1876 / 129 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 02 Jun 1876 18:00:01 GMT) scan diff

Nah einem Erlasse des Ministers der geistlichen An- gelegenheiten können diejenigen Geistlihen, welhe kein Ephorialamt bekleiden, einen Ersaß an Portoauslagen für amtlihe Schreiben aus der Staatskasse nicht erhalten. Das Konsistorium der Provinz Posen empfiehlt daher den Geistlichen, diejenigen Portoauslagen, welche in Folge der neueren Civil- standsgesetzgebung entstehen, z. B. für die Mittheilung vollzoge- ner Trauungen an den Parohus des ersten ehelichen Wohn- figes, den zur Zahlung der Stolgebühren Verpflichteten mit in Rechnung zu stellen. Brieflihe Mittheilungen dagegen, welche einzelnen Parochianen niht in Rehnung gestellt werden fönnen, müssen künftig durch Vermittelung der Superintendenten erfolgen.

Die zeugeneidlihe Bernehmung der Kinder gegen die Eltern in Strafsachen ist an fi statthaft, wenn fie von dem Rechte der Zeugnißverweigerung keinen Gebrauch machen, und au der Richter nah Lage der Sache von der Vernehmung ein erhebliches Ergebniß erwartet. Das betreffende Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 17. Maid. I. führt aus : „die Ansicht, daß die Vernehmung der Kinder gegen ihre Eltern unftatthaft sei, mag dem römischen Rechte entsprehen, indessen ist die neuere gemeinrechtliche Doktrin und Praxis, wie dies in dem Grkennt- nisse des Königlichen Ober-Tribunals vom 23. Februar d. I. hinsiHtlih der Eltern und Geschwister bereits anerkannt worden, zu einer Erweiterung der Zeugnißfähigkeit \olh naher Angehö- riger in der Weise gelangt, daß wenn sie niht von dem Rechte, das Zeugniß zu verweigern, Gebrauch machen, deren Abhör von dem Ermessen des GerihtsWach Prüfung der Sahlage und ders sonstigen Beweise abhängt“.

Der General-Feldmarschall von Steinmeß is nach Görlitz zurückgekehrt.

__ _ S. M. Torpedo-Dampfer „Zieten“ und „Ulan“ werden dem Kommando der Marinestation der Ostsee zugetheilt, und ift ersterer unter die Schiffe 4. Ranges, legterer unter die Fahrzeuge 1. Klasse aufgenommen.

S. M. S. „Elbe“ isst während der diesjährigen Indienst- stellung einem Schiffe 4. Ranges gleichgestellt.

S. M. Kanonenboot „Comet“ it am 18. Mai cr. in Plymouth cingetroffen, und beabsiMgte nah Einnahme von Kohlen am 29. des. Mis. wieder in See zu gehen.

Ems, 2. Iuni. (W. T. B.) Zum Besuche Sr. Majestät des Kaisers Alexander i heute früh Se. Majestät der König von Württemberg hier eingetroffen, die Ankunft des Groß- fürsten Michael wird heute Abend erwartet. Vom Grafen von Paris wurde dem Kaiser Alexander gestern ein Besu ab- gestattet. Der franzöfische Botschafter in Berlin, Vicomte de Gontaut-Biron, ist zum Gebrauch der Badekur Zier ein- getroffen.

Vayern. München, 31. Mai. Jn der Sißung der Abgeordnetenkammer vom 830. Mai erklärte dcr Minifter Pr. v. Faäustle zu dem Antrage Fetgel, es erscheine nicht zweckmäßig, jeßt noch eine Ab- änderung in der bayerischen Civilprozeßordnung vor- zunehmen, nachdem die Reihs-Prozeßordnung wesentliche Abhülfe bringen werde. Er habe, nachdem der Antrag Feigel erfolgt sei, das Appellgericht in Bamberg um Auskunft befragt, und man habe ihm geantwortet, daß der Antrag viele Gründe für sich habe, aber praktische Fälle, in denen die vom Antrag- steller betonten Schwierigkeiten hervorgetreten, seien noch nicht vorgekommen. Die Staatsregierung sei bereit, die zur Abhülfe geeigneten Vorschriften zu erlassen, doh auf den Antrag Feigel, ein Gese zu erlassen, könne sie niht eingehen. Die Abstim- mung ergab, wie shon gemeldet, die Verwerfung des An- trags Feigel.

Sachsen. Dresden, 1. Juni, Die Erste Kammer beschloß hcute, in Uebereinstimmung mit dem Beschlusse der Zweiten Kammer, außer den zu Pos. 2a. unter 8 des Einnahme- budgets bereits bewilligten 9000 M hierüber noch 25,000 M als Berechnungsgeld zu Bauherstellungen im Schlosse Hubertus- burg zu bewilligen, erledigte hierauf eine Anzahl Petitionen und beschloß sodann, den Antrag des Abg. Strauß, die Errichtung von Seminaren betreffend, der Königlihen Staatsregierung zur Kenntnißnahme zu übergeben.

Die Zweite Kammer genehmigte mit wenigen Abände- rungen den Geseßentwurf über Aufnahme einer Zprozentigen Rentenanleihe bis zum Betrage von 101 Millionen Mark, trat den abweichenden Beschlüssen der Kammer in Bezug auf den Etat des Justiz-Ministeriums mit einer einzigen Ausnahme bei, beharrte bei ihren Beshlüfsen bezüglih der Novelle zum Gesetze über die Reorganisation des Landeskulturraths gegenüber der von der Ersten Kammer beschlossenen Aenderung und beschloß endlich, einem Antrage des Abg. v. Hausen in der Hauptsache entsprehend, die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, Er- örterung über das Bedürfniß zu einem Waldschußgescße im Lande anstellen und den Kammern darüber Mittheilung machen zu wollen.

AVürtcemberg. Stuttgart, 1. Juni. Der „St. A.“ veröffentliht das Gese ßgz-betreffend außerordentliche Be- dürfnisse der Postverwaltung für 1876/77 im Betrage von 152,000 /6 Diese Summe soll den für den Bau von Eisenbahnen in dem Finanzjahr 1876/77 verwilligten Mitteln entnommen werden. Das gleichzeitig publizirte Gesetz, betref- fend die weitere Ausbildung des Telegraphenneyes verlangt die Summe von 130,000 4 ebenfalls aus den für den Bau von Eisenbahnen bewilligten Mitteln. Beide Geseyze datiren vom 23. Mai.

