\hiader, I Döppelkiellinie formirt, in Bewegung, und steuerte Anfangs mit halber Fahrt, dann mit ganzer Fahrt und allen Regeln dur die Engen.
Um 10 Uhr Abends wurde die Linie Dover-Calais passirt.“
Danach ist weder von einer Gefahr die Rede, noch ifi ein Signal Seitens des Geschwaders gesehen, vielmehr hat der Ge- \{chwader-Chef seine Pofition genau gekannt und is mit großer Vorsicht verfahren.
— Mit Bezug auf die durch die Presse verbreitete Nach- riht von dem Eindringen englisher Fischerboote in die diesseitigen Fischereigründe an der oftfriesishen Küste hat das Auswärtige Amt amtlihe Mittheilungen erhalten, aus denen \sich Folgendes ergiebt:
Der in diesem Jahre mit dem Schuße der deutshen Nord- fee-Fischerei betraute Kaiserlihe Aviso „Loreley® verließ den 20. Juni cr., Abends 8x Uhr, den Hafen von Wilhelmshaven und dampfte bis gegen 10 Uhr die Iade hinunter, wo die cin- tretende Dunkelheit das fernere Erkennen der Bojen unmö lich machte.
Am 21. Morgens wurde die Fahrt fortgeseßt, und kam gegen 6 Uhr a. m. nördlich von Langeoog eine Fischerflotte von reichlich 200 Segeln in Sicht, die in einem Umkreise von ca. 10 Seemeilen Durchmesser ohne Ordnung sehr zerstreut fischte.
Die „Lorcley“ dampfte darauf zu und traf die südlichsten englischen Fischerfahrzeuge auf 64 Seemeile von Land; dieselben lagen auf die Küste zu, halsten aber beim Eintreffen des Kriegs- fahrzeuges und lagen wieder von der Küflte ab.
Mitten zwischen den englishen Fischerfahrzeugen fischten ungefähr 60—70 deutsche Fischer. Anfragen bei denselben haben fie dahin beantwortet, daß ihr Fischereibetrieb durch die An- wesenzeit der englischen Flotte kcine Schädigung erlitte, und au keine Störung vorgekommen wäre.
Die „Loreley® dampfte kreuz und quer durch die Flotte dur, und wurden dabei die Fahrzeug-Nummern aufgeschrieben. Das Gros der Flotte lag nah Nord herauf bei Ostwind, Stärke 5.
Darauf dampfte die „Loreley“ nach Norderney, suchte wiederum die Fischerflotte auf und traf dieselbe mit dem Gros nach NW. bei raumen Winde von Land abliegend; nur sehr vereinzelte Fahrzeuge lagen noch über Et. B. Bug nah Land zu. Die südlihsten dieser lehteren wurden auf etwas über 4 Seemeilen von Land angetroffen. „Loreley“ fstoppte und wartete in beobachtender Stellung, ob die Fahrzeuge noch weiter nach Land zu liegen würden, beide aber halsten und lagen dar- auf denselben Kurs, wie die übrigen Fahrzeuge.
Die Angabe, daß englishe Fischer innerhalb einer See- meile von Land gefisht haben, kann nur auf einem Irrthum beruhen, da das Fischen so nahe an Land, abgesehen von den s\seemännischen Unzuträglichkeiten, durch» aus nicht lohnend i. Ein Beweis dafür is, daß säw.mt- liche deuishe Fischer sich ebenfalls außerhalb der 3 Seemeilen von Land aufhielten, während sie doh die Landgründe avfzu- \suchen berechtigt waren und auch bei Anwesenheit der englischen e aufgesucht hätten, wenn der Fischfang dort lohnen-
er wäre.
Hiernach hat vor der Hand keine Veranlassung und Noth- wendigkeit zum Einschreiten gegen die englischen Fischerboote vorgelegen, doch wird die Beobachtung derselben durch S. M. Av:so „Loreley“ fortgeseßt.
— Der Pfarrer Huyeng zu Diez hatte in®* einer benah- barten Pfarrei, welhe \chon seit längerer Zeit niht beseßt war und deren Wiederbeseßzung wohl thunlih gewesen wäre, einzelne Amtshandlungen vorgenommen, ohne dazu geseßlih befugt ge- wesen zu sein. Auf Grund des Geseßes vom 21. Mai 1874 ange- klagt, wurde H. von der Strafkammer des Kreisgerichts zu Limburg verurtheilt. Die vom Angeklagten dagegen eingelegte Nichtig- keitsbeschwerde, in der er ausführte, daß ein gesezmäßig ange- stellter Pfarrer zur Vornahme einzelner Amtshandlungen in einer benahbarten Pfarrei befugt sei, wurde vom Ober-Tri- bunal zurückgewiesen, indem es den vom Imploranten aufge- stellten Sag in dieser Allgemeinheit für L Eridtel erklärte. „Allerdings“, führt das Erkenntniß des höchsten Gerichtshofes aus, „ist der Wertlaut des Art. 2 des Ges. v. 21. Mai 1874 („die Strafe des §8. 23 des Ges. v. 11, Mai 1873 trifft einen jeden Geistlihen, welher Amtshandl1 ngen vornimmt, ohne den Nach- weis führen zu können, daß ex zu einem hierzu ermähtigenden Amte oder zur Stellvertretung oder zur Hülfsl-iftung in einem folhen Amte unter Beobachtung der §8. 1—3 des genannten Gesetzes berufen worden sei“) nicht allein entscheidend, weil die Wortfafsung eine umfassendere ist, als die Absicht und der Zweck des Gesehes bedingte. Wenn man aber au hiernach anerkennen muß, daß. der Art. 2 nicht auf alle Fälle Anwendung findet, auf die er nah seinem Wortlaut anzuwenden sein würde, \o führt dies doch niht zu einer Anerkennung des vom Implo- ranten aufgestellten Rechtsgrundsaßes ... Weder bei den legislatorishen Verhandlungen dieses Geseßes, noch in den späteren Erlassen der Behörden ist jener Sag in der behaupteten Allgemeinheit gausgesproGen woorden. Der Berufungsrihter hat daher keineswegs das Geseh verleßt, wenn er seinerseits einen solhen Grundsaß nicht anerkennt, viel- mehr davon ausgeht, daß die Recytswidrigkeit der Vornahme geistliher Amtshandlungen nah der Lage des Einzelfalles zu beurtheilen und danah zu prüfen sei, ob die Vornahme einer vereinzelten Amtshandlung von der Strafandrohung des Gesezes ausgeschlossen sei, und wenn er diese Frage in Bezug auf den vorliegenden Fall verneint, indem er annimmt, daß die Vor- nahme von Amtshandlungen in einer seit längerer Zeit nicht besezten Pfarrei, deren Wiederbesezung sehr wohl thunlih ge- wesen wäre, die Umgehung des Geseyzes bezweckt habe.“
— Der General-Lieutenant und Remonte-Inspecteur von Rauch hat sich nah Neustreliy begeben, um auf Allerhöchsten Befehl Sr. Majestät des Kaisers und Königs der heute dort stattfindenden Beisezung des verstorbenen Herzogs Georg von Mecklenburg-Streliß, Königliche Hoheit, beizuwohnen.
