1876 / 187 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 10 Aug 1876 18:00:01 GMT) scan diff

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ftändiger gestellt, . Die Abtheilungsvorftände ,

Bayern. Müngen, 8. Angust. Wie der „Kor- respondenz Hoffmann“ mitgetheilt wird, hätte Se. Majestät der König ein von dem Finanz - Minister v. Berr

aus Anlaß der die Forstshule in Aschaffenburg be- treffenden Beschlüsse der beiden Kammern des Landtags in der vergangenen Woche wiederholt eingereihtes Gesuch um Ent- Hebung von seinem Portefeuille niht genehmigt, vielmehr dein Staats-Minister ein sehr sczmeichelhaftes Handschreiben zustellen lassen, worin die vollste Anerkennung und größte SBufriedenheit mit dem Wirken des H.rrn v. Berr ausge-

\prochen ift. : Bn Augsburg, 10. August. (W. T. B.) Se. Majestät der König hat, wie die „Allgemeine Zeitung“ wver-

nimmt, sämmtlichen Ministern nach beendigter Landtags- session für ihre Vertretung des Standpunktes der Regierung und für die nit ermüdende hingebende Au: dauer, womit fie ihres Amtes gewartet, seine lebhafte Anerkennung aus- gesprochen und dieselben am Schlusse seines Handschreibens wiederhelt seines vollsten Vertrauens verfichert.

Die 77 liberalen Mitglieder der Kammer der Abgeordneten haben am Schlufse des Landtags, nach der „Allg. 3tg.“, folgende Erklärung beschlossen:

„An unfer- Wähler! Als die liberalen Volksvertreter Bayerns vor ‘mehr als Jahresfrist über die Resultate des damals zum Schlusse neigenden Landtages gemeinsam einen kurzen Bericht erstatteten, war es möglich, neben manchen wenig erfreulichen Thatsachen des innern Staatslébens von der in jenen Zeitraum fallenden, dur die geeinigte Kuaft der Nation vollbrachten glorreichen Aufrichtung des Deutscheu Meiches, und von dem Antheil, den Bayern daraa genommen, mit Stolz end Dankbarkeit zu reden. Ein Rückblick auf die Landtags- sessiou, welche heute schließt, bietet solche Lichtpunkte nit. Die kleine Tlerikale Mehrheit, welche die letzten Wahlen ergaben, hat nach Wiedercufnahme der Verhandlungen im Februar dieses Jahres fast uur das cine Ziel vor Augen gehabt, durch syftematishe Wahl- Tassationen nah bis dahin unerhörten und unter fich selber im Wider- spruch stehenden Grundsäßen die Liberalen Bayerns um ihre Ver- tretong zu bringen wenn auch die Antwort, welche die Wähler- schaft der Landeshauptstadt auf dicses Unterfangen gegeben hat, uns die Bürgschaft bietet, daß diese eigenthümliche Art der Kriegführung gegen die liberale Sache im leßten Erfolg vergeblich fein wird. Einem folchen Gebahren der Mehrheit gegenüber mußte jede Hoff- nung auf das Zustandekommen irgend wihtiger Geseße, mochten die- fjelben unter allgemein - politishen Gesichtspunkten oder nah volkwirthschaftlihen Bedürfnissen noch so dringend erscheinen, auf- gegeben werden, und die innere Geseßgebung is deshalb nahezu völlig unfruchibar geblieben. Auch bei der Feststellung des Staatshaus- haltes für die laufende Finanzperiode begegnete das vereinigte Streben der Regieruyrg, der Reichsrathéfammer und der liberalen Hälfte der Abgeordnetenkammer, namentlich den gering besoldeten ständigen Beamten durch eine für alle gleihe Gehaltsgaufbesserung eine Abschlagétzahlung auf langberechtigte Ansprüche zu gewähren, dem hartnäckigen Widerstande der Ultramontanen. Kein besseres Schicksal hatten unsere Bemühungen zu Gunsten der Volks- \chullehrer, und weitere Beschlüsse bekundeten den kierikalen Wider- willen gegen Reformen im höheren Unterrichtswesen, welhe nur darauf abzielen, die bayerishen Gymnasien auf die gleiche Stufe der Lei- ftungsfähigfeit mit den übrigen Schulanstalten Deutschlands zu er- heben, Je unbefriedigender die augenblicklichen Zrstände unseres engeren Heimathlandes find, um so wichtiger ift es, daß die Ent- widlung im Deutschen Reiche, dem Bayern als einfluß- reihes, vollberehtigtes Glied angehört, ihren rubßigen allen Bevölkerungsschichten gleich gerecht werdenden Fortgang nimmt. Die Schlußsession des gegenwärtigen Reichstages wird ohne Zweifel in dem Zustandekommen der großen, die Gerichtsverfas- sung und das Verfahren einheitlich ordnenden Justizgeseße der Nation das nah der Geftaltung des Reiches selber werthvollste Angebinde bringen, und mit ihm die Vollendung des weiteren großen Werkes näher rücken, welches in der einheitlichen bürgerlichen Gefeßgebung für das ganze Deutsche Reich besteht. Die unbestreitbaren, in threr wirth- schaftlichen Bedeutung kaum zu über\{häßenden, segensvollen Wirkun- gen einer folchen Reform hat Frankreich seit mehr als cinem halben ZJahrhund&@t empfunden; das Verftändniß und der Fleiß des deut- sen Volkes wird nicht minder die aus der Gesetessicherheit und dem vereinfahten Rechtsgang entspringenden Vortheile zu einer neuen Quelle nationalen Wohlftandes zu machen wissen. Mit dem Ablauf dieses Jahres geht auch das Mandat des gegenwärtigen Reichstages zu Gnde, und wir stehen vor den Neuwahlen zur ersten parlamen- tarishen Körperschaft der deutshen Nation. Es bedarf unserer Auf- forderung an die deuts und freiheitlih gesinnten Bewohner Bayerns nit, um fie anzuspornen, wie vor sech8 und vor drei Jahren, au dieêômal fest und treu zusammenzuhalten und nur das eine Ziel vor Augen zu haben: auch aus Bayern eine würdige, dem engen Vater- land und dem Reiche gleich ergebene Vertretung zu entsenden, Außer der großen geslo enen Schaar der Ultramontanen, welche auch bei unê nur als ein Theil Wner gewaltigen Glaubensarmece erscheinen, die mit aller und jeder Staatsautorität im Kampfe steht und in Rom ihren Mittelpunkt hat, find bisher audere als libe- rale Volksvertreter aus Bayern im Reichstage nicht gesehen worden. Wir vertrauen fest darauf, daß die {hon früher jämmerlih mi?glúckten Versuche, Unfrieden unter die niht uliramon- tanc Bevölkerung zu säen, und durch die Spekulation auf vernmeints liche Klasscninteressen die Kraft der wahren Reichéfreunde in Bayern zu brechen, auch dietmal erfolglos bleiben. Das bayerisGe Volk ist einfidtévoll genug, um zu wissen, daß verschiedene unleugbar vorhan- dene Mißftände des wirthschaftlichen Lebens nicht, wie man glauben machen môchte, die Wirkungen der bisherigen Reichsaeseßgebung sind, fondern aus Urfachen entspringen, welche weit über die Grenzen Deutschlands reichen. Aber so wahr dies ist, eben so zuversichtlich darf die Srwarturg ausgesprochen werden, daß die nene Reichsvertre- Zung nit unterlassen wird, bestehende Schäden mit gefeßgeberischen Mit- teln Üüberat! da zu beïämpfen, wo dies überhaupt möglich ift, Für uns in Bayern wird die Arbeit dafür insofern eine getheilte sein müssen, als das schen seit lange anerkannte Bedürfniß einer Steuerreform jeßt seiner Beorwirklicung entgegençgeführt werden soll. Mit den nicht zu leugnenden Schwierigkeiten einer gerechten Steuerauégleichung ver- Ztärkt fich die Anforderung an jeden, zum Gelingen des großen Werkes das seinige beizutragen. Es ift hier nicht der Ort, in die Wür- digung der einzelnen Klagen und Beschwerden einzutreten, welche in neuester Zeit aï3 Wahl-Agitationsmitzel gegen die gesammte liberale Partei in Deutschland verwendet werten. Es genügt der Hinweis darauf, daß a!ie großen segensreihen Reformen, welche das deutscke Volk. und in ihm namentlich auch Bayern, von den Fesse!n des FSeudalismns und der Privilegienherrschaft frei gemacht haben, auf das Audringen und unter ter Mitwirkung der Liberalen zu Stande gekemuen sind. Auf dieser Bahn gesunder Fortentwick- lung weiter zu schreiten, erkannte Schäden offen zu bekennen und zu verbessern, aber jedem Lug und Trug, voa wober er auch komme und unter welher Maske er erscheine, mannhaft entgegenzutreten , ist Aufs gabe und Pflicht eines jeden deutschen und bayerishea Wäblers und Abgeordneten. Stehen wir dafür einig zusau: men, fest und treu zu

