1876 / 164 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 14 Jul 1876 18:00:01 GMT) scan diff

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“mittagsfizung erledigt worden.

Der hiesige Königlih niederländishe Gesandte Herr von Rochussen hat Berlin mit Urlaub verlassen. Der Le- gations-Sekretär Herr A. de Tets fungirt während der Abwe- senheit des Gesandten als interimistisher Geschäftsträger.

Bayern. München, 12. Iuli. (Corr. v. u. f. D.) Mit der Berathung des Militäretats is im Finanz- aus\chusse der Kammer der Abgeordneten heute begon- nen und ein großer Theil desselben bereits in der Vor- Wesentlihe Kenderungen an den Spezialetats wurden niht beschlossen. Bei der heute in den Abtheilungen erfolgten Feststelung des Be- rihts über die Regensburger Wahl hat Abg. Pfahler die Bezeihnung Ultramontane und resp. ultramontane Partei beanstandet, da seine Partei weder eine ultramontane noh kleri- kale, sondern \ih als patriotische bezeichne. Es wurde denn. auch beshlossen, das lehtere Wort, jedoh mit Anführungszeihen, opPatriotisch“ zu benugzen.

183. Juli. (W. T. B.) Bei der heutigen Berathung des Etats für das Kultus-Ministerium in der Abge- ordnetenkammer kam der ultramontane Abgeordnete Joerg auf die Angelegenheit des Bishofs von Regensburg, Dr, v. Senefstrey, zurück und bezeichnete die Regierungsweise des Kultus-Ministers v. Luß als von „Spionage und Denun- ciation“ umgeben, durch welche der „Samen der Charakterlosig- keit“ in «das Land getragen werde. (Große Unruhe links.) Der Abgeordnete Kraußold s\prach darauf für ein frei- finniges Kirchenregiment auf protestantishem Gebiete. So- dann rechtfertigte der Kultus-Minister die Grundsätze seiner bisherigen Verwaltung, bei welhen er auch ferner beharren werde, Zum Reformator der protestantischen Kirchengesezgebung fühle er sich als Kultus-Minister eines katholishen Staates niht berufen. Dennoch wünsche er eine regere Betheiligung der Gemeinden an der Kirchenverwaltung und hoffe, daß dieses Moment bei der nächsten Generalsynode zur Geltung kommen werde. Hierauf folgte eine längere De- batte über das Fortbestehen des obersten Shulrcthes, für welchen die Abgeordneten Herz, Peszl, Haushofer und der Kultus-Minister eintraten. Die Abgeordneten Rußwurm, Merkle und der Referent Anton Schmidt beantragten dagegen die Auf- hebung dieses Instituts, welhes die katholishe Bevölkerung nicht wünsche, und welhes religiösen Indifferentismus verbreite. Schließlih wurde die diesbezüglihe Pofition abgelehnt und bon, der oberste Schulrath vom 1. Januar 1877 ab au f- gehoben.

Sachsen. Dresden, 14. Juli. (W. T. B.) Der Kron- prinz und die Kronprinzessin von Italien sind gestern Abend um 10 Uhr von München hier eingetroffen. Zum Empfange waren auf dem Bahnhofe anwesend: Der Prinz Georg von Sawsen, Prinz Thomas von Savoyen und der italienishe Botschafter in Berlin, Graf de Launay.

Vaden. Karlsruhe, 12. Juli. Der Großherzog hat fh heute Nachmittag 2 Uhr zum Besuch des Deutschen Kai- sers und des Großfürsten und der Großfürstin Michael von Rußland nah Baden begeben. Der Großherzog kehrte am Abend in die Residenz zurück und gedenkt in der Naht nacz Schloß Mainau abzureisen. In der geftrigen Abendsizung der Zweiten Kammer wurde die Vorlage der Regierung über die Staatsunterftüßung der durch das Hochwasser Beschädigten berathen. Da die Regierung keine bestimmte Summe als Entschädigung bezeichnete, sondern nur angab, daß sie an Einzelne Entschädigungen wegen zerstörter Gebäude und an Gemein- den Beiträge wegen Zerstörung von Dämmen, Brücken 2c. und auch Unterstüßungen an solhe Gemeinden, in denen der Armen- aufwand in Folge des Hohwassers eine große Höhe erreiche, zu bewilligen wünsche, so stellte der Abg. Schneider von Mannheim den Antrag, nur eine Pauschalsumme von einer halben Million Mark zu genehmigen. Dieser Antrag wurde aber von keiner Seite unterftüßt, vielmehr die Vorlage der Regierung ein- stimmig genehmigt. Da in diesem Fall, wie das „Frankf. J.“ mittheilt, die Vorlage auch Geseßzeskraft erhält, wenn die Erste Kammer dagegen sein \sollle weil die Stimmenzahl den Aus- \{chlagt gibt so kann dieselbe als perfekt betrachtet werden.

Defterreich-Ungarn. Wien, 12. Iuli. Der „Pol. Korresp.“ wird aus Pest mitgetheilt, daß Minister-Präsident Tisza gleih nach seiner Ankunft aus Wien Mitgliedern der Legislative gegenüber erklärte, er habe allen Grund, mit den Intentionen, welhe Graf Andrassy nah Reichstadt mitgenommen, vollauf zufrieden zu sein, da ganz bestimmt keine den Gebiets- interessen und dem staatlichen Ansehen Ungarns zuwiderlaufende Territorialveränderungen statthaben werden. Nunmehr liegen dem Minister-Präsidenten bereits von Seite des Grafen Andrassy und auch von Seite des in Wien zurückgebliebenen Finanz-Mi- nisters Szell umfassende Mittheilungen vor, welche ihn dem genannten Blatte zufolge außerordentlich befriedigten.

—- Der „N. Fr. Pr.“ wird aus Pest mitgetheilt, daß an der \üdlihen Grenze Ungarns die Stimmung wesentlih ruhiger werde, besonders seit die Serben erkannten, daß die Phantasien vom großen \üdslavishen Reih undurchführbar \eien. Nichtsdestoweniger wäre in Semlin doch ein Omladinift, Dr. Milankovich, zum Bürgermeister gewählt worden, dürfte aber wohl kaum bestätigt werden.

