1876 / 134 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 09 Jun 1876 18:00:01 GMT) scan diff

Höhe jene Tarifzuschläge seiner Zeit motivirten, niht unbeträht- lih vermindert sind. ,

Hat das Reihs-Eisenbahnamt fich auch angelegen sein lassen, sich dur fortgesegte statistishe Erhebungen, bezüglich deren auf die Anlagen verwiesen wird, über die Sachlage thun- lihst orientirt zu halten, so ift dasselbe doch nit in der Lage, zu übersehen, ob und in welhem Umfange zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Eisenbahnen die Fortdauer der Erhöhung der vor dem 1. August 1874 in Kraft gewesenen Frachttarife noh geboten ift.

Wie seiner Zeit das Maß der Erhöhung innerhalb der durch den Beschluß des Bundesraths gesteckten Grenzen der Abwägung und Genehmigung der Landesaufsihtsbehörden anheimfiel, so wird diesen auch jeßt die Kognition über den un- erläßlihen Umfang der erlaubten interimiftischen Erhöhung zu überlassen sein.

Das Reihs-Eisenbahnamt kann jedoch nur dem lebhaften Wunsche Ausdruck geben, daß die Tariferhöhung möglichst re- dressirt werde, und deshalb nur empfehlen, an die betheiligten Landesregierungen das Ersuchen zu rihten, in Bezug hierauf das Erforderliche zu veranlafsen.

Hiernah resumirt das Reihs-Eisenbahnamt seine Auf- fassung dahin:

1) daß die von der Kommission in ihrem Shlußgutachten \fizzirten Grundzüge eines einheitlihen Tarifsystems an und für sih zwar als geeignet zu erachten, die erstrebte Einheit auf dem Tarifgebiete zu vermitteln, daß dieselben jedoch für die Formu- lirung praftish zu verwerthender Vorschläge eine genügende Basis nicht gewähren, weil wesentlihe Punkte, insbesondere „betreffs der Zahl der Klassen für Stückgut, der Zahl der Spezialtarife, der Anwendung der Säße der allgemeinen und der Spezial- wagenladungsklassen ob auf Sendungen für je Einen Wagen oder bei Aufgabe bestimmter Mengen —, der Zulassung von Ausnahmetarifen neben den Klassen des Tarifshemas“ ofen geblieben sind, weil ferner die Zahl der Klafsen für Stüdckgut, die Zahl der Spezialklassen, die Nothwendigkeit von Ausnahme- tarifen, sowie die demnächstige Einreißung © der Transport- artikel in die Spezialtarise durch die Höhe der Frachtsäze, insbesondere des Satzes der allgemeinen Wagenladungsklasse für offene Wagen von 200 Centner und der Frachtunterschiede in den Sägen für 100 Ctr. und 200 Ctr., sowie für offene und bedeckte Wagen bedingt wird, diese aber unentschieden ge- lassen ift;

2) daß unter solhen Verhältnissen, sowie in Rücksicht auf die gegenwärtige allgemeine wirthshaftlihe Lage Deutschlands es sich widerräth, über ein in seinen Grundzügen fkizzirtes Tarifsystem Beschluß zu fassen und dessen Durchführung unter der Autorität des Reichs, sei es anzuordnen, fei es auh nur zu empfehlen, bevor nicht die Wirkung eines solchen Systems auf den allgemeinen Verkehr, sowie auf die Erträgnisse der Eisenbahnen genügend klar geftellt worden, und daß des- halb vorab wegen der Ergänzung der von der Kommission «m- pfohlenen Grundzüge eines Tarifsystems zur Klarstelung des praktischen Effektes desselben durch Festseßung der Maximal- einheits\äße bezw. der prozentualen Verhältnisse in den Säßen der einzelnen Klassen unter Rütsihtnahme auf den Einpfennig- tarif des Artikel 45 der Reichsverfassung wie durch Erledigung der unter I. bezeihneten, sonst noch ofen gebliebenen Punkte, fei es im Wege der Beshlußnahme des Bundesraths, falls derselbe hierzu sich befugt erachtet, sei es in dem allerdings wenig aus- sihtsvollen Wege der freien Vereinbarung der Eisenbahn- verwaltungen unter sch, sei es eventuel im Wege der Gesch- gebung das Erforderliche zu veranlassen; und

3) daß der Bundesrath fich für thunlihste Aufhebung der provisorishen Frahtzushläge ausfsprechen und die Landes- regierungen ersuchen wolle, in Bezug hierauf das Erforderliche in die Wege zu leiten, soweit \solhes die Betriebs- und Finanz- verhältnisse der betreffenden Bahnen zulassen.

Für diejenigen Fälle, in denen die Frage zur Entscheidung steht, ob die gegen ein in Verwaltungsstreitsahen ergangenes Endurtheil eingelegte Beru fung (Revision) überhaupt zulässig, und insbesondere rehtzeitig angemeldet und gerechtfertigt ift, hat das Königliche Ober-Verwaltungsgericht den Bezirks- Ce E folgende Grun d\äte zur Nachachtung mit- getheilt :

Die Prüfung des Gerichtes erster Instanz, bei welhem das Rechtsmittel der B-rufung oder Revifion anzumelden und zu recht\sertigen if, hat fich aus\chließlich auf die Wahrung der geseßlihen Frift zur Anmeldung zu beschränken. Für den Be- scheid, durch welhen das Gericht erster Instanz eines jener Nechts- mittel wegen Fristversäumung zurückweist, ist eine besondere Form nicht vorgeschrieben, und derselbe hat nit die Eigenschaft eines in Gemäßheit des §. 37 des Geseßes vom 3. Juli v. I. ergehenden Bescheides. Dasselbe gilt von der Entscheidung, welhe in der Berufung€- (Revisions-) Instanz auf eine gegen einen solchen Bescheid der ersten Jnstanz gemäß Absay 4 des §. 55 cit. ge- führte Beshwerde ergeht.

Hat dagegen das Gericht ersier Jnstanz auf das bei diesem eingelegte Rechtsmittel der Berufung oder Revision, indem das- selbe die Frift zur Anmeldung für gewahrt erachtet, das weitere Verfahren eingeleitet, so kann der angerufene Richter auch dann nit, wenn er jene Frist für versäumt erachtete, das Rechtsmittel dur eine einfahe Verfügung zurückweisen, vielmehr muß dies entweder durch einen in Gemäßheit des §. 37 cit, ergehenden förmlihen Bescheid oder durch Erkenntniß geshehen. Die An- fehtung dieses Bescheides (Erkenntnisses) regelt sh nach den be- züglihen allgemeinen Beftimmungen des Gesetzes.