König und Land, feft und treu zu Kaiser und Reich! München, 29. Juli 1876. (Folgen die Unterschriften.)

s Vaden. Karlsruhe, 7. August. Eíne im leßten Ge- \seßes- und Verordnungsblatt veröffentlichte landesherrlihe Ver- ordnung vom 31. Juli äudert, unter Aufhebung der Verord- nung vom 6. Dezember 1871 die bisherige Organisation d¿r Centralverwaltung der Großherzoglihen Staats- eis enbahnen in mehreren Punkten; es werden nanuentlih diel drei Abtheilungen, in welche fich die „Generaldirektion“ theit (Betriebs-, technishe und Renungsabtheilung), \elbst- welche bis-

her der Chef des Handels- Ministeriums bezeihnete, werden nun vom Großherzog bezeichnet, Die Centralbehörden, unter deren Mitwirkung die Generaldirektion die ihr zugewiesenen Geschäfte vollzieht und denen die Eigenschaft selbständiger Stellen im diensts- lichen Verkehr zukommt, find: die Eisenbahn-Hauptkasse, die Haupt- verwaltung der Eisenbahn-Magazine, die Verwaltung der Haupt- werkstätte, die Eifenbahn-Hauptkontrolen 1, Ii. und 1, und das Reklamationshureau. Die Kontrole 111. (in Betreff der Wagen) und das Reklamationsbureau (für aus dem Eisenbahn- betrieb sich ergebende Reklamations\achen) sind neu eingeführt,

Oesterreich-Ungarn. Wien, 8. August, Die Ge- \chäftsordnung des Verwaltungs-Gerichtshofes if, nachdem fie dem Minifterrathe zur Beschlußfassung vorgelegen, mit Allerhöchster Entschließung vom 4. August genehmigt wor- den und die heutige Nummer des Reichs-Geseßblattes enthält eine vom 5. Auguft datirte Verordnung des Gesammt- Ministeriums, womit dieselbe kundgemacht und bestimmt wird, daß fie mit dem Tage ihrer Kundmachung in Wirksamkeit zu treten habe. Dieselbe Nummer des Reichs-Geseßblattes ent- halt ferner eine Verordnung des Gesammt-Ministeriuums vom 5. Auguft 1876, womit Bestimmungen übér die innere Einrichtung des Verwaltungs-Gerichtshofes, dann über das bei demselben anzustellende Personal getroffen werden. :

Pest, 7. August. Der Minister-Präsident Tisza ist heute früh bereits von Wien zurückgekehrt.

Die leßten Verhaftungen an den türkischen Landestheilen machen viel von fih reden. Der „Ellenör“ billigt das Vorgehen der Regierung gegenüber den ferbischen Agitatoren. Er konftatirt, daß die Regierung genügende Beweise in Händen habe, um den betreffenden Prozeß machen zu können.

Wie die „Budapest. Corresp.“ erfährt, wird die kroa- tishe Regierung den Budgetvoransch!lag für das Jahr 1877 dem Landtage nicht jeßt vorlegen, da die definitive Zusammen- stellung desselben vor Votirung des gemeinsamen Budgets durch den Reichstag niht recht möglich sei; dagegen werde der Land- tag während der Weihnachtsferien behufs Verhandlung des Budgetvoranschlages zu einer kurzen Session zusammentreten,

Großbritannien unnd Frland. London, 8. August. Die Königin und der Hof werden am 19. August in Bal- moral eintreffen.

In der gestrigen Sißung des Oberhauses wurde die Elementarunterrichtsbill zum ersten Male gelesen. Im Unterhause wurden zunächst eine große Zahl von Anfragen an die Regierung gestelt. Auf die Anfrage Jacob Brights er- widerte der Unter-Staatssekretär des Auswärtigen, Mr. Bourke, es sei wahr, daß in Folge darauf hin gepflogener Unterhand- lungen deutsche Unterthanen in Cuba von der Zah- lung der Kriegssteuer zeitweilig, nichi dauernd, befreit worden seien. Was die Wahrnehmung der Interessen britischer Unterthanen angehe, so glaube er, es würde nicht gut sein, mehr in diesem Augenblick zu fagen, als daß Verhandlungen mit der \spanishen Regierung \{chwebten, um für dieselbe gleihfalls mög- lichst günstige Bedingungen zu erreichen.

