1876 / 171 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 22 Jul 1876 18:00:01 GMT) scan diff

__„ Ptheiligen,

Zwischen den Behauptungen der türkischen Behörden, daß troß der serbishen Jnvasñon die bulgarishe Bewegung ins Stocken geratben fei, und den serbischen Angaben, daß ganz Bulgarien im Aufstande sei, muß die rechte Mitte gefunden werden. Ungeachtet der Unzulänglichkeit der serbischen Macht am Timok ist es dech That- sache, daß es im Widdiner Sandschakate zenug Aufständische giebt. Da aber die serbishe Timok- Armee mit ihrem Gros über die Greuze nicht weit hinauskam, so konnte eine Vereinigung der Jusurgenten mit den Serben nicht stattfinden. - Nur die Bevölkerung * der am Donau’ Ufer gelegenen Dörfer gewann mit der Avantgarde Leschjanins Fühlung. Daher beläuft fich die Zahl der zu Leschjanin gestoßenen Insurgenten kaum auf 2009 Mann, während wohl gegen 3000 Bulgaren im Rücken die bei Veliki-Jzvor stehenden Türken von Belgradzik aus beunruhigen. Auch von Wratscha aus bedrobt eine größere bulga- rische Insurgentenshaar die Stellung Osman Paschas. __ Die großen Städte in Bulgarien, wie Rustshuk, Varna, Phi- lippopel, Sophia, Schtnula 2c., verhielten si bis jeßt ziemlih ruhig. Seit wenigen Tagen aber gährt es auch in diesen Centren der tür- fischen Macht, Die Regierung kann fih niht anders als durch zahl- reiche Verhaftungen helfen. Bei Schumla find gleichfalls einige hundert Insurgenten. Die türkischen Verwattungsbeamten können es nicht mehr risfiren, sich ohne Bedeckung aufs flache Land zu begeben. Den rößten Succurs aus Bulgarien baben die Serben unter Vihernäteft erhalten. Der größte Theil fam aus der Sucha-Planina, einem Plateau südlih von Nis, dessen Einwohner sämmtlih zu den Waffen gegriffen haben. Philippopel und Sophia haben starke Garnisonen erhalten. Die dünn gesäete dane Bevölkerung des flachen Landes flüchtet in die

ädte.

Aus Serajewo, 15. Juli, erhält dieselbe Korrespon- denz folgende Meldungen: E

Hier wird eine große Thätigkeit entwickelt. Man verschanzt die Stadt in einem weiten Umkreise und befestigt den nahen Berg, der die Stadt wie die große Ebene ringsherum beherrs{cht. Waffen und Mu- nition giebt es genug, aber an Previant dürfte sich in der kürzesten Zeit ein

Mangel fühlbar machen. Die hiesigen Einwohner haben keine Vorräthe. Der General-Gouverneur hat . die reihen Kaufleute u!n Vorschüsse angegangen. Er verlangte von der Hauptstadt 10,000 Livres. Es heißt, daß aus Konstantinopel Vorräthe gebracht werden sollen. M oukhtar Pascha, der hier mit der Organisirung der Redifs beschäftigt war, geht morgen nah Mostar ab, um die Vertheidigung dieses Plaßes zu übernehmen. In Mostar werden ißw im Ganzen bei 9000 Mann, darunter 3000 Redifs und 2500 arnautische Basthi- bozuks, zur Verfügung stehen.

Der „Pol. Corr.“ gehen aus Ragusa unter dem 20. Juli u. A. folgende Nachrichten zu:

An der montenegrinisch - albanesischen Grenze stehen die Dinge seit dem leßten größeren Gefechte zwischen Medun und Podgorxrizza so ziemlich auf demselben Punkte. Die zwischen den genannten Punkten gelegenen vier stark be- festigten türkischen Blockhäuser wurden von den betreffenden Garni- sonen, zu welcheu die bewäffnete muhamedanishe Bevölkerung des Distriktes von Podgorizza und der Malisoren gestoßen war, in der Gesammitstärke von 8000 Mann mit 8 Geschüßen vertheidigt. Nach- dem der Kampf am 17. den ganzen Tag gedauert hatte, ließen die türkischen Besaßungstruppen die vier bei Ortjevo oberhalb Doljani, dann ober- und unterhalb Stubica gelegenen Blockhäuser gegen Abend im Stiche und zogen sich gegen Podgorizza zurück. Auf dem sluhtartigen Rückzuge rissen sie auch die gesammten irregulären Hülfs- truppen mit sich fort. Noch in der Nacht beseßten die Moutenegriner die verlassenen Blockhäuser, beeilten sich aber cm darauf folgenden Tage, dieselben vom Gruade aus zu zerstören und niederzubrennen. Seitdem if die Verbindung zwischen Podgorizza ünd Medun vollständig unterbrohen. Der montenegrini)chen Ero ve- rung gingen aber {hon in der verflossenen Woche einige heftige Kämpfe voraus, bei welchen der kriegerishe Stamm der türkischen Malijoren in der Stärke von 5- bis 6000 Mann die Offensive ggen den mit den Montenegrinern verbündeten Stamm der Kucci ergriff. Die ganze Aktion war mit einem Theile regulärer türkischer Trupper: aus dem Lager von Podgorizza kombinirt. Leßtere sollten nämlich

tenegrinern, welche mittlerweile durch ein Bataillon des Gubotinjer Bezirkes und ene andere, 300 Mann starke Schaar verstärkt worden wareu, geschlagen. Die regulären türkishen Truppen wurden bis Len Podgorizza zmückgeworfen urd die Malisoren von den dur tarke montenegrinishe Abtheilungen verstärkten Kuccianern bis zum Kakaritengebirge jenseits Podgorizza verfolgt. Die Monteuegriner verloren nach ihren eigenen Angaben 30 Todte und über 120 Ver- toundete, wogegen der Verluft der Türken und Malisoren mindestens 300 Todte nnd Verwundete beträgt. __ Vom Kriegsschauplaße in der Herzegowina verlautet heute, daß in Folge der Zusammenziebung starker türkischer Streitkräfte oberhalb Meosftars und des Widerstandes, welhen die Montenegriner bei den Blockhäusern vor Nevesinse und Metochia finden, die Gefahr eines montenegrinischen Angriffes auf Mostar vorläufig beseitigt sei,

In Trebinje wird Alles für einen feindlichen Angriff vor- bereitet. Die dortige Garnison wurde dur zwei Bataillone aus Bielek verstärkt,

_ Nußland und Polen. Aus St. Petersburg, 17. Juli, wird der „Alg. Ztg.“ telegraphirt: „Die großen Manöd- ver der in Südrußland um Kiew zusammengezogenen Lager- truppen finden auf Kaiserlihen Befehl vom 15. d. nicht ftatt. Die Gesammtziffer der in diesem Jahre für Armee und Flotte auszuhebenden Ergänzungsmannschaften is auf 196,000 Mann festgeseyt gegen 220,000 im vorigen Jahre.