Hessen. Darmstadt, 31. Mai. Bei der Budget-Be- rathung trat im Finanzausshuß der Zweiten Kammer u. A. die Frage in den Vordergrund, ob fich die Organisation des Gesammt-Ministeriums in Verbindung mit den be- stehenden drei Refsort-Ministerien bewährt habe. Der vom Abg. Osann erstattete Bericht kommt zu dem Schluß, an die Regie- rung das Ersuchen zu richten: „die oberste Verwaltung des Großherzogthums, unter Kenderung der bis jeßt beste- hende Vorschriften, dahin organisiren zu wollen, daß ein veraniwortliher Minister an die Spige der Verwaltung gestellt werde, die selbständigen Minifterien aber aufgehoben werden, oder doch jedenfalls eine solhe Organisation zu treffen, daß die Zahl der Ministerien vermindert, der Geschäftsgang vereinfacht und wesentlihe Kosten-Ersparniß erzielt werde.“

Diesen Unträgen trat der Finanz-Aus\{huß der Ersten Kammer nicht bei, {lug aber seinerseits das an die Regierung zu ftellende Ersuchen vor: in Erwägung zu ziehen, in welcher Weise die Ausgaben in der Haupt- Abtheilung bei der jeßigen Sachlage etwa verringert werden könnten. Der Finanz-Aus\{chuß der Zweiten Kammer hält seine Anträge aufrecht.

Sachsen-Weimar-Eisenah., Weimar, 1. Juni. Der Großherzog ist heute wieder von Ems zurückgekehrt.

Braunschweig. Braunschweig, 30. Mai. In der heutigen Sizung der Landesversammlung wurde der Be- \chluß gefaßt, die aus den französischen Kriegskoftenents{chädi- gungsgeldern gebildeten Kreisfonds durh Ueberweisung von 3 Millionen Mark aus den Uebershüfsen zu verstärken. Es entfallen demnah auf jeden der 6 Kreise durchschnittlih 500,000 6, die als eine wesentlihe Beihülfe zur Tragung der namentlih durch Wegebauten anschwellenden Kommunallasten bezeihnet werden dürfen.

Elsaß-Lothringen. Straßburg, 2. Iuni. (W. T. B.) Der Landesaus\chuß hat in seiner gestrigen Sißung dem Wunsche Ausdruck gegeben, daß die Centralverwaltung im Reichslande selbst ihren Siy behalte, daß die Befugnisse der- selben erweitert und jedenfalls Veränderungen niht ohne das Gutachten des Landesaus\chusses beshlossen werden möchten.

Desterreich-Ungarn. Wien, 31. Mai. Der „Prager Z.“ wird von hier geschrieben: Die auswärtige Situation hat durch die Erscheinungen der lehten Tage keinen allzufreundlichen Charakter angenommen und wenn man auh im Hinblicke auf die Drei Kaiser-Allianz fich keinen. allzuweit ‘gehenden Besorg- nien über die Störung des europäishen Friedens hinzugeben braucht, so ist do andererseits an verschiedenen Punkten, nament- lich im Süden unserer Monarchie hinlänslih viel Brandstoff an- gehäuft, um Explosionen und damit indirekte Beunruhigungen unserer Grenzen besorgen zu lassen. Angesichts dieser von fast allen öffent- lihen Organen hervorgehobenen Sachlage muß es eigenthümlich

R E er wenn man in der reihsräthlihen Delegation mit altem Nähdruce, mit einem großen Aufwande von Geist und Beredtsamkeit für eine Shwähung der Wehrkraft unserer Monarchie eintritt und jeßt den Moment zu kommen erachtet, in welchem Oesterreih-Ungarn allein in einer von Waffen ftar- renden Welt die Abrüstung vollziehen könnte. Wenn man die Debatten aufmerksam liest, so gewinnt man fast den Ein- druck, als ob in Oesterreih die Ansprüche der Kriegsverwal- tung ganz neue und außerordentlißhe wären, während sie thatsählih unter das Niveau der früheren Jahre herabgesunken ift und somit den Charakter eines Normal-Budgets erreicht hat. Allerdings sind die Ersparungsanträge zum Theile auch dahin gerichtet, auf der anderen Seite die Mannschaftsverpflegung, die nah dem allgemeinen Urtheile nothwendig i, zu verbessern; allein da sowohl der intakte Präsenzstand wie au die Verbesserung der Mannshhaftskost nothwendig find, so kann man die Dringlichkeit ja Unerläßlichkeit der ersteren um so mehr würdigen, ob man, wenn auch \{chweren Herzens, auf leßtere für jeßt verzihtet, wenn sie um den Preis einer Störung unserer Armee-Drganisation erkauft werden soll. Die Entscheidung über diese Frage wird in diesem Jahre in der österreichischen Delegation fallen; sie kann nah den Anschauungen der überwiegenden Majorität, die dur die glänzenden Ausführungen des gemeinsamen Ministers Grafen Andrassy eine neue Bekräftigung erhielten, kaum zweifelhaft sein.

1. Juni. Die „Wien. Ztg.“ veröffentliht heute den Staatsvertrag zwischen der öfterreihisch-ungarishen Monarchie und der Schweiz wom 7. Dezember 1875,

Prag, 31. Mai! Heute fand hier das Leihenbegäng- niß Palacky's unter großer Betheiligung der Korporationen, czehisher und deutsher Vereino und aller Bevölkerungs- \hichten statt.