Kapitän Nolan intexpellirte, ob in Folge des suzeränen Verhältnisses der Pforte zw Serbien und Montenegro die auf dem Kriegsschauplaze thätigen Aerzte niht der Vor- theile der Genfer Konvention theilhaftig seien. Der Premier Disrael i erwidert-, daß nicht allein die Pforte, sondern auch die Regierungen von Serbien und Montenegro sih der Genfer Konvention angeshlossen hätten. Auf Antreg Disraeli's bes{loß dann das Haus, daß zur Erledigung der noh derselben harrenden Vor- lagen entgegen dem bisherigen Brauche am Dienstag und Mitt- woh Regierungsvorlagen vor Anträgen aus dem Hause den Vorrang haben s-¿llten.

Im weiteren Verlaufe der Sißung entspann \ch aufs

Neue eine Debatte über die Gewaltthätigkeiten in Bulgarien, welhe Mr. Anderson durch Verlesung verschiedener Zeitungsberihte und Privatmittheilungen ein-

leitete, Er tadelte lebhaft ‘die Behandlung der Angelegenheit dur den Premier-Minister und beshuldigte Sir H. Elliot, der

englishen Regierung die Wahrheit verheimliht zu haben. Das englische Volk wünshe, daß seine Regierung im

Bunde mit den anderen Mächten diesen \{recklichen Vorgängen ein Ziel seße. Mundella sagte, es sei ihm äußerst peinlich ge- wesen, daß der Premier-Minister die Gräuel als unvermeidlich bezeich- net habe, Wie sehr England in aller Augen als Beshüzer der Türkei gelte, gehe daraus hervor, daß die Baschibozuks sich wirklih an die britishen Konsulate gewandt mit der Bitte, ihnen do den rückftändigen Sold auszuzahlen. Nachdem noch einige Redner für und wider gesprochen, erhob \sich der Unter-Staats- sekretär des Auswärtigen, Mr. Vourke, zur Entgegnung. Er vertheidigte den Premier gegen die Anschuldigung, die in Rede stehende Angelegenheit leichtfertig behandelt zu haben. Es sei im Gegentheil keine Sache vorhanden, für welche Herr Disraeli tieferes Interesse hege. dürfe aber nicht vergessen werden, daß ein Mann in der Stellung dcf}selben fich hüten müsse, durch ein übertriebenes Wort der türkishen Regierung Gelegenheit zu geben, dies zu ihrem Vortheil auszunußen. Wenn die volle Wahrheit zu Tage gekommen, so werde Niemand eifriger die Sache der Humanität verfehten, als der Premier. Ein ebenso ungerehtfertigter Angriff \ei auf Sir H. Elliot gemaht worden, dem nicht Pflichtversäumniß oder Mangel an Energie vorgewor- fen werden könne. Bezüglih des .Kommifsäârs Baring meinte der Redner, daß er fich aufs Beste seiner Aufgabe entledigt habe, wie aus den seiner Zeit dem Hause vorzulegenden Berichten zu ersehen sein würde. Durch dieselben hätten fich die Berichte über die Gräuelthaten in den Zeitungen fast durhweg als stark übertrieben herausgestellt. So habe fich der öffentliche Verkauf. von Weibern und Kindern in Philippopel nicht bewahr- heitet. Es habe \fich aber zur Augenscheinlihkeit herausgestellt, daß der Aufstand in Bulgarien von fremden Unrußestiftern an- geshürt sei, Der Marquis von Hartington \prah noch die Hoff- nung aus, daß die Regierung und das Haus vor S&[luß der Session nochmals Gelegenheit haben möchten, die türkishen An- gelegenheiten zu erörtern. ;

Der Bericht des englishen Untersuhungs-Kommifsars, Gesandtshafts-Sekretärs Baring, an den Botschafter Sir H. Elliot in Konstantinopel, in welchem derselbe seine an Ort und Stelle gemachten Erhebungen über die Grausamkeiten in Bulgarien niedergelegt hat, und der im Unterhause dur den Unter-Staatssekretär der Auswärtigen Angelegenheiten ver- lesen worden ift, lautet, nah der „Köln. Ztg.*, wie folgt:

Philoppopel+® 22. Juli. M. H.! Jch habe die Ehre, Ew. Exr- cellenz zu berichten, daß ich während der lebten beiden Tage versucht habe, hier in der Stadt über die Vorfälle Auékuuft zu erhalten, die

kürzli in Eugland und überall so viel Aufsehen gemacht haben. Die Menge von wiedersprechenden Ausjagen, die ich von allen Seiten höre,