Bayern. Nah dem Bericht des Finanzaus\hu}es der Kammer der Abgeordneten über den Voranschlag der Staats- ausgaben auf Reihszwecke für ein Iahr der X11, Finanz- periode sind durch Reichsgesey vom 16. Februar 1876, betreffend die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsgetat des Deutschen Reiches für das Jahr 1876, die an das Reih abzuführenden Matriklularbeiträge für 1876 für Bayern auf 16,078,924 46 festgesezckt. Sonahch erhöht s|{ch die von der Königlichen Staatsregierung im Einklange mit der Matrikularumlage des Vorjahres 1875 im Kap. 1 eingeseßte Summe von 15,319,570 M4 um 759354 #& Im Uebrigen wird beantragt, den Voranschlag wie folgt zu genehmigen: Etat der Ausgaben auf Reichszwecke, Matrikularbeiträge 16,078,924 6 (Regierungsvor- anshlag 15,319,570 4), Kosten dex Reichstagswahlen 770
Gehalts- und Funktionsbezüge der ständigen Bundesrathsbevoll- mächtigten: ständiger Gehalt 6660 46 (Regierungsvoranschlag 5940 M), Nebenbezüge 3780 #4 (Regierungsvoranschlag 4500 6), Summe 10,440 A Sachlihe Ausgaben: Regie- Aversum des ständigen Bundesrathsbevollmächtigten 700 6 (Regierungsvoranschlag 710 46), Diäten und Reisekosten der übrigen Bundesrathsbevollmächtigten 20,600 #, Summe 21,3800 #4 (Regierungsvoranshlag 21,310 6) Gesammt- betrag der Ausgaben: wie oben. Zum Schlusse wird auch bei diesem Etat der Antrag an die Krone ge- braht: „Es möge- Sr. Majestät gefallen, die nah gegenwärti- gem Etat dem betreffenden Beamten zufallende Gehaltsmehrung in pragmatischer Eigenschaft gewähren zu wollen.“ — Dem Be- rihte des Finanzausschusses der Kammer der Abgeordneten zu den Nachweisungen über die Ausgaben auf Reihszwecke in den Verwaltungsjahren 1873 und 1874 zufolge is ein Anlaß zu weiteren Bemerkungen nicht gegeben, und wird beantragt, es sei den Nachweisungen über die Ausgaben auf Reichszwecke für die E 1873 und 1874 die Anerkennung zu er- theilen.
Sachsen. Dresden, 26. Juni. Beide Kammern hielten heute Mittag 12 Uhr Sizung ab. Die Erste Kammer ver- handelte über den Entwurf eines Gesehes, den Urkunden- und Erbschaftsstempel betreffend. Nachdem fich Staats- Minister Frhr. v. Friesen und der Referent für Annahme des nachstehenden Vereinigungsvorschlages verwendet hatten, beschloß die Kammer einstimmig, den x. Entwurf mit einigen geringfügigen Abänderungen anzunehmen. Die Kammer irat sodann den von der Zweiten Kammer zur Position des Ausgabebudgets, Unterstüßung bei Brand- und andern Un- glücksfällen, sowie in Betreff} des Königlichen Dekrets, die Landes-Immobiliarbrandversiherungsanstalt betreffend, gefaßten Beschlüssen einstimmig und ohne Debatte bei und be- \{chloß darauf, in Uebereinstimmung mit dem Beschlusse der Zweiten Kammer, die Einstellung der Position 1 des außerordentlihen KAusgabebudgets nah Höhe von 2,535,126 /6 zu genehmigen. — Die Zweite Kammer trat bezüglih des Reservefonds der Königlichen Sammlungen dem Beschlusse der Ersten Kammer bei und genehmigte auch ihrerseits die von derselben bereits angenommenen Vereinigungsvorsch läge bezüglih der Gebührentaze für die Kostenberehnungen der Ver- waltungsbehörden erster Instanz und des Gesegentwurfs über die Schonzeit der Rebhühner.
— 927. Juni. (W. T. B.) Die Zweite Kammer hat die Nachforderung der Regierung im Betrage von 700,000 /6 für den Bau des Hoftheaters nah lebhafter Debatte mit allen gegen 6 Stimmen ohne Abstrich bewilligt.
TVürttemberg. Stuttgart, 23. Juni. Die Ab- geordneten-Kammer hat nah zweitägigen Debatten das Gesetz über die- Gewährung einer prozentigen Zinsgarantie für die Aktien einer mit höchstens 1,800,000 / Grundkapital in Heilbronn zu exrihtenden Akiengesellshaft für Ketten-Schl e pp- \chiffahrt auf dem Neckar unter Herabsezung der Garantie- frist von 30 auf 20 Jahre genehmigt. Von der Opposition (worunter Pfeiffer und Mohl) war zuerst direkte Kapitalbetheili- gung ohne Garantie, dann eine 4t prozentige Garantie beantragt worden, während die Kommission den Regierungsantrag mit einem Zusay empfohlen hatte, dahingehend, daß die etwaigen Tantiemen nicht in die in die Garantie einbezogenen Betriebs- kosten hineingerechnet werden dürfen.
Baden. Karlsruhe, 26. Juni. In der heutigen Sigung der Zweiten Kammer wurde das Pfarrdota- tionsçgeseß mit 31 gegen 9 ultramontane, 3 demokratische und 2 liberale Stimmen angenommen.
