die Legitimalion des Fürsten Gebhard Lebrecht Blücher v. Wahl- statt, des Vize-Bürgermeisters zu Cassel, Obergerichtsanwalt Dr. Hermann W'igel,, und des ersten Bürgermeisters zu Halberstadt, Gustav Bödcher, als geführt anzuerkennen,
Der vierte Gegenstand der Tagesordnung war der münd- lihe Bericht der Budget-Kommission über die allgemeine Reh - nung über den Staatshaushalt des Iahres 1873. Ohne Debatte wurde der betreffende Antrag des Re- ferenten Grafen v. d. Schulenburg - Angern genehmigt. Den Schluß der Tagesordnung bildete der mündlihe Bericht der Budgetkommission über die Uebersicht von den Staatsein- nahmen und Ausgaben des JIahres 1874. Der Referéènt Graf v. d. Squlenburg-Angern beantragte in Uebereinstimmung mit den Beschlüssen des Hauses der Ab-
eordneten vorbehaltlich der bei der Prüfurg der Rehnung f ergebenden Erinnerungen die nahgewiesenen Etatsgüberschrei- tungen für das Iahr 1874 mit 13,844,488 Thlr. 8 Sgr. 8 Pf. und die außeretatsmäßigen Ausgaben mit 2,588,413 Thlr. 19 Sgr. 2 Pf., zusammen 16,432,901 Thlr. 27 Sgr. 10 Pf. nachiräglih zu genehmigen, und das Haus trat diesem Antrage ohne Debatte bei, worauf der Präsident die Sitzung um 2 Uhr \chloß. Nächste Sißung Dienstag 12 Uhr. Tagesordnung: Petitionsberichte.
= In der heutigen (74.) Sißung des Hauses der Abgeordneten, welher am Ministertishe der Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz - Minister Camphausen, der Minister des Innern Graf zu Eulenburg, der Handels-Minister Dr. Achenbach, der Minister für landwirthschaftlihe Angelegen- heiten Dr. Friedenthal und mehrere Regierungskommissarien bei- wohnten, begründete nah geschäftlihen Mittheilungen der Abg. Kantak seine Interpellation, welche lautet:
„Am 18. April d. I. fand in Eichenberg — Dembogorz — (Westpreußen) eine Versammlung des Orhöster landwirthschaft- lichen Vereins statt. Dieselbe wurde sofort bei ihrer: Beginn von dem Amtsvorsteher Tümmler, troß des in den Statuten des Ver- eins enthaltenen Paragraphen, daß die Geschäftsspcache des Ver- eins die polnische ist, aufgelö}, weil die Versammelten seinem Verlangen, in deutscher Sprache zu verhandeln, niht nachkommen wollten resp. konnten.
Wir richten an die Königliche Staatsregierung die Anfrage:
1) Ist ibr dieser Vorfall bekannt, und welche Schritte hat dieselbe zur Verhütung ähnlicher Verleßungen verfassungsmäßiger Rechte gethan ?
andernfalls :
2) Ift die Königliche Staatsregierung bereit, Abhülfe zu schaf- fen und Anordnungen zu treffen, um der Wiederholung ähnlicher Vorkommnisse vorzubeugen ?“
Der Minister des Innern Graf zu Eulenburg erklärte, daß er in dem in der Interpellation angegebenen Falle die Auflösung niht habe gut heißen können, und deshalb die Be- hörden inftruirt habe, bis zur definitiven Ent- scheidung des Ober - Verwaltungsgerihts nur in drin- genden Nothfällen mit der Auflösung polnisch reden- der Versammlungen vorzugehen. Auf Antrag des Abg. v. Czarlinski (Koniß) trat das Haus in die Besprehung der Interpellation ein, an welcher sih die Abgg. Windthorst (Meppen), v. Czarlinski (Konitz), Kallenbah und Kantak betheiligten.
Ohne Debatte wurde sodann in erfter und zweiter Be- rathung der Gesetzentwurf, betreffend die Erhöhung des Maximalunterstüßungssaßes für die hülfs- bedürftigen ehemaligen Krieger aus den Jahren 1813/15 angenommen.
Ebenso wurden die in veränderter Fassung vom Herren- hause zurückgelangten Geseßentwürfe wegen Ergänzung der Ver- ordnung vom 13. Mai 1867, betreffend die Ablösung der Ser- vituten, die Theilung der Gemeinheiten und die Zusammen- legung der Grundftüke für das vormalige Kurfürsten- thum Hessen und betreffend die Verwaltung der den Gemein- den und öffentlihen Anstalten gehörigen Holzungen in den Pro- vinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien und Sachsen angenommen. Dann wurde die in voriger Sißung unter- brochene Berathung der Petitionen aus Oberhausen und Iserlohn, betreffend die durch den Bergbau verursachten Bodensenkungen fortgesezt. Nachdem der Referent der Gemeindekommission Adg. Knebel, seinen einleitenden Vortrag vervollständigt, wendete \ich Abg. Dr. Hammacher gegen den Antrag der Kommission, welcher die Revision der Berggesezgebung in Bezug auf den Rechtsshuy gegen die gemeingefährlihen Einwirkungen des Bergbaues bezweckt, mit der Erwägung, daß man troß dieser unvermeidlihen Folgen den Bergbau, die Quelle des Volks- wohlstandes in jenen Gegenden, nicht als gemeingefährlih ein- en dürfe. Beim Schlusse des Blattes hatte der Abg.
chlieper das Wort.
— Die Zeitungen haben \ich in den leßten Tagen mehrfach mit der Thatsache beschäftigt, daß in der Organisation der Vertretung der deutshen Kommission bei der Welt- ausftellung in Philadelphia kürzlich eine Aenderung stattgefunden hat. Bedauerliher Weise find hierbei Nachrichten verbreitet worden, welch? der Wahrheit niht entsprehen. Man ist soweit gegangen, die persönliche Aa: der in Phi- ladelphia bestellten deutshen Kommissare völlig grundloser Weise in Zweifel zu ziehen. Richtig i nur, daß, nachdem eine einheitlihere Organisation unserer Vertretung in Philadel- phia als wünschenswerth ih ergeben hatte, der Kaiserlihe Ge- sandte in Washington auf seinen Antrag die Ermächtigung er- hielt, einen deutshen Generalbevollmächtigten für die Ausstellung zu ernennen. Von dieser Ermächtigung hat denn auch der Kaiserlihe Gesandte, einem in diesen Tagen hier eingetroffenen Bericht zufolge, durch Einsezung eines General - Kommis» \särs Gebrauch gemacht.
