1876 / 176 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 28 Jul 1876 18:00:01 GMT) scan diff

Vergütigung, auf ungefähr 3 Fr. belaufen. Dieses einfahe Verfahren exicihtert die rechtzeitige Protesterhebung an entlegenen Orten erbeblich und führt zugleich die bei Wechseln auf Neben- pläße vft unverhältnißmäßig hohen Protestkosten auf das rih- tige Maß zurück.

Durch das Gesetz, betreffend die Veränderung der Grenzen einiger Kreise in den Provinzen Preu- ßen, Pommern, Schlesien und Sachsen, vom 5. Juli 1876, sind folgende. Vereinigungen angeordnet worden :

I. Provinz Preußen: 1) die Landgemeinde Kamanten, unter Abtrennung von dem Kreise Pillkallen, mit dem Kreise Ragnit, 2) der Gutsbezirk Broszeitshen, unter Abtrennung von dem Kreise Angerburg, mit dem Kreise Darkehmen, 3) der Guts- bezirk Gurren und die Landgemeinde Alt- und Neu-Gurren, unter Abtrennung von dem Kreise Darkehmen, mit dem Kreise Angerburg, 4) die zum Regierungsbezirk Danzig gehörigen Theile des frishen Hafss mit dem Landkreise Elbing, 5) die Besizung Trettinkenhof in der Größe von 18 Hektar 42 Ar, unter Ab- trennung von dem Landkreise Elbing, mit dem Stadtbezirke und Stadtkreise Elbing.

11, Pommern: 6) der Gutsbezirk Cunsow mit dem Vor- werk Cothelow, die Landgemeinde Cunsow, der Gutsbezirk und die Landgemeinde Quakenburg, der Gutsbezirk und die Land- gemeinde Scharsow, unter Abtrennung von dem Kreise Rum- melsburg, mit dem Kreise Stolp, 7) die Gutsbezirke Dünnow, Muddel, Lindow und Saleske, sowie die Landgemeinden gleichen Namens, unter Abtrennung von dem Kreise Schlawe, mit dem Kreise Stolp, 8) die Gutsbezirke Schlackow, Goershagen, Mar- sow und Vießtke, sowie die Landgemeinden gleihen Namens, un- ter Abtrennung von dem Kreise Stolp, mit dem Kreise Schlawe, 9) der Gutsbezirk und die Landgemeinde Jannewißt, unter Abtrennung von dem Kreise Rummelsburg, mit dem Kreise Schlawe,

III. Schlesien: 10) der Gutsbezirk Cunnersdorf, sowie die Landgemeinde Cunnersdorf, jedoch mit Aus\{chluß der an den Gutsbezirk Ober - Rengersdorf angrenzenden Ländereien des Bauergutes Nr. 19, welche mit dem Gutsbezirke Ober-Rengers- dorf vereinigt werden, unter Abtrennung von dem Kreise Rothen- burg, mit dem Landkreise Görlig,

IV, Sachsen: 11) die zum Gemeindebezirke der Stadt Hett- stedt gehörige sogenannte Hettstedt-Gerbftedter Stadtflur in der Größe von 611 Hektar 25 Ar, unter Abtrennung von dem Mansfelder Seekreise, mit dem Mannsfelder Gebirgskreise, 12) die Landgemeinde Kurzlipsdorf, unter Abtrennung von dem Kreise Schweiniß, mit dem Kreise Wittenberg, 13) die Land- gemeinde Mahlißsh, unter Abtrennung von dem Kreise Witten- berg, mit dem Kreise Torgau.

Aus Anlaß einer strafgerihtlihen Untersuhung wegen Störung einer Begräbnißfeier hat das Ober-Tribunal in einem Erkenntniß vom 5. d. M. folgende Entscheidung ge- fällt: Das kirchliche Begräbniß gehört zu den gottes- dienstlihen Verrihtungen einer Religionsgesellshaft und die Störung desselben ist als Störung des Gottesdienstes ouf Grund des §. 167 des Strafgesezbuhes mit Gefängniß bis zu 3 Jahren zu bestrafen, selbst| wenn der bezüglihe Fried hof gleichzeitig zu weltlihen Geschäften, wie dieses die Beerdigung von Leichen den Umständen nah wohl fein kaun, bestimmt ist.

Ein Schuldner, welcher dem Gläubiger eine von ihm ausgestellie Quittung über die Schuld wegnimmt, ohne die Schuld vollständig abgetragen zu haben, begeht, nah einem, ,Gr- kenntniß des Ober-Tribunals vom 27, Juni d. I,, mit dieser Handlung einen Diebstahl.

Nah amtliher Mittheilung ift dem Apotheker M. Delhougne zu Lindlar die Konzession zur Fortführung der Schuelershen Apotheke daselb, dem Apotheker Kohli in Coppenbrügge die Konzession zur Anlage einer neuen Apotheke in der Stadt Hannover und dem Apotheker Kyrieleis die Konzession zur Errichtung einer selbständigen Apotheke in Duin- gen ertheilt worden.

Am 26. d. M. ift der Ober-Konfistorial-Rath Dr. theo]. Joh. Friedr. Bahmann, Pfarrer zu St. Jacobi in Berlin, in Cassel gestorben. Von seinen Schristen find die hymnologishen Studien hervorzuheben, deren legte „Das Osterlied Jesus meine Zuversicht“ in Nr. 12 der Bes. Beil. des R.- u. St.-A. vom I. 1875 besprochen worden ist.

R

“v Briefsendungen für S, M. S, „Medusa“ sind von jeßt ab ‘bis auf Weiteres na, Malta zu dirigiren.

Bonn, 27. Juli. (Köin. 3tg.) GefternNachmittag gegen 6 Uhr trafen Ihre M ajesläten der Kaiser und die Kaiserin von Brasilien nebst Gefolge: Josefina de Fonseca Costa, Vicomte de Bom Retiro, Vize-Admiral de Lamare, Dr. Sonza Fontes, Sekretär Arthur de Macedo, Professor Dr. Brown Seguard und Graf und Gräfin de Barral hier ein und nahmen im Hotel Bellevue Absteigequartier.

Bayern. München, 26. Juli. Unter dem Versize Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Luitpold wurde bereits diesen Abend eine Sitzung des Staats3rathes abgehalten, in welcher über den Landtagsabschied berathen wurde.

