1900 / 120 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 19 May 1900 18:00:01 GMT) scan diff

a S E T3 s 2 E E M wt L rain aGddt éd eb H M Lo i P E E A E O E E E E E I P I Dg Mrnaai tri Pre mer m anti e m: ck S A Aa E E E O E E Ae O? d R: Aa T [E S s C F L e Ea R R I dme E E “t E T Pr rem gean mi

papa

Abg. von Brockhausfen (kons.): Es hieße Eulen nach Athen tragen, wollte man über den Nuyen oder Schaden der Waarenhäuser streiten. Meine Freunde wollen die Besteuerung des großkapitalisti- schen Betriebes. Auf die Frage, ob auch die Spezialgeschäfte zu be- steuern sind, will ich nicht mehr eingehen, weil keine Anträge dahin mehr gestellt sind. Den Antrag Cahensly können wir niht an- nehmen. Die Differenzierung der Gemeinden unter 100 000 Einwohnern erscheint uns heute noch zweckmäßig, aber die Re- gierung will hierauf nicht eingehen. Wir wollen das Geseyz zu stande bringen. Wir find daher dafür, daß die Grenze von 500 000 Æ in 300000 A geändert wird, und wünschten auch, daß die Gemeinden noch darunter gingen. Den § 5 könnten wir mit dem Antrage Sc{haubve acceptieren, dies wäre aber das Aeußerste für uns. Die Gruppeneintheilung der Regierungsvorlage in § 6 ist au niht einwandfrei, aber die Gruppeneintheilung der Kommission können wir nit annehmen, weil man mit dieser niht trifft, was man treffen will. (Die Unrube im Saale wird immer größer, sodaß der Präsident um Ruhe bitten muß.) Wir möhten die Negierungs- vorlage wieder herstellen, wollen aber noch abwarten, welchWe Stellung die Regierung dazu einnimmt. Der § 6a Über die Ver- binderung der Zerlegung der Waarenhäufer ift durhaus nothwendig. Die Bestimmung in § 13, daß die Erträge dieser Steuer vorzugs- weise im Interesse der kleineren Gewerbetreibenden zu verwenden sind, können wir nur dringend empfehlen. Die Kommission hat eine Zentralstelle geshaffen, welhe über diz Gruppeneintheilung entscheiden joll; diese Stelle kann nur der Handelsminister sein, wie die Kom- mission beshlossen hat. Wir haben im Interesse des Zustande- kommens des Gesetzes auf manche unserer Wünsche verzichtet, er- warten aber, daß das Geseg nun angenommen wird.

Abg. Dr. Crüger (fr\. Volksp.): Wir können unseren entgegen- geseßten Standpunkt nur aufrecht erhalten. Mit der Zurückstellung von Wünschen ist es cine eigene Sah-e. Wenn die Vorlage erft Gefeß ist, werden die weitergebenden Wünse nuiit aller Krast wieder her- vortreten. Das JInteressanteste ist, daß die Mehrheit der Kommissioa und die Regierung ganz Verschiedenes wollen. Von einem eigent- lien Kompromiß kann keine Rede sein Der Petitionsfturm, den die Vorlage hervorgerufen bat, ift kennzeihnend für das, was wir zu erwarten haben. Manche Petitionen {lagen einen Ton an, der uns Schlimmes befürchten läßt. Die Vorlage wird die schärfsten Interessen- gegensäße aufeinanderstoßen lassen. Die Filialgeshäfte werden sih als die wahren Volksvertreter gegenüber den Waarenbäusern hinstellen. Die Vorlage is und soll nah den Erklärungen des Finanz-Ministers nur ein Versuch sein. Jeden Versu auf diesem Gebiete kann ih niht billiaen. Man denkt dabei garniht an die armen Versuhs- otjekte. Warum macht man diefen Versuch nit auch an anderen Stellen? Die Kleinktetriebe der anderen Erwerbszweige werden auh die Besteuerung der großen fordern. Diese Besteuerung foll eine \sozialpolitishe Maßregel fein. Wenn die soziale Frage fo leiht zu lôsen ist, warum erläßt man denn nicht einfa eine MReihe von Steuergeseken zu threr Lösung? Die Handelskammern sind die beruferen Vertreter des Handels, sie haben sch gegen das Geseß erklärt. Was würden die Konservativen sagen, wenn die Regierung die Gutachten der Land- wirthschaftékammern ignorizren wollte? Solche Parteien stellen sh hier als die Vertreter des Mittelstandes und von Handel und Ge- werbe dar. Wenn der Handel sich diese Parteien arsizht, wird ec fagen: timeo Danaos et dona ferentes. Die Parteten, die font abfällig vom Handel reden, "spielen fih bier als Vertreter des Handels auf. In gewissen Kreisen der Bevölkerung werden sie sich allerdings damit beliebt mahen. In Wahrheit werden sie aber dem Kleingewerbe keine Freude mit dem Geseh maßen. Sonst müßten fie alle Großbetriebe und namentli auch die Genoffenshaften mit der Steuer belegen. Die Kommission hat alle Anträge, die weiteres Material für die Vorlage forterten, abgelehnt. Es heißt immer: Tausende von Exiftenzen sind in Gefahr, aber ein Beweis dafür wird nicht erbraht. Es kann fogar behauptet werden, daß die Waarenhäufer die Einnahmen der kleinen Geschäfte gesieigert haben, da sie das Publikum in j:ne Gegenden hinzogen. Man macht den Kommunen den Vorwurf, daß sie in dieser Frage ihre Aufgabe ver- säumt hätten. Das bestreite ih. Sie baben sich damit be- schäftigt, haben fich aber überzeugt, daß man mit solchen Mitteln wohl herumdoktern kann, aber das Uebel nicht an der Wurzel anfaßt. Man hat gesagt, prohibitiv foll diese Steuer nicht sein. Dann hat sie also überhaupt keinen Werth. Wenn der Finanz-Minister sagt, eine Prohibitivsteuer sei nah der Reihs-Gewerbeordnung nit zulässig, so darf man eine solhe Steuer nit einführen, welche die groß- kapitaliftishe Eniwickelung bekämpft. Fn der Kommission hat ein Mitglied gesagt, die Steuer solle abshreckend wirken; derselbe Herr handelt aber selbs mit allen möglihen Dingen. Der württembergishe Minister Buchenberger is eine Autorität auf diesem Gebiete. Warum hot sich Herr von Miquel ihn niht zum Vorbild genommen? Ganz beseitigen will man die Waarenhäuser niht; wenn sie aber bestehen bleiben, machen sie, mit oder ohne Steuer, dem Kleingewerbe Konkurrenz. Die Waarenhaus- teuer widerspricht der Gewerbeordnung. In der Kommission suchte immer der eine Theil der Freunde der Waarenhaussteuer dem anderen zu bewéisen, daß er im Unrecht ist. Was ein Waaren- haus if, darüber enthält die Vorlage keine Definition. Sehr gefährlih würde es für die fleinen Gewerbetreibenden werden, wenn die Waarenbäuser sch zu Magazingenossenshaften um- bilden würden. Die Steuer wird leiht umgangen werden können, Ein Unternehmer schreibt, daß er ftatt eines Waarenhauses ein Konsortium von Speztialgeschäften gründen wolle, roelches der Waarenhauésteuer nicht unterliege. Wie will Herr Cahensly seinen Antrag begründen, daß ein Geschäft mit zehn Filialen gefährlicher sei als eins mit neun Filialen ? Das Gese soll ein Versuch fein, dem Mittelstand zu helfen. Es wird sich zeigen, taß es ein Versuch mit untauglihen Mitteln ift, zumal die Düfseldorfer Handelskammer die ihr vorgelegten beiden Entwürfe als moralisch verwerflich und durh- aus verkehrt bezeihnei hat. Wir müssen die Vorlage ablehnen. Diesem ersten Schritt werden weitere folgen, und er wird uns in eue rückläufize Bewegung der wirthshaftlihen Entwilkelung hinein- ringen.

