1876 / 170 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 21 Jul 1876 18:00:01 GMT) scan diff

Kaiser, sowie dem Großherzog uvd der Großherzogin von Baden auf Schloß Mainau einen Besuch abgestattet. :

Hessen. Darmstadt, 19. Juli. Die Einnahmen aus dem Betrieb der hiesigen Münze sind, nah amtlicher Aufstellung, auf 205,700 /6 veranshlagt. Diesem Voranschlag liegt jedo die hôchfte Leistungs-Fähigkeit der drei im Gang befindlichen Präg Maschinen zu Grunde. Mit Rücksiht darauf, daß auch Unterbrehungen in dem Betrieb der Maschinen vorkommen können, und in Betracht des Umstandes, daß die Festsezung der Ausmünzungen nah den Münz-Metallen, Sorten und Quanti- täten nicht von den Bistimmungen der Großherzoglihen Re- gierung abhängt, rehnet die leßtere als sihere Einnahme nur 150,000 6, welcher Einnahme die Ausmünzung von etwa 9,000 000 in Gold, 10,000,000 /4 in Silber, 300,000 M in Nickel und 60,000 6 in Kupfer zu Grunde liegt.

Sachsen - Teimar - Eisenach. Wéimar, 20. Juli, Der Großherzog bereist gegenwärtig den Neustädter Kreis des Großherzogthums.

Oldenburg. Oldenburg, 21. Juli. Das Geset- blatt veröffentliht den Landtagsabs\cchied für den XIX. Land- tag des Großherzogthums Oldenburg, 1876 Juli 11. Nach demselben wird mit Beziehung auf den vom Landtage geäußerten Wunsch einer weniger kostspieligen Organisation der Behörden im Fürstenthum Birkenfeld bei der bevorstehenden neuen Organisation der Gerichte der Kostenpunkt Berücksichtigung finden. Ob eine weitere Vereinfahung der Berwaltung thunlich ist, wird erwogen werden. Eine Hinausschiebung des Termins für das Jnkrafttreten des Gesezes vom 3. April d. I. über die Ausführung der Zwangsvollstrekungen durch Pfändung ist für angemessen niht erahtet worden, da dur eine solche nur einzelne Härten beseitigt, kcineswegs aber alle Schwierigkeiten aufgehoben worden sein würden, überdies dadurh die Durh- führung der Hypothekenreform verzögert worden wäre. In Be- tref des Antrages des Landtages wegen Vorlegung des Ent- wurfs eines Gesetzes, betreffend die politishen Rechte der Alt- katholiken, ist weitere Entschließung vorbehalten. Der Antrag des Landtages wegen Vorlegung eines Gesezentwurfes, be- treffend die Förderung der Holzkultur auf genossenschaftlichem Wege, wird in Erwägung genommen werden.

Defterreih-Ungarn. Wien, 19. Iuli. Der Kaiser wird sich Montag, den 24. d. M,, in das Lager bei Bru begeben.

-— Die „Wiener Abendpost“ schreibt: Heute begrüßt Se, Majestät der Kaiser und König den Deutschen Kaiser als Allerhöhstseinen Gast auf öfterreichishem Boden. Obwohl diese zwanglose Begegnung, welhe alljährlih stattzufinden pflegt, wenn Kaiser Wilhelm seine Badekur in Gastein beginnt oder beendet, selbstverständlih jedes eigentlih politishen Cha- rakters entbehrt, so wird doch von der Presse lebhaft hervor- gehoben, daß das seit der Reichstädrer Entrevue so schr gestei- gerte Verirauen in eine friedlihe Gntwickelung der Verhältnisse und eine den Bedürfnissen und Interessen Europas allseitig entsprehende Lösung der \{chwebenden Fragen dur diese neuerlize Monarchen-Begegnung nur bekräftigt werden könne.

Die „Augsb. Allg. balt brahte dieser Tage von hier die

telegraphishe Meldung, daß das österreichishe Kriegs-Ministerium die Aufstellung größerer Truppencorps in Graz beobsihtige und die niht wehrpflihtigen Aerzte cufgefordert worden seien, fich zu eventueller Dienstleistung in der Landwehr für die Dauer des Bedarfs zu melden. Das „Fremdenblatt“ il in der Lage, den ersten Theil dieser Nachricht, die Meldung von Truppenkon - centrationen bei Graz, für vollständig unbegründet und aus der Luft gegriffen zu erklären. Weder ist eine derartige Maßregel in Ausficht genommen, noch war bisher eine Veranlassung vorhanden, dieselbe irgendwie in Er- wägung zu ziehen. Was den zweiten Theil der citirten Depesche, bezüglih der nihtwehrpflihtigen Aerzte betrifft, so wird damit eigentlih nichts Neues mitgetheilt, da eine solhe Evidenzhaltung selbstverständlich allezeit, auch in den Perioden des tiefsten Friedens, stattfinden muß.

In Süd-Ungarn werden, der „Presse“ zufolge, die gerihtlihen Untersuhungen anläßlih der bekannten Klagen über omladinistishe Umtriebe mit großem Eifer betrieben; fie \{heinen jedoch nicht jene großartigen Enthüllungen zu Tage zu fördern, welche die alarmirenden Zeitungsberichte erwarten ließen. So wurden in Werschey, das als einer der Hauptherde jener Umtriebe bezeihnet worden war, bereits über 60 Personen, die insgesammt der Betheiligung an der Agitation verdähtig waren, von dem Untersuhungsrichter vernommen; gleichwohl haben fich, wie ein ungarishes Blatt berichtet, bezüglih keiner derselben gravirende Anhaltspunkte ergeben.

Salzburg, 19. Juli. (W. 3.) Der Kaiser Franz Joseph is um 2 Uhr 33 Minuten Morgens in Beglei- tung des General - Adjutanten Baron Mondel und Ritter v. Beck hier eingetroffen. Obwohl jeder Cmpfang unter- sagt war, war die Stadt festlich beflagg. Um 7 Uhr früh fand unter persönlihem Kommando des Kaisers bei heftigem Regen eine Feldübung der hiesigen Garnison statt. Um 11 Uhr begannen die Audienzen, welhe 2} Stunden währten. Nah denselben besichtigten Se. Majestät das Schlahthaus, das städtische Museum, die Schulgebäude und die Gewerbeshulaus- stellung, über welhe der Kaiser sich sehr befriedigt aussprach. Um 4 Uhr fand Hoftafel statt.