machen uieine Aufgabe sehr s{chwer, und ich fürchte, raß ih bis jeßt

noch feinen vollständigen Bericht geben kann über das, was vorgefal- len ist. Der Verkauf von Weibern und Kindern in den St-aßen von Philippopel und Tatar Bazardschik ift, wie ih nicht bezweifle, eine reine Erfindung, denn die unabhängigsten Zeugnisse laffen mi glauben, daß kein solcher Handel hier stattgefunden hat. Was vorgekommen, ist Fols gendes: Familien sind zerstreut worden und die Kinder find oft in die Häuser von Personen der verschiedenen (Hlaubensbekenntnisse aus. bloßein Mitleiò aufgenommen worden. Es versteht fi, daß unter solchen Umständen es den Eltern nicht leiht ist, ihre Spuren aufzu- finden, und deshalb hat sich das Gerücht verbreitet, sie seien in die Sklaverei verkauft worden. Was die jungen Mädchen betrifft, so wird mir gesagt, es sei sehr möglich, day nach der Verwüftung der Dörfer eine Anzahl dersclben von den Plünderern mitgenommen wor- den sei, aber ich glaube nicht, daß irgend eine Art von toirk- lichem Handel stattgefunden hat. Jch glaube nicht, daß ein wahres Wort an der wilden Fabelei von Wagenladungen abzeschnittener Köpfe ist, die in den Straßen durch albaresischße Baschibozuks herum- paradirt worden wären, deren, beiläufig gesagt, nur wenige hier sind, da die meisten der irregulären Soldaten, welche in diesen Pro- vinzen Gräuelthaten verübt haben, Tscherkessen und Zigeuner find. Was die Zahl der Getösdteten betrifft, so kanu ih darüber nicht wohl reden, bevor ich niht die Dörfer besucht habe, doch meine jeßige Meinung, die ih später hoffentlih werde ändern köanen, ift daß etwa 12,000 Bulgaren umgekommen sind. Die Zaßl der getödteten Türken ist ebenfalls {wer festzustellen; die Behörden geben dieselbe auf über 1090 an, doch meine Eckundigungen machen mi glauben, daß diese sehr übertrieben ift, und die Hälfte ungefähr richtig sein würdez es ist aber kein Zweifel, daß große Grausamkeiten dabei vor- gekommen sind. Etwa sechszig Dörfer sind ganz oder theilweise niedergebrannt, die bei Weitem größere Mehrheit derselben dur Baschibozuks, eiaige aber, etwa zehn, sind durch die Aufständischen zerstört worden. Einige große Gräuel sind mir zu Ohren gekommen bezüglich auf die Umjitände, unter welchen etwa 400 Gefangene von Tatar Bazardschik nach Philippopel eingebracht worden sind. Sie waren mit schweren Ketten zu vier und vier zusammen- gefesselt, und da sie in Folge der Reise vor Müdigkcit umsan- ken, so wurden sie von den Zapties mit Kolben der Gewehre und von den Cirkassiern mit Peitschen wie eine Viehherde fortgetrieben. Ich besuchte gestern die Gefängnisse und fand sie sehr überfüllt. Die Gefangenen find in dem gemeinen Gefängniß und in zwei großen Khans untergebracht; die Notabeln von Philippopel sind besonders eingesper1t, und sind meines Wissens keinen allzugroßen Béschwerden ausgeseßt. Diejenigen, welhe ih befragen konnte, sagten, daß sie keine besondere Ursache hätten, über Behandlung und Nahrung zu klagen, doch mag vielleicht die Furcht sie veranlaßt haben, ihre Lage besser darzustellen, als fie wirklih ist. Das Gefängniß ift jeßt beinahe so vcll als mögli, und da etwa die Hâlfte der Gefaugenen {hon ent- lassen oder verurtheilt ift, so kann kein Zweifel sein, daß zu Anfang die Ueberfüllung fürchterlich gewesen sein muß. Jch hôre, daß in der Stadt das Gerücht verbreitet ift, die Behörden hätten, wissend, daß ih das Gefäng- niß besuchen würde, dasselbe rcinigen laffen und daß die Schlafmaiten, welche ih sah, erst kurz vor meinem Eintritt hingelegt worden seien. Ich kann nicht sagen, ob dies wahr ist oder niht; da ih aber ab- sichtlich den Behörden möglibft wenig über mein Vorhaben mittbeile, so kann ich nur glauben, daß es eine boshafte Erfindung ist. Ein Baschibozuk wurde diesen Morgen gehängt, weil er in der Hussein- Angelegenheit betheiligt gewesen, Über welche, glaube ih, Hr. Dupuis bereits vollständig an Ew. Excellenz berihtet hat. Dieje Frregulüréit fahren mit ihren Plünderungen nochþ immer fort und fie. elen das Wenige, was die Unterdrücker des Aufstandes noh Übrig gelassen haben. Zwei find bisher hier gehängt worden, aber wenn nicht ein ftrengeres Exempel ftatuirt wird, so werden sie mit ihren Usebelthaten fortfah:en. Uebrigens is es uner- läßlih, daß Offiziere der regulären Armee ihnen vorgèscßt werden müßten, welche ihre Handlungen kontroliren köuänten, und E fie an den Hauptstationen durch einige reguläre Truppen in Empfang ge- nommen würden. Eins ist vollständig klar, nämlich daß die Provinz ruinint ist, wie die Regierung zu ihrem eigenen Schaden finden wird, wenn fie den Zehnten erhebt. Es wird gesaat, daß der Schaden für den Staatsschaß sih auf 100,000 Pfund türkish belaufen wird, eine Summe, die gegenwärtig übel zu entbehren ist. Es scheint mir, daß der Regierung nur ein Weg bleibt, wenn sie die Sachen nur einiger- maßen zu einem normalen Zustande zurückzuführen gedenkt, nämli den Einwohuern der zerstörten Dörfer einige kleine Unterstüßungen zu gewähren. Eine große Anzahl von Pferden, Rindvieh und Schafen find von Pomaken und Anderen fortgetrieben worden und es wird Pflicht der Regierung sein, die Räuber zu zwingen, fie den Eizenthümern wieder zu geben. Einige Unterfiüßung müßte auch zur Anschaffung von Materialien zum Wiederaufbau der Häuser und für Samenkorn geleistet werden. Es ift wahr, daß im gegenwärtigen Augenblick der Kaiserli&e Schaß auch die kleinsten Ecfordernisse \{werlich leisten Fönnte, aber no# weniger kann derselbe die Summen missen, welcbe ihm früher aus diesen Bezi:ken eingingen und welchz, wenn der Herbst und der Winter vorübergehen, ohne daß etwas geschieht, als für immer verloren zu !betrahten sind. Ich war heute bei dem ersten Verhör einiger Gefangenen zugegen uud, wie es schien, wurde da- bei ordeutlich verfahren; Selim Effendi, Ali Bey und der oberste Mollah von Adrianopel haben den Ruf, gercchte Männer zu sein, dasselbe sagt man aber nicht von allen Mitgliedern der Kommission, die man aus den Einwohnern von Ph.lippopel ge- wählt hat. Ven einem derselben wird ausdrüelih gesagt, daß er besiehlich, fanatisch und grausam sei. Ein Priester, ein Schul- lehrer, ein Tscborbaschi und ein anderer Bulgare wurden vorgeführt, während ih am Gerichte warz ihre Aussagen wurden ihnea vorgelesen und fie wurden gefragt, ob dieselben wahr seien; obgleih aber alle Geständnisse cnibidten die cinen Angeklagten vor jedem Tribunal an den Galgen gebracht haben würden, erwiderten fie dennod, daß Alles richtig sei. Jhre Verthcidigung war in der Ytegel dieselbe: fie hätten entweder aus Zwang, aus Kurtht oder aus reinem Unverstand gehan- delt, und sie baten s{lielich mit Thränen und Klagen um Gnade. Heute wurden zwei Bulgaren gehängt, vier zum Tode und sieben zu verschiedenen Gefängnißstrafen verurtheilt.