Prag, 12. Juli. Bei der heutigen Bürgermeisterwahl erhielt der Möbelfabrikant Skramlik 54 von 73 Stimmen, 12 Stimmzettel waren leer, 4 Stimmen erhielt Klenka, die übrigen Stimmen waren zersplittert. Sfkramlik erklärte in czehischer und deutsher Sprache, die Wahl vorbehaltlich der Kaiserlihen Bestätigung anzunehmen.

Peft, 11. Juli, Bekanntlih soll auf Grund des Zoll- und Handelsbündnisses mit Rumänien der Spezial- tarif ausgearbeitet werden. Es ift nun, wie die „Bud. Korr.“ erfährt, eine Schwierigkeit in Betreff des Verhandlungsortes der ad hoc zu entsendenden Komwission aufgetauht. ‘Die rumä- nishe Regierung hat zu diesen Berathungen einen, höchstens zwei Vertreter zu senden. Die österceihish-ungarishe Monarchie

muß aber mindestens drei, einen der ungarischen Regierung,

einen der öfterreihishen Regierung und einen der gemeinsamen Regierung, entsenden und dennoch fordert die rumänische Regie- rung, es mögen diese Konferenzen in Anbetracht der GéoRen Kosten, welche die Entsendung der Vertreter verursacht, und- des Umstandes, daß Rumänien seine Fachbeamten nicht entbehren könne, in Bukarest stattfinden. Bisher ist diese Frage nohch gf C, nächsten Donnerstag tritt aber die Konvention ns Leben.

__— 12. Juli. Der „Hon“ \{hreibt über die Affaire Miletics: Die Versegung desselben in den Anklagestand hat der Groß-Becskereker Gerichtshof ausgesprochen. - Da jedo die Abgeordneten - Immunität zur Sprache kam, fragte der

Ober-Staatsanwalt bei dem Minister-Präsidenten an, wie die Regierung \ich diesem Umstande gegenüber verhalte. Der Minister-Präsident theilte in einem Reskripte vom 4. Juli den Beshluß des , Ministeruuns mit, in welchem die Nothwendigkeit der Wahrung der Immunität ausgesprochen, zugleih jedoch konstatirt wird, daß der Wirkungskreis dieses Rechtes in unseren Gesezen nit geregelt ift; darum erachtete die Regierung es als im Interesse des Landes und des öffentlihen Wohles geboten, die Verantwortung dafür zu übernehmen, daß im vorliegenden Falle, da die Anklage wegen Aufwiegelung gegen den inneren und äußeren Frieden des Lan- des obshwebt, vor der Rechtspflege jenes Hinderniß entfernt werde, welches vielleiht in der Interpretation des Immunitäts- geseßes gelegen ist. Dieses wird dem Abgeordnetenhause sofort nah dessen Zusammentritt gemeldet werden, damit dieses, wenn es demselben genehm is, die Sistirung der Untersuhung und die Aufrehthaltung der Jmmunität beschließe. Bis dahin jedo übernimmt die Regierung die Verantwortlichkeit und fordert den Ober - Staatsanwalt auf, die Untersuhung energish weiterzu-

führen.

Schweiz. Das „Genfer Journal“, welches sih gegenüber dem Entwurfe zu einem Militärsteuergeseße ablehnend ver- halten, knüpft nun an die Verwerfung desselben folgende Be- trahtungen: „Der Entwurf ist gefallen, aber das zu lösende Problem ift geblieben. Unsere eidgenössischen Finanzen sind den Lasten nicht gewachsen, welche ihnen die neue Militärorganisation auferlegt hat. Diese Thatsahe mahnt uns zugleich an unsere Pfliht, unser Budget zu erweitern und ihm neue Hülfsquellen zuzuweisen. Mit dem negativen Resultat der lezten Abstimmung ist es nicht gethan, sondern wir müssen uns {hon von heute an mit dem Studium einer eidgenössishen Steuer beschäftigen, welche, auf den Prinzipien der Gerechtigkeit und der Gleichheit der Bürger aufgebaut, uns den Unterhalt unserer Armee er- möglihen wird. Die Frage if eine ernfte und kann niht auf- geschoben werden, denn ein Volk, das fih selbst achtet, zerstört nicht sein eigenes Werk von einem Tage auf den andern und es \hreckt auch nicht vor Opfern zurück, wenn es sih darum han- delt, die eingegangenen Verpflichtungen einzulösen.“

Großbritannien und Frland. London, 12. Juli. Die Königin empfing gestern den durch Lord Derby ihr vor- gestellten neuen amerikanischen Gesandten, Eduard Pierrepont und nahm sein Beglaubigungss\chreiben entgegen.

_— Parlamentsverhandlungen vom 10. Juli. (A. À. C.) Beide Häuser des Parlaments wurden durch Verhandlungen über die orientalische s in Anspruch genommen.

Im Oberhauje brachte Earl Granville eine Interpellation: ein bezüglih der in Bulgarien von den irregulären Truppen der Pforte angeblich verübten. Barbareien. Der Earl von Derby erwiderte, daß er nicht in der Lage sei, irgend etwas Be- stimmtes mitzutheilen Nah der vom Herzog von Argyll eingebrahten Interpellation habe «ex an Sir Henry Clliot geshrieben und fich von demselben Auskunft crbeten, aber die Antwort darauf sei noch nicht eingegangen. Nachdem indeß wiederholte Mit- theilungen über den Gegenstand in der Presse erschienen, und wissend, welche Stimmung darüber im Lande vorbherrshe, habe er diesen Morgen an Sir Henry Elliot telegraphirt, der Regiecung ohne Ver- zug Mittheilungen über die fragliche Angelegenheit zu machen. Das Resultat werde er dem Hause seiner Zeit mittheilen.