Geheimer Ober-Finanzrath Dr. Struß: Die allgemeine Stellung der Regierung if bei der erften Lesung und in der Kom- mission ausführlich dargelegt worden. Der Düffseldorfer Handels- kammer haben nicht zwei, sondern hat nur ein Entwurf vorgelegen. Moralish verwerfli4 und durchaus verkehrt roar dieser nit; ich lasse es überhaupt dahingestellt, ob es gut war, daß die Handels- kammer ihr Gutachten der Oeffentlichkeit unterbreitete. Der Abg. Crüger hat die Definition eines Waarenhauses vermißt. Wer das stehende Gewerbe des Kleinhandels mit mehr als einer im Gesetz bezeihneten Waarengruppe betreibt, unterliegt, wenn der Jahres- umsaß 300000 4A übersteigt, der Waarenhaussteuer. Diese Definition ift vollkommen ausreihend. Die in der ersten Lesung der Kommission beschlossene Heranziehung der Spezialgeschäfte mit 10 und mehr Filialen 1 für die Regierung volllommen unannehmbar. Die Voraussetzungen in Betreff der Steucrfähigkeit der Waarenktäuser und der Filialgeshäfte sind durhaus niht dieselben. Die Spezial- geschäfte sind zum überwiegenden Theil aus kleinen Anfängen hervor- gegangen und in großen Städten wegen der Ausdehnung derselben zu Filialen übergegangen. Hinter den Waaren- bäusern sollen große Geldgeber stehen; auch das trifft bei Filialgeshäften nicht zu. Man fann wohl Vorkehrungen treffen gegen eine Zerlegung eines Waarenbauses in Speztal- gy ste aber nicht dagezen, daß die Filialgeshäfte thre Filialen elbständig mahen. Gegen die Herabseßung der Grenze auf 300 000 46 hat die Regierung ebenfalls die größten Bedenken. Je kleiner die Stadt ift, um so größer ift das Bedürfniß, in demjelben Gihäft einen größeren Kreis von Waarén zusammenzufassen. Erhöhen dürfen die Gemeinden die obere Grenze niht, wohl aber fônnen sie sie tiefer seßen als 300000 A Wir müssen mit Durchschnittssäßen rechnen und dafür sorgen, daß niht Betriebe der Waarenhaussteuer unter- worfen werden, die thr niht unterworfen werden sollten. Deshalb müssen wir die Grenze etwas böher bemessen, nämli auf 500 000 4,

und es den Gemeinden überlassen, je nach ihren Verhältnifsen darunter zu bleiben.

Abg. Cahensly (Zentr.): Der Saß von 500000 A is nur für Berlin angemessen. Die Kommission hat in threr ersten Le¡ung die Grenze je nach der Größe der Gemeinden differenziert, die Re- gierung erklärte dies aber für unannehmbar, und deshalb hat {ih die Kommission in zweiter Lesung für die einheitliße Grenze von 300 000 M entschieden. Die Filialgeshäfte sind für den kleinen Gewerbetreibenden ebenso gefährlih, wie die Waarenhäuser, namentlich beshwert man sich in Schlesien über die Konkurrenz der Filtal- geschäfte, besonders der Konsumvereine in Breslau und Görliß. Deshalb habe ich meinen Antrag gestellt und bitte, ihn anzunehmen.

Abg. Lüders -Gronau (fr. kons.): Wus für den kleinen Hand- werker gilt, gilt au für die kleinen Mühlen, welche dur die Kon- kurrenz der großen zu Grunde gerihtet werden. Eine Grenze von 500 000 M ist nur für Berlin richtig; in den kleinen Städten greifen die Waarenhauser au hon um fi, uud deshalb is wenigstens die Grenze von 300 000 Æ allein für uns annehmbar. Die Begrenzung der Waarenhaussteuer auf höchstens 20 9/6 des Ertrages können wir nur mit dem von unserem Freunde Schaube dazu gestellten Ab- änderungsantrag annehmen.

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld :

Meine Herren! Ih möYte mir einige Bemerkungen bezüglich des § 1 gestatten, und zwar speziell bezüglich der Herabseßung der unteren Grenze des Geshäftsumschlags von 500 000 \ auf 300 000 M Ich glaube, daß in der Herabsezung dieser unteren Grenze des Geschäfts- umschlags in Verbindung mit dem Umstande, daß einfach die Unter- grenze tes Steuersatzes von 14 9%/ ohne Ermäßigung erstreckt ist auf diese Untergrenze, eine sehr erheblihe Verschärfung des vorliegenden Gesegentwurfs liegt, und ich habe die BefürGtung ih fprehe das ofen a18 —, daß auh seitens des Staats- Ministeriums eine so erbeblice Verschärfung des Gesetzes als eine wesentlihe angesehen wird, und wenn sie als eine wesentliche angesehen wird, fo ergiebt ih daraus ganz von selbst, daß nah der Erklärung, die in der Begründung des Gesegentwurfs niedergelegt ift, diz Ablehnung der Vorlage erfolgen muß.

