1876 / 144 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 21 Jun 1876 18:00:01 GMT) scan diff

gestellt, die Berathung und Abstimmung über diesen Para- graphen bis zum Schluß der Spezialberathung auszusegzen. Nach E furzen Geschäftsordnungsdebatte wurde dieser Antrag abgelehnt.

Den §. 1 empfahl die Kommission in folgender Fassung zur Annahme:

„Die gegenwärtige Städte-Ordnung kommt zur Anwendung :

1) in den Provinzen Preußea, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien und Sachsen:

a. in denjenigen Gemeinden, in denen zur Zeit die Städte- Ordnung vom 30. Mai 1853 (Gese - Sammi. S. 261) gilt, mit Einschluß der im §. 1 Absaß 2 dieser Städte-Ordnung er- R Ortschaften (Flecken) ;

. in allen Städten in Neu-Vorpommern und Rügen;

2) in der Provinz Westphalen in denjenigen Gemeinden, in denen zur Zeit die Städte- ordnung vom 19IMärz 1856 (Geseßz:Samml!, S. 237) gilt;

3) im Regierungsbezirk Wiesbaden in den Gemeinden Wies- baden, Homburg v. d. Höhe, Biebrich-Mosbach, (Fms und Limburg.

4) in der Rheinprovinz

in denjenigen Gemeinden, in denen zur Zeit die Städte- ordnung vom 15. Mai 1856 (Geseßz-Samml. S. 406) gilt.

Landgemeinden mit mehr als 3000 Einwohnern wird auf ihren Antrag die Städteordnung durch den Minister des Innern verliehen, Durch Königliche Verordnung kann nah An- bôrung des Kreistages und des Provinzial. Raths auch andern Landgemeinden auf ihren Antrag die Städteordnung verliehen oder einer Stadtgemeinde die Annahme der Landz¿emeinde- Verfassung gestattet werden. Daß dies geschehen, ist durch das Amtsblatt zur öffentlichen Kenntniß zu bringen.

Bis zum Erlaß einer neuen Landgemeinde-Ordnung kann die Verleihung der Städte-Ordnung für eine Landgemeinde in den Pro- vinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien und Sach- sen auf den Antrag von Gemeindemitgliedern nach Anhörung der Gemeinde von dem Provinzial-Rath beantragt werden.“

Hierzu beantragte Herr Bredt die Nr. 4, welhe fch{ch auf die Rheinprovinz bezieht, zu streihen. Bei der Debatte befür- wortete Herr Bredt seinen Antrag, während fich die Herren Brüning, v. Knebel-Döberiz, v. Voß, Becker (Dortmund), Rasch, v. Kleist-Rezow und Hobrecht, sowie dec Regierungs- kommissar Geheimer Ober-Regierungs-Rath Wohlers dagegen aussprachen. Bei der Abstimmung wurde der Antrag Bredt abgelehnt und die Fassung des §. 1 bei Schluß des Blattes nah dem Vorschlage der Kommission angenommen.

In der heutigen (71.) Sizung des Hauses der Abgeordneten, welher am Ministertishe der Minister des Innern Graf zu Eulenbvig, der Minister der geistlichen Ange- legenheiten Dr. Falk, der Handels-Minister Dr. Achenbach, der Minister für die landwirthschaftlihen Angelegen heiten Dr. Friedenthal und mehrere Regierungskommissarien beiwohnten, theile der Präsident mit, daß vom Handels-Minister ein Geseßentwurf, betreffend die Uebernahme der Zinsgarantie für die Prioritäten der Berlin-Dresdener Eisenbahn durh den Staat, eingegangen sei. (S. unter Land- tags-Angelegenheiten.) Ohne Debatte wurden angenommen in dritter Berathung der Gesezentwurf, betreffend die Reisekosten und Diäten der Mitglieder des Hauses der Abgeordneten, und der vom Herren- hause in veränderter Fassung zurücgelangte Geset- entwurf, betreffend die Veränderung der Grenzen einiger Kreise in den Provinzen Preußen, Pommern, Schlesien und Sachsen. Es folgte die Berathung des vom Herrenhause in veränderter Fassung gzurückgelangten Gesezentwurfs, betreffend die Befähigung für den

öheren Verwaltungsdiens. Den Ausführungen des

bg. Richter (Hagen) gegenüber, welher die Wiederherstellung \sämmiliher Beschlüsse des Abgeordnetenhauses, selbs auf die Gefahr hin, das Zustandekommen des Gesetzes zu gefährden, beantragte, legte der Regierungskommissar Geh. Regierungs- Rath Herrfurth dar, daß die Regierung die Be- \{chlüsse des Abgeordnetenhauses nah Kräften im Herrenhause vertreten habe, und daß fie die hervorgetreienen Differenzen niht für qualifizirt erachten könne, das Zustandekommen des Geseßes dur Aufrechterhaltung der Beschlüsse des Abgeordneten- hauses in Frage zu stellen, Der Abg. Witt befürwortete einen vom Abg. Löwenstein eingebrahten Vermittelungsvorschlag in Betreff der Anstellungsfähigkeit derjenigen Landrathsamts-Kandi- daten, welche kein Examen bestanden haben, worin \ih ihm Ahg. Windthorst (Meppen) anschloß. Nachdem sih noch der Abg. Windt- horst (Bielefeld) für das Amendement Löwenstein ausgesprochen, erklärte der Minister des Innern Graf zu Eulenburg si bereit, dasselbe beim Herrenhause zu vertreten. Jn der Spezialdebatte wurde zu 8. 5 der Antrag Richter auf Wiederherstellung des früheren Beschlusses des Abgeordnetenhauses, wonach die Re- gierungsreferendarien obligatorisch bei den Magistraten zu be- schäftigen sind, abgelehnt, nachdem der Regierungskommissar, Geheimer Regierungs-Rath Herrfurth, erklärt hatte, daß, wenn auch im Geseze die Beschäftigung der Regierungsreferen- darien bei den Magistraten nur fakultaciv ausgesprochen sei, doch das demnächst zu erlassende Regulativ diese Beschäftigung als Regel vorschreiben werde. Zu §. 10, die Qualifikation der Landräthe betreffend, wünschte der Abg. Wen- dorf die Wiederherstellung der früheren Beschlüsse des Hauses, weil der Landrath sonst nicht den Anforderungen eines Vor- sißenden eines rihterlihen Kollegiums, den er nach den neuen Selbstverwaltungsgeseßen einnehme, genüge, einer Auffassung, welcher der Minister des Innern, Graf zu Eulenburg, entgegen- A. Nachdem der Abg. Löwenstein seinen Antrag, welcher autet :

