das Ergebniß: 9812 liberale und 6878 ultra- montane Stimmen, und waren damals von 44 Wahlbezirken 228 liberale und von 12 Wahlbezirken 56 ultramontane Wahl- männer gewählt, Das Ergebniß der heutigen Wahl is demnach eine ftarke Niederlage der ultramontanen Partei, eine Niederlage wie fie dieselbe nicht erwartet hat.“ Eine Nachschrift des Korrespondenten besagt, daß 10,03% für Liberale, 5007 für

Ultramontane gestimmt haben. Die „Südd. Pr.“ meldet: Die Nachriht einer hiefigen einer Seitens der Subkommission des

Wahl ohne Beschränkung auf derzeitige oder frühere KAelteste

Arbeiten if vollständig unbegründet. Die Subkommission hat erst eine Sißung gehalten und is in derselben in ihrer Aufgabe, der Beendigung der Wahlkreiseintheilung, niht weit gekommen. Weiteres verlautet zur Beit niht, Ueber die Civillisten- frage soll in einer Sizung der liberalen Fraktion und einer Zusammenkunft der Führer beider Kammerparteien jegt eine Einigung erfolgt sein.“

_ Der klerikale „Bayerische Kurier“ rügt die Angriffe der liberalen Presse auf das angeftrebte Wahlbündniß der Klerikalen mit den Sozialdemokraten, bezeichnet aber nichtsdestoweniger ein Bündniß zwischen „der bayerish-patrio- tischen und sozialiftishen Partei als eine Unnatur, theoretish verwerflih und zudem praktish ohne Erfolg“.

_ Bur Frage der Neubildung einer Mittelpartei theilt eine hiesige Korrespondenz aus „bester Quelle* Folgendes mit: „Sofern die erwähnten Zeitungsnahrihten nämlich von einer Neubildung der ehemaligen, wesentlich ministeriellen Mittelpartci sprechen sollten, müßte dies entshieden dementirt werden. Es ist allerdings im Kreis von angesehenen und ein- flußreihen Personen der Stadt München, ebenfo von solchen in den Provinzen , der Wunsh ausgedrückt worden, eine neue Mittelpartei ins Leben zu rufen, die mit der Zeit geeignet wäre, das Land aus der gegenwärtigen Parteimisere herauszubringen, und wieder bessere öffentlihe Zustände, vor Allem aber Frieden unter den Konfessionen herzustellen, Es haben zu diesem Zwecke auch {hon Besprehungen ftattgefunden, und ift zu hoffen, daß in nit zu ferner Zeit eine \olche Partei, und zwar auf wirth\{aftlich-ständisher Grundlage, auf den öffentlihen Kampfplaß treten werde,“

Sachsen. Dresden, 18. Mai. Da die Leipziger Bank ihre Noten zu 100 # aus dem Verkehre zurückzieht und nur noch bis Ende Juni d. Is. einlöst, find sämmtliche Staatskassen angewiesen, dergleihen Noten nicht mehr anzu- nehmen. Bei dieser Gelegenheit machen die Ministerien durch eine Bekanntmahung noch besonders darauf aufmerksam, daß von dem Papiergelde, welches nach der Verordnung sämmt- liher Minifterien vom 8. Dezember v. Is., die Annahme von Papiergeld betreffend, unter 4a. bei allen Staatskassen unbe- \hränkt anzunehmen ist, die Noten der landständishen Bank zu Baußen und die Kassenscheine der Leipzig- Dresdner Eisenbahn-Compagnie nur innerhalb des Königreihs Sachsen zu Zahlungen verwendbar sind, dagegen zu Leistung von Zahlungen außerhalb Sachsens nicht verwendet und daher auch niht nach außersähsishen Orten in Zahlung gesendet werden dürfen. Zuwiderhandlungen gegen diese gesetz- lihe Bestimmung werden nah §. 56 des Bankgesezes mit Geld- ftrafen bis zu 150 # bestraft.