Großbritannien und Jrland. London, 19. Juli. Gestern früh kam der Großherzog von Mecklenburg- Strel iy vom Kontinente her in London an, um Mittag die Königin von Griechenland. Ihre Majestää ward am Charing-Croß-Bahnhofe vom Könige, sowie von dem Prinzen und der Prinzessin von Wales empfangen.

Im Untechause wurde außer den \{hon gemeldeten Verhandlungen durch Mr. JIenkins die Kesselexplosion auf dem „Thun derer“ zur Sprache gebraht. Der Marin e- Minister Ward Hunt gab zu, daß es dem Publikum äußerst erwünscht sein müsse, über die Ursahe des Unglücksfall etwas sicheres zu erfahren, gegenwärtig sei es aber noch niht über Konjekturen und Vermuthungen dabei hinausgekommen, so daß er keine Aufklärung ertheilen könne und sih au verpflichtet halte, damit zu warten, bis die Leichenshau vorgenommen sei. In Beantwortung Mr. Yorke's fügte der Minister no hinzu, daß mit seiner Genehmigung die Sammellifte im Vorzimmer des Hauses ausgelegt sei. Die Sammlungen seien zur Abhülfe der unmittelbaren Bedürfnisse der Familien der Hinterbliebenen bestimmt, - sollten aber nicht etwa dazu dienen, die Regierung ihrer Pflicht der Verforge für dieselben zu entbinden,

_— Durch die Auseinandersezungen des Premier- Ministers Disraeli über die aus Bulgarien gemeldeten Grausamkeiten türkisher Truppen erklären \ih die meisten Blät- ter befriedigt. Der Antrag Lord Denbighs im Oberhause, daß sfih England von der Deklaration von Paris zurück- zichen möge, wird ebenso wie von Lord Derby, auch in der Presse durch „Daily Telegraph“ und „Daily News“ für durchaus ungeeignet erklärt.

__— Lord Henry Lennox, melcher sein Amt als Bauten- Minister niedergelegt hat; um sich vollständig frei wegen seiner Theilnahme an der Verwaltung der Lissaboner Pferdeeisenbahn- gesellschaft vertheidigen zu können, hat seit dreißig Iahren dem Unterhause angehört.

Der „Times“ - Korrespondent in Calcutta mat die Mittheilung, daß die indishe Regierung ernstlih daran denke, Eingeborene vielfach anzustellen. Sir R. Temple sei angewiesen, eine Liste derjenigen Aemter anzufertigen, die von Einheimischen bekleidet werden könnten. Yan glaube, daß die Liste sowohl wichtige Exekutiv- wie Gerihtsämter-Veränderungen einshließen werde.

Frankreich. Paris, 19. Juli. Im Senat wurde, wie bereits gemeldet, gestern die Debatte über die Vorlage des Unterrihts-Ministers, durh welhe die Verleihung der Universitätsgrade dem Staate zurückgegeben werden soll, eröffnet. Der Prüfungsaus\huß beantragte die Verwerfung der Vorlage und die Aufrcchterhaltung des in der Nationalversamm- lung auf Dupanloups Betrieb durhgegangenen Gesehes. Der Unterrihts-Minister wünsczt, daß die Dringlichkeit erklärt werde.

Die Gröcterung begaun mit einer Rede des Senators Challemel- Lacour, der erklärt, er habe sih lange besonnen, ob er das Wort er- greifen folle, weil er gefürcht.t habe, ein so wichtiges Gescß den Vor- urtheilen preiezugeben, die durch seine politischen Üeberzeugungen her- vorgerufen werden könnten; aber er überwinde diese Befürchtungen aus Achtung vor dem Senate, Man habe, fuhr der Redner fort, durh den Eifer der Gegner der Vorlage und durch einen Petitions- sturm gegen denselben der Regierung Schwierigkeiten machen und die- selbe von ihrem Vorhaben absch:ecken wollen; aber die Regierun habe sih nit abschrecken lassen, und sie habe wohl daran gethan, da ste fest geblieben sei; denn sie habe weder das Recht des Staates aufgeben, noch Täuschungen Vorschub leihen ì ücfen. Der Redner ent- wickelt hierauf, daß dur diesen Geseßeniwurf weder die Freiheit des Unterrichts überhaupt bedroht, noch der Univexrsitätsunterriht herab- geseßt werde; das Geseß Waddington verlange nur zurück, was der Staat nicht aufgeben könne, ohne eine Unklugheit zu begehen und et- was Gefährliches zuzugestehen, Die katholische Kirche wolle die Hand auf den Unterricht legen und glaube sich mit dieser Würde dur ein absolutes Recht bekleidet. Redner wies auf einen Ausspruch des Paters Martini hin, der da laute: „Die Kirhe wird niemals auf das Recht verzichten, die Erziehung derer, welche die Taufe emyfan- gen haben, zu leiten." Die katholische Kirhe wolle diese Lehrsäße in Frankreich zur Geltung bringen, indem sie dem Staat ein Recht entziehen wolle, welches ein durhaus öffentlihes Interesse habe. Redner will keineswegs die Universität vertheidigen, welche man an- greife, er will jedoch darauf aufmerksam machen, daß man si persönlicher Theorien als Waffen gegen dieselbe bediene, Wenn man vom Materialismus rede, der durch die Universität befördert werde; so sei niht zu vergessen, daß derselbe aas den ersten Jahr- hunderten des Christenthbuns herrühre, daß man ihn bei dzn Patres des 18. Jahrhunderts finde und daß alle Zöglinge ver Jejuiten Materialisten gewesen seien. Wenn in unseren Tagen die materialiftishen Jdeen wieder um sih griffen, so lägen dieser Erscheinung wahrsceinlich allgemeinere Ursachen ¿u Grunde: und in der That seien unmittelbar nach dem Siaatsftreiche diese An- fichten, die lange wié verschwurden zu sein \{hienen, wieder auf: getaucht und nähmen eine angriffêmäßige Haltung ein. Es liege hier die Frage nahe, ob diefe Erscheinung nicht die Folge davon wäre, daß die Kirche \ich hastig den Geschicken einer Regierung anschloß, welhe alle Rechte des Volkes mit Füßen trat. Uebri- gens habe sich auch die Universität niemals zum Echo dieser Lehren gemacht. Daher hätten troß aller Angriffe auf die Univzrsität alle Regierungen Frankreichs der Reihe nach, und selbst diejenigen, die derselben feindlich waren, sich \chließli& immer genöthigt gesehen, die

