1900 / 124 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 25 May 1900 18:00:01 GMT) scan diff

heitlihkeit zu sorgen. Mir \cheint au, daß die olitik des Aus- wärtigen Amts nicht in Einklang fteht mit den n tonalwirtbschaft- lihen Anschauungen des Grafen Posadowéky. Auqh hier hätte der Reich£- kanzler die Aufgabe, der Politik des Grafen Posadowsky überall zum Siege zu verhelfen, niht zuleßt bei dem Fleishbeshauge]ey. Deutsche Beamte haben in der Südsee vielfah nicht den Schuß des Aus- wärtigen Amts gefunden, den fie mit Recht beanspruchen konnten. Die Engländer können viel leihter Kapital auch aus den weniger bemittelten Klassen für die Kolonieen heranziehen; sie haben die 1 £ - Shares. Unsere aktiengeseßlihen Bestimmungen sind viel zu eng für die Kolonialbestrebungen; hier hätte das Neichs- Szatamt ein gutes Arbeitsfeld; wenigftens in diesem einen Dane scheint das english2 Beispiel nahahmentwerth. Die Be- iedelung, wie sie im preußischen Staate stets betriebea wurde, ging do davon aus, taß man die Ansiedlung möglichst erleichtern müßte durch Freijabre; solhe Freijahre sollte man auh in den Kolonien den deutschen Ansiedlern bewilligen und sie nicht sofort als Steuerobjekte betrahten. Dem Grafen Arnim können wir nur dankbar tein für seine Mittheilung über die Nachrihten wegen Er- theilung einer neuen Konzession in Togo; er hat dadurh dem Kolonial-Direktor die Möglichkeit gegeben, uns zu beruhigen. Der Modus, das vielfah mit englischem afsoziierte deutsche Großkapital zu bévorzugen, findet im Lande keine Billigung.

Staatssekretär des Jnnern, Staats - Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Der Herr Vzrredner hat die Behauptung auf- gestellt, daß innerhalb der Verwaltung des Reichs zwischen den Beamten, die ihre Befugnisse als Stellvertreter des Herrn Neichs- fanzlers von diesem als dem Mittelpunkt und Träger der ge- sammten Reichsverwaltung ableiten , Meinungêverschiedenbeiten auf politishem und wirthschaftspolitishem Gebiet beständen, die darin gipfelten, daß diese verschiedenen Stellvertreter des Herrn Reichskanzlers auch eine verschiedene Politik trieben. Aus ftaat3rechtlihen Gründen muß ich gegen diese Ausführungen Einspruch erheben. Der Träger der gesammten Neichsver- waltung und, wie ich bemerke, der verfassangsmäßig unzweifelhaft allein verantwortlihe Träger ist der Herr Reichskanzler, und ich würde es für einz der bedenklihsten politischen Entwickelungen innerbalb des Deutschen Reichs halten, wenn sih neben den klaren Vorschriften der Verfassung ein Zustand berausbildete, der niht mehr diesen Vorschriften und niht mehr dem Geiste der Verfassung entsprähe. Das Deutshe Reich is ein föderatives Staatsgebilde, und in diesem föderativen Staatsgebilde liegt es, daß die ver- fassungsmäßige Verantwortlichkeit nur an einer Stelle liegen kann, und daß sie deshalb nicht getheilt werden kann nah Ressorts, nah Stellvertretern des Reichskanzlers, nah dem Vorbilde einer Ministerialverfassung in den Einzelstaaten. Jch glaube, wir haben alle im Interesse des Reichs die dringendste Veranlassung, daran festzuhalten, daß si dieser verfafsungsmäßize Zustand auch mit dem thatsählihen Zustande deckt. (Sehr richti! rets.) Denn ih halte für die Entwickelung eins politishen Gemeinwesens nichts für gefährlicher, a!s daß verzeihen Sie mir den Ausdr:ck ih der Aberglaube oder der mißverständliße Glaube herausbitdet, daß an einer Stelle die formelle Verantwortlihkeit und an einer anderen die ahliche Verantwortlichkeit liegen könnte; bei einem solhen Zu- stande würde in der That der verfassungsmäßig verantwortliche Träger nicht mehr die sahlich: Verantwortlihkeit empfinden können, und der sahlich verantwortlihe Träger der verfassungsmäßigen Ver- antwortlichkeit entbehren. Meine Herren, gerade im Interefse des Reich8gedankens müßten wir einer derartigen Entwickelung mit allem Nacbdruck entgegentreten. Deshalb \{chon êönnen solhe Zustände, wie sie der geehrte Herr Vorredner entwickelt hät, thatsählih nie- mals entstehen. If eine Meinungsverschiedenheit zwischen den vershiedenen Stellvertretern des Herrn Reichskanzlers, dann baben diese Beamten die unzweifelhafte Verpflihtung und das ift dur eine allgemeine Anordnung des Herrn Fürsten Bismarck ausdrüdlih festgelegt —, gemeinshaftliGen Vortrag bei dem Herrn Reichs- kanzler zu halten, und der Herr Reichskanzler entscheidet hierauf, was zu geshehen hat. Hieraus folgt aber, meine Herren, daß zwar die Form, in der Vorlagen vertreten werden, eine vershiedene fein kann ; das Ziel muß aber für alle Staatssekretäre, für alle Stêlvertreter des Reichékanilers, so lange die verfassungsmäßige Stellung des Reichékanzlers erhalten bleibt, immer dasselbe sein. Sol(he Differenzen, wie sie der Herr Vorredner hier angeführt hat, können also in großen politischen Fragen nie eintreten.

