1876 / 147 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 24 Jun 1876 18:00:01 GMT) scan diff

Ohne wesentlihe Diskussion wurden diese beiden Anträge angenommen, und außerdem auf Antrag des Grafen zur Lippe die vom Abgeordnetenhause gestrichene Bestimmung der Re- gierungsvorlage wieder hergestellt, nah welcher diejenigen Be- amten, welche auf eigenen Antrag verseßt werden, Umzugs- vergütigungen niht erhalten f\ollen. Die übrigen Paragraphen wurden in Uebereinstimmung mit den Beschlüssen des Abgeord- netenhauses angenommen.

Der folgende Gegenstand der Tagesordnung war die ein- malige Schlußberathung über den siebenundzwanzigsten Bericht und den dazu gehörigen Nachtrag der Staats\chulden- Kommission über die Verwaltung des Staats\chul- denwesens im Jahre 1874. Der Referent Herr von Rabe beantragte, zu beschließen: in Uebereinstimmung mit dem Hause der Abgeordneten der Königlihen Hauptverwaltung der Staats- schulden über die aufgeführten Rehnungen die Decharge zu er- theilen, und das Haus trat dem Antrage ohne Diskussion bei,

Es folgte die Schlußabstimmung über den Entwurf einer Städteordnung für die Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien, Sachsen, Wesifalen, den Regie- rungsbzzirk Wiesbaden und die Rheinprovinz,

Bei der Abstimmung wurde der Antrag des Herrn von Kleist zu §. 15, allen Städten zu gestatten, den Census bis auf 12 Je zu erhöhen, welcher bei der zweiten Berathung ange- nommen, aber niht gedruckt vorlag, in nohmaliger Abstimmung mit 36 gegen 28 Stimmen abgelehnt, dafür die Fassung des Kommissionsantrages zu §. 15 und \chließlich die übrigen Pa- ragraphen des Gesezes, sowie Titel und Ueberschrift desselben angenommen. (Schluß des Blattes.)

In Folge der aus dem Elsaß eingegangenen Mit- theilungen über den dort in Folge des Hochwasser s des Rheins in vielen Gemeinden eingetretenen Nothstand hat der Reichs- kanzler Anlaß genommen, bei sämmtlichen deutshen Regierungen die Veranstaltung von Sammlungen für die nothleidenden Elsasser anzuregen. Der dem bezüglihen Schreiben beigefügte Entwurf eines Aufrufs lautet:

Ein Hochwasser des Rheins, wie dieses Jahrhundert es noch nicht gesehen, hat im Elsaß unsäglihen Schaden angerichtet. An zahlreihen Stellen sind die shüßenden Dämme durhbrochen, frucht- bare Fluren meilenweit unter Wasser geseßt, große Strecken ver- wüstet, Viele Ortshoften waren dem Shwall der Fluthen preis- gegeben, Hunderte von Gebäuden find zerstört und ihre Be- wohner obdahlos. Auf Millionen is der Schade zu \{ägen, der an Häusern, Aeckern, Vieh und anderer Habe angerichtet ift. Er ist dadur so groß geworden, daß die Katastrophe kurz vor der Erntezeit eintrat.

Zahlreiche Hülfscomités im Elsaß haben sich die Aufgabe gestellt, Unterstügungen für die übershwemmten Rhein- gemeinden zu sammeln und zu vertheilen, und es sind ihnen aus dem Elsaß selbft, sowie aus Frankreih und dessen Hauptstadt, Beiträge gugeflossen. In der Ueber- zeugung, daß es nur eines Hinweises bedarf, um auh die Bewohner zur Bethätigung ihres Mitgefühls mit den nothleidenden Landsleuten im Elsaß und zur Hülfe- leistung anzuregen, erklärt d . . unterzeichnete fich bereit, Beiträge zur Unterstügung der Ueberschwemmten in Empfang zu nehmen und an den Herrn Ober-Präsidenten von Elsaß-Lothringen abzusenden.

Das Programm des Kongresses, welcher gelegentlich der Internationalen Ausstellung für Gesundheitspflege und Rettungswesen in Brüssel vom 27. September bis 4. Oktober daselbst abgehalten werden soll und aus den drei Sektionen: 1) Gesundheitspflege, 2) Rettungswesen, 3) Sozial- okonomie bestehen wird, ift in der heutigen „Besonderen Beilage“ Nr. 28 abgedrudckt.

In den deutschen Mönzstätten find bis zum 17. Juni 1876 geprägt: an Goldmünzen: 1,082,085,960 M Doppelkronen , 323,653,680 4 Kronen; hiervon auf Privat- rechnung: 171,113,805 M; an Silbermünzen: 50,673,775 #6 9-Markftücke, 12,468 „#6 2-Markstücke, 139,057,984 46 1-Mark- flüde, 27,534,275 4/6 50 S 50-Pfennigstücke, 26,824,317 M 60 „5 20- Pfennigstücke; an Nickelmünzen: 17,114,845 4/6 40 H 10- Pfennigstücke, 9,941,124 M 95 Z 5 - Pfennigstücke; an Kupfermünzen : 5,560,664 4 82 /Z 2-Pfennigstücke; 3,067,419 46 49 S 1-Pfennigstücke. Gesammtausprägung: an Goldmünzen : 1,405,739,640 /a; an Silbermünzen: 244,102,820 M 10 9; an Nickelmünzen: 27,055,970 #6 35 HZ; an Kupfermünzen: 8,628,084 M 31 S.

