1876 / 127 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 31 May 1876 18:00:01 GMT) scan diff

direkten Steuern nah dem Etatsjahr, unverändert de- finitiv angenommen. Ebenso wurde in dritter Lesung der Gesehz- entwurf, betreffend die Verwaltung der den Gemeinden und öffentlichen Anstalten gehörigen Holzungen in den Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien und Sasßsen unverändert nah den Beschlüssen zweiter Lesung definitiv ge- nehmigt, mit Ausnahme des §. 11. Derselbe wurde auf Antrag des Abg. Mühlenbeck nach kurzer Debatte, an welcher sich der Minifter Dr. Friedenthal und die Abgg. Mühlenbeck, v. Benda, Dr. Lasker und Persius betheiligten, in folgender Fassung an- genommen: „Gegen die auf Grund der Sd: 2 bis 7 und S. 9. von dem Slegierungs-Präfidenten erlassenen NBerfügungen findet innerhalb einer Práfklusivfrist von 21 Tagen Beschwerde an den Ober- Präsidenten und gegen den Bescheid des Ober-Präfidenten nah Maßgabe des §8. 34 Absag 3 des Geseßes vom , bes treffend die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden und der Verwal- tungêgerihtsbehörden im Geltungsbereiche der Provinzialordnung vom 29. Juni 1875 (Geseß-Samml. Seite . . .) die Klage beim Ober-Verwaltungsgericht statt.“ Das erste Alin-a des einzigen Paragraphen des Geseß- entwurfs, betreffend die Deckung der für die Weiterführung und Vollendung der Bebra-Friedländer Eisenbahn erforder- lihen Geldmittel, wurde in dritter Lesung auf den Antrag des Abg. Dr. Hammacher in folgender Fafsung: „Die Regierung wird ermächtigt, zur Deckung der für die Weiterführung und Vollendung der Bebra-Friedländer Eisenbahn erforderlichen Geldmittel die durch das Geseß vom 14. Juni 1874 (Geset-Samml. S. 250) zur Vollendung der Eisenbahn vou Arns- dorf, nah Ggÿen bewilligten 5,670,000 ( in Höhe der hierbei erzielten Ersparniß ad 1,050,000 (A zu verwenden, und, soweit dieser Betrag nicht ausreicht, Schuldverschreibungen in dem Nomi- nalbetrage auszugeben, wie er zur Beschaffung einer Summe von bêstens 2,100,000 M nôthig sein wird." und darauf das Geseh im Ganzen definitiv angenommen. In dritter Lesung passirte sodann ohne Debatte Unverändert der Ge- \eßentwurf, betreffend die Auflösung d.-o Lzehnsverbandes der in dem Herzogthum Schlesien, der Grafschaft Glaz und dem preußishen Markgrafthum Oberlausiy be- legenen Lehne. Ebenso gab das Verzeichniß der von den be- treffenden Kommissionen zur Erörterung im Plenum nit für geeignet erachteten Petitionen keine Veranlaffung zur Debatte. Es folgte L dritte Berathung der Städte-Ordnung für die Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Slefien und Sachsen. In der Generaldiskussion ftelte der Abg. Graf Bethusy-Huc im Namen seiner politishen Freunde die eventuelle Ablehnung des gesammten Gesezentwurfs in Aussicht, da die in pDeiter Lesung gefaßten Beschlüsse niht die Garantie einer guten Geseggebung gäben, woran wohl auch die Ueber- bürdung des Hauses mit legislatorishen Arbeiten \chuld sei. Der Minister des Innern Graf zu Eulenburg wies diesen Vor- wurf zurück und bezeichnete sodann die Punkte, in denen eine Aenderung der Beschlüsse des Hauses eintreten müßte, wenn die Möglichkeit einer Verständigung mit dem Herrenhause und der Regierung ofen bleiben solle. Nabdem noch der Abg. Dr. Lasker seine Stellung zu den von Minister des Innern hervorgehobenen Punkten im Einzel- nen präzisirt hatte, wurde die Generaldiskussion geschlossen. In der Spezialdebatte wurde die Abstimmung über §. 1 aus- geseßt, die 88. 2 bis 14 ohne Debaite unverändert nah den

Beshlüssen der zweiten Lesung angenommen. Bei Z Y ent- t fter Bt ewGLUJE VEIIN Solufsc des Blattes

nan E

fortbaue L.

Von der Justizkommission des Reichstages ift außer der Civilprozeßordnung nunmehr auch das Gerichts- verfassungsgeseg bis auf den Titel „Rehtsanwaltschaft“ in zweiter Lesung durhberathen. Die Berathungen haben die nah den Beschlüssen erster Lesung zwishen der Kommission und dem Bundesrathe bestehenden Meinungsverschiedenheiten in meh- reren wefentlihen Punkten auszugleichen vermocht. Die Kom- mission is namentlich insoweit den Beschlüssen des Bun- desraths beigetreten, als die Großen Schöffengerichte fallen gelassen find und die Berufung gegen die Urtheile der Straffammern beseitigt und nur gegen die Urtheile der (kleinen) Schöffengerichte beibehalten ift. Auch hat die Kommission dem Bundesrathsbeschlusse entsprehend die in erster Lesung aufgenommenen Bestimmungen über die richterliche Stellung der Staatsanwälte beseitigt. In einer Reihe anderer wichtiger Punkte find dagegen die Differenzen nicht zur Aus- Liedes gekommen. Im Wesentlichsten find diese Differenzen

i .