«Diejenigen Personen, welche von einem Kreistage zur Be- seßung eines erledigten Landrathamts vorgeschlagen, beziehungéweise iet werden, sind auch dann für befähigt zur Bekleidung dieser

andrathsstelle zu erachten, wenn sie die zweite juri|stishe Prüfung abgelegt haben, oder wenn sie nach bestandener erster Prüfung bei den Gerichts- und Vexrwaltungsbehêcden im Vorbereitungsdieust, oder wenn sie auch ohne die erste Prüfung abgelegt zu hahen in Selbstverwaltungsämtern des Kommunal-, Kreis- und Provinzial- dienstes zusammen mindestens vier Jahre beschäftigt gewesen sind.“ befürwortet und der Abg. Richter (Hagen) denselben bekämpft atte, wurde derselbe abgelehnt und der frühere Beschluß des bgeordnetenhauses wiederhergestellt. Dagegen wurde bei 8. 13 der Antrag des Abg. Richter (Hagen) auf Wiederherste ung der früheren Fassung Erhöhung der Dauer der Be- gung für die Kandidaten des höheren Verwaltungsdienstes einer Auseinanderseÿungsbehörde von drei auf fünf Jahre abgelehnt und der Besu) des Herrenhauses bestätigt. Das S ging hierauf bei Schluß des Blattes zur Berathung von etitionen über.

Der Reichskanzler hat dem Bundesrathe die vom Königlih preußishen bezw. vom Königlih bayecishen Kriegs- Ministerium aufgestellten Uebersihten der Ergebnisse des

den Bezirken des 1. bis ein\hließlih XV. Armee-Corps aus- gehoben 117,245 Mann. In den Restantenlisten werden geführt 1,043,517 Mann, davon unermittelt 30,473, ohne Entschuldigung ausgeblieben 104,389 Mann; anderwärts gestellungspflihtig ge- worden 203,756 Mann, zurückgestellt 385,420 Mann; aus- geshlossen 838 Mann. ausgemustert 42,819 Mann; der Ersatz- Reserve 1. überwiesen 71,297 Mann ; der Ersaßz-Reserve [l]. über- wiesen 57,357 Mann ; der Seewehr 11. überwiesen 366 Mann, überzählig geblieben sind 15,068, freiwillig eingetreten 14,489 Mann. Vou den Ausgehobenen kamen auf das Heer zum Dienst mit der Waffe 112,298, zum Dienst ohne Waffe 3152; auf die Flotte aus der Landbevölkerung 677 Mann, aus der seemännishen Bevölkerung 1118 Mann. Wegen unerlaubter Auswanderung wurden verurtheilt 15,825 Mann und von der seemännischen Bevölkerung 714 Mann. In Unter- suhung befinden sch noch wegen unerlaubter Auswanderung von der Landbevölkerung 16,429 und von der \eemännishen Bevölkerung 783 Mann. In Bayern wurden in den alpha- betishen und Reftantenlisten geführt 94,231 Mann ; ausgehoben wurden 17,846 Mann und zwar für das Heer zum Dient mit der Waffe 17,337 Mann, zum Dienst ohne Waffe 509. Wegen unerlaubter Auswanderung sind verurtheilt 912 Mann, am Schluß des Jahres 1875 in Untersuchung 486 Mann.

Nah den in der gestrigen Nr. d. Bl. erwähnten neuen Bestimmungen über Kapitulationen müssen Mannschaften, welche freiwillig im aktiven Dienste verbleiben wollen, mit dem betreffenden Tcuppentheil oder der betreffenden Behörde einen \chriftlihen Vertrag (Kapitulation) abschließen, durch welchen fie sich zum Weiterdienen auf eine bestimmte Zeit, in der Regel au ein Jahr, verpflihten. Ueber den Abschluß einer Kapitulation if von einem Offizier eine Verhandlung nach einem gegebenen Formular aufzunehmen und diese von dem an der Spige des Truppentheils, be- ziehungsweise der Behörde stehenden Vorgeseßten zu bestätigen. Die Kapitulation kann in folgenden Fällen vor Ablauf der Ka- pitulationszeit aufgehoben werden: 1) durh den Truppentheil, sobald der Kapitulant in die zweite Klasse des Soldatenstandes verseht, oder degradirt, oder sobald er zu einer Freiheitsstrafe von sechs Wochen oder zu einer höheren Strafe verurtheilt wird ; 2) durch das General - Kommando auf Grund einer Ueberein- kunft zwischen dem Truppentheil und dem Kapitulanten, wenn die häuslihen Verhältnisse desselben seine Enilassung dringend wünschenswerth machen, oder wenn hei fortgeseßt s{hlechter Führung des Kapitulanten durch dessen längeres Verbleiben im Dienste das Interesse des Truppentheils geshädigt wird. Als Kapitulanten dürfen nur solhe Personen angenommen werden, durch welche ein wesentliher Nuzen für den Dienst zu erwarten ist. Diejenigen, welhe eine Kapitulation abschließen wollen, müssen großjährig sein, d. h. das 21. Lebensjahr vollen- det haben. Wollen fie vor erlangter Großjährigkeit eine Kapitu- ation abschließen, so haben sie die \riftlihe und beglaubigte Zustimmung ihres Vaters oder Vormundes herbeizuführen. Mit Mannschaften, welche Truppentheilen und Instituten derselben Garnison angehört haben oder zu solchen kommandirt waren, darf Seitens anderer Truppen- theile derselben Garnison eine Kapitulation nicht früher abgeschlossen werden, als ein Jahr nach * ihrer Entlassung vom Truppentheile, beziehungsweise nah Ablauf ihres Kom- mandos. Cine Ausnahme isst nur gestattet, wenn der bisherige Truppentheil des Betreffenden feine Zustimmung zu einer frü- heren Kapitulation ‘ertheilt. Mit Mannschaften, welche unter Doppelrechnung dér Kriegsjahre zwölf Jahre und länger aktiv gedient haben, is kein Kapitulationsvertrag mehr abzuschließen. Es können auch Kapitulationen auf eine bestimmte, jedo drei Monate nicht übersteigende Kündigung geshlossen werden. Ley- tere steht jedoch nur den Truppcntheilen zu.