Die Zeiteintheilung für die Herbstübungen des Garde-Corps pro 1876 ift, wie folgt, bestimmt worden : 9. August. Marsch der 3. und 4. Escadron des Regiments der Gard?:s du Corps und der 3. und 4. Escadron des 3. Garde-Ulanen-Regiments nach Potsdam und Umgegend. 7. bis 22. August. Regiments-Uebungen des Regiments der Gardes du Corps bei Potsdam. 7. bis 23. August. Regiments- Uebungen des Garde-Kürasfier-Regiments, des 1. und 2, Garde- Dragoner-Regiments und 2. Garde-Ulanen-Regiments bei Berlin ; des Garde-Husaren-Regiments, des 1. und 3. Garde- Ulanen - Regiments bei Potsdam. 12. bis 15. August. Marsh des Füsilier - Bataillons 3, Garde- Grenadier-Regiments Königin Elisabeth von Wriezen a. O. nah Spandau (incl. eines Ruhetages). 15. August. Eisenbahn- transport des 3. Garde-Regiments zu Fuß und 4. Garde-Gre- nadier-Regiments Königin von Hannover resp. Coblenz nah Potsdam resp. Berlin. 16. bis 22, August. Regimentsübungen des 4. Garde-Regiments zu Fuß und 3. Garde-Grenadier-Regi- ments Königin Elisabeth bei Spandau. 17. bis 23. August. Regimentsübungen des 1. und 3. Garde-Regiments zu Fuß bei Potsdam; des 2. Garde-Regiments zu Fuß, des Kaiser Alexander Garde-Grenadier-Regiments Nr. 1, des Kaiser Franz Garde- Grenadier-Regiments Nr. 2, des Garde-Füsilier-Regiments und des 4. Garde-Grenadier-Regiments Königin bei Berlin. 23. August. Marsch des 4. Garde-Regiments zu Fuß und des 3. Garde-Gre- nadier-Regiments Königin Elisabeth von Spandau nah Berlin. Marsch des Regiments der Gardes du Corps nah Berlin resp. Charlottenburg und Umgegend. 24, August. Ruhetag. 25. bis 29. August. Brigade-Uebungen der 1. Garde-Infanterie- Brigade und der 2. Garde-Kavallerie-Brigade bei Potsdam; vom 28. August ab unter Theilnahme von Artillerie. 25, bis 30. August. rigade-Uebungen der 2.,, 3. und 4. Garde- Infanterie-Brigade, sowie der 1. und 3. Garde-Kavallerie-Bri- gade bei Berlin; vom 29. August ab unter Theilnahme von Artillerie. 30. August. Marsch der 1. Garde-Infanterie- Brigade, der 2, Garde-Kavallerie-Brigade, sowie der zu genannten Brigaden kommandirten Batterien von Pots- dam nach Berlin und Umgegend. 31, August. Ruhe- tag. 1. September, Große Parade bei Berlin. 2, bis 9. September. Uebungen in den Divisionen und zwar 3

Tage Feld- und Vorpostendienft. Uebungen der kombinirten vier Garde - Infanterie - Brigaden in gemischten Detachements 2 Tage Feldmanöver der kombinirten Garde - Divisionen in je 2 Abtheilungen gegeneinander und 1 Tag Divisions-Manöver der kombinirten Garde - Divisionen mit markirtem oder \uppo- nirtem Feinde. 10. September. Ruhetag. 11. und 12. Sep- tember. Feldmanöver der kombinirten Garde-Divisionen gegen- einander. 13. September. Ruhetag. 14. September. Corps- manöver vor Sr. Majeftät dem Kaiser und Könige bei Groß- Kreuy. 15. September. Märsche in die Gegend westlich Pots- dam. 16. September. Märsche in die Gegend öftlih Potsdam. 17, September. Ruhetag. 18. bis 20. September. Feldmanöver des Garde- und 111, Armee-Corps gegeneinander.

Es ift Klage darüber geführt worden, daß Gemeinde - vorstände, namentlih auf dem platten Lande, in der Erledi- gung der an sie auf Grund des §. 46 des Reichsgeseßes vom 6. Februar 1875 gerichteten Requisitionen wegen Be- kanntmachung von Aufgeboten häusig säumig seien und insbesondere die Aufgebote niht sofort nah Ablauf der geseßz- lihen Publikationsfrist an die betreffenden Standesbeamten zurück- senden. In dieser Veranlassung macht der Ober-Präsident der Pro- vinz Brandenburg zufolge Auftrags des Ministers des Innern die Gemeinde- und Gutsvorsteher der Provinz in einer Amts- blatt-Bekänntmahung darauf aufmerksam, daß aus derartigen Verzögerungen für die Betheiligten regelmäßig erheblihe Stö- rungen und mitunter empfindlihe Nachtheile entstehen und weist dieselben an, sih in Zukunft die pünktlihe Erledigung der in Rede stehenden Requisition strenge zur Pflicht zu machen.

Der Evangelische Ober-Kirchenrath hat in einem Cirkularerlaß vom 17. d. Mts. die Bestellung eines Pfar- rers zum Shiedsmann in Rückficht dessen, daß eine geseß- lihe Bestimmung nicht entgegensteht, prinzipiell für zulässig er- achtet. Das Fungiren der Geistlihen als Schied8männer vom disziplinaren Standpunkt aus generell zu versagen, wiz dies seiner Zeit durch das Ministerial-Reskript vom 3. September 1833 geschehen, sei gegenwärtig niht angemessen, es werde daher nur im einzelnen Fall ein Geiftliher, welher das ihm angetra- gene Amt des Schiedsmanns glaube übernehmen zu können, hierzu die Genehmigung seines vorgeseßten Konsistoriums nach- zusuchen haben.

Der Preußische Beamten-Verein hat seine Ge-

O eröffnet. (S. Bekanntmahung am Schlusse . Bl.)

S. M. S. „Victoria“ hatte am 18. Mai cr. den Hafen von St. Thomas verlassen, ankerte am 20. def. Mts. im Hafen von Hayti, verblieb daselbst bis zum 24., traf am 25. in Port-au-prince ein und ging am 28. Mai nah St. Thomas in See, woselöst es am 1. Juni cc. eintraf.

Wiesbaden, 22. Juni. Mit dem 1. Juli cr. geht das gesammte Straßenbauwesen in den zum kommunalständischen Verband Wiesbaden gehörigen Theilen des diesseitigen Regierungs- bezirks in die Verwaltung des vorgenannten Verbandes über.

Bayern. München, 22. Juni. In der heutigen Sizung der Abgeordnetenkammer wurde die Berathung über den Gesezentwurf, die Pfälzer Bahnen betreffend, fortgefahren. Die Zinsengarantie für 251,000 (4 behufs Herstellun; atustisher und optisher Signalrichtungen wurde gewähr: leistet; ebenso ein jährlihec "Zinsenertrag von 44 Prozent ; 7,999,000 a für eine Bahn Zweibrüden - Hornbach - Bitsch; ein Antrag des Freiherrn Alois von Hafenbrädl, daß eine Zinsengarantie nur bis zur bayerishen Landesgrenze ge- währt werde, wurde abgelehnt. Das Poftulat für 6,138,000 #4 einen 41/5 prozentigen Zinsertrag zu gewährleisten, behufs einer Bahn Kaiserslautern-Lauterecken mit einer Abzweigung nah Oiternberg wurde mit 71 gegen 70 Stimmen abgelehnt und der ganze Gesezeniwurf in dieser Fassung mit 81 gegen 69 Stim- men angenommen; mit Ja stimmten 12 Ultramontane.