1) die Strafkammern als Berufungsgerihte sollen na dem BVeschlufse der Kommission mit Fn sicn Tele o und es soll gegen die Urtheile derselben in der Berufungs- instanz keine Revision stattfinden. Nah dem Beschlusse des Bundesraths soll dagegen die Berufungskammer nur mit drei Richtern besezt werden und gegen die Ontscheidung derselben die Revision an das Ober-Landesgericht statthaft sein ;

2) das Universitätsftudium , welches der erften Prüfung der Rechtskandidaten vorangehen muß, soll nah dem Beschlusse der Kommission sich nur auf das Studium der Rechtswissen- \{chaft_ erstrecken, während der Bundesrath auch das Studium der Staatswissenschaft für erforderlih erahtet hat ;

3) die in erster Lesung eingefügten verfassungsmäßigen Grundsäge über die Stellung der Richter sollen nach dem Be- \chlu}se der Kommission, entgegen der Meinung des Bundes- raths, Bestandtheile des Gescyes werden. Beseitigt ist nur die Vorschrift über das Aufrücken der Richter in die höheren Ge- haltsftufen ;

4) die Gemeindegerihte, die Forst- und Feldrügegerihte und die Polizeirügegerichte, welche der Entwurf als besondere Gerichte für gewisse Sachen zugelassen hat, sollen entgegen dem Beschlusse des Bundesratÿs in Wegfall kommen ;

9) die in erster Lesung eingefügte Bestimmung, nah wel- cher die Organisation und das Verfahren besonderer Behörden zur Entscheidung von Kompetenzstreitigkeiten zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden durch die Landesgesczgebung nach id agr Bio O N neu geregelt

, ist entgegen dem : Uf- rect erhalten TctdeT Beschlusse des Bundesraths auf

) die Zuständigkeit der Schöffengerichte, der Stcafkammern und der Shwurgerichte ist in Vesenttihen Punkten abweichend von den Beschlüssen des Bundesraths geregelt. Insbesondere sind die leinen gegen das Eigenthum gerihteten Vergehen, de- ren Objekt 25 # nicht übersteigt, den Strafkammern entzogen und den Schöffengerichten überwiesen. Ferner sind die Verbrehen von Personen unter 18 Jahren, die Verbrehen des \{chweren und rüdckfälligen Diebstahls, der Hehlerei und des Betruges grund\äglih den Schwurgerichten entzogen und den Strafkammern zugewiesen. Andererseits ist die im Entwurfe vorgesehene fakultative Ver-

\ämmtlihe Preßvergehen, mit Ausnahme solher Beleidigungen, deren Verfolgung nur auf Antrag des Beleidigten oder der An- gehörigen defselben geschieht, in wesentlicher Uebereinstimmung mit dem Beschlusse erster Lesung den Shwurgerihten zu- gewiesen;

7) nah dem Beschlusse der Kommisfion \ollen von dem Schdffendienste die unmittelbaren besoldeten Reihs- und Staats- beamten ausgeshlofsen sein. Die Schöffen sollen zu nit mehr als 5 Sizungstagen im Jahre herangezogen werden dürfen. Der Amtsrichter soll, auch im Falle der Dringlichkeit nicht, wie im Entwurfe bestimmt, nach seiner Wahl diejenigen Erfabschöffen berufen, welhe am s{hnellsten zu erlangen find, sondern er soll dieselben stets ausloosen, beziehungsweise nah der Reihenfolge der Iahresliste vorladen ;

8) nah den Beshlüssen der Kommission soll die Geschäfts- vertheilung und Zusammenseßung der Kammern und Senate bei den Kollegialgerihten dur eine besondere Kommisfion, be- ftehend aus dem Präfidenten, den Direktoren und ein bis vier Mitgliedern des Gerichts, erfolgen, während nah der Meinung des Bundesraths diese Befugnisse der Justizverwaltung zu belassen find. Ferner sollen nach “den Kommissionsbeshlüssen die von der Justizverwaltung den einzelnen Kammern oder Senaten zu- getheilten Vorsigenden ur mit ihrem Willen zu Vorsitzenden einer anderen Kammer oder eines andern Sénats bestimmt wer- den dürfen. Endlih \oll . die Ertheilung eines Kommissoriums an einen Beamten, welcher nicht angestellter Richter ift, zur Ver- tretung oder Aushülfe bei dem Landgerichte ftets eine dauernde sein, in der Weise, daß der betreffende Beamte während der Dguer derjenigez Umstände, durch welhe die Anordnung noth- wendig wurde, wider seinen Willen niht abberufen werden darf. Von dem Bundesrathe war die Streichung dieser in erster Lesung hinzugefügten Bestimmungen beschlossen ;

9) nach dem Beschlusse der Kommission soll die Spruch- liste der Geshworenen lediglich durh Ausloosung von 30 Ge- \chworenen aus der vom Landgerichte erwählten Gesammtzahl der Geshworenen festgestellt werden, während nah dem Ent- wurfe, dessen Aufrehterhaltung vom Bundesrathe bes{chlo}sen ist, zunähft 48 Geshworene auszuloosen find und diese Zahl demnächst erst durch den Vorfißenden des Schwurgerichts auf 30 Personen behufs Bildung de Spruchlifte herabzuseßen ift;

10) der Sig des Reichsgerichts foll uiht, wie nach dem Beschlusse des Bundesraths, durch Kaiserlihe Verordnung, son- dern durch Geseh bestimmt werden ;

11) die Kommission hat die in erster Lesung eingescaltete Vorschrift, daß die Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Ausführungen und Anträgen nah dem Schlusse der Beweis- aufnahme an dienstlihe Anweisungen ihrer Vorgeseßten nit ge- bunden scin sollen, entgegen dem Beschlusse des Bundesraths aufrecht erhalten;

12) die Bestimmung über die Mittheilung von Akten einer öffentlihen Behörde an die Gerichte eines anderen Bundes- ftaats ist gleihfalls entgegen dem Beschlusse des Bundesraths aufrecht erhalten worden ;

14) nah dem Beschlusse des Bundesraths foll auch die Verkündung der Urtheile in niht öffentliher Sizung erfolgen dürfen, wenn die Oeffentlichkeit eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder der Sittlichkeit besorgen läßt. Nach dem Be- \{chlu}se der Kommisfion soll dgg es die Verkündung der Ur- theile in allen Fällen öffentlich Erfolgen ; :