Sglieflih bin ich dem Herrn Vorredner für das Vertrauen, das. er mir ausgesprochen hat, außerordentli dankbar, und hoffe, er wird diesem Vertrauen durch die That Autdruck geben gegenüber den Vorlagen, die ih die Ehre habe hier zu vertreten. (Heiterkeit und Bravo! links.)

Direktor der Kolonial-Abtheilung im Auswärtigen Amt Dr- von Buchka: Das deutshe Aktiengeseß gilt in den Kolonien nicht, ih wäre jederzeit in der Lage, den 1 Pfd. Sterl.-Share einzuführen, ih möôŸhte aber wobl sehen, was für ein Lärm entstanden wäre durch den Abg. Habn, wenn ich die 1 Pfd. Sterl.-Shares einführte. Ih

habe den Nachweis oeführt, daß von einer Vershleuderung oder Weg- gabe von Kolonialbesiy meinerseits nit geretet werden kann.

Abg. Dr. Müller- Sagan (fr. Volksp.) erklärt sid gegen die Forderung von 8653C0 #Æ# für die Verstärkung der Schuß- truppe von Kamerun. Nach den Darlegungen des Gouverneurs von Putikamer handelte es f\ich direkt um eine Aenderung des biéherigen Systems der Verwaltung in dieser deutschen Kolonie; jeßt folle die Schußtiuppe verstärkt werden, weil der Gocuverneur falsch operiert Habe; man wolle ih nicht mehr auf die äußere Vertbeidigung beschränken, sondern auch die Beschaffung von Arbeitern folle nunmebr zu den Reichsaufgaben gehören. Diesen Syftemwechsel könne seine Partei nit mitmaher. Man wolle jeßt die StÉwarzen zwangsweise an die Küste bringen und sie zur Arbeit zwingen; das sei doch thatsählid, wenn auc niht dem Namen na, nur eine andere Form der Sklaverei. Die neue Politik in unseren Kolonien sei nur eine Politik der Exploiteure, welche seine Partei verdamme.

- Ein Schlußantrag wird angenommen. Nach einer per- sönlichen Bemerkung des Abg. Dr. Hahn wird der Nachtrags- Etat im Einzelnen und in der Gesammtabjtimmung angenommen.

Es folgt die namentliche Gesammtabfimmung über den Gesezentwurf, betreffend dieSchlachtvieh- und Fleis ch- beshau nah den Beschlüssen dritter Berathung.

Die Vorlage wird mit 163 gegen 123 Stimmen bei einer Stimmenthaltung angenommen.

Hierauf wendet sih das Haus zur Fortsezung der dritten Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Abände- rung der Gewerbeordnung.

Jn zweiter Lesung is die von der Kommission vor- geschlagene Fassung des S 137 a (Befugniß des Bundesraths, für bestimmte Gewerbe die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern außerhalb der Fabrik zu beschränken)

abgelehnt worden. Von den Abgg. Albre tund Genossen (Soz.) ist die Wiederaufnahme in folgender Form beantragt: Für bestimmte Gewerbe kann durch Beschluß des Bundesraths angeordnet werden, daß den Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern. sofern ibre täglihe Beschäftigung in der Fabrik sechs Stunden übersteigt, Arbeit niht mit nah Hause gegeben werden darf. “a Ein Antrag der Abgg. Freiherr Heyl zu Herresheim (nl.), Dr. Hiße (Zentr.) und Bassermann (nl.) nimmt den

Kommissionsbeshluß wieder auf. : ird zur Abstimmung geschritten. Der

Ohne Debatte wird Antrag Albrecht wird abgelehnt. Für den Antrag von Heyl ein Theil der National-

erheben sich die Sozialdemokraten, t liberalen und das Zentrum. Der amtierende Vize - Präsident Dr. von Frege erflärt den Antrag für abgelehnt. (Lebhafter Widerspruch.) :

Bei den Abstimmungen über die weiteren, noch vor- liegenden Anträge knüpft Ach an die Form der Fragen, welche der Vize-Präsident vorschlägt und welche im Hauje N mißverstanden wird, eine lange Geschäftsordnungs- ebatte.