Nach Vorschrift des §. 7 Nr. 6 der General-Synodal- ordnung vom 20. Januar 1876 sollen bis zur anderweiten kirchengesezlihen Regelung der Disziplinargewalt bei Dienst- vergehen der Superintendenten, Geistlihen und nie- deren Kirchendiener auf das förmlihe Disziplinar- vecfahren, so wie auf die vorläufige Dienstenthebung die Be- stimmungen der 88. 22, 23 Nr. 1, 24, 27, 28, 31 bis 45 und 48 bis 54 des Gesetzes vom 21. Juli 1852 mit dec Maß- gabe zur Anwendung kommen, daß die in dem genannten Ge- seße dem Disziplinarhofe und den Provinzialbehörden beigelegten Befugnisse von dea Provinzial-Konfsistorien nah den für das Verfahren bei den Provinzialbehörden vorgeschriebenen Bestim- mungen zu üben sind, die dem Disziplinarhof beigelegte gut- ahtlihe Thätigkeit fortfällt und die Zuständigkeit:n des Ministe- rial- bezieungsweise Staats - Ministerialressorts dem Evan- gelischen Ober - Kirchenrathe zukommen. In Folge dieser Uebertragung von Bestimmungen des s\taatlihen Geseßes über das förmlihe Disziplinarverfahren auf das kirchliche Ge- biet ift nunmehr aud auf diesem ein nach den Grundf\ägen des Anllageprozesses und der Mündlichkeit geordnetes Unter- \uhungsverfahren zur Einführung. gelangt. Die entscheidende Disziplinarbehörde is bei Prüfung der erhobenen Beweise fortan nit mehr an die in der Kriminal-Ordnung vom 11, Dezember 1805 aufgestellten Beweisregeln gebunden, die Grundlagen für ihr Urtheil über die Schuldfragen bilden nicht mehr allein die \hriftlihen Untersuhungsverhandlungen und in das Verfahren tritt cin Vertreter der Anklage mit der amtlihen Verpflihtung ein, das öffentliche Interesse bei den zu fällenden Disziplinar- Entscheidungen wahrzunehmen, zu welchem Behufe demselben

die “Cel zur Einlegung der Berufung gegen die erstinstanz-

liche Entscheidung beigelegt is. Die Normen, deren es für die Ausführung bedarf, find theils dur die auf das kirhlihe Ge- biet übertragenen Vorschriften des Disziplinargesches selbst, theils dur die ihre kirhlihe Anwendung regelnden Bestim- mungen der General-Synodalordnung a. a. O. bestimmt. Der Evangelische Ober-Kirchenrath hat, um die Orientirung in dem Inhalte der neuen Ordnung zu erleihtern, die betreffen- den jeßt maßgebenden Bestimmungen zu einem Ganzen verbinden Iu für den firchlichen Gebrauch übersichtlih zusammenfassen afen.

Die in der heutigen Börsen-Beilage abgedruckte tabel- larishe Uebersicht der Wohen-Ausweise der deutschen Zettelbanken vom 15. Juni {ließt mit folgenden summa- rischen Daten ab: Der Kassenbestand der 19 Institute der Tabelle betrug insgesammt 781,311,000 M (gegen die Vor- woe + 9,352,000 H), der Wechselbestand 643,600,000 M (+8604 6); die Lombardforderungen mit 91,263,000 haben sich um 273,000 A6 vermindert; der Notenumlauf von 911,535,000 6’ zeigt gegen die Vorwoche eine Zunahme von 29,893,000 /6 Die täglich fälligen Verbindlichkeiten im Betrage von 218,340,000 /6 haben sich um 432,000 A und die mit

Der Königliche Gesandte Freiherr von Werthern if} von dem ihm Allerhöchst bewilligt gewes nen Urlaube nah München zurückgekehrt und Hat die Leitung der Koniglichen Gesandtschaft wieder übernommen.

Der General-Lieutenant von Wartenberg, Comman-

häuser Wahlstatt und Potsdam hierher zurückgekehrt.

Württemberg. Stuttgart, 19. Juni. Kammer genehmigte heute bis zum Shluß des Blattes die Regierungsexigenz von 852,840 4 für Erweiterung des Kunst- gebäudes und Erbauung einer neuen Kunsishule in Stuttgart mit 68 gegen 10 Stimmen, nachdem Baumgärtner, v. Morlok, Schwandner, Probst, Prof. v. Lübke, Finanz-Minister v. Renner, der Kultus-Minister v. Geßler, Elben (Cannstatt) für, Bucher und Retter gegen die Exigenz gesprochen.

_Sessen. Darmstadt, 20. Iuni. Der Antrag der Majorität des Finanzaus\chusses auf eventuelle Auf-= hebung des Polytehnikums wurde heute von der Zweiten Kammer mit 29 gegen 18 Stimmen abgelehnt. Der am. nächsten Sonntag (25. d. M.) in Gaubickelheim stattfindenden Provinzialversammlung der national-liberalen Partei wird, nach einer Mittheilung des „Frankf. Journ.*, eine wei= tere am 9. Juli auf der „Waldeck“ (Ober-Ingelheim) folgen, welche a1.f Wunsch des dabei ersheinenden Reichstagsabgeordne= ter Dr. L. Bamberger veranstaltet wird.