Die „Allg. Ztg.“ bringt folgenden „Aus Bayern“ vom: 21. Juni datictea Artikel: „Nachdem der Königliche Staats- Minister des Innern bei Beginn des dermalen versammelten Landtags eiae Interpellation des Abg. Iörg: ob die Königliche Staatsregicrung ein Wahlgesey vorzulegen gedenke, verneirnend unter Hintiveis darauf beantwortet hatte, daß bei dem gegen- wärtigen: Parteiverhältniß in der Kammer ein Zustandekommen dieses Veseßes niht zu erwarten sei, mußte wohl jeder Unbe- fangene die Anshauung des Ministers theilen. Gleihwohl hat der Abg. Idòr g die Initiative ergreifen zu sollen geglaubt. Die bisherigen Aus\hußverhandlungen belassen wohl einen Zweifel darüber, daß das Wahlgeseß die nothwendige Mehrheit von zwei Drittheilen nicht erhalten wird, und jeder tiefer Blickende wird unter den gegenivärtigen Zuständen dieses Resultat mit Genugthuung im Interesse des Landes begrüßen. Gewiß ift ein Wahlgeseß von Nöthen, aber es darf niht unter dem Terrorismus der sih heute die Mehrheit nennenden Fraktion geschaffen werden. Wenn Re- gierung und Liberale den beschränkten Gesichtspunkt einnehmen wollten, eine niht zu große Mehrheit uliramontaner Gegn-r in

der Kammer sih- gegenüber anwachsen zu lassen, so könnten fie |

den Jörgschen Wahlgesezentwurf gelten lassen, weil mit diesem die Ultramontanen doch nie eine Zweidrittelmehrheit erreihen würden, und weil in Bayern ein paar oder auh zehn Stimmen Mehrheit kein Grund zur Aenderung des Ministeriums sind. Wenn aber \{chon die dermalige Zweistimmenmehrheit bewiesen hat, daß fie von ihrem geringen Plus einen für das Land \{chäd- lihen Gebrauch macht, wie dies ¿n den jüngsten Tagen bei Beschlußfassung über verschiedene Petitionen wir erinnern nur an die Petition der Stadt Ke!heim zu Tage getreten ift, so ist es Aufgabe der Regierung, zu Bestrebungen nah Fortbestand oder Erweiterung einer solchen Mehrheit dura ein Geseg in keiner Weise die Hand zu bieten, und die Liberalen handeln nur im Interesse des Landes, wenn fie ablehnend votiren, und sie mögen sih bei diesem’ ihrem Votum, ob auch dagegen geschrieen werden mag, vollständig beruhigen —- das Land wird ihnen in seinem intelligenten Theile Dank dafür wissen. Dieses Niederstimmen der Intelligenz durch mindestens politish ungebildete Mehr- et deren Bestandtheile {hon oft genug gekennzeihnet wor- en find, darf absolut niht begünstigt werden; es muß endlich die Unterdrückung der Städte durch die Landbevölkerung, èurch welhe die intelligenten Klassen auf das empfind- lihste berührt werden, aufhören, und ein solches Wahlgeseß, wie es heute gemaht werden soll, wäre der grellste Widerspru ge- gen die bayerische Verfassung, welche des ganzen Landes Wohl von der Kammer berathen ur) beschüßt wissen will; eine Zu- sammensezung der Kammer unter der Herrschaft des in Ausficht genommenen Wahlgeseßes wäre ein Hohn gegen die öffent- lihe Meinung, und das Kabinet stände faktish unter der Laune und Willkür einer klerikalen Mehrheit, Wir hoffen, daß es dazu in Bayern pniht kommt; eine klerikale

überwiegende Kammermehrheit wäre Bayerns Untergang; was von dieser Seite in den leßten Jahren bis heute geleistet und versucht worden is}, bleibt wohl für Thron und Land unver- gessen. Wir wollen die Klärung der Geister, das Reifen ge- sunder Anschauungen im Volk abwarten, Reht und Wahrheit, Verstand und Bildung werden siegen. „Des ganzen Landes Wohl“ das muß die Parole der herrschenden Partei werden :: E erwarten wir zu Bayerns Heil die Ablehnung des Wahl=- gesetzes.

Der Bericht des besonderen X. Aus\hus}ses zur Be-= rathung des Initiativantrages Dr. Jöôrgs, die Lan d= tagswahlen betreffend, wurde heute ausgegeben. Der Aus- {uß ging, so bemerkt der Bericht, bei seinen Berathungen und Beschlüssen davon aus, das zu erlassende Wahlgesez in mög- lihste Uebereinstimmung zu bringen mit dem Reichstagswahl- gese und an der Vorlage des Initiativantrages soweit als: thunlich festzuhalten, da in dem Initiativantrag nihts anderes enthalten sei, als das Elabocat des Aus\chus}ses, welher zur Berathung des im Jahre 1874 von der Staatsregierung vor- gelegten Entwurfs eines neuen Landtagswahlgeseßes gewählt worden war. Es wurde ferner beschlossen, in den Gesetzestext nur die Namen der Wahlkreise, ihre Bestandtheile und die Ab- geordnetenzahl aufzunehmen, dagegen die Bevölkerungsziffer in einer Beilage zum Ausshußbericht den einzelnen Wahlkreisen beizufügen.

Vom Finanzaus\chusse der Kammer der Abge- ordneten wird beantragt, den Etat für Reichhszwecke in der beantragten Summe von 16,111,434 # für ein Jahr der Finanzperiode zu bewilligen. Von dieser Summe treffen 16,078,924 „6 auf Matrikularbeiträge, um 59,354 4 mehr als im Vorjahre.