— Nah der vom Reichs - Eisenbahnamt in der eutigen „Ersten Beilage“ wveröffentlihten Nachweisung der etriebsergebnisse der Eisenbahnen Deut\ch- lands (exkl. Bayerns) im Monat Mai d. Js. stellt sh auf den 84 Bahnen, welhe in dem Zeitraum vom 1. Januar 1875 bis Ende Mai 1876 im Betriebe standen: die Einnahme aus allen Verkehrszweigen im Monat Mai d. I. bei 26 Bahnen höher und bei 58 Bahnen geringer, als in dem- elben Monat des Vorjahres, und die Einnahme pro Kilometer m Monat Mai d. I. bei 19 Bahnen höher und bei 65 Bahnen (darunter 19 Bahnen mit vermehrter Betriebslänge) geringer, als in demselben Monat des Vorjahres ; die Einnahme aus allen Verkehrszweigen bis Ende Mai d. Js. bei 42 Bahnen höher und bei 42 Bahnen geringer, als in dem- selben Zeitraum des Vorjahres, und die Einnahme pro Kilometer bis Ende Mai d. Is. bei 33 Bahnen höher und bei 51 Bahnen (darunter 17 Bahnen mit vermehrter Betriebslänge) geringer, als in demselben Zeitraum des Vorjahres. Bei den unter Staatsverwaltung stehenden Privatbahnen -— (einshließlich der Annaberg-Weiperter und Chemniß-Würsch- niger Eisenbahn) — beträgt Ende Mai d, Js, das gesammte
konzessionirte Anlagekapital 1,032,163,800 / und die Länge derjenigen Strecken, für welche dieses Kapital bestimmt ift, 3,754,01 Kilometer, so daß auf je 1 Kilometer 274,950 H ent- allen.
f Bei den unter Privatverwaltung stehenden Privat-Eisen- bahnen (aus\chließlich der Uelzen-Langwedeler und Peine-Jlseder Eisenbahn) beträgt das gesammte konzessionirte Anlagekapital 3,269,848,856 A und die Länge derjenigen Strecken, für welche dieses Kapital bestimmt is, 13,233,79 Kilometer, so daß auf je 1 Kilometer 247,085 /6 kommen.
— Ueber die Wirkungen Des neuen Telegraphen - tarifs ergiebt sih aus den statistishen Aufstelungen für den abgelaufenen Monat (Mai) Folgendes: Die Einnahme an Ge- bühren betrug 1,004,507 M gegen 873,931 /6 im Mai 1875, mithin mehr 130,576 # Hiernah wird für das Jahr auf eine Mehreinnahme von etwa 1 Million Mark zu renen sein. Dies Ergebniß ist um \o höher anzushlagen, als in der lehten Zeit ein beständiger Rückgang in den Einnahmen der Tele- legraphenverwaltung ftattfand; \o betrug die Einnahme, welhe \fich für 1874 auf 10,681,535 A belaufen hatte, im Jahre 1875 nur 10,594,538 #, anstatt daß bei nor- maler Entwickelung sih eine Steigerung hätte ergeben müssen. Die Ursache davon liegt in der Abnahme des kommerziellen tele- graphishen Verkehrs, die namentlich in Folge der Börsenverhält- nisse seit längerer Zeit fich bemerklich macht. Für den Zeitraum vom 1. Januar bis Ende Mai d. I. sind 65,632 inländische Telegramme weniger, als im gleihen Zeitraum des Vorjahres befördert worden, d. i. 2,83 Prozent. Daß der neue Tarif, welcher für den ersten Rayon bekanntlih höhere Säge ergiebt, als der alte Tarif hierauf nicht von Einfluß gewesen is, dürfte der Umstand beweisen, daß im Verkehr mit dem Auslande die Depeschenzahl in dem gleichen Zeitraume sich um 15,447 d. i. um 2,68 Prozent vermindert hat, mithin in noch ftärkerem Maße, als beim in- ländishen Verkehr: — erfihtlich die Folge der allgemeinen Ge- \chäftsverhältnisse. Erfrenlih if: die Thatsache, daß die Durh- \chnitts-Wortzahl des einzelnen Telegramms \ich von 18 auf 14 vermindert hat; es find Depeschen von fünf, vier und selbst drei Worten vorgekommen. Die Kürze beshleunigt die Ueber- mittelung. Bei 10 Millionen Depeschen, welche, die Umtelegra- phirungen eingerechnet, jährlih durch den Reichstelegraphen zu expediren find, ergiebt {hon der bisherige Rückgang von 18 auf 14 Worte eine Ersparniß in der Arbeitsleistung von 40 Millionen Worten, eine Anzahl, die niht weniger als 110,000 Arbeitsstunden oder 13,000 Arbeitstage ausmacht. Es erhellt also aus den bisherigen Ergebnissen mit Sicherheit: ein- mal, daß der Verkehr von einem erheblißen Ballast befreit ift, und sodann, daß die Einnahmen aus der Telegraphie eine Stei- gerung erfahren haben.
— Nah einem Spezialerlaß des Ministers des Innern vom 13. v. M. is die Mitwirkung von Kindern unter 14 Jahren bei dem Betriebe der im §. 59 der Gewerbe- ordnung vom 21. Juni 1869 bezeihneten Gewerbe auch in dem Falle für unstatthaft zu erahten, wenn diese Mitwirkung angeblich vorzugsweise zum Zwecke ihrer Vorbereitung und Aus- bildung in den betreffenden Verrichtungen erfolgen soll.
— Der Minister für Handel, Gewerbe und öffentlihe Ar- beiten hat unterm 1. d. M. für die Markscheider im preu- Fischen Staate eine neue Diäten- und Gebührentaxe festgeseßt.