Im Unterhause exkundigte sich Bruce beim Premier-Minister, wann die Diskussion des Antrages üb:r die Angelegenheiten in Bosnien und der Herzegowina auf die Tagesordnung gesetzt werden würde. Disraeli erwiderte: es wücde kaum möglich sein, eine Disku|sion über den Gegenstand in einer für das Haus befriedigenden Weise anzuberaumen, so lange nicht die Schrift- stücke darüber auf dem Tish des Hauses liegen, Wenn die Sthrift- stücke in den Händen der Mitglieder sind, dürfte dec Marquis von Hartington vielleiht wünschen, den Gegenstand der Erörterung des Hauses zu unterbreiten. Wenn er dies thut, würde j:des unabhängige Mitglied auf einer der beiden Seiten des Hauses ihm natürlich weichen. Jh anerkenne völlig, daß mein ehrenwerther Freund (Bruce) ia Folge der Ankündigungen, die ec gemacht, einen locus standi in der Frage ha, Jndem ih e3 als selbstverständlich annehme, däß eiue Diskussion über den Gegenstand stattfinden wird, felbst wenn dieselbe nicht eine solche sein sollte, welhe die Meinung des Hauses über einen formellen Antrag involvirt, dürfte ih unter diesen Umständen den Anspruch meines ehrenwerthen Freundes anerkennen und mich bestreben, demselben Rechnung zu tragen, aber so lange die Schriftftüke nicht vorliegen, dürfte ich den Gefühlen des Hauses s{werlich Be- rehtigkeit erweisen, wenn ich Vorkehrungen für die Diskusion eines von einem Privatmitgliede ausgehenden Antrages träfe. Zu- nächst fragte E. Jenkins den Kabinetêchef, ob er bestimmt an- geben könne, wann die Schriftstücke über die orientalische Frage in den Händen der Mitglieder sein würden.

Disraeli antwortete: Es wird im Auswärtigen Amt jede An- strengung gemacht, daß diese Schriftstücke auf den Tisch des Hauses niedergelegt werden, aber es ift mir unmöglich, einen bestimmten Tag an- zuberaumen, an welchem sie in den Händen der Mitglieder sein wer- den, weil dies uit lediglich von Jhrer Majestät Regierung abhängt. Jch sprach vor ciner halben Stunde den Staatssekretär für auswär- tige Angelegenheiten und er sagte mir, wir könnten darauf zählen, daß die Schriftstücke zum Beginn nächster Woche auf den Tisch des Hauses niederg:legt werden würden

Sodann intervellixie Forster den Premier-Minister, ob eine Antwort auf die vorige Woche von Lord Derby an den britishea Botschafter in - Konstantinopel gerichtete An- frage in Bezug auf die angeblichen Barhaceien in Bul- garien cingegangen sei. Jn der „Times*" und „Daily News“ vom vori- gen Sonnabend seien Briefe erschienen, welche die ersten Mittheilungen die- serBlätter bestätigen und hinzufügen, daß eine Menge bulgarischer Mädchen offentlih in die Sklaverei verkauft wurden und daß sehr viele Bul- s in türkishen Gefängnissen auf - die Folt-x gespannt wurden.

israeli erwiderte, daß auf die nach Konftantinopel gerichtete Anfrage noch keine Autwort eingegangen sei; auch sei es unmöglich, daß \{chon einc Antwort da sein könne. Was die mit diesen Barbareien in Bulgarien verknüpften Schriftstücke betrifft, fuhr der Kabinetschef fort, so wird darin ein zwishen der Regierung und unserem Bot- schafter gepflogener Schriftwehsel vorgefunden werden. Alles was wir über die Angelegenheit empfangen Haben, wird in den Schriftstücken gefunden ‘verden, deren Tagen erfolgen wird. Was die fürchterlichen Barbareien be- trifft, von denen wir gelesen haben, und auf welche der sehr ehren- werthe Herr hinweist, so wage ich noch immer die Hoffnung auszu- drücken, daß wenn wir erst besser unterrichtet sind, wir finden werden, daß diese Mittheilungen dur die thatsächlichen Vorgänge kaum ge- rechtfertigt sind. Wir sind in beständiger Verbindung mit unserem Botschafter in Konstantinopel, der gegen solche fürchterliche Vorgänge nit unempfindlich sein würde. Ich kenne keinen Mann, der in sol- hen Fällen fester oder energisher handeln würde, als Sir Henry Elliot, Wir find auch in Verbindung mit unseren sehr fähi- u Konsuln in Belgrad, Ragusa und Cettinje, aber ihre

erichte enthalten nihts, was auf einen 0 schrecklichen Stand der Dinge in Bulgarien \chließen ließe, Daß während des Krieges in Bulgarien Gräuel verübt wurden, bezweifle ih nicht und habe es auch niemals einen Augenblick bezweifelt, Jnsurrektionskriege sind sters Gräuelkriege. Es find Kriege, die ncht von regulären Truppen geführt werden, und in diesem Falle sind es selbst nicht irre- guläre Truppen, sondern eine Art von posso comitatus einer bewaff- neten Bevölkerung: Daß Aufstandskriege barbarish sind, wissen wir aus unserer eigenen kleinen (Erfahrung, Wir wissen, daß {jüngst

[ eine unserer Kolonien, eine alte Kolonie Englands, ich s\preche von- Jamaika die Scene einer Panik war, auf die Niemand ohne ein Gefühl tiefer Erschütterung und Pein zurückblicken kann. Aber daß in diesem Falle 10,000 Einwohner einer einzigen Provinz einge- kerkert wurden, verdient wohl kaum Glauben. Die Berichte von der Anwendung der Folter sind auc sehr zweifelhaft, denn orientolisce Völker pflegen „mit ihren Gefangenen weit summarischer zu verfah- ren. Obwohl im Ganzen genommen ohne Zweifel Vieles stattge- funden haben mag, was wir beklagen müssen, so kann ich uur die Hoffnung hegen, daß manche der Angaben der Begründun

entbehren. Jch kann dem Hause nur wiederholen, da wn Anstrengung gemacht werden wird, der Regierung

Konstantinopel an’'s Herz zu legèn, die fürterlihen Scenen, die #t Unvermeidlih scheinen, so viel als möglich zu mildern, Wenn die Information von Konstantinopel ankommt, wird nit ein Augen- blick verloren werden, dieselbe zur Kenntniß des Hauses zu bringen, aber vor der Hand ist keine eingegangen. :

An die Darlegung des Kabinetshefs knüpfte s eine kurze Debatte, im Verlaufe welcher der Reg!erung aus dem liberalen Lager heftige Vorwürfe gemaht wurden. Sir E. Watkie empfahl, den britischen Botschafter in Konstantinopel zu instruiren, eine Untersuhungskommission nach Bulgarien zu senden. Disraeli wieder- s daß alle Juformation im Besiß der Regierung in dem in

urzem dem Hause vorzulegenden amtlichen Schriftwebsel gefunden werden würde. Er fügte hinzu, er leugne nicht, daß Barbareien in Bulgarien verübt worden, aber die Regierung habe keine Kenntniß von den Details, welche die Journale veröffentlichten. Damit wurde der Gegenstand verlassen.