Die „Allg. Ztg.“ erhält folgende Berichtigung: „Mehrere Blätter haben berichtet, daß dem Kronprinzen Rudolf von Oester= reich das zweite Kürassier-Regiment verliehen worden sei. Diese Nachricht ist gänzlih unbegründet.“

Sachsen. Dresden, 23. Juni. Prinz Friedrich Augu st hat sich heute in Begleitung des Hauptmanns Frhrn. v. Oër nah Reichenhall begeben. Die Zweite Kammer beschloß in ihrer gestrigen Abendsizung nach kurzer Diskussion, die Staats- regierung zum Ankauf der Chemnihz-Komotauer Eisen- bahn zu ermähtigen, dergestalt jedoh, daß die Ermächtigung erlisht, wenn ein Kaufsabshluß im Laufe des gegen- wärtigen Jahres nicht zu Stande kommt. Auf eine An- frage des Abg. Dr. Biedermann erklärte Staats - Minister Frhr. v. Friesen, daß der Landtag bis zum Shlusse des gegenwärtigen Monais werde verlängert werden. In ihrer heutigen Sizung beschloß die Kammer zunächst mit 42 gegen 18 Stimmen, bei ihrem früheren Beschlusse bezüglich des Religionsunterrihts der Dissidentenkinder Revision des S. 6 des Volks\hulgeseges zu beharren, und acceptirte \o- dann den bezüglich des Antrags des Abg. Lehmann, die Form der Eidesleistungen betreffend, mit der Deputation der Ersten Kammer vereinbarten und in der Ersten Kammer bereits geneh= migten Vermittelungsvorschlag.

Leipzig, 22. Juni. Die Stadtverordnetenve r= sammlung nahm in ihrer gestrigen Sizung eine Zuschrift des Raths entgegen, wmele sich auf die Schritte bezieht, die Seitens der Stadt während des im September - zu erwartenden mehr- tägigen Besuchs Jhrer Majestäten des Kaisers und des Königs von Sachen gethan werden sollen, um Allerhöchst- denselben einen würdigen Ausdruck der Gesinnungen treuer Er- gebenheit, welhe die Vüärger beseelen, zu geben. Zur Vorberei- tung der Empfangsfeierlihkeiten hat der Rath eine besondere Deputation gebildet, und ersuchte nun die Stadtverordneten, zu derselben einize ihrer Mitglieder abzuordnen, was durch den Wahlausshuß geschehen wird.

Württemberg. Stuttgart, 22. Juni. In ihrer heutigen Sizung nahm die Kammer der Standesherren den Entwurf eines Verfassungsgeseßes hinsihtlich der Äbände- rung des X, Kapitels der Verfassungs - Urkunde über den Staatsgerihtshof in Berathung. Der Referent der ftaats- rechtlihen Kommission, Freiherr v. Neurath, begründete ein- gehend den einstimmigen Antrag der Kommission auf Ab-= lehnung des Entwurfs. Dem Antrage der Kommission ent- sprehend wurde die Vorkage einstimmig abgelehnt.

Baden. Karlsruhe, 22. Juni. Jn der heutigen Sigzung der Zweiten Kammer wurde bei der Shulgeseß- Novelle der Kompromißantrag der Kommission wegen An- stellung eines Lehrers für eine Konfessions8minderheit mit 43 Stimmen gegen 10 ultramontane Stimmen angenommen.

Hessen. Darmstadt, 22. Juni. Der Erzherzog Al-= dreht von Desterreich, von Ems kommend, traf heute Vor- mittag 9 Uhr zum Besuh des Großherzogs hier ein und begab sih, nachdem Höchstderselbe noch Besuche bei den Prinzen Carl und Ludwig gemacht, um 11 Uhr mit Wagen nah det N

uagenheim, 22. Juni. Der Erzherzog Albrecht von Oesterreich is heute zum mehrtägigen Besuche auf Schloß Hei- ligenberg eingetroffen. Der Herzog von Nassau stattete heute Sr. Majestät dem Kaiser von Rußland einen Besuch ab und kehrte nah eingenommenem Diner nach Rumpenheim zurück.

Defterreich-Vugara. Wien, 23. Juni. Die „Wien. 3.“ veröffentliht heute den Wortlaut der Handelskonvention zwischen der österreihish-ungarishen Monarchie und Rumänien vom 22. Juli 1875. In der Zollkonferenz wurde, wie die „N. Fr. Pr.“ mittheilt, in den leßten Sizungen der Text des Zoll- und Handelsvertrages vollständig festgeseßt. Schwierig- keiten sind wenig aufgetauht. Die Konferenz war aus\{ließlich damit beschäftigt, den Text möglihft klar zu fassen und ihn mit den faktishen Verhältnissen in Einklang zu bringen. Die Berathungen über die Bankfrage schreiten rüstig vorwärts und

sollen demnächst zwishen den Referenten der beiden Ministerien -

vollkommen beendigt sein. Die Verhandlungen mit der National bank sollen Anfangs Juli beginnen. In der Frage der Ver- zehrungssteuer ist man bisher am wenigsten vorgeschritten, was in der Regelung der Zucker-, Spiritus- und Petroleum- steuer seinen Grund hat. ;

Prag, 22. Juni. Die „Narodni lisiy“ veröffentlichen an der Spiße des Blattes eine Erklärung, worin sie die stattfin- denden Ausgleichsversuche innerhalb des nationalen Lagers konstatiren und Namens der jungcezechischen Partei die Bereitwilligkeit aussprechen, auf die bezüglihen Verhandlungen einzugehen und keine Bedingung fu elten, welche das natio- nale Interesse und das Wohl des Vaterlandes erheischt.

Brünn, 22. Juni, ei der gestrigen Reichsraths- wahl im Städtewahlbezirke Znaim-Eibenshüt-Daishiß wurde

der verfassungstreue Kandidat Panowsky mit bedeuten- der Majorität gewählt. Der föderalistishe Kandidat Smetana erhielt kaum ein Viertel der abgegebenen Stimmen.