Amerika. Aus Washington wird unterm 19. ds. per Kabel gemeldet: Das Armeebudget hat beide Häuser des Kongresses passirt. Es zeigt eine Reduktion von nahezu 2,000,000 Dollars im Vergleih mit dem im vorigen Jahre votirten Betrage.

Der „New-York Herald“ behandelt die Frage, ob unter dem allgemeinen Jubel über den Fortschritt der Ver- inigten Staaten in allen materiellen Dingen irgend Grund sei zu dem „weithin verbreiteten Gefühl, die Bürger der eUnion hätten in moralischen Eigenschaften, durh die eine Nation erst wahrhaft groß wird, nachgelassen.* Wenn dem so wäre, so würde nah der Auseinandersezung des „Herald“ wenig Grund zur Freude sein, insofern ein Verfall von Männ- lihkeit, Tugend, Vaterlandsliebe und Anhänglichkeit an freien Einrichtungen ein Uebel sein würde, das kein Fortschritt in phy- fishem Wohlsein gut machen könnte. Dennoch kommt nah sorgsamer Ueberlegung des Gegenstaudes das Blatt zu dem Schlusse, das Land sei nicht in einem Zuftande mora- lishen Verfalles und seine Bürger niht ,„entartete Söhne würdiger Herren.“ Gewiß seien jüngst Beispiele amt- liher Körruption vorgekommen; in Anbetraht aber, daß die Vereinigten Staaten 80,000 öffentlihe Beamte besien, beweise

ganzen öffentlihen Dienstes oder die Entartung der großen Masse der Bürger. Der „Herald“ erwähnt einige Beispiele nationaler Tugenden, die zeigen, daß die Amerikaner von 1776 keinen moralischen Vortheil vor der gegenwärtigen Generation hätten und erklärt, dieses Verzeichniß könnte leiht ausgedehnt werden. Uebrigens giebt er zu, daß im offiziellen Leben einige Reformen nothwendig seien.

Mexiko. (A. A. C.) Der am 5. Juli in Havanna ein- getroffene Dampfer „City of Havana‘ überbrachte bis zum 28. Juni reihende Nachrichten aus der Hauptstadt Mexiko. Zwischen den Regierungstruppen und den Revolutionärezz haben keine weiteren wichtigen Gefechte stattgefunden, da lehtere jeden Zusam- menstoß zu vermeiden suchen und die eingetretene Regenzeit militärische Operationen verhindert. Kleinere, unbedeutende Schar- mügzel fielen zu Gunsten der Regierung aus. Für die Prä- sidentenwahl, deren Urwahlen auf den 9. Juli angeseßt sind,

nach dem Angriffe der Maliforen auf die Kuccianer den Monteue- grinern, welche hinter der Moraca an der Grenze gegen Doljane postirt waren und vorausfichtlich den bedrängten Kuccianern zu Hülfe eilen würden, in den Rücken fallen. Die Kombination scheiterte edoch an der außerordentlichen Wachsamkeit der montenegrinischen orposten, welhen das im Zuge befindlihe Manöve- nicht ent- gangen war.

Die monitenegrinishen Abtheilungéanführer trafen sofort die nothwendigen Gefehtsdispositionen, um die von Podgorizza im An- rücken vbifindlihen Nizams mit Ungestüm anzugreifen. Die montz- negrinishen Stellungen waren solche, daß auf eine sichere Nieder- lage der Türken gerechnet werden konnte. Das Gefecht nahm alsbald seinen Anfang und wurden die Türken von den Mon-

Berlin, den 22. Juli 1876.

__ Veber die Bedeutung des Auédruckes „Hohe Pforte“ entnehmen wir dem Buche „Sittenbilder aus dem Morgenlande* von Prof. Hermann Vámb ér y folgende Mittheilungen:

Unter der Hohen Pforte, Bab Ali, versteht der heutige Türke #0o- wohl die Gesammtheit der höchsten Würdenträger im ottomanischen Reiche, als auch ten Ort, wo diese zu ihren Berathungen zusammen- kommen. Von jeher galt im Orient, im Gegensaße zum Abendlande, die Pforte oder das Thor für den Herrnplaß des Hauses. Aus dieser Siite erklärt es sih, weshalb wir im Türkischen das Wort „Pforte“ mit Gerichtshof oder Residenz eines hohez Beamten identificirt finden. Wie man in Persien {on vor der Zeit der Sefeviten mit dem Ausdruck „Ali Kapi" den Siß der höheren Beamten bezeich- nete, fo mit „Pforte“ in ter Türkei. Nicht nur jede Hauptstadt, sondern jeder Siß eines Provinzial-Guberniums hai einen „Kapi“, und wennzgleich europäische Neuerungen heute dies alte Wort durch die Bezeichnungen: Ministerium, Tribunal u. . w. zu verdrängen suchen, fo wird es doch den Türken und anderen Völkern Asiens {wer fallen, fich für etnen hohen Gerichtshof odex ein sonstiges höheres Amt einer anderen Benennung zu bedicnen als Kapi, oder Bab: Pforte. Unter den Ausdrücken: „Festes Thor“ oder „Hohes Thor“ versteht man die verschiedene Stellung und Befugniß der betreffenden Behörden. Die Minister werden in Folge ihres Amtes „Erkiani - Dewlet“, Säulen der Regierung genannt. Auf ihnen lastet das Aut der Staatsregierung und der an ihrer Spiße Stehende führt den Namen „Vezir*, d. h, Lastträger, Die Pforte, in der- Volkssprache „Pascha Kaxist* genannt, umfaßt hcut- julage folgende Aemter: 1) Den Siß des Großveziers und seiner