Hessen. Darmstadt, 23. Iuni. In der heutigen Sizung der Zweiten Kammer wurde das Ausgabehudget, mit Ausnahme des Postens „Bauwesen bei der Landes-Univer- sität“, welcher ausgesetzt ist, zu Ende gebraht. In den meisten Fällen erfolgte die Beschlußfassung nah den Anträgen des Aus- \{chu}sses; nur von zwei Hauptabstrihen, welche der Ausschuß vorgeschlagen hat, wurde, namentlich mit Rückscht auf neues Material, welches Ministerial-Rath Fink dem Hause vorlegte, abgestanden.
— 27 Juni. (W. T. B.) In der “eutigen Sißung der Zweiten Kammer beantwortete der Minister-Präsident die von dem Abg. Edinger am 183. d. an die Regierung gerihtete Inter- pellation, betreffend deren Stellung zum Reichs-Eisenbahn- projekte. Der Minister erklärte, daß die Regierung zur Zeit noch nicht in der Lage sei, fih über ihre künftige Stellung zu dem Prejekie auszusprechen, da die Prüfung desselben, ohne Kennt- niß der Bedingungen und künftigen Verwaltungseinrichtungen, unter denen ein großer Komplex von Eisenöahnen dem Reiche übertragen werden solle, weder vom Standpunkte der Reichs- verfa\urig, noch von dem Gesihtspunkte der Interessen des Reich und der betheiligten Bundesstaaten ermöglicht fei.
Me&lenburg. In der Sihung des außerordentlichen städtischen Konvents aller drei Kreise zu Rostock vom s. Mai d. I., an welcher aus dem mecklenburgishen Kreise 16, aus dem wendishen Kreise 15 und aus dem ftargardishen Kreise 3 Deputirte Theil nahmen, kam ein Antrag zur Berathung, welcher sich auf die Reform der Landesverfossung bezog. Es wurde nämlich proponirt, die vorderftädtischen Magistrate zu beauftragen, einen Vortrag dieses Jnhalts an die beiderseitigen Allerdur}lauchtigsten Landesherren Namens der Landschaft aller drei Kreise zu rihter. Nach einer sehr erregten Debatte wurde dieser Antrag mit 19 gegen 14 Stimmen genehmigt und ist dorauf unterm 6. Mai abgesandt worden. Derselbe schließt mit folgenden Worten: „Ew. Königliche Hoheit getreue Land- \haft fürchtet bei dieser Sahlage und bei der hohen Wichtigkeit, welche die Verfassungsfrage für das ganze Land, wie auch ins- besondere für die Städte hat, einer Mißdeutung niht zu be- gegnen, wenn sie Ew. Königliche Hoheit die ehrfurchtsvolle Bitte vorzutragen ihre Vorderstädte beauftragt hat, derselben gnädigst die berubigaide Zusicherung zu ertheilen, daß die Verhandlungen,
betreffend die Verfassungsreform, von Ew. Königlichen Pin,
viht vertagt, sondern ununterbrochen fortgeführt werden follen. Mit dem \submissesten Bemerkèn, daß wir im Auftrage unserer Kommittenten einen gleihlautenden Vortrag an Se. Königliche Hoheit den Großherzog von Mecklenburg-Streliß gerichtet haben, beharren wir u. st. w,“
Sachsen - Weimar - Eisenach. Weimar, 24. Juni. (Leipz. Ztg.) Der Kaiser von Rußland, der etwa am 7. Juli der Großherzoglihen Familie einen Besuch abzustatten gedenkt, wird am genannten Tage vorausfihtlich im Schloß Wilhelms- thal bei Eisenach eintreffen, wohin sich auch die Großherzoglichen Bal en zu begeben beabsichtigen, und von dort am 8. die
eise nach Böhmen fortsezen.
Anhalt. Dessau, 25. Juni. Der zu einer außer- ordentlihen Diät einberufene Landtag wird morgen hier zu- \sammentreten. Zu den früher bereits erwähnten Vorlagen soll noch eine weitere hinzukommen, betreffend die Abtretung der Domaine Güntersberge an die dortige Gemeinde als Ent- \chädigung für Ansprüche auf ungefähr 24,000 Morgen Wal- dungen im Harze.
SFwarzburg-Nudolstadt. Rudolstadt, 23. Juni. Der Fürst hat den Regierungs-Rath Dr. jur. v. Holleben zum Staatsrathe und zum Stellvertreter des Ministers und den Regierungs-Rath Ha uthal zum Geheimen Regierungs- Rathe und verantwortlihen Vorstande der Abtheilung für Kirhen- und Schhulsachen des Fürstlihen Ministers ernannt.
Lübe, 26. Juni. Die drei Söhne des Königs Oscar von Schweden trafen, der „Lüb. Ztg.“ zufolge, gestern Morgen per Dampfer hier ein, wurden von dem Vize- Konsul Klingstrôm empfangen und nah dem Bahnhof geleitet, und seßten dann Vormittags die Reise zu ihrer Mutter nah Rippoldsau fort.
Desterreicch-Ütigäarw, Wien, 25. Juni. Der Kron- prinz Ru dolf begiebt sich, wie die „Pol. Korr.“ vernimmt, am 1. Juli nach Königgräß, am 7. Juli von Trautenan nah Reichstadt und von dort am nächsten Tage nah Böhmisch:Leipa. Muthmaßlich von Bodenbach - Tetshen aus reist dann der Kaiser mit dem Kronprinzen nah der Verabschiedung von dem Kaiser Alexander von Rußland nah München ab.
— Die „Wiener Zeitung“ publizirt die mit der Allerhöh- sten Sanktion versehenen Beschlüsse der diesjährigen Dele- gationen. Das ordentliche Erforderniß beziffert sich im Gan- zen mit 99,409,023 Fl., das außerordentlihe mit 11,902,636 Fl., somit das gesammte gemeinsam zu bedeckende Erforderniß mit 111,311,659 F.
— Der bisherige \ähsische Gesandte bei dem hiesigen Hofe, Geh. Rath v. Bose, is, wie die „Polit, Korresp.“ er- fährt, abberufen worden und Hr. v. Helldorf zu seinem Nachfolger ernannt worden.
