1876 / 130 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 03 Jun 1876 18:00:01 GMT) scan diff

%

Evangelishe Ober-Kixchenrath hat auf diesen Beschluß folgenden Bescheid erlassen: „Was den gewählten Publikations- modus, Bekanntmachung an die Gemeindevertretung, bezw. in Gemeinden, ohne solche an cine berufene Gemeindeversammlung, anlangt, \o erkennen wir an, daß” derselbe nach der Seite der Staatsgesezgebung zu keinem Bedenken Anlaß giebt. Eine andere Frage is es, ob diese nament- lihe Bekaantmahung eines Disziplinirten vom fkirh-

lien Standpunkte aus zu billigen ift. Diese Frage können |

wir faum hinfihtlih derjenigen Fälle, in denen die Ent- zichung des passiven und aktiven Wahtrehts als Zuchtmittel angewendet is, bejahen; indessen besteht immerhin ein selbst- verständlihes Interesse der Gemeinde daran, diejenigen Mit» glieder, welche vom Wahlrecht ausges{lofsen find, zu kennen, und wir würden daher einen in diesen Grenzen \sich bewegenden Beshluß niht beanstanden. Was dagegen die Uuss\hließung von der Pathenschaft, noGH mehr die vom heiligen Abendmahl anlangt, so stellt \sih die öffentlihe Bekanntmachung dieser Akte mit Namensnennung nur als eine Strafershwerung der empfind- lihsten Beschaffenheit dar. Da wir nit billigen können, daß jede Uebung der Disziplin in dieser Weise ges{ärft wird, so sehen wir uns außer Stande, den hierauf gerichteten Beschluß zu bestätigen.“

Gegen den Inhalt einer öffentlihen Urkunde und über dessen Gegentheil kann sowohl nah preußischem als auch na franzöfishem Rechte im Prozesse vom Verklagten der Eid angetragen werden. Erkenntniß des Ober-Tribunals 1V. Senats vom 6. April 1876.

Der zum Kaiserkihen General-Konsul für Rumänien ernannte Legations-Rath von Alvensleben if in Bukareft eingetroffen und hat die Geschäfte übernommen.

Der General-Feldmarschall Herwarth- von Bitten- feld ist nah Bonn zurückgekehrt.

Der General dec Infanterie von Sto\ch, à la suite des See- Bataillons und Chef der Kaiserlihen Admiralität und Staats-Minister, hat sich mit Urlaub nah Destrich am Rhein begeben.

Der General - Lieuténant und Remonte - Inspecteur von Rauch is von seiner Dienfstreise zur Musterung der Remonten in den Depots, hierher zurückgekehrt.

Die 4,75 Kilometer lange Theilftree Niederselters- Camberg der Hessishen Ludwigs-Eisenbahn ift am 15. Mai d. I. dem Betriebe für Personen- und Güterverkehr übergeben worden.

Lauenburg. Ratzeburg, 2. Juni. In der heutigen Sizung nahm der Landtag den Gesezentwurf wegen Einver- leibung des Herzogthums Lauenburg in die preußische Monarchie einstimmig an. E

Bayern. München, 1. Iuni. Der König hat von Schloß Berg aus den Minister v. Pfeufer an seinem ge- ftrigen Doppeljubelfeste durch nachftehendes Telegramm ausge- zeihne!: „Jh nehme an dem Fest Ihrer silbernen Hochzeit, zu welhem si die Feier der Vollendung von 25 Jahren verdienst- reichen amtlichen Wirkens gesellt, aufrihtigen Antheil und ver- binde mit dem wärmsten Glücks- und Segenswunsche für Ihr und der Ihrigen Wohl die Versicherung Meines vollsten Ver- trauens. Ludwig.“

In der heutigen Sißung der Abgeordnetenkammer wurde der Etat der Bank mit einer Steuereinnahme von 350,000 6 für jedes Jahr der 13. Finanzperiode eingeseßt und der Etat des Finanz-Ministeriums nach den Aus\{hußbes{chlüssen genehuigt, die beantragte Zulage-Erhöhung für die Kanzlisten beim Ministerium und bei den Kreis-Finanzkammern jedoch mit 63 gegen 60 Stimmen abgelehnt.

In der VI. Abtheilung der Kammer der Abgeordneten wurde gestern der vom Abgeordneten Schels verfaßte Bericht über die beanstandeten Sulzbacher Wahlen berathen und genehmigt.

Württemberg. Stuttgart, 31. Mai. Die Abge - ordnetenkammer bewilligte heute 50,000 M als weiteren Staatsbeitrag zu den Kosten der Erbauung einer zweiten katholischen Kirche in Stuttgart. Die Kommisßon hatte nur die Bewilligung von 34,000 4 beantragt, wêlhe das Finanz-Ministerium zur Verfügung Yestellt hatte.

Baden. Karlsruhe, 2 Juni. W.. S. B) Die Zweite Kammer ging in ihrer heutigen Sihung über den Antrag der Ultramontanen auf Einführung direkter Land- tagswahlen und Aufhebung des Unterschiedes zwischen Stadt und Land zur Tagesordnung über. Der TJInitiativantrag von Lamey auf Aenderung der Wahlordnung wurde angenommen. Die Kammer vertagte sich bis zum 12. d, M.

MeckElenburg. Neu-Streliß, 2. Iuni. Gestern ift die Her zogin Karoline zu Mecklenburg nah längerer Krank- heit im 56. Lebensjahre verstorben. Dieselbe, eine Tochter des 1860 verstorbenen Großherzogs Georg und der Großherzogin Marie, war am 10. Januar 1821 geboren; fe wurde am 10. Januar 1841 dem damaligen Kronprinzen, nachherigen Könige Friedrich VII, von Däneniark vermählt. Nach ihrer am 30. September 1846 erfolgten Scheidung von demselben lebte sie meistens in Neu-Strelig.

Sachsen - Coburg - Gotha. Gotha, 2. Juni, Der Landtag hiefigen Herzogthums ift heute vertagt worden, nah- dem er zur Verlegung und Tieferlegung der Chaussee zwischen Bahnhof und Stadt Friedrihroda 24,000 #4 aus der Staats- kafe bewilligt, die Verwendung von 63,800 4 aus Domänen- mitteln zum Bau eines Restaurationsgebäudes auf dem Fried- rihrodaer Bahnhof aber zur Zeit abgelehnt hatte. !