In der heutigen Sihung der Abgeordnetenkammer theilte der Präsident die Königliße Anordnung bezüglich des am 29, d. Mts. durch den Prinzen Luitpolò zu voll- ziehenden Landtags\chlusses mit. Die Kammer lehnte den Antrag der Reichsrathskammer auf Vorlegung eines Geseyes über die Ablösung der sogenannten Komplexlasten ab, hielt, wie hon gemeldet, gegenüber den Posftulaten, betreffend die Pläne für ein Justizgebäude in München, für den obersten Schulrath, die nig Lateinklassen, das Schullehrerseminar in Regensburg, ihre früheren abweisenden Beschlüsse aufrecht und lehnte auch den Beshluß der Reichsrathskammer hbe- züglich einer pragmatishen Gehaltszulage von 210 M ab. Der Abg. Frankenburger hatte Namens seiner politischen Freunde vergebens die Zustimmung zu den Beschlüssen der Reichs- räthe beantragt. Die Budgetberathung {loß mit Bilanzirung für ein Jahr der X1]IL Finanzperiode in Einnahmen und Aus- gaben mit 257,360,763 /6 Das Finanzgesey wurde mit 130 gegen 2 Stimmen (Rittler und Seiß) angenommen.

Jhre Königliche Hoheit die Herzogin Carl Theodor wurde gestern (Dienstag) Mittag 11/3 Uhr auf Schloß Possen- hofen von einer Prinzesfin glücklich entbunden.

Die Königin von Neapel i gestern Morgen hier angelangt. Jhr Gemahl König Franz, welcher vor-

estern von Garatshausen hier eingetroffen war, hatte die- elbe am Bahnhofe empfangen. Die hohen Gäste stiegen im E „Bellevue“ ak, wo ihnen bald nah Ankunft der Prinz udwig einen längeren Besuch erstattete. Gestern Abends 61/2 Uhr begaben sich die hohen Herrschaften zum Besuche ihrer Verwandten nach Possenhofen, wo sie bis zur Abreise der

Kaiserin von Oesterreich, welche Ende dieses Monats er- folgen wird, zu verweilen beabsichtigen.

Der General-Major Friedrih Frhr. v. Steinling is} heute Morgen hier gestorben.

27. Juli. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Abgeordnetenktammer wurden die Wahlen für Würz- burg und Schweinfurt, wo zwei resp. ein liberaler Ab- geordneter gewählt waren, kassirt. Dagegen wurden die Wahlen der beiden liberalen Abgeordneten für Günzburg für giltig erklärt.

Württemberg. Friedrihshafen, 25. Juli. Der König und die Königin haben fih gestern nah der Insel Mainau begeben, um der Deutschen Kaiserin einen Besuch abzustatten,

Hessen. Darmstadt, 25. Juli. Heute trat die Erfte Kammer und zwar zunäch|s| zur Berathung des Budgets zu- sammen. Auf der Tagesordnung stand die erste Hälfte des letz- teren, die meist ohne jede Debatte wesentlih im Sinne der Aus- \hußanträge zur Erledigung kam. Nur in einem nit unwesent- lihen Punkte wurde der Aus\chußantrag niŸt genehmigt. Be- züglih des Polytehnikums hatte nämlih der Aus\{chuß, entgegen dem Beschluß der Zweiten Kammer, das Ersuchen an die Re- gierung befürwortet, die Ausgaben für Landesuniversität und Polytechnikum thunlihst zu beschränken, „nöthigenfalls dur Verlegung des. Polytechnikums nah Gießen.“ Für diesen Zusaÿ ergaben fich nur vier Stimmen.

Vie das „N. H. V.-Bl.“ vernimmt find die Groß- herzoglihe Ober-Steuer-Direktion und die Steuer-Kommissariate zur Zeit mit Erhebungen beschäftigt, die darauf gerichtet find, zu ermitteln, welhe Resultate die Veranlagung der Kirchen- Steuer auf das ganze Einkommensteuer-Kapital und nur auf dieses liefern würde.

Ei

Desster reich-Ungarn. Wien, 27. Juli. Der Kaiser ift vorgeftern aus dem Brucker Lager zurückgekehrt und gestern Nachmittags 6 Uhr nah I\chl abgereist. Erzherzog Albrecht wird bis heute im Brucker Lager verweilen.

Pest, 26. Iuli, Wie man dem „Pester Lloyd“ berichtet, werden die großen Feldmanüöver, welhe in diesem Jahre auf dem Marchfelde projektirt waren, nicht stattfinden. Auch die bei Kaschau beabsihtigt gewesenen Uebungsmanöver werden unterbleiben, Der „Lloyd“ glaubt niht zu irren, wenn er diese Maßnahmen mit dem im gemeinsamen Kriegs- Ministerium wvorherrschenden Bestreben in Zusammenhang bringt, die durch die Ereignisse an unserer Süd» und Südwestgrenze nothwendig gewordenen größeren Aus- gaben im Heeresetat auf diesem Wege wenigstens annäherungs- weise zu kompensiren, Der Wiener Korrespondent des „Prag. Abbltt.“ bemerkt zu dieser Nachricht des „Peft. Lloyd“: „Ich habe an kowpetenter Stelle Erkundigungen über die Sache ein- gezogen und bin zu der Erklärung autorisirt worden, daß die Meldung des „Pester Lloyd“ jeder Begründung entbehrt. Es scheint also, daß das Pester Blatt Etwas, was ihm aus diesem oder jenem Grunde wünschenswerth erscheinen mag, etwas vor- {nell als Thatsache verkündet hat.“

Entgegen den ausgesprohenen Kciegsbesorg- nissen warnt „Ellenöór* davor, durch allzu große Besorgniß fich in den Krieg hineinzureden. , Die Regierung habe allen Even- tualitäten gegenüber die nöthigen Verfügungen getroffen. Man müsse kriegsbereit sein, aber nicht jede Verfügung der Regierung ershreckt ansehen.

Großbritannien und Jrland. London, 26. Juli.

+ Ein Blaubuh von 220 Seiten, enthaltend „weitere Papiere,

betreffend die leßten Unruhen in Barbadoes*, ist ausgegeben worden. Die darin befindlichen Schriftstücke erstrecken sih vom 9. Mai bis zum 5. Juli. Die späteste Depesche des Gouver- neurs Hennessy ift vom 7. Juni datirt und ward empfangen am 29. Juni; die späteste Depeshe des Lord Carnarvon an Mr. Hennessy ift vom 5. Juli datirt.

Im Anschlusse an die Debatte in der Freitagssitzung des Unterhauses bespriht die „Times“ die türkishen An- leihen und inébesondere die Anleihe vom Jahre 1854.