Meine Herren, wenn ih sage, ih glaube, daß diese Herabseßung der Untergrenze des Geschäftsumschlags eine erhebliche ift, fo hat dies darin seinen Grund, daß ich annehme und das hat auch wohl die Negterung angenommen, indem fie die Untergrenze auf 500 000 festgeseßt hat —, daß die Geschäfte von 300 (00 bis 509 000 M gar keine großen Geschäfte, sondern Mittelgeshäfte sind, Mitt:lgeshäfte, die sih nicht über ein Maß der Ausdehnung erheben, wie wir es für den Kleinhandel als erstrebenswerth betrachten können, Mittelgeshäfte von einer sclchen Ausdehnung, daß wir fogar wünschen müssen, daß auch die genossenschaftliße Vereinigung des Hands werks, wenn sie zum faufmännischen Betrieb übergeht, künftig cinmal cine folhe Höhe der Begrenzung erreihen möge.

Wenn ih nun annehme, daß folhe Geschäfte mit einem Um- \chlag von 300090 Æ feine großen, fondern Mittelgeshäfte sind, so leitet mich hierbei vorzugsweise die Erwägung, daß na meiner Kenntniß der Dinge der Ectrag, der Reinverdienst, der mit einem folhen Geschäft verbunden ift, keinesw2gs8 eine so außerordentliche Höhe crreiht, wie das hier vielfach bei den Ausführungen seitens der Anhänger der Geseßzesvorlaze angenommen ift. Man hat vielfa davon gesprochen, es würde bei dem Vertrieb der Artikel solher Ge- \chäfte ein Verdienst von 30, 40, 59 und mehr Prozent gemaht. Bei einzelnen Artikeln mag das ja sehr wohl der Fall sein; es mögen auch in einzelnen Fällen einzelne Häuser sehr bedeutende Gewinnste machen. Es kommt aber darauf an, was der große Durchschnitt, der Ertrag solcher Geschäfte ist der Ertrag, bemerken Sie wohl, im Sinne des Gewerbesteuergesetes, also nah Abzug aller Unkosten, nah Abzug aller Verluste, nach Ab¡ug der Generalkosten, alles dasjenige, was über kaupt zur Begrürdung und zum Betriebe eines solhen Geschäfts nöthig ist.

Nehmen Sie einmal an, es gäbe eine bestimmte Anzahl von solchen Geschäften mit einen Umsatz von 300 000 M, die nur einen Verdienst von 59% an dem Umslag haben, dann kämen diese auf einen Rein- verdienst von 15000 A Nehmen Sie 69/6 an, so kommen diese auf einen NReinverdienst von 18 000 Æ, und erst bei 7 9/ kommen sie auf 21 000 M, also auf mehr als 20000 A Nun möhhte ih darauf aufmerksam machen, daß nah § 6 des Gewerbesteuergeseßes, in dem ja die Gewerbesteuerklassen gebildet sind, als zur Gewerkesteuer- klasse IIT gehörig diejenigen Betriebe bezeichnet sind, die einen jähr- lien Reinertrag von 4000 kis 20000 Æ haben. Also erst dann, wenn folhe Geschäfte mit einem Umschlage von 300000 M sich mit 7 % rentieren, würden sie aus der dritten Gewerbe- stenerklasse in die zweite kommen. Jeßt sehen Sie si einmal den 8 13 der Vorlage an, wie er aus der Kommission hervorgegangen ist. Da follen die Gewerbesteuerklassen ITT und 1V durch das Aufkommen der Waarenhausfteuer entlastet werden. Man betrachtet also die Gewerbesteuerklasse IIT als diejenige, in der zu viel Steuer bezahlt wird, die entlastet werden soll. Wie können wir nun dazu übergehen, eben dieselben Geschäfte als solWe zu betrahten, die zu wentg be- zahlen und die wir mit einer Steuer von 4500 Æ belasten wollen! Nehmen Sie einen Neinertrag von 15000, von 18000, von 21 000 M; davon follen 4500 4 bezahlt werden! Jch glaube, damit werden Sie-eine große Zahl von sehr einwandéfreien Geschäften, gegen die nichts zu sagen ift, und teren Erhaltung wir im wirthschaftlichen Interesse wünschen müssen, derartig erdrücken, daß si: nicht mehr be- steben können.

Das, meine Herren, ift die Erwägung, weshalb ih Sie bitte: halten Sie fest an der Grenze, die wir vorgeshlagen haben, von 5C0 000 A und ftellen Sie in diesem Punkte die Vorlage der Regierung wieter her! (Bravo! links.)

Abg. Dr. Barth (fr. Vag.): Mich wundert nicht, daß der Negierungskommissar niht mebr auf die allgemeine Diskussion ein- gehen wollte, denn der Finanz-Minister kann auf dieses Geseß nicht \tolz sein® Er hat sih dur die „vox populi“ zu dieser Umsay- steuer drängen laffen, die er früher selbs verworfen hat. Jegt hat sih berau?gestellt, daß es mit der vox populi für dieses Geseg garniht so weit her is. Nur gewisse Kreise der Detaillisten sind jür die Vorlage, während alle Handelskammern in Preußen, die berufenen Vertreter des Handels, fih mit aller Entschiedenheit da- gegen erfläit haben. Ebenso verwirft die ganze Wissenschaft die Grundlagen dieses Gefeßes. Man begründet die Vorlage auh damit, daß die Angestellten der Waarenbäuser in die Lage gebracht werden müßten, {ih selbständiz zu machen; aber die Angestellten der Waaren- häuser haben protestiert, daß man sich in dieser Weise ihrer an- nehme, und haben \fich gegen das Geseß erklärt. Ebenso sind die Fabrikanten dagegen. Hätte die Regierung alle diese Kundgebungen vorher gekannt, so hâtte Je sich vielleicht eines anderen besonnen. Die Regierung kat selbs in der Kommissson erklärt, welhe Folgen das Gesey haben werde, könne sie niht sagen. Das ift gerade fo, als wenn ein Arzt eine Medizin verschreibt und sagt, welhe Folge sie haben werde, wisse er nicht. Daß die Regierung gegen

die Herabsezung der Grenze von_ 500000 Æ ift, zeigt da ih unsere Argumente gegen diese Steuer selb\t zu eigen mat ß links haben niemals geleugnet, daß die preußische Gewerbe

reformbedürftig ist und die kleinen Gewerbetreibenden mebr ee muß, wie z. B. di: Gewerbesteuer im Elsaß. Um eine Reform ¿° Gewerbesteuer handelt es sih aber hier garnicht. Die Firma M heim zahlt jeßt rund 20 000 (A Gewerbesteuer, nah der tbe

steigt ihre Steuer auf 500 000 4; das ift nit mehr eine Geer :