Oesterreich-Ungarn. Wien, 1. Juni, Der Kaiser hat fch gestern von Pest ins Lager nach P.-Csaba begeben.

2. Juni. (W.T. N Wie die „Presse“ meldet, nehmen die Verhandlungen des itallenishen Deputirten Correnti mit dem Bankhause Rothschild wegen Abänderung der Baseler Konvention ihren fortgeseßten Verlauf, unbegründet \ei aber, daß es bereits zu einem Abs{chlu}sse gekommen sei und daß das Bankhaus Rothschild Zugeftändnisse gemacht habe.

83. Juni. (W. T. B.) Wie hiefigen Zeitungen tele- graphisch gemeldet wird, ist der frühere österreihische Bot- schafter in Paris, Graf Apponyi, in Venedig gestorben.

Pest, 1. Juni. Der Reichstag dürfte bis gegen Mitte Juni beisammen bleiben und dann drei Monate lang feiern.

Im Unterhause legte heute Pehy den Gesehentwurf, betreffend den Ausbau der Hermannfstadt-Tömöser Grenzbahn vor. Das Haus nahm die Arrondirungsvorlage als Grundlage der Spezialdebatte an,

=— 2, Juni. (W. T. B) Die Delegationen haben bezüglih sämmtliher Vorlagen eine Uebereinstimmung erzielt. In der Sitzung der öfterreichishen Delegationen \prach Graf Andrassy den aufrihtigen Dank und die Anerkennung des Kaisers für den patriotishen Eifer und die Opferwilligkeit aus, welche die Delegation während der Sesfion bewiesen habe. Zugleich dankte der Minister auch im Namen des gesammten Ministeriums, worauf Rehbauer die Schlußrede hielt und die Session ge\ chlossen wurde.

R reu L L R I e I L R E TE

Schweiz. Bern, 31. Mai. Die wiederzocuenuStörungen bei altfkatholischen Begräbnißfeierlihkeiten haben zu folgender Verordnung des Regierungsrathes geführt:

Art. 1. Die kirchlihe Feier des Vegräbnisses in den katholischen Gemeinden des Kantons bleibt in dem Sinne den Hinterlafsenen des Verstorbenen überlassen, daß es deuselben freifteht, gottesdienstliche Feierlichkeiten nah den Gebräuchen und durch Geistliche der betreffen- den Konfessionen oder Religionsgenossenschaften zu erhalten. Ausge- {lossen hiervon und untersagt ist die Begleitung öffentliher Be- gräbnißprozessionen durch Geistliche in Amtstracht und in Ausübung firhliher Ceremonien. :

Art. 2. Der Gebrauch der öffentlichen Kirchengleocken während des Begräbnisses ist da, wo derjelbe gewünscht und örtliche Uebung ift, den Angehörigen aller Konfesfionen und Religionsgenofsenschaften ebenfalls zu gestatten. :

Ait, 3. Die Ortspolizei hat für Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung bei den genannten Feierlichkeiten zu wachen und namentlich zur Verhütung von Störungen dafür zu wis daß nicht Beerdigungen von Gliedern verschiedener Konfessionen und Religions- genossenschaften zur nämlichen Zeit stattfinden. j

Art. 4. Widerhandlungen gegen Vorschriften dieser Verordnung von Seiten der Geistlichen, Gemeindebehörden oder Gemeinde- bediensteten werden, sofern nicht ein shweres Vergehen vorliegt, mit Geldbuße bis zu Fr. 200 bestraft, Im Rückfall ist die früher aus- gesprochene Buße angemessen zu erhöhen. 7 è

Ars. Diese Verordnung tritt provisorisch sofort in Kraft.

Großbritannien und Jrland. London, 1. Juni. Das Parlament hat Ferien. Die Blätter \prehen fich über die orientalishen Angelegenheiten sehr zurückhaltend und vorsichtig aus, indessen hoffen fie meist auf eine Wendung zum Besseren. 4

In der Abendsißung des Unterhauses vom 31. Mai bildete die Wahlreform den Hauptgegenstand der Erörterung. Die „E. C. meldet darüber: 1

Bekanntlich kam die Reformakte von 1868 nur den städtischen Bezirken zu Gute. Seitdem haben die Fortschritiémänner auf dem linken Flügel der liberalen Partei sfich von Jahr zu Jahr mit ge- ringerem Erfolge bemüht, das Untcrhaus und das Land für den Vor- schlag zu begeiftern, daß auch den ländlichen Bezirken die Ermäßigung der Bedingungen zur Ausübung des Wahlrechts zugestanden werde. Die Führer der Ministerieklen, wie der Opposition hatten in leßter Zeit eingewandt, ein solcher Vorschlag sei unvollständig, wenn man ihn nicht mit einem Plane zur Neueintheilung der Wahlbezirke ergänze. Dem entsprechend trat nunmehr Hr. Trevelyan, der®begabte Wortführer der Fortschrittsmänner, der jüngst ers als Biograph seines Oheims Macaulay verdiente Anerkennung auf anderem Gebiete geerntet hat, mit zwei Resolutionen hervor: Die erste erklärt Gleich- stellung der Wahlberechtigung in städtischen und ländlichen Bezirken, die zweite Neueinthzilung der Wahlbezirke für wünschenswerth. Es ist bemerkenswerth, daß Hr. Trevelyan feine halbftündige Rede über den Gegenstand vor einem aus etwa 16 Mitgliedern beftehenden Hause hielt. Yuf der ministericllen Seite saßen 4 Perjonen. Auf der ersten Bank der Opposition erschienen die ehemaligen liberalen Minister Bright, Lowe und Forster. Die Reden, welche im Laufe der Erörterung für und gegen die Resolutionen gehalten wurden, zeugten nit minder von der in Sachen der Wakblreform herrschenden lethargisch ruhigen Stimmung, als die geringe Theilnahme an der Debatte, Außerdem trat auch recht augenfällig der Mangel an Eim gkeit in den "Reihèn der Libexalen zu Tage. Nachdem Hr. Trevelyan die bekannten Argumente, zu Gunsten seiner Vorschläge vorgebracht, sekundirte ihm Profcssor Fawcett. Von der ministeriellen Seite erklärte darauf Hr. Dalrymple die Nothwendigkeit einer Veränderung in den heutigen Verhältnissen für nihcht erwiesen und. Sir Charles Dilke, der bekannte radikale Baronet, sowie Hr. Burt, der eine von den beiden als Klafsenvertreter in das Unterhaus gesandten Arbeitern, äußerten sih ¿zu Gunsten der Resolutionen. Sir Walter Barttelot war der nächste Gegner, der von der ministeriellen Seite den Resolutionen erstand. Wirkliches Interesse erlangte die Debatte erft, als dieser Redner geendet hatte, und Hr. Lowe von der crst:n Oppositionsbank aus, wie in den bewegten Zeiten vor etwa 9 Jahreu, vor Ausdehnung der Wahlbere{tigung warnte, weil der Charakter und die Tüchtigkeit der Geseßgebung darunter leiden müssen. Wie in jenen Tagen erbob sih auch jeßt Hr. John Bright, um die Argumente zu entkräften, welche nah feiner Erklärung aus der Periode vor dem Jahre 1832 hberrühr!en. Er deutete auf die Erfahrungen, welche man mit der Reformakte von 1868 gemacht, als ebenfo viele Beweise dafür, daß die Befürchtungen seiner weiland Kollegen in der Administration Gladfione grundlcs seien, drückte dem heutigen Premier seine Anerkennung aus, weil er die leßte Re- formakte durchgescßt und bat ihn, auch den weiteren Schritt zu thun und die ländliche Bevölkerung derselben Wohlthat theilhaftig zu mache. Eine besondere Resolution über Neueintheilung der Wahl- fige hielt der Redner für unerfvünsht, weil er diesclbhe als eine natürliche Folge der Erweiterung des Wahlrechts als überflüssig erachtete. Der Premier verweilte mit Nachdruck in seiner Entgegnung auf dem Mangel an Uebereinstimmung auf Seiten der Gegner, und bediente sich auch hinfihtlich der Argumente Trevelyans für die beiden Resolutionen praktischer Einwände: Er ver- misse wirklihe Pläne über die Art und Weise, wie man die vorgeschlagenen groß:zn Veränderungen durchführen könne, seßte er im Wesentlichen auseinander. Schließlih nahm Hr. Trevelyan noch zu einem scharfen oi auf Lowe das Wort und zog darauf die zweite Resolution ein. Die erfte, welhe auch den Hauptftoff zur Er- örtecung geliefert hatte, fam sodann zur Abstimmung und wurde mit 165 gegen 264 Stimmen a Buer ¿BRE,