Sowohl Kiani Pascha als Selim Effendi versicherten mir, daß sie durch Freilafsung einer großen Anzahl von Gefangenen binnen wenigen Tagen die zu erledigenden Fälle auf etwa 500 zu vermindern hoffien, und der Präsident fügte hinzu, er ge- denke die ganze Angelegenheit in etwa 25 Tagen zu erledigen. Der Vertreter des bulgarischen Bischofs klagte ‘mir, daß es den zum Tode Verurtheilten mannigfach nicht gestattet worden sei, vor ihrem Ende zu beichten, so wie daß man den hingerihteten Priestern Haar und Bart beschnitten habe, ohne sie ihrer Pciesterkl-idung zu entledi- gen; s{ließlich sei dem Bischof auch nicht gestattet worden, den Kom- missionsißungen beizuwohnen. Selim Effendi, den ich darüber zur Rede stellte, verficherte, daß an alledem kein wahres Wort sei und daß er den Bischof zuleßt noch zu der Gerichtsfißung, welcher ih beiwohnte, eingeladen habe, ohne daß derselbe erschienen wäre. Auch früherhin sei derselbe stets zu den Kommissions- fißungen gebeten worden, er sei aber nur cinmal erschienen und

niht länger als fünf Minuten geblieben. Jch erwiderte Selim Effeadi, daß cr besser thun würde, bei nächster Sa heit eine geshriebeue Einladung zu sendcn, weil alèdann fein

Irrthum mehr vorkommen könne. Selim Effendi erzählte mir, daß er Abschriften der gerichtlichen Zeugenaussagen nach Konstantinopel gesandt habe, welche klar und deutlich LeiAA, daß zu Anbegiun des Aufftandes fürchterlihe Grausamkeiten an der muselmännischea Be- völkerung verübt worden seien. Beruht dies auf Wahrteit, so thäte die Pforte gut, die betreffenden Akteustücke zu veröffentlichen, um der Welt zu beweisen, daß, wenn die Muselmänuner Grausamkeiten be- gingen, sih doch auch die Christen viele Unthaten haben zu Schul- den kommen lassen. | /

Ich habe die Ehre 2c. : ._ H. Baring.

An die Verlesung dieses Berihtes knüpfte der Unter- Staatssekretär des Auswärtigen eine Mittheilung über die Be- fehle, welhe der Großvezier an die General-Gouverneure der

Provinz Adrianopel, der Douauprovinz von Bosnien und

Monar u:d an Abdul Kerim Pascha, den Ober-General der

türkischen Truppen im Hauptquartier zu Nis, erlassen hat, um weiteren Greuelthaten vorzubeugen.

9. August. (W. T. B.) In der heutigen Sigzung des Unterhauses erwiderte der Unter-Staatssekretär Bourke auf ejne bezüglihe Anfrage des Deputirten Ritchie, daß der Pforte wiederholt Vorstellungen wegen der in Bulgarien begangenen Grausamkeiten gemacht worden wären und daß die Pforte davon in Kenntniß gesezt worden sei, daß die Kunde von den in Bulgarien verübten Thaten in England den

rößten Unwillen und allgemeinen Abscheu erregt hätte. (Beifall) Die englische Regierung habe Grund anzunehmen, daß die in Rede stehenden Greuelthaten seit einiger Zeit aufgehört hätten und daß die Schuldigen auf das Strengste bestraft wor- den scien. Die Regierung habe einen Konsularagenten in Phis ¡ippopolis ernannt, um daselbft einen direkten Einfluß ausüben u können. Dieser Agent habe besondere Instruktionen erhalten. Die Regierung stehe mithin jegt in direkter Verbindung mit dem Schauplaß der erwähnten Vorgänge.

—— 10 August. (V. De B) Minister ernannt worden.

Frar:kreich. Paris, 8. August. Gestern fand in der Sorbonne die Vertheilung der Preise an die Zöglinge der Lyceen von Paris und Versailles unter dem Vorfige des Unterrichts - Ministers Waddington Statt. Um ]2 Uhr fanden sih die Professoren und Zöglinge, welhe Preise erhalten sollten, in dem Saal ein. Nach ihnen erschienen die verschie- denen Fakultäten der Universität mit ihren Dekanen. Unter den Dekanen fehite nur Msgr. Vtaret von der theologischen Fakultät. A[s der Minifter Waddington in den Saal trat, um seinen Sig zwishen dem Vize-Präsidenten des Senats, Duclerc, und dem Deputirten Bethmont (beide Republikaner) einzunehmen, er- tónten donnernde Hochs von allen Seiten. Cu eval, Pro- fessor der Rhetorik im Lyceum Fontones, hielt die lateinische

Noel ist zum Arbeits-

Rede. Der Gegenstand derselben war die allgemeine Preis- bewerbung. Der Redner ertheilte die höchften Lobes\sprüche und

wurde dabei jedes Mal von dem lebhaften Beifall der Ar- wesenden unterbrochen. Jn einer kurzen Rede, die unauf- hörlich von Beifallsbezeugungen unterbrohen wurde, sprach dann der LVuinister Waddington von dem, was in der lezten Zeit für die Verbesserung des Unterrichts geschehen und was no zu hoffen sei. Er lobte die Universität, welhe izre Aufgabe gewissenhaft erfüllt, und die Kammer, die bereitwilligft die Mitte! gewährt habe, der öffentlihen Erziehung einen neuen Aufscwung zu geben. „Und welcher Augenblick, fuhr er fart, wäe für einen solhen Aufshwung geeigneter, als der gegen- wärtige? Frankreich hat laut seinen Willen erklärt; es wünscht dringend den Frieden nah Außen, die Ruhe im Jnnern; es sezt seine Hoffnungen in die republikanische Verfassung, welche es sich freiwillig gegeben hat, und welche, mit Weisheit und Geduld angewandt, ihm die Sicherheit geben wird, deren es be- darf. Die Regierung der Republik und der edle Soldat, relher an ihrer Spiye steht, werden der Aufgabe, die sie übers nommen haben, nicht untreu werden; fie werden aus allen Kräften die offenkundigen Wünsche des Landes unterstüßen.“

Im Senat wurde heute die Berathung des Gese §- entwurfs über die Elementarlehrer in Folge der Ein- reichung eines Amendements ausgeseßt, für das der Finanz- Minifter die Zurückverweisung in die Kommission verlangt. Nachdem dann weitere Berichte und Entwürfe auf den Tisch des Hauses niedergelegt worden, trug de Parieu feinen Be- riht über das Bürger meiftergeseß vor. Nach einem ge- \chichilihen Rückblick und einer Kennzeihnung der Richtungen der früheren Geseßze erklärte der Berichterstatter, daß in Folge

dieser Schwankungen die geseßgebenden Körperschaften die durch die Verfassung von 1875 gebotenen Neue- rungen reifih zu erwägen hätten. In Anerken-

nung déeser Nothwendigkeit habe denn auch der Auéshuß des Senates der Prüfung des vorliegenden Geseßentwurfes zahlreiche Sihungen gewidmet. Das Ergebniß derselben sei, daß der Aus- \{chuß die zwei ersten Artikel billige, den dritten, wonach die Ge- meinderäthe innerhalb drei Monaten neu zu wählen seien, ver- werfe, den vierten Artikel, der die Vershmelzung Algiers mit Frankreich weiter zu fördern suche, annehme. Der Minister des Innern bat, die Dringlichkeit auszusprehen. Nach einer ziemlich ftürmischen Berathung wurde beschlof}sen, über diese Vor- frage morgen zu entscheiden.