Hat dagegen ein Kreisaus\chuß das Rechtsmittel der Be- rufung wegen Versäumniß der Frist zur Anmeldung gemäß dem Alinea 4 des §. 55 cit. zurückgewiesen, und ist dieser Be- \{heid von dem Berufungsgeriht auf die Beshwerde des Be- rufungsklägers aufrecht Bali worden, \o findet hiergegen eine weitere Beschwerde nicht ftatt. Letzteres ergiebt sich daraus, daß der §. 55 cit, eine Ausnahme von der allgemeinen Regel des 8. 4 €od. nicht bestimmt hat.

_ Unter einem „Koadjutor“ oder „Kooperator“ in einer katholischen Diözese oder Pfarre if rehtlich ein Hülfsgeist- licher zu verstehen, welher den Bischof oder Pfarrer zu unter- Loe hat und dessen Funktionen, wenn nit in einzelnem Falle ie Bestallung auch über den Tod des zu vertretenden Pfarrer erfolgt ist, mit dem Tode des Pfarrers resp. Bischofs erlischt. Die vor Emanation der Maigesete angestellten Koadsutoren oder Kooperatoren bedürfen daher nunmehr nah dem Tode des Bischofs oder Pfarrers, an dessen Seite fie gescßt find, zur fer- neren Ausübung ihrer geiftlihen Thätigkeit der staatlichen Genehmigung. Erkenntniß des Ober - Tribunals vom 18. Mai d. I.

Der General-Lieutenant von Wartenberg, Comman- deur des Kadetten-Corps, hat fi zur Inspizirung des Kadetten-

hauses zu Waÿlstatt dorthin begeben, ebenso der General- Lieutenant von Dannenberg, Commandeur der 2. Garde- Infanterie - Division, zur Musterung und Inspizirung des 4. Garde-Grenadier-Regiments Königin, nah Coblenz. Der General-Lieutenant von Ramm, Inspecteur der 4. Feld- Artillerie-Inspektion, ist aus Anlaß seiner kürzlih erfolgten Be- förderung zum General-Lieutenant zur Abstattung persönlicher Meldungen von Coblenz Hier eingetroffen.

Se. Durchlaucht der Für} Bruno zu Isenburg-

Büdingen ift gestern Abend nach Büdingen zurückgekehrt. Bayern. München, 7. Iuni. In der heutigen Sißung der Abgeordnetenkammer wurde der Etat der Staats-

\chuld mit 38,074,430 M festgeseßt und hierbei der Wunsch auf Konvertirung der Schuld in Reichswährung ausgesprochen. Nach dem Bericht des Finanzaus\{chu}ses stellte fh die allge- meine Staats\{chuld Ende 1875 auf 97,949,993 Fl. und wird Ende 1876 auf 95,207,018 Fl. gemindert sein. Die Eisenbahn- \{chuld betrug Ende 1875 347,092,417 Fl. und wird fich bis Shluß 1876 auf 381,067,167 Fl. erhöhen. Die Grund- rentenablösungs\chuld bezifferte sich Ende 1875 auf 102,598,125 Fl. und wird Ende 1876 auf 102,186,125 Fl. fich vermindern. Der Gesammtaufwand für Verzinsung der Staats\{chuld nach Abzug der eigenen Einnahmen für diesen Zweck beträgt 33,780,996 A und der für Schuldentilgung 3,781,515 4, demnach ist das volle Erforderniß für Verzinsung und Tilgung jährlih 37,562,513 4. Der Antrag auf Erbauung einer Eisenbahn von Aschaffen- burg nah Gelnhausen - wurde dem allgemeinen Eisenbahnaus\{chuß übergeben.

9, Juni. (W. T. B.) Die Abgeordnetenkammer genehmigte in ihrer heutigen Sizung einstimmig den Etat des Königlichen Hauses und Hofes nah den Ausschuß- anträgen. Die Civilliste des Königs wurde damit auf 4,231,044 M festgeseßt, also um 201,475 A erhöht. l

Sachsen. Dresden, 8. Iuni. (Dresd. Z.) Die Zweite Kammer nahm in ihrer gestrigen Abendsizung eine Anzahl Berichte ihrer Finanzdeputation (Abth. A.) über abweichende Beshlüfse der Erften Kammer zu mehreren Abtheilungen des Budgets entgegen und stimmte den Deputationsanträgen allent- halben bei. Die bezüglich des Gesezes über die Landesimmo- biliar-Brandversicherungsanstalt im Vereinigungsverfahren verein- barten, von der Ersten Kammer bereits genehmigten Anträge wurden angenommen, worauf Staats-Minifter v. Noftiz-Wallwitz, ebenso wie früher in der Ersten Kammer, dem Wunsche der Königlichen Staatsregierung Ausdruck gab, daß die Kammex, die von ihr in den ftändishen Aus\{chuß für die gedachte Anftalt zu vollziehenden Wahlen unerwartet der Promulgation des Geseßes vornehmen möge, Die bezüglih des Geseßentwurfes über das Mobiliar- und Privatversiherungswesen vorhandenen Differenzen wurden dur Beitritt zu den jenseitigen Beschlüssen erledigt. Hierauf genehmigte die Kammer die §8. 30—33 des Geseßentwurfes Über die höheren Unterrihtsanstalten mit einigen Abän- derungen der von der Ersten Kammer gefaßten Be- \chlü}sse und hierauf einstimmig das ganze Geseh. Die zu Vollendung der Elbstromkorrektion und Regulirung der Elb- ufer innerhalb Dresdens unter Pos. 15 des außerordentlichen Budgets geforderten 600,000 # wurden bewilligt, ebenso nah kurzer Debatte weiter geforderte 3,000,000 #4 zur Fortführung der Dresdener Militärbauten. Zum Schluß wurde der Geseßy- entwurf, betreffend Abänderung einiger Bestimmungen der revi- dirten Strafprozeßordnung in der von der Ersten Kammer be- \{chlo}ssenen Fassung mit einem vom Abg. Dr. Schaffrath bean- tragten Zusagze genehmigt.