Für leßtere, meint sie, habe die englishe Regierung unbedingt eíne gewisse Verantwortlichkeit übernommen, warnt aber das Publi- fum, diese Auffassung als Präjudiz für zukünftige Anleihen fremder Staaten aufzufassen, da England weder ein Recht noch ein Interesse daran besitze, cinein Theile seiner Unterthanen das Spekuliren in unsicheren, aber hohe Zinsen tragenden, fremden Werthpapieren durch sein Eintreten für dieselben zu erleichtern. Den Unterschied zwischen der Anleihe vom Jahre 1854 und den späteren türkischen Anleihen, welcher nicht harf genug hervorgehoben werden könne, sucht das Blatt durch Gi Darstellung der geschichtlichen Enmftehung der ersteren klar zu machen.

Die Geschichte dieser Anleihe, so sagt dasselbe, führe eines der be- merkenswerthesten Ereignisse, deren sich Engländer erinnern können, ins Gedächtniß zuück. Sie wurde im Jahre 1854' abgeschlossen, gerade in dem Augenblicke, als nah Unterhandlungen von mehc als Jahres- länge Englard fich in den Krimkrieg gestürzt hatte. Die tapfere Ver- thcidigung der Türken hatte allgemeine Bewunderung erregt und den Glauben Hervorgerufen, daß die Türkei sich noch werth der erglishen Allianz bewcisen würde. Allgemein ward an eine neue iûrfishe Nera geglaubt. Ju solch einem Augenblick hieß der Türkei helfen den Engländern so viel wie ihrem eigenen Lande helfen und eine Folgerung dieses Gefühls war es, daß der Türkei es zum erften Male glückte was sie im vorhergehenden Jahre vergeblich versucht hatte eine Auleihe in England zu effektuiren. Lord Clarendon, damaliger Minister des Auswärtigen, gestattete die Bekanntmachung, daß die Regierung die Anleihe billige und \{chrieb zur Bestäti- gung dessen am 15. Auguft 1854 aus dem auswärtigen Amte: „der Kontrakt zwischen den Herten Black & Durand und deu Herren Gold)mid & Palmer is unter Kenntnißnahme Lord Clarendous abgeschlossen worden, welch leßterer volles Vertrauen in den guten Willen der türkischen Regierung seßt, die eingegangenen Verpflich- tungen zu erfüllen." Der Jnhalt eben dieser Verkündigung gewähre, so meint das Blatt, die besten Anhaltspunkte {ür das Maf von Ver- antwortlichkeit, welches die Regierung sich auferlegt habe. Es sei nicht eine Garantie, wie sie für die Anleihe des folgenden Jahres seitens Eng- lands und Frankreihs Übernommen wurde und nicht eine solche, welche die Vorsicht von Geschäftsleuten beruhigen würde. Es sei eine Versicherung, daß die Regierung in den guten Willen der Kontrahenten Vertrauen seße. Nachdem dann einmal das Eis gebrochen, sei es der Pforte aller- dings möglich gewesen, zu besseren Bedingungen Gelder aufzunehmen. Von der ursprünglichen Anleihe von 3,000,000 Pfd. Sterl. scien nur noch 1,896,000 Pfd. Sterl, Übergeblieben, eine kleine Summe im Verhältnisse zu der türkishen Gesammtschuld; aber es sei eine Summe, deren Zahlung zu fihern die großbritannische Regierung jedenfalls sih bemühen müsse.

27. Juli. (W. T. B.) Jm Unterhause erklärte auf eine bezüglihe Anfrage des Deputirten Biggar der Premier- Minister Disraeli, es befänden si 20 englische Kriegs- \chiffe in den türkishen Gewässern, darunter 11 Panzer- fahrzeuge; aber weder jeßt, noch früher habe aus dem Personal oder Material der englischen Flotte irgend eine Ueberweisung in

den Dienst des Sultans stattgefunden. Auf eine fernere An- frage Wolffs erklärte Disraeli, er habe niemals eine genaue Information über die Pläne der serbischen Regierung er-

halten und könne daher nit sagen, ob dieselben mißglückt:

seien; was aber die Frage anbetrefe, ob die Zeit nicht gekommen

\cheine, den Mächten eine Mediation vorzushlagen, \o halte-

er für besser, die (auf nühsten Montag angeseßte) Debatte über die orientalische Frage abzuwarten. Er werde dann die Gründe hören, die fich zu Gunsten eines solhen Vorshlags anführen ließen.

(W. T. B.) In Folge einer von Lewis Farley ergangenen Einladung fand heute zu Gunsten der Christen in der Türkei eine Versammlung statt, an welcher au gegen 20 Parlamentsmitglieder theilnahmen. Es wurde einstimmig eine Resolution angenommen, die sih gegen eine Unterstüßung der Türkei und gegen die von den Türken in Bulgarien verübten Grausamkeiten ausfpriht und sich für eine autonomische Stellung der aufständischen Provinzen erklärt. Von Farley wurde eine Depesche der serbischen Regierung ver= lesen, in welcher gesagt is, daß die Serben bis auf den leßten Blutstropfen kämpfen würden und daß die Regierung auf die Unterstüßung fremder Mächte und das Ausbrechen eines allge- meinen Krieges ihre Hofsnungen setze.

Frankreich. Paris, 26. Iuli. Das Waddingtonshe Geseß wegen Verleihung der Grade hat nah dem „Iournal des Débats“ nur eine untergeordnete Bedeútung gegenüberdem Reor= ganisationsplan der französischen Fakultäten. „Die Absicht des Ministers, sagt das Blatt, ist, in Frankrei fünf oder scchs große Universitäten zu shaffen, die den deutshen ähnli sein follen, sih selbst verwalten, eigene Einnahmen haben und welche alle die jungen Leute durhzumachen haben, die ih den freien Karrieren widmen. Wenn dieser Plan zur Ausfüh- rung kommt, läßt er Großes für die zukünftige Entwickelung des höheren Unterrihts in Frankreih hoffen. Nichts ist in der Thar mehr geeignet, den öffentlihen Geist zu weden und zu erheben, als die weiteste Verbreitung wissenshaftliher Kenntnisse durch Universitäten, welche volle Freiheit genießen, aber durch ihre Verbindung mit dem Staat einen nationalen Charakter bewahren. Preußen, welches in seinem vorwiegend praktischen Geiste fich wohl gehütet hat, die moralischen Kräfte zu vernaclässigen, die ebenso wirksam, vielleiht noch wirksamer für die Größe des Staates find, als die materiellen, hat stets den Unterriht, und besonders den höheren, als die Hauptstüße des Patriotismus und den bedeu=- tendften Hebel des politischen Fortschrittes erkannt. Am Tage nach dem Frankfurter Frieden hat Prcußen zu Straßburg eine Universität geschaffen, für welhe es Millionen verausgabt, und wo 31 Professoren die 11 unsrer Fakultäten und 63 Kurse die 37 Unterrichtsftunden unserer Fakultäten ersezgen. Hr. Lavisse hat in seinem Buche: „Die Gründung der Berliner Uni- versität“ berichtet, wie dieselbe während der französischen Okkupation geschaffen und vom Könige selbft als die Revanche für Jena angesehen worden. Man kann nicht ohne wahre Be- wunderung und nicht ohne bititeren Rückblick auf unsere eigene Lage und unseren inneren Zwiespalt den Bericht der Berathungen und Anstrengungen lesen, welche der Errichtung dieser Universität vorangegangeñ. Man is überrascht von der Weite der Gesichts- punkte, der Freiheit der Gesinnung, welche damals die Vertreter des preußischen Staates bewiesen haben. Allerdings waren es