\teuerreform, sondern eine Konfiskation, die den Betrieb unmög] macht, eine Erdrofselungssteuer. Es handelt sih also um die Bd strafung gewisser Geschäftsformen. Neben den Handelskamm y haben sich auch einige aufgeklärte Detaillistenverbände a die Vorlage erklärt, namentli der Verband in Frankfurt a. M Jh

nehme an, daß diejer fo aufgeklärt ist, weil er si fo lange der Oje, ena

Bürgermeistershaft des Herrn von Miquel erfreute. Die Waar häufer sollen in threr Entwicklung künstlich gehemmt werden. Wohin soll das führen? Es war interessant, daß Herr Lüders die Konkurren der großen Mühlen für die kleinen beklagt. Die Spezialgeschäft will die Vorlage steuerfrei lassen. Das wird zu wahren Ah, surditäten führen. Ein Unternehmer, der in zwei ver f{hiedenen Städten zwei verschiedene Spezialgeschäfte hat, wir der Waarenhautsteuer unterworfen, wenn sein Gesammtumsag 300 000 M übersteigt. Filialen Tann er dagegen haben viele ex will, wenn er nur nicht zwei vershiedene Waarengruppzn bat Das Gesetz behandelt gleihartig liegende Fälle ganz ver\iedenartig, Das große Spezialgeshäft von Herzog bleibt von der Waarenhaus, steuer frei. Wertheim hat in Manufakturwaaren zwei Drittel seine ganzen Umsaßes, er kann si ohne Schaden auf dieses Spezialgeschäft allein beschränken und entgeht damit der Waarenhaussteuer. Um, gekehrt ift es gerade mit kleineren Geschäften, wie Emma Beit Bud u. Lachmann. Diese Firma ift aus zwei Geschäften ent, standen. Nach diesem Geseß müßten sie sich wieder trennen. Nun kommt aber die Vorlage und sagt: Trennen könnt Ihr Eu aber Le,ahlen müßt ihr doch. Wenn die Regierung erklärt, diese oder jener Antrag mache ihr das Geseß unannehmbar, so müßten wir eigentlich dafür timmen, damit es fällt. Die Regierung trägt die Verantwortung für dieses Geseß und au für alle Vershlechterungen, die es noch erhalten sollte. Vie größten Geschäfte werden \ih auß mit diesem Gesct abzufinden wissen; am meisten werden die mittleren Geschäfte betroffen werden. Wie kann man in der jetzigen Zeit des industriellen Aufschwunas mit solchen kleinliGen Maßcegeln in die Entwicklung eingreifen ?

Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Als ein alter Parlamentarier früßerer Zeit bin ih gewohnt gewesen, daß man eine zweite Generaldebatte bei dem 8 1 cines Gesetzes in zweiter Lesung macht (sehr rihtig! rechte), und ih bleibe gern in meiner alten Gewohnheit, in der Erwiderung auf die verschiedenen Redner möglichst kurz zu sein und niht wieder in die Generaldisfkussion der ersten Lesung zurückzufallen.

Meine Herren, der Herr Abg. Barth sagt, die Regterung bätte sich zu dieser Vorlage, die ihr seibst eigentlich niht richtig zu sein schiene, drängen lassen durch das Volk, durch die Agitation. Meine Herren, wie ein Mitglied der freisinnigen Partei sih darüber be \{chweren kann, iff mir {on einigermaßen wunderbar. (Heiterkeit rets.) Aber, meine Herren, das Volk hat hier nicht gefprohen, sondern die Landesvertretung, die verfassungsmäßige Landes vertretung. (Sehr ridtig! rechts.) Welche Beschw-rden, welhe Klagen kommen aus den Neihen der freisinnigen Partei, wenn einmal die Negierung fi untersteht, Resolutionen, die fie selbst eingebracht haben, niht zu befolgen und nicht sofort die Diktate zu erfüllen! Was ift das also für eine Art Grund, welcher Vorwurf für die Regierung liegt hier vor? Der Herr Abgeordnete tellt diese ganze Gesetzgebung als eine züaftlerishe, retrograde Gesetzgebung dar, die mit der ungeheuren Entwicklung der Industrie uad des Landes gar niht in Einklang zu bringen wäre.

Ja, *meine Herren, jeden Großbetrieb nah Maßgabe seiner Leistungsfähigkeit besteuern, darauf kann man denselben Say an- wenden: der Großbetrieb wird |ch noch leiter und größer “ent- wickeln, wenn man ihn steuerfrei läßt, oder aber, wenn man ihn nit entsprehend seiner Leistungsfähigkeit behandelt, umsomehr aber die weniger Leiflungsfähigen heranzieht. Das haben wir hier gerade ändern wollen. Ja unserer Gewerbesteuergeseßgebung hat das hohe Haus mit der Staatsregierung den entgegengeseßten Grundsatz befolgt, aber, weil es ein Staatégeseß war, nur in unvollkommenem Maße durchführen können. Früher hatten wir, wie ich das hon öôfter auêge- \prochen habe, eine Gewerbesteuer, die progressiv nah unten war. Die Riesen- betriebe, die ich seit dem Jahr 1820 entwickelt hatten, waren gar nit ordnungsmäßig herangezogen, und der kleine Handwerker zahlte oft 4, 59/0, während das große Werk vielleicht 1/109/6 zahlte. (Sehr richtig! rechts.) Das haben wir abgestellt.