Die vor einigen Tagen durch die ganze englishe Presse gegangene Mittheilung, daß 100 Milizen des Bezirkes Armagh vor der Einschiffung ihres Truppentheiles zu den bei Dorking stattfindenden Manövern desertirt seien, erweist si, der yS. C.“ znfolge, als eine starke Uebertreibung. Einem Schreiben des Lord- Lieutenants von Armagh zufolge, fehlte bei der Ab- fahrt nur ein einziger Mann.

Am Freiiag wird eine Konferenz von Besitzern ägyptisher Bonds hier stattfinden, um denselben Gelegen- heit zn geben über die Bestellung Goschens als Schiedsrichter zwishen den Bondsbesigern und der ägyptishen Regierung Be- {luß zu fassen.

Frankreich. Paris, 12. Juli. Das Hauptereigniß des3 Tages ist die Kammerdebatte und die Abstimmung über das Maire-Gesey. Dasselbe ift, wie gemeldet, angenommen, und der Minister des Innern hat seinen Posten behalten. Das „Journ. des Deb.‘ bemerkt dazu: „Nichts if lehrreiher als eine Prüfung der beiden Abstimmungen über den Antrag Le Pomellec wegen Vertagung des Maire-Geseßentwurfes und wegen des Art. 1 des Geseßes. Nach allen Zeitungen ift cs mit 389 gegen 80 geschehen, nah dem „Journal officiel“ bildeten nur 76, nah einem Telegramm der „Köln. Ztg.“ 77 die Minorität. Die Gründe dieser Abweichungen sind leiht zu erklären; mehrere royalistishe Deputirte liefen, als die Abstimmung begann, durch die Reihen der Rehilen und des Appel au peuple, um ihre Freunde - zu bewegen, Herrn v. Fourtou in seinem Kampfe gegen das Minifterium zu folgen. Um das Kabinet zu stürzen, verbander, sie fich ohne Zaudern mit den Bonapartisten. Aber das Manöver s\heiterte, weil es vorher nicht verabredet war. Einige Royalisten blieben zwar in der Reihe der Besiegten, andere traten noch vor der Niederlage den Rückzug an, andere zogen ihre Namen aus der Urne zurück. Und so erklärt sih die Differenz zwischen den verschiedenen Angaben. Jedenfalls haben Royalisten und Bona- partiften gesehen, wie \{hwach ihre Partei vertreten und auch die Linke hat erkennen müssen, daß sie fh niht von dem Kabinet trennen darf. In der Abstimmung über Artikel I. hatte die Regierung 434 Stimmen gegen 22 für ih; dies ist der Rest O die so lange Frankreih nach Belieben hat gängeln wollen.

Bei den Berathungen des Senatsausshu}es ‘hat si herausgestellt, welches jeßt der Bestand der katholishen Fakultäten ist. Die von Paris, bei Weitem die bedeutendste, hat 125 Studenten der Rechie, 30 der Philologie und 8 der Naturwissenschaften.

Versailles, 13. Iuli. (W. T. B.) In der heutigen Sizung der Deputirtenkammer erwiderte der Minister des AuêÒwärtigen, Herzog Decazes, auf die Interpellation des Dezutirten Louis Blanc, betreffend die orientalischen An- gelegenheiten, er sei niht in der Lage, die auf die orienta- lishe Frage bezüglihen Dokumente der Kammer mittheilen zu Föônnen, au erachte er es weder für opportun noch für nüßlich, in eine Diskusfion über die in Rede stehenden Ereignisse einzu- treten. Die Frage über die Allianzen Frankreihs iîm Orient sei niht geeignet, zum Gegenstande einer öffentlichen Debatte gemaht zu werden. Die Kammer felbst er- warte von der Regierung, daß sie sich nicht thätig bei den Ereignissen im Orient betheilige. Frankreih habe das Recht, sh aus\{ließlih mit seinen inneren Angelegenheiten zu beshäf=- tigen, theuer genug erkauft. Die Regierung sei in dieser Hin- siht derselben Ansicht, wie die Kammer, sie könne sich indeß viht gänzlih dieser Frage fern halten und bemühe sih deshalb, mit den übrigen Mächten ein Einvernehmen herzuftellen, welches gegenwärtig auf einer Basis der absoluten Nihtinterven- tion und eines vertraulichen Einverständnifses über alle Even- tualitäten, welche sih ereignen könnten, hergestellt sei. Diese Politik ermöglichte es, den entbrannten Kampf zu lokalisiren, und lasse in Kurzem ein Ende desselben zum größeren Wohle felbst derjenigen erwarten, welhe den Kampf in so unkluger Weise unternommen haben, Die Veröffentlihung der bezüglichen Aktenftücke würde zur Zeit nur Unzuträglichkeiten haben und der Regierung sowie der Kammer nur eine bedauerlihe Verantwortlichkeii auf- bürden. Seit einem Jahre habe Frankreich fortgeseßt Beweise von Umsicht und Würde gegeben. Die Spuren hiervon würde

Vorlegung in wenigen ;

man bei jedem Stücke der diplomatishen Korrespondenz finden. Die Regierung mü}se daher die Kammer ersuchen, fs mit die- ser Erklärung zu begnügen und sich überzeugt zu halten, daß die Interessen, sowie die Würde des Landes weder in Bezug auf die innere noch auf die äußere Politik von der Regierung werde kompromittirt werden. Die Erklärung des Ministers wurde mit großem Beifall aufgenommen.

Im weiteren Verlaufe der Sizung wurde die Wahl des tlerikalen Deputirten Mun mit 308 gegen 181 Stimmen, für ungiltig erklärt. Der Deputirte Germain Case (radikal) theilte \chließlich dem Hause mit, daß er morgen eine Inter- pellation wegen der bei der Wahl Muns vorgekommenen un ge- sehlihen Handlungen des Klerus an die Regie- rung rihten werde. Morgen wird in der Deputirten- kammer der Bericht der Kommisfion für die internationale Ausstellung im Jahre 1878 berathen.