Pest, 28. Mai, Der von dem Auss\chusse der unga- rischen Delegation erstattete Bericht über das Budget des Ministeriums des Aeußern konstatirt zunächst, daß es der auswärtigen Leitung gelungen sei, ihr vor Jahresfrist auf- gestelltes, von der Volksvertretung gebilligtes Programm durh- zuführen. Trotz der verschiedenartigen, einander entgegengeseßten Interessen der durch die orientalishen Angelegen heiten berührten Mächte, sei der Friede bis zu diesem Augenblicke niht ge- stört worden. Was die Zukunft betreffe, so habe der Aus\chuß aus den Thatsachen der Vergangenheit die Ueberzeu- gung gewonnen, daß Oesterreih-Ungarn fortfahren werde, die Wahrung des europäishen Friedens und der äußeren territorialen Integrität der Türkei als Ziel seiner Politik zu verfolgen, „so lange die vitalen Interessen der Monarchie nicht unabweislih etwas anderes gebieten.“ In dieser Beziehung verzichtet jedoh der Aus\{huß darauf, von dem Minister des Auswärtigen irgend welche Erklärungen, beziehungsweise Versprehungen zu verlangen oder ihm Direktiven geben zu wollen, welche die Hände der Regierung in einem Augenblicke binden würden, wo dieselbe im Interesse der Monarchie der vollen Aktionsfreiheit bedürfe.

Das Vertrauensvotum, welhes damit dem Grafen Andrass\y ertheilt wird, ist ein neuer Beweis dafür, daß der leitende Staatsmann nah wie vor auf die Unterstüßung seiner ungarischen Landsleute zählen kann.

Die „Budapefter Correspondenz“ vom 30. d. M. schreibt : „Die Mitglieder der ungarischen Delegation sind ebenso wie die der österreichishen bestrebt, vor Pfingsten die Arbeiten der Delegationen zu erledigen. Man glaubt, daß die österreichishe Delegation voraussichtlich alle rückständigen Be- richte schon morgen, die ungarishe Delegation aber Donnerstag erledigen werde, so daß die Ausgleichungskommissionen noh Donnerstag Nachts und Freitag Vormittags verhandeln und ihre Propositionen Freitag Nachmittags den Delegationen vor- legen könnten, Sonnabend würde dann in der ungarischen Delegation die dritte Lesung des gemeinsamen Budgetgesetzent- wurfes und zugleih der Schluß der Delegationssession erfolgen."

31. Mai. Der „Pester Lloyd“ bespricht in einem län- geren Artikel den Versuch, die Türkei zu konstitutiona- lisiren, und sagt am Shlusse: Es ift wenigstens ein Versuch, die Grundlagen des Staates neu zu beleben, ein Versuch, der von der relativ kräftigsten und patriotischesten der türkischen Parteien ausgeht. Vor Allem aber wird man die Wirkungen nit untershäßen dürfen, welhe die Ankündigung einer neuen konstitutionellen Aera auf die unmittelbar \{chwebenden Fragen des Augenblickes äußern wird. Die Aufgabe der Pazifikatlon ifi +- oUrG den Regierungs» wechsel offenbar in hohem Grade erleichtert. Die Bevölkerung der insurgirten Provinzen steht einem neuen Herrscher, einem neuen Regierungss\ysteme gegen- über... Die Gewißheit, daß eine feierlihe Verbürgung der Volks- freiheit nicht ohne wesentlichen Einfluß auf die Lage der crist- lichen Bevölkerung bleiben könne, muß nothwendig die Stim- mungen der letzteren beherrshen und kann bei einigermaßen

Frage der Pazifikation, sobald die erste Verwirrung vorüber if, mit allem Ernste und Nachdrucke wieder aufgegriffen werden... Die konkrete Lage hat \fich ungleih verbessert und welhes au

das Resultat der Zukunft sein mag, die Gegenwart hat eine

wenigstens tröstlihere Gestalt angenommen.

Schweiz. Bern, 31. Mai. Das internationale Tele graphenbureau in Bern hat so eben die Herausgabe der auf

die leßte St. Petersburger internationale Telegraphenkonferenz Bezug habenden Dokumente vollendet.

Niederlande. Haag, 27. Mai. Die vor einigen Ta- gen beim Kolonialamt eingelaufenen NachriŸten aus Atschin melden, daß dort am 2. Mai ein furchtbarer Orkan wüthete, welcher beträchtlihen Schaden verursahte. Am Morgen des nämlichen Tages drang der Feind in das diesseitige Lager in Lampager. Freilih wurde derselbe mit einem Verlust von fünf Todten verjagt, die Koelonialarmee zählte aber ihrerseits 7 Todte, darunter 2 Offiziere und 23 Verwundete. Es wurden unmittel bar Erhebungen eröffnet zur Feststellung: inwieweit die Bevöl= ferung des bereits unterworfenen Ortes Lampager bei dem Ueberfall betheiligt war, wozu ein Controleur nebst 3 Compagnien dorthin abgingen. Im Anfange l. Mts. waren die sanitären Verhältnisse ungünstiger als früher. Die Cholera zeigte sich aber selten, ausgenommen in Kaju-Loh, wo inner- halb dreißig Stunden sieben Personen von derselben befallen wurden. Drei dieser Fälle hatten tödtlihen Ausgang, doch blieb es glücklicherweise dabei. Der Asfistent-Resident de Scheemaker hatte \fich u Pedir, dessen Bevölkerung kürzlich die niederlän- dische Botmäßigkeit ance&nte, begeben, um eine Wahl für die dortige Niederlassung von Truppen zu treffen. Er wurde schr günstig aufgenommen und fand das ihm dazu angewiesene Ter- rain äußerst zweckentsprehend.

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Großbritannien und Jrland. London, 31. Mai, Auf” Anfrage der Admiralität zu Chatham haben die Werftbeamten drei Monate als den kürzesten Termin angegeben, innerhalb dessen das Panzer\chiff „Alexandra“ fertig zum Dienst hergerichtet werden könnte. Zu Plymouth wird das Thurmschiff „Hotspur“ am Sonnabend in Dienst gestellt werden und nah dem Mittelmeer abgehen. Jm Arsenal zu Woolwich ist keine Steigerung der Thätigkeit bemerkbar. In- dessen sind wegen Veränderung der Artillerie- und Infanterie- waffen dort {hon seit zwei Jahren die Arbeiten umfangreicher als in Friedenszeiten der Fall zu sein pflegt. Einem amt- lihen Ausweise zufolge, welcher kürzlich von Seiten der Admiralität veröffentlicht worden ist, läßt fich in der allerkürzeften Zeit eine Flotte von 38 Breitseitschiffen, #1 Widdershif} und #4 TFurmschiffen mit einer Gesammtausrüftung von 625 der \{chwersten Geschüze zusammenbringen, und zwar ohne Vor- bereitung.