Wr. - Neustadt, 24. Juni. Dem niederöstervrei- chischen Parteitage werden morgen drei Resolutionen über den Ausgleich, die Wehrfrage und die Bankfrage, vorgelegt werden. In den Sektionen wurden heute die vom Comité entworfenen Resolutionen betreffs des Ausgleihs und der Wehr- frage unverändert, jene betreffs der Bankfrage mit einigen Mo- difikationen angenommen. Zu Referenten wurden die HH. Mag g, Weitlof und Max Steiner gewählt.
An der Vorversammlung des Parteitages nahmen 200 Personen Theil. Dr. Kopp rechtfertigte die Einberufung des Parteitages durch den Hinweis auf den Ernst der Zeit und auf die bedeutenden Fragen, welche gegenwärtig auf der Tagesord- nung stehen. Wenn die Aussprühe des Parteitages Be- deutung und Wirkung haben sollen, dann dürfen nur besonders wichtig Fragen berathen werden. Die wih- tigste, welhe der Redner als erste zur Berathung vorschlug, ist gegeben durch das Verhältniß Defterreihs zu Ungarn, durh die Revision des Ausgleichs von 1867. Selbst jene Abgeordnete, welhe damals für den Ausgleih stimmten, sahen denselben als ein Produkt der Nothlage an und erblickten darin eine bedeutende Schädigung der diesseitigen Reichshälfte. Diese Ansicht bewahrheitete sich seither vollständig. Von der bevor- stehenden Revision dieses Ausgleihes sind nur die äußersten Um- risse bekannt. Dies genügt, unsere Aufmerksamkeit hervorzurufen und den Ausgleih zu diskutiren.
Im Anschlusse hieran isst die zweitwichtigfte Frage die BZankfrage, die Frage der Schaffung einer zweitheiligen Bank, welche den politishen Dualismus auch aufs wirth\caft- lihe Gebiet übertragen solle. Der Redner besprach die Wichtig- feit der Bankfrage vom wirthschaftlihen Standpunkte, Nicht minder wichtig sei die Frage der Wehrverfassung, welche er als dritte Frage zur Berathung vorschlage.
Der Redner empfahl die genannten drei Punkte als Tages- ordnung und die Vorberathung derselben in drei Sektionen. Der Antrag wurde angenommen und die Versammlung ver- theilte fich in drei Sektionen. ;
Triest, 24. Juni. Die „Triester Zeitung“ veröffentlicht das Jlinerare der Korvette „Friedrich.“ Diese, durch 25 Mo- nate abwesend, hat 48,000 Meilen abgelaufen, wovon 38,000 segelnd, 10,000 dampfend. Der Stab ist unverändert zurück- gekehrt. Von der Mannschaft sind 3 gestorben, 4 desertirt, da- von 3 in San Francisco. ¿
Krakau, 24. Juni. Nach zweitägiger Berathung beschloß die Zoll: Enquete die Absendung einer Deputation, bestehend aus deri Delegaten der hiesigen, der Lemberger und der Brodyer Handelskammern und der Krakauer Geschäftshalle, um beim Ministeriuni die Aufhebung des russishen Getreide- zolles durchzuseßen.
Großbritannien und Jrland. London, 26. Iuni. (W. T. B.) Fn der heutigen Dea des Oberhauses erklärte der Staatssekretär des Aeußern, Derby, auf eine Anfrage Lord De La Warr's: In der That sei der Stand der Dinge in Serbien in dem Sinne ein kritisher, als sh umfassende militärishe Vorbereitungen vollzögen, die Miliz und die Reserven zu den Fahnen einberufen und alle Vorbereitungen für den sofortigen Beginn eines C getroffen seien. Ob Serbien die Absicht habe, den Krieg wirklih zu beginnen oder niht, könne er nicht sagen. Es sei selbstver- ständlih, daß es denen, die solhe Kriegsvorbereitungen träfen, immer noch freistehe, zu sagen, daß ihrer Ansiht nah die un- ruhigen Zustände in den Nachbarländern derartige seien, daß sie die blos zur Vertheidigung ergriffenen Maßregeln recht- ap Andere Informationen als diese vermöge er nit zu geben.
Jm weiteren Fortgange der Sizung erklärte Lord Derby auf eine Anfrage Lord Strathedens betreffs der Vorgänge in Konstantinopel, er könne es nicht bedauern, daß daétjenige, was der Anlaß zu einer Uneivigkeit zwischen England und den anderen Mächten hätte werden können, beseitigt sei, und wolle, auh niht mit dem Ausdruck seine Ueberzeugung zurückhalten, daß der ohne irgend welchen“ fremden Ein- [uß vorgegangene Wechsel in der Souveränetät ein Akt sei, er dur die Dringlichkeit der öffentlihen Gefahr und die Un- möglichkeit, auf irgend eine wirklihe Reform von Seiten des Sultan Abdul Aziz sich Hoffnung zu machen, gerechtfertigt werde. Der Stand der Verhandlungen zwischen der Pforte und den Insurgenten sei ihm nicht bekannt; sollten dieselben zum
Ziele führen, so würde darüber nichts weiter zu sagen sein,
sollien fich aber die Feindseligkeiten erneuern, so würde man die Angelegenheit weiter ins Auge zu fassen haben. Was das Ergebniß der Vorschläge oder Rathschläge Englands sein werde, fônne er nicht sagen, er müsse indeß dringend wünschen, daß man \ich inzwischen aller Kritisirung über das Verhalten der anderen Mächte enthalte. England wünsche eine friedliche Beilegung der Insurrektion und habe durhaus niht das Ver- langen, für den einen oder anderen Theil Partei zu ergreifen. Es sei das eine auch bei anderen viel ernsteren Gelegenheiten festgehaltene Regel. Die englische Regierung habe geglaubt, daß der Pforte in ihren eigenen Angelegenheiten die Initiätive gelassen werden müsse und sei bereit, der Pforte und den übri- gen Mächten denjenigen Rath anzubieten, den sie \owohl der christlihen wie der türkischen Bevölkerung gegenüber für den besten halte. Lord Granville erklärte, daß er sich feine Mei- nungsäußerung bis dahin, wo vollständigere Information vor- liege, vorbehalten müsse.