14) die Dauer der Gerihtsferien ist von dem!Bundesrath

auf die Zeit vom 15. Juli bis 31, August festgeseßt. Die Kom- mifsion hat die Dauer der Ferien bis zum 15. September ver- längert. _ Die aus der „Deutschen Zeitung“ in andere Blätter übergegangene Mittheilung, „daß das Reihs-Eisenbahn- amt vom Bundesrathe beauftragt sei, Recherhen zu pflegen, ob eine Aufhebung der der deutshen Landwirthschaft \chäds lihen Differential-Tarife ohne Weiteres möglich wäre, daß das Reichs - Eisenbahnamt diese Frage nicht nur im günstigen Sinne erledigt, sondern fh auch ent- schieden für eine solhe Initiative erklärt habe, und daß in Folge dessen die Aufhebung von etwa 12 den Verkehr zwischen den Nordseepläßen und den Binnen- Handels ftationen beherrshenden Differential-Tarifen bevorstehe*, entbehrt der Begründung. Das Thatsächlihe an der Sache ist, daß der Bundesrath anläßlich verschiedener Beschwerden über die dem ausländischen, insbesondere dem rusfishen Spiritus auf deutshen Bahnen gewährte Frachtbegünstigung am 12, Februar cr. beshlossen hat, die Frage, ob und in welher Weise die nachtheilige Einwirkung, welche die Differential-Frachtsäße auf die Konkurre{Fähigkeit der deutschen Spiritus-Erportpläße ausüben, zu beseitigen oder doch abzuändern sei, in weitere Erwägung zu ziehen, und daß das Reichs-Eisenbahnamt zur Ausführung dieses Beschlusses die be- theiligten Bundesregierungen ersucht hat, in der angedeuteten Richtung Erhebungen anzuordnen, event. die dem ausländischen Spiritus gewährten Begünstigungen entweder aufzußeben oder sich darüber zu äußern, in welcher Weise deren \hädigende Ein- wirkung auf den deutshen Spiritus-Exporthandel abzumindern sein möchte. ]

Jn Nr. 238 der „Magdeburgischen Zeitung“ findet fich von „gut unterrichteter Seite“ die Mittheilung, daß die Regie- rung beabsichtige, bei der Reorganisation der Justizbehörden das Gehalt der Landgerichtsräthe in seinem Höchst- betrage auf 5400 M festzuseßen, so daß bedauerlicher “Weise niht cinmal derjenige hôchste Gehaltsfaß in Aussicht genommen sei, welhen die Mitglieder der ODbergerihte in der Provinz Hannover (mit 6000 A) hon gegenwärtig beziehen. Dieser Mittheilung liegen, troß der bestimmten Form, ‘in welcher fie gegeben wird, keinerlei Thatsachen zu Grunde, da an maßgeben- der Stelle überhaupt noch keine Verhandlungen über die Be- mans der künftigen Gehalte der Justizbearmten stattgefunden jaben.

Der Königliche Gesandte in München, Wirkl. Geheime Rath Freiherr von Werthern, hat am 30. d. Mts. einen ihm Allerhöchst bewilligten kurzen Urlaub nach Thüringen an- getreten. Während seiner Abwesenheit fungirt der Legations- ra Graf von Dönhoff als interimistischer Geschäfts-

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Der General-Lieutenant von Wartenberg, Comman- deur des Kadetten-Corps, hat sich zum Jubiläum des Kadetten- hauses in Culm dorthin begeben.

Der Kapitän zur See Frhr. von Schleiniß, bisher Kommandant S. M. S. „Gazelle“ ift zum Vorstand des H y- drographishen Bureaus der Kaiserlihen Admira- lität ernannt worden.

weisung gewisser zur Zuständigkeit der Shwurgerichte gehöriger Verbrechen an die Strafkammer gänzlich beseitigt. Endlig find

Lauenburg. Ratzeburg, 31. Mai. Auf der Tages-

92. und 3. Iuni steht die S{hlußberathung über den Geseß- entwurf, betreffend die Vereinigung des Herzogthums Lauen- burg mit der preußischen Monarchie in zweimaliger Abstimmung.

Bayern. München, 28. Mai. Der „AUg. Ztg.“ wird geschrieben: „Gegenüber dem auf so vielen Landtagen in der Abgeordnetenkammer laut gewordenen Verlangen, daß die Zahl der Staatsbeamten vermindert werden möchte, erscheint es denn doch wohl als eine Inkonsequenz, wenn nah den bisher vom Aus\{chuß für den Iörg'\hen Wahlgeseßentwurf gefaßten Beschlüssen eine Vermehrung der Zahl der Ka m- mermitglieder von 156 auf 162 eintreten \oll, und zwar deshalb, um eine Wahlkreis-Eintheilung herzustellen, welche in der Kammer auf Annahme rechnen könnte. Wir wollen es dahin- gestellt sein lassen, ob dieser Zweck niht auch auf einem anderen Weg erzielt werden kann, glauben aber jedenfalls, daß das In- teresse des Landes eine Vermehrung seiner Vertreter keineswegs erfordert. Die bayerishe Volksvertretung is nach der Verfassung berufen „um in öffentlihen Versammlungen die Weisheit der Berathung zu verstärken, ohne die Kraft der Regierung zu \{chwächen“, und dieser erhabene Zweck, überhaupt die Aufgabe, welche unsere bayerische Legislative in Zukunft noch zu lôsen haben wird, kann ficherlih erreiht werden, ohne daß eine Vermehrung der Zahl der Abgeordneten erfolgt. Es wird deshalb wohl auch anzunehmen sein, daß bei der zweiten Lesung des Gntwurfs im Aus\huz und dann jedenfalls bei den Berathungen in der Kammer die Frage: ob es zur Erzielung einer Verständigung über das Wahlgesch absolut geboten erscheine, daß eine Vermeh- rung der Zahl der Abgeordneten erfolge, näher ins Aug gefaßt wird, daß unsere bayerischen au in Zukunft noch eine große Bedeutung yaben oder, rihtiger gesagt, haben können, dürfte außer Zweifel stehen; allein da ein großer und wichtiger Theil der Gesezgebung dem Reihe und der Reichsvertretung zusteht, ift die legislative Aufgabe der Landesvertretung eine wesentlich geringere als es bisher der Fall war, und auch \chon deshalb \s{cheint uns weit eher eine Verminderung als eine Vermehrung der Zahl der Mitglieder der Kammer gerechtfertigt zu sein.“

Wie man in Abgeordnetenkreisen vernimmt, \oll der für außerordentlihe Bedürfnisse der Armee beanspruhte Kredit etwa 18 Millionen Mark betragen.