Sir Salar Yung, der Premier-Minister des Nizam von Hyderabad, soll morgen hier eintreffen und wird während seines Aufen'halts eine Zeit lang in dem Palais des Herzogs von Sutherland als dessen Gaft wohnen. :

Die heutige „Times“ bringt eine Erwiderung Hrn. Oetkers auf die am 29. April in demselben Blatte erschienene und „A Prussian“ gezeihnete Zuschrift, worin die N&@gaben über unbillige Behandlung der Insel Helgoland, Aufhebung ihrer konstitutionellen Rechte und Freiheiten, Unzufriedenheit der Bewohner u. dergl. für unbegründet erklärt wurden.

2 1, Juni. (W. S. B.) In der heutigen Sihung des Unterhauses erklärte der Premier D israeli auf eine An- frage Hartingtons, eine weitere materielle Information über die Vorgänge in Konstantinopel, außer der bereits in der Dienstagssizung des Unterhauses von ihm mit- getheilten, sei ihm nicht zugegangen. Er habe zwar, während er der heutigen Sihung des Unterhauses bereits beigewohnt, ein Telegramm aus Konstantinopel erhalten, dasselbe enthalte aber nihts, was das Haus interessiren könne, außer etwa, daß Alles ruhig und daß die muselmännische Bevölkerung mit der Lage der Dinge zufrieden sei. Das bei den Berliner Konferenzen vereinbarte Memorandum sei der Pforte uoch nicht mitgetheilt, er hoffe, daß die Mit- theilung desselben nicht nothwendig werde. Ohne Zweifel sei die Lage der Dinge in diesem Theile Europas eine fritishe. Die englishe Regierung habe diejeni- gen Vorsichtsmaßregeln getroffen, welhe fie zur Aufrehterhaltung der Interessen und der Ehre des Landes für nothwendig erahtet habe und die Regierung habe die Ab- sicht, diese Politik der Vorsicht weiter zu verfolgen. Seitens der englishen Regierung wünsche er dabei aber gleichzeitig, formell zu konstatiren, daß nah der Ansicht, die er hege, die Interessen Englands am meisten durch Aufrechterhaltung des Friedens ge- wahrt werden würden und daß die Ehre Englands durch nichts wirksamer vertheidigt werden könne, als dadur, daß es einen Hauptantheil (leading part) nehme bei den Schritten zur Er- reihung dieses Ziels. (Beifall.)

2, Juni. (W. T. B.) Im Oberhause erklärte auf eine Anfrage Lord Strathedens der Staatssekretär des Aeuß.rn, Derby, die Antwort der englishen Regierung auf die Vorschläge der Nordmächte hinsihtlih der orienta- lischen Frage, könne noch niht veröffentliht werden, da die Vorschläge der Pforte noch nit offiziell mitgetheilt seien. Der gegenwärtige Augenblick sei keineswegs dazu geeignet, das wichtige Ereigniß, welhes \sich soeben in Konstantinopel vollzogen habe, in allen seinen Phasen zu diskutiren, Er glaube, daß dasselbe nur das Resultat des freien Willens der türkischen Bevölkerung sei und daß es nicht dur irgend welchen Einfluß von außen her hervorgerufen sei. Dies Er- eigniß könne von den allerwihtigsten Folgen sein, aber e? sei fein Grund im Voraus anzunehmen, daß dasselbe nit günstige Resultate herbeiführen werde, Nah dem Wiederzusammentritt des Hauses, also in etwa 14 Tagen, glaube er, werde die Re- gierung wohl in der Lage sein, eingehender und beftimmter über diese Angelegenheit zu \prehen. Das “Oberhaus ver- tagte sh hierauf bis zum 13. Juni,

__ Frankreich. Paris, 31. Mai. Der Brief, welchen die achtundzwanzig Erzbis chöfe und Bischöfe, die Gründer einer „freien Universität“ zu Paris, an den Minister Dufaure gerihtet und allen Senatoren und Deputirten zugesandt haben, hat, wie die „Indep.* erklärt, seinen Zweck vollfiändig verfehlt. „Die Prälaten \prehen in demselben sehr von oben herab ; sie klagen offen Hrn. Waddington an, dessen Projekt, wie fie sagen, ungereht und unheilvol fei. Sie erklären, daß die Bischöfe „über diesen Punkt nicht verhandeln können.“ Mit einem Wort, fie behandeln den Minister als unter ihnen stehend und den Staat als ihres Gleihhen. Sie behaupten, daß die Unterrichtsfreiheit nur ein leeres Wort fei,

geshickter Ausnüßung leiht zu einer Thatsache von wirklicher

politisher Bedeutung werden... Allem Ermessen nah wird die

wenn die Theilnahme der Geistlichkeit an der Verleihung der akademishen Grade aufgehoben würde. Wo dann noch,