_— Aus Zanzibar wird gemeldet, daß das an der Oftküfte Afrikas zur Unterdrückung des Sklavenhandels ftationirte britische Krieg \chi} „London“ ein sharfes Rencontre mit einem Sfklaven- \chiffe hatte. Die arabishe Mannschaft feuerte auf das Boot, welches das Sklavenschiff kaperte, doch wurde keiner der britischen Matrosen getödtet oder verwundet, Durch die Wegnahme des Schisses erhielten 300 Sklaven ihre Freiheit. Die arabische Mannschaft wurde in Zanzibar eingekerkert.

__ Frankreich. Paris, 1. Juni. Das amtlihe Blatt pu- blizirt heut wiederum die Ernennung von 2 Maires und 3 Adjunkten. Außerdem bringt dasselbe das Dekret vom 18. März 1873, welches die Waffen- und Kriegsmuni- tion-Ausfuhr nah Spanien verbietet, wieder in Erinnerung.

Die franzöfishe Regierung hat heute die offizielle Anzeige von der Thronbesteigung des Sultans Murad erhalten. Sadik Pascha wird, wie der „Köln. Ztg.“ geschrieben wird, am Sonnabend bereits seine Beglaubigungs\chreiben dem Präsidenten der Republik überreihen. Was die orien- talishe Angelegenheit selbs betrifft, so sagt der „Moniteur*, das franzöôsishe Kabinet sei darin mit den Großmächten im Einverständnisse, daß keine Schwierigkeiten gegen die Folgen der Ereignisse in Konftantinopel zu deb seien. Durch die Be- gebenheiten selbft sei die türkishe Regierung augenblicklich gün- ftiger gestellt, um die Lage \{hägen und die Schwierigkeiten der-

selben lösen zu können. Die neue Regierung würde die eifrige Unterftüßung Frankreihs finden, wenn fie ihren Antritt durch freiwillige Erklärungen und Verpflichtungen bezeihnen wollte, die den Wünschen Europas entgegenkommen und den Aufstand entwaffnen würden. Der „Moniteur* erklärt außerdem, man nehme in den Regierungsékreisen an, daß die friedlihe Revolution in Konstantinopel fern davon, den Unterhandlungen für die Er= haltung des Friedens zu haden, im Gegentheil dazu verhelfere werde, dieselben \{hneller zum Ziele zu führen.

Die klerikalen Blätter seßen ihre Angriffe gegen den Gesetzentwurf des Herrn Waddington fort. Das Inter=- esse für und wider das Geseg if in allen Kreisen rege ge= worden. Das Geschick des Gesezes \cheint in der Deputirten= Kammer wohl gefichert, aber niht im Senat.

Die Kommission, welche mit der Prüfung der Auto= risationsforderung zur gerihtliÞhen Verfolgung Rouviers be-

auftragt war, hat ihren Bericht, in dem sie sich für die Ver-

folgung als im eigenen Interesse Rouviers liegend ausspricht, ertheilt.

2, Juni. (W. T. B.) Der „Messager de-Paris“ ver= öffentliht einen mit Gegenvorshlägen verbundenen Protest, den das Comité zum Schuße von franzöfishen Gläubigern der \panischen Schuld gegen das vom spanischen Finanz-Minister Salaverria aufgestellte Finanzprojekt erhoben hat.

(W. T. B.) Bei der am 1. d. M. vom Kriegs-Minister de Cissey dei der Kammer eingebrachten Geseß vorlage, be- treffend die Bewilligung eines Kredits von 260 Mill. Francs zaum Umbau der Grenzbefestigung und zu Beschaffung von Kriegsmaterial handelt es fich lediglich um Ausführung von solchen Arbeiten und Anschaffungen, welhe \{chon vor längerer Zeit die Nationalversammlung beschlofsen hatte.

(W. T. B)

Türkei. Konftantinopel, 2. JIuni. Mah&ud Damad Pasha izum Handels-Minifstæ ernannt worden.