Der Landesaus\huß der hess\sihen-Protestanten- Vereine erläßt unter dem 12. d. M. eine Einladung zu einer auf den 26. Juni hierselb abzuhaltenden Versammlung behufs „Besprehung der dermaligen kirchlihen Lage des Landes, der zunächst durch die Kirchensteuer hervorgerufenen Bewegung und der Mittel und Wege, dieselbe zu einem gedeihlihen Ziele zu führen.“

21. Juni. (W. T. B.) In der heutigen Sigzung der Zweiten Kammer brachte der Abg. Frhr. Nordeck zur Ra- benau einen Antrag ein, dahin gehend, die Kammer möge be- \{hließen, die Regierung aufzufordern, die auf eine wirksame Durchführung des Art. 7 der Reihsvérfas\ ung gerichteten Bestrebungen des Reichskanzlers im Bundesrathe kräftig unter- flüßen zu lafsen, mag diese Durchführung dur Herstellung eines einheitlihen Reihseisenbahnneyes oder durh andere Kombinationen berbeigeführt werden.

_ Meelenburg. Schwerin, 19. Juni. Die Herzogin Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin hat sid zu längerem Sommeraufenthalte nah Tegernsee in Bayern begeben.

Die „Mecklenb. Anzeigen“ erwähnen eines in Schwerin umlaufenden Gerüchtes, daß „in Folge der wich- tigen Veränderungen, welhe im Schooße der höchsten kirchlihen Behörden vor sich gehen sollen,“ der Su- perintendent Karsten daselbst fortan niht mehr predigen werde. Dem gegenüber versichert das genannte Blatt, daß diese Besorg- niß ganz unbegründet sei, Karsten werde zwar ebenso wie der Ober-Kirhenrath Schliemann zu Michaelis in den Ruhestand treten, aber damit der Kanzel noh nicht ganz entsagen.

Bremen, 18. Juni. Die hiesige Handelskammer hat den Senat ersucht, die Wiedergufzahme der Verhandlungen mit Amerika wegen eines Vertrages zum Schußye der Aus- wanderer anzuregen. Sie ist, den „H. N.“ zufolge, dazu hauptählich veranlaßt worden durch einen im Senat zu Washington eingebrahten Gesezentwurf, betreffend die Controle des Auswanderer-Beförderungsgewerbes.

__Desteereich- Ungarn. Wien, 20. Iuni. (W. T. B.) Die Begegnung des Kaisers Alexander mit dem Kaiser von Desterreih auf dem Schlosse Reichstadt wird, wie die „Politische Korrespondenz“ meldet, am 8. Juli stattfinden. Viel- leiht wird, derselben Quelle zufolge, auch Kronprinz Rudolf den Kaiser von Rußland in Reichstadt begrüßen. Fürst Gort- \hako} tritt demnächst eine Urlaubsreise nah der Schweiz an.

Wie die „Pr.“ erfährt, hat Graf Andrassy nah dem Ableben des Frhrn. v. Holzgethan die Leitung des gemein- samen Finanz-Ministeriums bis auf Weiteres über- nommen. Ueber die Dauer dieses Provisoriums sei vorläufig nichts bestimmt.

Die gestrige „Wiener Zeitung“ meldet die Ernennung des Minifterial-Rathes Dever zum Sektionshef und Genera l- Direktor für Post und Telegraphen.

21. Inni. (W. T. B.) Das „Armee - Verordnungs- blatt“ bestätigt, daß der Kaiser das von dem Reichs- Kriegs-Minister v. Koller Krankheitshalber erbetene Entlassungsgesuch angenommen und den Grafen Byland+-Rheidt, unter Verleihung der Würde eines Ge- heimen Raths, zum Reichs - Kriegs - Minister ernannt hat. Das genannte Blatt veröffentliht ferner ein Handschreiben des Kaisers an den Reihs-Kriegs-Minisfler v. Koller, in welchem demselben anläßlih der bewilligten Verseßung in den Ruhestand, als Zeichen der dankbaren Anerkennung seiner um den Kaiser und das Heer erworbenen großen Verdienste das Großkreuz des St. Stephans-Ordens verliehen wird. Der Kaiser hat dem Chef des Generalstabes, FML. Schönfeld, die Würde eines Geheimen Raths verlichen.

Prag, 20. Juni. Zur Kennzeihnung der Situation im. czehishen Lager is bemerkenswerth, daß das in Raudnigz erscheinende czehishe Blatt „Rzip“ den passiven Widerstand verurtheilt, zur verfassungsmäßigen Aktivität auffordert und sih gegen die in den altczechischen Organen ausgestreuten Unwahr- heiten verwahrt, daß der Gedanke einer Ausföhnung der Parteien im czehishen Lager von Wien aus herrühre.

Triest, 19. Juni. Zufolge Befehles des Marine - Ober- fommandanten, Vize - Admirals Baron Pöck, wird, wie die „Triester Zeitung“ meldet, der Transportdampfer „Gargagno“ als Truppenspital\chiff sofort eingerihtet und wurden hierfür- 21,000 Tl. angewiesen. Dieses Schiff, welches bereits im Iahre 1369 zu ähnlichem Dienste bestimmt war, hat ein Tonnen- deplacement von 1380 Tons, nominelle Pferdekraft von 270, ist mit zwei leiten Geshüßen armirt, hat eine Bemannung von 87 Personen und können außerdem 300 Kranke darauf mit aller Bequemlichkeit untergebraht werden. Zum Kommandanten wurde der Fregattenkapitän Beck ernannt. Der „Bargagno“, gegenwärtig unter die Schiffe zweiter Reserve im Kriegshafen zu Pola Cg wird im Laufe zweier Wochen sih dem Ge- \{chwader des Contre-Admirals Barry anschließen.

Klagenfurt, 18. Iuni. In der gestrigen Gemeinderaths-- sung wurde der Reichsraths - Abgeordnete Gabriel von

Heeresergänzungsgeshäftes im Reihsgebiete für 1875 vorgelegt, Nach denselben find in der gedachten Beil in

einer Kündigungsfrist verbundenen Verbindlichkeiten in Höhe von 159,431,000 /6 um 2,260,000 6 vermindert.

Jessernigg zum Bürgermeister der Landeshauptstadt: Klagenfurt gewählt,

deur des Kadetten-Corps, ist von der Inspizirung der Kadetten=

Die Zweite

Pest, 20. Juni. (W. T. B.) Der ungarische Reichs - tag ist bis zum 28, September c. vertagt.