ureaus, 2) das Ministerium des Aeußern mit seinem Sekretariate und dem-Ueberseyzungsbureau, 3) das Medschlisi Wala, oder den aller- höchsten Staatsrath, an dem sich die Chefs der verschiedenen Ministerien 4) das Medschlisi ahkiame adlie, oder den Rath des obersten Gerichtshofes, zugleich das Ministerium des Innern und der Justiz, mit der Befugniß, die Gouverneure und die subalternen Offiziere zu ernennen und abzuseßen, 5) das Amedi diwani humajum, ein Bureau, das in direkter Verbindung mit der tg Sia des Sultans und der Pforte steht. Die übri- gen . Dicasterien der Verwaltung, als: Ministerium der Polizei, der Finanzen, des Handels, des Krieges, der Marine, des Unterrichts, des Wakfs (fromme Stiftungen) u. f. w. sind in verschiedenen Gc- bäuden untergebraht und die betreffenden Chefs begeben sich nur dann auf E, orte, wenn das Aufgebot des Medschlisi Wala fie zu einer wichtigen Berathung ladet, Außer diesen giebt es noch einige uicht strikt hierher gehörige Aemter: das Bureau der vier verschiedenen Religionsgesellshaften, nämlich der Katholiken, unirten und nit unirten Griechen und Juden, das Bureau des Ceremonienmeifters und des Anfertigers der Kaiserlichen Unterschriften (Tugra) und \hließ- li fogar eine staatliche Schule und Bibliothek zum Unterrichte im Franzöfischen, die eben!o wie das Ueberjeßungsbureau zuni Ministerium

von gelblichen die Versch

ist Präsident Lerdo bis jetzt der einzige Kandidat, doch bemühen fich die Revolutionäre, die Abhaltung der Wahlen zu stören, und dürfte in der Mehrheit der Distrikte eine konstitutionelle Wahl nicht zu Stande kommen. Die Revolutionären behaupten, die Wiedererwählung Lerdo's werde siher dessen Sturz herbei- führen. —- General Santa Anna ift am 20. Juni im Alter von 84 Jahren gestorben.

Hayti. (A. A. C) Der Gesandte von Hayti in Washington hat offizielle Depeschen aus Port-au-Prince vom 1. Juli erhalten, daß General Voisrond Canal vom 24. v. Mts. Besiy von Cape Hayti genommen. General Alexis Nord hatte daselb am 14. v. Mts. rebellirt, mit dem Plan,

trifft, so nimmt bei der Civilbehörde den höchsten Rang der Muscir, Marschall ein ; ihm geziemt der T'tel „Dewleti*, d. h. der Glükselige. Ein Muschir pflegt sich auf das Amt in einer europäischen Equipage zu begeben; ist er Großvezier, so begleiten ihn zwei Offiziere aus der Armee und zwei Kawassen (Polizeimänner) zu Pferde, außerdem folgen ihm ein oder zwei Diener und der ebenfalls berittene Tschibuktschi. Muschire giebt es auch im Miltärstande, do stehen diese weit hinter den Ersteren zurück, da hier sowohl ihre Anzahl größer, als auch der Gehalt geringer ist. Die dem Muschir nächst- stehende Beamten-Hierarchie ist die Nüthe-i-Bala (hoher Rang), die in zwei Klassen zerfällt. Jhr Titel ift Utufetli (huldvoll). Jhr folgen: Rütbe-i-Ula, ebenfalls zwei Klafsen umfassend, mit dem Titel Seadetlu (glüdselig), ferner Mutemajsiz oder Rütbe-i-Sanie, ein Rang, in dem die meisten Bureau-Ghefs stehen und der mit Jzzetlu Efendim (mein herrlicher Herr) betitelt wird; dann die zweite Klasse der Sanie, denen ebenfalls ter Titel Jzzetlu Efendi zukommt. Hieran \chließenu fich die Rang- ordnungen der Unterbeamten: Rütbe-i-Salise (dritte Klasse), die mit Rifatlu (der Erhöhßte) und Rütbe-i-Rabie (vierte Klasse) die mit Futuwetli (der Edelmüthice) titulirt wird; den minores gentium der Beamtenwelt if der Titel Hamijetli (der Eifrige) zuerkannt. Unter den Kultusbeamten ift der hôchste der Scheich ul Islam, ihm folgen die Sudurs und die fünf verschiedenen Pajes (Grade) von Stambul, den heiligen Städten, vom BVilade Arbaa, von Rumeli und Anatoli. Die Stellung ter Militärs in der Beamten-Hierarcie ist zumeist in dem Range der Offiziere ausgedrückt. Es giebt in der Armee Muschire in großer Anzahl; selbst Paschas, Divisions- und Brigade-Generale stehen in ihrem Range unter manchem Efendi der Civilbehörde. Ueber die Bezeihnung Pasha #|st zu erwäh- nen, daß dieser sowohl Civilbeamten wie Militärs verliehene Titel unter den Ersteren uur den Muschiren und Mutesarrifs (Gouverneure zweiten Ranges) der Provinzen, auch wenn sie ihrem Range nah nur Mutemajjis find, zusteht ; bei Militärbehörden jedo wird er jedem Offizier vom Obersten aufwärts ertheilt. Auf Pascha folgte früher der Titel Bey, den Europäer irriger Weise den Fürsten beilegen, wie dies in alten Zeiten allerdings Sitte war. Heute folgt auf den Pascha: Efendi, Herr, und auf Efendi: Aga. Unter Efendi versteht man im gewöhnlichen Leben einen Schriftkundigen, in der Beamtenwelt oft eine ganz hochgeftellte Person, {a selbst Königliche Prinzen hängen ihrem Namen nur den Titel Efendi an.

n eivem Schreiben aus Paracin vom 8. d, schildert der

Korrespoudent des „Temps* die Befestigungen von Deligrad

folgendermaßen :

Nachdem wir einen steilen Abhang überstiegen hatten, versenkten

wir unsere Blicke ia das wunderbare Thal der bulgarischen !Morawa,

welche wir Ce Zeit später auf einer Schiffbrücke überseßten. Drei irien gekrönte Erhöhungen zeigen sich uns, es fiad

anzungen von Deligrad. Jm Hintergrunde der

des Aeußern ressortiren. Was die verschiedenen Beamtenklassen be»

Landschaft gewahrt man Aleksinac.

die Korruption „eines Dugzends oder 50° niht den Verfall des |

eine Föderal-Union herzustellen, welche aus den fünf Provinzen der Insel als unabhängigen Staaten beftehen sollte. General Nord hat fih in ein fremdes Konsulat geflühtet, von wo aus man ihm freien Abzug aus dem Lande gestatten wird.