Aber, meine Herren, die Gewerbesteuer kann nit gründlih reformiert werden als eine Staatss\teuer : denn die Art und Weise, wie die Gewerbt- steuer auf die einzelnen Betriebe umgelegt werden muß, ist nah den gewerb- lihen Verhältnissen in jeder Kommune verschieden. (Sehr wahr! rets.) Deswegen haben wir diese Steuer zu einer Kommunalsteuer gemacht mit der weitesten Latitude, die gerade auch von seiten der freisinnigen Partei vertreten wurde, durch kommunale Statuten nad Maßgabe der besonderen Bedürfnisse der einzelnen Gemeinden diese Steuer zu gestalten. Das war eben die Bedeutung: für den Staat paßte diese Steuer nicht, sie ist eine Realsteuer, die sich gestalten muß nach den besonderen realen Verhältnissen der Kommunen. Nun haben die Kommunen aber von dieser Befugniß noch fo gut wit gar keinen Gebrauch gemaht. Allerdings einzelne sind vorgegangen. Wir haben neuerdings noch weitergehende Beschlüsse, als unser Geseb hier vorlegt, von Kommunen beantragt bekommen, aber im Großen und Ganzen ist nicht viel geleistet. Ebenso ist bis jeßt die kommunale Reform der Grund- und Häusersteuer auch kaum irgendwo genügend durchgeführt, mit sehr wenigen Ausnahmen. Die Kommunen haben sich auf diesem Gebiet ein, wie ich zugebe, {wieriges Gebiet, was mit vollem Verständniß, mit viel Arbeit und mit Ershwerung auch der Erhebungen gegenüber dem einfahen Zuschlagdekretieren zl behandeln is bisher wenig fruchtbar gezeigt, und die Schwierigkeit der Sale mag dies entshuldigen. Jh habe {hon ausgeführt, wf wir bemüht geæesen find, den Kommunen in der Beziehung zu Hilfe zu kommen, aber wie wenig das bisher gefruchtet hat.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Sonnabend, den 19. Mai

1900.

x 120.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Nun glaube ih zuvörderst, wenn wir hier ein Beispiel geben, wie man unter Berücksichtigung der Grundlagen einer rihtigen Gewerbe- steuer innerhalb der Kommunen verfahren muß, so wird das vielleicht cine weitere Anregung geben, die fstaatliße Gewerbesteuer in eine wirkliche fommunale zu verwandeln. Das wäre s{chon ein Vortheil. gh habe ausdrüdlih gesagt, daß dieser Weg, wenn die Kommunen vorangegangen wären, uns nit gezwungen hätte, die Uebelst inde, die hier vorliegen, durch ein allgemeines Staatsgesey zu heilen wir haben das eben gesehen bei der Bemessung der Frage 500 000 oder 300 000 4, die eigentlich im wesentlihen au eine Lokalfrage ift; hier mußten wir sie aber gcnerell entscheiden —; diese Gesichtspunkte allein berechtigen die Vorlage.

Aber weiter! Wir haben doch auch wirklich ein großes Interesse für die Kommunen selbst, die in si selbst bisher nicht die Kraft ge- wonnen haben, diese angemessene Besteuerung einzuführen. Daß Sie die leiftungsfähigen großen Betriebe angemessen besteuern und die mittleren Betriebe entlasten, das ift auch ein großes kommunales Interesse, Daß das den großen Betrieben nicht angenehm ist, das verstehe ih. Ich kann mir auch den größten Theil der Petitionen dur den Interessentengeist, den sie athmen, sehr wohl erklären.

Meine Herren, jeßt wirft mir namentlich Herr Barth vor, wie id mi bätte herbkeilassen können, eine Steuer einzuführen nah Maßgabe des Umsaßes; ih hätte do selbst anerkannt, daß dies doch eine mehr oder minder rohe Veranlagungsform sei. Ja, meine Herren, das habe ih allerdings anerkannt, aber doch nur im Ver- gleich zur Einkommensteuer, welhe mit allen Finessen den wahren Reinertrag fassen will. Das thut aber keine Gewerbesteuer überhaupt.

Wenn Siz unsere heutige Gewerbesteuer betrachten, wenn Sie sehen, wie die Steuergesellshaften nah einer bestimmten Steuer- grenze zusammengefaßt werden, die sh nun untereinander die Gesammtsteuer vertheilen, und in der Regel au} nach dem Umsatz deun das is das Merkwürdige: Sie finden doch, daß der Umsay, die Größe des ganzen Betriebes, immer noch die beste Form ift, um die Leistungsfähigkeit der einzelnen Betriebe abzusGäßen wird da nicht noch roher verfahren als hier, wo auf Grund “einer speziellen Deklaration man diese einzelnen Um- sätze ganz genau feststelte. Warum hat niht Herr Barth in dieser Richtung seinen Eirfluß in den Kommunen geltend gemacht, diese Uebelstände ¿u beseitigen? Er s{chwärmt für die elsaß-lothringische Gewertest:u:-r vom Jahre 1897. Meine Herren, wir danken dafür, cinen folhen Nükschritt zu machen. Ih kann nur annehmen, daß Herr Barth dieses Gesey nicht kennt, (Heiterkeit rehts) denn sonst fônnte i mir niht denken, wie er eine folie Gewerbesteuer in Preußen als Muster empfiehlt. Jn Elsaß-Lothringen war die Sache fo.

Sie hatten dort die ganz merkwürdig detaillierte und konstruierte Gewerbesteuer, wo in einer Unmenge unübersehbarer Klassen, Unter- abtheilungen 2c. die einzelnen Gewerbe einrangiert waren. Nun haben sie gesagt: diese Einengung und Eintheilung paßt nicht, sie giebt oft meist ganz falsche Antworten. Man hat dann eine Gewerbesteuer gemaht, wonach thatsählich ohne feste geseßlihe Grundlage nah verschiedenen Gesichtspunkten die Veranlagungsbehörden den Gewerbe- betrieb nach ihrem Ermessen veranlagen. Ich sollte mal wagen, hier in diesem Hause eine so weitgehende Befugniß der Veranlagungs- behörden zu verlangen! Jch bin überzeugt, Herr Barih würde der Erste sein, welcher dieses Vorgehen als ein reaktionäres, zünftiges und retrogrades bezeichnete. (Heiterkeit.) Meine Herren, wir können hier kein Master fiaden.