" Humboldt, Fichte, Schleiermaher! Und wunderbar, diese \o un-

abhängige Universität, in der volle Denkfreiheit herrscht, is die Ehrenwächterin des Hauses Hohenzollern geworden, während man in anderen Staaten sih der Freiheit nur bedienen zu wollen scheint, um die Prinzipien des Staates und der Regierung selbst zu ershüttern.“

Der Auss\chuß des Senates für das Gemeinde- ges\eh besteht, wie sih jeßt genauer ergiebt, aus vier Mitglie- dern, welche gegen, vier, welhe für das Geseß sind, und aus einem, welhes für das Gese, aber gegen den Art. 3 desselben ist, der neue Wahlen der Maires anordnet. Nah dieser Zu- sammeasegung isst anzunehmen, daß das Gemeindegesey im Senat durchgehen wird, aber ohne die Bestimmung wegen der allge- meinen Wahlen der Maires nach Verkündigung des Gesetzes. Daf, die Lage des Kabinets eine sehr mißlihe wird, wenn der

Senat sein Nein erklären sollte, seßt heute auch der „Moniteur“

auseinander, empsiehlt aber gleichfalls die Verwerfung des Art. 3 des neuen Gesezes, von dem er nebenbei sagt, es {ei viel \hlehter als das jezt in Kraft stehende Gemeindegeseß. Der „Moniteur“ deutet an, daß der Senat am besten thun würde, wern er die Entscheidung über dieses Geseÿß bis zur nähsten Session vertagte.

Der Minifter des Innern hat angeordnet, daß ein telegraphischer Auszug aus den Berichten über beide Kammern den pariser Abendblättern unentgeltlih zugehen soll, ferner daß die Benußung des Telegraphendrahts zwischen Paris und Versailles für Spezialdepeshen an die Blätter fortan nur 25 Fr. die Stunde kosten \oll ftatt 50 wie bisher. Marcere ordnete diese Erleichterungen auf Possards Vorschlag an.

Der „Köln, Ztg.“ wird geschrieben: „General Chanzy ist keineswegs nur deshalb nah Paris gekommen, wie ex sagte, weil er es für seine Pflicht hielt, bei Gelegenheit des Gesehes Waddington für die Regierung einzutreten; der eigentlihe Grund seiner Reise war, daß in Algerien, wo die Muselmänner gegenwärtig eine großartige Propaganda zu Gunsten des „hei- ligen Krieces“ machen, große Erregung herrscht und ein all- gemeiner Aufstand zu befürchten ist. General Chanzy hielt es für nothwendig, der Regierung über die Lage der Dinge in der franzöfishen Kolonie mündlich zu berihten, und er seßt es auch dur, daß ganz außerordentlihe Maßregeln getroffen werden. Der Kriegs-Minister befahl, alle Anstalten zu treffen, daß sofort 50,000 Mann Verstärkungen nach Algerien geworfen werden können und ernannte einen Generalstabschef, der fich unverzüglich nah Marseille begeben wird, um dort das Weitere abzuwarten. *

Die A! welche der Budgetaus\chuß, gegenüber dem von der Regierung aufgestellten Ausgabebudget beantragt, flellen sih so: Justiz und Kultus 2,388,450 Frs., Aeußeres 728,500 Frs., Inneres und Algerien 2,489,426 Frs... Krieg 5,528,474 Frs., Marine 7,883,291 Frs., Ackerbau und Handel 163,000 Frs., Finanzen und Unkosten der Steuer- einnahmen 8,325,925 Frs. Dagegen \{chlägt der Aus\huß eine Mehrbewilligung von 630,000 Frs. für die öffentlihen Arbeiten, von 7,695,925 Frs. für den öffentlihen Unterricht vor.

Nach dem vom „Journal officiel“ gebrachten Tableau der direkten und indirekten Steuern im erften Se- rg d. J. haben die ersteren 334,239,800 Jr., d. h. 45,867,000 mehr als das Vorjahr ergeben. Die indirekten Steuern ergaben in diesem Semester 983} Mill, der Voranschlag betrug 9183, d. h. 70 Mill. weniger als der wirklihe Ertrag ist. Die 3 proz. Abgabe von den Mobilien hat 18 Mill. eingebraht,

etivas mehr ala dle Hâälfté der für das ganze Jahr veranschlagten Summe.

97, Juli. (W. T. B.) Wie aus Deputirtenkreisen ver- lautet, hat der Präsident Mac Mahon in einem heute früh abgehaltenen Ministerrath den Wunsch ausgedrüli, daß vor der bevorstehenden Vertagung der Kammern das Budget noh vollständig durchberathen und zu dem Ende die Session bis

zum 20. k. M. verlängert werden möchte. 7

Versailles, 27. Jult. (W. T. B.) Die Deputirten- kammer begann heute die Budgetberathung. Bei der rasch zu Ende geführten Generaldebatte wurde von den Bona- partisten mehrfah Widerspruch erhoben und besonders geltend gemacht, daß das Budget der Republik sich viel höher belaufe, als dies bei den Budgets der Monarchie jemals der Fall ge- wesen sei. Der Finanz-Minister gab zu, daß das Budget höher sei, hob aber hervor, daß es sih nicht um imaginäre Ausgaben oder solche nah Lust und Laune, sondern um nothwendige und um Nuygen bringende Ausgaben handele. Ueberdies sei es die Schuld des Kaiserreihs, wenn das Budget sich erhöht habe, denn unter ihm sei die Staatsschuld um 700 Millionen gewachsen. In der Spezialdebatte wurden hierauf mehrere Kapitel des Etats für den öffentlichen Unterricht genehmigt. Die Berathung des Etats wird morgen fortgeseßt.

Italien. Rom, 25. Juli, Die „Opinione“ widmet dem Handelsvertrage, welcher mit Rumänien abgeschlossen werden soll, einen Artikel, und \priht ihre Freude darüber aus, daß Italien dadur mit dieser entfernten römischen Kolonie in Verbindung trete.