Der, Telegrammen aus Konstantinopel, zum Großvezier defignire Mithad Pasha war General- Gouverneur der Donauprovinz (Bulgarien) und hatte fich i dieser Stellung als hervorragende Verwaltungskraft und unernüdliher Reorganisator bewährt. Am 1. Auguft 1872 wurde er an Mahmud Paschas Stelle Großvezier, wsrüber die off-ntlihe Meinung fich damals sehr befriedigt zeigte. Man stellte aber zu große Anforderungen an ihn, der Reorganisator der Donauprovinz sollte mit einem Male das ganze Reich gleih- sam neugestalten, überdies war er zu lange Zeit von Konftan- tinopel entfernt gewesen; es gingen ihm so die einem ottomani- {hen Staatsmanne unentbehrlihen Verbindungen mit der Haupt- ftadt ab. Er verlor das Reichssiegel, ohne seine Absichten ver- wirklichen zu können und mußte {hon am 19. Oktober 1872 dem Mehemed Ruschdie Pascha weichen.

Der als zukünftiger Minister des Aeußern genannte Halil Sherif Pascha ift ein Aegypter, d. h. in Aegypten geboren, aber von einer jener Familien ftammend, die mit dem vizeköniglihen Hause verwandt und wie dieses Ottomanen find,

nad)

Als begabter Diplomat hatte er sih in Paris, St. Petersburg.

und Wien hervorgethan. Halil Pascha war bereits früher Mi= nister des Aeußeren, mußte aber im Jahre 1873 dieses Porte- feuille an Mehmed Raschid Pascha abtreten.

Der Kriegs-Minister Hussein Avni Pasha if im Jahre 1820 im damaligen Sandjak von Sparta geboren. Sein Vater war Pachter. Kaum fünfzehnjährig, ward er nach Kon- ftantinopel gesandt und fand dort Aufnahme in der Militär=- \{chule. Im Jahre 1841 wurde er Lieutenant. Bis zum Jahre 1851, wo er bei Ausbruch des Krimfeldzuges als Oberst-Lieutenant nach Schumla und bald darauf als Generalftabs-Chef einer Di=- vision nah Widdin beordert wurde, voUzieht fih seine Laufbahn in den Militärshulen als Schüler und als Lehrer. Die Vertheidigungs- arbeiten bei Kalafat und Silistria im orientalishen Krieg waren zum Theil das Werk des jungen Obersten, der fih hier und im Gefecht bei Tsetate auszeichnete. Nach Beendigung des Donau- feldzuges wurde der General Hussein Pasha Generalftabs- Chef der Arwee in Kleinafien. Der englische General Williams be- fland auf der Nothwendigkeit, Kars zu vertheidigen; Hussein hingegen erklärte Kars für ftrategisch unhaltbar und fiimmte für die Linie Erzerum-Soghanlu. Der Einfluß des britischen Botschafters Lord Redcliffe entschied in dem Meinungsftreit für die Anficht des englishen Generals, und Hussein wurde nach Stambul abberufen. Kars fiel. Hierauf fun- gire er als Generalstabs - Chef Omar Paschas in der Krim und während dessen Expedition in Mingrelien, Nach dem Pariser Frieden wurde er zum Kommissar bei zwei Grenz- regulirungen ernannt: bei der türkish-rufsishen und später bei der bosnisch-montenegrinischen. Dann übernahm er die oberste Leitung der Militärschulen, in die er neues Leben brahte. Den Feldzug gegen die Montenegriner machte er als Divifionsgeneral mit, worauf er als Präsident des Kriegsrathes und als Ver- walter des Kriegs-Ministeriums nach Konstantinopel zurück- berufen wurde. Anläßlih des kretensischen Aufstandes begab er sh, mit der obersten Militär- und Civilmaht bekleidet, nah Kreta und erwarb \ich dort große Verdienste um die Pazifikation der Insel. Im Jahre 1869 übernahm er unter dem GSroßvezier Aali Pasha das Kriegs-Minifterium, mußte aber 1871 zurücktreten, als nah des Lettern Tode Mahmud Pascha Großvezier wurde. Nach dessen Fall wurde Hussein abermals Kriegs-Minister und entfaltete nunmehr \eine verdienstvolle Thä- tigkeit durch Verbesserung des Systems der Tuppenaushebung und des Dienstes, der militärishen Strafgerichtsbarkeit, die Er- richtung eines obersten Medizinalrathes, die Gehaltsregelung und Gründung eines Pensionsfonds für die Militärbeamten, wie dur die moralishe und technische Ausbildung der Truppen und des Offizier-Corps. Husseins Ansehen im Staate war #o gestiegen, daß ihm, als der Großvezier Ruschdie Pasha Schir- wani-Zade zurücktrat, am 13. Januar 1874 das Großvezierat unter Beibehaltung des Kriegs-Ministeriums übertragen wurde.

Auch in dieser Stellung erfüllte er die auf ihn geseßten Er- wartungen. Man rühmte seinen praktischen Sinn der obersten Leitung. Am 25. April 1875 mußte Hussein jedoch zurücktreten, da dur den Konflikt mit Desterreih-Ungarn in der Frage des Eisenbahnanscchlusses seine Stellung ershüttert war. Er wurde General-Statthalter in Smyrna. Von da durch Abdul Aziz vor Kurzem wieder ins Kriegs-Ministerium berufen, wird er jet mit Mithad Pascha zusammen als Haupturheber der jüngsten großen Bewegung genannt.

Der vom Sultan zu seinem ersten Sekretär ernannte Abdullah Bey ist der Sohn Efsads des Aelteren, früheren Chefs des Kassationshofes, Jurist von Profession. Derselbe ist e 35 Jahre alt, gilt für einen arbeitsamen, feingebildeten

ann und einen Kenner der kürkishen und franzöfischen Literatur.