In. ihrer heutigen Sißzung erledigte die Kammer mehrere bezüglich des Etats des Ministeriums des Innern mit der Ersten Kammer bestehende Differenzen durch Beitritt zu den jenseitigen Beschlüssen, während in anderen Punkten die diesseitigen Be- \chlüsse aufreht erhalten wurden, und trat sodann ein in die Berathung derjenigen Petitionen, welhe fih auf Herstellung von Eisenbahnen auf Staatskoften, sowie um Errichtung bez. Erweiterung von Stationsanlagen beziehen. Zur Aus- führung in der jeßigen Finanzperiode als normalspurige Se- fundärbahn wurde empfohlen die Linie Pirna-Berggieß:hübel, zur Ausführung in der nähsten Periode, ebenfalls als normal- \purige Sekundärbahn, die Linie Geithain-Lausigk- Lieberiwolkwit- Leipzig. Zur Erwägung wurden der Regierung empfohlen Petitionen um Ausführung der Linie Großbauchliß-Dahlen bez. Oschaß, zur Kenntnißnahme solhe um Erbauung der Mügliß- thalbahn.

__ Sessen. Darmstadt, 7. Juni. Die Großherzogliche Re- gierung hat an die Zweite Kammer einen Gesezentwurf ge- langen lassen, wonach das Finanzgesez jür das zweite Se- mester dieses Jahres prorogirt werden soll. Zur Berathung dieses Geseßes im Finanzaus\{chuß if eine Sißzung auf den 12. d. M. vor der ersten Plenarversammlung anberaumt. Da es, dem „Frkf. I,“ zufolge, unmögli ersheint, noch in diesem Monat das neue Finanzgesey durch die beiden Kammern zu bringen, so unterliege die Annahme des Entwurfs wohl keinem Anstand.

Desterreich-Ungarun. Wien, 8. Iuni. Der Kaiser hat mit Allerhöchster Entschließung vom 1. d. M. die auf den Abt von St. Peter, Pr. Albert Eder, gefallene Wahl des Metropolitankapitels zum Erzbischofe von Salzburg ge- nehmigt. Die heutige „Wien. Z.“ publizirt die Ernennungen für den Verwaltungsgerihtshof. Zum Präsidenten des neuen (Gerichtshofes wurde der bisherige Sektions-Chef im Ministerium des Innern, Freiherr von Staehlin, zum Staats- prâfidenten der bisherige Sektions-Chef im Finanz-Ministerium, Dr. Fierlinger, ernannt.

Die Verhandlungen der österreihisch-ungari\chen Zollkonferenz nehmen, wie gemeldet wird, einen derart be- friedigenden Fortgang, daß die Dauer derselben eine kürzere fein dürfte, als ursprünglich angenommen wurde. Eine desto längere Berathungsfrift prognostizirt man der detaillirten Fest- fielung der übrigen Ausgleichsvorlagèn, namentlih der Banfkfrage, bezüglih welcher noch eine ganze Reihe von Einzelbestimmungen zu regeln ift.

Pest, 7. Juni. Das Amtsblatt veröffentlicht den wegen Umrehnung in Brutto verzögerten Staatskassenausw.eis vom ersten Quartal 1876 mit folgendem Ergebnisse: Ein- nahmen 4,298,254 Fl. (?), also um 295,636 weniger als im erften Quartale 1875, wobei jedoch die Einnahmen aus den neuen Steuern noch nicht fühlbar find und troß der \{chlechten Zeiten die direkten Steuern eine Zunahme zeigen, Ausgaben 73,053,274 Fl, demnach um 4,602,430 Fl. mehr als im ersten Quartale 1875, wobei jedoch 5,077,881 Fl. theils als Nach- zahlungen pro 1875, theils als Vorauszahlungen für das zweite Quartal figuriren,

Die General-Kongregation des Pester Comi- tates beshloß heute, nah einer sehr regen zweitägigen Debatte, an den Reichstag eine Petition zu rihten, dahin gehend, daß derselbe die Regierung auffordern möge, bestrebt zu sein, einen besseren Ausgleich zu erwirken und, wo nöthig, auch dur Errichtung eines selb ftändigen Zollgebietes die Landes- interessen zu wahren.

Der „Hon“ meldet aus Wien, daß die Zollkonferenz außer der detaillirten Ausarbeitung des Zolltarifs auch “den definitiven Text des Zoll- und Handelsbündnisses redigiren soll ; ferner wird die Konferenz ein übereinstimmendes Vorgehen beider Regiecungen bei der Erneuerung der gekündigten Handelsverträge mit England, Frankreih und Italien fixiren. In der ersten Sizung wurden die Posten: Kolonialwaaren und Südfrüchte erledigt; als Verhandlungs-Substrat dient der im vorigen September postenweise festgestellte aber niht definitiv redigirte Tarif.

Schweiz. Olten, 8. Juni. (W. T. B.) Der ProfessorHerzo g von Bern ift heute Mittag feierlih zum altkatholishen Bischof proklamirt worden. Die Seitens Basels gestellten Reform - anträge in Betreff der Aufhebung des Cölibats und des Beihtzwançges wurden prinzipiell unverändert, jedoch in theilweise neuer Fassung angenommen, und erfolgte darauf der Schluß der altkatholischen Nationalsynode.

Niederlande. Haag, 3. Iuni. Die Zweite Kammer der Generalstaaten hat soeben ein weiteres zwischen dem Staat und der katholischen Kirhe bestehendes Band gelöft. Ein französisches Dekret vom 30. Dezember 1809 seßte nämli die sogenannten fabriques d’église ein. Das nunmehr mit 36 gegen 29 Sifnmen angenommene Geseh überweist dagegen den dazu durch die kirchlihe Macht bezeihneten Behörden die Verwaltung der kirhlihen Güter. Kraft des betreffenden Dekrets hatte die gemeindlihe Behörde den Spigzen der Geistlihkeit Wohnungen unentgeltlich zu verschaffen oder denselben eine entsprehende Ent- schädigung zu leifien. Damit aber diese Verhältnisse niht mit einem Schlage umgestoßen werden, enthält das neue Geseß die Uebergangsbeftimmung: „Diese Unterstüßungen müssen nochch während einer zehnjährigen Frist in Kraft bleiben.“