__— Der bayerische Landesverein für die katho- lische Reformbewegung (Altkatholikzgn) entsendet als Abgeordnete zur diesjährigen Synode die Hêrren Professoren Berchtold und Huber, Fabrikant Schaumkberger und Dr. Zirngiebl. Zur. Cölibatsfrage haben die genannten Vertreter nah der ihnen ertheilten Jnstruktion fih dahin zu äußern: „1) Bei der gegenwärtigen religiösen Lage würde die gedeihliche Fort- entwickelung der altkatholischen Bewegung, ja felbst der Bestand ihrer Gemeinschaft dur die Aufhebung des Cölibats im höchsten Grade gefährdet sein; 2) diese Frage und Fragen von ähnlicher Bedeutung können nicht wohl durch einseitiges Vorgehen der Synode der Altkatholiken des Deutshen Reiches, fondern sollen im Einverftändniß mit den konstituirten altkatholishen Kirchen anderer Länder gelöft werden; 3) Eine eventuelle Aufhebung des Cölibats von Seiten der Bonner Synode könnte die Ver- nihtunz der bisherigen fstaatsrechtlihen Stellung der bayerischen Altkatholiken zur Folge haben.“

Die ziffernmäßig nahweisbaren außerordentlichen Aus- gaben der Stadt München für das Schulwesen betrugen in diesem Jahre 319,220 Fl.

Sachsen. Dresden, 30. Mai. Die Erfie Kammer trat heute dem von der Zweiten Kammer gefaßten Beschlusse, die Regulirung der Tagegelder und Reisekosten déx Staatsdiener betreffend, bei und erledigte sodann die auf Straßen- und Chaussee- bau bezüglichen Petitionen. Weiter wurde die Regierung ermächtigt, das Abbaurecht des gesammten Braunkohlenfeldes im Timuliß- walde oder einzelner Theile desselben, unter bestmöglichen, nach vor- gängigem öffentlihen ¡Ausgebote festzustelenden Bedingungen, zu verkaufen. Hierauf nahm die Kammer die §8. 30—33 des Gesezentwurfs über die höhern Unterrichtsanstalten mit den von der Deputation vorgeschlagenen Abänderungen und fodann den Gesegentwurf als Ganzes einstimmig an.

__ Die Zweite Kammer bewilligte 600,000 # zur plan- mäßigen Fortsezung der Elbstromkorrektionsbauten, nahm sodann den Bericht der Finanzdeputation über die bezüglih des Etats des Kultus-Minifteriums zwischen beiden Kammern bestehen- den Differenzen entgegen und beshloß in den meisten Punkten, bei den früheren Beschlüssen stehen zu bleiben. Eine drei- stündige Debatte veranlaßte der Bericht der Finanzdeputation über ein Nahpostulat von 480,000 /( für den Neubau des Polytehnikums in Dresden. Die Kammer beshloß dem Antrage der Majorität gemäß, nur 474,000 H zu bewilligen und die Staatsregierung zu ersuchen, die Remuneration für den Er- bauer des Polytechnikums auf 6000 4 zu beschränken. Schließ- lih bewilligte die Kammer 43,000 s zu baulichen Herstel- lungen innerhalb des Posthaltereigrundstücks in Leipzig. Nächste Sizung morgen.

_ Baden. Karlsruhe, 29. Mai. Die Zweite Kammer hat eine Petition der Altkatholiken Durlahs um Mitbenußung der dortigen Schloßkapelle an die Staatsregierung überwiesen mit dem Wunsche, die Bitte bei der Reichsverwaltung als Eigen- thümerin thunlichst zu unterftüßen. Die Pfarr-Dotations- Kommission der Zweiten Kammer hat ihren Bericht zum Druck gestellt. Der vom Ministerium verlangte Revers ift darin bezüglih der evangelischen ¡Geistlichen beseitigt, während für die fkatholischen derselbe im Allgemeinen vom Bischof aus- geftellt werden soll. Da aber die erzbischöflihe Kurie in einer Zuschrift an das Staats-Ministerium formell jede Staatsunter- stüßung zurückgewicsen hat, so bleibt jene Forderung nur für die evangelischen Geistlichen praktisch.

Sessen. Darmstadt, 29. Mai. Der Entwurf unserer neuen Gesinde-Ordnung is| in vielen Punkten der preußi- hen Gesinde-Drdnung entsprehend. Das Prozeßverfahren ift in I betaciee 4 Weise vereinfaht. Der Entwurf \{chreibt für Gesfindesachen ein protokollarishes Verfahren vorx und is inner- halb 24 Stunden nach Erhebung der Klage Termin zur Ver- handlung anzuberaumen. Daneben foll den Parteien die Auf- lage gemaht werden, alle Beweismittel in dem Termine zur Stelle zu bringen. Das Gericht soll unter Berücksichtigung des gesammten Inhaltes der Berhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nah freier Ueberzeugung entscheiden, und ift an die gesezlihen Beweisregeln nur insofern gebunden, als es fich um Beweis durch Eid oder Urkunden handelt. Soll die Zwangsvollstreckung eines in Gesindesahen erlassenen Urtheils ihren Zweck nit verfehlen, dann muß fie der Regel nah fojort nah Erlaß èes Urtheils eintreten können. Um der unterliegen- den Partei jedoch ein Schuzmittel gegen Nachtheile zu gewähren, die aus der vorläufigen Vollstrekung eines noch nicht rechts-