— Im Unterbause äußerte Disraeli auf eine Anfrage Forsters, daß er keine Kenntniß erhalten habe von den angeblich in Bulgarien ausgeführten Grausamkeiten, ausgenommen von solchen, welche beim Beginn des Aufstandes in Abwesenheit der regulären Truppen vorgekommen seien. Der Krieg werde zwar von den Baschi-Bozuks und den Cirkassiern mit großec Grau- samkeit geführt, aber ohne Rüksiht auf die Race und die Religion. — Im weiteren Verlaufe der Sizung erklärte - der Unter-Staatssekretär des Aeußern, Burke, dem Deputirten JIewell gegenüber, es sei richtig, daß die Pest in Bagdad ge- wüthet und seit dem Februar 3639 Opfer gefordert habe. Seit 3 Tagen sei indeß kein Todesfall in Folge der Pest vorge- kommen. Die Anordnung einer Quarantäne erscheine daher für Reisende niht nothwendig, da die Pest bereits aufgehört habe, dagegen seien Vorfichtsmaßregeln für die Waaren aus Bagdad erforderlich.
— 27. Juni. (W. T. B.) Wie dem „Reutershen Bureau“ aus Gibraltar gemeldet wird, hat die englishe Regierung weitere Anordnungen zur Vervollständigung der Aus- rüstung der Festung getroffen.
Frankrei. Paris, 25. Juni. Das amtliche Drgan bringt ein Dekret des Marschall-Präsidenten, welches der am 10./22. Juli 1875 in St. Petersburg abgeschlossenen in ter- nationalen Telegraphen-Konvention gesehlihe Wirksam- keit verleiht. — Ferner veröffentliht das Blatt wieder die Er- nennung von 16 Maires und 24 Adjunkten.
— Der Geburtstag des Generals R oche wurde gestern mit großem Glanze in Versailles gefeiert. Die Häupter der republikanischen Partei, die Herren Ferry, Joly, Gambetta haben Reden gehalten, die alle maßvoll und voll guten Rathes für ihre Parteigenossen waren. :
— Der Ausschuß für das Gemeindegeseß hatte be- \hlofsen, fich dur ein provisorisches Gesey den Vorschlägen der Regierung zu nähern, nämlih leßterer das Recht zuzuerkennen, die Bürgermeister der Hauptstädte der Departements, der Ar- rondissements und der Kantons zu ernennen, aber aus den Mitgliedern des Gemeinderaths. Diese Konzession hat aber in einer heut ftattgefundenen Versammlung der Linken großen Widerspruch erfahren und is endlich troß warmer Vertheidi- gung durch Herrn Jules Ferry abgelehnt worden ; chenso die
Regierungsvorlage selb. Versailles, 26. Juni. (W. T. B.) Der Senat hat
heute den Gesetzentwurf, betreffend die Anleihe der Stadt Paris von 120 Millionen Frcs. genehmigt. — Jn_der heuti- gen Sibßung der Deputirtenkammer wurde Seitens der Regierung eine Vorlage, betressend die Bewilligung eines Kredites von 35 Millionen Frcs. für die Weltausstellung im Jahre 1878 eingebracht.
Italien. Rom, 24. Juni. Der Senat seyte gestern die Verhandlungen über das Definitivbudget der Staatseinnahmen und Ausgaben des Jahres 1876 fort, und genehmigte das des Ministeriums der öffentlihen Arbeiten, Als die Versammlung darauf in die Verhand:ungen über das Budget des Justiz- Ministeriums eintrat, tadelte der frühere Siegelbewahrer Vigliani die Verseyungen, welche sein Nachfolger Mancini unter dem hohen Gerichtspersonale vorgenonm- men hat, und bezeichnete sie als unüberlegt, und das Ansehen der Magistratur herabwürdigend. Der Minister -Siegel- bewahrer erklärte, daß keine Parteileidenshaft ihn zu den Verseßungen bewogen habe, sondern der Umstand, daß die be- treffenden Magistratspersonen zu viel Politik getrieben und fih in die Wahlen eingemisht hätten. Herr Vigliani sagte noch einige Worte zur Vertheidigung des abgetretenen Ministeriums und \prah die Hoffnung aus, daß ähnlihe Versezungen in Zus kunft unterbleiben werden, und der Senator Vacca {lug nah- ftehende Tagesordnung vor: „Nachdem der Senat die Interpella- tion des Senators Vigliani und die Antwort des Minister Siegelbewahrers vernommen, geht: er konstitutionellem Gebrauche gemäß zur Tagesordnung über." Darauf wurde die Sizung
aufgehoben. | : — Die Deputirtenkammer trat gestern in die Be- rathung des den Kauf und Betrieb der oberitalienishen Eifenbahnen betreffenden Gesehentwurfs ein. L Zuerst“ ergriff der Abg. Boselli das Wort, um zu erklären, daß er für die Baseler Konvention abec gegen den 4. Artikel des Pariser Additionalvertrags stimmen werde, weil er ihn für eben so überflüssig wie gefährlih halte. Die Baseler Kon- vention vertheidigte er sowohl vom politishen als auch vom finanziellen Standpunkte aus betrachtet; weil sie den Inter- essen des Landes entspreche, wel%hes (ane Haupteisenbahnen nicht in den Händen einer fremden Gesellschast lassen dürfe. Im zweiten Theil seiner Rede vertheidigte er den Eisenbahnbetrieb durch den Staat, obwohl er zugab, daß das Urtheil der öffentlichen Mei- nung über diese wichtige Frage noch nicht reif sei, Der Abg. Toscanelli, Kommissionzwitglied hob die Vortheile _des Pariser Additionalvertrags der Baseler Konvention gegenüber, die ex scharf tadelte, hervor. Der Kauf der, ober- italienischen Eisenbahnen, sagte er, sei wegen des internationalen Charakters ihrer Eigenthümer politishe Nothwendigkeit und er stimme für den Artikel 1V, auch deswegen mit, weil er glaube, daß das Ministerium, welches ihn vorschlage, Unterhandlungen gur Bildung einer tüchtigen Betriebsgesellschaft eingeleitet habe. Der Abgeordnete Maurogonato rechtfertigte die Baseler Konvention und sagte, der