Pest, 22. Juni. Die Mehrzahl der hiesigen Blätter be- \priht heute in mehr oder minder erregtem Tone die Nachrichten Über die Umtriebe der Omladinisten im Süden des Landes. Sie stimmen insgesammt in der Forderung überein, daß die Regierung jene Vorgänge mit wachsawem Auge ver- folgen und wo dies erforderlih, sofort mit aller Entschiedenheit einschreiten möge. Was die geseßlihen Handhaben hierzu an- belangt, so berihtet „Ellenör“, daß im Justiz-Ministerium nach- geforsht wird, oh und welhe Geseze vorhanden sind, die zur Unterdrückung der Agitation angewendet werden können. Uebrigens meint er in Uebereinstimmung mit dem „P. Lloyd“, daß, wenn etwa auch ein auf die vorliegenden Fälle anwendbares ge\chrie- benes Gesez nit existiren sollte, doch jedenfalls das Gesetz der öffentlihen Wohlfahrt und der Staatsraison existire, und daß die Regierung im Sinne dieser Gesetze für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung im Lande zu wirken habe. Wichtiger als energishe Maßregeln so erklärt die Mehrheit der Iour- nale seien indessen energische Persönlichkeiten; die Regierung möge ih daher insbesondere die geeignete Besezung der betref- fenden Dbergespans stellen angelegen sein lasen.

Pest, 23. Juni. (W. T. B.) Die ungarische Regie- rung wird, wie das Journal „Hon“ meldet, dem Zusaßhver- trag bezüglich der Südbahn nicht zustimmen, da sie die Verantwortung für die Konsequenzen desselben nicht übernehmen will ; dagegen acceptirt dieselbe die Baseler Konvention und wird auf Grund derselben die zur Lostrennung des ungari- \hen Südbahnneßzes erforderlihen Schritte einleiten.

Schweiz. Bern, 22. Juni. In Folge der in jüngster Zeit in der Schweiz dur Naturereignisse herbeigeführten \{chwexen Unglücks- fälle, hatten fich in der Presse zahlreihe Stimmen gegen die Murte- nerSchlachtfeier erhoben und den Wunsch um Verschiebung oder Aufhebung desselben ausgesprohen. Dem gegenüber hat si der Centralaus\chuß zu der Erklärung veranlaßt gesehen, daß es, \so anerkennungswerth die Beweggrürtde auch wären, welche die erwähnten Kundgebungen hervorgerufen hätten, doch bei der Abhaltung des Festes sein Bewenden haben müsse, da die Vor- bereitungen dazu bereits zu weit vorgeschritten wären und eine Einstellung derselben nur neue Opfer und Lasten nothwendig machen würde, ohne daß dadurh zur Linderung der Noth der Uebershwemmten heigetragen werden werde. Es sei daher besser, man füge niht Lasten zu Lasten, sondern lasse der Feier ihren Lauf, denke bei derselben aber auch der Uebershwemmten.

Großbritannien und Jrlaud. London, 22. Juni. Der zwishen England und den Vereinigten Staaten von Nordamerika \{chwebenden Auslieferungsfrage, welhe durch die Botschaft des Präsidenten Grant an den amerikanishen Kongreß in eine neue Phase getreten ift, widmet die heutige „Times“ ihren ersten Leitartikel. Es heißt darin u. A.: „Weder die Regierung der Vereinigten Staaten uoch unsere eigene können es wagen, einen Auslieferungsver- trag zwischen uns ein Ding der Vergangenheit werden zu lassen. Es mag bezroeifelt werden, ob die Vereinigten Staaten odec wir selber mehr dur dessen Abwesenheit leiden würden; es if gewiß, daf: beide leiden würden und zwar sehr ernftlih. Deshalb sollten keine Rülksihten der Empfindlichkeit oder der Spißfindigkeit der \chleunigen Unterhandlung eines neuen Auslieferungsver- trages mit den Vereinigten Staaten störend in den Weg treten. Der Vertrag von 1842 muß als vershwunden betrachtet werden. Wir sahen das ein, sobald Winslow auf freien Fuß geseßt wurde, und die Botschaft des Präsidenten Grant bestätigt die Meinung. Der Präsident hat allerdings einen Meinungsausdruck des Kongresses über den Gegenftand nahgesuht und seine Bot- schaft ist an den Aus\{huß des Repräsentantenhauses über aus- wärtige Angelegenheiten verwiesen worden, aber es kann nicht bezweifelt werden, daß dcr Kongreß ihn ersuhen wird, Gesuche um die Auslieferung flühtiger Verbreher in Gemäßheit des Vertrages von 1842 weder zu stellen noch zu gewähren, bis irgend eine neue Verständigung mit der britishen Regierung erzielt worden ist. Es wird befriedigend sein, wenn die Erörte- rung des Gegenstandes im Repräsentantenhause und im Senat Rd M zu einer neuen Uebereinkunft zu gelangen, nit erhöht.

Der „Daily Telegraph“ empfiehlt Festhalten an dem von der britischen Regierung bisher eingenommenen Stand-punkte. „Lieber gar sein Vertrag, sagt das genannte Blatt, als daß Eng- land irgend einer Macht gegenüber sein seit undenklihen Zeiten bestehendes Recht aufgiebt, zu wissen, aus welhem Grunde und wegen welhen Vergehens der gemeinste Flüchtling ausgeliefert werden soll. Das ist ein Prinzip, welces die britishe Aktion in der Angelegengeit beherrscht und Lord Derby hat die ganze Nation hinter \ich in der Politik, die er während der ganzen gegenwärtigen Verwickelungen beobachtet hat. *

Aus Cape Coast Castle wird dem Reutershen Bureau in London unter dem 27. v. M. gemeldet: „Seitdem Ihrer Majestät Schiff „Ariel“ von Whydah abg.segelt ist, weigert \ih der König von Dahomey wieder, die Buße von 500 Oxford Palmöl, die ihm vom Commodore Hewett aufgelegt worden, zu entrichten, und hat den Cabocers befohlen, das Oel, welches sie bereits zu diesem Behufe mit Beschlag belegt, zurückzuerstatten. Gestern wurde in Whydah die Ankunft des französishen Admi- rals erwartet.“

Frankreich. NParis, 22. Juni. Der Marschall- Präsident hat bis jeyt 200 politishe Verurtheilte be- gnadigt. Der „Moniteur“ bemerkt dazu, die Milde des Staats- Oberhauptes werde dabei nicht stehen bleiben. Die Verände- rungen im Personal der Unter-Präfekturen sind bis zum 2. Juli aufgeschoben.