Aus Zara wird unter dem 30. Mai gemeldet: Zimonic operirt gegen die Straße nah Mosftar, Socica in der Richtung nach Livo, Pavlovic vertheidigte den Dugapaß, Musfic bewacht

die Trebinjestraße. Mukhtar Pascha kehrte nach dem Lager in Gacko zurü. : y

Serajewo, 22. Mai. Das Amtsblatt der bosnischen Vilajets-Regierung, „Bosna“, publizirte in seiner Nummer 516 einen Erlaß des Großveziers, wonah die vorjährige Ver- fügung aufgehoben wind, daß die Herzegowina ein selbst- ständiges Vilajet zu bilden habe. Fortan habe dieses Territo- rium, wie ehedem, einen Theil des bosnishen Vilajets zu bilden. Gleichzeitig wurde der außerordentlihe Pforten-Kommissär Ali Pasha zum Vali von Albanieu mit der Refidenz in Skutari ernannt. Die hier residirenden Konsular - Re- präsentanten der fremden Mächte haben, der „Pol. Corr.* zufolge, gegen diese administrative Neuerung re- monstrirt. Auf telegraphishe Berichterftattung nach Kons stantinopel kam geftern von dort die Ordre, die Erhebung der Herzegowina zu einem selbständigen Vilajet aber- mals im Amtsblatte zu publiziren, was au heute geschah. Ali Pascha verbleibt demna auf seinem Posten. Die „Pol. Corr.“ mel- det weiter: „Der Mangel an Truppen hindert die Regierung, eine ausgiebige Aktion in der Krajna zu eröffnen. Auf dringente Vorstellungen Ferik Paschas ließ der Seraskier die bei Novi- Bazar und Prizerend aufgestellten Truppen, etwa 6000 Redifs und 3000 Baschi-Bozuks, nah Bosnien dirigiren. Aber {hon auf dem Marsche wurden die Truppen von einer Kontreordre erreicht und kehrten in ihre früheren Stationen zurück. Dieser Gegenbefehl wird mit der Entwiälung der Dinge in Serbien motivirt. Man befürchtet einen Einbruch in Altserbien.“

(W. T. B.) Die Wiener „Presse“ berihtet aus Bel- grad, da Fürst Nikita das von Ristics angebotene Schugz- und Trußbündniß zurückwies, \o beeilte sich die serbische Regie- rung, eine Anerkennungsadresse an den Sultan Murad abzusenden.

Dem französishen Journal „Univers“ vom 2. Yani geht die Nachricht zu, daß eine Anzahl Christen im Libanon von türkishen Baschiboshuks niedergemacht worden set.

Rumänien. Bukarest, 2. Iuni. (W. T. B.) Gestern find die Ratifikationsurkunden des zwishen Desterreich- Ungarn und Rumänien abgeschlossenen Handelsvertrags ausgetauscht worden.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 1. Juni. Aus dem bereits telegraphisch erwähnten Artikel des „Journal de St. Petersbourg“ über die Vorgänge in der Türkei theilen wir folgende Stelle in der Uebersezung mit: ¿F

„Das Ereigniß in Konfiantinopel ruft eine Menge von Fragen hervor, welhe wir niht zu formuliren und daher auch niht zu beantworten haben. Den Thatsachen kommt cs zu, uns darüber aufzuklären, ob die Türkei durch die eben voll- zogene Revolution gewonnen haben wird. Man ftellt den neuen Souverän mit Eigenschaften begabt hin, welche seinem Vorgänger gefehlt haben. Man erzählt, daß er aus seiner europäischen Reise großen Nugzen gezogen habe, die er vor eini- gen Jahren im Gefolge des Souveräns, dessen Stelle er heute einnimmt, unternommen. Jedenfalls bedarf er bedeutender Eigen- haften, um auf der Höhe der Misfion zu sein, welche ihm in einem Moment übertragen wird, wo sein Reih von Schwierig- feiten überfluthet is, welche der Vorgang kaum vermindern fann, durch welchen Murad-Khan auf den Thron gelangt ift.

Als gewiß aber ift indessen der Umstand anzusehen, daß

» die Sorge Europas, eine Vershlimmerung der orientalischen Krifis zu verhindern, niht fehlen wird. Die Eintracht der Mächte wird morgen dieselbe sein, wie fie es gestern gewesen: fest und unershütterlih in dem Wunsche von der türkishen Regie- rung welche fie auch sein mag die Ausführung der Re- formen, welche zur Pacifikation der aufständishen Provinzen, sowie zur Verhütung neuer Erhebungen für nothwendig be- funden, zu verlangen. Möge der neue Souverän sich bereit zeigen, den Präpositionen der Mächte entgegenzukommen; möge er feine Zeit verlieren durch seine Handlungen seine Hingabe an die uninteresfirten Bemühungen Europas zu beweisen damit wird er sich seine Aufgabe leichter machen; im ersten Moment wird er damit einen Theil der Schwierigkeiten, von denen er umgeben is, beseitigen und zu gleiher Zeit den Be- weis liefern, daß er nicht das Werk eines religiösen oder natio- nalen Fanatismus ift, welher unserer Zeit fremd, und sich zum Werkzeug desselben auch nicht hergeben werde.“ e

_ Dänemark. Kopenhagen, 1. Juni. Das Folkethin nahm in seiner gestrigen Sizung den Gesetzentwurf, betreffend die Gewährung eines Staatsdarlehns an die Kommune St. Croix in dritter Lesung einstimmig an. Der Vorsitzende machte alsdann die Mittheilung, daß der Befestigungs8aus- \chuß an den folgenden Tagen, mit Ausnahme der Feiertage, Situngen halten werde, und daß dessen Bericht wohl am Dienstag nah Pfingsten zu erwarten sei. Unter dieser Voraus- seßung beraumte er die nächste Sikzung auf Donnerstag, den 8. Juni, an, und seßte auf deren Tagesordnung die zweite Lesung des Gesetentwurfes, betreffend die Bewilligung von 2 Millionen Kronen zur Anschaffung von neuen Feld- geschütßen. König Georg von Griechenland befindet sh jeßt in guter Besserung und werden deshalb keine Bulletins mehr ausgegeben. s

Amerika. 1. Juni. Die New-Yorker Zeitungen vom 31, Mai veröffentlihen Nachrichten aus Guatemala, welche welden, daß der Krieg mit San Salvador zu Ende ist und daß der Friedens\{chluß erfolgte, nahdem der Präsident { egtgenannter Republik von Guatemala abgeseßt worden. Der

Berlin, den 3. Juni 1876.

Zum 100jährigen Jubiläum des Königlichen Kadette-u

hauses zu Culm am 1. Juni d. J.

