1876 / 190 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 14 Aug 1876 18:00:01 GMT) scan diff

Majestät der König hat in die erbetene Entlassung nicht ge- willigt, vielmehr dem Minister in zwei schr gnädigen Hand- chreiben unter dem Ausdruck des vollsten Vertrauens den Aller- höchsten Willen zu erkennen gegeben, daß derselbe im Amte ver- bleibe. Unabhängig hiervon if das Königliche Handschreiben an das Gesammt-Staats-Ministerium.“

12. August. Se. Majestät der König hat dem von bier abberufenen Gesandten Spaniens, Don I. Llorente, das Großkreuz des Verdienst: Ordens vom h. Michael verliehen. Das Abberufungsschreiben des Gesandten wurde auf Grund König- liher Vollmaht von dem Staats-Minister des Königlichen Hauses und des Aeußern \{chon in voriger Woche entgegen- genommen.

Fachsen. Dresden, 11. August. Ihre Majestäten der König und die Königin sind heute mit ihrem Gefolge von der am 2. Zuli angetretenen Reise nah der Schweiz, zunächst von München (über Hof und Chemniy) kommend, in beftem Wohlsein zurückgekehrt.

Baden. Karlsruhe, 10. August. Der „Staats-Anzeiger“ bringt die von dem vormaligen Großherzoglichen Kriegs- Ministerium unterm 10. Mai 1871 mit dem Königlich preu- bischen Kriegs-Ministerium E Vereinbarung über die Rechtsverhältnisse der Groß herZoglihen Militärwittwen- kasse, welche seiner Zeit die Genehmigung der beiden Regie- rungen erhalten hat, nahträgih zur öffentlihen Kenntniß. Es fam die bisherige Nichtveröffentlizung dieser. Vereinbarung ge- legertlih eines bezüglihen Gesegentwurfs auf dem leßten Land- tage zur Sprache; sie wurde daher in dem betreffenden Kom- missionsberiht der Ersten Kammer zuerst abgedruckt. Die diesjährige ordentlihe Sißung der Centralkommission für die Rheinschiffahrt wird den 16. d. M. in Mannheim er- öffnet werden.

11. August. Heute reisen der Großherzog und die Großherzogin sowie der Erbgroßherzog nah Ba y- reuth ab.

Sachsen - Weimar - Eisenach. Schloß Wilhelms- thal, 12. August. Se. Königliche Hoheit der Großherzog ist heute Morgen nah Bayreuth abgereifi.

S{hwarzburg - Sondershausen. Sondershausen, 12, August. * Der Fürft und die Prinzessin Elisabeth sind heute Mittag auf mehrere Wochen verreift. Das nächste Reise- ziel ist Bayreuth; von da tegeben sih dieselben nah Gastein.

Desterreich - Ungarn. Wien. - 11. AUgul. Die „Wiener Ztg.“ schreibt: Zahlreihe Vereine, Korporationen und einzelne Perfönlichkeiten Haben ihre Absicht zu er- kennen gegeben, den 21. d. M. als den 18. Geburtstag Sr. Kaiserlißen und Königlihen Hoheit des Durchlauh- tigsten Herrn Erzherzogs Kronprinzen Rudolf feftlih zu begehen, und dies besonders im Hinweise darauf daß mit diesem Tage die Großjährigkeit Sr. Kaiserlihen und Königlichen Ho- heit eintrete. Mit Freuden ergreifen wir wieder diese Gelegenheit, Akt zu nehmen von der gewohnten Loyalität, von der pietâtvollen Liebe, mit welcher die Völker Oesterreichs an allen Ereignissen, welche das Allerhöchste Kaiserhaus berühren, den innigsten An- theil nehmen; wir halten es aber nicht für überflüssig, hier zu erwähnen, daß Se. Kaiserlihe und Königliche Hoheit der durh- lauchtigste Herr Erzherzog Kronprinz Rudolf nah dem österreihishen Hausgeseze bereits mit seinem 16. Geburtstage in die Großjährigkeit eingetreten ift.“

Der Kronprinz und die Kronprinzessin von &Ftalien haben heute Nachmittags mit dem Schnellgage der Süvbahn Wien nach fünftägigem Aufenthalte verlassen.

Mit Bezug auf die von der „Pol. Corr.“ nach einem Telegramme aus Agram geweldete Verleßung österreichi- ichen Gebietes, gehen nunmehr dem genannten Blatte in authentisher Weise die folgenden näheren Daten zu:

Eine Bande von etwa 100 Jnsurgenten, welhe den Türken Schafe rauben wollten, wurde am 7. d. M.,, 5 Uhr Nachmit- tags, von 300 bewaffneten Türken bei Bieleï-Boto, ober- halb Staroselo angegriffen und auf österreichishes Gebiet zurückgeworfen, bei welchem Anlasse das Gefeht beiderseits einige Zeit auf österreihishem Boden fortgeseßt wurde. Die Ortschaften Staroselo und Djelevina wurden von den Türken angegriffen und angezündet, in Folge dessen meh- rere Häuser niedergebrannt find. Die Einwohner der beiden Ortschaften flüchteten nah Tobusko. Am selben Tage wu: de noch eine K. K. Infanterie-Kompagnie von Tobusko nah Sta- roselo entsendet und zogen sich bei der-n Anmarsche die auf ôöfterreihischem Gebiete kampirenden bewaffneten Türken ohne Weiteres auf türkisches Gebiet zurü.

Der ungarishe Landesvertheidigungsminister Bela Szende ist gestern hier eingetroffen und vom Kaiser in besonderer Audienz empfangen worden, um über die Er- gebnisse der Inspektions-Rundfahrt in der ehemalizen Militärgrenze, von der der Minister vor Kurzem zurückehrte, Bericht zu erstatten.

_— 12. August. Wie das „Fremdenbl,“ vernimmt, finden zwischen der Pforte und dem Heiligen Stuhl gegenwärtig Unter- handlungen zum Zweck der Regelung der Verhältnisse der Katholiken des Orients statt. Behufs Regelung dieser Verhältnisse soil der Heilige Stuhl eine zwishen ihm und der Regierunç des Sultans zu vereinbarende Cirkumskriptions- bulle erlassen.