Nach einem der „Köln. Ztg.“ zugegangenen Telegramme war die Vertheilung der Stimmen bei der Wahl des Aus\chusses für das Gesez Waddington in den Bureaus des Senats folgende: Anhänger des Geseßes Waddington 127, Gegner 134; weiße Stimmzettel einer; abwesend waren 21 Se- natoren, welhe als Anhänger des Geseßes, und 13 Senatoren, welche als Gegner desselben gelten. Lavoulaye enthielt sih der Abstimmung. Es stehen also 148 Stimmen für und 147 gegen das Gese in Ausficht. Es fragt ih dann noth, auf welche Seite bei der öffentlihen Abstimmung der Senator mit dem weißen Stimmzettel und der Senator Laboulaye, der sich der Abstim- mung enthielt, treten werden. Drei Senatorensiße find dur Todesfälle erledigt.

Italien. Rom, 23. Juni. (W. T. B.) Die Depu- tirtenkammer begann heute die Berathung der Gisenbahn- vorlage, die Debatte bewegte sch hauptsählih um Art. 4, in welhem bestimmt ist, daß der Bahnbetrieb der Privatindustrie zu überlassen sei. Die Berathung wird morgen fortgeseßt.

Den „Ital. Nachr.“ zufolge erwartet man dieser Tage einen Geistlihen aus Konstantinopel, welcher dem früheren Pa- triarhen Hassan den Weg zur Rückehr dahin bahnen und überhaupt gute Beziehungen zwishen der hohen Pforte und dem päpstlihen Stuhle wieder anknüpfen soll.

Türkei. Konstantinopel, 23. Juni. (W. T. B.) Die Pforte hat zur Verstärkung der Armee-Corps bei Nish und Novibazar abermals Truppen abgesandt. Der Großvezier hat eine Proklamation an die Bülgaren erlassen und die Christen und die Muhamedaner zur Einigkeit aufgefordert. Kiamil Pascha ist gestorben.

Die Regierung i} zur Regelung der Staats\chuld nach Maßgabe des Irade vom 6. Oktober v. J. und zur Sicher- stellung der in demselben getroffenen Bestimmungen mit der Ottomanbank in Unterhandlung getreten. Nah der mit der Ottomanbank abzuschließenden bezüglichen Konvention s\ollen die für die Staats\{chuld angewiesenen Staatseinkünfte durch die Ottomanbank direkt vereinnahmt werden.

Veber die Ermordung der türkishen Minister bringt der „Standard“ folgende Darftellung seines Berichterstatters in Konstantinopel, die von Ahmed Kaiserli Pasha, dem eben- falls verwundeten Marine-Minister, herrührt, und daher den vielfahen Komplottgerichten vershiedenster Nrt gegenüber beson- dere Beachtung verdient :

Ein cirkas\sisher Offizier mit dem Rang ols Hauptmann oder Jüsbashi hatte eine Zeit lang Adjutantendienste bei dem Prinzen Yussuf Ezzedin, dem ältesten Sohne des leßten Sultans, gethan. Er war jedoch ein so un- verträgliher Gesell, und so sehr dem Trunke ergeben, daß ihn \{chon vor einigen Monaten Yufsuf entlaf}sen mußte, worauf er Befehl erhielt, sich bei seinem Regimente in Bagdad zu melden. Er gehorchte indessen dieser Weisung nicht, sondern trieb sh fortwährend in Konstantinopel umher, wo er als Hassan der Circassier eine bekannte Persönlichkeit war. Nah der Absezurg des leßten Sultans bestand Hussein Avni Pascha darauf, Hassan müsse angehalten werden, zu seinem Truppentheil zu stoßen. Damit dem weilaz;d Adjutanten aber die Sache weniger bitter werde, verlieh man ihnt den Charakter als Major. Auch jetzt weigerte sich Hassan noch, Konstantinopel zu verlassen, und die Folge war, daß er wegen Insubordination ver- haftet wurde. Nachdem er einige Tage in Arrest gewesen war, ließ er dem Kriegs-Minister mittheilen, er wolle {hon nah Bagdad gehen, wenn man ihn mit den nöthigen Geldern für die Reise ausstatte. Daraufhin gab man ihm denn in der That die Freiheit und die verlangten Reisegelder. Spät am Donner- ftag Abend nun erschien er im Hause Hussein Avni Pascha's und wünschte den Minister zu \sprehen. Der Pascha, hieß es dort, sei bei Midhat zur Kabinetéberathung, und Hassan setzte alsbald nah Stambul über und begab sich zu Midhat Pascha's Wohnung. Den Dienern dort erklärte er, sein Auftrag sei, eine Botschaft des Sultans an Hussein Avni Pascha zu überbringen. Da er in Uniform war und man ihn als eine mit dem Hofhalt in Verbindung ftehende Persönlichkeit kannte, so wurde dem Kriegs-Minister mitgetheilt, ein Bote des Sultans habe ihm eine Mittheilung auszurihten. Hussein Avni erwiderte, der Mann solle eintreten, und erhob \ich gleichzeitig, um dem vermeintlihen Boten entgegen zu gehen. In der Ueberrashung erkannte er Hassan und fragte, was er denn wieder wolle. Die Antwort war ein Pistolenshuß. Der Minifter ftürzte, von der Kugel in der Stirn getroffen, sofort zu Boden, und Hafsan brachte dem Lie- genden noch zwei weitere Shußwunden bei. Raschid Pascha war mitterweile emporgefahren und stürzte zur Thüre, um Beistand herbeizurufen, allein ehe er noch an der Thüre anlangte, streckte ihn der Mörder mit einem 1weiteren Schusse nieder. Ahmed Kaiserli Pascha benuzte nun einen günstigen Augenbli, um Hassan in den Rücken zu fallen und ihn bei beiden Armen an den Ellbogen festzuhalten. Es ge- lang jedoch dem Mörder, seinen Dolch zu ziehen und hinter sh und über die Schultern stoßend, Kaiserli an Ohr, Arm und Schulter zu verwunden und s\{chließlich zu nöthigen, ihn loszulassen. In der Zwischenzeit hatte der Großvezier mit Midhat Pascha Hülfe herbeigerufen und {chließlich waren eine Menge Personen be- müht, den Mörder zu ergreifen und unshädlih zu machen. So- bald derselbe ober die Hände wieder frei hatte, bediente er fich auch wieder seines Revolvers und \o war er im Stande, noch zwei weitere Personen zu tödten und zwei andere zu verwunden, ege man ihn zuleßt überwältigte. Die Einen behaupten, er habe gerufen, als thue ihm nur leid, daß er Midhat Pascha nicht auch getroffen habe, während andere von den Anwesenden er- klären, er habe verfichert, er wolle Midhat Pasha und dem Großvezier nihts anhaben. Indessen ging der ganze Vorfall so rash vor sich und die Anwesenden waren so sehr verwirrt und erschrccken, daß klare Grinnerung überhaupt \{chwer wäre.