Im Iahre 1774 regte nach der Erwerbung Westpreußens der damalige Ober - Präfident von Domhardt beim König Friedrich 11. den Plan an, für den armen polnischen Adel in Culm eine „Adelige Kadettenshule“ zu errichten. König Friedrih befahl auch im Frühjahr 1775 den Bau dieser neuen Anftalt sofort zu beginnen. Am 1. Juni 1776 konnte bereits die neue Kadettenshule unter dem Direktor Hauptman von Clebowski mit 58 Zöglingen aus meist polnishen adeligen Familien, für die ein Etat von 8079 Thlrn. festgeseßt war, eröffnet werden. Schon im Juli inspizirte der König die neue Anstalt und \prach \ich sehr befriedigt aus. 1787 wurde der Etat der Anstalt durch Friedrich Wilhelm I. Um 40 Kadetten, je 20 proteftantishen und je 20 katholischen erhöht. Das Alter der aufzunehmenden Zöglinge war 8—10 Jahre, während im Anfange selbst das 12. Lebensjahr gestattet war. Die Unterrihtsgegenstände umfaßten haupt- sählich Religion, Lesen, Schreiben und Rechnen; in der franzöfishen Sprache, in Geschichte, Mythologie, Geographie

Krieg war in Folge des Bestrebens von Salvador und Guate- mala, die Ruhe in der Republik Honduras wiederherzu- ftellen, entftanden. Bereits im März d. I. waren die Präfidenten von San Salvador und Guatemala über- eingekommen, Señor Soto zur Pr fidentishaft von Hon- duras zu verhelfen und wollte jede der zwei Republiken zu diesem Zwecke 1000 Mann ins Feld stellen. Gonzales, früherer Präsident von Salvador, war mit diesem Arrangement nicht einverstanden und fiel mit seiner Armee, deren General en chef er war, in Guatemala ein, wurde aber vom Präfidenten Barrios nicht nur zurückgeworfen sondern bis auf sein eigenes Gebiet verfolgt und in zwei blutigen Shlachten geshlagen. Auch der Präsident Medina von Honduras hatte dem Staate San Sal- vador den Krieg erklärt.

Ecuador. Der neue Präsident Borrero verweigert, der „A. A. C.“ zufolge, die Abänderung der von seinem Vor- gänger, Garcia Moreno, oftroyirten Verfassung.

Aus Buenos Ayres wird dem Reuterschhen Bureau unterm 30. April berihtet: Die Campana - Eisenbahn wurde am 22. ds. dem öffentlihen Verkehr übergeben, Der Kongreß wird nächste Woche eröffnet. Man erwartet allgemein, das Haus werde fih hauptsählich mit der Verminderung der Verwaltungs- ausgaben beschäftigen. Die Spezial - Session der Provinzial- Legislatur if soeben geshlossen worden, nachdem die Provinzial- Ausgaben um etwa 40 Millionen Papierdollars reduzirt worden. Das Provinzialbudget weist ein Defizit von 16,000 Pfd. Sterl. auf.

Nr. 22 des „Central-Blatts für das Deutsche Reich,“ herausgegeben im Reichskanzler-Amt, hat folgenden Inhalt : Allge- meine Verwaltungssahen: Verweisung von Ausländern aus dem

Reichsgebiet. Finanzwesen: Bekanntmachung, bet®ferd den Um- a,

tausch beschädigter oder unbrauchbar gewordener Reichskafsenscheine. Goldankäufe Seitens der Reichsbank. Münzwesen: Uebersicht über die Ausprägung von Reichsmünzen. Zoll- und Steuerwesen: Be- kanutmachung, betreffend die neuen Schuldverschreibungen der Prä- mienan!eihe der Stadt Lüttih vom Jahre 1853. Errichtung einer Steuerstelle. Marine und Schiffahrt : Abänderung des Verzeich- nifses der Strandämter 2c. Beginn von Seeschiffer- 2c. Prüfungen. Militärwesen : Zurückziehung der einem Inftitute provisorisch er- theilten Genehmigung zur Ausstellung gültiger Zeugnisse über die wissenschaftliche Befähigung für den einjährig- freiwilligen Militärs dienst, Eisenbahnwesen: Anwendung und Konstruktion englischer Weichen. Eröffnung der Strecke Penig Rochliß. Post- und Tele- grapkenwesen: Packetverkehr mit Ostindien. Erscheinen einer Post- und Eisenbahnkarte vom Deutschen Reih. Briefsendungen nach der Levante. Postdampfschiffverbindungen mit Dänemark und Schwed-n. Heimathwesen: 2 Erkenntnisse des Bundesamts für das Heimath- wesen, Konsulatwesen : Exequatur-Ertbeilungen,

Das d. Beiheft zum Militär-Wochenblatt (Jahrg. 1876) bat folgenden Juhalt: Die Krieäführung am Mississippi 1862—63. Die dänische Landesvertheidigungsfrage 1876. Zur Artillerie-Tafktik.

Die Nr. 10 des „Marine-Verordnungs-Blatts“ hat folgenden Inhalt: Reise-Kompetenzen der zur Probedienstleiftung Kommandirten. Zurückverseßung bei Abgang von der Marine- Akademie. Eßgeräth der Mannschaften auf in Dienst gestellten Schiffen. Erläuterung zu den §§. 11 und 14 des Reglements über das Bekleidungswesen der Matrosen- 2c. Divisionen u. |. w. vom 27. Dezember 1873. Zollfreie Einfuhr von Verproviantirnngs- Gegenständen 2c. für S. M. Schiffe und deren Offiziere in St. Thomas. Berichtiguug der Bestimmungen über das Sheibenschießen bei den Matrosen-Divisionen 2c. Auswahl der untersuhungéführenden Offiziere. Schiffsröcke. Strafvollstreckungs-Reglement für die Kaiserlihe Marine. Einbehaltung und Abführung der aus dem Verkehr zu ziebenden Landes-Kupfermünzen. Die Behandlung der bei den Reichs- und Landebókassen eingehenden nahgemachten, ver- fälsten oder nicht mehr umlaufsfähigen Reihsmünzen. Zugebörig- keit resp. Klassifizirung S. M. Torpedo-Dampfer „Zieten" und „Ulan“ resp. S. M. S. „Elbe“. Vecabreihung nur weiter Decken- und Kopfpolfterbezüge in den Friedens-Lazarethen. Zusaß zu den Be- ftimmungen über die Uebungs-Munition der Marinetheile 2c vom 31. März 1876. Behandlung der bei den Reichskassen eingehenden nachgemachten 2c. Reichhsmünzen, sowie Einbehaltung und Abführung der aus ¿em Verkehr zu ziehenden Landesmünzen, Zufaß zum In- haltsverzeihniß der Schiffsbücher-Kisten, Personal-Veränderungen. Benachrichtigungen.

Vereinswesen.