Der Präsident Graf von Ballestrem, der den Vize-Prä- sidenten Dr. von Frege ablöst, kann au nit die erforderliche Klarheit über die gefaßten B:shlüsse des Hauses schaffen und giebt schließlih einem Antrage des Abg Singer (So0z.) nach, den Gegenstand einstweilen zurückzustellen, bis an der Hand des stenographischen Protokolls festgestellt worden sei, welche Be- schlüsse der Reichstag thatsächlich gefaßt habe. Dem Ersuchen des Abg. Freiherrn Heyl zu Herrnsheim, die Abstimmung über seinen Antrag zu wiederholen, da derselbe eine Majorität gefunden habe, die aber vom Bureau für eine Minderheit erklärt worden sei, erklärt der Präsident auf Grund der Ge-

\chäftsordnung nicht Folge geben zu können.

Es wird zur dritten Lesung des Geseßentwurfs, be- treffend Aenderungen im Münzwesen, übergegangen.

Der Abg. Dr. Arendt (Rp.) hat beantragt, einen Artikel TV a einzufügen: „Niemand ist verpflichtet, Fünfmarkjtücke im Betrage von mehr als 100 4 und im übrigen Reichs- Silbermünzen im Betrage von mehr als 20 M in Zahlung zu nehmen.“ Außerdem liegt von demselben Antragsteller ein Antrag vor, in Artikel T auch die Zehnmarkstücke einzufügen.

Von den Abgg. Herold (Zenir.), von Kardorff (Rp.) und Dr. von Leveßow (d. kons.) ist folgende Resolution beantragt:

Dur Annahme des Gesetzentwurfs, betreffend Aenderungen im Münzwesen, beabsihtigt der Reichêtag keinerlei Hinderniß oder Er- s{hwerung für eine veitrag8mäßige, internationale Regelung der Währung herbetzufübßren.

In der Generaldebatte bemerkt der

Abg. Dr. Arendt: Der Gesezentwurf hat, wie ih gern an- kenne, eine ecbeblihe Verbesserung erfahren. Der ursprünglihe Ent- wurf hatte für uns das shwere Bedenken, daß er zu einer beshleunigten Beseitigung der leßten Silbermünzen und zu einer Wiederaufnahme der deutshen Silberverkäufe führte und damit zu ftiaer weiteren Herabminderung des Silberpreifes. Auf Erund der Beschlüfse zweiter Lesung wird nit eine Ver- minderung, sondern eine Vermehrung des deutschen Silberumlaufs, wenn au in geringem Umfange, eintreten. Als im Jahre 1879 auf Intrag des damaligen Reichsbank-Präsidenten von Dechend Fürst Bismark die deutihen Silberyerkäufe suspendierte, entstand ein heftiger Kampf der gesammten Goldwährungs8prartei gegen diesen Beschluß. Hätte man damals einen Geseßentwurf wie diesen vorgelegt, fo würde derselbe den wütbendsten Widerstand gefunden haben. Es is also eine erfreuliche Wandlung eingetreter, die in in den Beschlüffen zweiter Lesung ibren Ausdruck gefunden hat. Dieser Gesetzentwurf, das glaube ich afklerdings, wird das Ver- ständniß der Währungsfrage außerordentlich fördern, man wird er- kennen, daß die jeßigen Zustände dringend der Reform bedürfen und es wird eine Bewegung entsteben, die segentreihe Früchte tragen wird. J halte es für eine patriotish2 Pflicht, diejenigen Shwächen und Gefahren aufzudeckzn, die dem Vaterlande drohen können; das habe ih auch in Bezug »auf die Reihsbankpoliti? gethan. Ih muß mir deshalb aufs Ertshiedenste verbitten, wenn man in einer Veröffent- lihung der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“, für welche die Leitung der Reichsbank verantwortlih ift, sih berauëzgenommen hat, meinen Patriotismus zu bezweifeln. Diese B a eneE stammt aus dieser Quelle, weil fie Angaben enthält, welde dem Schuße des Dienst- eheimnifses unterstellt sind. Die Verkältnisse, wie siz sich gestaltet aben, stellen der Maßregel der Sistierung der Silberverkäufe von 1879 und dem damals für diese Maßregel so \chwer angegriffenen Reichsbanf-Präsidenten von Dechend und dem Fücsten Bismarck ein glänzendes Recbtfertigungszeugniß aus. Man hat damals sogar Herrn von Dechend POEIEMELIEN er erschwere die Goldeinfuhr nah Deutschland künstlih, bl-ß um mit seiner Meinung Recht zu behalten. Die Kritik der Reihsbankpolitik ist jedenfalls patriotischer als gewisse Sammlungen für die Hungerleidenden in Osts- indien. die unter der Leitung des Reichebank-Präsidenten Koch stattgefunden haben. Daß niht der industrielle Aufschwung die Höhe des Diskonts zur Folge gehabt hat, lehrt eine Ver- leihung der Geldmarktverhältnifse des vorigen Jahres mit diesem