Türkei. Die heute vorliegenden Telegramme vom Kriegs\chauplaßze lauten: Konstantinopel, 13. Juli, (W. T. B,) Nah Nahh-

rihten, welche der Regierung aus Mostar zugegangen sind,

4 E S

i der General Selim Pascha, welheë mi 2 Bataillonen von Gaczko (auf manchen Karten Metochia genannt), nach Ne- wesinje marschirte, in dem Engpaß von Zallan mit einer bedeutenden montenegrinischen Truppenmaht zusammen- getroffen. Die Montenegriner versuchten ihn einzushließen. Nach einem hartnäckigen zwölfftündigen Ka mp fe gelang es Selim Pascha, durchzubrehen und sich noch aller der Punkte zu be- mächtigen, welche der Feind beseßt hatte. Die Montenegriner er- litten beträchtlihe Verluste und mußten sh zurückziehen. Der Engpaß von Zallan und die Straße nah Gaczko sind dem- nach frei. :

Konstantinopel, 14. Juli. (W. T. B.) Der Regies- rung ist vom Kriegs\hauplaye folgende Meldung zugegangen: Die Division von Wischegrad hat am 11. d. auf serbishem Gebiete bei Kondreduman (?) ein siegreiches Gefecht geliefert und nach demselben den genannten Ort beseßt. Achtzehn große Depots von Munition und Lebensmitteln sind in die Hände der türkishen Truppen gefallen. Der Ort if dur das Feuer der türkischen Artillerie eingeäschert worden. Die Ber- luste der Serben sind beträchtlih. Die türkishen Truppen find gegenwärtig damit beschäftigt, sh an verschiedenen Stellen des Ortes zu vershanzen. Eine serbische Division, welhe von Jeni-Warosch her einen Angriff gemacht hatte, wurde eben- falls zurückgeshlagen. Sechszig bis siebenzig christlihe Familien aus der Umgegend von Mitroviha find mit den Serben geflüch- tet und befinden s{ch ohne Mittel des Unterhalts im Balkan. ‘Einige von ihnen haben sih bereits unterworfen und find nach ihrer Heimath zurückgekehrt. ;

Belgrad, 13. Iuli. (W. T. B.) Der Regierung ist vom Kriegs\chauplaye folgende Meldung zugegangen: Gestern Nachmittag griff Oberst Leschjanin die vershanzten Stellungen Osman Paschas an. Der Kampf dauerte bis in die Nacht und wurden die Türken gezwungen, ihre Stellungen aufzu- geben. Die s\erbishen Truppen standen der Konstantinopeler ‘Garde gegenüber.

Einer Meldung der „Politishen Korrespondenz“ vom 13. Juli aus Belgrad zufolge würde die Absehung des Für sten Milan, wenn dieselbe von Seiten der Pforte aus- gesprochen werden sollte, mit einer vollständigen Unabhängigkeits- erklärung Seitens Serbiens beantwortet werden. Derselben Korrespondenz zufolge haben si viele griechische Gemein- den in Bulgarien erboten, dem Sultan Freiwillige zu stellen. In Fula Bulgar, Popinzi und anderen Orten haben fich griehishe Freiwillige gegen bulgoarishe Jnsurgenten geshlagen. Der Verkehr zwischen den Griehen und den Bul- garen wird immer gespannter. /

Dew „Telegraphen-Korrespondenz-Bureau“ wird aus

Ragusa gemeldei: Peko Pavlovitsh hot die Türken am-

13. d. bei Klek ges{lagen und denselben 150 Hinterlader ab- genommen. Der Verlust der Türken wird auf 150 Todte und Verwundete, der der Insurgenten auf 30 Todte und Verwundete ‘angegeben. :

Wie das „Telegraphen-Korrespondenz-Bureau“ vom 13. Juli erfährt, sind außer dem Hafen von Klek sämmtliche Häfen ‘an derx dalmatinishen Küste für jede Art tür- kisher, wie montenegrinisher Kriegscoutrebande gesperrt.

Den „H. N.“ wird aus Semlin unter dem 12. Juli lelegraphirt: ZwishenSerbien und-Montenegro ist einUeber- einkommen getroffen worden, demzufolge Serbien die Führung eventueller Unterhandlungen mit der Türkei allein übernimmt. Serbien verlangt für sich die Abtretung U ltserbiens, eines Theiles von Bosnien und Bulgarien und 15 Mill. Dukaten, für Montenegro einen Theil von Bosnien und die ganze Herzegowina. Die Mo- xrava-Armee der Serben hatte für die leßten Tage der vergan- genen Woche einen Infanteriesturm auf Nisch vorbereitet, der jedoch bis heute unausgeführt blieb, da die Armee gezwungen ist, zahlreiche Unterstüßungstruppen an die serbische Drina- und die Timok-Armee abzugeben. Am Timok find die Türken im Vorrücken. Ser- bischérseits sind alle mobilen Reserven bereits in Aktion getreten, die leßte wird eben mobilisirt und \{chleunigst an die Grenze be- ordert. Das Land ist von Truppen entblößt. Bei einer großen Menge von Verwundeten is wenig ärztlihe Hülfe zur Hand.

Einem Telegramm der „D. A. C.“ von heute 8 Uhr ‘Morgens zufolge, wäre „nah den siegreihen Gefechten der Montenegriner bei Gaczko und der Serben bei Wischegrad die Verbindung zwischen diesen beiden Heeren vollzogen.“

Eine übersichtliche Schilderung der Kriegslage giebt eine Korrespondenz aus Konstantinopel vom 7. d. M., welche der „Nat. Ztg.“ zugeht.