Italien. Rom, 7. August. (Ital. Nar.) Dem bereits erwähnten, aus dem Ministerium des Innern am 28. Juli an die Präfekten gerichteten Cirkularschreiben entsprehend, haben die Präfekten durch ein Manifest vom 5. August bekannt gemacht, daß Prozessionen und andere kirchliche Feierlichkeiten außerhalb der Kirchen verboten sind. Zuwiderhandelnde verfallen, vorausgesetzt, daß -fie sh dabei nichts Schlimmeres zu Schulden kommen lassen, den im Artikel 146 des Kommunal- und RProvinzialgeselzes vom 20. März 1865 angeführten Strafen. Die Präfekten behalten sich indessen vor, in gewissen Fällen aber immer nur für Einen bestimmten Fall die Abhaltung solcher Prozessionen oder anderer kirchlichen Feier- lichkeiten außerhalb der Kirchen zu gestatten, vorausgeseßt, daß die Veranstalter derselben 14 Tage vorher bei den Lokalbehörden um Erlaubniß einkommen. ;

Der Papst hat, den „Jtal. Nachr.“ zufolge, dieser Tage den Wunsh ausgesprohen, die Meinung des Kardinal- Kollegiums über die Frage zu vernehmen, ob es Angesichts der Szwierigkeiten, welhe man der neuen Papstwahl in den Weg legen zu wollen \cheint, niht gerathen sei, die für das be- vorstehende Conclave getroffenen Bestimmungen einigermaßen abzuändern. Die in Rom anwesenden Kardinäle werden wahr- \heinlich im Laufe dieser Woche zu einer Berathung unter dem Vorsize des Papstes zusammentreten, Heute Vormittag ist die Konzilskongregation im Vatikan zusammengetreten, um Über die Weigerung einiger spanisher Bischöfe zu berathen, welche die neue Verfassung niht beschwören wolle

Von Palermo wird berichtet, daß Bersaglieri und Carabinieri bei San Mauro die Bande des jüngst gefallenen Rinaldi aufgespürt haben und fie verfolgen. : j

._— 9. August. (W. T. B.) Wie die „Agenzia Stefani“ erfährt, sind Seitens der päpfstlihen Kurie und von Seiten der Pforte offizióse Delegirte bestellt worden, welche nige Streitfragen entscheiden und das Terrain zur Anknüpfung tutimerer Beziehungen zwishen dem Vatikan und der türkishen Regierung vorbereiten sollen,

Tür. i. Gegenüber der von der „Neuen freien Presse“ ebraGten Nachricht, daß die englis che Flotte zum Besuche onstantinopels dort eingetroffen sei, meldet die „Politische

Korrespondenz“ vom 9. Auguft, daß nur einige Offigkre der englishen Flotte Konstanzinopel besucht hätten, und die Meldung er „Neuen freien Presse“ demnach auf einem Irrthum beruhe,

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Der „Turquie“ entnehmen wir folgende Mitthei- lungen:

Das Journal „Ittihad® brachte folgende Mittheilung: „Man ift nicht ganz ohne Besorgniß über die Gefahr einer Hungersnoth, die zu fürhten seia dürfte, da in diesem Jahre in Folge des Krieges in Bosnien und der Herzegowina keine Ernte zu erwarten ist, cbenso in den Provinzen von

Widdin bis nach Bosnien. In manchen anderen Distrikten, wie Tatar-Bezardjif, Tirnova, Grabova, Philippopolis if es ebenso. Die Ernten im Reste von Rumelien können den Ausfall um so weniger decken, als die jeßigen politishen Ereignisse der Be- völkerung nit erlauben konnten, fich ernstlih mit Ackerbau zu beschäftigen. Jn Anatolien steht es nicht besser, dort hat der Krieg sehr viele Arme dem Atckerdau entzogen, und dies macht sfi nach der Hungersuoth von vor kaum zwei Jahren besonders fühlbar. Dieser Zustand dürfte von Seiten der Regierung energische Maßregeln zur Abhülfe er- heischen, besonders, wenn der Krieg sich noch in die Länge ziehen follte.

Die „Turquie“ bemerkt dazu: „Das Journal „Ittihad“ hat diese Bemerkungen sicher in löbliher Absicht gemacht, {eint aber in feinen Besorgnissen etwas zu weit gegangen, da in den Dongaudifirikten die Regierung die Ernten einbringen läßt, was in Asien bereits geschehen ist, fo daß die Einberufung der Reservemannschafien dort nur geringen Abbruch thun kann.“

Es haben, wie verlautet, eine große Anzahl von Ar- meniern (2—3000 Pirfonen) in ihrer Kirche in Galata eine Versammlung zu dem Zwecke abgehalten, ein Comité zu ernen- nen, welches die den kaukasischen Armeniern bestimmten Spenden in Empfang nehmen soll. Es sind bei dieser Gelegen- heit mehrere patriotische Reden gehalten worden, doch hai man den Beschluß gefaßt, vor Eröffnung der Subskciption sich genau über die Begründung der Nachrichten vom Aufstande zu unter- rihten, und deshalb cine Deputation an den armenishen Patri- aren geschicki mit dem Ansuchen, derselbe möge die bezüglichen Erkundigungen einziehen. Die Armenier haben auf An- rathen ihres Patriarhen drei Delegirte nach dem Kauftasus entsendet, um ih Über den Thatbestand dex vorgeblihen armeni- \chen Erhebung Gewißheit zu vershassen. Dieselben haben sich zur See nach Trapezunt begeben.

Die Beamten der indirekten Steuerverwaltung faben säâmmilih auf die Hälfte ihres Gehaltes zu Gunsten der Kaiseriihen Armee verzihtet. Diese Substciption hat 890,000 Piaster hervorgebracht, welhe der Janci-Kharbié-Koms- mission überwiesen worden find. Der Großvezier hat den Subskribenten scinen Dank ausdrüten lassen.