abre. Der Notenumlauf if zurückgegangen; die Ansprüche des Geldmarkts haben fi also nit vermehrt. Der Metallvorrath ift ebenfalls, und zwar um 65 Millionen Mark zurückgega: gen, darauf fcmmt es an; dieses Metall is nahweislich ins Ausland nah Eng- land, Hollanck 2c. gegangen. Auch die Berufung auf die Ce statifti? giebt keine Gewähr für die Richtigkeit der Auffassung des Reichsbank-Präsidenten. Wir können es als eine ersprießliche Reichsbanlpolitik nit ansehen, in einer solhen Zeit die Thaler zu beseitigen, welche nah Herrn von Dechend uns vor höheren Diskontsäßen schüßen follten. Redner dankt am Schlusse seiner Ausführungen besonders der Linken für die aufmerksame An- bôrung seiner Rede; es sei eine wahre Woblthat, nah den Stürmen der lezten Tage ein ruhiges Haus vor ih zu haben. Was die Linke wolle, sei klar; sie habe die wihtigen Anträge bei der Gemwerbe- ordnung ohne Debatte vorau8gehen lafsen, nur um die Münzgesetz- novelle noch zur Verhandlung bringen zu lassen. Sojialdemokraten und Fre:sinnige seien wieder einmal verbündet. Im Lande werde man sih seinen Vers darauf machen; um den Preis des Münzgt setzes seien Anträge abgelehnt worden, die dem Gewerbeftand große Vor- theile gen bâtten.

Abg. Dr. Oertel- Sachsen (d. kons.): Es ift bedauerlich, daß eine so bedeutsame Vorlage so wenig Interesse im hohen Hause zu erregen scheint. Herr Arendt hat zu bescheiden von seinen „kurzen“ Darlegungen gesprochen; seine Ausführungen waren so erschöpfend, daß mir zu sagen kaum noch etwas übrig bleibt. Bei der erften Be- rathung haben wir uns gegen das ganze Gesch erklärt; in der Kom- mission und in der zweiten Lesung find dem Münzdrathen aller- dings die Hauptgiftzähne ausgebrohen worden, woran wir uns nach Kräften betheilint haben. Das übrig gebliebene Gift aber wird dur die Resolution Hzrold nicht gänzlih beseitigt. Im Artikel 1V, der zur Prägung der neu erforderlichen Reic{s-Silber- münzen Landetsilbermünzen in gleihen Beträzen einziehen will, ift der \{limmste, noch stehen gebliebene Giftzahn zu sehen. Warum man die Thaler beseitigen will, darauf haben wir bis jeßt keine ausreihende Antwort bekommen. Es heißt, der Thaler sei unbeliebt; er ist doch verhältnißmäßig beliebter als das un- bandlide Fünfmarfkftüd. Wenn die Thaler imm:r wieder in die Reichsbank zurüdckehren, so möhte doch auch die Mözlich- keit nicht aus8geshlossen sein, daß man diesen Rückfluß fkünftlih berbeiführt und den Wiederat fluß künstlih hindert. Für mich ift die

Vorlage troß der ausgebrohenen Giftzähne unannehmbar und aug, für age große T meiner Freunde. Die Beseiti aen a Thaler ist weder nothwendig noh geei e S siz wird die este lage des kleinen Mannes lediglih vershlechtern. Sehr bedenkli ist auch die große Aehnlichkeit der Füafzig- und Zehnpfennigstücke: h lastet wie ein Fluch auf unserem einkaufenden Publikum. Wi atten eine Zwischenstufe vorgeshlagen, die Schaffung eines Fünf, undzwanzigpfennigers nah Art des früheren Zweieinhalbgro)chen, stüds, einer der handlihsten und beliebtesten Münzen früheren Systems. Aber man hat unseren Vorschlag abgelehnt. Den einzigen guten Zahn, den das Geseß aufweist, haben wir ibm troy des Widerstands der verbündeten Regierungen erft eingeseßt, es ift die Bestimmung, daß Fünf- und Zweimarkstücke in anderer Prägung wiederhergestellt werden dürfen.