Schweiz, Bern, 20. Juni. Der Nationalrath be- \{chloß auf Antrag der Kommission, der Bundesrath solle ohne Genehmigung der Bundesversammlung keine Erklärungen mit dem Auslande austauschen.

Belgien. Brüssel, 21. Iuni. (W. T. B.) Nah hier eingegangenen Nachrichten find auch in Loewen größere Un- ruhen ausgebrochen. Es haben feindlihe Kundgebungen gegen die Studirenden der liberalen Partei stattgefunden. Die Vor- lesunger auf der Universität sind unterbrohen. Die Bürger- garde ist zusammengezogen worden.

Großbritaunien und Jrland. London, 19. Juni. Die „Times“ bestätigt, daß Midhat Pascha die er- wünschte Gelegenheit zur Einführung von europäischen Staatseinrichtungen in das System des Islam nun ge- wonnen habe und sieht mit Interesse dem Ergebniß des Ver- \suches entgegen. „Lord Derby's Antwort“, heißt es weiter, „stellte unsere Position dem Sultan und seinen Tributpslichtigen gegenüber klar. - Wir glauben, daß der geradeste Weg zu einer Erledigung und zum Frieden in der Rihtung zu finden ist, daß man den Sultan und seine Unterthanen in Ruhe läßt. Falls er fie niht niederzuhalten vermag, könntie jeder Versuch, ihre Ketten für ihn wieder zusammenzunieten, nur zu zeit weiliger Begründung gespannter Beziehungen führen, ohne daß ein Gleichgewicht herzustellen wäre. Midhat Pascha thue sein Bestes. Wir werden unser Mögliches thun, zu sorgen, daß er freies Feld für sein Experiment behält. und wir werden dasselbe mit Sympathie, wenn auch niht mit den lebhafteften Empfin- dungen der Hoffnung beobachten.“ :

General Prado, der Präsident von Peru, kchrte nah mehrwöchentlihem Aufenthalt in England am 17. d. an Bord des westindishen Postdampfers „Don“ nach Peru zurü.

Die Regierung von Indien hat dem Gouvernement von Madras und mehreren Beamten desselben für die \{hnelle Unterdrückung der jüngsten Unruhen zu Bustar Dank ah- gestattet. Der Khan von Khelat ist am 21. lezten Monats im Lager des Obersten Sandeman zu Mastang eingetroffen, begleitet von einer Abtheilung einheimisher Kavallerie, die thm entgegengeshickt wordea war. Die Unterhandlungen wegen beständiger Freihaltu'g des Balan-Passes machen gute Fort- \hritte; neuerdings ist eine Karawane wohlbehalten über den Paß gezogen.

Der Bischof und die ganze Geistlichkeit der Insel Barbados haben an den Kolonial-Minister eine Denkschrift, betreffs der unlängst auf der Insel staitgehahten Unruhen, ein- gesandt. Es werden in diesem Schriftstücke indirekt dieselben Anklagen gegen den Gouverneur der Insel ausgesprochen, welche von anderen Seiten unumwunden gegen ihn vorgebracht worden sind. :

Fraukreich. Paris, 19. Juni. Noch füllt Buffets Name alle Blätter und erregt die öffentlihe Meinung. Die Organe der Rechten bemühen sich zu beweisen, daß diese Wahl gar keine Bedeutung habe; der Senat habe nur einem talent- vollen Manne gegenüber seine Schuldigkeit gethan und ihn jetzt gewählt, während es \chon früher hätte geshehen sollen. Da aber diese Wahl den ersten und nächsten Erfolg gehabt, daß sih die Linke und die Kammer enger an die Regierung \{chließen, so nennt das „Journal des Debats“ den Sieg des Senats einen Pyrrhus-Sieg und hofft, daß das Kabinet aus diesem Kampfe, in dem die Monarchisten des Senats zuerst einen Sieg davon getragen, flärker als vorher hervorgehen werde. Das Waddingtonsche Gesey über den öffentlihen Unterricht werde über die Anhänger der Regierung das rehchte Maß ab- geben ; ihre Gegner werden es im günstigsten Falle zum Gleih- gewick,t bringen, und dazu sei nöthig, daß kein Orleanist des früheren rechten Centrums \ich dem Einfluß der Geistlichkeit entziehe, was doch nit sehr wahrscheinlih sei. An eine Minister- krisis, die man H aus dieser Veranlassung vorhersagen wollte, ist nicht mehr zu denken. Vielmehr sieht man als ein Zeichen der Einigkeit des Kabinets und als eine Artwort des Ministeriums auf die Haltung des Senats die neuesten Personaländerungen in den Präfekturen an. Die liberalen Kreise sind auch volllommen damit einverstanden, die Ilerikalen aber mahen dem Minifterium sein Verbleiben im Amte zum Vorwurf.

Der Generalstab hat nunmehr die große Karte von Frankreich beendet, die vor 42 Iahren unter der Direktion des gelehrten General Pelet angefangen worden war.

Versailles, 20. Iuni. (W. T. B.) In der heutigen Sigung der Deputirtenkammer wurde der Gesehentwurf, betreffend die Aufnahme einer Anleihe der Stadt Paris im Betrage von 120 Millionen Francs genehmigt. Im wei- teren Verlaufe der Sizung legte der Berichterstatter der mit der Prüfung der Wahl des Kapitäns Mun in Pon- tioy beauftragt gewesenen Kommission, Turquet (von der Linken), ' seinen Bericht vor, in welhem beantragt wird, die Wahl wegen der von fklerikaler Seite ausgeübten Wahlbeein- flufsung für ungültig zu erklären. Die Diskussion über den Antrag wird später stattfinden. |

In parlamentarischen Kreisen nimmt man an, daß die Kammern um die Mitte des nächsten Monats vertagt werden und erst im November wieder zusammentreten würden, um als- dann die Budgetvorlage zu berathen.

20. Juni. Das Organ Gambetta's, die „Republique Frangçaise“ unterzieht die Haltung des Herzogs Decazes in der orientalischen Frage einer verwerfenden Kritik und befür- wortet eine Allianz zwischen Frankreich und England.