—— Die in den Zeitungen verbreitete Nachricht, daß die neu- geprägten 2-Markftüccke bei der General-Staatskasse in größeren Summen zu érhalten seien, ift unbegründet. Die ge- nannte Kasse hat nur einen geringen Bestand an 2-Markstücken, worauf wir die Bankhäuser und Privatleute, welhe der General- Staatskasse Geld zur Umwechselung in 2-Markstücke zu über- \enden beabsihtigen, zur Vermeidung der den Einsendern un- nöthigerrweise erwahsenden Portokosteri aufmerksam machen.
-— Der Käufer von Wildpret, welches in der Scho n- zeit erlegt worden, macht sich nicht der Hehlerei shuldig, auch wenn er weiß, daß das Wild entgegen den Landesstrafbestimmungen in der Schonzeit erlegt worden is, Erkenntniß des Ober- Tribunals, Senats für Strafsahen 1. Abtheilung, vom 24, Mai d. I.
— Der Eéneral der Infanterie von Groß- gen. von Schwarzhoff, kommandirender General des Il]. Armee-Corps, ist nah beendigter Rundreise zur Inspizirung der Truppentheite der ihm unterstellten Armee-Corps hierher zurückgekehrt. -—- Der Genexal-Lieutenant von Kameke, Inspecteur der 1. Fuß- Artillerie-Inspektion, hat fih zur Inspizirung der Schießübungen der ihm unterstellten Truppentheile auf Dienstreisen begeben. —
"Der General-Lieutenant von Pape, Commandeur der 1. Garde-
Infanterie-Division, hat fich zur Besihtigung des 3. Garde- Regiments zu Fuß nach Hannover begeben.
-— Der Dirigent der Königlichen Direktion für die Ver- waltung der direkten Steuern und Vorsißende der Einshäzungs- kommission für die Staats-Einkommensteuer Geheime Regierungs- Rath Rust hat einen sechswöchentlihen Urlaub angetreten und wird vurch den Ober-Regierungs-Rath Bersch vertreten.
— Das deutshe Mittelmeer-Geshwader is am 25. Juni in Salonichi angekommen. Klles wohl.
Breslau, 24. Juni. Der Ober-Präsident hat mit Rück- sicht auf das Vorkommen polnischer Ortsnamen in Ober- \chlesien, welche eine deutsche Zunge kaum aussprechen kann, und die mit deutshen Buchstaben nicht geschrieben werden können, die Anordnung getroffen, daß solche polnishe Ortsnamen in einer Weise berichtigt werden sollen, doß sie der deutschen mündÿ- lichen Aussprache und deutschen Schreibweise keine Shwierig- keiten bereiten.
Bayern. München, 24. Juni. Wie die „Alg. Ztg.“ vernimmt, hat der König den Minifter von Luß zu deffen heutigem Namenstage unter Verficherung des vollsten Königlichen Vertrauens telegraphisch beglückwünscht.
— Die Abgeordnetenkammer berieth gestern den Gesehentwurf, die Vervollständigung der Staats- bahnen betreffend. Minister v. Pfreg\schner erklärte: Gegen die vom Aus\{huß neu eingesezten Poftulate für die Linien Dinkelsbühl - Feuhtwangen, Donauwörth - Treuchtlingen, Unter- peissenberg - Bießenhofen verhalte fich die Staatsregierung ablehnend; bei neuen Eisenbahnen sei von jegt an zur Vorsicht zu R es sei hierbei niht diese oder jene Petition, fondern das ganze Land gleihmäßig zu be- rüsihtigen. Das Postulat für Lohr - Wertheim wurde geneh- migt; der Aus\{hußantrag, betr. die Linie Dinkelsbühl - Feucht- wangen mit 74 gegen 68 Stimmen angenommen, ebenso . der Auss\chhußantrag, betreffend die Linie Donauwörth-Treuchtlingen ; dagegen lehnte die Kammer den Ausschußantrag, die Linie
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Unterpeissenberg - Bießenhofen betreffend, ab. Bei Absag 6 des Art. 1 wurde die Sißung auf Montag vertagt.
— Eine heute Mittag hier eingetroffene AUerhöchste Entschließung verlängert den Landtag bis zum 12. Juli und erklärt dann: „Wir geben uns hierbei der zuver- sihtlihen Erwartung hin, daß beide Kammern bis zu dem er- wähnten Zeitpunkte die auf Unseren Befehl an dieselben ge- brachten Gegenstände vollständig erledigt haben werden.“ — Der Korr. v. U. |. D.“ bemerkt dazu: „Wenn der Entwurf des Wahlgeseßes von beiden Kammern in der gegenwärtigen Session nochch erledigt werden soll, so wäre, da in jeder derselben eine dreimalige Berathung in Zwischenräumen von wenigstens acht Tagen stattfinden muß, hierzu jedenfalls die Zeit bis Mitte August erforderlich. Bis zum 12. Juli kann der Entwurf also niht durhberathen sein. Es wird übrigens auch nicht möglich sein, das Budget und die anderen noch unerledigten Regierungs- vorlagen bis zum 12. Juli zu erledigen, es werden hierzu viel- mehr im günstigsten Falle noch weitere aht bis zwölf Tage er- forderlich sein.“
— Der Staats-Minister der Finanzen hat dèr Kommer der Abgeordneten ein Nachtragspostulat zum Budget eingereiht, durch welhes die Staatsregierung ermäch- tigt werden foll, der Stadtgemeinde Immenstadt zur Ausführung einer für die Abwehr der drohenden Wassezgefahr durch den Steigbach als entsprehend. erachteten Bauvornahme, unter der Vorausf\etung, daß die Gesammtkosten dieser Bauvornahme mindestens 325,715 A betragen, einen Staatszushuß im Maxi- malbetrage von 205,714 #, oder im Fall eines Minderaufwan- des einen verhältnißmäßig abgeänderten Betrag à conto des Etats der allgemeinen Reserve für unvorhergesehene und unabweisbare Ausgaben zu gewähren. — Die VII. Abtheilung der Kammer der Abgeordneten hat cinen Antrag ihres Korreferenten Abg. Wildegger, die Landtags3wahl von Regensburg wegen angeblih ungeseßliher Wahlbezirkseintheilung betressend, als un- begründet vorgestern abgelehnt; die weiterere Berathung der be- züglihen Wahlreklamationen soll und kann erft stattfinden, wenn die von der Abtheilung hon in einer früheren Sizung für 1: oth- wendig erachteten Erhebungen über - die Wahlberehtigung einer Anzahl Urwähler vollftändig vorliegt.