en fie, Gleichheit? Es kommt ihnen also gar niht in den L M A im Staate frei sein kann, ohne die Rehte des Staates in Konkurrenz mit seinen direkten Beamten auszuüben. Sie behaupten, daß wenn, ihre Lehrer nicht einen Theil der Prüfungs - Kommissionen ausmachen, das Gese ihnen nichts gegeben habe, denn fie fonnten vorher Alles thun, was fie jeßt thun, d. h. den Titel Universität annehmen, Programme veröffentlichen, alle Wissen- haften ohne besondere Vollmacht lehren. Sie glauben endlih in ihrer Ehre angegriffen zu sein, weil man der Fähigkeit oder Unparteilichkeit ihrer Professoren zu, mißtrauen heine. Sie sagen nicht, ob die Mitglieder einer jüdischen, pro- testantishen oder Freidenker-Universität auch das Recht haben sollen, sich in ihrer Ehre angegriffen zu fühlen, wenn der Staat sh nit beeilt, zu ihren Gunsten auf das Recht zu verzichten, das er bis dahin allein besessen, nämli Lizentiaten und Doktoren zu ernennen. Kurz, das ganze Schriftstück eRt- hält kein einziges gewihtiges Argument, aber es ist von hoher Bedeutung, weil es den Geist der Kirche, die Empfindungen, die fie beseelen, und das Ziel zeigt, das sie sih vorgeseßt, indem sie das Gescy über den E Unterriht durch eine ihr ergebene jorität annehmen ließ. E E Was für en Eindruck dieser Brief in den Sakristeien 2c. hervorgebracht, ist niht bekannt geworden; in der liberalen Welt aber war derselbe ein dem vom Verfasser des Schriftstückes, Herrn Dupanloup erwarteten grade entgegengeseßter. Nicht allein die Mitglieder der Linken, mit alleiniger Ausnahme des Hrn. Laboulaye, sondern auch viele Konservative, die nit leicht- finnig auf die Rechte.des Staates verzichten wollen, fragen fich, ob es für die Anmaßungen der Geistlichkeit eine Grenze geben wird; sie fragen fih, wie die Parlamente unter der alten Monarie, die Kon- ftitutionellen unter Louis Philippe, und selbs unter der Restauration diese Prätention den Mitgliedern der Geistlichkeit ein Amt in dem Unterricht durch den einzigen Anspruch ihres Pricsterkleides zu gewähren, aufgenommen haben würden. A e Das Schicksal des Gesetzes in der Kammer is nicht zweifel- haft, es wird eine starke Majorität haben. Nur zwei Umstände find dabei ungünstig, die augenblickliche Zusammenseßung der Bureaus des Senats, und ein Artikel des „Journ. des Debats”, welcher sagt, daß cinige Mitglieder der Linken fehlen würden. Versailles, 1. Juni. (W. T. B.) Die Deputirten- kammer hat heute die Wahl des Prinzen Jerome Na- poleon für gültig erklärt und sodann die Berathung des Gesezentwurfs, betreffend die Ertheilung der akademi- \hen Grade, begonnen. | Spanien. (W. T. B.) Der „Times“ wird aus Cadix 9vom 1. d. gemeldet, daß die spanische Flotte mit Ausnahme der in den biscayishen Gewässern und in Cuba befindlihen Schiffe, Ordre empfangen habe, sich der englischen Mittelmeer- flotte anzuschließen. : Ftalien. Rom, 29. Mai. Geftern kam in der Deputirten - kammer der Bericht über den die Organisation der Kom- munal- und Territorialmiliz betreffenden Gesegentwurf zur Vertheilung. Er empfiehlt die Annahme der Vorlage in der vom Senate gegebenen Form, jedoch ohne die beiden Verbesse- rungsanträge, wonach die Miliz auch in Friedenszeiten für kurze Zeit zu Uebungen unter die Waffen berufen werden könnte, und in diesem Falle alle Entschädigungsansprüche dem Kriegs- Ministerium zur Laft fallen würden. : Der Großfürst Constantin von Rußland ift von hier nah Oberitalien weiter gereift, j . : Heute wird das Siegesdenkmal bei Legnano ein» geweiht. Alle flerikalen Zeitungen bringen heute Beiträge in Prosa und Versen über die des Kaisers E, ormittag der ¿ängst angetundigie S LilLOns Ser Siadt von Legnano statt. Im Namen der versammelten Vertreter der ftatholishen Vereine wurde dem Papste eine Ergebenheitsadresse verlesen und 60,000 £ als Peters- nig zu Füßen gelegt. j as t 2 h (W. 2: D) Der Patriar ch Hassun be- gab sih gestern Abend nah dem Vatikan, um dem Papste die Thronbesteigung des Sultans Murad anzuzeigen. Dieselbe wird, wie die „Italienischen Nachrichten“ wissen wollen, als der Kirche günstig aufgefaßt und würden die Bischöfe in der Türkei wahr- \heinlih dahin gehende Instruktionen erhalten, dem neuen Sultan ihre Unterstügung nicht zu versagen. O N A Neapel, 1. Juni. (W. T. B.) Wie die hiesigen Jour- nale melden, i Befehl zur Ausrüstung dev Fregatten Terribile“ und „Carridd e“ eingetro}sen. Admiral Martini übernimmt den Oberbefehl über das in Tarent befindliche Panzergeschwader. Leßteres ist angewiesen, sich zur Abfahrt nah dem Orient bereit zu halten. Türkei. Konstantinopel, 1. Juni. (V D D) Heute wurde bei der Hohen Pforte ein Kaiserliches Reskript verlesen, worin die Beibehaltung des gegenwärtigen Kabinets ausgesprochen und angekündigt wird, daß der Sultan zu Gun- sten des Staates 60,000. Beutel aus der Civilliste und sämmt- lihe aus den Privatgütern der Krone fließende Einnahmen überläßt. Es wird ferner die Herstellung des Gleichgewichts des Budgets und die sofortige Einführung von Verbesserungen bei der Finanzverwaltung und dem öffentlihen Unt-crrichte, sowie die Reorganisirung des Staatsraths und des Justiz-Ministeriums anempfohlen. Die Minister werden angemiesen, diejenige Regie- rungsform ausfindig zu machen, welhe den Junteressen aller Reichsangehörigen ohne Unterschied am besten zu entsprehen vermöge, damit einem Jeden volle Freiheit gesichert werde. Meiter wird der Wuns ausgesprochen, daß die zwischen dem Kaiserreich und allen fremden Mächten bestehenden Freundschafts- bande sich immer mehr befestigen möchten. Am Schluß des Reskripts wird proklamirt, daß der Kaiser den Thron befteige durch Gottes Gnade und durch den Willen des Volkes. 2, Juni. In Verfolg des pn bei A Fe verlesenen Kaiserlihen Reskripts ergeht regierungs|eitig Jo.genDe A Mittheilung: „Se. Majestät der Sultan Murad Khan hat, als er den Thron seiner erlauhten Vorfahren bestieg, eine neue Aera der Wohlfahrt für die Völker inaugurirt, welche die Vorsehung unter den Schuß eines Scepters geftellt hat. Unser erhabener Herr hat zunächst den Wunsch bezeugt, eine Politik des Friedens und der Eintracht zu verfolgen und mit den seinem Reih befreundeten Mächten die herzlichsten Beziehungen zu unterhalten. Dur den an den Großvezir gerichteten Kaiserlichen Hatt, welcher heute feierlih bei der Hohen Pforte verlesen wurde, bestätigt Se. Majestät alle von seinen Vorgängern ertheilten Privilegien und Immunitäten. Der Sultan befiehlt, daß die Freiheit Aller gesichert sei, daß eine ftrenge Kontrole für die Finanzen eingeführt werde, welche ein vollständiges Vertrauen einflößt, daß der Staatsrath, das