Die amtliche Zeitung brachte kürzlich die Mittheilung aus Atschin: der Befehlshaber habe drei Kolonnen ausrüten lassen, um den Feind aus den 9 Mukim zu vertreiben und die 15 Mukim von den 22 Mukim abzuschließen. Das Kolonial- Amt zeigt nun an, daß diese Operationen gelungen find, ohne daß die Kolonial-Armee Verluste zu verzeihnen hatte oder er- heblihem Widerstand begegnete. Zu gleicher Zeit find auch brieflihe, bis zum 22. April l. I. reihende, Nachrichten aus Batavia eingelaufen. Die darin enthaltenen Mit- theilungen über die Operationen in Atschin find aber längst durch die amtlihen Drahtberichte überholt. Nur geht aus dem „Bataviaa\sch Handelsblad“ hervor, daß einige Mann- schaften, welhe beauftragt waren, nah der irdishen Hülle des früher in Atshin verftorbenen italienishen Generals Bixio zu forshen, von einer Bande Atschinesen überfallen und größten- theils niedergemeßzelt wurden. Die Soldaten hatten bereits den Kessel, in welchem die Leiche früher zur Erde beftattet wurde, nebft einigen Menschenknoen, aufgefunden. Ein Bataillon rüdte unmittelbar nah den 6 Mukim aus, in welchen der An- fall ftattfand, der auf Rehnung von Marodeuren gestellt wird.

Belgien. Brüssel, 5. Juni. Zu den Wahlen, welche am 13. in den Provinzen Antwerpen, Brabant, West-Flandern, Namur und Luremburg ftattfinden sollen, wird cifrig gerüstet. Das Verhältniß der Parteien stellt fih statistisch folgender- maßen dar: die 124 Mitglieder der Abgeordnetenkammer vertheilen sih gegenwärtig in 69 Klerikale und 55 Liberale, die ministe- rielle Mehrheit beträgt also nur 14 Stimmen. Die Wahl umfaßt 63 Abgeordnete, wovon 43 Ministerielle und 20 Opp9o- nenten. Die Rückehr des Königs aus London, \otvie die des Grafen und der Gräfin von Flandern aus Paris, wird im Laufe dieser Woche erwartet.

Großbritannien und Jrland. London, 7. Iuni. Der König der Belgier reiste gestern von hier nah Schottland ab, um der Königin zu Balm oral einen Besuch abzustatten.

Der telegraphisch bereits erwähnte Artikel der „Times“ über die Haltung Großbritanniens in der orientalischen Frage lautet in seinen Schlußsäßen wie folgt:

„Die europäishen Nationen, selbst diejenigen, welche auf Rußlands aggressive Politik als die größte Gefahr sehen, \{chrecken vor dem Gedanken zurück, sch durch die Aufrecht- haltung einer folchen Herrshaft zu kompromittiren, wie fie bis zu unseren Tagen in der Türkei waltet, Europa if fi bewußt, daß selbst, wenn die gegenwärtigen Gefahren dur die Diplomatie vermieden werden können, die ganze Ange- legenheit wahrscheinlich in wenigen Jahren wieder auftauhen wird mit noch geringerer Wahrscheinlichkeit für die Aufrehthal- tung türkisher Unabhängigkeit. In dem englishen Volke hat fch in den leßten Tagen ein sehr ernstes Gefühl entwickelt, der Entschluß fteht fest, daß Rußland nicht ungestraft den Vertrag von 1856 zerreißen und seine durch den Krimkrieg unterbrochene Eroberungspolitik wieder aufnehmen \foll; aber auf der anderen Seite existirt eine tiefe Ueberzeugung, daß üns kein selbftsüch- tiges Interesse, keine sogenannten fstaatsmännishen Traditionen dazu bringen dürfen, über die Grundsäße der Gerechtigkeit und Menschlichkeit hinwegzusehen. Ideen werden s{chließlich immer über Interessen den Sieg davontragen, und wenn Ruß- land mit all seinem Ehrgeiz der Vorkämpfer der Chriften in ihrem Streben nah Freiheit und Civilisation ist, so muß es jeder Macht gegenüber, die ihren eigenen Vortheil in die Unterdrückung und Erniedrigung - von Millionen von Menschen sezt, als ein furhtbarer Gegner erscheinen. Eine Regierung, welhe dieses Gefühl der Pforte nicht mittheilt, würde nur fehr unvollkommen das englische oder französishe oder italienische Volk repräsentiren. Wir unter- stellen daher, daß diese Ueberzeugung zum Ausdruck kommen wird und daß die Regierung des neuen Sultans wird verstän- digt werden, eine radikalere Umwandlung, als fie irgend bis jeßt vorgenommen wurde, sei die einzige Aussiht auf Rettung. Die leßte Revolution hat einen Aufschub gegeben, der vielleicht niemals fich wiederholen wird,“

Das Kanalgeschwader is in Gibraltar angekommen und wird vorläufig dort in Reserve bleiben, um st|ch nöthigen- falls sofort mit dem Mittelmeergeshwader vereinigen zu können. Es besteht aus den Panzerschiffen „Minotaur“ (das Flaggen- {hi} des kommandirenden Contre-Admirals Beauchamp Sey- mour), „Resistance“, „Iron Duke“, „Hektor “und „Black Prince“ und dem Avisodampfer „Helicon“', Das Panzerschif} „Achilles“, welches gegenwärtig noch zu Devonport im Do liegt, wird in den nächsten Tagen seetüchtig sein und baldigst zum Kanalgeshwader ftoßen.

Auch der gewaltige „Thunderer“ geht der Vollendung seiner

Tonnen {weren Geschüße bestimmt,

Ausrüstung ras entgegen. Dreihundert und fünfzig Tonnen Muni- tion wurden gestern zu Woolwih nah Gibraltar und Malta verschifft. Dieselbe is hauptsählih für die großen 18 und 25 mit denen die Mittelmeer- festungen in leßter Zeit armirt worden find.

Großbritanniens Staatseinnahmen vom 1. April bis 3, Juni d. J. betrugen amtlichen Ausweisen zufolge 12,889,499 Pfd. Sterl. gegen 14,003,097 Pfd. Sterl. in dem entsprechenden Zeitraum des vorhergehenden Finanzjahres. Die Ausgaben in der angegebenen Zeit beliefen fich auf 13,709,352 Pfd. Sterl. gegen 14,083,789 Pfd. Sterl. in 1875. Das Gut- haben des Staats\chaßes in der Bank von England betrug am 3. Juni 4,802,935 Pfd. Sterl. i

Der „Times“ wird aus Rangun gemeldet, daß die Herren Grosvenor, Baber und Davenport am Montag von Mandalay in Rangun angekommen sind, um sofort na Simla weiterzureisen und dem Vizekönig Bericht über ihre Expedition zu erstatten. /

8, Zuni. (W. T. B.) Die in dem Mausoleum der Familie Orleans in Wegbridge beigeseßt gewesenen 10 Särge mit den Ueberresten Louis Philipps und seiner Familienangehörigen wurden heute Vormittag vom Grafen von Paris nah Honfleur übergeführt.