Pest, 11. August. Dcr „Pester Lloyd* bestätigt die Frei- lassung_des Generals Stratimirovic, bemerkt jedoch, die Freilafsung sei über Beschluß des Neusagzer Gerichtshofes nur deshalb erfolgt, weil die gegen den genannten Serbenführer ein- geleitete Untersuchung abgeshlofsen if, keineswegs aber, weil er für vollständig unschuldig befunden wurde. Im Sinne des Freifassungsbeschlu}ses des genannten Gerichtshofes darf si s ohne gerichtlihe Erlaubniß niht von Neusatz ent- ernen.

12. August. Graf Melchior Lonyay dürfte, wie der „Wien. Z.* von hier telegraphirt wird, das Zentaer Ab- geordnetenmandat dennoch annehmen, um als Mitglied des Abgeordnetenhauses Gelegenheit zu haben, anläßlich der Ver- handlung über den Shlußrehnungs-Kommissionsberiht für das Iahr 1874 die der Schiffswerfte gegebenen Darlehen zu reht- fertigen. Bekanntlih hat die Kommission beschlofsen, dem Reichstage die Verweigerung des Abfolutoriums zu beantragen. Der von dem Kommissionsmitglicde Georg Nagy ausgearbeitete N gelangt in den erften Sißzungen der Herbfstsession zur

orlage.

Agram, 11. Auguft, In der heutigen ftark besuchten Land tagsfsißzung beantwortete Derencin im Namen der Re-

gierung die Interpellation Subotic im Wesentlichen wie folgt: Von privater verläßliher Seite kam der Regierung die Anzeige zu, daß einige Pakraczer Individuen dem ftaatsrehtlihen Verhältnisse Kroatiens feindlihe Kundgebungen öffentlih mah- ten, die serbishe Einwohnerschaft gegen Andersgläubige hezen und behufs Ausführung ihrer ftaatsfeindlihen Absichten die in Pakracz und Umgebung internirten bosnishen Flüchtlinge als Werkzeuge gebrauhen wollten. Die Regierung hat den Pakraczer Vizegespan, der ein Verwandter der hauptgravirten Persönlichkeit ist, abberufen, einen Regierungskommissär ent- sende: und die Angelegenheit der Ober-Staatsanwaltschaft über- geben, welche den Essegger Staatsanwalt delegirte. Zur Beruhi- gung der Bevölkerung wurde bewaffnete Macht dahingeschickt, nahdem unter den Flüchtlingen eine außerordentliche Bewe- ung wahrgenommen wurde. Die Pakraczer Bevölkerung hat diese Maßregeln freudig aufgenommen. Die Ange- legenheit ruht in Händen des Gerichtes und könne die Re- gierung den Lauf des Verfahrens nit beeinflussen. Die Bello- varer Verhaftungen hängen hiermit nicht zusammen und erfolg- ten dieselben nicht in Folge einer Weisung der Regierung. Das Haus nahm die Antwort einstimmig zur Kenntniß. Subotic felbst war in der Sizung niht anwesend.

12. August. In der heutigen Landtagssißung wurde nah vier unbedeutenden Interpellationen der Geseß- entwurf über die Hauskommission an den Auss{huß zurüge- wiesen und hierauf der Landtag bis zum 28. d. vertagt.

Grofßbritaunien unL Frian®. London, 12. Auguîi Die Königin, welche mit dem Prinzen Leopold und der Prinzessin Beatrice am Dienstag Abend nah Schottland abreist, wird am Mittwoch Morgen Edinburgh erreihen, im Holyrood Palace residiren und das Denkmal des Prinzen Albert einweihen. Am Donnerstag Abend wird Ihre Majestät dann nah Balmoral abreisen. Prinzessin Louise hat geftern mit ihrem Gemahl, dem Marquis de Lo rne, London verlassen und eine Reise nach dem Kontinent angetreten.

Lord und Lady Odo Russell speisten am 12. bei der Königin in Osborne.

(W. T. B.) Der Premir-Minifter Dis raeli, jetzt Earl of Beaconsfield, ist an Ste!le des Earl of Malmes- bury, der in Folge andauernder Kränklichkeit sein Amt niedergelegt hat, zum Lord-Siegelbewahrer ernannt worden. Die Regierung hat in Betreff des flüchtigen Sklaven gegenüber zu beobachtenden Verfahrens ein neues Cirkular erlassen, daß jedoch keinerlei bestimmte Vorschriften enthält, sondern nur im Allge- meinen aus\priht, daß fich die Befehlshaber englischer Schiffe bei der Aufnahme von Flüchtlingen, sei es auf offenem Meere oder in den Küftengewässern eines bestimmten Landes, durch Erwägungen und Gründe der Menschlichkeit leite! lassen sollen.

(C. C.) “Jn der gestrigen Sigung des Unterhauses wird von Ashley wiederum die Frage bezüglich der Grau- \samkeiten in Bulgarien zur Sprache gebracht.

Derselbe beklagt sich über den Mangel an rascher und energischer Handlungsweise Seitens der Regierung und ihrer Vertreter in der Türkei. Nachdem erx seine Verwunderung taüber ausgedrüdt, daß Morde, Verstümmelungen und andere Schandthaten ohne Kenntniß der englischen Regierung in einer christlichen Provinz hätten begangen werden können, die nur v'er Tagereisen von London entfernt sei, führt er aus, daß die Buigaren ein harmloses und ruhiges Volk seie». Er frägt, wcsbalb die Regierung nah dem erstea Berichte über diese Grausamkeiten sih durch die englische Botschaft nicht in Verbindung mit der Pforte geseßt und Schritte ge- than habe, welche des Charakters und der Macht Englands würdig seien. Dás Betragen Sir Heary Elliots sei apathis{ch und theil- 4hios gdzeesen und Mr. Vupuis, dec britische Vize-Konsul in