Pariser Additionalvertrag, weit entfernt stezu verbessern, habe sie versh!ims- mert ; Zahlen, der beste Beweis, zeigen, was bie Oberitalienischen Eisen- bahnen gekostet haben, und daß Sella sich uicht verrehnet habe. Der Redner verbreitete fch darauf über die Nachtheile des Pariser Vertrags, weil er zu Vieles ungewiß lasse, woraus eine Reihe von Streitigkeiten und Prozessen hervorgehen werden. Man habe nicht an neue Bauten gedat, ou nicht an Tarifbestimmungen für Tirol, wo man mit der Südbahn, die unsern Transithandel ersticken könne, konkur- riren müsse, und enen an die Ausgleichung der Unter- \chiede des Passagiertarifs im Venetianischen, und daran, daß wir den Betrieb der Alpenbahnen einer auss{ließlich fremden Gesellschaft überlassen. Hierauf bekämpfte der Redner den Art. 1V., weil der
Kauf der Eisenbahuncn dur den Staat chne Betrieb dur denselben keinen Werth habe. Was aber die Bildung von Gesellschaften zum Betrieb derselben betreffe, so würden fich gute \{chwer- lih fisden lassen; denn die fremden Kapitalisten hätten zu s{lechte Erfahrungen in Jtalien gemacht, aber den Betrieb aller. Eisenbahnez der meridionalen Gesellshaft zu überlassen, sei ab- surd, und neue italienische Gesellshaften würden sih shlecht bewäh- ren, da sie aus denselben Elementen S würden, da keine ande- ren vorhanden seien. Der Redner {lug \chließlich vor, den Art. IŸ. abzulehnen und die Betriebsfrage ganz offen zu lassen. Der Abg. Barazzuoli crkläurte sich für die Vorlage, weil sie das Land von den Gefahien des Eisenbahnkbetriebs durch den Staat befreie, die erx ganz schwarz auêmalte, Dec frühere Minister der offentlichen Arbeiten Spaventa sebte der Versammlung auseinander, in welher Lage das abgetretene Ministerinm die Cisenbahngesell- schaften gefunden habe, und zeigte den Nothstand, in welhem die Res gierung ihnen gegenüter gewesen. „Ia, meine“ Herren, sagte ex, die Eiscnbahnfcage hat s\ch us auferlegt und unter Um- ständen, welche zu ändern über uusern Kräften stand. Soll ih Ihnen nun eine Anekdote erzählen, an die ih niht denken kann, ohne daß es mic das Herz zusammenschnürt ? Als der deutsche Kaiser dem König von Italien seinen Gegenbesuch in Mailand machte, entfernte sich der General-Direktor der N Eisenbahngesellschaft von seinem Posten, weil er unsere Freude nit mit ansehen wollte! Ich gestehe Jhnen, meine Herren, das wirkte wie eine große Erniedrigung auf mich. Und wenn es keine andere und größere Uebelstände gegeben hatte, wäre dieser Vorfall mir allein genug gewesen um zu wünschen, daß die Verwaltung un- serer Haupteisenbahnen nicht länger in den Händen von Fremden bliebe, Außerdem machte Oesterreih auf diplomatistem Wege die drin: gendsten Vorstellungen die Trennung der Eisenbahnneße endlich vor- zunehmen, und es that das in einer Art und Weise, die deutlich zu verstehen gab, daß es etwas von uns verlangte, was wir {hon lange hätten thun sollen, und was si ihm nicht mehr verweigern ließe. Als die Kammer vergan- genes Jahr ihre Sommerferien antrat, klopfte die Eisenbal\nfrage an die Thür und verlanate ihre Lösung. Hätten Se diese bei Ihrer Rückkehr nit vorbereitet gefunden, so wären Sie in Jhrem größten Rechte gewesen, uns die bittersten Vorwürfe zu machen.“ Als hier der Redner eine Ruhepause zu machen verlangte, verschov der Pcäsident die Fortsezung der Verhandlungen auf den folzenden Tag.
— 926. Juni. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer sezte heute die Berathung der Eisenbahnvorlage fort. Der Minister für die öffentlihen Arbeiten, Zanardelli, widerlegte die von dem Deputirten Luzzati gegen den Betrieb der Bahnen durch Privatgesellshaften gemahten Eiwendungen und hob hervor, daß das gegenwärtige Kabinet aus wirthschaftlichen und politishen Gründen die Baseler Konvention nicht ein- fach acceptiren konnte. Bertani \prach darauf gegen die Kon- vention. Sella wandte \fich gegen die Angriffe, welche gegen die Baseler und Wiener Konvention gerichtet wurden und bemerkte, daß die Oppofition gegen die Konventionen dur politishe Mo- tive veranlaßt sei. Schließlich erklärte Sella, daß er die Ad- ditional-Konvention niht ablehnen werde unter der Bedingung, daß auch Oesterreih-Ungarn derselben zugestimmt habe, wie dies der Minister-Präsident der Kommission angezeigt habe,
— (W. T. B.) In dem heute abgehaltenen Konsi- ftorium sind mehrere Erzbishöfse und Bischöfe in Italien, Frankrei, Spanien und Oesterreih-Ungatn ernannt worden.
Türkei. Konstantinopel, 26. Juni. (W. T. B.) Der Marine-Minister Kaiserli Pascha ift vor: der ihm durch Hassan Bey beigebrahten Wunde wiederhergestellt. — Essad Bey ist zum- Gesandten in Rom ernanni worden. — Riza Pascha begiebt \sich demnächst nah den Dardanellen, um eine Besihtigung der dortigen Befestigungswerke vorzunehmen. — Die Nachricht vorn Tode Kiamil Paschas bestätigt \ich nicht, derselbe liegt aber \chwer krank danieder. '
— Das türkishe Panzergeshwader begiebt ih zur Vornahme von Uebungen heute nah dem Archipel.
— Den aus Bosnien vorliegenden Nachrichten zufolge sind jeßt an der serbishen Grenze beträchtliche türkishe Streitkräfte konzentrirt. Die Haltung der Regierung von Montenegro der Pforte gegenüber hat sich dem Anschein nah friedlicher ge- ftaltet.