Abg. Lucke (b. k. F.) kann ebenfalls nicht begreifen, warum der Thaler jeyt auf einmal beseitigt und das Odium dafür auf den Reichstag abgewäl;t werden solle. Redner will Protest dagegen ein« legen, daß die Hothfinanz in ihrer Politik stets dur die Politik der Reichsbank begünstigt werde. Durch die Beseitigung dis Thalers werde die Lage der kleinen Geschäftsleute ganz erheblich ver‘{chlechtert.

Abg. Dr. Hahn: Es bat wenig Zweck, längere Ausfüßrungen zu machen, da si leider die linke Seite absolut niht an der Debatte betbeiligt. Unsere Gründe gegen die Vorlage sind dur Gegenaründe niht widerlegt worden. Wir haben die Prämienpolitik der frauzösischen Bank empfohlen; Sie haven nicht nachgewiesen, daß deren Nath, ahmung unthunlich ist. Die Reichsbank hat 10# 9/6 bei den unheimli bohen Diskontsäßen verdient. Für uriseren Vorschlag, den ausländischen Aktionären der Reichsbank die hohe Dividende zu entziehen, sind weder diz Nationalliberalen noch das Zentrum zu haben gewesen. Wem zu Liebe wird unser Währungssystem aufreht erhalten? Der hauts financs zu Liebe, die nach englishem Muster sih bereihern möhte, die den internationalen aroßen Zwischenhandel betceibt. Die „Finanzhronik“ hat das Rundschreiben des Reichsbank Präsidenten an die Spiyen unserer Kaufmannschaft zur Sammlung für Indien veröffentlicht, in dem es beißt, diese Aeuß rung der Theilnahme Deutschlands werde Angesihts der vorhandenen Handelsverbindungen mit England dort eine freundliche und verständnißvolle Aufnahme finden. So wit sind wir England gegenüber bereits gekommen? Von der Vorlage wird S den Schaden, nur einige Wenige werden den Vortheil

aben

Damit schließt die Generaldiskussion.

Abg. Raab (Refocmp.) beantragt, jeßt zur Verhandlung über die Gewerbeordnungsnovelle zurückzukehren, er halte au für noth» wendig, die Münzgesegnovelle vor einem stärker als gegenwärtig be- schten Hause weiter zu verhandeln. i

Der Antrag wird abgelehnt; das Haus tritt in die Spezialdiskuïssion ein.

Artikel T bestimmt, daß auf Anordnung des Bundesraths di: Reichsgoldmünzen zu 5 # mit einer Einlösungsfrist von einem Jahre außer Ku1s gesezt werden können.

Abg. Dr. Arendt begründet seinen Antrag, diese Außerkurs- seßzuna auch auf die Zebnmarkftück- auszudehnen. :

Vor der Abstimmung E der Abg. Raab die Ve- \{hlußfähigkeit des Hauses; der * räsident konstatiert dem- gegenüber, daß das Bureau über die Beschlußfähigkeit nicht im Zweifel sei. : j

Der Antrag Arendt wird gegen etwa 12 Stimmen akb- gelehnt, Artikel T unverändert angenommen, ebenso Artikel Il und IIT (Einziehung der Zwanzigpfennigstüe aus Silber und Nickel) nah den Beschlüssen der zweiten Lesung. ;

Artikel 1Y besagt, daß der Gesammtbetrag der Reichs Silbermünzen bis auf weiteres 15 (bisher 10) H für den Kopf der Bevölkerung niht übersteigen soll; zur neuen Prägung dieser Münzen sind Landes-Silbermünzen insoweit einzuziehen, als solche für die neue Prägung und deren Kosten erforderli sind. :

Abg. Dr. Arendt tritt für seinen Antrag ein, daß die Zablkraft der Fünfmarkstüdcke bis auf 100 M erhöht werde, im übrigen es aber beim bestehenden Geseg verbleiben solle; er habe diefen Antrag ju Artikel 1V gest:-llt. Bis jeyt seien alle Ausführungêgeseze zum Münp gese unausgeführt geblieben. Das Volk lasse_\sih nit eine beliebte Münze entziehen und eine unbeliebte aufdrängen. Bis jet sel der Thaler gesezlihes Zahlungsmittel gewesen. Verschwinde er aus dem kleinen Verkehr, so würden dem kleinen Manne die Augen auf- gehen über die angeblihen Gefälligkeiten, welche die Sozialdemokratie und der Freisinn ibm erwiesen. ]