Frankrei. Paris, 7. Iuni. Das amtliche Blatt ver-

| zfentliht heut wieder die Ernennung von 5 Maires und

10 Adjunkten. M :

Der Großfürst und die Großfürstin Michael von Rußland sind, von Ems kommend, hier eingetroffen.

Betreffs der Ueberführung der Königlichen Süuge schreibt die „Ag. Hav.“ : „Der König Ludwig Philipp und die Königin Marie Amalie, die auf fremder Erde gestorben, hatten oft den Wunsch ausgedrüdlt, in Frankreih beerdigt zu werden, mitten unter den Ihrigen, in der Trauerkapelle von Dreux, wo sie bei ihren Lebzeiten ihre Grabstätten hatten errichten lassen. ) lichen Reste des Königs und der Königin, der Herzogin yon Orleans, der Herzogin von Aumale und des Prinzen von Condé, die ‘gleichfalls im Exil gestorben und in England in den Gewölben der Katholishen Kirhe von Weybridge beigesezt find, werden gleihfals nach Dreux zurückgebracht werden. Der Graf von Paris hat sich nach England be- geben, um die Leichen seiner Verwandten zu ihrer lezten Ruhestätte zu begleiten. Die nöthige Erlaubniß ist vom Mar- shall-Präsidenten erbeten und sofort ertheilt worden. Die Abs- scht der Prinzen von Orleans is, daß die Erfüllung dieser frommen Familienpfliht einen durchaus privaten Charakter be- halte; sie haben daher auch ihre ältesten und treuesten Freunde gebeten, ihnen allein die Erfüllung der Pflicht zu überlassen. Die Ausschiffung wicd des Abends stattfinden; der Trauerzug wird in Dreux ankommen, wo zwei getrennte Ceremonien ftatt- finden werden, die durch die Verschiedenheit der Religion nöthig geworden, da die Herzogin von Orleans protestantish war. Niemand wird zur Feier zugelassen werden“. :

Versailles, 8. Juni. (W. T. B.) Jn der heutigen Sizung der Deputirtenkammer „wurde der Antrag Naquets auf Aufhebung des \#. 3. auf den Antrag Dufaure's beshlofsenen Gesezentwurfs, betreffend die Jury, abgelehnt. Zu der gegen den Deputirten Rouvier wegen Vergehens gegen die Sittlichkeit beantragten gerichtlihen Verfolgung wurde die Genehmigung ertheilt, nahdem Rouvier selbst sich für die Ertheilung der Genehmigung ausgesprochen hatte.

Italien. Rom, 6. Juni. Der „Diritto* bringt folgenden Artikel: „Die Ereignisse, welche sich - im Oriente cntwickeln, ändern nihchts an der Politik Itas- liens, welhes nah wie vor ein Element der Ordnung bleiben wird, da die Regierung fich die Aufgabe gestellt hat, zur bestmöglichen, friedlichen Lösung der schwebenden Fragen nach Kräften mitzuwirken. Natürlich hat Italien, um seinen Worten im Völkerrathe Gewicht zu geben und um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein, wie alle anderen Staaten nah dem deutsch - französishen Kriege gethan Haben, “auch seine Vertheidigungskräfte in Bereitschaft zu sehen ge- suht. Heute zählt die italienishe Armee bereits 435,000 Mann, welche bereits ein bis fünf Jahre gedient haben, 340,000 erster und 95,000 zweiter Kategorie. Rechnet man dazu noch 90,000 Mann, welche bereits seit 6 Monaten einexerzirt werden, so haben wir 325,000 Mann erster Kategorie, ungerehnct 265,000 Mann zweiter Kategorie von 50 Tagen Dienstzeit, welche als Ersatzmannschaften dienen sollen, und alle diejenigen, welhe noch gar nicht exerziert haben. Italien kann daßer mit Abzug der Truppen, welche für den Dienst im Jnnern bestimmt sind, ein Heer von 300,000 mit einer Ergänzungsmannschaft von 185,000 in erster Linie aufftellen und mit Abzug aller, die bei der Einberufung verloren gehen, ein Heer von 85,000 Mann mit 80,000 Exsazmannschaften in zweiter Linie, zusammen 650,000 Mann. Am Ende der zweiten Woche, vom Tage der Konzentrirung und Mobilmachung an gerechnet, die bei unserer Hceresverfassung zusammenfallen, werden die 300,000 Mann in erster Linie in großen taktischen Massen und mit allem Kriegs- material versehen, kampfbereit dastehen. Die Infanterie dieses Heeres ist durhgängig mit dem neuen Vetterli:Hinterlader kleinen Kalibers bewaffnet, Die leichten Batterien der Feld-Artillerie haben alle die neuen 7 Centi- und 5 Millimeter-Hinterlader und die schweren befommen von 2 Monaten an die ganz neuen 8 Centi- und 7 Millimeter-Hinterlader von Krupp. Die ganze Kavallerie ist neu bewaffnet und zwar die eine Hälfte mit Lanzen und den neuen Chamelot-Delvigne-Rotationspiftolen und die andere mit Säbeln und neuen Veiterli-Karabinern, die von hinten geladen werden. Für den Fall, der hoffentlih nicht sobald eintreten wird, daß Italien ein Expeditions - Corps stellen müßte, îann es 100—150,000 Mann binnen 14 Tagen, mit allem Kriegsmaterial versehen, zu diesem Zwecke aufbringen. Dbgleih unsere, durh ganz neue Geseßze erst eingeführte Heeresreorganisation noch nicht ganz fertig ist und unsere Vertheidigungsmaßregelnn noch nicht ganz durchgeführt sind, \o können wir immerhin sagen, daß wir dur keine Er- eignisse mehr überrascht werden können, und daß Italien mit größter Beruhigung zur Erhaltung des Friedens mit eintreten fann. Was aber die Flotte betrifft, so hat Italien gegenwärtig 14 Panzerschiffe, von denen 6 bereits ausgerüstet find, welche das per- manente Mittelmeergeshwader bilden, 4 binnen 24 Stunden ausge- tüstet werden können und 4 erft einiger Reparaturen bedürfen. Ferner hat Italien 7 Kanonenboote: 3 außerhalb des Mittelmeeres, 2 îm Mittelmeere und 2 zur Ausrüstung fertige; ferner 9 hölzerne Fregatten oder Korvetten, 2 außer dem Mittelmeer, 3 im Nittelmeer, 2, die binnen 24 Stunden und noch 2, die auch in sehr kurzer Zeit ausgerüstet werden könnten; ferner 6 Aviso- dampfer, von denen 3 ausgerüstet find, 1 in 24 Stunden fertig geftellt werden kann und 2 in etwas längerer Zeit;