— Unter allen türkishen Journalen sind, wie wir der „Turquie“ vom 20. d. M. entnehmen, die beiden, „Bassiret“ und „Djéridéi Havadis“/ die einzigen, welhe sich nur mit vielen Verklausulirungen und Einshränkungen für eine Repräsen- tativform der Regierung aussprehen. Die Gründe derselben finden sich in einem Artikel des „Bassiret* über den Steriat Isglamié (das heilige Gesey der Türken). Es heißt darin:
„Das Geseß des Scheri, dem wir unterworfen find, hat zur Grundlage die heiligen Bücher und die heiligen Traditionen, die sich auf unseren Propheten beziehen. Aus diesen Doktrinen \{chöpfend, haben unsere Gesetzgeber die muselmännische Jurisprudenz gebildet; man Fann mit positiven Gründen beweisen, daß sie der Logik und der Wissenschaft entsprehend ist. Die Grundprinzipien dieses Ge‘eges sind die Reli- gion und die Erklärung des Glaubens an die Einheit Gottes. Es erkennt an, daß es, um alle Arten ven Glükseiigkeit in dieser und jener Welt zu erlangen, fortwährender Anstrengungen bedarf; es schreibt die Beobachtung der tugendhaften, von der Nothwendigkeit und durch die allgemeine Moral gebotenen Sitten vor und verwirft die lasterhaften; es betrachtet als Pflicht für die Mitglieder der menschlichen Ges-llschaft, sich unter einander zu helfen und ihr Wohl- sein in gegenseitigen Hülfsleistungen zu suchen; es verdammt den Verrath, die Ve:shwendung, die Habsucht ebenso, wie den Ungehor- sam gegen die. Behöcde; es empfiehlt gerechtes und tuagendhaf- tes Handeln und g bietet den Unterthanen Unterwürfigkeit. Endlich s\{chreibt es Strafen für jede _böswillige Handlung vor, welche die Nuhe der Einzelnen und des Staates zu stôörez und den privaten wie öffentlichen Juteressen zu haden bezweckt, Es er- n:nnt Agenten zur Anwendrng dieser Strafen und um über die Jn- teressen der ganzen Nation zu wachen. Es schreibt vor, daß diese Agenten Rathstörper bilden sollen, die aus eifrigen Leuten zuïammen-
eseßt sind und die Aufgabe haben, an dem Gedeihen der National-
Made) éub eiten und an der Ausübung der Justiz zu arbeiten. End- lih schreibt es vor, daß man jede Maßregel, welche das Glück des Staates sichern könne, zur Annahme bringen muß. Das sind die Grundlehren des Scheri.“ :
Alle europäisch-n Geseßgebungen, fährt dann das „Bassiret“ fort, seien diesem System des Stheri entlehnt, wenn auch den Bedürfnissen der verschiedenen Nationen angepaßt. Die europäischen Geseßgebun- g2n seien zwar auch auf Logik und Wissenschaft basirt. Die Türken aber seien durch den Scheri verpflichtet, Gerechtigkeit zu üben, die Europäer nur durch Verordnungen und Gesetze; jene verpflichte die Religion, Alles mir Ueberlegung zu thun; wenn die Europäer auch so handelten, seien sie durch die Gewalt der Dinge dazu gezwungen. Kurz, alle Vorschriften, welche ten Fortschritt bezwccken, seien Hei jenen ursprünglich, vei den Europäern zufällig. Jeder unparteiisch und gewissenhaftUrtheilende müsse zugeben, daß der Scheri in hohem Grade dem Fortschritte der Civilisation gedient habe. Außer ihm gebe es gar feine Elemente der Civilisation und des Fort- \hritts; das Gegentheil behaupten zu wollen, sei absoluter Unver- stand. Nur weil die Türken jeßt diesem Gese zuwider gehandelt, seien sie in die augenblicklih \{hwierige Lage verfallen. Mangel an Thätigkeit, Läfsigkeit, Vershwendungssucht, unkluge Ausgaben, Hab-
sucht, Schmeichelei seien an die Stelle der auf dieje Weise verachteten |
Vorschriften des heiligen Gesehes getreten. Für den Krimkrcieg seien § Millionen L. gutgegeben. Fuad Pascha habe deshalb die Staats=«
\{ uld eingeführt, die fich jeßt auf mehr als 200 Millionen L. T. be- läuft (das ist aber ein Icrthum des „Bassiret*, bemerkt die „Turquie", denn die Staatsschuld bestand schon vor Fuad Pascha’'s Verwaltung)“ während doch das Scheri die unklugen Ausgaben verviete. Die Frage der Herzegowina sei vershleppi, weil man sich auf den Rath der Feinde geftüßt, die man als Freunde angesehen, während doch das Seri befehle, alle politischen Angelegenheiten nah freier Ueberlegun
im eigenen Rath zu \{chlißen. So ohne Verstand hxbe man Hande
und Industrie vernachlässigt, ohne an die Folgen zu denken, also ganz aegen die Lehren des Scheri. Nur dec Nichtbefolgung der heiligen Vorschriften dieses Geseßes verdanke man die jeßige schlimme Lage, aber dasselbe werde mit Gottes Hülfe das Land: auch wieder retten R zu neuem Wohlergehen führcn und die Zukunft der Türkei ichern.