Die russishe Fregatte „Petropavlowsk“, die die Flagge des Contre-Admirals Boutakoff trägt, ist am 22, Juli vom Piräus kommend, im Hafen von Smyrna eingelaufen. Der „Vetropavlowsï“ hat 22 Kanonen und 650 Mann an Bord, nnd steht unter dem Kommando tes Schiffskapitains Gaprilof. Das Avisoschiff „Psesuape“, Kommandani Tedatoff, unter derselben Flagge, mit 4 Kanonèn und 57 Mann, ift, von Salonichi fommend, ebensalls inSmyrna eingetroffen. Die „Svetlana“, vom Großfürsten Alexis kommandirt, ift auch seit einiger Zeit in Smyrna.

Vom Kriegs\chauplagze [liegen folgende neueste Depeschen vor: Tei

Wien, 8. August. (Allg. Zta.) Die Pforte lehnt jede Verhandlung mit dem Fürften Milan und Ristic ab, trer- \spriht die Ausrehi:rhaltung der territorialen Jntegritäi Serbiens, beanspruht aber das Besaßungsrecht in Belgrad, Semendria und Kragujewaß. Fünf ägyptische Batterien find in Konstantinopel angekommen. Die Miriditen, deren Wünschen die Pforte nachgekommen ist, leisten nunmehr Heeres-

olge, ad Wien, 9. August, (W. T. B.) Der „Politishen Korre- spondenz? wird aus Belgrad vom heutigen Tage gemeldet, daß General T\chernajeff fich gestern mit dem Brigadier Horvatovich vereinigt hat. Beide Armeecorps haben sodann Aufstellungen genommen, welche die Defiléen bei Banja und die außerhalb dersilben liegenden Anhöhen voll- ständig beherrschen. Aus der Herzegowina wird derselben Korrespondenz berichtet, daß in der Festung Trebinje die Hoff- nungen auf Entsezung schr gering seien. Moukhtar Pascha habe die Truppen bereits auf halbe Ration segen müssen. Die türkishen Einwohner der Stadt seien sehr entmuthigt.

Dagegen meldet ein Telegramm aus London:

London, 10. Auguft. (W. T. B.) Dem „Standard“ wird aus Trebinje telegraphisch gemeldet, Moukhtar Pascha habe am Dienstag mit einem 3000 Manz starken Corps unter Mustapha seine Vereinigung bei Bilek bewerkstelligt, die Montenegriner hätten die nächste Umgebung von Bilek geräumt, ein Theil ihrer Streitkräfte sei an die Südgrenze von Montenegro ges zickt worden.

London, 9. August. (W. T. B.) Dem „Reulerschen Bureau“ wird aus Semlin vom heutigen Tage gemeldet: Die 3000 Freiwilligen, welche in Bosnien eingedrungen find, find bereits in Truba eingetroffen. Die Herzegowina ist fast ganz von den türkishen Truppen geräumt wor- den; alle türkishen Streitkräfte find gegen Serbien konzentrirt. Vie dasselbe Bureau erfährt, ist Ristic mit der Ausar- beitung einer Note beschäftigt, welche den Vertretern der europäischen Mächte in Belgrad überreiht werden soll. Jn derselben werden die von den Türken in Serbien verübten Grausamkeiten dargelegt, sodann wird erflärt, daß der von den Türken besetzte Theil Serbiens vollflommen zu Grunde gerichtet sei.

Belgrad, 9. August. (W. T. B.) General Tscher- najeff fi durch ein Dekret des Fürsten zum Dber-

Kommandanten der vereinigten Timok- und Morava- Armee ernannt worden. Regierungsseitig wird erklärt, daß die Linie Saitschar-Knjazewaß nicht als eine strategisze Linie angenommen worden sei und daß man Saitschar während des Kampfes mit den Türken aufgegeben hakte, um eine weitere Zersplitterung der Kräfte zu verhindern. Czolakantics hat das türkishe Corps unter Derwisch Pascha bei Sieniya angegriffen und einen Theil desselben nah einem dreitägigen Kampfe zerstreut. Derselbe hat hierbei viele Gefangene gemacht und eine große Menge von Waffen und Munition erbeutet. Konstantinopel, 10. Auguft. (W, T. B.) Die Regierung veröffentlicht folgende amtliche Nachricht aus Sienica vom 7. d.: Die türkishen Truppen haben nah einem hartnädtigen Artilleriekampfe die serbishen Schanzen auf den Höhen bei Javor genommen. 4 ; Kalafat, 9. August. (H. T. B.) Gestern fand ein leb- haftes Gefecht zwischen der Arriere-Garde Leschjanins und türkischer Kavallerie zwischen Saitschar und Paratschin statt, Von einem Siege ist in der türkischen Meldung nichts er-