Dieser Wunsh geht feiner Erfüllung entgegen; die

ferner 6 Transportschiffe, von denen die 3 größten ausgerüstet, [s

1 auf einer Mission im Ausland, und 2 zur Ausrüstung fertig daliegen ; ferner 18 kleinere Kriegs\chiffe, von denen eines im Auslande, 3 im Mittelländishen Meere und 14 zur Ausrüstung fertig. daliegen. Die Bemannung der Flotte besteht aus 8115 Mann, von denen 7483 auf Schiffen im Mittelmeer, 632 auf \solhen auf fremden Meeren sind. Die Bewaffnung zählt 490 Feuershlünde, 130 \chweren und 360 weniger {weren Kalibers.

Napoletanische Zeitungen berihten, daß das Panzer- geschwader sich im Meerbusen von Tarent sammeln wird, um unter dem Kommando des Admirals De Vicy nach der Dal- matishen Küste zu fahren. Einige Zeitungen fügen noch hinzu, daß das Geschwader, welches dieser Tage nah dem La Plata- Strom auslaufen sollte, um die seit zwe* Jahren dort stationirten Schiffe abzulösen, Befehl erhalten hat, bis auf Weiteres hier zu bleiben, und daß auch die in den südamerikanischen Gewässern stationirten Kriegs\chiffe zur Rückehr aufgefordert worden find.

Der Mailänder „Sole“ meldet: Am 22. des vorigen Monats unterzeihneten der Chef des Auswärtigen Amtes und der diplomatishe Vertreter der Niederlande am italienishen Hofe ein Protokoll, wonach der am 24. November 1864 zwischen Ïtalien und den Niederlanden abgeschlossene Handels- vertrag bis auf weitere Bestimmung fortgelten sol, und am nämlichen Tage wurde vom Chef des Auswärtigen Amtes und dem Botschafter Ihrer Majestät der Königin von Großbritannien ein Protokoll unterzeichnet, wonach der am 6. August 1863 abgeschlossene britisch - italienishe Handels- und Schiffahrtsvertrag bis zum 30. April 1877 prolongirt worden ist.

8. Juni. (W. T. B) In der heutigen Sißung der Deputirtenkammer interpellirte der Deputirte Massari die Re- gierung wegen der Gerüchte über außerordentliche Rüstungen Jtaliens, Der Minifter-Präsident Depretis erklärte in Beant- wortung der Interpellation, daß diese Gerüchte unbegründet seien. Die Regierung habe, abgeschen von der dur die Ereignisse in Salonichi veranlaßten Absendung einer Schiffsdivision in die türkishen Gewässer, keinerlei andere Maßregeln wegen Erhöhung der Streitkräfte zu Lande oder zu Wasser getroffen. Depretis fügte hinzu, Niemand hahe ein Recht zu dem Verdachte, daß das Ministerium eine Abenteuerpolitik treiben wolle, gleihwie Niemand ein Recht habe, eine Friedens- politik um jeden Preis zu erwarten. Die Regierung werde nur mit Rückficht auf die Interessen des Landes handeln. Italien bedürfe des Friedens und die Regierung werde danach trachten, den Frieden zu erhalten. Der Arbeits-Minister, Zanardelli, gab in Beantwortung einer Anfrage des Deputirten Bertani nähere Aufs{chlüsse über die geshäftlihe und wirthschaftlihe Lage der Gotthardbahngesellschaft und erklärte dabei, die bei dem Bahnunternehmen interessirten Regierungen hätten keinerlei Vorschläge gemacht. Das italienishe Kabinet werde aber vor dem Eingehen irgend welcher neuen Verpflihtungen alle nur möglihen Garantien für alle dabei zu wahrenden Interessen und für den Ausbau des festgestellten Netes ver- langen.

Türkei. Konstantinopel, 8. Juni. (W. T.. B) Der Scheik-ul-Islam hat in einem Erlaß den Softas das Tragen von Waffen und alle Zusammenrottungen auf öffent- liher Straße untersagt.

Die Regierung hat cinen Befehl an die Insurgen- ten und die in Oesterreich sh aufhaltenden Flüchtling e gerichtet, der in Serajewo in serbisher Sprache gedruckt worden ist, und

nah der „D. A. C.“ in deutscher Uebersezung wie folgt lautet:

„Se. Majestät, unser Durchlauchtigfter “und Gnädigster Kaiser Und Herr erließ den Befehl, Euch Seine Kaiserlihe Gnade und Sein Miileid kundzugeben, um die Ünrußben zu beseitigen, (welche in Eurer Heimath wüthen, und alle diejenigen Seiner Unter- thanen vom Ruin zu retten, welhe sich durch falsche und lügnerishe Versvyrechungen von Aufwieglern betrügen ließen. Euch allen ift es bekannt, wie von Seite der Kaiserlihen Regierung zu Anfang dieser Unruhen Privilegien ertheilt wurden, und wie man gerecht vorging, damit weder das Vaterland noch ein Einzelner von Fuch Schaden erleide. Doch Alles vergebens, da fenen, welche die Erfüllung ihrer Wünsche in dem Unglück ihres Vaterlandes fuchen, und diejenigen unter Eu, welche den Worten solcher Leute glaubten und folgten, der wilden Art und Weise, wie die Kaiserliche Regierung vorging, eine andere Deutung und Untwort mit den Waffen gab. Dieses erst gab dem Reiche, das die Ordnung herstellen wollte, die Pflicht, zu ftrafen und zu züchtigen. A S |