Bei den Wahlen zur Ergänzung der Kommunal- und Provinzialräthe haben in Venedig die gemäßigt Libera- len und in Rovigo die Fortschrittsparthei gesiegt. Die Klerikalen unterlagen in Rovigo wie in Venedig troy aller Anstrengungen.

Ueber die Maßregeln zur Aufhebung dex Klöster oder das Aufhören der Anerkennung religiöser Orden und Ver- eine als bevorrehtigter, insbesondere des Besißes und einer eximirten Disziplin fähiger juristisher Personen entnehmen wir der „Köln. Ztg.“ Folgendes:

Im Königreich Jtalien war in dieser Beziehung bereits in der Mitte der sehs®ziger Jahre gleiches Recht geschaffen worden. Als nun Rom zux Hauptftadt des Landes wurde, fonnte die Einführung des anderwärts geltenden Rectszustandes nur eine Frage dec Zeit sein. Im Sommer 1873 ist die bezüglihe Vorlage Seitens der Kammer und deo Senats angenommen und nun die „Aufhebung“ der Römi- \cken Klöster einem besonderen Ausschusse anvertraut worder.,, der jet im Begriffe steht, seine Arbeit zu vollenden. Es erhellt {chon, aus der großen Anzahl der Gepoenstände und ihrer Verschiedeuartigkeit, daß die Arkeit des Ausschusses eine sehr umfangreiche und verwidckelte gewesen scin muß, Jn der Beilage, welche der damalige Justiz- Minister de Falco 1872 mit der gedachten Vorlage zugleich der Kam- mer einreichte, beziffert sich die Anzahl der in Rom vorhandenen Klöster und Häuser religiöser Orden auf 232. Davon kamen auf die männlichen Orden und Vereinigungen 126 Klöster (114 von besißenden, 12 von Bettelorden), 5 Hospitäler und 3 Pönitentiarien; auf die weib- lihen Orden 90 Häuser, 6 Hospitäler und 2 Strafanstalten. Die Mitglieder der ersteren beliefen sich auf 2375, und zwar 1936 Priester und 739 Laienbrüder, die der leßteren auf 2183, und zwar 1778 Choristen und 405 Konversen. Zusammen ergab dies die Zahl von 4598 Mitgliedern religiöser Orden oder bei der damaligen Bevöl- kerungszahl der Sta: t eins derselben auf je 53 Bewohner. Dem ia Folge des Geseßes vom 19. Juni 1873 durch Königliche Werorduung eingefeßzten Ausschusse lag nun die Aufgabe ob, bei diesen sämmtlichen Orden und Vereinen das Vermögen zu ermitteln, eine Reihe von Vorfragen zu erledigen, nach welchen defsen (Ertrag auch fernerhin verwendet werden soll, ferner die Jahrgehälter fur die einzelnen Ordensmitglieder zu bestimmen, ihnen die einst ins Kloster gebrachte Mitgift heraus¡ubezahlen und die öffentlig,en Verkäufe des Grundeigenthums einzuleiten beziehentlih zu aen E ees der Umwandlung desselbèn in Staatsrente voran- gehen müßten.

Der Ausschuß hat bei 151 Ordenshäusern diese Ob- liegenheiten im Verlauf der drei Jahre zu Ende geführt. Bei 75 Häusern ergab sich, daß fie niht unmittelbar unter das be- treffende Besey der Aufhebung, sondern unter die allgemeinen Bestimmungen über das Vereinswesen fallen, da ihre Mit- glieder niht durch Klausur oder besondere Gelübde gebunden oder nicht auf Lebenszeit verpflichtet sind, kurzum, da die Kennzeichen, welckche das erwähnte Gefeß vorausseßt, nicht zutrafen. Aus beson- derer Rücksicht für Rom, a1s den Mittelpunkt der katholischen Kirche und Wohnsiß des Papstes, wurde von den Klöstern kein einziges an Privatleute veckauft. Dieselben sind entweder in den Besi des Staates übergegangen und dienen der öffentlihen Verwaltung oder sie sind in die Hände der Römischen Stadtgemeinde gelangt, um für Schul- und andere Zwecke verwandt zu werden, oder harren noch ihrer Bestimmung. Ale Gesuche von Privaten, welche beabsichtigten, die zum Theil ungemein ausgedehnten Gebäulichkeiten früherer Klöster zu ge- werblichen oder kaufmännischen Zwecken zu verwendca, hat man abgewiesen.

Die zu meist niedrigen Anschlägen ansgebotenen Grundstücke haben einen Verkaufspreis von 23 Millionen Lire erzielt und damit das Ausgebot um 4 Millionen übecstiegen. Zu diesem K!ostergut von 23 Millionen an baarem Vermögen, welches der Aus\huß vor- fand, aljo eine Gesammtsumme von 724 Millionen im Haben, der dann freilich 31 Millionen im Soll gegenüberstehen. Da das Geseh vom 13. Juni 1873 ausdrücklih festseßt, das, alle etwaigen Ueber- [ne für den Kalt- und Parochialfonds in Rom verwandt werden

ollen, so wird auch nach dem jeßigen günstigen Stande der Dinge der Fiskus oh keinen Vortheil von der Aufhebung der Klöster haben, sich aber allerdings die geleisteten Vorshüsse zurückerstatten lafsen können. Der Ausschuß selbst steht nun vor dem Schlusse sei- ner Thätigkeit. Die Arbeit dec Besißergreifung, Umwandlung und Anweisung der Dotationen und Peusionen an die Bewohner ist nur noch bei jechs Klöôstern zu vollziehen, Dann ift noch eine Reihe von Prozessen, meist über streitige Zuständigkeit, zu erledigen. as die Versorgung der Mönche und Nonnen betrifft, sind nach dieser Seite hin selten begründete Klagen laut geworden. Jnt em man den einzelnen Nonnen ihre Jahrgehälter anwies und ihre Mit- gift zurückzahlte, stellte man ihnen frei, entweder in ihre Familien zurückzukehren oder, falls sie dies niht könnten oder wollten, in einem der autdrüdcklih für diesen Zweck zur Verfügung gestellten Klöster, in welchem die Mitglieder verschiedener weibliher Orden neben einander Aufnahme fanden , ihre Wohnung zu nehmen, Beides ift denn auch geschehea, und noch einen dritten Weg hat man in einigen Fällen damit eingeschlagen, daß man der Aebtissin und den Schwestern eincn kleinen aber hinreichenden Theil ibres eigenen Klosters auf Lebenszeit überließ, Mit den Ordensbrüdern ist man ähnlich verfahren, jedoßH hat man nur den Alten und Schwachen unter ihnen eine kleine Anzahl von Asylen geöffnet, in denen nun Angehörige aller Arten von Orden sich zusammenfinden. Andere sind entweder ur Bedienung der Kirche oder zur Pflege der Kranken, oder aber bei einigen Bibliotheken als Beamte in ihren biéherigen Stellungen geblieben, so z. B. bei den drei größten römi- schen Bibliotheken gedruckter Bücher diejenigen Mitglieder des Domi- nikaner-, Augustiner- und Oratorianer- Ordens, welche bis dahin diese Stellen versehen hatten. Noch andere find ins Privatleben zurück- gekehrt, während endlih eine nicht unbeträchtlihe Anzahl sih in Privathäusern gesellshaftlih eingemiethct hat und dort ihc Leben in der gewohnten Weise weiterführt. Diese Leute zehren denn von den Gehältern, welche allen, die vor 1870 bereits in einen Orden einge- treten waren, zuerkannt worden sind, Erweist si die allerdings nicht übergroße jährliche Summe als ungenügend, so steht auch nichts im Wege, daß der Einzelne sich nebenbei etwas verdiene,