zur Feier des Sieges der päpstlihen Waffen

Im Vatikan fand heute Empfang zur Feier des

Zweige der Verwaltung dergestalt reorganisirt werden, daß allen Erforderr issen Genüge geleistet und die weitesten Garantien ge- boten werden, daß eine namhafte Reduktion der Civilliste um 60,000 Beutel bewerkstelligt werde, daß alle Bergwerke, Fabriken und andere Besizungen der Krondomänen fortan direkt unter das Finanz-Ministerium gestellt werden, daß endlich die Verwaltung des Reichs gegründet werde auf Grundlagen, welche reiflicher Prüfung unterworfen werden müssen und den wahren Bedürfnissen des Landes entsprechen, sowie im Einklang mit den liberalen Ideen des Zeitalters stehen follen. E (W. T. B.) Der Minister des Auswärti- gen hat an Vertreter der Pforte im Auslande folgendes Telegramm gerichtet : „Nachdem über das Schicksal des ab- geseßten Monarchen böswillige Gerüchte verbreitet worden sind, beeile ih mi, dieselben auf das Formellste zu dementiren und Ihnen gleichzeitig den Thatbestand mitzutheilen. Seine Majestät der Sultan Murad Khan hat unmittelbar nah seiner Proklamirung aus seiner eigenen Initiative den Befehl ertheilt, daß sein Onkel mit den seiner Person huldigen Rüsihten nnd Ehrenbezeugungen umgeben werden solle. Er- hat ihm zu seiner Residenz einen Paviilon angewiesen, der zu dem am Bosporus gelegenen Kaiserlichen Palais Tscheragan gehört. Abdul: Aziz Khan hat aus freiem Antriebe an Se. Majefiät einen eigenhändigen Brief gerichtet, in welchem er die Thronbesteigung Sultan Murads anerkennt und gleich- zeitig erklärt, daz er auf den Thron verzichte und, der Ruhe bedürftig, in der Zurückgezogenheit zu leben wünsche.“ In &Lonsftantinopel ist die Nachricht von dem Regierun gê2s wechsel mit entschiedener allseitiger Genugthuung aufgenommen orden. Ueber den Eindruck, den derselbe auf die Insurgenten gema§t hat, verlautet noh nichts Näheres. Ihre Haltung wird lediglih durh die Haltung Serbiens und Montenegros bedingt werden. Gelingt es, diese Länder von der Aktion zu- rüczuhalten, so dürste auch der Aufstand, sei es mit MWaffen- gewalt, sei es dur Gewährung von Reformen, zum Ende gebracht werden. Das Auftreten Serbiens if nah Zeitungsmeldungen ein entschieden drohendes und soll die \erbishe Armee in aerdStärke von 100,000 Mann, 10,000 Pferden und 300 Kanonen voll- ständig gerüstet und bereit sein, spätestens am 25. Juni die Drina zu überschreiten. Desgleichen sind die Streitkräfte Mon- tenegros den an d f dil aufgestellten türkishen Trup- en der Zahl nach gewachz|en. : Die Q 0E beabsichtigt die Aufftellung von noch 100,000 Mann (theils Konskribirte, theils Redifs 2. Klasse). Die Mi- riditen (katholische E anes fich jedoch zum Theil ge- igert, dem Aufruf Folge zu leiten. A Das A 8 Mai M osinens offizielle serbische Blatt „Srbske Novini“ enthält einen Aufruf des Stadtraths von Belgrad an die Einwohnerschaft zur Betheiligung an der Natio nal-Anleihe. In demselben heißt es, die serbische Nation müsse befreit werden und geeinigt wie Eine Nation dastehen, so wie sie es un- ter den Nemanjitschen (Kaiserhaus der Serben) gewesen ; widrigen- falls könne Serbien vertrocknen und eingehen, wie es einem vom Organizmus getrennten Gliede zu geschehen pflege. Um einen solhen Selbstmord an sich und ‘der gesammten Nation nicht becehen zu müssen, habe Serbien eine folche Stellung dem Aufstande gegenüber einnehmen müßen, welche seinen Interessen, Gefühlen, Rechten und Pflichten entsprehe. Der Aufruf schließt mit den Worten: „Ihr müßt die Regierung auf diesem Wege mit Gut und Blut unterstüßen.“ i : In derselben Nummer des Amtsblattes wird angezeigt, daß Serbien der Genfer Konvention beigetreten if.