Ihr habt gesehen und erfahren, in wie weit die Ausübung dieser Pflicht seit mehr als sech3 Monaten her die Ursache von Blutvergießen ioar und sahet, daß die Absicht Zener, die Each zum Aufstand ver- leiteten, nicht die Ruhe Eures Vaterlandes ist, sondern daß sie Euch nux ins Elend ftcßen, um ihre eigenen Interessen zu erreihen Ihr aber, getrennt von Eurer Familie und Eurem Hause, felbst von Eurem Vaterlande, kommt zu Mühsal und Schaden. :

Unser ruhmreicher Kaiser, in seinem Kaiserlichen Herzen gerührt von díesen Zuständen, nach ausgeführter Gnade heißt hiermit gut, daß auch Ihr vollkommen an den Verordnungen des gerech- ten Fermans betheiligt werdet, welhe siher genügen, sowohl Euer Vaterland, als auch alle Einwohner desselben zufrieden zustellen, den Schaden gut zu machen, welhen die Unruhen im Ge- folge hatten und noch Meettadanè wichtige und hauptsächliche Ver- besserungen,- die Euer Vaterland erheisc;t, zu vollenden, um so nicht nur Eure gesetzlichen Interessen, sondern auch Fortschritt zu erlangen. Yllen denen unter Euch, welche innerhalb vier Wochen von dem Yage der Veröffentlichung dieses Befehles an gerechnet, die Waffen nieder- legen und sich unterwerfen, wird die Schuld des Ungehorsams ver- ziehen und wird Keiner bedauern, sich die Privilegien zugänglich zu machen, welche Euer Ansiedeln, sowie das. Eurer Familien erleichtern, sobald Jhr nur in Euer Vaterland zurückehrt. EA

Es ist zu erwarten, daß Viele von Euch diesen Ausfluß hôHster Kaiserlicher Gnade würdig [chäßen, und wenn es auh Solche giebt, welchen das Netz des Fanatismus noch niht von den Augen gefallen, so werden doch auch diese ihr Unrecht einsehen und auf den rechten Weg kommen. Sollten sich aber solche Leute finden, welche es nicht ver- stehen, für so viele Kaiserliche Gnade dankbar zu sein, und welche auch weiter standhaft in Ungehorsam verbleiben, dann wird die Kai- ferliche Armee ihre Pazifikation fortseßen. Demnach werdet Jhr auf- richtig ermahnt, und es wird Euch kundgethan, daß es für Ench nothwendig ist, Eurem gesetzlichen Kaiser Gehorsam zu erweisen, da- mit der Schaden, welcher über Euer Haupt kam, gutgemaht wird, und Ihr der Ruhe des Vaterlandes dient,“

Die „Politishe Korrespondenz“ fignalisirt in einem aus Belgrad vom 6. d. datirten Schreiben einen Umschwung der serbishen Politik zu Gunsten des Friedens.

Die Wiener „Presse“ und die „Deutsche Zeitung“ brin- gen die südslavisher Quelle entstammende Meldung aus Zara, daß der Fürst von Montenegro sih weigere, die Regierung Sultan Murads anzuerkennen und daß derselbe seinen Agenten aus Konstantinopel abberufen habe. Ferner wird behauptet, Moukhtar Pascha (ein natürliher Sohn des entthronten Sultans Abdul-Aziz) habe fich geweigert, die militärischen Be- wegungen nah Niksic hin fortzuseßen, Cine Bestätigung dies ser Nachrichten if abzuwarten.

Amerika. Washington, 7. Juni, (E. C) Der Sprecher des amerikanischen Repräsontantenhauses, Herr Kerr, hat die gegen ihn vorgebrahte Anschuldigung, als habe er ein Lieutenants-Vatent verkauft, widerlegt undder Bericht des Aus- \hu}es im Repräsentantenhaus wird dem entsprehend ausfallen. Wahrscheinlih wird Herr Kerr aus Gesundheitsrüsichten binnen Kurzem sein Amt niederlegen.

8. Zuni, (W. T. B.) Die Einnahmen des am

30. d. M. zu Ende gehenden Finanzjahres dürften nah einer halbamtlihen Mittheilung etwa um 11 Millionen, die Ausgaben etwa um 5 Millionen hinter den budgetmäßigen Ziffern zuxrückbleiben. Die Republik Chili hat den Frauen das políi- tishe Stimmrecht verliehen. Sie ist der erste Staat, welcher sih zu diesem Schritt verstrht. Füc beide Geschlehter ist das einzige Erforderniß, um stimmberechtigt zu sein, daß der oder die Betreffende im Besiße der Volljährigkeit, so wie der Fähig- feit zu lesen und zu shreiben ift.

Die Nr. 43 des „Bmts3blatts der Deutschen R eich 8- Poost- und Telegraphenverwaltung“ hat folgenten Inhalt: Verfügungen: Vom 3. Juni: Kassen- und Rechnungswesen bei den Verkehrsanstaiten. Vom 1. Juni: Fahrpostverkehr mit Großbri- tannien und Irland, Vom 2. Juni: Taxmaterial für Postagenturen. Vom 2. Juni : Verbot des Verkaufs der Freimarken zu 2

Nr. 11 des Archivs für Post und Telegraphie (Betßeft zum Amtsblatt der Deutshen Reih3-Poft- und Telegraphenverwal- tung) hat folgenden Jnhalt: 1. Aftenstücke und Aufsäße: Störungen des Telegraphen betriebes durch den Bruch der Eisenbabhnbrüce bei Riesa und durch Zerreißen des Elbkahels bei Schandau im Fehr! 41876. Zur Geichihie des Nürnberger Postbotenwesens. Zu Gharafkterifti? des fleinstaatlichen Postwesens im vorigen Jahrhundert. Die Fortführung der St. Gotthardbahn. Entwickeiung der Biele- felder Leineninduftrie, Der Hafen von Liverpool. Il. Kleine Mittheilungen! Das Poststammbuch. Zum Gerichtsfstande der Pest- verwaltung. Poîst und Telegraphie in Brasilien. Die nevesten Ent- deckungsreisen in Neu-Guinea. I1IL1, Zeitschriften-Ueberschau.

Nr. 21 des „Justiz - Ministerial -Blattes* hat folgen- den Inhalt: Allgemeine Verfügung vom 6, Juni 1876, betreffend die Behandlung nachgemachter und verfälschter, sowie beshädicter und unbrauchbar gewordener Reichskassenscheine.