Die türkischen Truppen halten danach Serbien und Montenegro umklammert. Ihr äußerster rechter Flügel unter Dsman Pascha hat die Festung Widdin zum rückwärtigen Stüy- punki,. und lehnt \fich an die Donau, wo eine Flotille, aus fünf gepanzerten Kanonenbooten bestehend, zur Aktion wider Serbien bereit f, während der äuß ersie linke Flügel (nunmehr unter Derwisch Paschas Befehl) \sch rechts und links vom Bojana- Fluß am Skadar See, die türkische Festung Podgorizza in Front, postirt befindet und bis zum adriatishen Meere, bei Antivari (Bar), reicht. z

Sn dem Raume zwischen Montenegro und Ser- bien, d. h. in der Herzegowina und in Bosnien, befehligt Ahmed Moutkhtar Pascha. Derselbe wird demnächst sein \eit- heriges Hauptquartier von Gazko nah Wischegrad, d. h. an die serbishe Grenze, etwa gleih weit von dem Einfluß des Drinaflusses in die Save einerseits, und von JIeni Basar an- dererseits, entfernt verlegen. i

Auf dem vorehrwähnten rechten Flügel führt Ahmed €Ejub Pasha den Oberbefehl. Er haite seither sein Hauptquartier zu Nissa. Unter ihm steht der vorerwähnte Os- man Pascha und als Chef seines Generalstabes fungirt der in Belgien ausgebildete Ne d\ chid Pascha. Die von Ahmed Moukh- tar Pascha in Gacko leer zu lassende Stelle als Ober-Befehls- haber in der Herzegowina wird Mustapha Dschelal Eddin Pascha, ein geborener Pole, einnehmen, Ahmed Ejub Pascha, dem zunähs|t die Aufgabe, den Angriff gegen Serbien gu leiten, anheim fällt, is ein Manu in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre stehend, in der türkishen Militärshule Harbije Mekteb ausgebildet, und zwar unter den Augen des späteren Seraskers Hussein Avni Pascha, der damals an dieser Anstalt als Lehrer fungirte und ebenfalls seine Erziehung in ihr erhalten hat. Der heutige Chef des Corps von Nissa zeigte früh eine gleich- artige Begabung, wie Hussein Avni Pascha, für die Administration. \Ein no6 jüngerer Mann als Achmed Ejub ist Ahmed Moukhtar Pascha, Man glaubt, daß er das 40. Lebensjahr noh nicht überschritten habe. Auch er fungirte, ähnlich wie Hussein Avni Pascha, vordem als Lehrer an der erwähnten Militärschule Harbije Mekteb, und hat, wie dieser, einige Schrif- len ins Türkische übersezt. Längere Zeit stand er dem in Iemen formirten VIL, Armee-Corps als dessen Chef und später tert I. in Schumla und dem IV, in Erzeruin vor, Unmittelbar

Ì Ee

von lehterem Posten aus trat er, im Dezember 1875, den als Befehlshaber in der Herzegowina an. Im Gegensaß zu den beiden Vorgenannten if: Derwish Pasha (derselbe, welcher bei Ausbruch der Insurrektion General-Gouverneur von Bosnien und der Herzegowina war) ein bereiis älterer Mann, vielleicht ein hoher Sechziger. Er macht den Eindruck eines Alttürken. Osman Pascha wird als der Entschlossenste und als rasch zu- greifend ge‘cildert, zugleih als ein noch jüngerer Mann, sein Rang ist Divisions-General.

Der „Politishen Correspondenz“ entnehmen. wir fol- gende Mittheilungen:

Belgrad, 9. Juli. „Die gestrige offizielle Zei- tung „Srbske Novine“ brahte in der bekannten An- gelegenheit der Beschießung des Remorqueurs „Tisza“ fol- gendes Communiqué: „Indem die Fürfilih ferbishe Regie- rung ihrem Bedauern über den Vorfall, der sh blos aus Miß- verständniß ereignen konnte, Ausdru giebt, erklärt sie hiermit, daß sie eine strenge Untersuhung angeordnet und gleichzeitig befohlen'hat, daß der Kommandant des betreffenden Wachpostens zur Verant- wortung gezogen und bestraft werden sol. Gleichzeitig hat die Fürstlihe Regierung die bestehenden Vorschriften verschärft, um \solhe unliebsame Vorfälle künftighin unmöglich zu machen. Denn so sehr wir auf der Hut sein müssen wegen der ver- breiteten Gerüchte, die Türkei wolle Serbien zu Wasser angreifen, eben so fehr müssen wir uns bemühen, daß die freie Schiffahrt auf der Donau ungestört vor \sich gehen könne. Namentlich müssen wir trachten, Alles zu vermeiden, was auch nur die ge- ringste Veranlafsung zur Unzufriedenheit der benahbarten Mon- archie geben könnte.“

Der Präfekt von Belgrad, Tuzakovits, fordert im amt- lichen Blatte alle Einwohner der Hauptstadt auf, binnen fünf

] Tagen der Behörde über die Quantität der Lebensmittel wie die

Zahl der Wagen, über die jeder verfügt, Bericht zu erstatten; widrigenfalls würde die strengste Strafe auf Grund des Art. 41 des Reglements über Requisitionen jeden treffen.

Der montenegrinische Minisier des Jnnern und Repräsentant des Fürsten von Montenegro im serbishen Hauptquartiere, Mascha Vrbica, is} hier eingetroffen. Gestern wurde er einem Ministerrathe beigezogen, der mehrere Stunden andauerte. „Es soll sich um die von den Fürsten von Serbien und Monte- negro gegenüber der in den Jusurgentenlagern vorgenommenen offiziósen Proklamirurg derselben zu Fürsten der Herzegowina und Bosniens einzunehmende Haltung gehandelt haben. Wie verlautet, wäre beschlossen worden, daß die Jnsurgenten-Depu- tation, welhe aus Wucjak in Bosnien aufgebrohen und unter- wegs nah Paratschin ift, vom Fürsten Milan vorläufig offiziell nit empfangen werden soll. Dasselbe Verhalten wird Fürst Nikolaus den Herzegowinern gegenüber beobachten.“

„Der Minister-Präfident Steftsha Michailovits ift ins Haupt- quartier abgereist. Man bringt diese Reise mit der Frage der Einberufung der Skupschtina zu einer außerordentliczen, sehr kurzen Session in Verbindung. Es \oll die Mitwirkung der Skupschtina für Herbeischaffung von Finanzmitteln zur Füh- rung des Krieges als Nothwendigkeit sh herausgestellt haben.“

Auf Antrag des Kriegs-Ministers werden abermals zwei neue Divisionen, eine ute und neunte formirt werden. Dazu werden der Rest der zweiten und die ganze dritte Klasse der Milizreserve herangezogen werden. Die Reserve, welche bis jeßt mit Vorderladern bewaffnet war, erhält nun Hinterlader, in deren Handhabung sie eingeübt wird.