_— Ueber das Vorgehen der Türken in Bulgarien, wel- hes die Unterdrückung des Aufstandes zur Folge hatte, wird der „Köln. Ztg.“ aus Konstantinopel unter dem 25. Mai geschrieben: Das türkische Armee-Corps, welches aus Sophia aufgebrochen ist, um den bulgarishen Aufstand vom Rücken her zu fassen, und auf der Heerstraße Îîes Balkanpasses vordrang, war am 14. Mai unter Anführung von Hassan Pascha beim Gebirgs- thore von Kapudjik ancelangt. Dort hatten die Auffstän- dischen die Ruinen der Bfestigungen an der Nordseite beseßt. Diese Stellung wurd erstürmt und die Bulgaren zogen sich nah Kafuke, 11/4 Stunden weiter und 31/2 Stunden vor Ischtiman glegen, zurü. Dort vereinigten sich die Einwohner von 15 Dirfern, gegen welche die Türken in drei Kolonnen vorrückten. Abbald war au diese Stellung erobert und mehr als 200 Leichnane der Bulgaren lagen umher. In der Naht bivouakirten üe Türken bei Tscherva, dessen Be- wohner mit Frauen und kindern erschienen, um sich zu unter- werfen. Am 15. wurde der Vormarsch fortgeseßt. Weder in Tscherva noch in Vitri: fand man den geringsten Wider- stand beim Durchmarsch. Die Bulgaren kamen sogar, um die Waffen und Kano1en der Türken zu küssen, wie der offizielle Bericht mittheilt. Tags darauf, am 16., hielt Hassan Pascha seinen feierlichen éinzug in Tatar - Bazards\chik, wo er fich mit dem Corps von Philippopel vereinigte. Am 17. Mai wollte derselbe egen Bratschkova und Avrat-alan vor- rücken. Ein Bericht Hassn Bey's besagt, daß er vor dem leßten Punkte stehe, wo sich 15)00 Aufständische befänden, welche sh zur Unterwerfung anschiden. Einem Pri- ster, der als : Unter- händler erschien, stellte de Bey die Forderung, daß die Mitglieder des Revolutionsaus\{chuf}s und die Ortsvorfteher aus verschie- denen Dörfern, die bei ilten wären, ausgeliefert werden sollten. Hierauf erhielt er die Anwort, daß die serbishen Aus\{hußmit- glieder, welhe von Otlikkeui nah Avrat-alan gekommen seien, die Flut erguiffen hätm. Der Bey naßm die Ausrede nicht an, da der Ort umzinelt wäre. Hierauf kehrte der Priester zurück, und bald nahlr erschienen 12 dcr Einwohner und stellten sich als Geiseln für die demnächstige Ausführung der Bedingungen, worunter auch die ist, “daß alle Einwohner ihre Waffen auszuliefern hen. Der Aufstand im Norden des Balfans bei Ternova feint ebenfalls bewältigt zu sein. Das Kloster, worin sich ein Zeil verbarrifadirt hatte, ift genommen worden, wobl einige Hndert der Aufrührer gefangen wurden.

Nah ferneren ‘ahrichten aus Mesopotamien über Constantinopel, 25. M: (cfr. Reichs-Anzeiger vom 19, Mai) scheint die dortige Pestpidemie in langsamer Abnahme be- griffen zu sein, sich jedo) ostwärts nah den südlihen Provinzen Persiens hin verbreite: zu haben. In Hille waren vom 13. bis 19, Mai 68 Erkratungen und 111 Todesfälle, in Bag» dad vom 14. bis 20. Nai 457 Erkrankungen und 234 Todes- fälle gemeldet. Die Ernison ist hierbei mit 2 Erkrankungen und 2 Todesfällen beeiligt. Im Gefängniß starben in Nedjef vom 12. bis 15. Mai, in Imam Musa vom 12. bis 16. Mai

nen. : E Ee türkische Kosul aus Odessa theilt mit, der dortige Gouverneur habe ang!rdnet, daß alle Provenienzen aus Trape- zunt in den russisherHäfen des Schwarzen Meeres einer Qua- rantaine von 14 Tag! unterworfen sein sollen, falls sie nit

Ministerium der Justiz, des Unterrichts und alle anderen

ein Visa des russische Konsuls in Trap:zunt ausweisea können,

Amerika. New-York, 30. Mai. Nah hier eigetroffenen Nachrihten von den Schwarzen Bergen haben die In- dianer Custer City angegriffen und das militärische Magazin in Brand gesteckt. Eine Explosion, die in Folge dessen in dem Gebäude stattfand, demolirte mehrere Häuser. Wie verlautet, sind viele Bergleute in der Nachbarschaft getödtet und \falpirt worden. Die Bundestruppen rüccken in der Richtung der Schwarzen Hügel vor. ;

Nah Kabeldepeshen aus Washington vom gestrigen Tage beschloß der Senat mit 37 gegen 29 Stimmen, daß Mr. Belknap, troßdem er seinen Posten als Kriegssekretär nieder- legte, unter seine Jurisdiktion komme und daß das gegen ihn eingeleitete Anklageverfahren fortgeseßt werden soll. Unterdeß ift eine neue Untersuhung über eine Anklage w?gen Bestech- lihkeit im Gange, diz, telegraphishen Berichten zufolge, fast eben so große Aufregung hervorgerufen hat, wie die Enthüllungen, die den fcüheren Kriegs-Minister Belknap bloßfstellten. Der Angeklagte ist Herr Kerr, der Sprecher des Repräsentantenhauses. Viele republikanishe Blätter bezeihnen jedo die Anschuldigung als eine ganz unwahrsceinlihe Fiktion und was bisher von dem Charakter des Hrn. Kerr bekannt war, spricht dafür, daß man es mit einer solhen zu thun habe.

Hr. Pierrepont, der neu ernannte Gesandte der Ver- einigten Staaten am Hofe von St. James, wird s\ch am 22, Juni auf seinen Posten begeben.

T In ŒW. D. B) Die Staats\chuld der Vereinigten Staaten hat sich im Monat Mai d. Jl um 461,700 Dollars vermindert. Im Staats\schaze befanden fich Ende Mai 66,624,000 Dollars in Gold und 9,285,000 Dollars in Papier.

Afrika. Marocco. Tanger, 20. Mai. Der Sultan von Marocco, welcher bisher noch niemals das Innere des Landes verlassen hatte, hat in diesen Tagen zum ersten Male die Küstenstädte seines Reiches besucht und auf seiner Reise namentlich Casablanca und Mazagan berührt. Der Sultan hat bei dieser Gelegenheit aus eigenem Antriebe sich mit den Europäern und dem fremden Konsular-Corps in Verbindung geseßzt und man knüpft an diese Reise die Hoffnung auf mannigfahe Reformen und Verbesserungen.

Landtags- Angelegenheiten.