_ (D. J.) Die Zweite Kammer beshloß in ihrer heu- tigen Sißzung zunähst ohne Debatte, der Staatsregierung die Ermächtigung zu ertheilen, eine mittels Dekrets vom 29. März 1876 vorgelegte neue Gebührentaxe für die Kostenberehnungen der Verwaltungsbehörden erster Inftanz unter Berücksichtigung

verschiedener von der Geseßgebungêdeputation vorge- \hlagener Abänderungen auf dem Verordnungswege zu publiziren, diese Ermächtigung auch“ auf etwaige Er-

gänzungen und spätere Nachträge zu erstrecken, ferner die Staatsregierung zu ersuhen, in Erwägung zu ziehen, ob eine Revision der Gebührentaxe für Baupolizeisachen, insoweit selbige sfich auf die Gebühren der Bausachverftändigen bezieht, angézeigt erscheine, bezichentlich die Staatsregierung zur Vor- nahme dieser Revision zu ermächtigen. Hierauf wurde die Be- rathung des Geseßentwurfs über die höheren Unterrichtsanstalten zu Ende geführt. Das Resultat derselben war allenthalben die Annahme der Deputationsanträge unter Ablehnung aller Amendements, unter welhen der Antrag des Abg. Käuffer auf Verlängerung -des Kursus der Realschulen l. Ordnung von 8 auf 9 Fahre eine längere Diskusfion veranlaßte.

Heute Vormittag kam mit dem Courierzuge aus Lindau der General-Feldmarschall Graf Moltke hier an, verweilte bis O dem böhmischen Bahnhofe und fuhr dann nah Görlitz

eiter.

Vaden. Karlsruhe, 19. Mai. Jn der Zweiten Kammer wurde heute der Geseßentwurf über die Ober- Rechnungskammer durhberathen und in namentlicher Ab- stimmung angenommen. Dagegen stimmte ein Mitglied; vier enthielten sich der Abstimmung, darunter die drei Minister.

i Sessen. Darmstadt, 18, Mai. Gestern traten die Finanzaus\chüsse beider Kammern, unter Hinzuziehung der Regierung, behufs gemeinsamer Berathung des Skaatsbudgets und der neuen Steuergesege zusammen. Troß der längeren Doppelfizungen am Morgen und Nachmittag konnte das sehr reihhaltige Material nicht ganz erledigt werden; die Fortsezung der Berathung findet nähsten Sonnabend ftatt. Wie das „Frkf. J.“ erfährt, hat sich die aus Veranlassung der beabsih- tigten Reichsgeseßgebung über das Patentwesen von der Großherzogli hessishen Centralstelle für die Gewerbe ernannte Kommisfion bei Berathung: der“ ersten und Hauptfrage, ob die Ertheilung von Patenten fernerhin überhaupt noch stattfinden solle, in bejahendem Sinne entschieden. Ueber die weiteren Fragen wird ers in folgenden Sizungen berathen werden.

Oldenburg. Oldenburg, 17. Mai. Aus den gestri- gen Landtagsverhandlungen ist Folgendes mitzutheilen : Bekannilich hatte die altkatholishe Gemeinschaft in Ober- stein (Fürstenthum Birkenfeld) an den vorigen Landtag wieder- holt eine Petition, betreffend Regulirung ihrer Rechtsverhält- nisse gerihtet und gebeten, die Ordnung derselben nach Musier des preußishen Geseßes zu veranlassen. Der vorige Land- tag hatte diese Petitionen der Staatsregierung zur Berück- sichtigung empfohlen. Um über den Stand dieser Angelegenheit Auskunft zu erhalten, interpellirte gestern der Abg. Keller die Staatsregierung und erhielt zur Antwort, daß die Regierung diesen Gegenstand bereits in Erwägung genommen habe. Nach- dem vom Landtage eine weitere Besprehung der Sache beshlo\- sen war, gelangte ein Antrag des Abg. Windmüller zur An - nahme, dahin gehend, die Großherzoglihe Staatsregierung zu ersuchen, dem nächsten Landtage eine sich auf das Rehtsver- Anh der Altkatholiken beziehende Gesehesvorlage zu