Sachsen. Dresden, 24. Juni. Am gestrigen Tage is} das nachstehende Allerhöchste Dekret, die Verlängerung des Landtags betreffend, an die Ständeversamnilung gelangt:
„Da es bis jeßt noch nicht gelungen ist, die sämmtlichen den ge- treuen Ständen vorliegenden Arbeiten zur Erledigung zu bringen, in- dem nicht nur über den definitiven Abschluß des Staatsbudgets für die gegenwärtige Finanzyeriode, sondern auh über einige andere wich- tige Gegenftände, insbesondere über den mit Allerhöchstem Dekrete vom 15. März dieses Jahres vorgelegten Geseßentwurf, die staatliche Oberaufficht über die Ftatholische Kirche betreffend, über den mit Allerhöhstem Dekrete vom 26. Oktober vorigen Jahres vorgcleaten Entwurf eines Geseßes über den Urkunden- und Erb- \chaftsstempel, über das Allerhöchste Dekret vom 1. Mai dieses Jahres, die Ober-Rechnungskammer betreffend, sowie über die Allerhöchsten Dekrete vom 7., 9. und 16. Juni, den Ankauf verschie- dener Privateisenbahnen betreffend, die \ständishen Erklärungen noch zurüdstehen, so hahen Se. Majestät beschlossen, den Landtag bis zum 30. dieses Monats zu verlängecn, und den Schluß desselben auf Sonnabend, den 1. Juli zu bestimmen, indem Allerhöchftdieselben fich der Hoffuung hingeben, daß es den getreuen Ständen mö(lih sein wird, bîs dahin die obenerwähnten Gegenstände zur verfassungs- mäßigen Erledigung zu bringen.
Se. Königliche Majestät verbleiben den getreuen Ständen in Huld und Gnaden jederzeit wohl beigethan.
Dresden, den 22. Juni 1876.
L, 8. Albert.
Richard Freiherr v. Friesen.“
— Die Erste Kammer genehmigte heute die zu der Ge- bührentaxe für die Kostenberechnungen der Verwaltungsbehörden erster Instanz und zu dem Gesezentwurfe über die Schonzeit der Rebhühner aus dem Vereinigungsverfahren hervorgegangenen Kompromißvorshläge und trat sodann ein in die Berathung der während des gegenwärtigen Landtags eingegangenen Eisenbahnpetitionen. Zur Ausführung noch im Laufe der gegenwärtigen Finanzperiode wurden vorgeschlagen die Linien Neukirh-Bischofswerda und Eibau-Oberoderwiß, zur Kenntnißnahme wurden der Regierung zu überweisen beschlossen Petitionen um Ausführung der Staatsbahnen Geithain-Lausigk- Liebertwolkwiß, Dresden-Dippoldiswalde, Müglißthalbahn, Groß- bauhliz-Mügeln-Dahlen, Dresden-Wilsdruff- Nofsen, Zwickau- Mülsen-Lichtenstein, Gürtelbahn Chemni, Wittgensdorf-Lim- bah-Wüstenbrand, Königsbrück-Kamenz und Wilkau-Kirchberg. — Die Zweite Kammer blieb gegen 16 Stimmen bei Bim früheren Beschlusse, das zu Erweiterung der Wirksamkeit der Ober-Rehnungskammer geforderte Nachpostulat von 18,350 4 abzulehnen, stehen, ebenso einstimmig bei dem Beshlufse, die Regierung um Wiedervorlegung des zurückgezogenen Gesetz- entwurfs über die Ober-Rehnungskammer beim nächsten Land- tage zu ersuchen.
Baden. Karlsruhe, 22. Juni, Dur die Annahme des amendirten Shulgesegzes in der neueren Fassung bur die Zweite Kammer, welhe damit den Wünschen des Ersten Hauses thunlihst entgegenkommen wollte, if einer der Haupt- ftreitpunkte hinweggenommen. Man glaubt erwarten zu dürfen, sagt der „Schw. Merk.“ daß die Annahme des Gesetzes in sei- ner jeßigen Gestalt durch die Erste Kammer erfoigt. -— Die Berathung des:Dotationsgesehÿes ist um einen Tag versho- ben worden ; da auch hier ein Kompromiß vorliegt, dürfte auch in diesem Punkte der Friede wohl gesichert sein.
Hessen. Jugenheim, 23. Juni. Der Herzog Eugen von Wäürttemberg nebst Gemahlin und der Landgraf von Hessen find zum Besuche hier eingetroffen. Der Groß - herzog von Oldenburg und der Herzog Elimar von Oldenburg statteten heute Sr. Majestät dem Kaiser von R ußland einen Besuch ab und sehten nah eingenommenem Diner ihre Reise nah Frankfurt fort.
— 24. Juni. Die Königin von Württemberg if} gestern Abend hier eingetroffen und wurde von dem Prinzen Alexander und der Prinzessin von Battenberg in Bickenbah empfangen und nah dem Schloß Heiligenberg geleitet.
Jugenheim, 26. Iuni. (We T. B.) Erzherzog Al - bret hat sich heute Mittag von hier über Frankfurt a. M. nah Coblenz begeben.
Mecklenburg. Neustrel iy, 24. Juni. Den „M. A.“ wird von hier- mitgetheilt, daß die Beisezung der irdischen Ueber- reste des Herzogs Georg am Dienstag, den 27. d., Vor- mittags, in Mirow erfolgen werde.
Sachsen - Weimar - Eisenach. Weimar, 24. Juni.