Spanien. Madrid, 20. Iuni. (W. T. B.) Der Senat hat das Amendement Silva's, betreffend die vollständige Ab- tene der Fueros, mit 111 gegen 24 Stimmen ab- gelehnt.

Italien. Rom, 20. Juni. (W. T. B.) Das Finan z- Ministerium hat gestern die Ab\haffung des Affidavits bei der Bezahlung der Coupons der italienishen Rente im Auslande beschlossen, jedoch nur für die Rentencoupons im Betrage von 5 bis 100 Lire. Bei der Bezahlung der Coupons im Betrage von über 100 Lire bleibt das Affffidavit obligatorisch.

In der Deputirtenkammer wurde am 13. der Be- riht des Abgeordneten Busacca über das Definitivbudget der Staatseinnahmen des Jahres 1876 vertheilt, welche nach dem Voranschlage des Ministeriums 1,392,023,266 Lire 38 Cts. und nah der Kommission 1,393,467,766 L. 38 Cts. betragen, nämlich: 182,903,834 L. 15 Cts. Grundsteuer, 180,826,878 L. 56 Cts. Einkommensteuer vom beweglichen Eigenthum, 78,525,895 L. 11 Cts. Mahlsteuer, 147,301,510 L.

ministerieller oder 148,338,010 L. Kommissionsvoranschlag der Geschäftsfieuer und von Eigenthumsübertragungen 3,210,989 L. 66 Cts. Fabrikationssteuer, 106,000,000 L. Grenzzölle, 69,353,757 L. Konsumationssteuern, 167,500,000 L. Patent- steuer, 77,254,635 L. Lotterie-Ginnahme, 83,666,505 L. Post, Eisenbahn und Telegraphen, 83,566,505 L. dito Kommissions- voranshlag, 74,185,128 L. Einkünfte aus Staatsdomänen, 73,993,128 L. dito Kommissionsvoranschlag, 7,750,991 L. even- tuelle zufällige Einnahmen, 8,450,991 L. dito Kommissionsvor- anschlag, 90,877,291 L. Rückzahlungen, 75,424,755 L.. außer- ordentlihe Einnahmen, 47,241,100 L. Einkünfte yon Kirchen- gütern. e

Türkei. Das „Wiener Frdbl.“ erklärt, daß in Wien in kompe- tenten Kreisen von einer steigenden Aufregung in Konstantinopel und von der Rolle, welhe dem Prinzen Jussuf Izzedin zuge- schrieben wird, nichts bekannt geworden sei.

Die Presse von Konstantinopel erörtert die Idee einer Volksvertretung. „Sadakat“, „Sabah“, „Jstihbal“ und „Valkit“ sind die vier journalistischen Vorkämpfer der konstitu- tionellen Jdeen. Der alttürkishe „Bassiret“ giebt zwar zu, daß das bisherige absolute Regiment schädlid) gewesen sei und ein Ende haben müsse, aber er fordert die Beibehaltung und Anwendung der Vorschriften des religiösen Geseßbuches (Cheriat) auf die künftige Nationalversammlung. Der „Bassiret“ nimmt für jedes Vilajet drei, für die Hauptstadt sechs Abgeordnete mit dreijähriger Mandatsdauer in Anspruch, die während der- selben weder eine Stelle noch einen Orden annehmen dürfen und nicht wieder wählbar sein sollen. Die jungtürkischen Parteiführer, wie Kemal Bey, Midhat Esendi, Tevfik Bey und Andere, die unter der Regierung des Sultans Abdul Aziz in Rhodus und Cypern internirt worden waren, sind nach Kon- ftantinopel zurückgekehrt.

Wie der „Standard“ aus Konstantinopel erfährt, soll die türkische Flotte untex Hobart Pascha, bestehend aus acht Schiffen ersten Ranges in acht Tagen zu einer Erpe- dition nah Kreta abgehen. Die Arbeiten an dem in Konstantinopel im Bau beg:-iffenen neuen Panzerschisse, sowie an den beiden Fahrzeugen, welche an der Themse für die Pforte gebaut werden, sollen deranächst eingestellt werden. Der „Messondich“, das leßte bei London für die Türkei gebaute mächtige Panzerschiff ist bestimmt, verkauft zu werden.

Aus Rust\chuëf, 15. Juni, wird der „Politishen Korre- \pondenz“ gemeldet: Der bulgarishe Aufstand ift seit einigen Tagen im entschiedenen Niedergang begriffen. Die von den tür- kishen Truppen nicht erreihten Insurgentenbanden existiren nur noch im Gebirge, wo sie von starken Truppenkordons cer- nirt find. Nah Versicherung der l era bulgarischen Landes- zeitung „Tuna“ is das Land, mit Ausnahme, der Distrikte von ZTatar-Bazardjik und Trnowa, von den Insurgenten gesäubert. Wie derselben Correspondenz aus Bukarest gemeldet wird, ist am 14. das daselbst seit etwa 10 Jahren bestandene sogenannte „bulgarische revolutionäre Centralcomité“ von der rumänischen Regierung aufgel® |st und die Neugründung aller derartigen Vereine, deren Thätigkeit auf die Störung der Ruhe in benachbarten Ländern gerichtet is, \trengstens unter- sagt, 250 wohlbewafnete Bulgaren, die im Begriff standen, die Grenze zu überschreiten, ergriffen und internirt, sowie die hervorragenden Agitatoren, darunter Karawelo}, verhaftet wor- den. Gleichzeitig erging der Befehl an alle Civil- und Militär- behörden längs der Donaugrenze, die größte Wachsamkeit zu Üben und keine bewaffneter. Individuen die Grenze passiren zu lassen. Die fürstlihe Regierung versicherte, vom rumänischen Boden aus werden keine Banden mehc die Ruhe in Bul- garien stören.

Mostar, 20. Juni. (W. T. B.) Offizieller Mittheilung zufolge ist Moukhtar Pascha ohne irgend welchen Zusammen- ftoß mit: den Insurgenten in Niksic eingerückt.