Das Bestreben, den Prinzen Yufsuf Ezzedin mit der bluti- gen Zhat in Zusammenhang zu bringen, hält der Berichterstatter für durchaus grundlos.

Us der Herzegowina wird der „Polit, Correspondenz“ voui 23. Juni gemeldet, daß Moukhtar Pasha demnächst cine andere Bestimmung erhalten werde. Vorläufig sei als sicher anzusehen, daß derselbe niht in seinem bisherigen Hauptquartier Gaczko bleibe, zum Truppen-Kommandanten von Gaczko sei Ali Pascha ernannt. Das Ober-Kommando d.r bei Ni\ch konzentrirten Armee werde Hamd i Pascha übernehmen.

Wie der „Pol. Korr.“ aus Velgrad gemeldet wird, war der Senator und Kultus-Minister zur Disposition, Philipp Christits, am 21. bereits auf der Reise nah Konstantinopel begriffen, Was seine Mission betrifft, so zerfällt fie in zwei Theile, Der eine Theil betrifft die Neklaznationen Ser- biens, welche durh die seit September vorigen Jahres vorgefallenen Ereignisse veranlaßt sind. Die fürsilihe Regie- rung weist ziffermäßig nach, wie viele Shäden dem Lande dur die Ueberfälle zugefügt wurden, welhe Baschi-Bozuks, Tscherkessen 2c. auf serbishem Gebiete ausgeführt haben. In diese Rubrik der Reklamationen sind auch die „Adas“ (kleine Inseln) der Drina ‘¿ingereiht, welher ih bos- nishe Türken mit Waffengewalt bemächtigt laben. Der zweite Theil der Mission bezieht \sich auf die Frage der serbishen Truppenaufstelung an der Grenze und der Modalitäten, unter welhen die normale Ordnung der Dinge wieder hergestellt werden könnte. Als erste Bedingung für leß- tere Eventualität sollte Christits die Zurükziehung der türkischen Truppen von der bósnischen, bulgarischen und altserbishen Grenze bezeihnen. In dem Momente, in welhem die Verhältnisse an der türkishen Grenze jene Gestalt wieder annehmen werden, die sie vordem hatten, würde die serbishe Miliz entlassen werd-n.

Die „Politishe Correspondenz“ \chreibt: Die Berliner Meldung einiger Wiener Blätter, daß Fürst Gortschakoff angeregt habe, fih \choun jeßt für den Fall, daß die einge- tretene Waffenruhe niht zu dem erwarteten Resultate führen

sollte, zu verständigen, und daß diese Anregung vom Fürften Bismarck und vom Grafen Andrassy abgelehnt worden sei, wird uns von gut unterrihteter Seite mit dem Beisage als unbe- gründet bezeihnet, daß eine derartige Anregung bis heute von keiner Seite erfolgt if.

Numänien. Bukarest, 24. Juni, (W. T. B.) Durch ein Dekret des Fürsten sind die beiden Kammern n 2. Juli zu einer außerordentlihen Session einberufen worden.

Dänemark. Kopenhagen, 21. Juni. Der Aus- \chußbericht über den Gesezentwurf, betreffend außerordentlihe Veranstaltungen zur Beförderung des Vertheidigungswesens, kam in der gestrigen Sizung des Folkethinges zur Vertheilung. Referent is Bojsen. Der Bericht erklärt:

Die resultatlosen Verhandlungen zwischen den bisherigen Regie-

rungen und dem Folkethinge in den verflossenen 4 Jahren scheine die Ausgabe ihrer Lösung noch nicht um einen Schritt näher gebracht zu haben und nach dem Königlichen offenen Briefe vom 30. März d. J., wodur das Folkething aufgelöst wurde, hätten die Neuwahlen in hervorragendec Weise auf die Befestigungsfrage und die Bedingungen dafür Bezug genommen. Nach dem Ausfall der Wahlen konntz2 das Mini- sterium kaum erwarten, daß das neue Folkething geneiazter als das alte sein würde, von dem vom letzteren in zwei Sessionen angenommenen Entwurf abzuweihen und sich dem des Ministeriums mehr zu nähern. Der jeßt vorgelegte Entwurf sei nichtodestoweniger unverändert, er enthalle nur die Modi- fifationen, worüber das Minifterium mit dem Landsthinge einig ge- worden sei. Der Ausschuß habe es für seine Aufgabe erachtet, dem Thinge Aufklärung darüber zu verschaffen, inwieweit es über- haupt Wr Zeit etwas nügen könne, eine Detailverhandlung über diese Sache wieder aufzunehmen, was nach der Auflösung des Folkethinges natürliher Weise nur auf Grundlage des fruheren Entwurfes des Folkethinges geshehen konnte, sowie der- selbe in seinen Grundzügen bei den Wahlen als von den Wählern gutceheißen angesehen werden mußte. Dem Ausschusse raußte es des- halb angelegen sein, bevor er mit seiner Arbeit fortfuhr, \si{ch Auf- kflärang darüber zu vershaffea, wie weit das Ministerium: noch die Erklärung festhalte, womit die legte Session {chloß, daß die Annahme des Foikethingsentwurfes gleihbedeutend mit der Ver- werfung der Sache sei, oder wie weit das Ministerium jeßt geneigt scin könnte, auf den genanaten Entwurf als Grundlage für die Verhandlungen einzugehen. Der Ausschuß richtete deshalb unterm 23. Mai ein Schreiben an den Konseils- Präsidenten, worin derselbe um Auskunft darüber ersuhte, wieweit das Mini- fterium, angesichts der leßten Wahlen, geneigt sein möchte, auf die künftige Behandlung der Sache im Reichstage auf Grundlage des in der leßten Session vom Folkethinge in dritter Lesang angenommenen Entwurfs einzugehen, sowohl was die Realität der Sache, die Hohe der Bewilligung und die Art und Weise der Be- schaffung der Mittel betreffe; ferner bat der Auêëshuß um Mittheilung alles dessen, was zur Aufklärung über die Stellung des Ministeriums zur Sache im Banzen genomm-n dienen könnte. Auf dieses Schreiben erhielt der Ausshuß am folgenden Tage Antwort: „In Veranlassung des sehr geehrten Schreibens des Ausschusses vom 23. d. unterlasse ih nicht, mitzutheilen, daß das Minifterium sich nicht im Stande sicht, auf den in der vorigen Reichstagssession vom Folkethinge in dritter Lesunz angenomme- nen, bei der s{hließlichen Abstimmung aber verworfenen Entwurf ein- zugehen, da es, soweit es die Realität der Sache betrifft, evensow: nig jeßt wie früher es für ausreichend hält, die Vertheidigung Kopen- hagens nach der Seeseite auf s{wimmende Forts zu stüßen, und es, soweit es die Art und Weise der Beschaffung der Mittel be- trifft, es fernerweit für unzulässig erachtet, der Bevölkerung neue Steuern aufzuerlegen, so lange der jährlihe Uebershuß und die vor- handenen diepouiblen Mittel als vollkommen ausreichend zur D:ckang der außerordentlichen Ausgaben, sowohl zum Vertheidigungs- wesen wie zu anderen nüßlihen Veranstaltungen, ¿. B. die Entwickelung der Kommunikationsmittel , angesehen werden müssen. Was schließlich die Höhe der Bewilligung betrifft, so will ih nur daran erinnern, daß der Unter\chied zwischen dem in dem Gesetzentwurf der Regierung verlangten und dem im obengenannten Aenderungsentwurf angebotenen Betrage nur ca. 3 Millionen Kronen beträgt. Wenn der geehrte Aus\{chuß mit der Bitte um Mitthei- lung dessen schließt, was 1m Uebrigen zur Aufklärung über die Stellung des Ministeriume zur Sache im Ganzen genommen dienen kann, so Ile ih mich nicht im Stande, diefem in so großer Allgemeinheit ausge- prochenen Verlangen nachzukommen, weil nicht einmal vom Aus- \chusse angedeutet ist, in Betreff welcher Pu: kte man nähere Aufklärung wünschen möchte; ih muß hieran gleichzeitig die Bemerkung knüpfen, daß ferneren Auslassungen des Munisteriums im gegenwärtigen Stadium der Sache selbstverständlich nicht die Bedeutung beigelegt werden kann, daß die endlihe Entscheidung der Angelegenheit dur eine fortgeseße Verhandlung zwischen der Rezierung und dea beiden Abtheilungen des Reichstages dadurch vorgegriffen wird“.

Der Ausschuß fand dice Antwort, was die eigentlichen Streitfragen betrifft, genügend deutlich, indem die Befestigung Kopenhagens nach der Seeseite durch neue feste Forts und der Widerstand gegen die Steuer auf Einkommen und Vecmögen mit gleiher Stärke wie früher festgchalten wird. Jn Betreff des hervorgehobenen geringen Unter- sciedes von 3 Millionen Kronen zwischen den Summen des Re- gierungs- und des Folkethings-Entwurfes erbat sich der Aus*chuß aber in drei bestimmien Fragen Auékunft: ob d18 Ministerium 88 Mill. Kronen zur vollständigen Durchführung der außerordentlichen Vextheidiainigämaktegein für ausreichend hält; ob das Ministerium alle niht im (Entwurfe aufgenommenen Veranstaltungen definitiv auf- giebt; und im bejahenden Falle, ob das Muvisterium die näheren Giründe angeben will, welche dafür sprechen, daß der Betrag von 33 Mill. Kronen auf die im Gesetßentwurfe vorgeschlagene Weise am besten an- gewendet jein wird. Die hierauf vom Conseilspräsident.n eingegangene Antwort hält die Majorität des Ausschusses für verneinend, so daß das Ministerium fortgeseßt die beantragte Bewilligung von 53 Mill. Kronen als zur Erreichung des Zweckes für ungenügend erachtet; aver auch üer die zweckmäßigste Verwendung dieser Summe hat das Mis nisterimm kein Gutachten ihrer Sachoerständigen eingeholt. Von der Minorität des Ausschusses ist gleichfalls ein Entwurf ausge- arbeitet worden, welcher dem Ministerium übersandt, von diesem aber als ungeeignet zur Grundlage voy Verhandlungen zurückgewiesen ift,

Der Bericht des Ausschusses schließt: Ungeachtet die Majorität einem Ministerium gegenüber, welches in einem fo auffälligen Grade wie das gegenwärtige eine so deutlihe Kundgebung des Willens der Be- völkerung, wie sie bei den Folkethingswahlen am 25. April stattfand, igvoriren zu können und zu müssen glaubt, eine einfache Verweigerung des Uebergangs zur zweiten Lesung für die passendfßte Antwort bält, so findet man es doeh am rihtigsten durch einen Beschluß des Thinges bestätizgs zu erhalten, A é die Auffassung der Majorität von der Bedeutung der neuen Folkethings- wahlen hinsichtlich dieser Frage ift, daß die überwiegende Majorität der Wähler sih dem vom Folkethinge früher vorgelegten Euatwurf in seinen Grundzügen angeschlossen Hat, Ju Folge dessen be- antragt die Majorität, die Verhaadlung über die vorliegende Sache dur die Annahme folgender Tagesordnung zu schließen:

„Jadem das Folkething ausspricht, daß es willig ift, einen Betrag von _ ca, 30 Mill. Kionen zu bewilligen, zu Wege gebracht durch eine Steuer auf Ginnahme und Vermögen, zur Durchführung eines zweckdienlichen Vertheidigungsplanes, der Kopenhagens Befesti- gung durch n-ue feste Werke ausschließt und einen militärischen Stügz- punkt in Zütland mit aufnimmt, geht das Thiug zur Tages- ordnung über.“

23. Juni, (W. T. B) In der heutigen Sißung des Folkething gelangte die bereits gemeldete, von der

Majorität der Kommission bezüglih der Wehrvorlage