Der Geburtstag des Großherzogs ift heute in sehr engem Kreise der Großherzoglihen Familie begangen worden. Die
öffentlichen Gebäude und zahlreiche Privathäuser find mit Fah-
nen geshmückt. In dem Gymnasium, der/ Realshule, dem Se- minar und der Bürgershule fand ein feierliher Aftus ftatt. Um 10 Uhr war in der Garnisonkirhe “ gottesdienstlihe Feier, der um §12 Uhr Parade auf dem Kasernenplagze folgte, Um 3 Uhr vereinigte ein Mahl in der festlih geshmückten Kaserne das Offiziercorps, die pensionirten Offiziere und einige Persôn- lichkeiten aus der Stadt. Abends fanden die üblichen Festlich- Feiten, Bälle statt. — Prinz Heinrich VIl. Reuß ist mit Gemahlin gestern Abend hierselb| eingetroffen.
Sachsen - Meiningen. Meiningen, 24. Juni. Ju Rüefsicht darauf, daß zur Zeit 36,732 Thlr. hiesige Kassen- anweisungen noch nicht zur Präsentation gebracht worden find, ist beshlossen worden, die mit dem 30. d. M. ablaufende Einlösungsfrist für die auf Grund der Landesgeseße vom 24. Mai 1849 und 29. Mai 1856 ausgegebenen Herzoglich \sachsen-mei- ningenshen Kassenanweisungen in Stücken zu Ein Thaler und Zehn Thaler bis zum 30. September 1876, diesen Tag mit ein- geschlossen, dergestalt zu erstrecken, daß die genannten Kassen- anweisungen unter Aufrechterhaltung aller übrigen Bestimmungen unserer Bekanntmachung vom 11. Juni 1875, wie seither durch die Herzoglih sächsishe Staatsschuldentilgungskasse hier bis zum 30. September d. J. einshließlich umgetausht werden können, mit Ablauf dieser leßten Frist aber gänzlih werthlos werden.
Anhalt. Dessau, 23. Juni. Der Herzog und die Prinzessin Elisabeth, welche bereits seit dem 20. sih auf der Reise von Wildbad hierher befinden, gedenken heute hier einzutreffen. Die Herzogin hat \sich gestern nah Eisenah be- geben, um sie von dort abzuholen.
Elsaß-Lothringen. Straßburg, 23. Juni. Die „Gemeinde-Zeitung“ schreibt: Die Thätigkeit der Kommis- sionen für Schäßung der Kriegsschäden und Lei- stungen im Ober- und Unter-Elsaß ist definitiv been- digt; in.Lothringen sind abgeschlossen die Schäßungen und Anweisungen der Spezialkommissionen für Beschießungsschäden in Bitsch, Pfalzburg, Diedenhofen und Marsal; die noch nicht erledigten Geschäfte der Kommission für Beshießungsschädeu in Met, wie der allgemeinen Kommisfion für Kriegsleistungen im Bezirke Lothringen werden bis zum Herbste wohl zu Ende ge- führt sein. — Damit werden denn die nah dem Geseße vom 14. Juni 1871 zu erstattenden Entschädigungen vollkommen ausgeglichen sein. Neue Anmeldungen werden nach den Be- \{lüssen der Kommissionen seit 1. Oktober 1873 niht mehr angenommen. :
Da aber im Lande außerdem mancher Schaden erlitten worden war, der niht gerade unter das Geseh fällt, z. B. durch Plünderungen, Zerstörungen, körperlihe Beschädigung von Civilpersonen bei Gefechten, Kriegsleistungen, wofür mili- tärishe Anerkenntnisse niht beigebraht werden konnten u. \. w., \so find in den Etats für die Landesverwaltung weitere Fonds eingeseßt worden und zwar 1872: 800,000 M, 1873: 600,000 Á, 1874: 20,000 M, 1875: 80,000 A# Weitere Kredite sind nicht mehr eröffnet worden. Diese Fonds stehen zur Dispo- sition der Bezirkspräsidenten und haben den Charakter von Unterstüßungsfonds.
Oesterreich-Ungarn. Wien, 24. Juni. Die „Poli- tische Korrespondenz“ meldet gegenüber gegentheiligen Nachrichten, daß die Zustimmung der österreihish-ungarishen Regierung zu dem Abänderungsvertrage der Baseler Eisenbahn- kFonvention nunmehr exfolgt is. — Der Landeskomman- dirende von Kroatien, Freiherr von Mollinari, weilte einige Tage hier und wurde von dem Kaiser und wiederholt auch vom Grafen Andrassy empfangen. Hierbei soll, wie einem Pester Blatte von hier gemeldet wird, namentlich die strengere Bewachung der ungarisch-sexbishen Grenze zur Sprache gekom- men sein. Die Meldung, daß der Staatsanwalts - Substitut Dr. Lôw nah den südlihen Distrikten Ungarns gereift sei, um Schritte gegen serbishe Wühler und deren Helfershelfer einzu- Teiten, wird als unrichlig bezeichnet.
Prag, 283. Iuni. Der „Pokrok“ antwortet auf die gestrige Erklärung der „Narodni Listy“ bezüglih der Versöhnug im nationalen Lager in kühler und reservirter Weise. Es \ei von jungezehisher Seite bisher Niemand gewählt worden, um auf Grundlage des Austrittes der jungezechishen Abgeord- neten aus dem Landtage über die Versöhnung zu unterhandeln.
Pest, 22. Juni. Die „Pol. Korr.“ \{hreibt: Die Ministerien arbeiten unausgeseßzt anden Ergänzungs-Reformvorlagen, welche zum Herbste der Legislative unterbreitet werden sollen. Insbesondere herrscht diesbezüglih im Ministerium des Innern und im Kommunikations-Ministerium eine rege Thätigkeit. In dem ersteren wurden neuestens die Grundprinzipien bezügli der Domestikalkassen festgestellt. Das Maximum der Prozente, welche den JIurisdiktionen zu Gunsten der autonomen Verroaltung von der direkten Staatssteuer überlassen werden sollen, wurde mit 8 Prozent fixirt. Allenfalls würde den Jurisdiktionen noch ein separater Zuschlag zugestanden, Sollte irgend eine Jurisdiktion auch dann noch zu {chwach sein, um auf eigenen Füßen zu stehen, so wird fie angewiesen, bezüglih der Vershmelzung mit einer anderen Jurisdiktion \elbst die Initiative zu ergreifen, beziehungsweise anzusuhen. Im Kommunikations-Ministerium sind es die Rege- lung der öôfsentlihen Arbeiten und die Budapest-Semliner Eisen- bahn, bezüglih welcher eifrig studirt und konzipirt wird. Beide Fragen sollen noch im Herbst vor den Reichstag gebracht werden.