ordnung der Sizung von Ritter- und, Landschaft am

kräftigen Erkenntnisses entstehen könnten, wird dem Richter die

§

Landtage =- -

Befugniß gewährt, auf Antrag die vorläufige Vollftreckbarkeit von einer vorgängigen Sicherheitsleistung abhängig zu machen. Der leßte Abschnitt des Entwurfes enthält die auf das Gee findewesen bezüglichen polizeilihen Vorschriften. Jeder Dienst- bote wird, nah erfolgtem Diensteintritt, von der Ortspolizei- behörde in das Gefinderegister eingetragen und erhält ein DienWbuch. Wer bereits im Besiß eines solchen ist, muß es zur Visirung vorlegen. Das - Dienstbuch ist von dem Dienstboten bei Meidung einer Geldstrafe von 1 bis 5 M der Herr- haft abzugeben und muß von leßterer der Tag des Diensft- eintritis und Dienstaustritts eingetragen werden. Die Orts- polizeibehörde ift jeder; Zeit befugt, Einsicht des Dienstbuches und Ausstellung von Zeugnissen zu verlangen, welche gleich den Strafurtheilen in das Dienstbuch eingetragen werden. Im An- \chluß an die preußische Verordnung vom 29. September 1846 ist endlich bestimmt, daß der Dienstbote, welhem ein ungünsti- ges Zeugniß ertheilt worden ift, auf Ausfertigung eines neuen Dienstbuches antragen kann, wenn er nachweist, daß er \ich während 2 Jahren tadellos betragen hat. Die Ortspolizei- behörde führt die Gesinderegister.

Braunschweig, Braunschweig, 29. Mai. Heute Morgen trafen von Hannover Se. Königliche Hoheit der Prinz Albrecht und der Divisions-General v. Voigts-Rhey hier ein. Se. Königliche Hoheit besichtigte, auf dem Exerzierplaße ange- kommen, zuerst die Infanterie, dann die 3. und 4. Escadron des Husaren-Regiments; die übrigen Escadrons werden morgen besichtigt. Gegen 12 Uhr traf Se. Königliche Hoheit in „Schchra- ders Hotel“ ein, wo derselbe den Offizieren der Garnison, welche niht durch Dienft behindert waren , ein Diner gqh. Für heute Abend war großer Zapfenstreich befohlen.

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Defterreich-Ungarne Wien, 29. Mai. Die Abhaltung des demokratischen Parteitages, welher am 30. d. M. hier stattfinden sollte, wurde, wie die „Pr.“ mittheilt, von der Polizeidirektion untersagt, weil derselbe nicht als Privatver- fammlung, sondern als Volksversammlung zu betrachten sei. Gegen diese Verfügung der Behörde wird von den Einberufern der Versammlung der Rekurs ergriffen werden.

Prag, 29. Mai, Die Altczechen sind nun nach P a- lack y's Tod sehr eifrig bemüht, es zu verhehlen, daß der Ver- luft ihrer olærsten Autorität eine Shwächung der altczechischen Partei zur Folge haben werde. Zu diesem Zwecke deuten die alt- czehischen Blätter an, daß nun vielmehr erst die altczehische Oppo- sition zu Mitteln greifen werde, von deren Gebrauch bisher Pa- lacky selbst die Seinen abgehalten habe. So machte „Pokrok“ einen mysteriösen Hinweis auf den „Mann der That, für den die Bühne leer geworden“ und heute is in der „Politik“ die Verheißung zu lesen: „Fortan werden Elemente in die politische Arena treten, welhe Palacky's hochkonservativer Sinn zu mäßigen wußte, die jedoh stürmisher Thatendrang beherrscht, der fih den Todtengräbern des böhmischen Volkes erft fühlbar machen wird.“

Pest, 30. Mai. (W. T. B.) Dig Reichsraths-Deles- gation erledigte in ihrer heutigen Sigung das Ordinarium des Kriegsbudgets. Titel 7 (Truppenkörper und allgemeine Auslagen für die Truppen) wurde nach dem Antrage Engerths mit der im Vorjahre bewilligten Ziffer von 99,082,729 Fl. an- genommen. Ebenso Titel 22 (Naturalien, Verpflegung) auf Antrag Engerths unter Einstellung der vom Budgetaus\{hu}se gestrihenen 694,440 Fl. mit 16,088,001; ferner Titel 23 (Mann- \haftskost) unter Ablehnung des Antrags Kellners, zur Auf- besserung der Kost für die Mannschaften 1,600,000 Fl. einzu- fellen. Alle übrigen Titel wurden ebenfalls angenommen.

(Presse) Kerkapolyi hat den Handschuh, welchen ißm Lonyay zugeworfen, aufgenommen. Der Erstere erklärt in einer Zuschrift an die hiesigen Blätter, daß er in seiner Aeußerung vor der Schlußrechnungs-Kommission die bona fides Lonyay's nicht in Zweifel gezogen habe, daß er aber seine damaligen Angaben aufrecht erhalte und sie event. auch aus den Originalurkunden beweisen, d. h., daß er darthun werde, Lonyay habe es bei der Bewilligung und Sicherstellung des der Fiumaner Schiffswerfte bewilligten Darlehens an der nöthigen Vorsicht fehlen lassen, trage daher die Schuld -an dem Verluste, welchen der Staatssäcel erlitten. Nach neue- ren Erhebungen beträgt die Summe, bezügliÞh welcher die Schlußrechnungs-Kommission die Verweigerung des Absolu- toriums beantragt, sammt den Zinsen 148,000 Fl. Uebrigens besteht die allernähste Frage darin, ob das Abgeordnetenhaus den Kommissionsantrag c.nnehmen wird. Erst in diesem Fall fann von ciner gerihtlihen Untersuchung im Sinne des Geseß- artifels 3 1848, das heißt von dem „Ministerprozeß“, die Rede sein.

Belgien. Der König hat sich am 99, Mai in Ostende nach England eingeschifst.