Nun sagt Herr Barth, ih hätte selbst gesagt, diese ganze Gesetz- gebung sei nihts weiter als ein Versu. Meine Herren, das habe ih so nicht gesagt; ih habe nur gesagt: insoweit ist es ein Versuch, als wir die Wirkungen gegenwärtig noch nit genau übersehen können. (Heiterkeit links.) Jawohl, meine Herren, da ist nihts zu lachen, und dadur beweisen Sie nihts. Machen wir denn nicht oft genug Gesetze, welche den Zweck haben, eoffenkundige Uebelstände und Ungere(htig- leiten zu beseitigen, wo wir aber noch nickt genau den Erfolg der Geseze übersehen können! (Sehr richtig! rechts.)

Ih fehe eine Ungleichheit in der Besteuerung, ih sehe eine Reihe

boa Uebelständen in der rapiden Entwicklung diefer Großbetriebe mit ihren verschiedenen Manövern und Einrichtungen, und ih sage: hier muß Gerechtigkeit walten, die müssen entsprehend herangezogen weiden. Ob das nun alleia oder überhaupt den Erfolg haben wird, daß der Kleinbetrieb bestehen bleiben kann gegenüber diesen Groß- betrieben, darauf kommt es erstens überhaupt allein nit an, sondern uf eine gerechte Veranlagung der neuen Steuer, und zweitens, lauben wir toch sagen zu können, daß mindestens das ungeheure Drängen des Großkapitals zu diesen Betrieben sch etwas verlang- samen wird, und das ist allein {on ein Gewinn. : Meine Herren, die Herren Angestellten, die bei mir sich meldeten, die ih in der loyalften Weise empfangen hatte obwohl ih vorher wußte, was sie sagen würden in ter Hoffnung, sie vielleicht in ihren Befürchtungen etwas zu trösten, verstehen häufig eine längere, usammenhängende Ausführung nicht, greifen einen Punkt heraus, und dann bekommt die Sache in den Zeitungen ein ganz anderes Gesicht. Wenn das so weiter geht, so wird {ließli ein Minister sich be- danken, folhe Personen zu empfangen, die alles nah ihrer gewiß gut- 0läubigen Auffassung publizieren. (Sehr richtig! und Heiterkeit.)

Es heißt in der Zeitung, ih hätte gesagt, das Gese würde dem Mittelstand nihts nüßen. Nein, meine Herren, ih habe gesagt und

“lagen wollen, das Gesey wird dem Mittelstand allein nit viel

nßen, Jh bin der Meinung, daß der Mittelstand vor allem auf leine eigene Selbsihilfe angewiesen ist, daß genofsenshaftliche Bildungen L die verschiedenen Mittel, die die Genossenschaft an die Hand giebt, ? Hauptsache sind, und ich würde mih hüten, den Mittelstand glauben zu machen, daß er allein dur den Staat in dieser Konkurrenz- entwidelung geschüßt werden kann. Im Gegentheil, je mehr man

dem Mittelstand darüber keinen Zweifel läßt, desto mehr wird man ißm nügen.

Wenn ih nun auf die Petitionen und namentlih auf die Aus- sprüche der Handelskammern komme, so will ich natürlich weder den guten Glauben noch im Ganzen die Einsiht der Handels- kammein in diesen Fragen bemängeln. Aber ob die Meinungen über die Lage des Mittelstandes, über seine Bedürfnisse ®und seinen Rückgang in allen Handelskammern genügend vertreten sind, ist mir doch etwas ¡weifelhaft. (Sehr richtig! rechts.) Die Anschau- ung, wie sie der Herr Abgeordnete Barth hier vertritt, die hauptsählih den Großhandel ins Auge faft, die nur nah Reinerträgen fragt, wie ih schon früber gesagt habe, die die Bedeutung eines Mittelstandes für den Staat und für die Gesellshaft nit genügend in Erwägung zieht, mag doh in manchen Handelékammern überwiegen. Das ift kein Vorwurf, den ich mache, aber man muß den Anschauungen dieser höheren Klasse des Handels doch auhch die allgemeinen Anschauungen in der kleineren Kaufmannschaft entgegenseßzen, und die sind vielleicht mit sehr wenigen Ausnahmen sämmtlich auf seiten dieses Gesetzes. Herr Abgeordneter Barth hat auf Frankfurt hingewiesen. Aber in Frankfurt is meines Wissens diese Entwickelung der Großbazare über- haupt noch nicht vorgeschritten. Da sind andere Betriebe und Geschäfts3- formen, daher mag dort das Bedürfniß in dieser Weise nicht hervor- getreten sein.

Meine Herren, es hoben bei mir die Angestellten die Befürchtung ausgesprochen, daß sie in ihren Lebensverbältnissen zurückgedrängt und in ihrem Einkommen wesentlich geschädigt werden würden. Jch habe den Herren erwidert, daß ich daran nicht glauben könne; denn die Lohnsägze, die Vergütung sür geleistete Dienste rihten sh nah ganz anderen Verhältnissen als na den Verhältnissen der doch im Ganzen der Zzhl nah geringen Waarenhäuser. In Paris hat man bei der außerordentlich starken Besteuerung der Waarenhäuser darüber niemals geklagt. Jch glaubaz daher au nicht daran. Aber wir könnten doch au bei dem großen Ziel, den Mittelstand thunlist zu erhalten und zu kräftigen, auf eine sle bedauerlihe Eventualität kein allzu ent- \cheidendes Gewicht legen; da muß der eine leider oft dem andern weichen. Ich glaube aber, wie gesagt, niht, daß diese Befürchtung irgend welhen Grund hat, es sei denn bei denjenigen wenigen Ge- bilfen, welhe auf Tantièmen angestellt find, die si vielleicht zeitweilig vermindern könnten.