*_- SE Domingo. (A. A. C) Westindishe Blätter ver- öffentlihen einen Brief aus Cape Hayti vom 29. Juni, wonach die von Gonzales proklamirte Revolution in St. Domingo troy der Anstrengungen der Regierung zu deren Unterdrückung Fortschritte „macht. Man glaubte allgemein, Gonzales würde \chließlich iriumphiren. Nach anderen Berichten aus St. Domingo wurde General Villaneuva, der frühere Kriegs-Minister, auf Befehl der Behörden von St. Domingo an Bord des Vereinigten Staaten Dampfers „Iybec“ verhaftet und troy des Protestes Seitens des Kapitäns, sowie des gerade anwesenden ameri- i Konsuls gewaltsam von Bord des Schiffes weg- gefü

___ Land- und Forstwirthschaft.

Zur" Förderung] des Hopfenbaues und namentlich um eine sorgfaltigere Behandlung des Hopfens beim Pflücken, Trocknen und Verpacken herbeizuführen, wird auf Veranlassung des landwirth\chaft- lihen Provinzialvereins für Posen am 21. und 22. September d. J. im Schüßenhause zu Neutomischel eine mit Prämienvertheilung verbundene Hopfenaus stellung veranstaltet werden.

Gewerbe und Handel.

Auf die Aktien der Berliner Bank ia Liqu. gelangt nunmehr eine fernere Abschlagszahlung von 12} %/ oder 125 Thlr. pro Aktie zur Vertheilung. Durch diese fernere Zahlung erhöht sich die Sumwe der bisher den Aktionären zurückgewährten Beträge auf 825 % für die aiten Aktien und 224% für die mit 40 % einge- zahlten Jnterimsscheine der neuen Aktien-Emission.

Der Eröffnungstermin für die Bahustreck: Marienburg- Deutsch-Eylau der Danzig-Mlawkaer Eisenbahn ist auf den 1, August d. J. bestimmt festgeseßt. Die Bahnverwaltung wird von da ab sowohl Personen als Güter auf dieser Strecke befördern. Die landespolizeilihe Abnahme derselben soll am 22, d. M. stattfinden.

Jn dem Konkäarse der Norddeutschen Papier-Fabrik- Akticngesellschaft (Direktion und Fabrik in Cöslin stand gestern vor dem Kowmissar des Konkurses, Stadtgerichts-Rath Pfeil, der erste Termin an. Der einstweilige Verwalter der Masse, Kauf- mann Sieg, wurde als solcher bestätigt uud ihm zur Seite 3 Ver- waltungsöräthe erwählt, Dem Vortrage des Verwalters ift zu ent- nehmen, daß 699/60 für die Gläubiger nah Abzug der bevorrectigten Forderungen in der Masse liegen. die Aktiva beziffern sich auf 909,600 Æ, die Pasfiva auf 1,302,375 4A Beschlossen wurde, alle angefangenen Arbeiten und Vorräthe in Cöslin aufzuarbeiten und die Vorräthe in den Niederlagen Königsberg, Hamburg, Hannover . und Berlin bis zur Räumung derselben in gewohnter Weise weiter zu verkaufen.

__— Um vielfachen Anfragen zu begegnen, theilen wir hierdurch mit, daß die Gewinnlisfte der Floralotterie zwar im „R.- u. St.-A.* veröffentlicht werden wird, jedoch erst, wenn die Zusammen- stellung der Liste erfolgt sein wird. Dem Vernehmen nach ist der Vorstand der Gesellschaft mit dieser Arbeit bereits beschäftigt. Königêberg i. Pr., 18. Juli. Während des diesjährigen Wollmarkts find iw Aschhof 448 Ctr., in der Vorderwaage 330 Ctr., in der Mittelwaage 908 Ctr, in der Hinterwaage 810 Ctr., durch das Wiegeamt 10,864 Ctr., in Privatipeichern ca. 3640 Ctr., in Summa 17,000 Ctr. Wolle gewogen, deren Durchschnittspreis zu 106 Pfd. sich für die Kammwolle auf 52—58 4, feine Tuchwolle auf 56—62 M, gewöhnliche Tuchwolle 51—56 # herausgestellt hat. Circa 1000 Etr. A eau mißlungener Wäsche und geringer Qualität unverkauft geblieben.

Die Halberstadt-Blankenburger Eisenbahn hat 1875: 137,781 Æ vereinnahmt und incl. Verzinsung der Prioritäts- anleihe mit 3351 # 128,953 #4 verausgabt, also einen Betriebs- üherschuß von 8827 #4 erzielt. Derselbe wurde mit 8356 4 zur Bedeckung des 1874er Betriebsverlustes und mit 470 als Vortrag aus neue Recbnung verwendet. Das Grundkapital besteht aus 1,200,000 A Stammaktien, 1,200,000 A Stammprioritäten und 300,000 M Prioritätsekligationen.

In der außerordentlichen Generalversammlung der Weimars- Geraer Cisenbahn-Gesell\chaft wurde der Antrag auf Kou- trab/irung einer schwebenden Schuld in Höhe von 600,000 (A einstim-

miç, genehmigt.

Verkehrs: Anstalten. New-York, 21. Juli. Das Postdampf\schiff des Nordd. Lloyd „Neckar“, Kapt. W. Willigerod, welches am 8. Juli von Bremen und am 11, Juli von Southampton abgegangen war, ift heute 5 Uhr Morgens wohlbehalten hier angekommen,

Von Deligrad aus hat Fürft Milan seine Kriegsproklamation vom 30. Juni veröffentlicht. Der Name ist berühmt in der Ge- schichte der Kämpfe um die serbische Unabhängigkeit. Im Jahre 1806 hielt Peter Dobriniak in dem Fort Deligrad eine se{chsmonatlihe Be- lagerung durch die Türken aus. Der Wejwode Miloje fand doit 1809, nah der Niederlage der Serben bei Nisch, eine Zuflucht. Im Jahre 1810 vertheidigte si daseltst Vujica auf das Tapferste gegen das Corps Kurschid Paschas.