Der Antrag des Abg. Dr. Arendt wird gegen etwa 95 Mitalieder der rehten Seite des Hauses abgelehnt, Artikel TY unverändert nach den Beschlüssen zweiter Lesung bestätigt, ebenso Artikel V (Ausprägung von Denkmünzen), und Artikel ŸVI (Aufhebung des Artikels 8 der Maß- und Gewichts ordnung vom 17. Augujt 1868), welhe auf Antrag des Abg. Kirsch (Zentr.) umgestellt werden.

Vor der Gesammtabstimmung wird auf Wunsch des Abg. Dr. Arendt, der davon seine schließliche Stellungnahme zum Gescze abhängig zu machen erklärt, die Resolution Herold zur Debatte gestellt. /

Nach kurzer Empfehlung dur den Abg. Herold wird die Resolution gegen die Stimmen der Linken und einer Aw zahl von Mitgliedern der Rechten angenommen, desgleichen endgültig das Geses im Ganzen mit großer Mehrheit.

Das Haus kehrt zurück zur Berathung des G eseßentwurfs, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung. Nach genauer Prüfung erübrigt, wie der Präsident mit- theilt, nur noch eine Abstimmung über einen Antrag des Abg. Dr. von Frege welche ebenfalls nur eine Konsequenz früherer Beschlüsse jei. E

Aba. Dr. von Frege bemerkt, daß die Kollationierung der Protokollz und des Stenogravbischen Berichts ergeben habe, daß fein materieller Fehler bei den Abstimmungen vorgekommen sei, wenn tr au vielleiht in der Form der Frageftellung geirrt habe, daß foml seine Geshä-tsführung als entlaftet erscheine. :

Der Antrag von Frege wird angenommen, desgleihen Einleitung und UebersHrift des Gesehes. Die Petitionen werden für erledigt erklärt. Abg. Freiherr Heyl zu Herrn& heim beantragt, auch die Gesammtabstimmung sofort vor zunehmen. Da niemand widerspriht, wird die Gesammb abstimmung vorgezommen und ergiebt die einstimmige 4 nahme der Gewerbeördnungsnovelle.

Damit ist die Tagesordnung erledigt.

Schluß 3/4 Uhr. Nächste Sißung (Dritte Lesung des Nachtrags-Etats, dritte versiherungsgeseße.)

reitag 11 Uhr. Ui der Unfall

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

74. Sigung vom 2. Mai 1900, 11 Uhr.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die dritte Ver rathung des Gesegentwurfs, betreffend die Waare? haussteuer. L

8 1 bestimmt: Wer das stehende Gewerbe des (He Handels mit mehr als einer der in Z © ? chiedenen Waarengruppen betreibt, unterliegt, wer h6 Jahresumsaz einschließlich desjenigen der in Preuß

Zweigniederlassungen, Filialen, Verkaufsstätten

f 107000 M übersteigt, der den Gemeinden zufließenden Waaren-

uer. Die Abgg. Lucius (fr. kons.) und Winckle r (konf.) heantragen, hinter dem Worte „Jahresumsaz“ die Worte in diesen Gruppen“ einzuschalten. Abg. Krawinkel (nl.) beantragt folgenden neuen usaß: Erstreckt sich der Kleinhandelsbetrieb über mehrere rte, so tritt die Steuerpflicht nur insoweit ein, als seine Kerkaufsstätten in einem und demselben Orte oder unmittelbar henahbarten Orten mehr als eine der in § 6 unterschiedenen

Gruppen führen.

Jn S 6 ist in zweiter Lesung die Gruppeneintheilung der Regierungsvorlage in vier Gruppen angenommen worden.

DieAbgg. Cahensly (Zentr.) und Genossen beantragen, in der Gruppe B an Stelle des Wortes „Bettstellen“ zu seßen Möbel“, dagegen die Worte „und Polstermöbel“ zu streichen. y ,

Jn der Generaldiskussion erklärt der

Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine hochverehrten Herren! Jh glaube, die Diskussion viel- leiht zu vereinfochen, jedenfalls die Stellungnabme der einzelnen Redner zu erleihiern, wenn ih schon jeßt die Stellung des Staats- Ministeriums zu den Beschlüssen zweiter Lesung hier erkläre.