Wenn die Herren von der freisinnigen Partei gesagt hätten: ja- wohl, das sind Riesenbazare, diese Riesenbazare verursachen den Kommunen größere Laften und Kosten als kleine Betriebe, sie vers mindern bis auf einen oft hohen Betrag die Steuern, welche die Kommune von dea gewerblichen Betrieben erhält, wir geben daher zu, daß sie stäuker besteuert werden müssen, so würde ich das verstehen. Ich würde verstehen, wenn sie sagten: hier werden aber die Betriebe zu hoch besteuert, sie können möglicherweise dadur zu Grunde gehen, und das ift ja selbst niht die Absicht der Negierung. Darüber bât!e man sprechen, verhandeln können, Aber nirgendwo ift mir Derartiges entgegengetreten. Sie wollen im wesentlichen alles ceim Alten lasser; sie drängen auch nicht dazu, es in Form einer fommunalen Reform der Gewerbesteuer zu machen; gerade die frei- sinnige Partei in den Kommunen hat meines Wissens nirgends in dieser Beziehung kräftigen Anlauf genommen. (Sehr richtig! rechts.) Was \foll man also von einer so unfruhtbaren Politik halten? (Sehr gut! rets.) Das ift keine Fortschrittépolitik, sondern eine Politik der Stabilität, der Reformunlustigkeit {ließli ¿ur Begünstigung der reisten Klassen (sehr rihtig! rech!8s) ohne daß ih irgendwie be- haupten wolle, daß die Absiht dahin ginge; aber thatsählich kommt es darauf hinaus. (Heiterkeit.)

Meine Herren, die Regierung hat lange geschwankt, wie ich zu- gebe, ob man diesen Weg beschreiten dürfe und müsse. Die Regierung hätte viel lieber gesehen, wenn ein Staatsgesey niht nöthig gewesen wäre, wenn die Kommunen in dem Rahmen einer größeren Reform der kommunalen Steuern es gemacht hätten. Die Regierung weiß au, daß bezüglich der Wirkungen dieses Geseßes man aller- dirgs noÿŸ fark im Dunkeln steht; um so vorsithtiger wollte die Regierung sein. Wir sind niht so weit gegangen wie Bayern, wo 309/69 des Umstlages erhoben werden. Wir haben Kautelen aufgemaht gegen das Uebertreiben der Sache; wir haben diejenigen Tendenzen zurückgewtesen, die direkt darauf ausgehen, diese Entwicklung zu tôdten durch eine übermäßige Steuerbelastung. Wir haben gesagt darauf hat sich das Staatsministerium geeinigt —: wir wollen alles vorlegen, was wir einxäumen können, aber wir können uns auh nit weiter drängen laffen.

Und, meine Herren, ih kann zu meiner Freude sagen, daß gegenüber theoretis&en Auffassungen hier im Hause doch die interessierten Mittel- klassen diese Politik sehr gut verstehen und billigen. Vor allem liegt ihnen daran, daß dieses Gesey zu stande kommt, und dies Gese enthält au ch für die Mittelklafsen nah meiner Ueberzeugung einen erheblichen Gewinn; jedenfalls glauben sie daran. Sie sind der Regierung dankbar; sie finden in ihrer schwierigen Lage eine Art Trost, daß die Regierung diese Frage in Angriff genommen hat, und Sie, meine Herren, würden, glaube ich, diesmal s{lechten Dank ernten, wenn Sie uns hier Säße und Paragraphen hereinbrähten, die die Regierung nicht annehmen kann, und die das Geseg zum Scheitern bringen. Jch glaube daher, Sie, die es mit diesen Klassen so gut meinen, sollten doch diesen Gesichtspunkten Rehnung tragen. Man kann ja sehr wohl verschiedener Meinung über einzelne Punkte sein, Vielleicht ist auch bald eine Novelle nah den Erfahrungen nöthig; wir kennen ja jeyt die Höhe der Umsäße noch gar nicht, die in Frage kommen. Eine der wesentlichen Unterlagen zur Beurtheilung der Folge fehlt noch; die können wir erst erreihen, wenn wir dieses Geseß haben. Diese Gesetzgebung if wahrscheinlich damit durchaus noch nit ab- geschlossen; um so mehr könnte man sich aber dabei begnügen, wenn man nicht alle Wünsche shon bei dieser Gelegenheit erreicht.

Meine Herren, auf dem Lande, in der Landwirthschaft sind wir alle einig über die Bedeutung eines kräftigen Bauernstantes; aber die

Bedeutung des Bauernstandes is keine andere für den Staat wie die der Mittelklassen in den Städten. Vielleicht ift siz da noch wichtiger, und wenn da von anderen Klassen Opfer zu bringen sein follten, fo müssen im Interesse der sozialen Aufgabe diese Opfer gebraht werden. Von diesem Gesihhtspunkt aus müssen Ste diese Geseßgebung ansehen, und ih hoffe dringend, daß die Staatsregierung sih mit der großen Mehrheit des Landtages {li ßlich vollständig einigen wird und daß daher die geistreihsten, wißigsten (Abg. Graf zu Limburg-Stirum : boshaftesten!) wigigsten Reden des Herrn Dr. Barth hier wenigstens keinen entscheidenden Eindruck gemacht haben. (Bravo! rechts.)

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:

Fch muß mir gestatten, mit zwei Worten eine Aeußerung des Herrn Dr. Barth zu korrigieren, die sich auf meine vorliegenden Dar- legungen bezieht. Herr Dr. Barth hat mich so verstanden, als hätte ich erklärt, daß eine Herabsezung der Untergrenze des Geschäfts- ertrages der Waarenhäuser auf 300 000 ( eine wesentliche Ver- \{ärfung des Gesetzentwurfs enthalte, die die Regierung nicht an- nehmen könne. Eine solche Erklärung habe ih nicht abgegeben. Ih habe nur gesagt, es enthalte eine folhe Herabseßung der Untergrenze eine erheblihe Verschärfung des Gesegentwurfs, und ih hegte meinerseits die Befürchtung, daß die Staatsregierung sie als eine wesentliche ansehen werde. Jh habe dem Abg. Dr. Barth soeben das unkorrigierte Stenogramm vorgelegt und er hat sich von der Richtigkeit meiner Darlegungen überzeugt. (Bravo! rechts.)