Das alte Forr verfiel in Ruinen; man hatte fogar die Steine davon abgetragen, um damit die ueue Straße nach Aleksinac zu bauen. Ganz in neuester Zeit haben die Serben in Deligrad wichtige, durch die strategishen Vortheile dieser Position gebotene Arbeiten ausge- führt. Die Linien von Diligrad werden im Falle einer entscheidenden Niederlage bestimmt sein, den Rücfzug der serbischen Armee zu decken und die Türken zu verhindern, dem Lauf der Morawa entlang vorzu- rücken. Diese tritt in der That ein wenig weiter unten in die Defileen ein; Deligrad ist der Schlüssel zu diesem engen Thor. Weiter oben, in der Richtung nah Aleksinac nämlich, erweitert sih das Morawathal bedeutend, um sich bald darauf wieder zu verengen, so daß eine Art Kreis gebildet wird; dieses ganze Bassin kann durch die Kanonen von Deligrad bestricben werden. Die drei Werke neh- men auf dem reten Ufer der Morawa drei gut gewählte Höhen ein ; ohne Zweifel könnte man sie von den nahe gelegcnen Bergen be- herrschen; aber auf die bestimmien Punkte Stücke von einer Trag- weite zu schaffen, die auêreihend wäre, um dur ein vernichtendes Feuer die Batterien von Deligrad zum Schweigen zu bringen, wäre eine {wierige Operation.

Diese Redouten sind in Erde aufgeworfen und sehr regelmäßig gebaut. Sie \chienen uns verlassen zu sein. Man bemerkte blos einen Wachtposten neben einem Schilderhäuschen. Nicht Eine Ka- none streckte ihre Mündung durch irgend eine Schießscharte hervor. Man hatte uns gesagt, daß die Artillerie der Forts zu Zwecken der Belagerung vor Nisch ge\chafft worden sei, Das zeigt auf jeden Fall an, daß die serbische Armee für den Augenblick an keinen Rückzug denkt. Eine Unmasse von Bäumen ist bei Deligrad gefällt worden, und der Boden ist in großer Ausdehnung von Stämmen und Aesten bedeckt, mit Hülfe deren man im Nothfalle die Straße ungangbar machen könnte, Wir bemerkten auch einige Tranchéen mit Bruft- wehren am Eingang: der Defiléen,

Basel, 21. Juli. (W. T. B.) In dem Dorfe Albeuve im Kanton Freiburg hat geftern Nachmittag eine große Feuerxs- brunst gewüthet, durd welche in einer Stunde über 100 Gebäude in Asche gelegt worden sind. Die Bewohner find obdahlos. Zwei Personen \tyd in dem Brande erstickt. Bexlts; Redacr1eur : F. %Þre nz.

M Veriag der Expedition (Ke sel). Druck: W, Elsner.

Vier Beilagen (einshließlich Börsen-Beilage).

Außerdem eiue Extra-Beilage „Zur Desiufektion“.

i Zur Fragestellung über Staat und Kirche.

eine Rechtsgestaltung und ihre Geltung voraus.

: zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

Mf 171.

Staat und’ Kirche. XYVI. (Vgl. Nr. 168 d. Bl.) Eine

Stimme aus dem Iahre 1858. Berlin, 1876.

Die obengenannte Schrift enthält dem Vorwort zufolge einen bereits im Jahre 1858 veröffentlihten Aufsag. Derselbe follte, in einer wenig bekannten deutschen Zeitschrift erschienen, die Einleitung bilden zu einer naher nicht veröffentlichten Kritik des öôsterreihishen Konkordats von 1855 und des württem- bergishen von 1857. Der Herausgeber glaubt, daß der #. Z. wenig beachtete und jeßt bereits vergessene Aufsaßy Manches ent- halte, das für den kirhlihen Kampf der Gegenwart von Be- lang sei, namentlih angesihts des neuerdings von röômisch- katholisher Seite vorgeschlagenen Weges, zum Frieden zwischen Staat und Kirche zu gelangen. S

Wie wir annehmen müssen, i| mit dieser Stelle des Vor« wortes die in dem Aufsay enthaltene Ausführung über die rechtlihe Bedeutung der Vereinbarungen zwischen Staat und rômischer Kirche, die man Konkordate nennt, vorzugsweise gemeint. Jn der That ift diese Ausführung weitaus das Bes deutendste in der ganzen Schrift. Wir geben dieselbe in der Kürze wieder: ; i :

Der Vertrag is ein -Rechtsgeshäft und seyt folglich

Welches ist das R-:ht, auf dessen Boden Verträge zwischen Staat und Kirhe geschlossen werden? Es darf allerdings niht be- hauptet werden, ‘daß ein Konkordat \{chon deshalb uns wirksam sei, weil der höhere Richter über Staat und Kirhe fehlt. Derselbe fehlt auch bei den völkerreht- lihen Verträgen, und do giebt es anerkanntermaßen solche und ihre Verlezung if unzweifelhaft eine Rechtsverlegung. Dies hat darin seinen Grund, daß völkerrehtlihe Pakte auf Grund posi- tiven Völkerrechts geshlossen werden, das, wiewohl kein be- \timmtes Tribunal über Staaten vorhanden ift, dennoch die Bes deutung einer Rechtsordnung hat, an welcher alle theilnehmenden Staaten gemeinschaftlih interessirt sind. Wo aber ist die Rechtsordnung, deren Regeln maßgebend sind für _Staat und Kirche und vermöge deren die Uebereinkunft eines Staates mit der römischen Kirche jenen wie diese bindet bei aufhörender thatsächlicher Uebereinstimmung? Für die abendländische Christen- heit des Mittelalters war eine solhe Ordnung in dem rômisch- kanonischen Recht gegeben. Seitdem dieses Ret aber aufgehört hat, die gemeinsame Regel der christlihen Nationen zu sein, seitdem beansprucht der Papst niht mehr, das Eine Haupt der Christenheit zu sein, sondern die Befugnisse der beiden Häupter der riftlih-mittelalterlihen Staatengemeinschaft zu vereinigen. Der Papst will, wie unser Aufsaÿ dies ausdrückt, nach modern-römischer Theorie, wonach hon Bonifacius VIHI, die Hand ausstreckte, zugleih der Câfar sein. Als nah dem zweiten Pariser Frieden der deutsche Bund „ins* Leben trat, protestirte hiergegen der Kardinal Consalvi, weil das