Jch gehe zuerst zum § 1 über, bei dem in der ¡weiten Lesung eine Herabseßung der Steuergrenze von 500 00I 46 auf 300 000 heshlofsen ist. Die Staatsregierung bält diesen Beschluß niht für annehmbar. (Bravo! links.)

Meine Herren, das Staats-Minifterium hat dafür nach reiflicher, eingehender Erwägung folgende drei wesentlihe Gründe. Einmal glaubt man im Staats-Ministerium, daß man bei einer Grenze von 300 000 X do sehr viele Geschäfte selbst in kleineren Orten treffen würde, die die charafteristishen Merkmale des eigentlihen Waarenhaus8- hetriebes niht haben, und daß man da sehr leiht zu weit greifen und Geshäfte berühren kann, welhe außec der Absicht des Gesetzgebers liegen. Solche Fälle würden nah der Meinung des Staats- Ministeriums in großer Zahl getroffen werden.

Zweitens ift dazu keine Veranlaffung; denn die Gemeinden sind ermächtigt, diese Steuern nah ihrew Verhältnissen zu verschärfen. Sie können aber umzekehrt unter die obligatorische Bestimmung dieses Geseßes niht heruntergehen. Wenn also in einer einzelnen Gemeinde Waarenhäuser mit einem geringeren Umsaß als 500 000 4 vorkommen, so hat es die Gemeindevertretung in der Hand, au {on bei einem Umsatz von 3- bis 500 000 A dur ihre eigene Autonomie in der Beziehung Hilfe zu hafen. Es ist also ein dringendes Be- dürfniß zum ftaatlihen, obligatorischen Eingreifen in die Autonomie hier niht vorhanden.

Endlich aker is die Differenz zwischen einer angemessenen Be- fteuerung und der jeßigen Steuer von Waarenhäusern, die 3, bis 5000700 A umsetzen, niht so erheblich, daß man fi auf Grund von solchen Differenzen bâtte ents{ließen können, hei der erheblihen Schwierigkeit dieser Geseßgebung durch ein Staats- geseß in die Autonomie der Gemeinden einzugreifen. Wenn wir heute Maarenhäuser baben, von denen man sagt das wird si ja später herausftellen —, daß fie 20 bis 30 Millionen umseten, fo ift der Gegensaß zwischen der Befteuerung, wie sie heute durch Zuschläge zur staatlihen Gewerbesteuer in den Gemeinden stattfindet, so beschwerlich und nachtheilig und ungerecht gegenüber den kleineren Gewerbe- betrieben, daß, da die Kommunen ihrerseits noch nit Gebrau von ihrer Autonomie gemaht haben, wir uns ents{ließen mußten, folche frianten Ungleichheiten und Ungerechtigkziten in der Besteuerung zu beseitigen.

Wie Sie wissen, hat die Staatsregierung sich nur sehr {wer entshlofsen, in die Autonomie der Gemeinden einzugreifen. Sie hat fh aber dazu aus dem angegebenen Grunde gezwungen gesehen und hofft, daß diese Gesetzgebung die Gemeinde selbst aufmerksam mat, wie ungerecht die gegenwärtige Besteuerung der Geschäfte und wie un- gleih sie war. Aber wir können nicht verkennen, daß es viel besser gewesen wäre, die Gemeinden wären nah ihren lokalen Verhältnissen vorgegangen. Hier geben wir für das ganze Land feste Regeln, die hier und da nicht passen. Die Gruntlage is auch noch nitt genügend geklärt, weil wir die Größen der Umsätze heute nicht genügend fennen. G3 is also nur ein erster Schritt, den wir hier than, und ih möŸhte die Herren dringend bitten ih bin überzeugt, sie werden damit auch im Interefse und nah den Wünschen der kleineren Kaufleute handeln —, daß sie an dieser Frage das Gese nicht fallen laffen.

J gehe mit Erlaubniß des Herrn Präsidenten es ift ja hier eine Generaldiskussion auf den § 5 über, wo das hohe Haus eine erheblihe Milderung gegenüber den Kommissiontanträgen beshlofsea hat, freilich eine Verschärfung gegen den Entwurf. Die Regierung will aber bieraus feinen casus criticus maten, und da Ansihten aus den verschiedenen Parteien laut geworden sind, die mit dem vom Hause vorgeshlagenen Amendement, nah welchem feinesfalls weiter als bis zur Hälfte des nah § 2 si ergebenden Steuerbetrags beim Ueberschreiten dieser Grenze, die der S 5 nah der Regierungsvorlage zog, in der Befteuerung gegangen werden darf, so will die Staatsregierung diesem Amendement beitreten