Grsfßbritannien und Irland. London, 29. Mai. Ueber den Aufenthalt des deutschen Geshwaders in Ply- mouth meldet die „E. C.“: „Die deutshzen Schiffe feuerten niht nur bei der Ankunft die üblichen Salutschüfse ab, sondern ließen ihre Geshüße au in die Salven mit einstimmen, welche zur Geburtstagsfeier der Königin abgegeben wurden. Auch als Admiral Sir Thomas Symonds, Ober-Kommandant zu Ports- mouth, am Sonnabend. Nachmittag das deutshe Geschwader besuchte, wurden zwishen dem „Kaiser“ und dem englischen Flaggenschiffe „Royal Adelaide“ wieder dröhnende Komplimente gewechselt.“

Aus Calcutta wird der Rücktritt des Finanz- Ministers, Sir W. Muir gemeldet, ein Ereigniß, das jeden- falls mit den Schwierigkeiten der indischen Finanzverwaltung in Folge der Entwerthung des Silbers im Zusammenhange fteht. Sir W. Muir erhält einen Siß im indishen Rathe. Ferner wird der „Times“ aus Calcutta unterm 28, d. M. auf telegraphishem Wege gemeldet : Kapitän Sandemans Khelat - Mission hat Mastang erreiht. Die Eskorte kampirt auf einer fruchtbaren Ebene, die 5700 Fuß über der Meeresfläche gelegen if, und wird wahrscheinlih dort den ganzen Sommer zubringen. Der Gesundheitszustand der Truppen ist cin guter. Es heißt, daß der Khan und die Drahati - Häupt- linge ihre Streitigkeiten dem Kapitän Sandeman unter- bereitet haben. Mit den Afridies haben keine weiteren Kämpfe stattgefunden, aber der Kohat-Paß if noch immer nicht dem Verkehr eröffnet. Der Emir von Kabul hat erklärt, daß der Khyber-Paß nunmehr offen ist. : E E

_— Wie aus Rangun gemeldet wird, ift die Expedition unter Hrn. GrosSvenor am 21. d. in Bhamo eingetroffen und jeßt wohl {on in der Hauptstadt von Birma, in Manda- lay, angelangt. Weder auf cinefischem, noch auf birmanishem

31. Mai. (W. T. B.) Die hauptsählihsten hiefigen [ Journale äußern fich über den Thronwechsel in Konstan- tinopel im Ganzen zwar günstig, aber vorläufig doch noch mit einer gewissen Zurückhaltung und ohne irgendwelche übertriebene O an denselben zu knüpfen. Es wird von denselben ervorgehoben, daß die Softas die Bewegung mit Geschick und Klugheit ins Werk gesezt hätten, indeß sei immer- hin die Frage berehtigt, ob die Absichten der Softas wohl mit einem aufgestellten formellen Programm im Einklang ständen und ob fie das legtere würden durchführen können. Uebrigens sehen die hiesigen Blätter die Revolution in Konstantinopel als ein für cine friedlihe Lösung der Orientfrage günstiges Ereigniß an und sprechen die Ansicht aus, daß die Mächte den Anftren- gungen der Türkei ihre Unterstühung leihen müßten.

30. Mai. (W. T. B.) In der heutigen Sißung des Unterhauses erklärte der Unter-Staatssekretär des Auswär- tigen, Bourke, auf eine Anfrage Mare's, er halte es nicht für opportun, die über die orientalische Frage geführte diplo- matische Korrespondenz zu veröffentlihen. Weiter bestä- igte derselbe, daß der Sultan Abdul-Aziz entthront und Murad zum Nachfolger proklamirt worden sei. Nähere Details Über den Thronwechsel seien noch nicht eingetroffen. Bourke verlas am Schlusse seiner Erklärung ein aus Salonichi eingegangenes Telegramm, nah welchzem die Nahriht von dem Thronwehsel dort günstig aufgenommen worden ift.

Nah hier eingegangenen offiziellen Meldungen ift das englische Mittelmeer-Geshwader am 26. d. in der Be- \ika-Bay eingetroffen. Las Kanalgeshwader, welches gegenwärtig kreuzt, wird am 6. Zuni c. in Vigo erwartet. Frankrei. Paris, 29. Mai. Das „Journal officiel“ publizirt wiederum die Ernennung von 14 Maires und 17 Adjunkten, Zehn Munizipalrathswahlen haben gestern in Paris stattgefunden. Zwei davon find noch unent- schieden geblieben, bei sieben anderen aber hat die radikale Partei, wie zu erwarten gewesen, gesiegt; fie hat neun Kandidaten auf- gestellt und sieben davon durchgebraht. Im Ganzen aber ändern diese Wahlen nicht viel an der Zusammensezung des jeßigen Munizipalraths.

Der Minifter des Innern legte heute der Depu- tir tenkammer einen Geseßentwurf über die Gemeinde- Organisation vor. Die Kammer beschloß Dringlichkeit des- selben und überwies ihn an den bereits ernannten Aus\{huß. In dem Entwurf, sagt das „Journal des Debats“ erkennen Tir den Geist des Gesehes, das Hr. Ricard mit Hülfe einer außerparlamentarischen aus den aufgeklärtesten und liberalffen Männæœn gzusammengeseßten Kommission vor- bereitet hatte. Die carakteriftishe Bestimmung des Ent- wurfes ist die, welche der Regierung das Recht verleiht, die Maires in den Hauptorte®® ‘der Departements, Arrondisse- ments und der Kantone zu ernennen. Ueberall sonst, d. hn 33,123 Gemeinden, also in der großen Mehrzahl derselben, sollen die Maires direkt von den Munizipalräthen ernannt werden.

Die Kommission in der Rouviershen Angele- genheit ist fortwährend zusammen; in allen Gruppen zeigt man lebhaftes Verlangen, mit derselben zu Ende zu kommen.

Gestern hatten \sih sehr beunrubigende Gerüchte über das Befinden Casimir Périers verbreitet; das „Journal des Debats“ ift nun im Stande, nah seinen neuesten Erkundigungen zu versichern, daß der Zustand des Senators \sih wesentlih ge- bessert habe. M

—- Die gestern erwähnte Vermahnuangdder Bischöfe an den Ministerpräsidenten erweckt die Verwunderung der liberalen Blätter, welhe darauf aufmerksam machen, daß die jüngft in Paris gehaltene Zusammenkunft, der diese Vermalnung entstammt, die Regierung niht um Erlaubniß gefragt hat und folg- lich eine gesezwidrige Versammlung war. Das „Siécle“ betont das Eingreifen der Bischöfe in die Staatszangelegenheiten, das die Ermahner als ihr gutes Ret in Anspruch nehmen; aber Frankreich wolle und werde nicht Lehnsmann des Ultramon- tanismus werden.