- heilige römische Reih niht wieder hergestellt worden, „politicae unitatis centrum.jure habitum et religionis sanctitate consecratum, Nah modern römischer Theorie ist die Bafis der riftlichen Rechtsordnung dieselbe geblieben, wie im Mittelalter, nämlich das rômisch - kanonishe Recht, úur mit dem Wegfall der Institution des Kaisers. Auf diesem Boden giebt es gar keine Staaten, welche selbständige Rechissubjekte gegenüber dem Haupt der Chriftenheit bilden können. Auf diesem Boden find die Konkordate nur Anweisungen, nur Vollziehungen der geistlichen Regentenpfliht. Stellt man \sich nun für die Theorie der Konkordate auf den ganz entgegengeseßten Standpunkt, nah welcher jeder Staat in seinen Grenzen das höchste und ursprüng- lih alleinige Rechts\ubjekt bildet, so find die Konkordate nur Vollziehungen politisher Regentenpflichten. 5 Als zweiseitige Verträge sind die Konkordate unmöglich

auf dem Boden des rômish-kanonischen Rechts, denn dieses erkennt den Staat niht als ursprünglihes Rechtssubjekt an. Ebenso unmöglih aber auf dem Boden des _Staatsrechts, denn von diesem wird die Kirche niht als ursprünglihes vom Staat unabhängiges Rechtssubjekt anerkannt. Die vorliegende Schrift führt nun weiter aus, wie um der

eben geschilderten Verlegenheit zu entgehen, der Ausweg er- griffen worden ift, die Konkordate als völkerrehtlihe Verträge aufzu- fassen, welhe der Papst als Souverän eines weltlihen Fürsten- thums- mit andern Souveränen geschlossen habe. Es leuchtet jedoh auf den ersten Blick ein, wie unhaltoar diese theoretische Auskunft ift ganz abgesehen von der Säkularisation des Kircyenstaats, w:lhe seither stattgefunden hat. Die Konkordate sind alles Andere eher, als Verträge weltliher Souveräne über Beziehungen weltliher Staaten. Nachdem der Aufsay ' ausgeführt, daß den Konkordaten theoretish jede Grundlage eines Rechtes fehlt, auf dessen Boden sie , erwachsen könnten, weist er an der Praxis der 1ómishen Kurie nach, was von anderen Seiten schon oft nachgewiesen worden, daß die rômishe Kurie Konkordate stets nur betrachtet als durch die Noth der Zeiten abgedrun- gene Schmälerungen ihres ganzen und vollen Rechtes, Shmä- lerungen, die keinen Augenblick. länger zu dulden sind, als der Dru der Zeiten daueit, der die Rechtsverkürzung auferlegt hat. Das praktische Resultat des Verfassers ist, daß das rechtliche

Verhältniß zwishen Staat und Kirche durch die Staatsgesegy-'

gebung allein geordnet werden muß unter Berücksihtigung der inneren und geistigen Natur der Kirche, sofern sie \sich auf dieses Gebiet beschränkt. Der Verfasser faßt seinen Gedankengang Über das Verzältniß zwishen Staat und Kirhe in das Wort des Kaisers Constantin zusammen, ex sei der Aufseher der äußeren S die kirhlihen Gewalten seien die Aufseher der inneren

ge: | „Aus eigner \{chöpferishèr Kraft zeugt die Kirche fich das Sensgesty und waltet darüber ohne Einmischung von außen. - Aber insoweit dieser an sich freie Organismus sih einfügt in die Lebensordnung der S insoweit die Kirche mit der Außenwelt fih berührt, und, eingefriedigt in andere Kreise, den äußeren Frieden findet, ohne den fie Segen zu spenden unver- mögend ift, darüber wacht der Staat,“

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Die Einrichtungen für die Wohlfahrt der Arbeiter der größeren gewerblichen Anlagen im preußischen

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Erste Veilage Berlin, Sonnabend, den 22. Juli

Staate.

(Vergl. Nr. 170 d. Bl.)