27. Juli, (W. T. B.) Der Papst empfing am Dienstag die Zöglinge der ausländischen Kollegien. Bei der an dieselben gerihteten Ansprache redete der Papst von Unordnungen, die in Rom herrschen sollten und von an- geblihen Plänen von Sektirern, die eine künftige Papft- wahl mittelt einer Volksabstimmung bewirken wollten. Zum Schluß ermahnte der Papst die Zöglinge, würdige Diener Gottes zu werden.

Türkei. Der „Neuen freien Presse“ wird laut Telegramm vom heutigen Tage nunmehr ebenfalls von zuverlässiger Seite gemeldet, daß Sultan Murad \{chwer krank und daß feine Krankheit die Ursache sei, weshalb die Inves:itur desselben und ein Empfang der fremden Botschafter bisher niht statt- gefunden habe.

Aus Serajevo, 19, Zuli, wird der „Pol. Corr.“ ges \hrieben:

Der neue Vali Nazif Pascha hat gestern allen hier an- wesenden Generalkonsoln offizielle Besuche gemacht. Bei diesem An- lasse trug der Generalgouverneur eine sehr zuversidtlihe Stimmung ur Schau. Einem der Generalkonsuln gegenüber äußerte sich Nazif

ascha, daß „mit Gottes Hülfe der serbisch-türkishe Krieg ia vier- ehn Tagen zu Ende sein werde.“ Die türkishe Behörde organisirt 04 auch katholishe Legionen gegen die Serben. Aus Travnik sind 500 Katholiken zur Drina abgegangen. :

Die Kaiserlichen Konmmissäre für die Durchführung der Reformen in der Herzegowina und Bosnien, Ali Pascha und Hajdar Effendi, beceiten sich vor, Mostar und Serajevo zu verlassen. Ali Pascha soll abermals in das diyplomatische Corps ein- treten und als Gesandter des Sultans am italienisccheu Hofe nah Rom gehen.

In einer Versammlung, welche im Konak. des Vali abge- halten wurde, berieth man über die Beschaffung von 100,000 Livres, die man für die Armeecorps des Djelalzin und Moufkfhtar M unbe- dingt braucht. Auch die hiesigen christlichen Notablen sowie der Meétropolit Antimas waren anwesend. Die Serajever Kaufleute zeihneten eine namhafte Summe. Metropolit Antimus versprach, die Geistlichen seiner Umgebung in das Vilajet zu \{chicken, um das orthodoxe Volk zur Leiftung einer Kriegssteuer zu bewegen.

Vom Kriegsschauplaße liegen heute folgende Tele- gramme vor:

Belgrad, 27. Juli. (W. T. B.) Die Regierung ver- öffentlicht folgende Nachriht vom Kriegs\{hauplaze: Gestern Mittag versuchte ein Theil der türkishen Armee den Timok bei Vracsogerniza (ungefäßx 15 Meilen nördlich von Saitschar) zu überschreiten, wurde jedoch von unserer In- fanterie gehindert, fich dem Flusse zu nähern. Unsere Verluste sind unbedeutend, die Verluste der Türken find bedeutend größer, da unser Feuer auf die feindlihen Angrifsskolonnen gerihtet war, währènd die Türken unsere Bat- terien erfolglos beshossen. Am 24. d. M. wurde Derwisch Pascha von T\cholak Antit\ch bei Dugapoljana (un- gefähr in der Mitte zwishen Sjeniza und Nopibazar) voll- ständig geschlagen. Die Unsrigen machten große Beute. Die Ernennung von Tscholak Antitsch zum Kommandirenden an Stelle des Generals Zach, der erkrankt ist, wurde von der Jba-Armee enthusiaftisch aufgenommen.

Wien, 27. Juli. (W. T. B.) Die „Politishe Korrespon- denz“ meldet aus Ragusa: In Folge der bedeutenden am 23. cr. zwischen Zalom und Newesinje erlittenen Niederlage zogen ih die Montenegriner ansängliGh nach Gacko, dann weiter bis Korito zurük, wo sich Fürst Nikita gestern befand; dieselben haben fch inzwishen bei Krstac am Dugapasse in der Herzegowina wieder konzentrirt, wo einem neuen Zusammenstoße entgegengeschen wird. Das Blatt bringt ferner Details über das am 24. d. an der albanisc - montenegrinischen Grenze dburch Montenegriner und Kuccianer den Türken gelieferte Gefeht, wobei nicht 1500, sondern 15,000 Türken bis Podgorizza zurückgedrängt worden seien und fügt hinzu, daß, nahdem die Türken seit vor- gestern in Antivari frishe Truppen ausges\chift, ein Angriff der Türken, der die Invasion Montenegros einleiten solle, ih sehr wahrscheinlih in den nächsten Tagen: erneuern werde.