Sachsen-Weimar-Eisenach. Weimar, 19. Mai. Das

„Regierungsblatt“ veröffentliht das Gese betreffend di Fischerei, vom 6. d. G E Me Elsaß-Lothringen. Straßburg, 19. Mai. Der

Entwurf des Gesetzes, betreffend die Kreise, welchen die „Straßb. Ztg. veröffentlichte, ist gleich dem bereits mlites theilten über die Erweiterung der Befugnisse des Landesaus- \chu}ses, von weittragender Bedeutung. Das genante Blait

Korrespondenz von Wahlgesezaus\chus\ss\ses erfolgten Zustandebringung der

äußert sih über die erstere Vorlage folgendermaßen :

- 4veiter.

Gleih jenem liegt ihm eine dezentralisirende Ten- denz zu Grunde und, während durch die Erweiterung der Be- Fugnisse des Landesaus\hu}ses ein größeres Maß der Selbstän- Digkeit für das Reichsland erstrebt wird, sucht dieser Entwurf den Kreisen, seither nur Verwaltungsbezirken, eine kor- porative Selbständigkeit zu verleihen.

Die Stellung der Kreise wird, wenn das beabsihtigte Geseh zur Ausführung gelangt, eine völlig veränderte und fie erscheinen in Zukunft als Vermögenssubjekte mit juristisher Persön- lichkeit, deren Rehte und Befugnisse durh das Gese näher festgestellt werden.

Als die Vertretung des Kreises erscheint der Kreistag, der niht nur über den Etat des Kreises zu berathen, \ondern auch die Grundsäze festzustellen hat, nah welchen die Verwal- tung des Kreisvermögens der Kreiseinrihtungen und Kreis- anstalten zu erfolgen hat und dessen mannigfahe Wirksamkeit in dem Entwurfe hinlänglich bezeichnet ift.

Vielleicht bedeutungsvoller noch als der Kreistag erscheint die unter dem Namen Kreisaus\{huß zu bildende, von dem Kreistag zu wählende ständige Delegation. Der Kreis- aus\chuß führt niht nur die Aufficht über die Kreisanstalten, für welhe fich der Kreistag selbst als ein zu \{chwerfälliger ‘Apparat erweisen würde, sondern er steht auch als ständige ‘Vertretung des Kreises dem Kreisdirektor zur Seite, Diese ftändige Wirksamkeit des Kreisaus\hu}ses begründet einen wesentlihen Unterschied gegenüber den bisherigen Einrichtungen, welchen eine unausgesezt aktive Betheiligung des bürgerlichen Elementes an Verwaltung unbekaant ist, Der Kreisaus\{huß wird berufen sein, dauernd die Interessen des Kreises zu wahren, die dem Kreistage zur Beschlußfassung zu unterbreiten- den Angelegenheiten vorzubereiten und die näheren Bestimmungen über die Ausführung bereits gefaßter Beschlüsse zu treffen.

Der Entwurf begründet also keineswegs eine Erweite- rung der Befugnisse der Kreisdirektoren, wie in einem Straß- burger Blatte vermuthet wurde, bevor derselbe zur Veröffent- lihung gelangt war, sondern er enthält eine merkliche Ein- schränkung dersclben. Der Kreisdirektor erscheint dem Kreis- aus\husse gegenüber, wie die Motive zu dem Geseßentwurfe bes merken, als Vorsizender, als Träger der Initiative und er ver- handelt nah dem Entwurfe „Namens des Ausschusses mit. Be- hörden und Privatpersonen, führt den Schriftwechsel und zeih- net alle Schrifistüe für den Aus\{huß.“

Es ift hier das bureaukratishe Element mit der gewählten Körperschaft, soweit dieses thunlih, vershmolzen,