Der Kriegs-Minister ließ das Armec-Corps des Oberster Leschjanin mit 7000 Mann verstärken. Leschjanin if in diesem Augenblicke ziemlih weit im Widdiner Paschalik vorgerückt und find stündlih von ‘ijm Nachrichten über eine größere Aktion zu gewärtigen. Alimpics organisirt bei - Beljina 6000 bosnische Freiwillige. Ebenso if: T\hernajeff bei Ak-Palanka mit militä- risher Organisirung zahlreiher bulgarisher Freischaaren beschäf- tigt. Die Drina-Armee erhielt 3000 Mann Verstärkung. Wenn man die ganze dritte Klasse der Milizreserve auf den Kriegsfuß bringen sollte, würden 32,000 Mann dem Oberkommandanten zur Verfügung gestellt werden können. Das Armee-Corps am Jbar \oll gleihfalls auf 20,000 Mann gebracht werden.

Auf aUgemeines Verlangen wird die erste Verluftliste dieser Tage veröffentliht werden. Die Armee hat bis jeßt {hon große Verluste, namentlih an Dffizieren, zu beklagen. Die Feldfpitäler sind mit Verwundeten überfüllt,“ bY +

Ueber die Insurrektion in Bosnien wird der „Pol. Corr.“ aus Dvor, 8. Juli geschrieben: Das Insurgentenlager von Corcovaca i} von einer stärkeren türkishen Truppenab!hei- lung aus Buzim aa 7. d. M. nach Versprengung der Insur- genten zerstöct worden, Die siegreiche türkishe Truppe wurde jedoch alsbald durch eine von Brezovaca herbeigeeilte Insur- gentenabtheilung zum Rückzuge gezwungen.

Aus Pricdor vom 8. d. M. wird gemeldet, daß die meisten Insurgentencorps gegen die serbische Grenze hin abgezogen sind, um sih mit den serbishen Truppen zu vereinigen. Mit Aus- nahme einiger kleineren Banden, welche im Gebirge zwischen Novi-Priedor und Kozara hausen und das gewöhnlihe Räuber- handwerk 1reiben, ist das nördlihe Bosnien von Insurgenten fast gänzlich geräumt.

Unter den Türken herrscht große Bewegung. Alles, vom 17. bis zum 60. Jahre, stellt fch zur Vertheidigung des Reiches. Redifs und Askers (Reserven) eilen nah Tuzla, wahrscheinlich um der serbishen Armee in den Rücken zu fallen.

Ferner liegen der genannten Korrespoudenz aus Koftai- nica, 9. Juli, folgende Nachrichten aus Bosnien vor: „Die Insurgenten vom Kozara-Gebirge haben ihre Verstecke ver- lassen und einige Bewegungen ausgeführt, welhe mit Kämpfen verbunden waren. Tripko Amelits, roelher zwei Kanonen mit fich führt, hat die Kula von Avala cernirt und beschießt nun dieselbe. Vidoje Milanovits beseßte die Straße zwishen Petro- vac und Bihac und unterbriht auf diese Art die Verbindung zwischen diesen beiden wihtigen Städten. Golub cernirt Osftro- vica. Die Kämpfe, welche bei diesen Ortschaften vorfielen, waren ohne Belang.

Dagegen fanden im Vucjal- Gebirge ernftere Gefechte statt. Zwei Tabors Baschibozuks und 800 Mann Redifs griffen die Ceta des Djordje Jovanovits am 2. Juli an; es entspann sih ein heftiger Kampf, der nahezu acht Stunden dauerte und nit gerade glücklih für die Türken endigte, welhe 80 Mann an Todten und 140 an Verwundeten verloren. Aber von einem Erfolge der Insurgenten konnte eben so wenig die Rede fein, da dieselben froh waren, sich nur behaupten zu können. Die Insurgenten aus dem Motaica-Gebirge sind auf Befehl aus dem serbishen Lager nach Dervent und Odzack aufgebrochen, um in Nord-Bosnien zu operiren. Die Záhl dieser Aufständischen wird auf 2200 Mann angegeben.

In Türkish-Brod (Berbir) fand eine Zusammenkunft mehrerer Bosnier aus der Umgegend mit den von Hay- dar Effendi abgeshickten Vermitilern, den Begs Kapitano-

vits und Ljubonits, statt. Haydar ließ volle Gemeindeautonomie, Ersay aller Schäden, Steuerfreiheit für fünf Jahre versprechen und eine neue Verfassung in Ausficht stellen, welche weitgehende Rechte dem Volke. gewähren werde. Die Knezen verfügten fich zu den

Aufständischen, um denselben diese Propositionen zu überbringen

und dieselben zur Niederlegung der -Waffen zu bewegen. Sie kehrten jedoch alsbald unverrihteter Sache zurück. Die Insur- gentenchefs erklärten, kein Reht zu Unterhandlungen mehr zu haben; „jeßt seien fie nicht mehr s\elbständig und ihre Befehle lauten: zu kämpfen.“

Der türkische Divisionär Veli Pascha is aus Serajewo an. die Drina abgegangen. Er führte Verstärkungen nah Beljina.

Der „Augsb. Alg. Ztg.“ wird von der bosnischen Grenze vom 6, Juli berichtet: „Seit nahezu drei Wochen haben sih Die Insurgenten sowohl in Bosnien als in der Herze- gowina nicht einmal gerührt. Dies hatte wohl seine Bedeu- tung. Man wußte bereits, daß der Krieg zwischen Serbien und der Pforte gewiß sei; auch wußte man, daß ein Allianz- vertrag zwishen Serbien und Montenegro besteht, daß daher auch Montenegro in die Aktion treten werde. Und da man alles dies wußte, so \parte man die Kräfte und blieb ruhig, bis Serbien und Montenegro aufmarschiren würden. Jndessen ist die Lage der Jusurgenten in der Herzegowina auch in dieser Beziehung bei weitem günstiger als die der Insur- genten in Bosnien, Die Insurrektion in der Herzegowina grenzt unmittelbar an Montenegro, und Fürst Nikola konnte mit Muße die herzegowinischen Insurgenten organisiren, um gleich bei seinem Uebertritt über die Grenze dieselben \einen montenegrinishen Truppen einzureihen. Ganz anders it die Lage der Insurgenten in Bosnien. Diese find von Serbien ganz abgeschnitten, und so lange die serbishen Truppen das geräumige Terrain von der Drina bis zur Unna nicht erobern, kann eine Vereinigung mit der eigentlichen bosnishen Insurrektion nicht stattfinden.“