Universität zu s{chügen, in welcher nicht die Regierung als solche, wohl aber die Ideen, die den französischen Senatseinrichtungen zu Grunde liegen, vertreten seien, Eben dethalb habe das Kabinet die Pflich-, ihr den s{hütenden Arm zu leihen. Redner wies hicrauf bin auf di: Anstrengungen derer, die alle, welche die Jdeen der Neuzeit mit den religiösen Meinungen zu versöhnen suchen, Liberale neanen und welhe jeden ohne S verfolgen, der modernen Jdeen Rechnung trage: Alles sei um]oust geblieben; der Libera.ismus der Cocque- ville und Montalembert sei als die große Keßerei des neurzehn- ten Jahrhunderts gebrandmarkt worden. Die Verdammung dev liberalen Ideen stehe in allen Schriftstücken, die von Rom autgehen. Redner liest als Beispiel das Schre.ben des Papstes an den Bischof von Quimper vor, worin der Liberalismus speziell als Feind der Kirche bezeichnet wird. Der Papst verdamme auch den katholischen Liberalismus und sage in einem Briefe, daß er ihn nicht ein Mal, sondern vierzig Mal verdamme. Ueb -igens, fuhr Redner fort, zandle es fih bei dem vorliegenden Geseßentwurfe gar nicht um einen Kampf zwischen den Freidenkern und der Kirche, sondern einzig und allein um den Kampf zwishen den liberalen Katholiken und den Jesuiten; Redner jedoch hofft, daß \chließlich die Ideen, welche Frankreih theuer seien, den Sieg behalten wer- den. Zu dem Gesehentwurf übergehend, tadelt Redner das System dec gemischten Jury, welches ein unzeitiger und mißgestalteter D des belgischen Syttem® sei, das in Mißactuug gerathen sei, selbst yon Kaiholiken niht mehr gutg:heißen werde und welches dazu ge- führt habe, daß die Studien in Belgien schr gesunk.n seien. Redner fragt, welchen Segen man für Fraukreichh von dem Beispiel erwarte, das voi Auslande gegeben werde. Redner spriht den Wunsch aus, daß das Universitätésystem geschüßt und aufrecht gehalten werde, und schließt mit den Worten: „Wenn i voni revolutionären Geiste ge- trieben wäre, so würde ich die Bewegurg begünstigen, die sih gegen unsere Staatseinrichtungen kund giebt.“

Darauf bemerkte der frühere Unterrichts-Minister Wallon, er ebe zu, daß die Freie des Unterrichts und die Verleihung der Grade ehr verschiedene Dinge seien; aber er findet, daß sie innig miteinander

verbunden seien, und vertheidigt daher die gemischte Jury, bekämpft sodann die Auffassungen von Challemel-Lacour und findet \ließlich, daß das Recht des Staates dadurch keinen Schaden leiden werde, wenn das Ministerium die Mitglieder der Jury ernenne. Der Redner \{loß: „Glauben Sie denn, daß die Bischöfe nit der konservativen Partei angehören? Wir wollen den Frieden, Mit dem Geseße von 1875 muß ein Versuch gemacht werden, ehe man es verdammt. Warten Sie nur ab; vielleiht wird man dann {a Ursache finden, es anzugreifen, Jh verlange, daß man die Lö'ung dieser Frage auf das nächste Jahr verschiebe. Wenn die Regierung darauf nicht eingeht, so werde ih die Verwerfung der Vorlage fordern.“

In der heutigen Sißung des Senats antwortete zunächst Graf Foucher-Carrei! auf diese Rede, indem er die Regierung gegen den Vorwurf der Shwäche vertheidigte, die Hoffnung aussprach, daß; die Regierung sih selber zu vertheidigen wissen werde, und ver- sicherte, weder die Minister noch die Anhänger von Waddingtons Gesetzentwurf seien Feinde der Freiheit des Unterrichts; sie hätten nur die Wahrung des Rechts, das dem Staate zustehe, im Auge, Der Redner bekämpft sodann die Ansicht Wallons über das Gelb von 1875, und zeigt, daß die Verleihung der Universitätsgrade von der Re- gierung nicht aufgegeben werden dürfe, da sie eines der Vorre(hte der Staatss gewalt, eine Art gesellschaftlichen Rechts sei. Bei vielen Leuten handle es

hier aver weniger um die Freiheit des Unterrichts, als um diè

Breiheit des Parteizwanges, aber die wahren Freunde des Landes

müßten die Fragë ern nehmen und ivlinsch:.", daß Frankreich Preußen nochahme, welches nach der Schlacht bei Jena sich von seinen Nieder- lagen durch die Mannhaftigkeit seiner Jugenderz.ehung erhóben habe; dieses Ergebniß erwartet Redner nit von den fueien Universitäten; auf die wahrscheinlichen Ergebnisse ihres Unterrichts jei das arabische Sprüchwort anzuwenden : „Man sieht wohl die Mühle, aber nicht das Mehl!“ Der Redner schließt mit der Erklärung, er werde für die Vorlage stimmen. : Darauf erhielt der Bishof Dupanlo up das Wort. Seite Aus- führungen gipfelten in den Säßen: „Das Geseß von 1875 stifte Srieden zwischen den Rechten des Staats und den Rechten der Ja- milienväter. Das Waddingtonsche Geseh sei der Krieg. Wir wolleu den Frieden, aber der Friede muß auf Freiheit und Gerechtigkeit ge- gründet fein, sonst können wir ihn nicht annehmen.“ Nachdem die Kammer während einiger Minuten eine e hatte eintreten lassen, ergriff Jules Simon das ort, um der Rede Dupanloups einige Sätze entgegenzustellen.

Derselbe {ließt si den friedliebenden Versicherungen des Bischofs Dupanloup vollständig an. Auch er sei für den Frieden und halte alle die, welche ohne dringende Nothwendigkeit Wühlereien treiben, für shuldvo"l. Er rechtfertigte das Eingreifen de3 Staates und erklärt dabei, daß derselbe darum noch nicht atheistisch sei. Redner selbst sei keineswegs ein Feind des katholischen Glaubens, der in seinen Reihen so viele große Denker zähle. Wenn man Gesetze gegen die Freiheit der katholishen Religion machen wolle, jo werde er der Erste sein, welcher diese Freiheit vertheidigen werde. „Wir Alle sind für die Glaubens- freiheit! Die Frage steht hier aber ganz anders! Man will die Rechte des Staates an sich reißen. Das alte Regime, ob- gleich es eine Staatsreligion anerkannte, hätte das nimmer- mehr geduldet. _ Bosfsuet trat für die Rehte des Staates ein.“ Redner führt weiter aus, daß die Minister nah den wahren Prinzipien gehandelt haben, und zum Heile der katholischen Kirche wünscht er, daß dieselbe sich nicht zu viel Uebergriffe erlaube. Dies sei nit der Weg, der zum Frieden führe. Simon schließt mit dem Zurufe: „Wir sind ein religiöses, unabhängiges Laienvolk ; nie werden wir das Prinzip der bürgerlichen Freiheit aufgeben, und wir glauben nur der Herr\chaft des Gesehes!“ (Großer Beifall. Redner wird beolûckwünsht, als er auf seinen Siß zurückehrt.) Die Berathung wird um 6{ Uhr auf morgen vertagt. i