— Der Minister-Präsident Tisza begiebt sich heute oder morgen auf seine Besißung nah Geszt. Der ursprünglich be- absichtigte Abstecher nah Debreczin unterbleibt.
— 23. zuni. Wie hiesige Blätter melden, gedenkt die Regierung in der Herbstsession des ungarishen Reichstages den Entwurf einer neuen Civilprozeßordnung vorzulegen. Derselbe soll sich auf die: ganze Prozeßordnung erstrecken und deren gründliche Umarheitung bilden, wobei namentlich auf die Aufhebung * der Jnftitution des besonderen Kassationshofes und auf die Vereinfachung des Appellationsverfahrens Rüsicht genommen wird.
— 24. Juni. „Pesti Naplo“ \chreibt: „In das Gebiet jener Jurisdiktionen, wo die Agitation der serbischen „Omladina“ zumeist verbreitet ist, werden demnächst Regierungskommissare entsendet werden. Auch mit der kroatishen Regierung werden Verhandlungen zu dem Zwecke gepflogen, um auch auf dem Froatischen Gebiete die Agitationen einzudämmen.
Agram, 24. Iuni. F3M. Mollinari ist von Wien heute hierher zUrüfgekehrt.
Schweiz. Am27. Juniwird in Bern eine Diözesankonfe- renz der fünf Stände Bern, Aargau, Thurgau, Baselland und Solothurn abgehalten werden. Hauptverhandlungsgegenstand
wird die Regulirung der bi\chöflihen at e A sein. Im Weiteren liegt ein Gesuch des ehemaligen Bi)chofs Lachat vor, die Entscheidung des vor den Solothurnishen Gerihten hän- genden bekannten Prozesses, betreffend das Linderlegat, dem Bundesgericht zu übertragen.
Belgien. Süddeutsche Zeitungen erhalten folgende Mit- thei\ung: „Eine Anzah! \süddeutscher Blätter brachte dieser Tage ziemli gleihlautend eine Depeshe aus Brüssel, nah welcher die Gensd'armerie am 183. oder 14. d. bei den Ruhestörungen in Antwerpen auf die tumultuirende Menge gesho}sen haben soll, wobei mehrere Personen verwundet worden seien. Ebenso ver- sichert die „Neue Freie Presse“ vom 16. d. in einer Brüsseler Korrespondenz d. d. 13. Juni, daß die Regierung vom Vor- abend der Wahlen an in der Umgegend von Brüssel Truppen habe ansammeln lassen. Diese beiden Nachrichten sind vollständig aus der Luft gegriffen: keinerlei militärishe Vorkehrungen dieser Art sind in Brüssel ge:roffen worden und die Gensd'armerie in Antwerpen hat von ihren Feuerwaffen durhaus keinen Ge- brauch gemacht. “
Großbritannien und Jrland. London, 24. Juni: Das Oberhaus nahm die von der Regierung empfohlene Schiffahrtsvorlage zur zweiten Lesung an. Im Unter- hause wurde die Vorlage zur Umbildung und Vereinfahung der hohen Gerichtshöfe in Irland nah langer Debatte vertagt. — Die letzte Nummer dex amtlichen „Gazette“ enthält die Königliche Genehmigung zur Einverleibung der unter" dem Namen Fingoland, Idutywa-Reserve und Nomansland bekannten Territorien in die Capkolonie.
Frankreich. Paris, 24. Iuni. Der Fürst Yp\i- lanti ist in Paris angelangt, um dem Marschall Mac Mahon seine Beglaubigungsschreiben als Gesandter Griehenlands zu Übergeben. — Der Aus\chuß des Senats über das Uni- versitätsgeseyz hat den klerikalen Senator Kolb-Bernard zua seinem Vorfizenden ernannt.
— Der Budgetaus3\chuß hat mehrere wihtige Beschlüsse gefaßt, namentlih in Bezug auf die vorbehaltenen Artikel des Kultusbudgets. Der Kredit von 1,200,000 Fr. für Er- höhung der Gehälter der Kapläne wurde verworfen, für 1877 das Gehalt der Kanoniker von St. Géneviève (Pantheon) noch beibehalten, aber dabei ausgesprohen, daß es mit Ende 1877 aufzuhör.n habe. Betreffs der Kanoniker von St. Denis spra sich der Aus\huß dahin aus, daß die zwölf Stellen durch Er- löschen eingehen sollen. Langlois verlas den Bericht über das Budget des Kriegs-Ministeriums.
Italien. Rom, 24. Juni. (W. T. B.) Bei der heute in der Deputirtenkammer fortgeseßten Berathung der Eisenbahn- vorlage entwidckelte Spaventa in längerer Rede die Motive, welche die vormalige Regierung dazu bewogen, den Rükkauf der Bahnen und deren Betrieb durch die Regierung anzurathen und kfritisirte am Schlusse seiner Rede den Pariser Additional- vertrag. Der Minister - Präsident Depretis pratestirte hierauf gegen die Beschuldigung, daß die Regierung bei den in Paris geführten Verhandlungen die Würde des Landes ver- leßt have.