Das Haus der Abgeordneten hat bei seiner Vertagung von größeren Geseßen allein die Wegeordnung und das Geseß über die Provinz Berlin nicht in zweiter Lejurg 1m Haufe, sondern nur in den betreffenden Kommissionen durchverathen. Bon den er- ledigten Geseßen nehmen die erste Stelle diejenigen Geseße ein, welche zum Abschlusse der durh die Kreisordnung und die Pcovinzialordnung unternommenen Verwaltungsorganisation erforder lich find: das Kompetenzgeseß und die Städteordnung. Daran iließen sich das Geseß über die Vorbildung zum höheren Verwal- tungsdienst, das Geseß über die Geschäftssprahe der Behörden, das Ansiedlungêgesez. Eine andere Gruppe von Gesetzen betrifft das firhlihe Gebiet; zu ihnen gehört vor allen das Geseß über die Verfassung der evangelischen Landeskirche, sodann das Geseß, be- treffend die Staatsaufsicht über das katholishe Diözesanvermögen und das Geseß üver den Austritt aus der Synagogengemeinde. An das Gesetz, betreffend die Uebertragung des Eig-:nthums der preu- ßischen Eisenbahnen auf das Reich, reihen sih vier weitere Gesetze, betreffend dea Ankauf der Halle-Casseler, die Uebernahme der Ver- waltung der Halle-Sorau-Gubener Eisenbahn, sowie die Bewilligun- gen für Bebra-Friedland und Itehoe-Heide. Außerdem find zu er- wähnen das Hausirgeseß, das Geseß über die Einverleibung Lauen- burgs. Zu alledem tritt als das bedeutendste Arbeitsobjekt die Durch- berathung des Etats,

Statistische Nachrichten.

Nach Mitihcilung des statistischen Bureaus der Stadt Berlin find bei den hiesigen Standevsämtern tin der Woche vom 91. Mai bis incl. 27, Mai cr. zur Anmeldung gekommen: 213 Ehe- ihließungen, 748 Lebendgeborene, 23 Todtgeborene, 509 Sterbefälle.

Nach amtlichen Zusammenstellungen gab es im Sommer- bhalbjahr 1875 im preußischen Staate 228 Gymnasien, von denen 25 auf die Provinz Preußen, 28 auf Brandenburg, 1 auf Pommern, 13 auf Posen, §5 auf Schlesi,n, 24 auf Sachsen, 10 auf S&les8wig-Holstein, 18 auf Hannover, 20 auf Westfalen, 12 auf Hessen-Nassau, 25 auf die Rheinprovinz und 1 auf Hohenzollern fommen. An diesen Gymnasien untecrichteten 2505 Direktoren, Obver- und ordentliche Lehrer, 272 wissenschaftliche Hülfslehrer, 410 teh- nische Lehrer, 140 Ortsgeistlie, welhe den Religionsunterricht ertheilten, und 181 Probekandidaten. Die Zl, bér _ Les rer an den mit den Gywngsien verbundenen Vorschulen be- trug 249. Die Gesammtfrequenz auf den Gymnafi:n belief sich auf 66,029 Schüler. Diese Vorshule war von 9719 Schülern besucht. Der Konfession na waren die Schüler auf den Gymnasien 45,114 evangeli), 14,651 fatholisch, 11 Dissidenten und 6253 jüdisch, in den Vorschulen 7736 evangelisch, 3958 katholisch und 1125 jüdisch. Der Heimath nach theilten sich die Schüler der Gymnasien in In- länder, von denen 39,660 aus dem Schulort selbst, 25,225 von aus- wärts waren und in 1141 Ausländer; in dec Vorschule betrugen diese Zahlen 8702, 927 und 90. Der Gesammtabgang von den Gym- nasien betrug 7090; 1348 Schüler erhielten das Miaturitätszeugniß. Non den Vorschulen gingen 1855 Schüler ab. Im Vergleich mit dem vorhergehenden Semester zeigt das Sommerbalbjahr 1875 eine Zunahme von 919 Schülern, welche das Gymnastum und 647 Saülern, welche die Vorschulen besuchten. An Pro- gymnasien besißt der preußishe Staat 99., An ded- selben unterrichten 163 Reftoren und ordentlihe Lehrer, 33 wissenschaftliche Hülfslehrer, 33 technische Lehrer, 29 L rt8geistliche, welche den Religionsuntecricht ertheilten; an den Vorschulen unter- rictcten 11 Lehrer. Die Gisaumtfrequenz belief si in den Pro- gymnasien auf 3511, in den Vo:schulen auf 408 Schüler. Die Pro- gymnasien wurden von 1600 evangel:\chen, 1524 katholischen und 387 jüdischen Schülern, die Vorshulen von 247 evangelischen, 77 fatholi- schen und 84 jüdischen Schülern besuht. Ver Hèimath nach theilten diese Schüler auf den Progymnasien fich in Inländer, von denen 9107 aus dem Schulort und 1363 von auswärts waren, und in 41 Auz:länder, Der Gesammt - Abgang belief si auf 407 Schüler in den Progymnafien und 102 Schüler in den Vorschulen. Im Vergleich zum vorhergehenden Semester zeigt das Sommerhalbjahr 1875 eine Zunahme von 28 Schülern auf den Progymnasien und 1 Schüler in der Vorschule. Realschulen 1 Ordnung besißt der preußishe Staat 80, von denen 9 auf Preußen, 12 auf Brandenburg, 4 auf Pommern, 4 auf Posen, 9 auf Schlesien, 6 auf Sachsen, 2 auf Schleêwg-Holstein, 10 auf Han- nover, 9 auf Wesifalen, 3 auf Hessen-Nassau und 12 auf die Ryhein- provinz kommen. An denselben unterrichteten 917 Direktoren, Over- und ordentliche Lehrer, 102 wissenshaftlihe Hülfs- lehrer, 159 technische Lehrer, 53 Ortsgeistliche, welche den Religions- unterricht ertheilten und 59 Probekandidaten; an den Vorshulen_un- terrih:cten 114 Lehrer. Die Gesammtfreq «enz der Realfchulen I. O1d° nung betcug 26,959, vo1 denen 1459 auf Pcima, 40672 auf Secunda, 71599 auf Lertia, 5032 auf Quarta, 4796 auf

Quinta und 4437 guf Sexta koinmen; die Vor]ulen wurden von