20 Mai (Q D. B) Die Nachricht von der Entthronung des Sultans wird, wie die „Agence Havas“ meldet, hier im Ganzen günstig aufgenommen.

Der türkische Botschafter Sadyk Pascha hatte heute

früh eine lange Konferenz mit dem Herzog von Decazes.

Ftalien. Rom, 31. Mai. (W. T. B.) Die Initiative zur Wiederaufnaßme der Verhandlungen über die Baseler Konvention is, wie das Journal „Diritto“ meldet, von dem Hause Rothschild ausgegangen. Das gedahte Blatt fügt hinzu, die Regierung sei entschlossen, die Ba- feler Konvention und den Vertrag aufrecht zu erhalten, wenn nur einige der durch die Konvention Italien auferlegten Lasten herabgemindert würden und glaubt annehmen zu dürfen, daß das Ministerium dem Parlamente eine Additional - Konvention werde vorlegen können, welche die ursprünglihen Bedingungen günstiger gestalte. Das Programm des Ministeriums bestehe in der Annahme der Baseler Konvention und des Wiener Vertrages mit \olhen Abänderungen, welche die Beseitigung des Staatsbetriebes und die Reorganisation der Bahngesellshaften und des Transportbetriebes bezweckten ; es sei zu hoffen, daß die Verhandlungen Correntis

iener

von einem günstigen Erfolg begleitet seien, damit das Ministerium alle Zweideutigkeii beseitigen und berechtigte Interessen wahren und fihern könne.

Türkei. Konstantinopel, 29. Mai. (W. T. B.) Von der Regierung werden folgende Nachrichten verbrei=- tet: Dank den energishen und kombinirten Maßregeln der Regierung ift die aufständishe Bewegung in Bulgarien jeyt vollständig unterdrückt. Die von allen Sei- ten eingeschlossenen Insurgenten beeilen fich, ihre Unter- werfung in Masse zu machen. Ihre Führer wer- den vor Geriht geftellt werden. Man beschäftigt sich in diesem Augenblick damit, die Bewohner wieder in ihre Woh- nungen zurückzuführen. Die aufgefundenen Papiere Und Korre- \pondenzen der Insurgentenführer befinden sich in den Händen der Regierung, welhe binnen Kurzem, nah der überall ein- geleiteten Untersuchung, die Thatsachen feftzustellen, die Schul- digen zu bestrafen und die Anstifter dieser Unruhen öffentlich anzuklagen im Stande sein wird. i

30. Mai. (W.T. B.) SultanMuradV. wurdeals „Kaiser von Gottes Gnaden und dur den Willen der Nation“ profla- mirt. Sein abgeseßter Vorgänger wurde mit seiner Familie nach dem alten Serail gebraht. Die Umwälzung vollzog sh in vollständiger Ruhe. Unter den Chriften und Muselmännern scheint über den Thronwesel Befriedigung zu herrschen und fand heute Morgen eine Volkskundgebung statt. Heute Abend soll die Stadt festlih beleuchtet werden, auch \ind dreitägige

Gebiet, noch von den wilden Hügelstämmen wurden Hr. Gros- venor und seine Begleiter in irgend welher Weise belästigt.

Sultan Abdul Aziz_ Khan, geboren am 9. Februar 1830, is der Sohn des Sultan Mahmud ll,., der zweiunddreißigfte Souverän vour Stamn:e Osmans, der neunundzwanzigste seit der Eroberung Konsftantinopels. Er fuccedirte am 25. Juni 1861 seinem älteren Bruder, dem Sultan Abdul Medjid Khan. Der gegenwärtig auf den Thron erhobene Mahommed Murad Effendi ist der ältese Sohn des verstorbenen Abdul Medjid - nah dem osmanishen Reichsgeseze, dem zufolge die Herr- \haft tels auf den älteften Prinzen des Hauses, nicht auf den Sohn des regierenden Sultans übergeht, der rechtmäßige Nach- folger Abdul Aziz. Er if geboren am 91, September 1840, befindet fih also in dem Alter von beinahe 36 Jahren. Befannt ift die Art der Beziehungen zwischen ihm und seinem Oheim, dem entthronten Sultan, die ihre Ursache darin hatte, daß Abdul Aziz die rechtmäßige Thronfolgeordnung zu Gunsten fei- nes ältesten Sohnes Yufsuf Izzeddin (geb. am 9. Oktober 1857) umzustoßen wünschte.

Der „Kölnishen Zeitung“ wird aus Paris gemeldet, daß nach den aus Konstautinopel vorliegenden Nachrichten der Großvezier Mehemed Ruschdi Pascha mit Midhat Pascha an der Spize der Bewegung steht. Der entthronte Sultan wird in seinem Palais bewaht. Der neue Sultan Muraòd soll folgende drei Punkte angenommen haben: Einseßung einer per- manenten Notabelnversammlung, Abschaffung des Serails und Reduzirung der Civilliste des Sultans auf 5 Millionen Piaster. Dem Wiener „Telegraphen-Korrespondenz-Bureau“ wird aus Pest vom 31. Vormittags gemeldet: Die Meldung mehrerer Wiener Blätter, wonach dem auswärtigen Amte die Nachricht zugekommen wäre, daß der entthronte Sultan Abdul-Aziz von den Softas erdrofselt sei, ist unbegründet. \