— Der zum Internuntius für Brasilien ernannte Mon- fignore Ronetti geht, den „Ital. Nachr.“ zufolge, mit der Mission nach Rio de Janeiro die Kaiserlihe Regierung zu bewegen, daß fie gegen die Aus\chließung der Freimaurer von den „Brüder- schaften“ keine Einwendungen mehr mache. Ferner soll derselbe ein neues Konkordat vorbereiten, aus welchem alle Punkte. ausgeschlossen werden, welhe seit der Einführung des jeyt gültigen Konkordats Anlaß zu Mißhellig- keiten zwischen der brasilianishen Regierung und dem päpst- lihen Stuhle gegeben haben. Der Bischof von Olinda, welcher im Palaste der Toledade in Pernambuco wohnt, soll nicht eher in seine Diözese zurückkehren, als bis sh der Inter- nuntius mit der Kaiserlichen Regierung über die Ausschließung der Freimaurer aus den Brüderschceften verständigt hat.
Türkei. Konstantinopel, 20. Juni. SultanMurad ist seit einiger Zeit leidend; die Ceremonie der Inveslitur und der Umgürtung mit dem Schwerte Osmans in der Moschee Eyub ist daher auf unbefiiamte Zeit vertagt. — Die heut einge- troffene „Turquie“ vom 20. d. M. berihtet: Kemal Bey, der unter der Regierung Abdul-Aziz's nah Cypern ver- bannt worden, sowie Nuri Bey und Hakki Effendi, die in St. Iean d'’Acre internirt waren, sind am Tage vorher nah Konstantinopel zurückgekehrt; mehrere ihrer Freunde find ihnen bis zu den Dardanellen entgegengefahren. Vor Gallipoli war Kemal Bey Gegenstand einer Opvation; eine große Zahl von Muselmanen und Christen sind an Bord des Schiffes gekommen, ihn zu begrüßen; er war be- kanntlih Gouverneur dieses Distrikts gewesen, zwar nur drei Monate, ÿat aber doch daselbs das beste Andenken hinterlassen. Bei der Einfahrt in den Hafen von Konstantinopel war das Schiff vcn mehr als zweihundert Barken umgeben, die zur Be- grüßung der drei Heimkehrenden gekommen waren.
— Zu dem Bericht des „Standard“ über die Ermordung der Minister geben wir nach der „Corr. Orientale“ noh falgende Ergänzun g:
In der Nacht vom Donnerstag zum Freitag, gegen Mitter- nacht, fand ein Ministerrath im Hotel Midhat Pascha's in Stambul statt. Der Saal, in welchem derselbe abgehalten wurde, enthielt einige Sophas, Sessel und einen ovalen Tisch; auf dem Sopha rehts vom Eingang saß der Kriegs: Minister Hussein Avni Pascha, rehts von ihm der Großvezier Mehemet Ruschdi Pascha auf einem Sessel; links am andern Ende des Sophas der Marine-Minister Ahmet Kaiserli Pasha, links von diesem auf einem Sessel der Minister des Aeußern Raschid Pascha und links von diesem, fast an der Thür, Midhat Pasha. Auf dem Kanapee und den Sesseln gegenüber saßen der Minister des Unterrichts, Djevdet Pascha, die Minister: ohne Portefeuille, Halet Pascha, Ju}suf Pasha und Riza Pala, und der Musteschar des Groß- veziers, Seid Bey. Gegen Mitternaht wird plöglih die Thür heftig geöffnet und ein Offizier mit einer Kapuze über der Uniform tritt ein, einen Revolver in der Rechten und einen Yatagan in der Linken, geht gerade auf den Kriegs-Minister los und mit einer heftig erregten Stimme ruft er ihm zu: - „Kriegs-Minister, hüte Dich!“ Diese Worte ausstoßen, auf Hussein Avni Pascha zu stürzen und auf ihn feuern, war das Werk eines Augenblicks. Bei der Detonation wirft \sich Ahmet Kaiserli Pasha auf den Mörder, aber dieser verwundet ihn an der Schulter mit einem zweiten Shuß und trifft ihn zugleich mit seinem Yatagan, \o daß er ihn loslassen muß. In diesem fkritishen Augenbli ftürzen die anderen Minister, die an eine Verschwörung glau- ben, zum Saal hinaus, nur Raschid alda bleibt, wie gelähn;4
von Schreck, auf seinem M Unterdessen \Zjieppt fich Hussein Avni Pascha troy einex tôdtlihen Wunde,
zut Ausgangsthür, als der Mörder \ch uoch ein- mal gegen ihn weadet und ihn mit seinem Yatagan vollends tôdtef. Ein þ¿nger Diener Midhat Pascha's, der in diesem Augenblick eingetrete,1 war, will den Arm des Mörders aufhalten, wird aber durch enen dritten Schuß niedergestreckt. Raschid Pascha, obwohl frei geb1u/ben, floh nicht, sondern blieb wie ohnmächtig, als der Mörder, im den Saal zurückfkehrend und außer sich vor Aufregung, den Lauf zcines Revolvers an den Kopf des Unglücklihen hält und ihn mit einem Schuß tödtet. Dann wendet er \ih zur Seitenthür, die nah dem Zimmer führt, wohin die Minister \fich geflüchtet rtnd sich verbarrika- dirt hatten, versucht sie zu sprengen, aber vergebens, er shießt zweimal auf die Thür in der Hoffnung, diejenigen, welche auf der anderen Seite standen, zu treffen. Die Kugeln sind auch mit großer Gewalt durch die Thür gegangen und in das Getäfel des Zimmers eingedrungen. Der Mörder \hien von wahrer Wuth ergriffen; als er seine Versuche, ins andere Zimmer zu gelangen, aufgab, zerbrach er die Möbel in dem, wo er sich befand und suhte es in Brand zu stecken, doch ergriff das Feuer nur die Vorhänge, da das Haus massiv is. Midhat Pascha war unter- deß aus dem Seitenzimmer in den Harem gegangen, hatte den einzigen Revolver ergriffen, der im Hause war, und wollte hinauf, um den Mörder zu ergreifen, dcch hielt man ihn mit Gewalt davon zurück. Die ganze \{hreckliche Scene hatte etwa dreiviertel Stunden gedauert, als endlich Soldaten und Zaptié's (Gensd'armen) erschienen und den Mörder ergriffen, der noch einen Revolver in der Rechten hielt; er wäre zerrissen worden, hätte Midhat Pascha niht gerufen, man solle ihn nicht tödten. In diesem Augenblick fiel Schukri-Bey, von einer Kugel tödtlih getroffen.