_ Versailles, 20. Iuli. (W. T. B.) In der heutigen Sizung des Senats wurde die Berathung des Gesetzentwurfs über die Verleihung der akademischen Grade fortgeseßt. Die Senatoren Laboulaye und Herzog von Broglie \prachen gegen die Vorlage, welche der Unterrihts- Minister Waddington vertheidigte. Die Berathung wird morgen fortgesetzt werden.

Jtalien. Rom, 18. Juli. Der armenishe Patriarh Hassun hat, den „Ital. Nachr.“ zufolge, dem päpstlichen Stuhle einige Vorschläge der türkischen Regierung zur Beilegung desStreites, welcher unter der Regierung des Sultans Abdul -Aziz ausgebrohe! war, unterbreiten lassen. Eine Kardinal- Kongregation is beauftragt worden, diese Vorschläge möglichst bald zu prüfen und darüber Bericht abzustatten.

Tür. Die heute vorliegenden Telegramme vom Kriegs\chauplaze melden:

Konstantinopel, 21. Juli. (W. T. B.) Nath einer der Regierung zugegangenen Depesche Osman Paschas haben an dem Kampfe bei Sait ch ar 25,000 Serben theilgenommen. Das am Dienstag bei Izwor (s. u.) stattgehabte Gefeht endete mit cinem Siege der Türken.

Belgrad, 20. Juli. (W. T. B.) Der Regierung ist folgende Meldung vom Kriegs\hauplatze zugegangen: Gestern fand zwischen der serbischen Abtheilung unter Ducic und regu- lâren türkishen Truppen, welche etwa. 4000 Mann stark waren, zwischeu den Flüssen Lim (Nebenfluß der Drina) und Uwag (serbisher Grenzfluß nach Südwesten, Nebenfluß des Lim) ein sfiebenstündiger Kampf statt. Die Tüiken wurden in die Flucht geshlagen und bis Novawaro#\ch (zwischen den ge- nannten Flüssen) verfolgt. Die türkishen Truppen vor Lju- bowja (südlih von Zwornick an der Drina) find durch das Feuer der serbischen Geshüße gezwungen worden, die Beschießung dieses Ortes einzustellen. Die serbishen Truppen befestigen Klein-Zwornik.

Wien, 20. Juli. (W. T. B.) Nach ciner Meldung der „Politischen Korrespondenz“ aus der Herzegowina ist in Folge

der Zusammenziehung starker türkischer Streitkräfte oberhalb von

Mostar und des Widerstandes, welchen die Montenegriner bei den Blockhäusern vor Nevesinje und Metochia finden, die Gefahr eines Angriffs der Montenegriner auf Mostar vorläufig beseitigt, Die Garnison von Trebinje is durch zwei Bataillone verstärkt und alles für einen feindlihen Angriff vor- bereitet worden.

Veber das Gefecht bei Veliki Izvor (ôstlihe Grenz- stadt in Serbien am Timok) erhält die „N. fr. Pr.“ von ihrem Spezialklorrespondenten aus Widdin unter dem 14. Zuli folgenden Bericht:

Während die tüukishen Truppen siegreich um den Besitz *»r Stellung bei Gynzowa kämpften, bereitete die bei Zajcar konzen- trirte und wahrscheinlich verstärkte Division Ljeshanins den Angriff auf die türkische Stellung bei Jzvor vor, den sie auch gestezn, den 13, zur Ausführung brachte.

Am 12. Morgens waren in der Stellung hei Jzvor von türkischer Seite 18 Bataillone Infanterie und 12 Escadronen Kavallerie, dann etwa 1000 Baschibozuks und San ver- eint, Ali Pascha ftand mit 24 Bataillonen und 2 Batterien bei Adlié; Achmed Pascha, mit 2 Bataillonen uud 3 Geschüßen, befand sich auf dem Marsche nah Ycnsova. Am Morgen des 12: hatte die Division Ljeshanin den Timok in 2 Kolonnen mit je 4000 Mann ziemlich unbemerkt einige tausend Schritt ober- und unterhalb Zajcar mittelst Kähnen und provisorischen Brücken über- schritten. Die linke Kolonne überseßte den Fluß nächst Kostel und erhielt die Direktion gegen die rehte Flanke der türkischen Auffstellunng Das Terrain, welches diese Kolonne vom rechten Üfer bis zur Er- reichung des Zieles zu durchschreiten hatte, is bergia, größtentheils bewaldet und gestattet eine gegen Feuerwickung und Einsicht ziemlich gedeckte Annäherung. Die eigene Feuerwi:kung aber, namentlih jene der Artillerie, ist dadurh wesentlich beschränkt. ;

Die rechte Flügelcolonne der Serben suchte die Straße von Adlié zu gewinnen und hatte von dieser aus gegen die linke Flanke der Türken zu drücken uud für den Fall des feindlichen Rückzuges Adlié früher als der Gezner zu erreichen, um diesem den Rückzug U EL, Auch hier bietet das Terrain ziemli die gleichen Vor- und Nachtheile wie äm entgegengesezten Flügel. Um die Aufmerksamkeit der Türken von diesen Umgehungs- Kolonnen abzulenken, hatten 1_ bis 2 Bataillone Jäger, circa 1000 Maun, die Front der Stellung anzugreifen, oder besser

esagt, in diejer den Gegner festzuhalten. Diese Aufgabe der äger wurde dur ein lebhaftes, von einer im Thale placirten ser- bischen Batterie eröffnetes Feuer unterstüßt. Der hier in wenigen Worten \kizzirte Ang1iffsplan, welher im Widerspruch mit den Grundsäßen der Theorie und der Praxis steht, hätte die Division Lieschanin in eine nicht beneidenswerthe Situation gebracht, wenn die serbischen Truppen sich nicht mit einer besonderen, auch von den Türken zugestandenen und anerkannten Bravour und Todesverachtung geschlagen hätten oder wenn der Sieg von den Kürken gehörig aus- gebeutet worden wäre.