Bei der 1. Rubrik: Betheiligung des Geschäfts- personals am Reingewinn mit einer Quote und am Ge- \häfte mit Kapital ergiebt sich aus der stattgehabten Enquete, daß die ausgesprochenen Anfichten der Industriellen überwiegend absprechend gegen die ganze Einrichtung gerihtet find, soweit fie sh auf die eigentlihen Arbeiter erstrefen soll. Jede andere Art der Aufmunterung und Belohnung, wie durch Sparkassen und Wohnungen u. #. w., halten sie für zweckentsprehender und nügligzer. : : : Nitccetfanttre Versuche zeigen fich nur bei folgenden Fir- men: Windhoff, Deeters u. Co. zu Lingen a. d. Ems; andelsgesellshast K. & Th. Möller zu Kupferhammer bei Dradruede, Kreis Bielefeld; Aktiengesellshaft „Neue Berliner Messingwerke“ zu Berlin, hervorgegangen aus der Privat- firma „Wilh. Borchert jun.“ Außer den systematischen Ver- suchen dieser Fabriken zur Organisation einer Betheiligung der Arbeiter am Gewinn, i| ais hierher gehörig nur Folgendes be- kannt geworden: Ia Berlin gewährt: i die Maschinenbau-Anfstalt von Borsig den Beamten und Weérkmeistern 5 Proz. vom Reingewinn seit 1865; die Maschinenbau- Anstalt von Egells dagegen nur den Beamten einen Antheil von 5 Proz. Reingewinn seit 1871 ; die Norddeutshe Gummiwaaren-Fabrik (Fon- robert) sichert den Beamten und Werkmeistern einen Antheil bis 8x Proz. E A zu. Ein solcher if aber noch nit erreiht worden ; / : h die Genn der erwähnten Messingwerke (Borchert) beziehen 84 Proz. des Reingewinns ; 4 / tis S Tbei der Staatsbürger-Zeitung läßt nah Abzug von 26 Proz. des Reingewinns \sämmtlihe Beamte und Werkmeister am Reste des Reinertrages nah Maßgabe des jähr- lihen Arbeitslohnes partizipiren. Das Recht hierzu wird auf Grund eines \riftlihen Vertrages nah 6monatlicher Thätigkeit und tadelloser Führung beigelegt ; . die Fabrik von Siemens & Halske gewährt Beamten und Werkmeistern, auch Arbeitern, wenn sie dauernd in Lohn beschäftigt werden, Antheile am Reingewinn. Nähere Angaben hierüber sind jedoch niht gemacht worden; / i die Hutfabrik von Nössell giebt Gewinnantheile von 75 M auch für besondere Verdienste umsonst aus und verzinst je mit 5 Proz.; : f die Steinnußfnopf-Fabrik A E. M. Siegel ewährt den Werkmeistern roz. vom Reingewinn ; s fie Cigarrenfabrik von C. Keilpflug & Co. hat unter dem 1. April d. I. ihren Arbeitern eine Betheiligung an dem Reingewinn des Detailgeshäfts in Höhe der Hälfte des- selben zugesichert. / | Auch im Regierungsbezirk Frankfurt a. O. wird eine Quote vom Reingewinn von dem Geschäftspersonal in ver- einzelten Fällen bezogen. Bei der Verwaltung der „Ilseder Hütte“ im Amtsbezirke Peine, Kreis Hildesheim, beziehen eine Quote vom Reingewinn die 8 höheren Beamten der Gesellschaft. Die Quote richtet sich nah der dienstlihen Stellung, bezw. den Gehalts\sägßen der betreffenden Personen. : N Eine ganz ähnliche Einrichtung besteht in der chemischen Fabrik von Källe u. Co. zu Biebrich. A Im Umfange des ganzen preußishen Staates findet die Betheiligung am Reingewinn und mit Kapital statt: in sämmts- lihen Gewerhegruppen bei 474 Betrieben. Von diesen gewähren 141 nur den Vorstandsbeamten eine Quote des Reingewinns, 209 ihren Beamten allgemein, 120 den Werkmeistern,- Bormän- nern 2c., 10 den - Arbeitern. Die Einrichtung besteht bei 205 Betrieben seit 4— 143 Jahren, bei 14 seit dem Bestehen. Eine Betheiligung mit Kapital gewähren von jenen Betrieben : den Beamten 52, den Werkmeistern, Vormeistern g2e. 32, den Arbeitern und zwar allen sogleih 30, nach einer gewissen Zest 2, Der Betheiligung ist eine Grenze geseht bei 8. Die Einrichtung besteht bei 19 seit 1—38 Jahren, bei 2 seit Be- stehen. Eine Betheiligung der erwähnten Personen als Anerken- nung treuer Dienste findet ftatt bei 35 Betrieben, und zwar bei 16 seit 1—57 Jahren. i Bei Nubrik 11. Sparkassen-Einrichtungen ergiebt das gesammelte Material, daß unter dem gemeinschaftlichen Namen von Fabrik - Sparkass en eine Zahl ziewlih weit von éinander abweihender Einrihtungen begriffen sind. Es werden im Ganzen bei 216 Betrieben solhe Kassen auf geführt. Bei 135 derselben war die Zahl. der Einleger 17,931, welche 3,339,930 A Einlagen machten. Das Minimum dieser Einlagen beträgt 0,05 6 wöchentlih, als Maximum des Einzel- guthabens ergab sich 4757 #4. Der Zuschuß variirt zwischen 3!/7 und 62/z Prozent. Die Entnahme der Guthaben kann bei 101 Betrigben ohne Beschränkung geschehen; bei 52 nach einer bestimmten Kündigungsfrist, nah der Lohnzeit , nah dem Ab- ang von der Fabrik, nah dem Tode des Einlegers , in Noth- fällen u. #\ w. Bei 22 Betrieben bewirkt der Abgang des Arbeiters theils Verlust der Zinsen, auch wohl der Einlagen. Die Verwaltung der Sparkasse geschieht bei 26 Betrieben von eigenen Organen, bei 107 lediglich von dem Arbeitgeber. Die Einlagen find - gesichert bei 73 Betrieben dur die Firma, bei 17 durch Cffekten, städ- tische Verwaltung, Niederlegung bei Sparkassen, Schuldscheint u. \. w., die Einlagen find bei 23 Betrieben dur eigene Verwal- tung, Wahl des Vorstandes oder Deputationen oder Vertrauens- männer an der Verwaltung - betheiligt. Die Rechenschaftslegung erfolgt bei 102 Betrieben öffentlich oder durch Abschluß in Ge- neralversamm!lungen, Sparbücher, Arbeitsbücher u. \. w, Ein- rihtungen zur Beförderung der Benußung öffentlicher Spar- kassen bestchen bei 23 Betrieben theils durch Verpflihtung zum Beitritt, theils durch Prämien und durch Errichtung besonderer Annahmestellen. L é Die 111, Rubrik behandelt die Fürsorge für Beschaffung von Arbeiterwohnungen und ‘deren erleichterten

Arbeiterbevölkerung ins Leben ruft, find die auf Beschaffung von Wohnungen die nothwendigsten und deshalb am häufigsten

zu finden.

Es bestehen Einrichtungen dieser Art im preußischen Staate

H bei im Ganzen 1655 Betrieben, bei 43 derselven existiren eigene

nossenschaften. \ Wo, Zu A r Arbeiter hgben 54 Betriebe 441 Häuser,

mit Gärten zum Preise von 750 bis 118,500 ( und 14 Be-

Zur Beförderung des Erwerbes eigener

triebe 88 Häuser. ohne Gärten von 2000 bis 45,500 M gebaut. S h 12 Betriebe, Darlehne 135 gewährt, Zur Beschaffung von Miethswohnungen find zur Miethe für die Dauer des Arbeitsverhältnisses von 719 Betrieben 6339 Häuser mit Gärten hergestellt. Von diesen gewährten ihren Ar- beitern 117 ganz freie Wohnung, 585 gegen einen Miethszins der zwischen 8—580 # variirt. Häuser ohne Gärten wurden von 414 Betrieben 2412 mit 11,981 Familien- wohnungen errichtet ; von diesen gewährten 101 Betriebe ganz freie Wohnungen und 314 für einen Miethspreis von 6—360 A pro Wohnung, Wohnungen für einzelne Arbei- ter befanden sich auf 135 Betrieben 1943, darunter 61 ganz frei und 60 gegen einen Miethspreis von 4—180 M Logis und Schlafhäuser (Schlafsäle) für Arbeiter, welche nit täglih nach Hause gehen können, sind errihtet von 555 Betrie- ben mit 1512 Logis und 34,407 Sthlafstellen; bei 369 Betrie- ben wurden dieselben frei gewährt, bei 126 gegen einen Preis von 0,50 bis 9 #4 Die. Vermiethung von Schlafstellen an ledige Arbeiter ist gestattet bei 446 Betrieben und wird verlangt bei 57 Betrieben. Der Preis der Schlafstelle beträgt bei 132 Betrieben v-n 0,40 bis 9 H, bei 57 von 10 bis 45 k, inkl. Kost, bei 11 wird die Schlaffstelle ohne Entgelt gewährt. Trans- porterleihterungen für den Weg zu und von der Arbeitsstätte bestehen bei 33 Betrieben. j : | i Bei Rubrik 1V.: Einrichtung für Ernährung, billige Beschaffung von Lebensbedürfnissen aller Art, Klei- dung und Wäsche erscheint die verhältnißmäßige Isolirtheit dieser Einrihtungen und die häufig troß billigt gestellter Preise fonstatirte nur geringe Benugung derselben woßl nur als Aus- druck einer Uebereinstimmung zwischen der größeren Zahl der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer in dem Empfinden, daß die individuelle Befriedigung des Nahrungsbedürfnisses nur da, wo - zwingende Gründe allen anderen Rücksichten vorangeseßt werden müssen, durch gemeinschaftliche Anstalten auf die Dauer erseßt werden darf. Dergleichen Einrichtungen gewähren ihren Arbeitern, wenn auch nur immer theilweise, im Ganzen 1179 Fabriken. Speiseanstalten, Volksküchen oder Fabrikmenagen bestehen bei 259 Betrieben. Es stellt sich das Frühstück bei 76 Betrieben auf 0,03—0,50-._ #6