— Die türkishen Journale veröffentlichen folgende offizielle Mittheilung: „Die Trésor-Bonds, welche Coupons zum 1. Juli 1876 haben, sollen gegen Titel der Allgemeinen Schuld mit ihren Coupons vom gleihen Datum umgetauscht werden. * — Die Edelsteine und Preziosen des verstorbenen Sultans Abdul-Aziz find auf 2 Mill. türk. Pfund, (46 Mill. Fres.) ge= \{chäut. Alle diese Objekte sollen sofort in das Finanz-Mini=- sterium gesandt werden.
— Von Nis an der serbishen Grenze wird der „Pol. Corr.“ unter dem 15. Juni geschrieben: „Die bei Nish auf- gestellte türkishe Armee hat in der lezten Zeit manche Wandlung durchmahen müssen. Vor ungefähr 6 Wochen mag der Stand der hier konzentrirten Armee wohl bei 40,000 Mann betragen haben. So wie der Aufstand in Bulgarien, also im Rütcken dieser Armee ausbrach, ließ der Seraskier 15,000 Mann von hier nach dem bulgarishen Insurrektions-Schauplaße ab- rücken. Einige Tage \päter wurden weitere 6000 Mann nah Bosnien und der Herzegowina detachirt. Die hier zurückgeblie- benen Truppen belaufen \ich auf 20,000 Mann. Seit einigen Tagen kommen aber neue, meist asiatishe Regimenter hier an und dürfte in Kurzem wieder der Stand von 35,000 bis 36,000 Mann erreicht sein.
Die \chlechte Witterung, welhe während des Frühjahres hier herrshte, hat viele Krankheiten im Lager erzeugt, zumeist Gelenks-Rheumatismen, Lungenkrankheiten und Dysenterien. Seit einigen Wochen hat fich die Witterung gebessert und mit ihr ifi auch der Gesundheitszuftand der Truppen ein bei weitem günsßtigerer geworden. Das Aussehen der Mannschaften ift ein gutes; es herrsht kein Mangel an Lebensmitteln, da große Transporte von Mehl und Reis täglih ankommen.
Die Soldaten sind mit ihrer Verpflegung zufrieden und alle Klagen sind, da man etwas Geld unter die Leute vertheilte, verstummt. Am 15. Juli soll der rückständige Sold ausgezahlt werden; so wurde im Namen des neuen Sultans verkündet.
Man erwartet, daß Hamdi Pasha das Oberkommando Übernehmen weide. Dieser General ift in der Armee beliebt und nach Abdul Kerim Pascha und Redif Pascha der begabteste unter den türkischen Generalen.
Die Kaiserlihe Garde \oll in zehn Tagen hier eintreffen ; es werden {hon Zelte für sie vorbereitet.
Nisch ift stark befestigt. Die größten Kruppschen Kanonen befinden sih hier. Bis jetzt sind 56 solher Kanonen hier cin- getroffen.“
— Der „Politischen Korrespondenz“ vom 24. d. M. wird aus Belgrad gemeldet, daß dort alle Dispositionen getroffen seien für das EinrücLen der gesammten Armee in die stra- tegishe Aufstellung. Wenn es zum Bruche Serbiens mit der Pforte käme, was wohl sehr wahrscheinlih, aber keineswegs \hon unvermeidlih wäre, \o würde die kriegerische Aktion kaum vor den ersten Julitagen beginnen. Wie die genannte Korre=- \pondenz weiter erfährt, würde Fürst Milan in diesem Falle am Anfang nächster Woche wit einer Proklamation, welche einem Kriegsmanifest gleichkäme, von der Hauptstadt Abschied nehmen und fsih zur Armee nah Deligrad begeben. Die beabfichtigte Mission Chrisftics nah Konstantinopel \ei sfistirt.
Uebrigens meldet die „Agence Havas‘ vom 26.: daß Sei- tens der Mächte die energishsten Anstrengungen bei der \er- bishen Regierung gernaht würden, um dieselbe von einem übereilten Vorgehen der Pforte gegenüber abzuhalten. — Die Wiener „Montagsreoue“ vom 26. enthält, laut „W. T. B.*, einen Artikel über die Haltung Serbiens, in welchem betontwird, daß daselbe, wenn es alle Warnungen der Mächte mißachte, auf keinerlei Unterstüßung derselben zu hoffen habe. Erfolge Serbiens würden keine europäishe Anerkennung finden, die Konsequenzen aber, die sih an einen türkischen Sieg knüpfen, bedürfen keiner näheren Ausführung. Weder die eine noch die andere Lösung der Frage \heine Europa gefährden zu können, denn noh werde die Lage beherrsht von dem übereinstimmenden Entshluß aller Mächte, die Erhaltung des europäischen. Friedens allen übrigen Fragen überzuordnen.
— Ueber die militärishe Situation in Serbien enta nehmen wir der „Pol. Corr.“ noch folgende Mittheilungen: „Nach der serbishen Wehrverfassung bestehen drei Aufgebote, der Miliz' die zusammen eine Macht von 195,000 Mann re= präsentiren sollen. Jn Wirklichkeit konnte aber nur mit zwei Aufgeboten gerechnet werden. Nach den amtlichen Ausweisen er- aben dieselben ein waffenfähiges Kontingent von 100,000 Mann. Bei einer etwaigen Mobilmachung könnte aber
höchstens auf 75 Proz. dieses Standes mit einiger Sicherheit
gezählt werden. Der Kriegs-Minister ließ daher im lehtver- flossenen Winter alle nit bereits konstribirten Serben enrolliren und es ergab si, daß dieses dritte Aufgebot noch 40 bis 45,000 Marg liefern könne, Diesez leytere hatte die Bestimmung, im Kriegsfalle die Reserve zu bilden. Die gesammte Militärmacht des Fürstenthums wN.rde demgemäß etwa 115 bis 120,000 Mann aller Waff(”.gattunugen betragen. /
Das erste wie das zweite Aufgebot wird seit Wochen briz
« gadenweise zu je 3- bis 4000 Mann nach den Grenzen dirigirt,