Gegen 9 Uhr zu, nachdem der Angriff in der Front bereits ein- geleitet war, trafen “die Spitzen dex Umgehungs-Kolonnen auf die

Flanken der türkishen Aufstellung. Öômäi Pascha verfügte, der Situation entsprechend, ein Abs{hwenken der Flügel gegen die An- grifféfronten. Das {wer gangbare Terrain ermöglichte nur langsame Fortschritte, und daher kam es auch, daß die Serben erst nach einem zehnstündigen Kampfe wieder über den Timok zurückgedrängt wurden, worauf sie ihre früher innegehabte Aufstellung beseßten. Die Schil- derungen der Details des Kampfes muß ih übergehen, da mir dies- Lezüglih nur wen verläßlihe Mittheilungen zukamen. :

Nach einem heute hier eingetroffenen telegraphischen Berichte Osman Pascha's haben die Serben 600 Todte und über 700 Ver- wundete auf dem Kampfplaße gelassen. Unter Ersteren befinden sih zwei höhere Offiziere. Aber auch die Verluste der Türken dürften bedeutend gewesen sein, wiewohl genaue Angaben bis zur Stunde fehlen. i

Des Fürsten Milan Hauptquartier befindet fi, der „Cöln, Ztg.“ zufolge, noch immer in Paratsch in in Ser- bien (nördlih von dem Zusammenfluß der \erbishen und bul- garischen Morawa), wohin sfich General Tschernajeff einen um

den anderen Tag zum Kriegsrath begiebt. Ueber den Gesundheitszustand des Sultans

treffen aus Konstantinopel beunruhigende Nachrichten ein. In einem Telegramm des „Standard“ aus! Konstantinopel wird gesagt, des Sultans geshwächhte Konstitution habe nie den Stoß verwinden können, der ihm durch den Selbstmord seines Oheims und den Mord Hussein Avni's gegeben wurde. Einem Tele- gramm der „Times“ aus Wien zufolge, wäre des {hlimmen Gesundheitszustandes des Sultans wegen auch die anstrengende Ceremonie der Shwertumgürtung verschoben worden.

Der heut eingegangenen „Turquie“ vom 14. Juli ent- nehmen wir folgende Nachrichten:

Nach den offiziellen Listen betrugen die bis jeut einge- gangenen Sammlungen 922,625 Piaster (500 Piaster = 90 #6) Das Corps der freiwilligen Softas is jet voll- ständig organisirt; es besteht aus 3—4000 Studirenden. Das Seraskerat hat ihnen Waffen und Kleidung geliefert und wird M unter dem Kommando des Ulema Salim zur Grenze \chiden.

E Die „Pol. Corr.“ meldet über die Freiwilligen- werbungen aus Konstantinopel, 14. Juli:

„Durch die fortwährenden Anwerbungen bietet Stambul nach wie vor den Anblick einer außerordentlichen Lebhaftigkeit. Ueberall sieht man Werbebanner aufgepflarnzt. Der Centralpunkt für die Werbungen ijt der Bajazidplaß. Gestern waren winde- ftens 40,000 Menschen da versammelt. In der Straße, welche zu dem Kriegs - Ministerium führt, begegnet man nur Fahnenträgern, Freiwilligen - Abtheilungen in den aben- teuerlidsten Kostümen und Musikbandev, welhe Schlachtmusik intoniren. Bis gestern Abends waren 25,000 Freiwillige angeworbe-, das Corps der Softas nicht mit. eingerechnet, welches fih 4.60 Mann stark is und von dem Ulema Salim Effendi befehligt wird. Alle diese Freiwilligen werden bei Beikos militärish organisirt, equi- pirt und von Offizieren ter regulären Armee exerzirt werden. Vor 14 Tagen dürften sie kaum nah dem Kriegsshauplaßze abgehen.“

Die „Allg. Ztg.“ erhält aus Pera, 15. Juli, nach sehr zuverlässigen Quellen folgende Daten über die Truppenmacht, welche die Pforte in Rumelien bis jetzt konzentrirt hat. An der serbishen Grenze befinden sh 4 Corps, und zwar in Nis, Widdin, Bosnien und Novibazar. Das erste und flärkste be- steht aus 57 Bataillonen, das zweite aus 25, das dritte aus 45 und das vierte aus 35 Bataillonen. Jedes dieser Bataillone Yat einen Effektivstand von 700 Mann, also besteht die In- fanterie aus 109,900 Mann; Der Stand der Artillerie und der Kavallerie, welcher diesen Corps beigegeben is, beläuft sih auf 15,000 Pferde. Außerdem wird die Höhe der bewaffneten Macht in Albanish-Scutari (unter Derwish Pascha und Abdi Pascha, die nunmehr eingetroffen find) und in der Herzegowina auf 40,000 Mann angeschlagen. Die Totalstärke der 5 Corps beläuft fich also auf 165,000 Mann. Die Einreihung der „Freiwilligen“ wird in ziemlich großen Verhältnissen fortgesezt, und an einem der leßten Tage wurden in Konstantinopel allein 5000 einge- reiht. Die Gesammtzahl übersteigt {hon jeßt 40,000 Köpfe. Darunter befinden fih 10,000 t\{erke}sische Reiter. Die Zahl der bosnishen und albanesishen Freiwilligen, welche \chon: jeÿt unter den Waffen stehen, wird auf 30,000 Köpfe angegeben, und es ift die Aufnahme noch lange nicht abgeschlossen. Gleich- R wird das driite Aufgebot der Redifs unter die Fahnen gerufen.

Numänien. Bukarest, 21. Iuli. (W. T. B.) Der Senat hat den Kriegs-Minister auf dessen Verlangen ermäch- tigt, je nah Bedürfniß die Reserven der zweiten Territorial- Divifion unter die Waffen zu rufen. Der Finanz- Minister hat eine Vorlage eingebracht betreffend die Aus pr - gung von Goldmünzen.

21. Juli. (W. T. B) Die Deputirtenkammer nahm in ihrer heutigen Sigung die Thronadresse an, welche fich in Klagen über das frühere Ministerium er,eht und die Zufriedenheit des Landes mit dem gegenwärtigen Ministerium konstatirt. Zugleich \priht dieselbe die Hoffnung auf eine neue Aera des gegensatigen Vertrauens, der Freiheit und Gerechtig- keit aus. Bezüglih der auswärtigen Politik hält die Thronadresse die Neutralität für ein Gebot der Verträge und der geographishen Lage Rumäniens, erwartet aber troßdem eine Erledigung aller Reklamationen, welche die rumänische Regierung zu den verschiedenen Zeiten erhoben habe.