Neichótags - Angelegenheiten.

Berlin, 9. Juni, In der gestrigen Sißung der Justizkom- mission des Deutshen Reichstages wurden die Abschnite der Strafprozeß-Ordnung über Beschlagnahme, Durchsuchung und Untersuchungshaft bis §. 110 berathen. Im §. 86 wurde auf den Antrag des Abg. Miquel der Abs. 3, nach welchem die Zwangshaft gegen Personen, welche Beweisstück?e im Gewahrsam haben und ihre Herausgabe verweigern, aufhört, wenn der Gegenftand bei einer Durchsuchung gefunden wird oder anderweit an die Behörde gelangt gestrichen. Eine sehr eingehende Diskussion entspann sih über die Frage, welcher Behörde die Anordnung von Beschlagnahinen und Durchsuchungen zusteht, Die Kommission hatte in erster Lesung unter Abänderung der Bundesvorlage beschlossen, daß die Au- ordnung von Beschlagnahmen und Durcsuchungen dem Richter zusteht, bei Gefahr im Verzuge auch der Staatsanwaltschaft und den Beamten der gerichtlichen Polizei. Ein Antrag auf Wieder- herstellung der Bundésverlage, nah welcher die Beschlagnahme und Durchsuchung auch den Polizei- und Sicherheit8beamten zusteht, wurde abgelehnt. Andererseits wurde mit Rücksicht ayf die Behörden- Organisation die Schwierigkeit des Kommissionsbes{lusses auerkannt und deshalb auf Antrag des Abg. Gneist an Stelle der Kom- missionsveschlüsse in erster Lesung angenommen, daß die Anordnung von Beschlagnahmen und Durchsuchungen dem Richter, bei Gefahr im Verzuge auch der Staatsanwaltschaft und den ihr untergeord- neten Beamten des Volizei- und Sicherheitsdienstes zusteht. Die Beschlagnahme von Briefen und anderen Postsendungen, sowie von Telegrammen ist nach dem Kommissiorsbeschluß in erster Lesung (§. 90, 2), entgezen der Bundesvorlage, unbedingt unzulässig, wenn die Untersuchung nur eine Uebertretung betrifft. Ein Antrag des Abg. Pruémann auf Streichung dieser Bestimmung wurde abgelehnt, dagegen ein Antrag des Abg. Hauck auf Bescbränu- fung der Unzulässigkeit auf verschlossene Postbriefe und auf Tele- gramme angenommen. Jn Beziehung auf die Durchjuchung einer Wohnung wurde §. 96, 2 foigendermaßen formulirt: „Wenn eine Durchsuchung der Wohnung, der Geshäftsräume oder des befricdeten Besißthhums ohne Beisein des Richters stattfiidet, fo sind, wenn diet mögli, ein Gemeindebeamter oder zwei Mitglieder der Gemeinde, in deren Bezirk die Durhsuchung erfolgt, zuzuziehen. Die als Ge- meindemitglieder zuzuziehenden Personen dürfen nicht Polizei- oder Sicherheitsbeamte sein.“ Jn Beziehung auf die Durch- sicht der Papiere des von der DurchsuchGung Betroffenen (8. 99) wurde der Antrag des Abg. Herz angenommen, wonach die- selbe dem Richter überall zufteht; andere Personen find nur mit Ge- nehmigung des Inhabers zur Durcsicht befugt. L

Näh dem Abschnitt über Beschlagnahme gelangte die Kom- mission zur Berathung des Abschnittes über Verhaftung und vor- läufige Feftnabme. Nach der Bundesvorlage kann der Ungeschul- digte in Uniersuchungshaft genommen werden, wenn gegen ihn hin- reichende Verdachtkgrüude vorliegen 2c., während die Kommission in erster Lesung beschlossen hatte, daß die Festnahme nur erfolgen dürfe, wezn dringende Verdachtsgründe gegen den Angeschuldigten vorhanden sind. Gegenüber der Erklärung der Bundeskoumifsare für Wicderher stellung der Bundesvorlage hielt die Kommission ibren Beschluß in 1. Lesung aufrecht. Dagegen wurde im Weiteren ein der Bunde8§vorlage fh annähernder Antrag des Abg. Struckämann genehmigt und demzufolge dem §. 101 folgende Fassung gegeben: „Der Angeschuldigte darf nur daun in Untersuhungshaft genommen werden, wenn dringende Verdachtëgründe gegen ihn vort,anden nd, und entweder er der Flucht verdächtig ist oder Tbatfachen vorliegen, aus denen zu s\chli-ßen ist, daß er Spuren der That per» nichten oder daß er Zeugen oder Mitshuldige zu einer fa!]den Aussage oder Zeugen dazu verleiten werde, sich der Zeugnißpflicht zu entziehen. Diese Thatsachen sind offenkundig zu machen. Dem . 105, 1 wurde folgende Fassung gegeben: „Ver BVerhastete Po, soweit möglih, von Anderen gesondert, und keinenfalls wider seinen Willen in demselben Raume mit Strafgefangenen vere wahrt werden." Jm Uebrigen wurde §. 109 na den Beschlüsien in erster Lesung, welche die Unannehmlichkeiten der Untersuhungshaft möglichst za mildern bezwecken, von Neuem genehmigt.

Landtags - Angelegeuheiten.

Dem Hause der Abgeordneten liegen na dem soeben aus- gegebenen Verzeichniß folgende n0och nicht erledigte Vor- Le Regtérnagtboilacen. 1) Uebersicht von den Staat8einnahmen und Ausgaben des Jahres 1874. 2) Vebersicht über den Fortgang des Bages und die Ergebnisse des Betriebes der Staatseisenbahnen in den Ihren 1873 und 1874. (In der Budzetkommission.) 3) Entwurf einer. Wegeordnung. (In der XI1. Kommission für den Geseßentwurf über die Zuständigkeit der Verwaltungs- und VerwoltungsgerichtbveiÖden.)

y Üebersicht über die Verwaltung der fiskalishen Bergwerke, Hütten

und Salinen im preußishen Staate im Jahre 1874. Koramissions- beriht. 5) Uebersicht üher den Fortgang und Staud der Staatt-

Eisenbahnbauten im Johre 1875. (In der Budgetkommission.) 6) Allgemeine Rechnung über den Staatthauehalt des Jahres 1873.