drianopel, \'have díe äußerste Unfähigkeit bewiesen, Wenn es der Regierung mit der Mißbilligung der Gräuelthaten Ernst sei, müsse sie Sir Henry Elliot abberufen und an seiner Stelle einen energi- seren Minister, der besser mit den Türken umzugehen verstche, zum Botschafter ernennen. Mr. Forsyth verthcidigt die Re- gierung gegen die Angriffe des Vorredners, spricht aber im übrigen die Ansicht aus, daß tie Türkei an Stärke gewinnen würde, wenn sie ihre europäischen Provinzen verliere, Mr. Forster spricht seine Genugthuung da:über aus, daß die Interpellation der Regierung Gelegenheit zur weiteren Erläuterung ihrer Stellung in diejer Angelegenheit gewährt habe, Er fürchtet, daß die Regierung durch Sir Henry Elliot irregeführt worden sei. Die Svmpäthien des L.teren schienen voliständig auf Seiten der Türkea zu sen, Mr. Bourke, Unterstaats'ekretär des Auswärtigen, zözert nicht, zu erflä- ren, daß die Lige Serbiens in diesem Augenblick das Mitgefühl jeder christlihen Nation erregen müfse. Wie auch der Krieg ausëlau- fen möge, der Zustand der ferbishen Christen könne niemals den Nationen Europas gleichgültig bleiben. Auf die Ausfüh- rungen Mr. Ashley's eingehend, erklärte dann Mr. Bourke, daß cine \ckwächere Schlußfolgerung als die seine wohl voch niemals g?zogen worden sei, denn die ganze Verwickelung der Regierung mit ven orientalischen Angelegenheiten beruhe auf der Mißbilligung dcs Ber liner Memorandums und der Abjendunag der Flotie nah der Befika- Bai. Die nächste Ursache leßterer Maßregel sei allerdings der Schuß der Christen iu der Türkei gewesen. Mögen die Berichte über die Gräuel übertrieben fein oder nicht, zweifellos hätten sie in folchem Umfange stattgefunden, daß die Entrüstung des Hauses und des Lan- dés gerechtfertigt sei. Sir Henry Elliot habe nichr mehr thun können, als er gethan. Die gegenwärtige Lage der Tückei gehe nicht blos England, fondecn alle europäishen Mächte an. Denn alle seien einstimmig der Ansicht, daß der territoriale 8tatus quo aufrecht erhalten werden müsse. Nachdem ec noch dem werthvollen Beistande, den die Spezialkorrespondenten Londoner Blätter durch ihre Berichte vom Kriegsschauplaße der Regierung geleistet, An-xkennung gezout hatte, thckilte Redner mit, daß mit Zustimmung des Sultans ein her- vorragender britisher Offizier (Sir Arnold Kembal) zur Begleitung der türkis{hen Armee abgesandt sei. h

Nachtem Mr. Jenkins und Sir W. Harcourt die Regierung angegriffen, nimmt der Premier-Minister das Wort.

Er sagt: Mr. Ashley habe seinen Angriffen de Form eines bestimmten Antrages geben müssen, Er habe wissen müssen, daß er (Disraeli) selbst keiner Her usforderung

ausgewichen sein würde. Die Regierung habe kein Zeugniß davon, daß irgend eine Wahrheit in den übertriebenen Berichten von dem Umkommen von 30,0C0 Perfonen sei, Sir Hemy Elliot habe in Umständen von großer Schwierigkeit eine Einsicht, einen Muth und eine Ruhe bewiesen, die höchst wohlthätig auf die Politik eingewirkt habe. Hinsichtlih der Verantwortlichk.it, welche auf der Regierung laste, bemerkt Disraeli, daß ihr niht mehr Verantwortlichkeit, als den anderen Unterzeichnern des Pariser Vertrages zufalle. Aber da die Re«ierung nicht geneigt gewesen sei, einen Versuh mitzumachen, die Türken aus Europa zu vertreiben, habe man behauptet, ste leihe der türkishen Regierung ihre moralishe Unterstüßung, so daß geglaubt worden sei, die Pforte sei ihr ganz beut ber Freund welchen sie unter allen Umständen zu untärftüßen verpflichtet sei. England sei nur Theilnehmer eines Dreibundes, in welhem si nit nur gesammt, sondern au einzeln Frankreich, Defterreih und Eng- land zur Aufrehte: haltung der politishen und territorialen Unver- lelihkeit der Türkei verpflihtet. Die Regierung habe den Anschluß an die Berliner Note verweigert, weil sie überzeugt gewesen, daß im Falle der Annahme binnen Kurzem eine Einmischung hätte erfolgen müssen. Wenn die Türkei sich unfähig zeigte, die Orduung herzu- stellen, würde weder England noch irgend eine der anderen Mächte vor der Ecfüllung der ihnen dann obliegenden hoben politishen und

moralischen Pflicht zurü.fs{chreckn. Man dürfe aber nicht zu {ul

aus der gegenwärtigen Lage auf die Unfähigkeit der Türkei s{ließen, „Diejenigen,“ fo endet der Redner, „welche annehmen, daß Engiand die Türkei aus blindem Aberglauben und Mangel an Sympathie mit den hôchften Bestrebungen der Menschlichkeit aufrecht erhält, find im Irrthum. Uasfere Pflicht in diesem fkritishen Augenblick ist es, das englische Reich aufrecht zu erhalten und nie werden wir einem Schritte zustimmen, welcher, wenn er auch für den Augenblick ver- hältnißmäßige Ruhe uvd ein falsches Gedeihen erzieleu mag, das Bestehen des englichen Reiches aufs Spiel seßt“. (Beifall)

Die Regierung hat wieder eine Reihe von Schriftstücken ausgegeben, welche fich auf die von den Türken theils wirkli

begangenen, theils ihnen nur zur Last gelegten Grausamkeiten

beziehen. Dieselben erstrecken sih fat bis auf die Gegenwart, denn die legte Depesche ift vom 9. August datirt. Der Striftwehsel beginnt mit einem Telegramm Lord

Derby's an den Vize-Konsul Dupuis in Adrianopel, vom.