Das bereits erwähnte Memoire an die Pforte, 12 Seiten klein Folio im Druck umfassend, führt ‘den Titel: „Mémoire con- cernant les questions dont la sólution intéresse à un haut degré la Roumanie dans ses rapports avec la Sublime Porte“ und enthält folgende fieben Forderungen: 1) Reconnaissance de l’indivi- dualité de l’état roumain et de s0n nom historique. 2) Re- vendication pour l’agent de Ronmauie de son admission dans le Corps diplomatique. 3) Situation des Roumains de passage ou établis en Turquie, Es wird verlangt, daß die hohe Pforte die rumänischen Unterthanen, welhe fich zeit- weise in der Türkei aufhalten, unter der Gerichts- barkeit des rumänishen Diplomat - Agenten in Konstan- tinopel belasse und niht, wie an mehreren Beispielen gezeigt wird, sie als direkte Unterthanen behandele, 4) Violatioón du territoire roumain et nécessité d'une nouvelle délimitation des îles de Danube. Die Pariser Konferenz hatte \sich (im Pro- tokoll vom 6. Januar 1857) nur über die Inseln im Donau- delta ausgesprochen, hinsichtlih der übrigen Donauinseln ist die Grenze, zwischen Rumänien und der Türkei Streitigkeiten unter- worfen, deren definitive Beseitigung dur feste Grenzregulirung verlangt wird. 5) Néceszité de conventions de commerce, d’extradition, postale et télégraphique. 6) Passeport roumain, 7) Possession injuste du Delta du Danube et con- séquences du trace fait parsuite du protocole de 6 Janvier 1857, concernant la ligne frontière entre la Roumanie et la Turquie. -Gin Protokoll der Pariser Konferenz vom 6. Januar 1857 habe, entgegen dem Artikel 21 des Pariser Vertrages von 1856, die Inseln und das gesammte

Donaüd:lta dée Türkei zügéwt?esen. Anführung boi Unzuläng-

lihkeiten, die sich daraus ergäben, namentlih bezüg!ih der Fischergemeinde Wilkov, und Verlangen ciner neuen GrenzöegU- lirung, sei es auch nur im Sinne der Vorschläge der europäischen Donaukommission.

Nufßland und Polen. St. Petersburg, 19. Juli. Se. Majestät der Kaiser hat folzende, vom „Reg.-Anz.“ ver- öffentlihte Bestimmung über den Gebrauch der russi- \hen Sprache beim gerichtlichen Verfahren in Polen genehmigt: 1) Bei der Untersuchung der Civil- und Kriminal- sâlle wird bei den Gmyne (Amts-) Gerichtshöfen der Gebrauch der der örtlihen Bewohnerschaft vertrauten Sprahe in dem Falle zu gestatten sein, wo die streitenden Parteien der russischen unkundig sein sollten. Aber selbst unter diesen Bedingungen sollen nach den im Art. 241 des Reglements vom 19. Februar 1875 vorgeschriebenen Bestimmungen alle Verfügungen, Ent- scheidungen und \chriftlihe Aïten, die vom Tribunal ausgehen, in russisher Sprahe abgefaßt werden. 2) In den Familien- räthen unter dem Vorfiß der Friedensrihter und den Fallisse- ments-Syndikaten haben die Mitglieder, wenn sie niht rüffis{ch verstehen, das Recht, in einer anderen Sprache zu berathen, mit der Beschränkung jedoch, daß die Urtheile und Entscheidungen russisch abgefaßt und wo möglich von einer Uebersetzung begleitet werden. 3) Die im §. 3 der Bestimmun- gen über das Notariat vom 19. Februar 1875 erwähnten Privat- akte, die bestimmt sind, vom Friedensrichter oder einem Amtsgericht legalisirt zu werden, können in der Lokalsprache abgefaßt werden; in Streitsällen jedoch müssen diese Akte dem Tribunal mit einer ordnungsmäßig legalifirten russishen Uebersekung vorgelegt wer- den. 4) Diejenigen Individuen, welche berufen sind, notarielle Akte aufzunehmen, sind autorifirt, außer dem russischen Text noch eine in der lokalen Sprache abgefaßte Schrift anzunehmen, in- dem sie die Verantwortlichkeit für die Uebersezung tragen. Der russische Text soll als authen!isch angesehen werden. :

Zur Abschaffung der öffentlihen Urtheils- verkündigung bemerkt der „Ssud. W.“: Von den Geseh- gebungen aller Länder ist das Mißliche d¿r öffentlihen Exekution der Körper- oder Todesstrafen erkannt worden. Mit der Ab- \hafung der Todez3- und der Körperstrafe verschwand auch in Rußland die öffentliche Exekution. Im Gebrauch verblieb aber bisher noch die öffentlihe Verkündigung des Urtheils in Sachen, in denen die Strafe mit Verlust aller Standesrehte und Ver- \hickung nah Sibirien zu Zwangsarbeit oder zur Ansiedelung verbunden war. Diese öffentlihe Verkündigung des Urtheils war einigermaßen durhch die Geseße vom 20, November 1864 im 8. 963 des Kriminalprozesses geregelt worden. Wie furhtbar aber diese Prozedur für den Verurtheilten sein muß, der auf einem {warzen Karren und in Arrestantenkleidern, mit einer Aufschrist auf der Brust, welhe das begangene Verbrechen be- zeichnet, durch die Stadt nah dem Richtplag geführt und hier auf 10 Minuten am Schandpfahl auf dem Schaffot ausgestellt wird, beweisen die häufigen Bitten der Verurtheilten, fie von dieser Formalität zu befreien. Der „Golos“ er- fährt nun, daß in neuerer Zeit der Justiz-Minister mit dem Antrage um Aufhebung sowohl der öffent- lihen Exekution der Todesstrafe in den seltenen Fällen, für welche sie noch besteht, als auch der öffentlihen Verkündigung des Urtheils in der Weise, wie es gegenwäriig geschieht, für alle Theile des Reiches eingekommen sei und daß dieses Gesuch am 1. Juli die Bestätigung erhalten habe. Die Straf-Exekution und die Urtheilsverkündigung werden nunmehr innerhalb der Mauern des Gefängnisses in Gegenwart der Vertreter der Staatéannaltschaft, der Administration und der Personen der örtlihen Gemeindeverwaltuag in der im Auslande \chon lange gebräuchlihen Weise erfolgen.