So hofft man, wie es in den Motiven heißt, „der berech- tigten Forderung unserer Zeit, dem bürgerlichen Elemente ein größeres Maß der Thätigkeit und des Einflusses auf allen Ge- bieten des öffentlihen Lebens zukommen zu lassen, Genüge zu thun“ und nah dem Vorgang Deulschlands, wo „fast überall fleinere koporative Gemeindeverbände gebildet werden, welche eine eifrige und segensreiche Thätigkeit entwickeln und nicht wenig beitragen zur Förderung geistiger Regsamkeit, politisher und wirthschaftliher Bildung in den Kreisen des Bürgerstandes“, eine Institution zu schaffen, welhe in hoffentlich segensreickcher Weise beitragen wird zur Entwickelung -des kommunalen und politischen Lebens in Elsaß: L »thringen.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 18. Mai. Die Kaiserin begiebt si, wie die „Presse“ mittheilt, Ende dieses Monats nah I\{chl und wird daselbst während des ganzen Sommers ver- weilen. Der Kronprinz und die Kronprinzessin von Däne- mark find geftern Abend hier angekommen.

Man berichtet dem „Pester Lloyd“ von hier, Baron Koller sei derart leidend, daß scin Urlaub absolut unerläßlih wurde und daß cr fih in der That vor die Alternative, längern Urlaub oder Demission, gestellt sah. Die leztere wurde nicht angenommen, dagegen der erstere bewilligt, und o \suht Baron Koller jezt in Bäden Erholung und Heilung von einem Brust- leiden, das ihn \{chon seit Langem peinigt und ihm seine auf- reibende Thätigkeit in erhöhtem Maße erschwert.

Lemberg, 18. Mai. Großfürst Michael gelangte heute hier an und reiste nah kurzem Aufenthalt nah Stuttgart

_ In Snowidow (Buczaczer Kreis) verhafteten am 15. Gensd'armen auf gerichtlihen Befehl- 11 Bauern, welche Der gerihtlihen Vorladung keine Folge leisteten. Ueber 200 zusammengerottete Dorfeinwohner, Männer und Weiber, rooll- ten mit Gewalt die Verhafteten befreien. Nach erfolg- losen Mahnungen ließ der Patrouilleführer mit dem Bajonnet vordringen, und als dies nicht half, Feuer geben. Zwei Bauern wurden getödtet und zwei {wer verwundet, worauf die Menge zerstob, Das Buczaczer Gericht entsendete eine Gerichtskommission und requirirte militärishe Assistenz aus Monasterzyska.

Pest, 18. Mai. Die Dissidenten- Partei hat sih definitiv konstituirt. Zum Präsidenten wurde Földvary, zum Vize-Präsidenten Baron Banhidy gewählt. Die Dissidenten werden sh „unabhängige liberale Partei“ nennen.

19, Mai. (W. T. B.) Die Reichsrathsdelegation hat das Budget des gemeinsamen Finanzz-Ministeriums nah den Anträgen des Ausschusses genehmigt, auch eine vom Aus\chuß vorgeschlagene Resolution, in welher das gemeinsame Ministerium aufgefordert wird, bei der Aufstellung des Budgets pro 1878 auf die Verwendung der entbehrlihen Kapitalien des Militär-Stellvertreter-Fonds Bedacht zu nehmen, mit 23 gegen 21 Stimmen angenommen, obwohl der Reichs-Minister bei der bezüglihen Debatte sih gegen diese Resolution ausgesprohen hatte. Auch der Etat für den obersten Rechnungshof und die Bedeckungspost der Zolleinnahmen wurden genehmigt.

Vom Budgetaus\huß der Reichsrathsdelegation ist das Ordinarium des Kriegsbudgets meist ohne Abänderung erledigt worden. Eine Resolution betreffs Reorganisation der Militärbildungsanstalten, namentlih des Offiziertöhterinstituts in Hernals im Sinne einer Gleihberehtigung der Konfessionen wurde angenommen. Auf eine Anfrage bezüglich der Angelegen- heit des vormaligen Lieutenant Ertl erklärte der Vertreter der Regierung, FML. Benedek, derselbe habe unter Vorspiegelung von Konnexionen mit hochgestellten Militärpersonen theils seine eigenen Kombinationen, theils unvollständige Auszüge aus mili- tärishen Papieren zum Kaufe angeboten, für die Armee sei da- durch aber weder ein Verlust, noch auch irgend eine Gefahr er- wachsen.