Am 29. Mai fand in Hamburg die statutenmäßige alljährlice Generalversammlung der BVezirkêauéschüsse und Vertreter der Deut- schen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger statt. Den Borsiß führte der Präsident der Gesellschaft, Konsul H. H. Meier aus Bremen. Aus dem Jahresbericht für das Jahr 1875/76, wel- cer den ersten Gegenstand der Tagesordnung bildete, iït die That- sache zu konstatiren, daß die Zabl der Mitglieder der Gesellschaft von 26,319 im Jahre 1874/75 auf 28,066 im Jahre 1875/76, die Jahres- einnahmen von 123,839 4 75 H auf 177,167 M 14 H gewach}en find. In leßterer Summe ist allerdings ein außergewöhnlich hoher einmaliger Beitrag von 33,500 # enthalten, welcher der Gesellschaft durch Zuwendung des Berliner Flottenfonds gewährt ist. Die Gene- ralversammlung kefand sh daher in der Lage, die sâämmt- lichen Anträge der Bezirkêvereine auf Vervollständigurg be- stehender und Errichtung neuer Rettungsstationen, welche einen Auf- wand von 34,350 4 erfordern, bewilligen zu können. Auf der Generalversammlung wurde außerdem verhandelt über die Unter- stüßung der Hinterbliebenen jolcher Rettungsmanuschaften, welche im Rettungsdienste verunglückt sind, aus Fonds der Gejellschaft, über die Errichtung von Rettungëhäusern zur Aufnahme der Schiffbrüchigen an einzelnen, von allen meushlichen Wohnungen entfernt gelegenen Punkten der deutschen Küste über einige Bor- {läge zur Verbreitung des Verständnisses für das Rettungêss- wesen unter den Scbiffsmannschaften. Der Vorftand hatte sich der

und Naturlehre wurden nur die unterwiesen, die der deutschen Sprache vollkommen mächtig waren. Im Jahre 1804 hatte das Kadettenhaus sich des Besuches Königs Friedrih Wilhelm 111. zu erfreuen. i i

Im Februar 1807 traten 14 Kadetten in ein polnisches Bataillon der franzöfishen Armee ein und kam das Kadetten- haus im Friedcn zu Tilsit mit dem Culmer Lande unter pol- nish-\ächsishe Herrschaft. Ende 1807 waren in Culm nur noch 78 Zöglinge, 26 Polen und 52 aus Dftpreußen und Danzig, die dahin zurückgesandt werden sollten. Die Uniform der Kadetten wurde eine andere, die polnishe Spracke allgemein eingeführt und die Anstalt ihres adeligen Charakters entfleidet. Im März 1808 wurden 25 preußishe Kadetten aus der Anstalt entlassen, von denen 15 und unter diesen der jeßige General» Feldmarshall von Steinmetck nach Stolp ins Kadettenhaus kamen. Der Etat der Anstalt betrug zuerst 80 arme Zöglinge und 24 Penfionäre, zulegt nur noch im Ganzen 50. Als im Juni 1815 die preußische Regie- rung wieder von dem Culmer Lande Besiß nahm, waren nur 38 Kadetten in der Alstalt; im Februar 1816 wurde dieselbe durch Königliche Kabinets-Ordre zu einer Voranstalt nach dem Muster derjenigen in Potsdam vestimmt, Dec Etat

1 hoher See und über die Strandungsordnung enthalten ift.

Mühwaltung unterzogen, ein kleines Büchelchen „Seemann in Noth* auszuarbeiten, in welchem eine furze Darstellung der Retitung?mittel, des Gebrauchs derselben und der geseßlihen Bestunmungen über Noth- und Lootsensignale, über den Zusammenstoß von Fen u

on der Wichtigkeit der Kenntniß dieser Gegenstände für den Seemann durh- drungen, bewilligte die Generalversammlung einstimmig die Mittel, um dieses Rath- und Hülfsbüchlein ae is an fäâmmtliche dur deutsbe Seemannsämter anzumusternden Mannschaften zu vertheilen, Auf Antrag der Berliner Delegirten wurde einstimmig Berlin als Ort der nächsten Jahresversammlung gewählt.

Statistische Nachrichten. e

München, 1. Juni. An der hiesigen Universität find für

das laufende Sommersemester 863 Bayern und 273 Nichtbayern, im

Ganzen 1136 Studirende über 100 mehr als im gleihen Semester des vorigen Jahres infkribirt.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Die Ausftellung Dreberscher Werke im oberen Stockwerk der National-Galerie ift kürzlich um zwei neue Oelgemälde bereichert worden. Beide sind Landschaften und nach italienischen Mo- tiven gemalt. Das eine Bild, von mittlerer Größe, zeigt im Vorder- grunde einen im pratvollen Laubwald ruhenden Philosophen, den Wasser- spiegel eines fleinen Bergsee und bläulich angehauchte Felsberge, deren Kontouren sih s{charf vom Horizont abheben. Das andere, bedeutend größere Gemälde ift ein Stimmungsbild aus der römischen Campagna. Auch hier sehen wir in der Ferne Aqua Claudia und Monte Cavo, im Vordergrunde herrlihe Baumgruppen und als Staffage ruhende Landleute.

Von dem Werke „Neunundsechszig Jahre am preußi- shexn Hofe“ aus den Rüerinnecungen der Haushofmeifterin Sophie Marie Gräfin von Voß ift bei Bentley in London cine englishe Ueberseßung erschienen.

Die „Société des Árts de Genève“ in Genf feierte am 1. Juni ihr 100 jähriges Jubiläum. Die Gesellshaft hat den Zweck, Kunst und Wissenschaft zu pflegen und besonders deren prak- tische Verwerthung zu fördern. d

Land- und Forstwirthschaft. Der Verein nassauischer Land- und Forstwirthe hält in diesem Jahre am 19. d. M. seine Beneralversammlung in Hachen- burg, wo am 19, und 20, d. M. auch das landwirthschaftliche Fest

stattfindet. Gewerbe und Handel.