Aus Pera, 8. Juli, wird der „Allg. Ztg.“ berichtet: Der tunisishe General Rustem Pascha is hier ange- kommen, um dem Sultan im Namen des Bey von Tunis zu seiner Thronbesteigung Glück zu wünschen, Die Tabaks- regie der Hauptftadt ist nun definitiv aufgehoben und dafür das in den Provinzen bestehende System eingeführt, nah welchem die Tabaïsfabrikation der Privatindustrie überlassen ist. Dem- zufolge ladet eine amtlihe Anzeige die bisherigen Regie-Unter- nehmer ein, \sih bei der Regie zu melden, um die Bedingungen zu erfahren, unter welchen fie hier Fabriken anlegen können. Der bisherige türkishe Gesandte in Amerika, Hr. Blacque, ift zum Direktor des Preßbureaus ernannt; derselbe hat seine Wirksamkeit damit eröffnet, daß alle bis jezt unterdrückten oder \suspendirten Journale freigegeben find.

Laut Telegramm des „W. T. B.“ aus Salonichi i} das deutsche Mittelmeergeschwader heuie früh zur Uebung auf einige Tage in See gegangen.

Von Hrn. Heinrich Wallsce, den eine Depesche aus Semlin bereits für todt erklärt, erhält die „N. fr. Pr.“ das nachfolgende Telegramm: „Semlin, 11. Juli. Ich bin soeben mit gebundener Marschroute von Krusevac in Begleitung des mitverhafieten Hrn. Coutouly von Temps und Galli vom Na- tional hier eingetroffen. Das uns betreffende Gerücht ist wahr- \heinlich entstanden, weil wir von unserer Marschroute abge- wichen sind und die ftationsweisen Meldungen unterlassen haben.

Wie der „Messager de Vienne“ meldet, is in Paris ein Hülfscomité für die Verwundeten aus dem orienta- lishen Kriege mit Hülfscomités zu Brüssel, Bern und Wien gebildet worden. Dasselbe hat fich unter das Patronat der dis plomatischen internationalen Konvention von 1864 zur Verbesse- rung der Lage der verwundeten Krieger in den im Felde stehen=- den Heeren gestellt.

Amerika. New-York, 12. Iuli. Der Kaiser und die Kaiserin von Brasilien treten morgen an Bord des Cunarddampfers „Russia“ von New-York die Reise nah Europa an. Alarmirende Nachrichten über die Indianer übermittelt ein New-Yorker Kabeltelegramm der „Daily News“, Das= selbe meldet: „Die bisher freundlihen Ventres und Maudan- Indianer haben sich in einer Stärke von 3000 Mann den Sioux angeschlossen und andere Stämme drohen dem Beispiel zu folgen. Ein allgemeiner Indianerkrieg \{heint unvermeidlih zu sein. Es kursirt ein unbestätigtes Gerücht von der Niederlage und dem Tode des Generals Croock, welcher die Sioux nah der traurigen Niederlage des Generals Cusfter verfolgte.“

—- Die Legislatur von Maine hat an Stelle des zum Schaßtsekretär ernannten Hrn. Morrill, den früheren Sprecher des Repräsentantenhauses, Blaine, in den Senat der Union gewählt.

Afrika. Aegypten. Kairo, 14. Juli. (W. T. B.) Der Vertrag zwishen der ägyptischen Regierung und dem Syndikate der Bankhäuser für die Zahlung der Coupons der ägyptischen Anleihen if gestern unterzeihnet worden.

Die Nr. 53 des „Amtsblatts der Deutschen Reicha- Yost- und Telegraph?-nverwaltung" hat folgenden Inhalt: Verfügungen: vom_ 6. Juli 1876: Verbot der Beförderung von ge- münztem Golde, Silber, Juwelen u. \. w. in Briefpostsendungen nach Belgien; vom 8. Ju'i 1876: Briefe mit Werthangabe nah Krankreich und Algerien; vom 4. Juli 1876: Päckereisendungen nah Venlo und Oldenzaal.

Statistische Nachrichten.

Nach Mittheilung des statistischen Bureaus der Stadt Berlin find bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 2. Juli bis incl. 8, Juli cr. zur Anmeldung gekomwen: 270 Eheschließzungen, 891 Lebendgeborene, 29 Todtgeborene, §91 Sterbefälle.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Nach dem Monatrsbericht der Königlich preußi- schen Akademie der Wissenschaften zu Berlin lasen im April d. J. folgende Herren: Schrader, über das lautliche Shwan- ken im Assyrischen; Papadopulvs, Beiträge zur inschriftiichen Topo- graphie von Kleinasien; Rieß, über die neutralen Kämme der Holgtz- hen Maschine. Kronecker, Mittheilung; Hercher, Über die Geographie der homerijhen Flüsse; Hagen, über die gleihförmige Bewegung des Wassers; Peters, über die von Dr. Reinhold Buchholz in Westafrika gesammelten Fische; v. Martens, die von Prof. Dr. R. Buchholz in Westafrika gesammelten Land- und Süßwasser-Mollusken. \

Getverbe und Handel.

Aus dem Geschäftäkteciht der Magdeburg- Cs then- Halle-Leipziger Eisenbahn-Gesellschaft ergeben sih fol- gende Daten: Die Einnahmen auf der Stammbahn Magdebu: g- Leipzig betrugen insgesammt 9,498,144 #4, wovon 2,498,659 #6 auf den Personenverkehr, 6,990,655 #46 und 408,830 /( auf Extraordinaria entfallen; hierzu 456,793 4 Einnahme von Nordhausen-Nixei ergiebt in Summa 9,994,938 A4 Die Ausgaben für die Stammbahn be- trugen 4,849,852 6, woran die allgemeine Verwalturg mit 222,590 f,