Niederlande. Haag, 13. Mai. Die Zweite Kam- mer hat sich in ihrer gestrigen Sizung mit der bereits am 17. März v. I. bei derselben von dem damaligen Kriegs-Minister Weigel eingebrahten Novelle zum Milizgeseß beschäftigt.

werden verlangen, von 35 auf 25 Iahre herabzuseßen und die Stärke der jährlihen Aushebung zu erhöhen. Dieselbe beträgt jeßt 11,500 Mann. Der Kriegs-Minister Weißel verlangte diese Zahl aber auf 13,500 zu erhöhen und dessen Nahhfolger Ender- lein theilte diese Ansicht. Der nunmehrige Kriegs - Minister Klerck änderte die Vorlage aber dahin ab, daß das jährliche Kontingent 14,000 Mann betragen folle, Bis jeßt jedohch hat der Entwurf keinen Vertheidiger in der gefeßgebenden Versammlung gefunden. Abgesehen noch von den Gegnern jeder Erhöhung des Kriegsbudgets, meinten die Vertheidiger der Aufbesserung der Armee: die mit Bezug auf die Stellvertreter beantragte Bestimmung werde nur eine Erhöhung der Summe zur Folge- haben, um welche die Stellvertreter jegt für die der Armee abholden Militärpflichtigen zu erhalten sind. Mit Rück- ficht auf die Erhohung des Kontingents wurde geltend gemacht : dieselbe werde niht ausreichen, um die Armee in den Stand zu segen, den an dieselbe geftellten Anforderungen zu entsprechen, und namentlih um den moralishen Werth derselben zu erhöhen. Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht eine Reform, welhe durch das eifrige Bestreben des früheren Kuiegs- Ministers Grafen von Limburg-Stirum täglich an Boden gewinnt fand ebenfalls verschiedene energische Vertheidiger. Ein aus Atchin vom General-Major Wiggers van Kerchem eingegangener telegraphischer Bericht meldet: daß der Feind am 22. April die Postenlinie bei Lamprit während der Nacht zu überrumpeln gesuht hatte. Die Transporte werden hin und wieder Seitens des Feindes angegrissen. Ferner berichtet General-Major Wiggers: „Die Truppen sehen den Straßenbau in Atchin eifrig fort. Die Cholera herrscht stark in der feindlihen Armee, Dagegen is diese Krankheit aus dem diesseitigen Lager fas vollständig vershwunden und find die sanitären Werhältnisse im YAUgemeinen sehr befriedigend.“ Die amtlihe „Java Courant“ bezeichnet die Unterwerfung des Radschah von Pedir als ein Ereigniß von fehr großer Bedeutung. Derselbe i niht nur der Schwiegervater des lezten Sultans von Atchin, sondern noch dazu einer der mäh- tigsten und einflußreihsten Fürsten des Sultanats. Der Radschal hatte außerdem früher feierlihst erklärt: nur als Sieger oder todt zu den Seinen zurückehren zu wollen. Die Unterzeihnung des Freundschaftsvertrags fand an Bord des Kriegs\chiffes eCitadel von Antwerpen“ statt.