Abg. Winckler (kons.): Wir lassen uns weniger von theoreti- \{en Erwägungen ols von den prafktisWen Erfahrungen in dieser Frage leiten, und auf Grund dieser Erfahrungen haben wir feit Jahren ein solhes Gesey gefordert. Als Vorsißender der Kommission muß ich auf den Vorwurf des Abg. Crüger, daß alle Anträge auf Be- \chafung weiteren Materials abgelehnt seien, erwidern, daßdie Gesetzgebung anderer Staaten, das Vorgehen der Kommunen und alles übrige Material eingehend studiert worden sind. Die Anträge auf Beschaffung weiteren Materials haben nur den Prohibitivzweck gehabt, den Herr Crüger an diesem Gese tadelt. Wir wollen die Waarenhäufer niht ver- hindern, sondern nur eine ungesunde Entwickelung hemmen. Daß wir mit einem solchen Steuergeseß nicht die fozial?2 Frage löôsen, wissen wir; aber wir wollen au in unsere Steuerpolitik sozial- poutische Getanken hineintragen und befitden uns dabei in Uebereinstimmung mit dem Geist unserer Zeit; wir wollen den Sc@wächeren s{hüßen. Es kommt hier nicht darauf an, ihm mit Worten, sondern mit Thaten Sympathie zu beweisen. Die Bedeutung des Großkapitals für das wirthschaftlihe Leben zu bestreiten, liegt uns gänzlih fern; aber das Großkapital if auf einen Irrweg gerathen. Der Mittelstand wird durch das Großkapital geschädigt, die Waaren werden verschlechtert. Den Antrag Cahensly können wir niht annehmen. Wir wollen uns allein auf die Waaren- häuser beshränken und alles fernhalten, was das Zustandekommen des Geseyes verhindern könnte. Wenn wir in §§ 5 und 6 entgegen- Fommen, fo wünschen wir dafür auch die Herabsezung der Grenze auf 300000 / Ich habe dea Handels-Minister nicht dahin ver- standen, daß er sie für unannehrbar erklärte. Wir bringen manches Opfer, exwarten aber in diesem Punkt unbedingt das Entgegenkommen der Regierung. Wir wollen kein Geseß machen für Berlin und einige wenige große Städte, sondern ein Geseß, das für alle paßt und aud den Mittelstand in den kleinen Städten {üßt. Wir hätten die Grenze gern nah der Größe der Städte differenziert, aber die Negierung hat dies wegen der großen damit verbundenen Schwierig- keiten entschieden für unannehmbar erklärt. Wir erwarten aber Ent- gegenkommen in der Herabseßung der Grenze.

Abg. Freiherr von Zedliy und Neukirch (fr. kons.): Auch ih wünsche ein Geseg, das niht nur für die großen Städte gilt, sondern im ganzen Lande. Wir f\tehen hinter niemandem zurück in der Bethätigung unseres guten Herzens für den Mittelstand. Aber der Handels-Minister hat uns nachgewiesen, daß die Herabsctßung der Grenze von 500 000 auf 300000 A nicht nur die großen Waaren- häuser, sondern auch eine ganze Reihe von mittleren Geschäften treffen würde. Das würde der Tendenz der Vorlage widersprehen, und des- halb bitte ih, die Herabseßung der Grenze abzuleßnen.

Abg. Felisch (kons.) betont nochmals den Standpunkt seiner Partei, das Gesey auf jeden Fall zu stande zu bringen, damit endlich einmal ein erster Schritt auf diesem Wege geschehe. Die Grenze von 500 000 A sei aber unannehmbar. Die Gegner des Gesetzes hätten ncch immer niht den Puls\shlag des Landes verstanden. er Antrag Cahensly würde vielleicht das Gese zum Scheitern bringen. Mit dem Steuersaßy köanten wir eigentlich bis zu 39/0 in die Höhe gehen, um dem mähtigen Großkapital einen Riegel vorzuschieben. Aber die Beschlüsse der Kommission beruhten auf einem Kompromiß, an dem festgehalten werden müße.

Abg. Ehlers (fr. Vgg.) bestreitet der rechten Seite des Hauses, daß sie allein ein warmes Herz für den Mittelstand beanspruchen dürfe. Daß die wirthshaftlihe Entwikelung manche Kreise benah- theiligt habe, wolle niemand bestreiten; aber dieses Mittel hier sei nicht geeignet, dem Mittelstand zu helfen. Ein preußischer Minister, der selbst diese Ueberzeugung aussprehe, dürfe niht ein solhes Geseßz unterschreiben. Herr von Miquel sage, die Verwaltungen der Städte seien an dieser Vorlage huld; wenn aber die Stadtverwaltungen mit Steuerreformen nur vorsihtig DOTgeDen, so könne man ihnen einen Vorwurf daraus niht mahen. Nach dem Muster dieser Vor- lage eine gerechte Gewerbesteuer herzustellen, werde keine Kommune unternehmen können. Das elsässishe Gewerbesteuergeseß zeige einen rihtigen Weg, und für eine solhe Reform seien die Freisinnigen zu En per nicht für diese Vorlage, die nur ein untauglihes Mittel enthalte.

Abg. Fuch{s (Zentr.) polemisiert gegen den antediluvianishen Standpunkt, der auf keinen Fall in die wirthschaftlihe Entwickelung eingreifen wolle. Die Syndikate, die Schußzöôlle 2c. seien auch Ein- griffe in die wirthschastlihe Bewegung; die Gewerbefretheit set durh- brohen. Das Großkapital habe auf dem Gebiet des Kleinhandels nihts zu thun, es sei für groge Unternehmungen und industrielle An- lagen da; daß es sih aber hinter den Ladentish stelle und Käse ver- kaufe sei eine Entgleisung. Wenn au diese Vorlage nur ein Versuch fei, so müsse doch dieser erster Schritt einmal gemacht werden; nah den Erfahrungen könne man dann weitere Maßnahmen in Ausficht nehmen,

Abg. von Eynern (nl.) weist darauf hin, daß die sämmtlichen Handelskammern das gleihe Wahlrecht hätten, daß also, wenn nur die Großen darin säßen, die Kleinen denselben volles Vertrauen \chenkten. Es werde nit gelingen, durch die Erörterungen in diesem Hause eine Hetze der kleinen Kaufleute gegen die großen zu entfachen. Die Vorlage werde nur den Erfolg haben, daß die Großen noch

rôößer und die Kleinen noch kleiner werden. So sei es ja auch beim Börsengeseß gewesen. Die Grenze von 300 000 4 sei ganz willkür- lih gewählt, Das Geseh [e nicht durchführbar, es werde nur eine Quelle der Unzufriedenheit für den Mittelftand sein.