14. Juli, worin leßterer beauftragt wird, fich nach Philippopel zu begeben und mit eigenen Augen fich von dem Sachverhalt zu überzeugen. Am 21. Juli telegraphirt Dupuis, von den irregu.ären Truppen \{chlimme Gewaltthaien began- gen worden seien, doch nit in solhem Maße, wie es in den stark üÜbertreibenden Schilderungen dargestellt worden; die Menae der

Getödteten erreihe nicht die Ziffer 15,000. Am 14. Juli \{hreibt Sir H. Clliot an Earl Derby, er fordere immer aufs Neue Beendi

gung der Gemwaltthaten u:.d legt einen Bericht des von ihm ab- gesandten Herrn Sandison ein. Dieser {reibt (am 11.) aus

Therapia an Sir H. Elliot, Midhat Pasha Habe versichert, die regelmäßigen Truppen seien gar niht zu tadeln, die Srregulären hätten geplündert, aber niht in der angege- benen Art. Weiber und Mädchen seien nicht verkauft, wohl fei viel Vieh weggetrieben, das werde aber jeßt zurück- erstattet. Die Baschibozuks seien zu \ceiden in die von der Regierung verwandten Theile und die, welche aus Furcht vor den Drohungen der Bulgaren zur Selbstvertheidigung gegriffen hätten. Deren Ausschreitungen zu hemmen, habe die Regierung weder Macht noch Gelegenheit. Grausamkeiten hätten die Bulgaren angefangen, ein Türke sei von ihnen geröstet wor- den. Unter den zersiörten Dörfern seien auch viele mohameda- nische. Frauen und Mädchen Gewalt anzuthun, liege niht im Charakter der Türken. Herr Sandison legt den Brief eines rômisch-katholishen Herrn, der mit Wiener Zeitungen in Ver- bindung steht, bei. Der Brief war am 27. Juli von Philippo- pel aus an Savfet Pascha geschickt, und erklärt, Bulgaren hâtten die Ermordung mohamedanisher Männer, Frauen und Kinder beabfichtigt gehabt. Sie selbst hätten ihre Dörfer verbrannt. Seit dem neuen Minifterium gäbe es keine Unordnungen mehr. Der beklagenswerthe Zuftand des Landes rühre von dem Aufstand her u. A. m. Am 17. Juli \{chreibt der türkishe Minister des Auswärtigen an den Botschafter Mu- surus Pascha nah London, daß die Erzählungen in eng- lischen Zeitungen von unbegründeten Angaben“ und Lügen wimmeln. Die Baschibozuks, Einwohner des vom Auffiande bedrohten Landes, hätten fich und das Ihrige nur vertheidigt, Mord und Plünderung seien auf beiden Seiten begangen worden, aber die Thatsachen seien übertrieben. Die Empörer hätten ein allgemeines Blutbad der Mohamedaner beabsichtigt gehabt, so wie die Verbrennung Adrianopels und Philippopels. In einem Dorfe seien nicht ¿2000 Einwohner ermordet, sondern nur 90 bei dem Kampfe ge- tödtet. Die türkische Regierung habe neuerdings durch Kiani Pascha noh strenge Strafen vollziehen lassen. Am 19. Juli telegraphirt Sir H. Elliot, daß der Großvezier ftrengen Befehl gegen die Aus- \hreitungen der Baschibozuks erlassen habe; am felben Tage erhält Derby die Nachricht, daß Baring nach Philippopel ab- gegangen sei. Am 23. meldet Sir H. Elliot an Lord Derby, der Großvezier habe ihm strenge Maßregeln versprochen, mehrere Baschibozuks seien gehängt worden, ein Theil der Dörfer sei von den Aufständischen verbrannt worden, auch hätten leßtere den Plan gehabt, die Mohamedaner in der Bulgarei auszurot- ten. Lord Odo Russell beftätigt inzwischen (am 20.) dem Lord Derby die Vorfälle in der Bulgarei, gestüßt auf Berichte, welche der deutschen Regierung zugegangen sind.

Am 8. August schrieb Lord Derby in folgender Weise an Sir Henry Elliot:

Sir! Die Nackrichten von den in der Bulgareï begangenen Grausamfeiten werden fortdauernd auf das lebhafteste besprohen und mannigfach angezweifelt. Sie können . das Entseßen, welches jene Nachrichten hierselb bei der Regiecung und dem Volke hervorgerufen haben, faum stark genug betonen. Jch bitte Ew. Excellenz, mir dem- näcst zu berichten, ob die Unruhen in der Bulgarei nach der Unter- drückung des Aufstandes noch angeh.lten haben und welcher Art die dabei vorgekommenen Ausschreitungen waren, sowie ferner, ob feine Gefahr für deren Erneuerung vorliegt. Jch bin 2c. (g-z.) Derby.

Am folgenden Tage telegraphirte der Unter-Staatssekretär im Auswärtigen Amte:

Sir! Es erscheint wahrscheinli, daß die Einnahme Saitschars zu der Beseßung einer großen Strecke serbischen Gebietes durch dfe Tinken binfübren werde. Ich bitte demgemäß Ew. Excellenz, bei der Pforte aufs Eindringlichste dahin zu wirken, daß die einmarschirenden türkischen Truppen unter strenger Kontrole gehalten, daß die nicht be- waffnete B völkerung geschont und eine Erneuerung der bulgarischen Graâuelscenen aufs nergisc;ste vermieden werde. Ew. Excellenz n. ögen Der lege daß die Erneuerung eines solhen Schauspiels der Türkei mehr \chaden werde, als eine verlorene Shlacht ; daß der nit mehr zu dämpfende Unwille Europas alsdann unfehlbar eine von der Pforte nit erwünschte Einmischung herbeiführen werde.

Am 9. August liefen folgende zwei Telegramme von Sir Henry Clliot ein:

Ich have bei der Pforte ganz entschieden dahin gewirkt, daß man die noch R gehaltenen Bulgaren in Freiheit seße. Der Groß vezier versprach cs mir; nur müsse mit einigen Individuen, welche die Anstifter der Unruhen gewesea seien, eine Ausnahme gemacht werden.

i : Therapia, 9. August 1876.