Belgien. Brüssel, 17. Mai. In den Sißungen der Repräsentantenkammer von gestern und heute schilderte Herr Frère in großen Zügen die Bestrebungen der Ul- tramontanen in Belgien und deren beständige Angriffe auf die konstitutionellen Freiheiten des Landes, die Uebergrisfe der Bischöfe und der Geistlihkeit und deren verderblihen Einfluß auf die Schulen; er that dar, wie in den öffentlichen Schulen der Religionsunterriht nur ein Deckmantel sei für die Verbrei- tung verfassunasfeindliher Lehren: Es ist, sagte der Redner, nur der politische Unterricht einer Partei gegen eine andere. Herr Jacobs, Mitglied der klerikalen Partei, antwortete darauf und suchte seinen Gegnern Widersprüche nachzuweisen, indem er auf die Verschiedenheit der im Laufe der Zeit von den Liberalen und den Progreffisten aufgestellten Programme hinwies. Er brahte das Programm des liberalen Konvents von 18370 zur Sprache, welches seitdem fast gänzlih vergessen, aber von den Klerikalen so lanze als ein Schreckbild revolutionärster Art geschildert worden if, bis es endlih selbs von Liberalen dafür gehalten wurde. Nun is aber gerade dieses Programm, ausgegangen von einer Versammlung voñ Délegirten aller libe ralen Vereine des Landes, eben das, was auch noch heute von der ganzen liberalen Partei angestrebt wird, und fo fand jeder Sah desselben, den der klerikale Redner vortrug, den lebhaftesten Beifall seiner Gegner. Gänzliche Trennung des Staates von den Kirchen und in Folge davon Revision des Schulgeseßes von 1842, Sâäfzvlarifation des öffentlichen Unterrichts jeden Grades, Säfularisation der Begräbnißstätten, Abschaffung der geist- lihen Vorrechte in Bezug auf den Militärdienst , Aus- gleihung der militärishen Lasten und Verminderung derselben, so weit die Nothwendigkeit der Landesvertheidigung fie zuläßt: alle diese Punkte wurden mit lebhafter Zustimmung aufgenom- men. So hat der klerikale Vorkämpfer der liberalen Partei in der Kammer die beste Gelegenheit gegeben, ihren Prinzipien angesihts der Wahlen nochmals vor dem ganzen Lande Aus- druck zu geben. i

In der folgenden Sizung schilderte Herr Vanhumbeeck unter dem lebhaftesten Beifall der Linken, wie die klerikalen Führer überal Haß und Zwietraht säen und das ganze Volk thatsählich in zwei feindlihe Lager zu theilen suchen ; es würde endlich dahin kommen, daß zwishen den Bürgern desselben Staates das Gefühl der Zusammengehörigkeit völlig zerstört würde, und dem müsse man mit allen Mitteln entgegen- wirken. Sein Gegenredner, Herr Woeste, suchte, wie es immer von fklerikaler Seite geseht, glauben zu machen, daß die An- hänger des Papstes und die Gläubigen des Syllabus in Belgien dennoch treue Anhänger Der Verfassung seien, ja, daß fie allein dem Lande eine Bürgschaft des Frie- dens und der Sicherheit geben. ;

„Einen praktishen Erfolg, bemerkt die „Köln. Ztg.“, hatten diese Verhandlungen niht und konnten ihn nicht haben, denn in der Kammer is die Majorität der Klerikalen zu fest, als daß fie durch Reden ershü'tert werden könnte. Sicher ist der Sieg der Liberalen bei den Wahlen durhaus nicht, troy aller Zuversicht, die ihre Organe kund geben; der Streit der vor- geshrittenen Liberalen mit den Doktrinären, obgleich augenblick- lih beshwichtigt, hat {hon zu viel beigetragen, die liberale Partei im Großen und Ganzen zu \chwähen.

Großbritannien und Jrland. London, 18. Mai. Der öôsterreichish-ungarishe Botschafter Graf Beust gab gestern ein Diner, bei welchem die Botschafter Deutschlands, Italiens und der Pforte, der brafilianische Gesandte und einige Mit- glieder der hohen britishen Aristokratie mit ihren Damen zugegen waren. Die Denkschrift zu Gunsten einer Amnestie für die gefangenen Fenier, welche im Unterhause zur Zeihnung auflag, ift dem Premier zugesandt worden, 138 Parlamentsmitglieder haben dieselbe unterzeihnet, und morgen s\oll im Unterhause eine darauf bezüglihe Frage an Disraeli gestellt werden. : i:

Die lezten Postnahrichten der „E. C.“ aus Barbados geben zwar noch keinen befriedigenden Aufshluß über die Ur- fachen, durch welche die Unruhen auf der Insel hervorgerufen wurden, thun jedoch hinlänglih dar, daß die Ruhestörungen nicht \o bedenklich waren, als die nah London eschickten Alarm- telegramme befürchten ließen. „Unzufriedenheit scheint {hon lange auf der Insel geherrsht zu haben und die geringen Arbeits-

tionspokitif des Gouverneurs mußte beim Ausbruch Her Unruhen nur den Vorwand abgeben. Betheiligt waren an denselben guf der ganzen Insel nur etwa 1000 Personen, der Auswurf der Negerbevölkerung und von diesen wurden in der Folge etwa 400 gefängliG eingezogen. Während der ganzen Dauer der Vorgänge kam fein einziger Weißer auf der Insel zu Schaden, wohl aber wurden bei Unterdrückung der Unruhen mehrere Neger erschossen und 17—18 derselben liegen verwundet im Spital zu Bridgetown. An bewegliher und unbeweglicher Habe wurde viel Schaden angerichtet, hauptsächlih hatten es die Ruhestörer Aufständische können fie nicht wohl genannt werden auf die Batatenfelder abgesehen, eine große Anzahl derselben wurde geplündert. Ob der Gouverneur der Insel, Pope Hennessy, Shuld am Ausbruche der Unrußen trägt, die vom 15.—20. April dauerten, muß \ich erst heraus- tellen; unleugbar aber is, daß er \sich von der Panik der weißen Bevölkerung, der alle Shreken eines Negeraufstandes vor Augen standen, nit hat fortreißen lassen und die \chnelle Unterdrückung der Bewegung is jedenfalls großentheils seiner Energie zu danken“.

20. Mai. (W.T. B.) Dem gestern in Guildhall zu Ehren des Prinzen von Wales stattgehabten Banket wohnten etwa 600 Personen bei, darunter außer den Mitgliedern der König- lihen Familie die Botschafter von Deutschland, Frankreich, Oesterreich, Italien und der Türkei, die Minister, sowie viele Mitglieder des Ober- und Unterhauses. Auf die ihm überreichte Adresse antwortete der Prinz von Wales mit dem Ausdrucke seiner hohen Befriedigung über den ihm \owohl in Indien wie bei seiner Rückkehr in Gngland gewordenen Empfang.

Fraukreich. Paris, 18. Mai. Aus der Amnestie- Debatte in der Deputirtenkammer is die Rede Périns und die Antwort des Marine-Ministers hervorzuheben. Ersterer gab ein Bild von der Lage der Verurtheilten in Neu-Caledo- nien, das zwar aus den besten Absihten, aber nicht aus den besten Quellen hervorgegangen schien, Er schilderte die Lage viel zu düster und der Minister rektifizirte diese Darstellung. Die Antwort des Ministers wurde von der Kammer günstig auf- genommen. :

Der Finanz-Minister Léon Say wird für die Wittwe des Ministers Ricard eine Pension im Betrag von 6000 Fr. in Vorschlag bringen.

Die Königin Christina wird morgen na Aranjuez und die Königin Isabella nah Santander und später nah Sevilla fi{ch begeben, der Herzog von Montpensier wird nah Frankreich zurückehren. i

Gestern hat das Leichhenbegängniß Michelets unter Betheiligung ciner zahlreihen Menschenmenge stattgefun- den; die Ordnung wurde in keiner Weise gestört, obwohl 30— 40,000 Personen, unter denen etwa 6000 Studenten, dem Sarge folgten. Die Regierung hatte zwar Vorsichtsmaßregeln getrof- fen, doch fanden dieselben nirgends Anwendung. Am Grabe redeten die Herren Laboulaye, Havet, Challemel-Lacour und Guicheret. Daß die Feier aber so rußig und geordnet verlief, ist eine Täushung mehr für die Hoffnungen der flerifalen und reaktionären Blätter, welche dieselbe für einen öffentlihen Skan- dal erklärt hatten, der die traurigsten Folgen haben könnte.

Die Blätter beschäftigen sich mit einer Erklärung des Erzbishofs Dupanloup. In Orleans erscheint nämlih jeßt ein „Iournal der Vertheidigung der fatholishen Interessen“, eine Art von „Moniteur“ der klerikalen Partei. Zuerft hieß es nun, Hr. Dupanloup sei der Patron oder gar der Redacteur dieses neuen Organes. Hr. Dupanloup hat jedoch einen Brief an den „Figaro“ gerichtet, in welhem er seine Be- ziehung zu dem genannten Blatte vollständig in Abrede stellt, obgleih dasselbe auf seiner ersten Seite einen Artikel bringt, der niht nur die Ideen, sondern felbst die Phrasen ciner vor zwei Jahren von ihm herausgegebenen Brochure enthält.