Aus der Bilanz der Continental-Pferde-Eisenbahn- Gesellschaft pro 1875 theilen wir folgende Daten mit: Der Befiß in Dresden steht insgesammt mit rot. 1,144,600 Æ, der Befiß in Hannover mit rot. 1,367,000 Æ in Reckbnung. Unter den Passivis der Gesellschaft fungiren eine Schuld (an die gewerbliche Baubank) von rot. 90000 A und diverse Kreditoren mit 4500 #, wogegen unter den Aktivis : Banquier-Guthaben, Kautions-Effekter, Kassa und Vorräthe mit rot. 138,000 Æ# zu Buche stehen. Die Mesultate pro 1875 ergeben folgende Zahlen: Spezialverwaltung Dresden: Ausgaben für Fourage und Gehalte 2c. und sämmtliche Abschreibungen rot, 276,500 F, ferner für Abschreibung auf 10 gefallene Pferde und Amortisation auf den Pferdebeftand 22,5990 M. in Summa 299,000 M; dagegen Einnahmen 260,000 #, Verluft in Dresden aljo 39,000 (. Spezial-Verwaltung Hannover: Ausgaben wie in Dreéden und sämmtliche Abschreibungen 166,500 A ; dagegen Einnahmen 186,000 (A. Gewinn in Hannover 19,500 Æ. Aus der Uebersicht der Einnahmen und Auêëgaben der Spezial-Ver- waltungen in Hannover und Dresden ergiebt fih ein Verluft von 19,500 M, welcher sich abzüglich Zinseneinnahmen auf rund 17,000 stellt, und da bierzu für Kosten der Centr alverwaltung in Berlin (9000 ) und Coursverluft (1590 A) noch 10,500 Æ fommen, fo ergiebt die Bilanz einen Verluft von insgesammt: 27,5900 M pro 1875,

Die Potsdamer Holzfaktorei auf Aktien (früher Gebr. Saran) vertheilt für das Geschäftsjahr 1875 an ihre Ak- tionäre eine Dividende von 53%. ' Der im vocigezn Jahre an Waa- ren erzielte Gewinn betrug 260,123 ; hierzu Gewinn-Ueberscbufß aus 1874 mit 3839 # und Eingarg a!s verloren be‘rahteter Posten mit 2890 M. erciebt insgesammt 266,852 s Dagegen wurden ver- wendet für Gehälter, Reisekosten, Fourage, Provifionen 2c. 67,954 #6, für Arbeitslöhne in Potédam, Gelm und Neuendorf 70,026 4, für Zinsenzahlung 12,746 #, sowie zu Abschreibungen insgefanmt 18,078 Aa Es verbleibt ein Reingewinn von 92,940 Æ, wovon 92,176 M zur Bezahlung der Dividende herangezogen und 764 M auf neue Rechnung vorgetragen werden.

Brieg, 2. Juni. Auf dem gestrigen Wollmarkt waren circa 50 Centner gewashene Wolle von Rustikalbefißzern zum Verkauf ge- bracht und hiervon 15 Centner von auswärtigen und die übrige Wolle von hiesigen Kaufleuten und Tuchfabrikanten gekauft wurden. Der mindeste Preis pro Centner ftellte sich auf 144 Æ und der höchste auf 168 (4 Dominialwolle war nicht zum Verkauf gestellt.

Nach dem Geschäftsbericht der Nienburger Eifen- gießerei und Maschinenfabrik per 1275 stellte sich der Rein- gewinn der Gesellschaft auf 32,815 # Derselbe ist verrechnet wie folgt: 4/9 Dividende (gegen 5 °/5) 24,000 A, zum Reservefonds 4000 M, Tantièmen 4836 #46, Vortrag 9 Die Abschreiburgen betragen 22,903 M

Pest, 2. Juni. (W. T. B.) Nah dem Recnungsabscklusse der ungarishen Nordostbahn betragen die Einnahmen im ver- flofsenen Geschäftéjahre 2,726,220 Fl. und die Ausgaben 1,913,888 Fl. Im Vorjahre betrugen die Einnahmen 2,307,463 Fl., die Ausgaben 1,715,097 Fl. Es wurde ein Reinübershuß von 812,332 Fl. erzielt. Die Ausgaben im verflossenen Geschäftéjahre waren gleich 70 %% der Einnahmen, wahrend die Ausgaben des Vorjahres beinahe 75% der Einnahmen erreichten. Die Aktiven betragen zu- sammen 77,274,019 Fl., darunter figuriren das Baukonto mit 58,869,346 Fl., die Bestände in Baar und in Effekten mit 2,187,401 Fl, die Debitoren mit 5,862,584 Fl, die Gebäude mit 986,732 Fl., die Vorräthe mit 680,468 Fl. und die Staatsgarantie mit 8,687,488 Fl. Unter den Passiven, welhe zusammen 77,274,019 Fl. betragen, werden aufgeführt die Aftien mit 20,756,000 Fl, die Prioritäten mit 31,134,000 Fl, die Thaleranleihe mit 4,399,590 Fl., die 5 proz. Geldanleihe mit 5,500,000 Fl., die Anleihe bei der Unionbank mit 505,729 Fl, die Rückstände mit 1,228,633 Fl., die Kreditoren, worunter sich die Wechselshulden mit 2,291,466 Fl. befinden, mit 5,181,992 Fl., die Reserven mit 319,508 Fl. und vom Staate 8,248,657 Fl.

wurde auf 120 Kadetten in zwei gleich starken Compagnien festgeseßt. In diesem Jahre wurde auch der jezige Gencral- Feldmarshall Graf von Roon als Kadet aufgenommen und betrug im April 1817 die Anzahl der Kadetten 80. 1819 wurde das dem Kadettenhause seit seiner Stiftung bei- gelegte Prädikat „adelig“ aufgehoben. Unter dem Direktorat des Majors, späteren Obersten von Woyna wurden die Kadetten- gebäude erweitert, wyollständig reftaurirt und auch eine Kapelle erbaut, während bereits feit 1823 ein evangelisher Geist- liher angeftellt worden war. 1841 nahm Oberst von Woyna seinen Abschied und wurde Major von Ertert sein Nachfolger. 1844 inspizirte König Friedrih Wil- helm IV. die Anftalt. 1850 wurde die Organisation der Kadettenhäuser weiter durchgeführt, indem der Lehr- plan der Klassen der Boranftalten dem der entsprehenden Klassen einer Realshule gleihgestellt wurde. Die Zahl der Zöglinge des Instituts sollte theils aus Königli- chen Kadetten, theils aus Pensionären beftehen. Völ- lige FSreistelen gab es nicht mehr und wurden jährlihe Erziehungsbeiträge von 30, 60 oder 100 Thalern ge- zahlt. Zur Aufnahme in die etatsmäßigen Stellen wurden be- rechtigt: die Söhne der vor dem Feinde gebliebenen oder durhch