1,25 4, das Abendbrod bei 82 Betrieben auf 0,05—0,60 Á6 Die Zahl der durchschnittlich täglih ausgegebenen Portionen be- trägt bei 187 Betrieben 14,942. Für Arbeiter, welche zum Effen nicht nah Hause gehen können, bestehen Speisezimmer bei 692 Betrieben, Speise: Wärmvorrihtungen bei 791. Zur billigen Beschaffung von Lebensbedürfnissen aller Art befinden sich Konsumvereine bei 118 Betrieben, Vereins- bädckereien bei 25, Vereins\chlächtereien bei 8. Anlagen, welche Verbrauchsgegenfiände an die Arbeiter zu Einkaufspreisen vér- abfolgen, existiren 159 ohne besondere Einrichtungen, 27 dur Fabrikmagazine, 13 durch Fabrikbäckere!, 3 durch Fabrikshlächte- rei. Bei 77 Betrieben nehmen die Arbeiter an der Verwaltung dieser Einrihtungen Theil.

| Unter ubri V, are M die Gn behandelt, welche der Fürsorge für Kleidung, Wäsche und esunvdheitspfege dienen. Im Ganzen bestehen bei 1995 Betrieben solche Ein- rihtungen. Besondere Arbeitskleidung erhalten die Arbeiter bei 156 Betrieben, und zwar bei 137 umsonst. Wasch-, Troen- und Bügelanstalten befinden ih bei 86 Betrieben; Räume zum Waschen für Arbeiter Mittags und nah Feierabend bei 638 Be- trieben und zum An- und Ablegen der Urbeitskleidung bei 667. Für ärztlihe Hülfe sorgen durh Anstellung eines Ge\chäfts- arztes 1415 Betriebe mit 1525 Aerzten; durh Geschäftsapotheken 308 Betriebe; durch Krankenhäuser 184 Betriebe. Verztliche Untersuchung des Gesundheitszustandes findet bei 645 Betrieben stait. Fortzahlung des Lohnes an Shhwangere vor der Entbin- dung findet bei 95 Betrieben, an Wöhnerinnen bei 30 Betrie- ben während der Dauer von 14 Tagen bis 26 Wochen statt. Bade- Anstalten bestehen bei 179 Betrieben, _Turnanstalten bei 28, Turnvereine bei 20 Betrieben. Mägßigkeitsvereine sind bei 10 Betrieben vorharden. 2

Rubrik VIl.: Der Fürsorge für Seelsorge, Erziehung, Unterricht, geistige und sittlihe Ausbildung der Erwachsenen, Geselligkeit und Erholung gewidmete Ein- richtungen bestehen bei 509 Betrieben. Zur Seelsorge besigen 24 Betriebe besondere Kirhen und Kapellen; besondere Geist- liche sind bei 4 Betrieben angestellt; 32 Betriebe veranstalten einen besonderen Gottesdienst für ihr Personal. Zur Erziehung und zum Unterriht sind eingerihtet und zwar während des ersten Lebensjahres bei 19 Betrieben Kleinkinderbewahransta!ten, bei 94 Kleinkindershulen, bei 17 Kleinkindergärten, bei 9 Wais enhäuser. Zum Shulbesuche bestehenFabrikschulen bei 94Betrieben, und zwar bei 37 mit freiem Schulbesuch und bei 40 gegen Entrichtung von Squlgeld, Schulgeldbeihülfe gewähren 62 etriebe, Dur Aus=- bildung der Halberwachsenen existiren bei 77 Betrieben Forts bildungs\chulen, bei 62 Betrieben Schulen für weibliche Arbeiten, bei 52 Betrieben Sonntagsshulen, bei 53 Betrieben Zeihnen- \hulen. Zur geistigen und sittlichen Ausbildung der Er- wachsenen befinden fich Bibliotheken bei 23 Betriebev mit, bei 45 ohne Lesezimmer. Die Kosten dafür werden aufgebracht bei 47 Betrieben durch die Firma, bei 10 durch die Arbeiter und belaufen sih bei 29 Betrieben von 24—1000 6 jährlih. Zur Geselligkeit und Erholung existiren bei 13 Betrieben eine Musik- \hule, bei 106 ein Gesangsverein, bei 41 ein *Musikcorps. Ge- sang- und Mustkaufführungen werden bei 37 etrieben ver- anstaltet, Theateraufführungen bei 8, gesellige Zusammenkünste bei 40, sonstige Erholungen bei 82, Berg-, Sommer-, pátriotishe und besondere Feste bei 46 Betrieben.

Unter der Rubrik VIll.: „Anderweite Wohlfahrts- einrichtungen“ find die Kranken- und Wittwenkassen aufgeführt. j niffse hat bereits in dem im vorigen Jahre herautgegebenen erk

Eigenthumsübergang an die Arbeiter. Unter allen

Einrichtungen, welche die Fürsorge für das Wohlbefinden der

„Die unter staatlicher Aufficht stehenden gewerblichen Hülfskassen

pro Po-ction; das Miita.-essen bei 162 Betrieben auf 0,10— #3

Die zusammenfassende Schilderung dieser Verhält- -