Ein eigenthümliher Prozeß wurde dieser Tage ver- handelt: eine Untersuchung wegen 4000 untershlagener Seelen- messen. Der „Köln. Ztg.“ wird darüber mitgetheilt: „Bei den Pfarrkirchen der reicheren Stadttheile kommt es oft vor, daß sie mehr Messen zu lesen haben, als ihre Geistlichen leisten können, und es ist dann Sitte, daß sie die überschüssigen Bestellungen an andere, weniger gut gestellte Kirchen abgeben. Diese erhalten das Geld der Gläubigen und ihre Priester lesen die Messen. Ein Pariser Brüderpaar faßte den Gedanken, die Uebermittlung dieser überzähligen Messen in Entreprise zu neh- men. Sie gaben den Geistlihen, welche Messen zu vergeben hatten, kleine Geschenke und erhielten dafür den Austrag, die Lieferung an andere Geistliche zu vermitteln. Ihre Geschenke waren regelrecht. prozentisch abgemessen. Ihr Geschäft blühte; sie geriethen aber auf den Gedanken, von 10.000 Messen, die sie zu übermitteln hatten, nur 6000 abzuliefern und 4000 in die Tasche zu steen, Deswegen vor Gericht gestellt, wurden fie wegen Unterschlagung verurtheilt, und jo kam die ganze Handels- praxis ans Licht.“ : /

Eine Fregatte von der Flotte des Admiral Jaurès hat Befehl erhalten, von Salonichi nah Smyrna zu gehen.

Versailles, 19. Mai.” In der heutigen Senatssizung verlas Franclieu eine an den Minister des Innern gerichtete Eingabe, in welher gegen eine Stelle des leßten von dem

inzwischen verstorbenen Minister Ricard erlassenen Cirkulars Verwahrung eingelegt wird. Nach seiner An- sicht werden durch jene Stelle die Bestimmungen des

konstitutionellen Gesehes verleßt. Der Minister des Innern, Marcère, hob dem gegenüber hervor, daß der die Revifion der Verfassung betreffende Verfassungsartikel so ausgelegt wer-* den müsse, daß er zu Modifikationen im freiheitlihen Sinne, nicht aber zu einer Umstoßung oder Veränderung der Form der Re- gierung ermächtige. Franclieu erklärte, daß er in der Angelegen- heit eine Interpellation an die Regierung rih!en werde. Im weiteren Verlaufe der Sißung der Dep utirtenkammer brahte Naquet von den Radikalen den Antrag ein, die Regie- rung solle eine Kommission zur Untersuchung und Fest- stellung der Finanzoperationen und der dermaligen Lage des Crédit foncier ernennen und verlangte für die Beschluß- faffung über seinen Antrag die Dringlichkeit. Der Finanz- Minister erklärte fich gegen dieses Verlangen Naquets und

hob namentli hervor, daß das erforderlihe Bertrauen aufhöre, wenn das Parlament eine Enquêtekommission zur

Prüfung der jeweiligen Lage von finanziellen Instituten und Gesellshaften ins Leben rufe. Der Crédit foncier sei zwar zu einem gewissen Maße der Ueberwahung dur die Regierung unterstellt, es sei aber unmögli, zuzulassen, daß die Regierung si in die Geschäftsführung selbst mische, die Aufgabe derselben beschränke sich darauf, die von ihr ernannten Direktoren ihrer. Poften zu entheben, wenn dazu Grund vorhanden sei. Er habe sich mit den Finanzoperationen, um die es si handle, bereits

Die Vorlage hat namentlich zum Zweck das Altersmaxzimum derjenigen, welche als Stellvertreter in die Armee eingereiht zu

löhne der Plantagenarbeiter in manchen Fällen nur 6 Pence per Woche machen dies erklärlih. Die Konfödera-

beschäftigt und könne versichern, daß die vom Crédit