Die „N. fr. Presse* vom 26. Juli schreibt:

Heute herrsht absoluter Mangel an Nachrichten vom Kriegs- shauplaze. Es ift abec, wenn nicht etwa der Kampf {hon entbrannt ist, jenes Stadium der Vocbereitung zur Entscheidungs-

chlacht eingetreten, in weichem. beide Theile über ihre Bewegungen as grôßte Stillschweigen beobachten. In Belgrad, wo man fich endlich in die Defensive gefunden hat, herrsbt die Ueberzeugung, daß der Hauptangriff Abdul Kerim Paschas bei Zajcar erfolgen werde. Ein solcher hätte allerdings im Falle des Ge- lingens den großen Vortheil für die Türken, daß die von dort nah dem Morawathale ziehende Straße be: Paracin und Cuprija nôörd- lich von Deligrad, also bereits in den Rücken der hier angelegten B-feftigungen führt. Serbische Berichte wollen glauben machen, Zajcar sei so stark befejrigt, daß die Türken dasselbe nur {wer werden nehmen können, Abgeschen davon, daß keiner der vielen Korrespondenten, welche das türkische Lager bei Veliki-Jzyor besucht yaben, etwas von diefen formidablen Befestigungen bemerkt hat, muß noch darauf aufmerksam gemacht werden, daß die Höhen von Veliki-Jzvor die Stellungen der Serben vollständig dominiren, daß es somit der türkischen Artillerie nicht {wer fallen kann, die serbi- {en Werke in Schutt zu schießen. Allerdings wird die Eroberung von Zajcar den Türken viel Blut kosten, uud das tückische Ober- Kommando mag es gewiß schon bereut haben, daß Osman Pascha, der wiederholt den Timok überschreiten und Zajcar okkupiren konnte, in seinem Siegeslauf gehemmt wurde.

Ein zweiter für die Türken günstiger Angriffspunkt an der Ostgrenze ist das mehrerwähnte, im oberen Timokthale liegende Kujazevac. Durch die Besigergreifung dieser Stadt, bei welcher sich die Straßen von Zzajcar, Aleksinac-Banja, Nisch und Pirot ver- einigen, würden den Türken auch grcße strategische Vortheile erwach- sen. Von Kujazevac aus könnte Abdul Kerim Pascha einerseits über Banja in das Moramwathal, und zwar im Rücken der Stellung von Alekfinac, debouchicen und andererseits die Po- sition von Zajcar, gegen Norden vorrückend, aufrollen. Die Straße von Kujazevac nah Zajcar wird allecdings dur das histo- rish berühmte Difiié von Vratarnica gesperrt; da jedoch Osman Pascha gleichzeitig vom Osten gegen die Timoklinie vorrücken würde, f verliert selbstverständlich dieser sonst schr s{chwierige Thalpaß einen Werth für die serbische Vertheidigung. Bedenkt man fernex, daß von der türkischen Frontlinie Nisch-Ak-Palanka-Pirot drei Straßen- züge nah Kujazevac führen, nämlih: 1) Nish-Gramada, 2) Afk- Palanka-Babina-Glava-Pandiralo und 3) Pirot-Cerova-Pandiralo- Kujazevac, daß somit die Zugänge zu diesem Anzriffspunkte für die türkische Armee viel leiter find, als jene von Adlié und Izvor nah Zajcar, so kann man sich dec Erwägung nicht verschließen, daß Kujazevac als Angriffe punkt für die türkische Armee vortheilhafter liegt, als Zaicar. Endlich mußte bei der Wabl des Angriffspunktes im türkischen Hauptquartier noch ein anderes Moment in Berüksich- tigung gezogen werden. Das Gros der türkischen Truppen hat nun einmal feinen slrategishen Aufmarsh in der Linie Nisch-Ak-Palanka- Pirot vollführt. Um den Hauptangriff bei_ Zajcar zu unter- nehmen, hätte das Gros der Türken um die Südostspiße Serbiens herum nach Norden roquiren müssen, zu welchem Zwecke nur eine einzige brauchbare Straße (Pirot-Widdin) vorhanden ist. End- lich muß Abdul Kerim Pascha auch den Fall der Niederlage in Be- rüdsichtigung gezogen haben, Eine Niederlage bei Zajcar müßte den -

Rück(zug der Türken nach ‘Widdin, das heißt die Trennung von ihrer Basis und Operationslinie zur Folge haben.

Alle diese Gründe spreben für die Wahl von Kujazevac als Hauptangriffspunkt, was allerdings nicht aus\chlicßt, daß O3man Pascha bei Zafcar und ein anderes Corps von Nis aus bei Alek- sinac die serbishe Grenze forciren dürften.

Die „Presse“ vom 26. stellt die Lage auf dem Kriegs\chauplaßze, von militärishen Gesichtspunkten aus, folgendermaßen dar:

__ Wenn \ich die glücklichen Vorposten«efehte der Jbar-D ivi- sion auch bestätigen sollten, so können sie doch nur ein {wacher Trost für die allgemeine Situation sein, in der ih die \erhische Armee dermalen befindet. Auch feinen die taktishen Bewegungen dieser Division in den leßten vierzehn Tagen nicht für die Umsicht und klare Anschauung der thatsählihen Verhältnisse Seitens ihres Kommandanten General Zah zu \prehen. Es is bekannt, daß Archimandrit Ducsics am 7. und am 14. Juli gegen Novavarosch operirte. Ebenso hatte T\cholak-Antics am 7. Novi- Bazar angeariffen und „bombardirt*. Und nun erfahren wir, daß am 24. d. M. Ducsics die Türken aus ihren Blockhäusern bei dem Brunnen Basiljina Tschesma verjagt habe. Er muß also einen augenscheinlich nicht sehr bequemen Marsch von sechs bis sieben Meilen im hocchbewaldeten Mittelgebirge hinter den Truppen Zachs ausgeführt haben. An demselben Tage operirte auch Tscholak- Antics gegen Sjeniza. Mit dem „Bombardement“ und mit der Einnahme von Novibazar hatte es also auch eine eigene Bewandtniß, sonst hätte auch er einen Marsch von sieben bis aht Meilen nach Westen nicht zu unternehmen gebraucht, um die Türken anzugreifen. Man fragt sich aanz unwillkürlih, welche Angriffsdispositionen waren die richtigen: die vom 7. Juli gegen Novavarosh, Sjeniza, Novi- bazar und Mittroviß, oder die konzentrishen Bewegungen vom 24, Juli gegen Sjeniza? Wir möäten die Zweckmäßigkeit beider Dispyosi- tionen, ob fie zum Siege geführt haben oder nicht, bezweifeln. Wir kommen immer wieder darauf zurü, daß Novibazar das wahre Opera- tions-Objett des Generals Zach war und bleibt. Der Vorstoß gegen Sieniza, um den Montenegrinern die Hand zu reichen, ist um so weniger zu rechtfertigen, als Fürst Nikita eine unüberwindlihe Ah- anes gegen eine Kooperation mit der serbischen Armee zu haben eint.