: As unwögli{ch, in Betreff der bulgarischen Grausamkeiten eine \{ärfere Sprache zu führen als ih dies s{chon gethan. Die Pforte bleibt bei ih:er Versicherung, daß jene Gräuelthaten weder von regulären Truppen noch von Baschibozuks, fondern von der über alles Maß erregten muselmännischen Bevölkerung begangen worden seien, welche sich von den Rebellen mit gänzlicher Au8rottung bedroht sahen, Der Zeitpunkt der Niéederwerfung dieses Aufstandes kann nit genau festgestellt werden, da starke Rebellenshaaren sich noch in den Gebirgen herumtrieben, als der Aufstand in der Ebene längst gedämpft war. Einige dieser Banden halten sich wahrscheinli au jeßt noch in den Gebirgen auf. Seit mehreren Wochen is mir fein Fall von ähnliwen Ausschreitungen, wie die früheren, mehr zu Ohren gekommen. So lange man in di¿sem Zustande der Aufregung, der Erbitterung und der Gesfeßlosigk: it verbleibt, können ähnlihe Scenen sich immer wieder ereignen; do glaube ih nit, daß dies in der Bulgarei abermals der Fall sein werde, falls sich nicht die chriftliche Bevölkerung noch einmal gegen die mohamedanische Bevölkerung er* heben und jene zur Gegenwehr zwingen sollte. Troß aller Anstren- gungen der Regierung werden wir auch fernerhin noch viel von den Ausschreitungen zu hören bekommen, welche zumal die Freiwilligen: sich auf dem Marsch zum Kr'egsschauplaß zu erlauben pflegen.

(A. A. C.) In Sheerneß wurde dieser Tage eine neue Schraubenkorvette, die „Osprey“, von Stapel gelassen, w0-

daß

dur die englische Flotte um ein weiteres Kriegs\{hiff vermehrt wird. Das -Fahrzeug if 170 Fuß lang, 36 Fuß breit, 15 Fuß 9% Zoll tief, hat einen Tiefgang von 13 resp. 16 Fuß und eine Traakraft von 1124 Tons. Die Armirung besteht aus \echs Geschüßen,

Fraukreih. Paris, 12. August. Der Senat hielt heute zwei Sizungen. In der ersten am Morgen abgehaltenen wurde die Wahl eines neuen Mitgliedes vorgenommen, Béi Ankündigung des Wahlergebnisses ergab sich, daß von 273 gültigen Stimmen 161 auf den Minifier Du- faure, 109 auf den Legitimisten Chesnelong, 2 auf Chabaud-Latour, 1 auf Chevreul gefallen sind. Bei Eröffnung der zweiten Sißung am Nachmittage bestieg der Minister Dufaure als Conseils-Präsident die Rednerbühne und las folgendes Deïret vor:

„Der Präfident der Republik verordnet in Anbetracht des Art. 2 der Verfassung über die Bezichungen der Staats- gewalten : Art. 1. Die gewöhnliche Session von 1876 des Se- nates und der Deputirtenkammer is und bleibt ges{lo}sen, Art. 2. Gegenwärtiges Dekret wird in den Senat gebracht durch den Siegelbewahrer Justiz-Minister Conseils-Präsidenten, und in die Kammer durch den Kriegs-Minister. Paris, 12. Au- gust 1876.“

Hierauf erhob sich der Präsident des Senates, Herzog von Audiffret-Pasquier, und sprah: Es ist kein Gesetzentwurf- mehr auf der Tagesordnung. Die Session ift aufgehoben.

Die Deputirtenkammer erledigte in ihrer Sihung die Berathung des Budgets der \{chönen Künste. Der Präsident der Kammer verlas alsdann ein Schreiben des Ministers Dufaure, der, nahdem er zum Senator auf Lebens- zeit gewählt, anzeigt, daß er seine Entlassung als Deputirter nehme. Jo ly legt den Bericht über die Wahl in Avignon auf den Tisch des Hauses. In demselben wird die Nichtigkeitserklä- rung der Wahl des Grafen Demaine und die Sendung der

“Untersuchungsakten an die Minister der Iustiz und des Innern

beantragt. Guyot-Montpayroux fragt den Minister des Innern, wann die nächsten Gemeinderathswahlen stattfinden follen. Der Minister Marcère antwortet, daß dem Gesetze ge- mäß die Gemeinderathswahlen im Jahre 1877 stattfinden müssen. Es wird hierauf durch den Minister das Dekret vorgelesen, welches den Schluß der ordentlichen Session von 1876 anordnet, Nachdem das Protokoll der heutigen Sizung verlesen und gut- geheißen, trennten sih die Deputirten.

Das „Journ. off.“ veröffentlicht einen Erlaß des Kriegs- Ministeriums, betreffend die Einberufung der Reservisten der Klassen von 1868 und 69 zu vierwöchentlichen Uebungen. Die Tage, an welchen die bctreffenden Reservisten fich bei ihren re¡p. Armee-Corps zu stellen haben, sind folgende: Beim 7., 8., 12., 13., 14., 15.,, 17. und 18. Armee-Corps am 21. August; beim 1., 2., 3., 4., 5., 6. und 9. Ar mee-Corps und der Pariser Armee am 1. September; beim 10. und 11. Armee-Corps am 15. September und beim 16. Arme c-Corps am 25. September.

Italien. Der „Politishen Korrespondenz“ vom 12. August wird aus Rom berichtet, daß der Maronitenchef Jussuff Karam aus dem Libanon daselbs eingetroffen sei. Dem Ver- nehmen nah hätte derselbe die offizielle Mission, Verhandlungen mit dem Vatikan über die Angelegenheiten der Katholiken im türkisch en Reiche anzuknüpfen.

Türkei. Konstantinopel, 12. August. (W. T. B.) Die türkische Regierung hat ihren Vertretern im Auslande folgende Mittheilung zugehen lassen: Die serbishen Agenten find im Auftrage ihrer Regierung bemüht, im Aus- lande den Glauben zu verbreiten, daß die Kaiseciihen Truppen muthwillig die serbischen Dó:fer in Brand- fstiecken, und gehen fsogar soweit, zu behaupten, daß die cirkassi- {hen Hülfstruppen mit Petroleum gefüllte Gesäße auf den Kampfplag bringen, um die SZerstörungen besser ausführen zu können. Diese doppelte lächerliche Anklage, deren angebliher Thatbestand nicht einmal nachgewiesen ist, wird hier- durch für durchaus unbegründet erklärt. Wenu einige serbische Dörfer von dem Feuer erreiht worden sind, so ist dies nur in der Hiße des Gefechtes selbs und durch einen unglückliden Zu- fall geshehen; dagegen find seit dem Beginn der Feindseligkeiten etwa 60 Dörfer auf türkishem Gebiete, welche sowohl von Christen als von Muhamedanern bewohnt waren, durch die Serben eingeäschert worden.

Dagegen meldet ein Telegramm des „W. T. B.“ aus St. Petersburg vom 14. August: Die offiziellen Klagen Serbiens über die Grausamkeiten der Türken werden dur Mittheilungen von Personen bestätigt, welche unter dem rothen Kreuze für die Verwundeten in Serbien thätig sind.