] wähnt, In Saitschar fanden die Türken 257 serbishe Verwun-

dete vor. Das Reserve-Corps is von Adlie nach Saitschar ver- legt. Die Tscherkessen fahren fori, zu plündern. Petersburg, 10. August. (W. T. B.) Dem „Golos/“ wird aus Zimnony vom 9. d. gemeldet: Der serbische Oberst Despotovitsh, welher das Oberkommando über die bosnischen Insurgenten übernommen hat, berihtet aus Grahovopolje: Die Insurgenten erftürmten bei Graßovo 7 Schanzen. Eine größere Anzahl von Orischaften längs der Una vom Kloster Ermanja bis Ticewa und Raznoglawic wurden von den Insurgenten besetzt. E Die türkischen Truppen haben mit der Einnahme von Knjazewaß und Saitschar das ganze Timokthal in Besiß genommen; in kürzester Zeit werden sie auch den öôst- lichsten Theil Serbiens bis nah Milanovaz an der Donau oflu- pirt haben können. Horvatovics hat fich auf der Straße nach Banja, Leschjanin jedenfalls auf der nach Paratfcchin zurückgezogen. Die Türken rücken ihnen mit folgenden Streit- kräften nah: Am linken Flügel, also gegen die Linie Tshupria- Banja bifinden sich drei Dioisfionen unter Hussein Hamdi, Hussein Lawri und Suleiman Pascha mit je zwei Bri- gaden in der Vorrückung. Dieses Corps, welhes Achmed Ejub Pascha kommandirt, dürfte niht viel mehr als 25,000 Mann und 10 Batterien betragen. Ueber ebensoviel verfügt auch der rehte Flügel unter Osman Pascha, welcher in zwei Ko- lonnen auf den Straßen von Zaitshar nach Saratschin und Negotin vordringt. Jm Often Serbiens stehen also etwa 50,000 Mann den Serben vorläufig gegenüber, die jedenfalls in der nähsten Zeit einige Verstärkungen werden an si ziehen können. Nicht zu über- schen ift weiter die Besazung von N isch unter Mehemed Pascza, welche jedenfalls berufen sein wird, direkt gegen Alexinaz vor- zurückEen und die Divifion des Ali Saib Pascha, der die Bestimmung haben soll, die Route von Kurschumlje nah Kruschewaz einzushlagen zwei Abtheilungen, welche {chwer- lich mehr als 15,000 Mann betragen dürften. Es stehen also im Ganzen eiwa 65,000 Mann ziemlih gut geleiteter, fieges- bewußter Truppen den Serben gegenüber, und es wird ganz von der Vertheilung und dem Muthe der ferbishen Armee die weitere Entwicklung des Krieges abhängen können. f: „Gelingt es der serbischen Armee, der Riesenaufgabe, welche ihr gestellt wird, gerecht zu werden,“ sagt die „N. Fr. Presse“, „gelingt es ihr, die türkishe Armee niht nur zwischen Timok und Morawa, fondern auch bei Alexinaß und Deligrad und \chließlich auch in der Richtung von Krusewaß nah Uerküb (Vrofoplje) so lange aufzuhalten, daß hierdurch drei Wochen Zeit gewonnen würden, so könnten ihr noch günstige Chancen für die Vertheidigung des Landes erwahsen. Die servishe Mo- rama ist {hon von Cacak, von wo sie allein für die Vertheidi- gung geaen Süden und Often in Rechnung kommt, ein ziemlich bedeutendes Hinderniß, indem die fonft zahlreih vorhandenen Furthen nach dem schneereihen Winter und dem regenreichen Frühling dieses Jahres wohl noch niht benüßbar sein dürften. Außerdem zieht fih die Morawa halbkreisförmig um die Central- fiellung von Kragujewatß, so daß von hier aus auf den Radien die schnelle Unterstühung der bedrohten Punkte leiht möglich ift. Eine Reihe von gut gelegenen Orten, welche die von den Angrisss- fronten herführenden Kommunikationen sammeln, als Cuprija, Paracin, Rasany, Stalac und Krusewayß, bilden vorzügliche Vor- positionen; insbesondere ciznet sich Stalac, als die Mündungs- gegend der bulgarisGen Morawa in die serbishe Morawa, zur Anlage eines Manövrir-Brückenkopfes, welcher der Vertheidigung ganz vorzügliche Diensie leisten könnte. , E Dieser Calcül der serbishen Kriegéleitung kann übrigens heute bereits vereitelt sein, wenn es sich bewahrheitet, daß Ali Saio Pascha, welcher bekauntlih von Uerküb aus gegen Krusewab operirt, diesen legteren Ort bereits erreiht hat. Gelingt es dem linken Slügel der türkishen Armee, hier die Vorawalinie zu forciren, so bleibt den Serben wohl nichts Anderes übrig, als der Rückzug nah Kragujewagz. S Die türkischen Generale verdienen für die bisherige Leitung der Operationen ihrer Armeen rückvaltloses Lob. Mit selienem Geschick haben fie es verstanden, die durch die Natur (große Gebirge) auf zwei vershiedenen Dperationsfeldern, Timokt und Nisawa, stehenden Corps im Lande des Gegners zu ver- einigen und ihnen die Pforten in das Innere Secbiens mit Um- gehung der von dem Gegner angelegten Befestigungen (Alexinaß und Deligrad) zu öffnen. Daß ein folches glänzendes Resultat erreiht werden tonnte, dafür gebührt das Verdienst dem Armcec- Corps Amed Ejub Paschas, welches ein unwirthbares, weg- loses Gebirge in zwei Tagen übershritt und plößlich auf einem Punkte erschien, wo die Serben es wohl kaum vermutÿ:t haben mochten. Grozes Lob gebührt auch den türkischen Soldaten, welhe den Gebirgsübergang troy Hize, Entbeh- rungen und fortwährender Kämpfe mit Ausdauer ertrugen. “Wenn die Serben im Verlaufe des Krieges Stand halten und den oben angedeuteten Prinzipien entsprehend die Ber- theidigung einleiten, dann treien auch an die türkische Dber- leitung neue, shwierige Aufgaben heran. Insolange die Tür- fen uit Herren der Défiléen. des Morawathales bei Alexinaß und Deligrad find, läuft ihre Operationslinie über Saitschar und Knjazewaß, und werden fie daher diese Städte durch Befestigungen und ftaike Garnisonen fichern müssen. Außerdem werden die Türken ihre Verbindungslinien gegen Unternehmungen von Freischaaren, welhe die Scrben zweifellos in die Berge zwishen Timok und Morawa werfen werden, zu shüßen haben. Lauter Aufgaben, welche zwar in erster Linie Umsicht und Kenntniß des Landes, dann aber auch entsprechenden Nahshub an Truppen erfordern, _Die Streitkräfte, welche Abdul Kerim Pascha heute zur Disposition stehen, dürften nicht genügen, um allen diesen gen übe

gereßt zu werden. Da aber die Türkei genugsam } Menschen verfügt, so ist niht daran zu zweifeln, daß die

Armee binnen vierzehn Tagen doppelt \o stark sein wird als sie eute ist,“

) A Ueber den Eindruck der jüngsten serbischen Nie- derlagen auf die Bevölkerung bringt die „Pol. Korr.“ ir einem Belgrader Briefe vom 6. folgende Schilderung: „Heute mit Tagesanbruch erhielt der Kriegs-Minister die traurige Bot- haft von dem Falle Knjazewaß). Damit ist das Signal für die Bevölkerung des ganzen süd-östlihen Theiles von Serbien gegeben worden, nah der oberen Donaugegend, die allein nit an die Türkei grenzt, zu flühten. Schon am 4. d. M. haben die Einwohner von Knjazeway, Saitschar, Negotin und alle Dörfer der dortigen Gegend das Weite gesucht. In hiesigen militärischen Kreisen hält man aber den Feldzug selbst mit dem sehr möglihen Falle von Saitshar der «Räumung der fast ganz offenen Donaustadt Negotin noch lange nicht für beendigt. Zuerst müssen die Türken die nah Banja führenden Defileen nehmen, was wohl keine ganz leite

Aufgabe is. Selbst aber eine Umgehung Deligrads voraus- geseßt, müßten die Türken noh den Uebergang über die Morava