Amerika. Wie der „Daily News“ aus New-York telegraphisch gemeldet wird, hat fich zwishen Tilden, dem Präsidentschafts- und Hendrichs, dem Vize - Präsidentschafts- Kandidaten der Demokraten vurh die von beiden veröffentlichten Programme eine solche Divergenz der Ansichten über die B aar- zahlungsfrage herausgestellt, daß Hendrichs seine Kandidatur zurückziehen werde,

Afrika. Aegypten. Nach einer telegraphishen Meldung des „Reutershen Bureaus“ aus Alexandrien vom 20. Juli hat die ägyptische Regierung sich geweigert, die Voll- \streckung der wider dieselbe ergangenen gerichtlihen Urtheile zu gestatten und hat darauf der Präsident des erstinstanzlichen internationalen Gericht shofes zn Alexandrien, Haakmann, heute Morgen eine Plenarsizung abgehalten, in weicher beschloss sen wurde, keinen Prozeß weiter anzunehmen und die Thätigkeit des Gerichtshofes einzustellen, In der Stadt herrschte in Folge dessen sehr lebhafte Erregung. Die Mitglieder des Gerichts wacen zu einer Konferenz zusammengetreten.

Die Nr. 55 des Amtsblatts der Deutschen Reichs- Post- und Telegrapenverwaltung hat folgenden Jnhalt: Ver- fügungen: vom 15. Juli 1876: Anwendung des Eisenbahn-Postz eseßes vom 20, Dezember 1875 auf die Bahnen der Leipzig-Dresdener Eisen- bahn-Compagnie. Vom 15. Juli 1876: Anwendung des Eise-nbahn- Postgeseßes vom 20. Dezember 1875 auf die Eisenbahn Chemnitz- Aue-Adorf. Vom 17. Juli 1876: Anwendung des Eisenbahn-Post- gescßes vom 20. Dezember 1875 auf die Sächsish-Thüringische Eisen- bahn. Bescheidungen: vom 10. Juli 1876: Behandlung unfran- kfirter Briefe bei der Nacsendung aus Deutschland nach einem anderen Vereinsgebiete oder umgekehrt. Vom 10. Juli 1876: Erlaubte Zusätze auf Korrekturbogen. ; j

Nr. 26 des „Justiz - Ministerial -Blattes* enthält eine allgemeine Verfügung vom 15. Juli 1876, betreffend das Ver- fahren bei Zahlungêleiftungen aus einer Masse an eine andere Masse desselbeu Depositoriums.

Statistische Nachrichten.

Nach Mittheilung des statistishen Bureaus der Stadt Berlin sind bei den hiísigen Standesämtern in der Woche vom 9. Juli bis incl. 15, Juli cr. zur Anmeldung gekommen: 224 ECheschließungen, 865 Lebendgeborene, 33 Tod!geborene, 886 Sterbefälle,

Die Steinkohlenabfuhr aus den drei Königlirh sächsishen Abbaubezirken Zwickau, Lugau und Dresden betrug auf den Eisenbahnen im 1. Quartal 1876 (in Wagenladungen à 100 Centner oder 5000 Kilogramm) 120,225,8 Ladungen; davon famen 92,318 Ladungen = 77% auf Zwickau, 12,060 Ladungen = 1009/6 auf Lugau und 15,847,8 Ladungen = 13/9 auf Dresden. Gegen das gleiche Quartal des Vorjahres hat die Gesammtabfuhr um 6068,59 Ladungen oder 5,32% zugenommen. Die Zunahme traf auf Zwickau mit 5958,2 Ladungen = 6,90%/ und Lugau mit 1839 Ladungen = 17,99%/0, während die Abfuhr von Dresden in derselben

eit um 1728,3 Ladungen = 9,83% abgenommen hat, Aus allen rei Bezirken wurden durchschnittlih jeden Tag abgefahren: 1337 Ladungen im Januar, 1415 im Februar und 1218 im März.

Dec stärkste Konsument in! diesem Quärtale wär Leipzig mit 13,307,5 Ladukgen, und zwar 10,362.4 Stadt und 2925,23 Bahnbsfe; dann folgten Chemniß mit 9999,2 L,dungen, davon 5969,2 von Zwicau, 3317,0 von Lugau oder 32% der Cesammtabfuhr von dort und 213,0" von Dresden; ferner Dresden mit 7587,6 Ladungen, davon 1367 4 von

Zwicka:t, Crimmitschau mit 4003,6, Retenbach i. V. 3787,4, Werdau

3247 s, Freiberg 22846, Glauhau 2242,8, Plauen i. V. 2137,0,

Meerane 2005,2, Hainsberg 1389.0, Döbefn 13222, Ostrau 11254

u. \. w. Die namhaftesten Absaßzorte im Auélande waren Greiz mit

3194 Ladungen, Hof 2759, Gera 2096, Nürnberg 2035, Eger 1859,

Bamberg 1262, Erlangen 1197, Lichtenfels 1029, Fürth 949, Bay-

reuth 947, Nördlingen 619, Gotha 607, Weißenfels 590, Köstriß 532,

Culmbach 519, Selb 511, Eilenburg 481, Halle 476 u. f. w.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Bielefeld, 18. Juli. Die werthvolle Bibliothek des ver- storbenen Geheimen Sanitäts - Rath Dr. Tiemann ist nach dem vW.“ von den Erben der Universität Straßburg als Geschenk angeboten und von dieser mit freudigem Dank acceptirt worden. In diesen Tagen ist die Bibliothek nah Straßburg abgeschickt worden.

Die „Straßburger Ztg." vom 19. Juli meldet: Neben den Arbeiten an der Außenseite, am Thurmhelme und an den Façaden des Münsters dauert auch die Bauthätigkeit im Innern des ge- waltigen Domes ununterbrochen fort. Neuestens wurden scwohl im Hauptschiff als in den Nebenschiffen die Gewölbedecken und deren Steinrippen ausgebessert und verpußt, das Dekorations-, Farben- und Bergoldungswerk an denselben wieder hergestellt. Jun der großen Nische des Hauptchores, welche mit frischec Kalkgrundirunz belegt wurde, geht soeben ein massives Holzgerüft seiner Vollendung entgegen, weiches die hecannahende Jnangriffnahme der Wandgemälde anzeigt, mit denen der Chor bekanntli geschmückt wird. Jn der That erfahren wir, daß man dem Eintreffen des Professors Steinle von Frankfurt a. M. behufs Beginn der ihm übertragenen künstlerishen Arbeiten hon in nächster Woche entgegensieht Die kirchlichen Verrichtungen im Chore und am Hohaltare des Münsters erleiden in Folge der zweckmäßigen Bauart des besagten Gerüstes keine wesentlihe Stö- rung. Die Einweihung der neuen evangelischen Kirche zu FSrôshweiler findet am 30, Juli statt. Am 4. August findet bei Weißenburg, am 6. desselben Monats bei Wörth die feierliche Enthüllung der Seitens der IlIl. Armee auf den ‘betreffenden Schlachtfeldern errichteten Denkmäler statt.