Tro des Vorrückens der Türken bleibt die Sttmmung in Serbien eine muthvolle und vertrauende. Man macht ih auf das Aeußerste gefaßt, selbst auf eine Belagerung Belgrads und eine Wegnahme desselben. Der in Organisation befindliche Guerillakampf gegen die Türken wird ers darlegen, welche Er- bitterung im Lande herrs{ht.

Die wiederkehrenden Nachrihten von Vermittelungen der Mächte, sowie die neuerdings von der Berliner „Post“ ge- brate Mittheilung, daß zwischen Wien und St. Petersburg seit dem 10. d. telegraphische Verhandlungen zum Zwecke des gemeinsamen Schußes Serbiens gegen die Türken stattfinden, werden an informirter Stelle als absolut unrichtig be- zeichnet?

13. August. Ueber die Amnestie, welche, wie bereits gemeldet, der Sultan in Bulgarien gewährt hat, liegt fol- gende offizielle Mittheilung ver: „Se. Kaiserlihe Ma- jestät der Sultan, bewogen durch die Gefühle väterliher Für- sorge und hoher Milde, hat geruht, eine volle und ganze Am- nestie allen bei dem bulgarishen Aufstande Kompromittirten zu gewähren, deren Prozeß noch nicht zu Ende geführt ist. Ausgenommen von dieser Gunst find alle bereits Verurtheilten, sowie diejenigen, welche unter der Anklage, die Führer und Ur- heber des Aufstandes zu sein, in Untersuchung sind. Alle An- deren, welhe fich wegen dieser Angelegenheit in H. ft befinden, sollen sofort gegen eine entsprechende Kaution in Freiheit ge- seßt werden. Gegen Niemanden soll in dieser Angelegenheit eine weitere Untersuhung stattfinden noch eine Haft voll- streckt werden. Alle gerihtlihen Verfolgungen auf Grund der in Rede stehenden Ereignisse sollen aufhören. Gleichzeitig wer- den alle mit der Untersuhung in diesen Prozessen betrauten außerordentlichen Gerichte beseitigt werden, und sollen die Ur- theils\sprüche, betreffend solche Individuen, welhe zu den oben erwähnten Ausnahmekategorien gehören, den ordentlichen Gerich- ten überwiesen werden.“

Einer Korrespondenz der „Allg. Ztg.“ 3. August, entnehmen wir Folgendes:

In Folge von Exzessen, welche eine Bashhibozuks in den Dörfern Hassköi,

aus Pera, vom

Bande von Yeni Mahale

und Hadschi Elias (Bezirk Philippopel) begangen hat, ward diese entwaffnet und wurden die Schuldigen ver- haftet, . Von diesen wurden die zwei Führer, Hadschi Morat und Abdulkadir, bereits in Folge standre@ztlichen Spruches dur den Strang hingerichtet. Die Untersuchung gegen die übrigen wird fortgeseßt. Der Unter-Gouverneur von Hassköi, Veli Eddin Effendi, wurde wegen mangelnder Energie abgeseßt und vor Gericht gestellt, desgleihen der Mufti. Es wird bemerkt, daß die Plünderung in den genannten Orten ebensowohl in rist- lihen als muselmanischen Häusern ftatifand, daß aber dabei kein Menschenleben zu beklagen ist. Die vorgefundenen Gegenstände wurden zurückgestellt. Aus Bulgarien wird berichtet, daß die Bulgaren von Belgradschik, welhe von den Serben be- waffnet worden waren, zurückgekehrt find und ihre Waffen den Behörden übergeben haben, Beim Dorfe Dere Köi nächst Jsmid hat man ein sehr reihlihes Kohlenlager entdeckt. An Papiergeld sollen unter Aufsicht und Leitung der osmanishen Bank 2 Millionen Psund ausgegeben werden, während 1 Million in Reserve bleibt. -— Die freiwillige Beisteuer zu Kriegszwecken dürfte bis jegt 10 Millionen Piaster erreicht haben.

Vom \Kriegs\chauplahe gramme vor:

Wien, 12. August. (W. T. B.) Wie der „Politischen Korrespondenz“ aus Belgrad vom heutigen Tage gemeldet wird, hat das Oberkommando beschlossen, das Morawathal ohne entscheidende Schlacht niht aufzugeben. Die Opera- tionen der türkishen Truppen unter Osman Vascha find vor der Hand auf Paratschin gerichtet, doch \{cheint das Morawathal ihr Hauptziel zu sein. Ejub Pascha steht am Eingang der Defileen von Banja; Banja selbst wird befestigt. Leschjanin steht mit seinem Gros unweit Brestowaß. In Negotin organifiren die Türken eine Donauuferpolizei. Der Ort \soll von den Nizams geplündert worden sein. Saitschar i fast zur Hälfte niedergebrannt.

Belgrad, 13. August. (W. T. B.) Von der Drina- Armee wird hierher gemeldet: Zwei Bataillone unter der Füh- rung von Czinies und Javanovics haben bei ciner Rekognos- irung die türkishen Positionen unterhalb Belina genommen.

ie Serben wurden dann von den türkishen Truppen über- fallen, \chlugen fie aber nach einem dreizehnstündigen Kampfe gänzli zurück. Während des Kampfes wurde Jania beschossen. Die serbischen Beobachtungstruppen fianden bei Belina.

London, 13. August. (W. T. B.) Dem „Reutershen Bureau* wird aus Semlin vom gestrigen Tage gemeldet: Die Nachricht von dem jüngsten Siege der Türken bei Javor bestätigt sich. Die Verluste sind auf beiden Seiten sehr groß. Die Details über die Schlacht fehlen indeß noch. Demnächst wird eine neue Schlaht bei Ba? ja erwartet, Im Wider- \vruche hiermit wird demselben Bureau aus Belgrad be- richtet: Am Donnerstag ifi ein türkishes Bataillon, welches versuchte, die serbischen Linien bei JIavor zu durhbrechen, voll- ständig geschlagen und beinahe gänzlih vernihtet worden. Die Position der Serben bei Javor ist intakt geblieben. Ranko Alimpics bewahrt seine Offensivsiellungen an der Drina. Banja ift stark befestigt und von dén Truppen des Generals Tschernajef beseht. Die serbishe Abtheilung unter Becker behauptet die Gebirg*züge zwischen dem Timok und der Morawa. Negotin und Kladova sind nicht in den Händen der Türken. Fürst Milan wird fich in einigen Tagen zur Jnspizirung der in Bosnien stehenden Armee be- geben. Circa 30,000 Bulgare®, Greise, Weiber und Kin- der, haben sh über Pirot und Nisch nad Serbien geflüctet.