Die Proklamation, welhe der Vali der Herze- gowina Ali an die Insurgenten erlassen hat, lautet nach der Ucebersezung der „Posl“ wie folgt:

S«c. Majestät der Sultan Murad V. 2c. hat allergnädigst geruhr und in seiaem Großmuthe erklärt, daß er nur solhe Maßregeln tref- fen werde, welche von seinex Großmuth seinen Unterthanen gegenüber nicht anders zu erwarten sind.

Besonders gnädiglih wird Se. Majestät seine Unterthanen von Bosnien und der Herzegowina ansehen, welche sich auf dem sündlichen Pfade der Jusurrektion befindey, diesen gewährt Se. Majestät rie volle Amnestie und schen?t ihnen 6 Wochen Zeit, bei den Behörden die Ana anzumelden und die Großmüthigkeit des Sultans

u preisen. ' Pon den B:hörden werden alle Maßregeln getroffen werden, welche für die Sicherheit und vie Eristenz der Familien Sorge tragen werden.

Auch ist den Befehlshabern der Truppen die Ordre zugegangen, ihre Operatioaen mit Âusnahme der Vecprovianti-: ung der Festung ae welche der Ernährung wegen stattfinden müssen —- zu unter-

rechen.

R Namen des Sultan theile ih Allen diese Kaiserliche Gnade mit und gebe hiermit den großmüthigen Gefühlen Ausdruck, welche Se. Majeftät für alle seine Unterthanen hegt.

Mostar, 29, Mai (10. Juni) 1876.

Ler Vali des De Herzegowina. l.

Dänemark. Kopenhagen, 20. Juni. (W. T. B.) Die der Linken angehörige Majorität der mit Vorberathung der Wehrvorlage beauftragten Kommission des Folkething hat die Erledigung der Angelegenheit dur . eine Tagesordnung beantragt, in welcher der von der Linken des vorigen Folkething gestellte Antrag, der die Auflösung des Folkething herbeiführte, wiederholt wird. Gleichzeitig hat die Linke ein Mißtrauens- votum gegen das Ministerium eingebraht, Die Berathung der Wehrvorlage im Folkething ist auf nähsten Donnerstag fest- gesetzt.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 20. Juni. Heut morgen starb hierselbst nach längerem Leiden der Herzog Georg von Mecklenburg-Streliÿ. Derselbe, ein jüngerer Bruder des regierenden Großherzogs Friedrih Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz, wurde am 11. Januar 1824 geboren und vermählte sich am 16, Februar 1851 mit der Großfürstin Katha- rina (Tochter des verstorbenen Großfürsten Michael und der jetzt ebenfalls verstorbenen Prinzesfin Helene von Würtemberg). Er war Kaiserxlih russisher General der Artillerie und General- Adjutant, auch Inspektor sämmtiicher Schüßen-Bataillone. Es überleben ihn drei Kinder: die Herzogin Helene, geb. 16. Januar 1857, der Herzog Georg Alexander, geb, 6. Juni 1859 und der Herzog Carl Michael, geb. 17. Juni 1863. Herzog Georg, der mit seiner Familié abwechselnd in St. Petersburg und auf seinem Schlosse Remplin bei Stavenhagen in Mecklenburg- Schwerin lebte, is seiner am 1. Juni verstorbenen Schwester Herzogin Caroline {chnell im Tode gefolgt.

Ein Telegramm der „Ag. Russe“ aus St. Peters- burg, vom 20. Abends charakterisirt die Lage dahin, daß die Großmächte es der neuen türkischen Regierung überlassen, „dur alle Mittel“ die Heilkraft der versprohenen Reformen zu erweisen. In diesem Sinne und in allseitiger Ueberein- ftimmung vertagen sie die Ueberreihung der zurückgehaltenen Note, „halten aber ihr Einverständniß fest aufrecht.“

Ameri?a. Washington, 20, Iuni. (W. T. B.) Der Senat hat beschlossen, den Prozeß gegen den chetnaligen Kriegs-Minister Belknap bis zum 6. Juli zu vertagen.

21. Juni. (W. T. B.) Ueber die streitige Auslegung des zwishen England und Amerika abgeschlossenen Aus- lieferungsvertrages in einem besonderen Falle hat der Pr ä- sident Grant dem Kongresse gestern eine Spezialvot\schaf,t zugehen lassen, in welcher er erkkärt, daß er die nunmehr Seitens Englands erfolgte Freilassung des betreffenden, von Amerika reflamirten Individuums als einen Bruch des Auslieferungs- vertrages betrachten müsse. Er halte es demgemäß für unver- einbar mit der Würde Amerikas, fernerhin die Auslieferung eines Flüchtlings zu verlangen oder in eine solhe zu willigen ; er werde dies niht thun, es \ci denn, daß der Kongreß einen formellen Wunsch deshalb zu erkennen gebe.

Landtags- Angelegenheiten.

Berlin, 21. Juni. In der gestrigen Sizung des Hauses der Abgeordneten ergriff in der Generaldiskussion über den Gesetzentwurf, betreffend die Bewilligung von Staatsmitteln zur Beseitigung der durch die Hoch- wasser im Frühjahr 1876 herbeigeführten Verheerungen und gemeingefährlihen Zustände, der Minister für die landwirth- \chaftlihen Angelegenheiten Dr. Friedenthal nach dem Abg. v. Bonin das Wort:

Ich fühle mich verpflichtet, bei dem großen Interesse, welches diese Angelegenheit im Lande erregte, und gegenüber den Fragen, die der erste Herr Redner an mich gerichtet hat, mit einigen Worten auf diz Sache einzugehen. Jch stche derselben völlig unbefangen gegenüber. Die Arlagen, über die hier Beschwerde geführt wird, sind zu einer Zeit selbst beschlossen worden, die lange Jahre vor meiner Amtsüber- nahme lag, und waren der Hauptsache nach beendet, ehe ich mein Amt antrat. Ich habe mit denselben nur in den allerleßten Stadien zu thun gehabt, als in der Hauptsache nihts zu ändern war, und sind auch auf Aenderungen gerichtete Anträge während meiner Amtsfüh- rung Seitens der durch die leßte Ucbe:fluthung Geschädigten nicht aa mich gelangt. Jch bemerke ausdrücklich, daß das ohne Antwort ge- bliebene Gesuch, von dem der erste Herr Redner sprach, vor langer Zeit, ih glaube, im Jahre 1860 oder 1861 eingegangen ist und niht erst in näher gelegener Zeit. Jch bemerke ferner, daß, was die Vorgänge bei der Uebersluthung selbst be- trifft, dem landwirthschaftlichen Ministerium daraus auch fein Verwurf gemacht werden kann, da es wohl nichts Ungeeigneteres geben würde, als wenn man von der Centralitelle aus bei derartigen Naturereignissen, in ckenen ein sofortiges lofales Einschreiten noth- wendig ist, mit speziellen Anordnungen eingreifen wollte, Anordnun- gen, die in vielen Fällen Resultat haben müßten, die mit speziellen Befugnissen aus8gerüsteten Behörden in dem irre zu machen, was im Augenblick geschehen muß. Jch bemerke in dieser Beziehung, daß ih meinerseits an die bei Strömen betheiligten Regierungen im Januar eine Verfügung erlassen habe, worin ich fie darauf aufmerksam machte, daß bei dem in Aussicht stehenden Eisgange und Hochwasser sie gut thun würden, alle erforderlichen Vorsichtsmaßregeln zu treffen. Das vorausgeschickt, bemerke ih, was die Sache selbst betrifft, daß die Königliche Staatsregierung ihre Pflicht in vollem Maße erkannt hat, unmittelbar, nahdem die Dammbrüche und Uebershwemmungen eingetreten waren, eine genaue Untersuchung über den Sachverhalt eintreten zu lassen, Es ist zu diesem Behufe eine Immediatkom- misfion eingeseßt worden, bestehend aus Mitgliedern verschiedener Ministerien und zwar aus solhen Mitgliedern, welche niemals mit der Sache etwas zu thun gehabt haben, unter dem Vorsiß eines hervorragenden Mitgliedes des Finanz-Minifteriums welches Ministerium niemals mit der Sache selbft befaßt war, um von vornherein die Gewähr der vollen Unparteilichkeit und Energie zu geben. Diese Jmmediatkommission erhielt den Auftrag: 1) aus den Atten, durch Zeugenvernehmung und jede geeignete Weise sämumt- liche Vorgänge, welhe während der Ueberfluthung und unmittelbar vor derselben stattfanden, festzustellen; 2) festzustellen, welchen be- ftiramten Beamten irgend ein Versehen zur Last fiele und 3) Vor- {läge zu machen, in welcher Weise für die Zukunft Abhülfe herbei- geführt werden solle.

Die Kommission hat nach seh: umfassenden und eingehenden Untersuchungen einen ausführlichen Bericht an das Königliche Staats- Minisierium erstattet und sih über diese drei Punkte geäußert. Es find alle Thatsachen, soweit es überhaupt möglih war, nahher dur Zeugenvernehmung und andere Mittel festge\tellt, und es würde ja wohl dem hohen Hause nicht zusagen, wenn ich nun guf eine lange Geschichtserzählung eingehen würde, deren Erörterung zu Nichts führen könnte. Jm Allgemeinen, mit Ausnahme eines einzigen Punktes, hat der Herr Vorredner die thatsählihen Vorgänge richtig dargestellt. Der Punkt, in dem dies nicht dec Fall ist, betrifft die Ziehung des Wehrs. Es ist allerdings vom 22, bis 26. dieses Wehr e oder weniger gezogen und nicht, wie der Herr Vorredner sagt, erst nach dem 26. Jh würde bereit sein, das eventuell durch Zeugenausfagen darzuthun. Es trägt das zur Hauptsache aber nichts bei; denn ih räume cin und ih komme gleich darauf zurü, daß es niht genügend geshah und nicht erreicht ist, was erreicht werden sollte und zu erreichen möglich war.

Was den zweiten Punkt betrifft, die Verschuldung von Personen, so wird an dieser Stelle darauf nicht einzugehen sein, da fi dieser Punkt der hiesigen Verhandlung völlig entzicht. Jn dieser Beziehung wird es der Staatsregierung überlassen bleiben, zu thun, was nöthi ist. Was die Sache selbst betrifft, so ist die Kommission baut hinauëgekommen, daß die Uebelstände, die eingetreten sind, zwar niht aus\scchließlich, aber doch im - erheblichen Umfange dadurch befördert worden sind, daß die Ausführung des Werkes niht in vollkommen konkreter Weise erfolgt ist, namentiich aber dadurch, und das ist wesentlich, daß die Handhabung des Wehr s unmittelbar vor und während der Uebe:schwemmung nicht in gehöriger Art stattgehabt hat. Die Kommisfion hat endlich drittens Vorschläge gemacht, welche in Zukunft den dro- henden Uebelständen R sollen. Diese Vorsch!äge kommen in der Hauptsache darauf hinaus, für denjenigen Zweck, den die Melioration anfänglich haben sollte, das rectsseitige Werder gegen Ueberfluthung zu s{chüßen, für diesen Zweck das Werk niht aufzugeben, seine Herstellung aber und insbe- sondere seine Handhabe und die Handhabung des Umfluthkanals dergestalt zu modifiziren, daß diejenigen Uebel, welche jeßt eingetreten find, vermieren werden. Um das M erreichen, meine Herren, müfsen shwierige Veranstaltungen getroffen, es muß vor allen Dingen

wischen den verschiedenen Interessengruppen derjenige Mittelweg ge» Kaden werden, der dazu geeignet ist, die koakurrirenden Interessen mit einander zu vereinigen. Wenn man den Weg gehen wollte, den der erste Herr Redner empfohlen hat, so würde das zwar geeignet sein, die Wünshck der Uebershwemmten der linksfeitigen Niederung zu erfüllen, man würde dann aber gerade das Gegentheil von dem thun, was die rechtsseitige Niederung wünscht und wofür die rehtsseitige Niederung außerordentlich große Opfer gebraht hat. Das geht natürlih nicht. Bei diesen Flußregu- lirungen liegt die große Gefahr und Verantwortung darin, daß, was dem einen Ufer zu Gute kommt, unter Umständen dem anderen Ufer

schädlich ist; deshalb wird es bei solchen Veranstaltungen immer