— Wie der „Politishen Korrespondenz“ vom 26. d. M. aus Belgrad gemeldet wird, werden alle Beschlüsse, welche die, Skupschtina im vergangenen Winter für den Fall eines Krieges gefaßt hatte, jeyt ausgeführt. Zunächst werden die Ge- hälter aller Beamten reduzirt und der größte Theil der Civilbeamten in das Heer eingereiht. Die zweite Miliz= klasse hat bereits den Fahneneid geleistet. General Zach kommandirt die West-Morawa- Armee und Ranko die stärkere bei Alimpics stehende Drina-Armee, wo der Uebergang über die Drina vorbereitet wird. Ebenda haben auch die Türken eine zahlreihe Truppe1macht aufgestellt. Ge- neral T\chernajeff kommandirt die Süd-Armee, welche. dem türkischen verschanzten Lager bei Ni\ch gegenübersteht.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 21. Juni. „Zu keiner anderen Zeit, {reibt der Korr. der „Nat. Ztg. “, is es zur Beurtheilung der hiesigen Stimmung vielleiht so noth- wendig gewesen, sih die Besonderheiten unseres Publikums zu vergegenwärtigen, wie jeßt. Zu keiner Zeit war in Rußland das Friedensbedürfniß so allgemein und so ungetheilt, wie in diesem Augenblick, und jede Zeitung, die da- gegen ankämpfen wollte, \{chwimmt gegen den Strom. Wir wissen mehr oder weniger Alle, daß bei den anerkennenswerthe- sten und erfolgreihsten Anstrengungen unseres Finanz-Ministeriums und unseres Kontrole-Amtes wir die Regelung unserer Course gar nicht genügend in unserer Hand haben. Wenn z. B. Preußen mit einem auswärtigen Staate im Kriege ist, so gehen alle unsere Fonds zurück, ohne daß wir bei der Sahe uns irgendwie betheiligen. Unsere Eisenbahnen sind meistens .so an- gelegt, daß vorwiegend preußische Häfen unserem Ausfuhrhandel zum Stüßpunkt dienen, und darum werden wir beständig in Mitleidenschaft gezogen, wenn Preußen vom Kriege bedroht wird. Diese von unserer Presse hon manchmal berührte That- sache liefert einen der Gesichtspunkte, warum wir nicht nur \elbst auf jeden Fall Frieden haben wollen, sondern auch, warum wir auch bei unsern Nachbarn auf Erhaltung des Friedens Werth legen. Mehr oder weniger is bei diesen Fragen aber unser ganzes Publikum interessirt. Das muß selbst in den Kreisen des Auslandes unsere entschiedene Friedensstimmung genügend motiviren, in welhen man einzelnen angefangenen und noch nicht vollendeten Reformarbeiten nicht genug Werth beilegen sollte. Denn daÿ ein jeder Krieg, in den Rußland verwickelt würde, auf den Fortgang der Re- formen verhängnißvollen Einfluß hätte, bedarf keines Be- weises. Bor Allem i| die ganze Richtung, welche in unserem gegenwärtigen System obwaltet, dahin gewendet, alles aus dem Wege zu schieben, was unseren Reformarbeiten und der steigen- den Cünstigkeit unserer finanziellen Bilanz störend entgegen wirken könnte. In diesem Sinne kann man mit allem Rechte und in der vollsten Bedeutung des Wortes sagen, daß nicht blos die persónlihe Stimmung des Kaisers Alexander den Frieden gewährleistet, sondern auch daß die russishen Junteressen uns darauf hinweisen, auf die Erhaltung des europäischen Friedens hinzuarbeiten. Diesem Gedanken muß sich bei uns \chließlich jede andere Rüksiht unterordnen . . .“
Amerika. Washington, 27. Juni, Dem Ver- nehmen nach würde der Senator Morrill die ihm an Stelle Bristows angetragene Würde des Schaßsekretärs niht an- nehmen. — Der Senat hat das Armeebudget um 3 Mill. Doll. erhöht.
Peru. Lima, 14. Mai. Der Ministerrath is augen blicklih mit der Frage beschäftigt, ob zur definitiven Abschließung des Guano-Kontraktes und der Salpeterangelegen- heit, insbesondere wegen Erhöhung des Ausfuhrzolls, die Be- rufung eines außerordentlichen Kongresses erforderlih ist. Die Frage wird muthmaßlih verneint werden.
Die Nr. 48 des Antsblatts der Deutschen Reichs- Post- und Telegrapenverwaltung hat folgenden Jnhait: Ver- fügungen: Vom 21. Juni 1876. Annahme von Privat-Banknoten. Beitritt von Britisch-Judiea und den Französischen Kolonien zum All- gemeiren Postverein. — Vom 17, Juni 1876. Postlagernde Sen- dungen nah England. — Vom 21. Juni 1876. Verbot der in London erscheinenden periodischen Druckschrift „Wperiod*.
— Nr. 12 des Archivs für Post und Telegraphie (Beiÿeft zum Amtsblatt der Deutshenu Reichs-Post- und Telegraphenverwal- tung) hat folgenden Inhalt: 1. Aktenstücke und Aufsäße: Störungen im Eisenbahn- und Postbetriebe während des Winters 1875/76. — Gramme’'s magneto - eleftrishe Maschinen. — Das württembergische Postwesea im Jahre 1874/75, — Zur Geschichte des Postwesens in Pommern unter der {chwedischen Herrschaft. — _II, Kleine Mit- theilungen: Mitwirkung der Postverwaltung bei dem Sparbaukbetriebe in den Niederlanden. — Die mexikanische Post im Jahre 1874/75.
Landtags- Angelegenheiten.
Am 25, Juni, Nachmittags, starb auf scinem Gute Deutsch- Presse, im Kreise Kosten, der Graf Eduard v. Sienno-Potwos- rowsfi, Bisißer der Herrschaft Deutsch-Prefse und Gorzyce, che- maliger voluischer Rittmeister und früherer 5 xovinzial-Landtags-Mar- \call der Provinz Posen, durch Königliches Vertrauen Mitglied des Herrenhauses auf Lebenszeit.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Die Königliche Nationalgalerie hat fkürzlih wie- der eine werthvolle Éewerbung gemacht durch Ankauf der großen Bleistiftzeinung Genelli's zu dem im Besiß des Fchrn. von Schack befindlichen Oelgemälde „Raub ver Eur opa,“ Die s{chöône Komposition zeigt eine solwe Harmonie des Eanzen und eine so vollendete Zeichnung der Einzelheiten, daß man nicht müde wird, sie zu betrachten. Dea Mittelpunkt dec Darstellung bildet die auf dem Rücken des in einem mächiigen Stier verwandelten -Jupiter sizende Phönix-Tochter, welche den (rech!8) am Meeres ftrande zurück- gebliebenen Fceundinnen Grüße zuwinkt. Erschrccken, bestürzt und flagend hauen die Jungfrauen der Entführten nah. Unter der durch die Lüfte s{webenden Hanptgruppe tummeln sich in den
Meereswogen Nereïden und Delphine, weiter nach links erblickt | man Neptun, umgeben von seinen Okeaniden, denen Tritonen als | Herolde voraufziehen. Den Aktshluß auf dec linken Seite bilden