Das Ergänzungsheft Nr. 48 zu „Petermanns Geo- graphischen Mittheilungen“ (Gotha, Justus Perthes) enthält eine Abhandkung über die Wirkungen der Winde auf die Ge- staltung der Erde. Ein Streifzug im Gebiete der physikalischen Geographie von Dr. Franz Czerny, Mitglied der K K. geographischen Gesellshaft in Wien; mit einer Karte.

Land- uud Forstwirthschaft.

Der Verein mecklenburgischer Forstwirthe hielt am 14 d. M. unter Betheiligung des Großherzogs, seine von etwa 100 Men besuchte Jahresversammlung zu Doberan. In Anlaß der Massenpetition der Erbpächter der großherzogliben Domänen an den Großherzog wegen des Ueberhandnehmens dcs Wildschadens, behandelte der von dem Forstrath ia Mitglied des großherzog- lichen Forstkollegiums zu Schwerin, gehaltene Hauptvortrag eben dieses Themz, indem er die Frage beantwortete : „Sind die allgemein ge- wordenen Klagen üher den übermäßigen Wildstand unseres Landes wie solche namentlich auf den in Güstrow abgehaltenen beiden Erb- pächteryversammlungen laut geworden sind gerechtfertigt ?* Auf Grund der von den Forstbeamten für sämmtliche Jagdreviere im Groß- berzoglihen Domanium aufgestellten Wildfiandtabellen, suchte dér Referent den Nachweis zu führen, daß die von den Erbpächtern erhobenen Beshwerden theils unbegründet, theils übertrieben seien, und gab der Vermuthung Ausdruck, daß es mit jenen Beschwerden nur darauf abgesehen sei, das L A für die Dorfschaften zu er- langen. Die Anschauungen des Referenten wurden von allen Mit- gliedern der Versammlung getheilt. Auch machte ein Mitglied noch darauf aufmerksam, daß die Bauern bei ihrer Erhebung zu Erb- pächtern in ihren Kontrakten ausdrücklich auf Ersaß wegen Wild- \chadens verzichtet und daher zu ihrer Beshwerdeführung gar kein Recht hätten.

Gewerbe und Handel.

In der Generalversammlung der Aktionäre der Berliner Lombard-Bank in Liq. vom 15 d. M. wurden die Bilanz per ultimo Juni cr. vorgelegt und sämmtliche von dem Aufsichtsrath und der Liquidations-Kommission gestellten Auträge geneh:uigt.

Die Heringe finden sih in diesem Jahre spärlich ein ; der diesjährige Fang an der Westküste von Schottland war der ärmste, der je da gewesen ist. Der Totalertrag von 800 Booten stellte sich nur auf 4500 Krans gegen 31,000 Krans im vorigen Jahre.

Den offiziellen Ausweis über die Einnahmen der Jtalie- nischen Gesellschaft für die cointeressirte Tabaksregie im ersten Semester 1876 entnehmen wir nah der „B. Börs.-Ztg.* vergleih8weise mit derselben Periode des Vorjahres die nachstehenden

auptziffern : R 1876 gegen 1875

Lire Lire 10,088,661 87,111 19,542,226 + 1,207,549 März . 11,353,825 4 592,807 April... . 10,802,475 + 226,101 Mai . . . , 11508,923 +— 512,029 Juni... . 10,886,082 + 430,009 Totale . 695,182,192 4+ 2,881,384 Sowohl in den Einnaÿßmen pro 1876, als in jenen des Vor- jahres ift das Erträgniß der mit Königlichem Dekret vom 14. Ja- nuar 1875 eingeführten Regierungs-Uebertaxe von einem Lire pro Kilcgramm gewisser Tabakssorten einbegriffen.

Die „New-Yorker Hdl.-Ztg.* giebt in ihrem vom Juni da- tirten Wochenbericht folgende Uebersicht über die Geschäf!slage: Mit Beginn der Auszahlung der Juli: Dividenden hat der Beld- stand die frühere Abundanz in ungeshwächtem Maße wiedergewonnen. Durchschnitts-Raten für c

Januar , Februar .

loans gegen Depot gemischter Sekuriläten stellten sfih à 23—3%%, gegen Hinterlegung von Bundes-Obliga- tionen nicht über 29/0. m Goldmarkt dieser Berichtswoche, welche auf vier Geschäftstage reduzirt war, ist es der Hausse nicht gelungen, ihren Standpunkt zu behaupten. Da die Lon- doner Notirungen zeigten, daß die europäischen Börsen si durch die neueste Phase der orientalischen Frage niht besonders beunruhigt fühlten, mußte der Goldroom dieselbe Auffafsung theilen. An sonstigen Faktoren, welche einen Avanz des Agios. hätten begünstigen fönnen, fehlte es gänzli. Unter solchen Umständen zog es ein großer Theil dec Haussze-Spekulation vor, sih seines Vorraths zu entledigen, was einen Rückgang des Goldagios von 123s—17"/s, mit 121/ als heutiger Schlußnotirung zur Folge hatte. Für gekündigte Bonds zahlte das Schaßamt 71,700 Doll. aus, für fällige Zinsen 2,562,000 Doll. Die durch die dreitägige Säfular-Feier bes «Vierten Juli* im Waaren- und Produktengeschäfte erzeugte Stille hielt in den meisten Branchen bis Schluß der Woche an. In Brodstoffen. machte sich erst heute zu den reduzirten Preisforderungen eiwas toßere Lebhaftigkeit bemerkbar, Baumwolle verfolgte w-\chende endenz, die in einem Rückgange von { C. zum Ausdruck- gelangtez seit Beginn der Saison bis dato betrugen die Zufuhrey in sämmt: lichen Häfen der Union 4,068,943 Ballen gegen 3,4423183 Ballen in der Parallel-Periode voriger Saison. Wegen. ver Jubi)", um: feier war die Petroleumbörfe bis Mittwoch gech)\ossen* seitdem haben tie ruhigeren Maukt meldenden Beri, aus Europa, sowie die feste Haltung der ersten Hand keine, Aktivitä® in raffinirtem Pctroleum aufkommen lassen und sind am Schluß Preise zwar fest, jedo mehr

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