Aus Belgrad wird telegraphirt :

Belgrad, 13. August. (W. T. B.) Fürst Milan ift gestern Abend vom Kriegsschauplage hier eingetroffen.

Belgrad, 14. August. (W. T. B.) Die Fürstin von Serbien is heute von einem Prinzen entbunden worden.

es, 12. August. Aus Belgrad wird vom heutigen Tage gemeldet: Für ft Milan wird morgen hier eintreffen; er will Frieden \{chließen, während da Ministerium den Kampf fortsezen möchte. Das Hauptquartier ift nah Tschuprija verlegt. Türkishe Truppen dringen auf der Heerfiraße über Posarovay nah Semendria vor und könnten binnen MWochenfrist vor Belgrad stehen.

=ch Von 13. d. M. meldet H. S B# aus Belgrad: Das Ministerium gab im gefirigen Tiinisterrathe seine De- mission, weil Fücst Milan den Frieden will, die Regierung aber die Fortführung des Kampfes für nothwendig bält. Riftics las ein ausfürlihes Exposé Tschernajefss vor, nach welchem nihts zu einem nachtheiligen Friedens\{luß berehtigt. Der Fürst hat noch feinen Entschluß gefaßt.

London, 13. August. (W. T. B.) Aus Belgrad wird hierher gemeldet, daß zahlreiche Zuzüge von Freiwilligen aus anderen Ländern zur serbishen Armee ftattfinden. Garibaldi hat einen Brief an den serbischen Krieas-Minifier gerihtet, in welhem er anzeigt, daß er den Vorfiß in dem Comité übernommen ha e, welches fich in Mailand zur Unter- stüßung der verwundeten Serben und Montenegriner ge- bildet hat.

St. Petersburg, 12. August. (W. T. B.) Der „Inter- nationalen Telegraphen - Agentur“ wird aus Belgrad von gestern Abend gemeldet, daß die Johanniter unter Führung Kellars aus London heute in Belgrad eingetroffen \eien, gleich- zeitig au der zweite Theil des russishen Sanitätszuges, welcher von der Fürstin Schachowskaja nach Belgrad geleitet worden sei. Aerzte und Offiziere strömten jegt aus allen Län- dern zu, die Freiwilligen würden in Legionen eingetheilt, die Natalialegion sei heute nach dem Kriegs\{hauplaßze abgerüt. Der Archimandri: Ducic \ci {wer verwundet, ebenso General Zach, de: sih einer Amputation werde unterwerfen müssen.

Unter dem Titel: „Leßte Nachrichten aus Serbien“ ver- öffentliht die „Pol. Korr.“ aus Belgrad vom 12. August das nahfolgende Telegramm: f

Alimpics erhielt den Befehl, nah Zurücklu}ung eines Corps zur Bewachung der Drinagrenze, die eiligst bei Les ch- nigza befestigt wird, mit dem Gros seiner Truppen nah dem Jnnern zu marschiren. Das Ziel seines Marsches ist nicht be- kannt. Oberst Czolak Antics zog sich vorläufig auf Iva - nißa zurück. Es verlautet, ?ie Ibar-Division soll auf das bedrohte Kru sewaßyz sh zurückziehen. Vorgestern nahmen die Türken Kladowo und rücken auf schr unwegsamen Bergpfaden gegen Gornje-Milanovac vor.

Jm Kriegs-Ministerium neigt man sich der Ucber- zeugung zu, die türkishe Armee werde konzentrisch gegen Belgrad vorrückten. Man befestigt daher die Stadt in einem Umkreise von 11/2 Meilen. Auf der Linie von Rakovißa bis Vischnitza

liegen folgende Tele-

werden Schanzen aufgeworfen Mokri-Lug, welches _ auf ciner Anhöhe liegt und die Aleksinac-Paraciu-Cuprija-Semendrig-

Straße beherrscht, wird befestigt und mit Redouten versehen. Alle großen Geschütze, welche im Kragujewater Arsenale liegen, werden nach Belgrad geschafft. Kriegs-Minister Oberst Nikolits überwacht persönli die Arbeiten, zu deren rascher Vollziehung die gesammte männliche Bevölkerung des Bratscharer Bezirkes aufgeboten wurde. Der Minister des Znnern {loß Verträge mit Lieferanten ab, die in der kürzesten Zeit Belgrad mit großen Quantitäten Mehl, Schlachtvieh und anderem Proviant versehen müssen. Man will sich, wie es scheint, in Belgrad \o lange wie mögli vertheidigen.

Die Fürstin äußerte heute ihren festen Entshluß in Bel- grad zu bleiben und alle Gefahren mit der Bevölkerung zu theilen. Gestern ift das Memoire über die von den Türken ver- übten Grausamkeiten den Vertretern der Großmächte übergeben worden. Der Fürst befindet fch im Momente in Deligrad. Zwischen Banja und Aleisinaß wird eine große Schlacht erwar- tet. Tschernajeff ist beim Corps Horvatovih heute eingetroffen.

Oveist Despotovih veröffentlichte ein Manifest des Für sten Milan, welcher die Führung dexr bosnishen Insurgenten dem genannten Obersten überirägt und alle Bosniaten auffordert, dem „Fürstlihen Statthalter“ (Namesty?) zu gehorchen. Die Türken vernichteten ihre Befestigungen in Grakowo (in Bosnien) und zogen sich nach Ljewno zurück, wo ein großes Armee-Corps aus Baschibozuks in der Bildung begriffen ift.