entthronte

Neueste Konftantinopeler Meldungen berihten vielmehr, daß Abdul-Aziz am Leben sei und daß die Patriarchate der christlihen Ge- nofsenschaften dem neuen Sultan bereits gehuldigt haben. i Dem Vernehmen der „Ag. Havas“ zufolge, würde ein neues Ministerium unter Midhat Pascha als Vezir gebildet werden und würden Khalil Scherif Pascha als Minister der auswärtigen Angelegenheiten, sowie Sadyk Pascha als Finanz- Minister in dasselbe eintreten. Die Adresse, welche die bosnischen Insurgenten- führer an den bekannten Agenten Wesselißky gerichtet haben, hat nach dem Brüsseler „Nord“ folgenden Wortlaut: / „Hr. Gabriel Vozidarova Wesselitky! Wir Führec der JInsur- genten in Boënien danken den Großmächten, daß fie uns ihre liebe- volle Aufmerksamkeit gewidmet hab:n. Einen Beweis hierfür er- bliden wir in dem Refermplan des Grafen Anèrassy, welchen die Großmächte acceptirten und bezüglich dessen sie die Pforte bewogen ibm zuzustimmen. Die herzegowiniscen Wojwoden haben uns die Rath- \chóäge mitgetheilt, welche Sie ihnen imNamen des russi\hen Reichskanzlers überbrachten, und desgleichen die Worte, welche Baron Roditiích Namens der ôsterreihischen Regierung an sie gerichtet. Aus diesen Mittheilungen, welche auch uns berühren, haben wir die Bedeutung der erwähnten Reformen erfahren. Gleich unseren herzegowinischen Brüdern er- fenren wir, daß diese Reformen sich von allen früheren untersch«iden, weil sie auf der Initiative der Großmächte selbft beruhen, denen da- her an deren Verwirklichung gelegen ist und deren Durchführung sie von der Pforte zu verlangen berechtigt sind. Wir hoffen, daß diete Reformen sammt den Ergänzungen, welche wir weiter unten anführen, unser geschriebenes Recht bilden und uns Leben, Ehre und Besiß besser verbürgen, als die bloßen Verheißungen der Pforte: daß sie für Bosnien und die Herzegowina zu einer selbständigen Regierung führen werden, welche die Ooffenilihe Ord- nung und das Wohl der Einwohner sichern und neue Unruhen verhindern wird. Wir sind bereit, an unsern häuëlichen Herd zurückzufkehren, erlauben uns aber zu bemerken, daß wir in der Note des Grafen Andrassy bloß Prinzipien, aber feine Mittel zu deren Durchführung finden. Da wir nun wünschen, daß unser Kampf so bald alé möglich beendet werde, unterbreiten wir dem hochgeneigten Ermessen der Großmächte diese Bedingungen einer raschen und sicheren Mazifikfation: 1) Die Pforte möge ihr Militär aus unserem Land ab- berufen und nur 5600 Mann- daselbst belassen ; 2) die Pforte möge alles Material und alle Mittel zur Wiederherstellung der zer- stôrten Häuser, Kirchen und Schulen beischaffen und den Ein- wohnern den Lebensunterhalt so lange liefern, bis diese si selbst durh eigene Arbeit erhalten können, und die Steuern auf 3 Jahre nach sehen; 3) bezüglich der Vertheilung dieses Materials und dieser Hülfs- mittel soll die Ueberwachung einer von den Großmächten installirten Kommission anvertraut werden, welche von der Türkei vollkommen unabbängig ift ; 4) die Christen sollen das Recht haben, Waffen zu tragen, wie die Moslim, womit sie fich gegen Angriffe wehren können, und damit die bürgerlice Gleichberechtigung zur Wahrheit werde, welce unter allen Unterthanen des o3mamschen Reiches herrschen soll. Wir ersuchen Sie, diese unsere Wünsche den Großmächten vorzulegen und geben Ihnen unsere Vollmacht für drei Monate.

Das serbische Amtsblatt meldet die Ernennung des früheren rujssishen Generals Ts\chernajeff zum serbischen General.

Rumänien. Am 23. Mai wurden durch ein Fürsilihes Dekret die Neuwahlen zur Abgeordnetenkammer an- geordnet, und zwar wählt das erste Wahlkollegium am 15. Junt, das zweite am 17., das dritie am 19. Juni. Das vierte (bâuer- lie) Wahlkollegium, welches indirekte Wahlen hat, wählt am 10. Juni seine Wahlmänner, die am 21. Juni die bäuerlichen Abgeordneten wählen.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 29. Mai. Bezüglich der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in Turkestan erfährt der „Russki Mir“, daß diejelbe nur aus die in Turkestan lebende russishe Bevölkerung ausgedehnt werden wird. Die Eingeborenen dieses Gebiets sollen in dieser Hin- sicht, soweit sie keinen festen Nachweis haben, zunächst nicht in Betracht gezogen werden. Die Abfahrt der beiden zur Ver- stärkung des Mittelmeer-Geshwaders bestimmten Fahr- zeuge, der Panzerfregatten „Petropawlowsk und des Klippers „Kreuser“ verzögert sich um eintge 2age,, da leßteres Schi}, welches in Reval überwinterte, wie der „Köln. Ztg.“ geschrieben wird, einiger Reparaturen an Jeiner Maschine bedarf.

Afrika. Marocco. Aus Tanger eingetroffenen Nach- rihten zufolge hat der Sultan von Marocco Ÿaz Moham- med Elzebdy, einen der ersien Würdenträger am maroccanishen Hofe, zum außerordentlichen Botschafter ernannt, in welcher Eigenschaft er sh nah Paris, London und Rom be- geben soll. Ein französishes Kriegëshiff wird ihn Ende dieses Monats nach Marseille bringen und er von einem ansehn=- lihen Gefolge begleitet sein. In Tanger wurde eine Anzahl Pferde erwartet, die für den Marschall Mac Mahon zum Ge- schenk bestimmt sind. Dem König von Italien hat der Sultan ebenfalls Pferde zum Präsent geshickt. Der Zweck der oben- erwähnten Botschaft ist, der britischen, französishen und italient- hen Regierung für die Entsendung von Gesandten zu danken, die sich nach Fez begeben hatten, um den Sultan Mulai Hassan anläßlich seiner Thronbesteigung zu beglückwünschen.

Der Sultan von Marocco isst am 16. Mai mit einer Armee

Festlichkeiten in Aussicht genommen. Sultan Murad hat beute seine Residenz im Kaiserlih:n Palais genommen. Der

von 12,000 Mann vor Casfsablanca eingetroffen. Er {lug