Die N iederlage der Montenegriner zwishen Blagaf und Nevesinje wird nun auch von serbisher Seite bestätigt. Fürst Nikita fceint in den Wäldern der Bischina von dem beweg- lichen Moukhtur Pascha überrasht worden zu sein. Wir haben schon vor mehreren Tagen darauf hingewiesen, daß Fürst Nikita durch die Cernirung von fünf befestigten Punkten feine kleine Armee über- mäßig geschwächt | und seine Vorrücckung gegen Mostar zu sehr be- s{leunigt habe. Seine vor zehn Tagen gegen Neyvesinje vorgeshobe- nen Abtheilungen mußten ihm doch darüber berichtet haben, daß Mostar nicht im Handumdrehen zu nehmen sei.

Bei Podgorizza scheinen die beiderseitigen S:reitkräfte unze- nügend zu sein, um eine entscheidende Operation zu unternehmen. Die Montenegriner suchen auf dem öftlihen und westlichen Ufer gegen Scutari vorzurücken, ohne bisher größere Erfolge erzielt zu haben. Wenigstens wurde bisher die Fortsetzung der Vorrückung des Mascha Gjurovics von Seoze nah Murics und die durch den Paß Sut- turman gegen die Ebene von Antivari niht gemeldet. Bozo Pe-- trovics ¡hat noch immer Medun cernirt und steht vor Podgorizza.

Aus Belgrad, 23. Juli, erhält die „Pol. Corr.“ fols gende Nachrichten:

Der Kriegs-Minister hat neuerlih cin Artill erie-Regi- ment aus drei Batterien formiren lafsen. Jn Kragujevaß werden die Kanonen laffettirt. Seit dem Ausbruche des Krieges ist es das zweite Artillerie - Regiment, welches gebildet wird. Die serbische Artillerie wird dadurch um sechs Batterien vermehrt, Man legt hier das größte -Gewicht auf eine zahlreiche Artillerie. Wo die serbische Artillerie eingreifen konnte, haben die Serben Vortheile errungen. Man will nun aus diesem Grunde zumeist Artillerie in Anwendung bringen. Mit der Formation der neuen Batterien gehen fortwährende Einkäufe von Pferden Hand in Hand. Täglich werden 40 bis 90 Pferde der betreffenden Kommisfion Le Bei dieser A R fei bemerkt, daß die Regierung alle ieferungen baar ezahlt.

Die hiesige Festung wird armirt, Auf den Wällen der unteren, an der Wasserseite liegenden Feftung sicht man kolossale Festungs- geschüße placirt, Es sind dies dieselben Geschütze, welche die Pforte nah dem Krimkriege von England gekauft und nah Belgrad bringen ließ. Bekanntlich machte der Sultan sämmtliche Jestungsgeshüßze von Belgrad 1867 dem Fürsten Michael zum Geschenke.

Wie bereits berichtet wurde, ist der Oberst Kirejeff, der die bulgarischen Freiwilligen kommandirte, am 18. bei Saitschar gefallen. Kirejesf war eine große, stattliche Persönlichkeit und zeichnete sich iur besondere Tapferkeit aus. Für den Gefallenen wird ein Requiem mit großem Pompe vorbereitet, Der Oberst Komaroff ist hier angekommen, E

Cin Theil der Südostarmee ist an den Timok dirigirt worden. Dort soll die Entscheidungsschlacht geschlagen werden. Aus allen türkischen Bewegungen soll hervorgehen, daß Abdul Ke- rim Pascha die Heeresstraße über Saitschar forciren will. Wie man behauptet, soll Tscheruajeff jeßt persönlih das Kommando bei Saitschar führen. Wiewohl man hier einsieht, daß man nicht gerade glänzend fteht, so ift man doch andererseits weit davon entfernt, zu. verzweifeln. Die Aimeen mögen bis jeßt an Todten und Verwunde-- ten bei €009 Mann verloren haben, dadur ift aber die Heeresmacht keinevwegs ftark geschwächt worden. Seit dem Beginne Les Krieges find bei 30,000 Maun frisher Truppen der Armee zugeführt worden, abgesehen von den Freiwilligen und Aufständischen, deren Zahl auch ziemlich groß ift und die wesentliche Dienste leisten. Ueberall haben die exponirten Corps ftarke Defensivstellungen, Man giebt noch feine8wegs die Hoffnung auf einen günstigen Ausgang des Krieges auf. Aus Rußland, Desfterreih, Jtalien, Deutschland, England und Nordamerika sind Aerzte angelangt, welche der Armee zum größ- tezn Theile unentgeltliche Dienste leisten wollen.

_— Ueber die im serbishen Hauptquartier zu Pa- racin herrschende Stimmung telegraphirt der Korrespondent der S News“ seinein Blatte vom Freitag den 21. d. M. Fol- gendes: _

Es wäre nußlos, fich zu verhehlen, daß die gegenwärtige Lage Serbiens eine fehr kritische ist. Alles sheiui von dem glücklichen Auëgange des Versuchs, O:man Pascha einen zer s{mettern- den A zu verseßen, ihn nach Widdin zurückzuwerfen und fo die Ostgrenze frei zu machen, abzuhängen. Die Türken entwickeln eine unerwartete strategishe Geschicklichkeit und vercinen pla n- mäßiges Vorgehen mit raschem Erfassen der Situation. Sie waren vollkommen unterrichtei von der Absendung eines Viertheils der bei Nisch gestandenen serbischen Truppen behufs Unterstüßung Ljeschanins in der Front von Zajcar. Die Türken benüßzten am Mitt- woch diese Verringerung der serbischen Streitkräfte, um Uzun Mirko- wiß anzugreifen, und obwohl behauptet wird, daß sie zurükzeschlagen worden seien, werden sie doch wahrscheinlich die Offensive an der \üds östlihen Front, vielleicht unter Mitwirkung der Besaßung von Nisch, erneuern. Die Haltung, welhe die Türken in {jüngster Zeit einge- nommen haben, ist ersichtlih eine energische, übexall {reiten sie zur Offensive, und dies ist eine Politik, welcher der unvertheilhafte Charakter des serbischen, na drei Seiten füc den Angreifer offen liegenden Gebiets ein noch stärkeres Relief verleiht. Wena die Serben auf Offensive sinnen, wie in dem Falle Ducic gegen Nova-Varos, so kommcn die Türken der Bewegung durch einen Angriff zuvor. Sie scheinen entschlossen, zu versuchen, die Serben auf allen Punkten innerhalb ihrer Grenz- linien zurückzudrängen. Ohne Zweifel war dies auch bei dem Angriffe auf Alimpits Stellung zwischen Bjelina und der Drina ihre Absicht. Nirgendwo stehen die Serben mehr als einen Tagmarsh weit über ihre Grenze hinaus. Nirgeadwo haben sie über die ursyrünglicen, seit Vegian des Monats eingenommenen Stellungen hinaus cinen

L