Aus Belgrad shreibi man der „Pol, Corr.“ untkr dem 9. August;

„Zu spät sieht man hier ein, daß die ferbishe Heeres» organisation eine solche ift, die eigentlich auf einen Erfolg zu hoffen, gar nie berechtigt hat. Das stehende Heer hatte bis jeßt nie einen stärkeren Stand als 5000 Mann und da die In- stitution der allgemeinen Wehrpflicht in Serbien noch sehr jung ist, so konnte bis jet nur eine geringe Zahl zu wirklihen Sol- daten herangebildet werden. Die Wiliz hatte, mit Ausnahme des Brigadekommandanten, keine geshulten und gebildeten Offi- ziere. Einfache Bauern waren mit dex Offizierscharge bekleidet. Erst in den lezten Jahren begann man die Milizoffiziere zu einem theoretischen Unterrichte heranzuziehen, bei der kurzen Dauer der Kurse fonnte jcdoh nitt leiht etwas Ordentliches gelernt werden. Die Kavallerie wurde ganz vernachlässigt. Gewöhnlich bildet diese Waffengattung 1/; bis 1/1g der gesammten Armee; im ferbishea Voiksheere repräsentirt die Kavallerie nur 1/29 der Gesammt- stärke. Aus diesem Grunde war der Cclaireurdiens \chlecht or- ganisirt, was große Nachtheile brate. Auch den Man- gel einer raschen Kommunikation empfindet man sehr \{chmerzlich. Hâtte man eine Eisenbahn zwischen Knja- zewayß - Saitshar und Alexinag gehabt, das Timok- Thal wäre noch jeßt in serbishen Händen. Endlih macht man auch die ungeheuere Grenzausdehnung gegen die Türkei für den unglücklihen Verlauf des Krieges verantwortlih. Man mußte die geringen Kräfte zersplittern und wurde fo unfähig, auf irgend welchem Punkte etwas Entscheidendes unternehmen zu fönnen. Ale diese Gründe sollen nächstens in einem öffent- lihen Aktenstücke, das die serbische Kriegsleitung zur Recht- fertigung der mißlungenen Campagne vorbereitet, ihren Plaß finden,

Es war ein verhängnißvoller Irrthum, anzunehmen, daß Alt-Serbien jezi von türkischen Truppen entblößt sei, da an- geblih Derwish Pascha dem Mouthtar Pasha zu Hülfe eile. Diese falsche Nachricht bewog die Kriegsleitung, den größten Theil der Ibar-Armee, deren ursprünglicher Zweck doch als verfehlt und unausführbar betractet wird, nach dem Morawa- Thal zu beordern. Derwisch, der gar nicht daran dachte, die wichtigen strategishen Punkie Novibazar und Sienika aufzugeben, sowie die einzige Straße aus Rumetien nach Bosnien über Mitro- vica gefährden zu laffen, griff den Oberst Tscholaë Antits mit üverlegener Mat an und trieb ihn bis zu den Javorer Schanzen zurück. Gestern griff der im Gebirgsfriege sehr be- wanderte Derwish die Serben in ihren Verschanzungen an und nahm dieselben im Sturm. Tscholaf-Antits foll in der Sâärke von 6000 Mann dem Derwish, der über 9500 Mann Redifs und Nizams verfügte, gegenüber gestanden fein. Die Verluste an Mannschaft sollen bedeutend sein. Nun zog fh Antits auf serbishen Boden zurück und zwar soll er von Derwisch verfolgt werden. Die Einwohner aus den nahen Dörfern wie der Siadt Ipanica sind hon geflern geflohen. Hiermit haben die tür- fischen Generale von allen Seiten sich den Eingang nah Ser- bien eröffnet. S

Es scheint, daß man sich hier einem Irrihume in Beirc} der Stärke der türkishen Armee hinzab. Man glaubte, die Armee Abdul Kerim Paschas könne auf allen Punkten kaum 70- bis 80,000 Mann betragen. Jeßt fiellt sih heraus, daß Ejub Pascha (die Irregulärcn eingerechnet) über 30,000 Mann, Osman Pascha über 34,000 Mann verfügen, be! Nish 18,000, bei Jankowa-Klissura 15,000 und in Alt-Serbien 12,000 Mann siehen. Die Gesammistärke der türkishen Armee übersteigt also 100,000 Mann. Wiewohl die Streukräfte Serbiens auf allen Punkten noch immer groß find und jedenfalls den türkischen an Zahl nitt beträhtlih nachftehen dürften, fo ist doch die Qualität des Materials eine andere. Sobald die Redouten und Schanzen ihre Dienste vcrsagen, fann die junge ungeübte Armee beim besten Willen mit den oft im Feuer erprobten Türken es nicht aufnchmen.

Nußland und Polcu. Sit. Petersburg, 11. August. Die Abreise der dänischen und griechischen- Majestäten nach Wrosfau erfolgt am Sonnabend, den 12. August und zwar am Nachmittage.

Der russishe Botschafter bei der Pforte, Gencral-Adju- tant Ignatjew hat sich gestern na Kijew begeben.

(Pol. Kerr.) Von der persisch-türkischen Grenze laufen beunruhigende Nachrichten über die zunehmenden Räube- reien und Grenzverlezungen der dort im Atrekgebiet nomadi- firenden Turkmanen ein. Es ift in Folge dessen die Garnison in dem russishen befestigten Fort Aschar-Ade am Kaspischen Meer verstärkt worden. Die persische Regierung hat zwar gegenwärtig cine militärishe Expedition gegen diese ihr eigentlich unterworfenen Turk- manen unternommen, ihre Truppen find aber bei einem Zusammen stoß mit einer gleih starken Turkmanenhorde geschlagen worden. Diese räuberischen Horden find in Folge dessen wieder so übermüthig ge- worden, daß sie ihre Einfälle nun nicht mehr allein auf per- sishes, sondern au auf russisches Gebiet auédehnen, uneinge- denk der Züchtigungen, die ihnen früher durch russishe Truppen zu Theil geworden und welche bisher eine Zeit lang den russi- hen Ansiedlern Schugy verschafft hatten. Leider liegen die eigentlihen Siye dieser Atrek-Turkmanen zwischen dem Atrek und Kara - Su, ein Gebiet, das gewissermaßen eine neutrale Zone zwischen Persien und Rußland bildet, ob- gleih es auf der Karte zu Persien gerechnet wird. Wenn hier der Kara-Su, der ohnehin die natürliche Grenze bildet, auch

die politische Grenze sein würde, wie Rußland das vor Abschluß