Dagegen bleibt die Staatsregierung dabei stehen, daß es in dem gegenwärtigen Stadium im höchsten Grade bedenklih wäre, die sehr gründlih mit Sachverständigen berathene Gruppierung im § 6 noh zu ändern. Man weiß niht recht, was man mit einem einzelnen Amendement thut; es fkann ja sein, daß die Erfahrung überhaupt die Nothwendigkeit einer Aenderung der Gruppierung noch erwürsht oder erforderlih erscheinen läßt, Gegenwärtig aber Amentements und Aenderungen in Beziehung auf die Zahl, die innere Beschaffenheit, den Inhalt dieser Gruppierung eintreten zu lassen, bält die Staatsregierung nicht für angängig. Sie fühlt sich da und ih glaube, auch das ganze Haus auf einem zu unsicheren Boden, um in dieser Beziehung das Gese zu ändern.

Meine Herren, ich hoffe dringend, daß dieser Geseßentwurf auf der von mir bezeichneten Grundlage zustande kommt. Ich glaube, jeder von uns fühlt, wie schwierig die ganze Geseyzebung auf diesem Gebiet ist, und daß es dabei noth- wendig ift, si zu bescheiden. Ih habe die Ueberzeugung, daß die Hauptklagen und Hauptübelstände durh das Geseß getroffen werden, Weiter darf man aber gegenwärtig nit gehen. Alle Zu- u, Telegramme u, \. w., die ih aus den verschiedensten Lande#-

‘ilen bekommen habe, drücken den Wunsch aus, daß auf der Grund-

lage der Regierungsvorlage etwas zu ftande kommt, und Sie werden keinen Dank bei den vorzug8weise betheiligten kleineren und mittleren Kaufleuten erwerben, wenn Sie unter Bestehen auf bestimmten Be-

ned oder vorgefaßten Anschauungen das Gesey zum Scheitern ngen. j

Ih kann Ihnen daher nur empfehlen, meine Herren, die Be- \chlü}se der zweiten Lesung in dem eben von mir vorgetragenen Sinne zu ändern.

Abg. Marx (Zentr.): Nach der dankenswerthen Erklärung des Ministers befiaden wir uns jeßt auf einem festen Boden. Darin geben wir den Herren von der Linken Recht, daß es am besten wäre, die Gruppeneintheilung ganz herauszulafsen und auch die Spezialgeschäfte zu besteuern; ein großer Theil meiner Freunde stimmt aber für die Gruppeneintheilung der Regierungsvorlage; denn wir wollen etwas zustande bringen. Ein großer Theil meiner Freunde bedauert die Erklärung des Ministers über die Grenze von 300 000 4, und wir würden lieber gegen das ganze Geseß stimmen, als der Erhöhung auf 500 000 zustimmen. Das Geseß nach den Beschlüssen zweiter Lesung widerspricht durchaus nicht der Reihs-Gewerbeordnung ; wohl aber ift dies der Fall mit dem bayerishen Geseze. Nach den Motiven der Gewerbeordnung berührt diese die Berehtigung der steuerlihen Maßnahmen in keiner Weise, und selb wenn der in zweit:r Lesung zu § 95 angenommene Antrag Schaube ein Gewerbe unter gewissen Umständen unmöglich macht, so ift das noch immer kein Verstoß gegen die Gewerbe- ordnung. Auf die thatsächlihe Möglichkeit der Ausübung des Ge- werdes fommt es niht an. Wir halten nah wie vor daran fest, daß die progressive Steuet das Richtige ist. Wir verzichten in dritter Lesung auf Anträge wegen Besteuerung der Spezialgeschäfte, halten aber daran fest, daß eigentlich auch diese besteuert werden müßten, Daß die Vorlage die Umsaßsteuer einführt, ift ein Erfolg, und deshalb wird ein Theil meiner Freunde für das Geseß nah den Beschlüssen zweiter Lesung stimmen, um etwas zu stande zu bringen.

Abg. Win ckler (konf): Meine Freunde haben beschlofsen, an der Grenze von 300000 M aus den {hon in zweiter Lesung dargelegten Gründen festzuhalten; wir {ließen uns in dieser Be- ziehung dem Vorredner an. Wir wollen ein wirksames Gese und ein Gefe, das für das ganze Land gilt und niht nur für die großen Städte. Sollten die 300 000 % niht angenommen werden, so werden wir gegen das ganze Gesetz stimmen. Daß die Gemeinden auch unter 500000 A heruntergehen können, genügt uns niht, da die kommunale Thätigkeit auf diefem Gebiet unfruhtbar gewesen ift. Schon jeßt haben die Gemeinden das Reht zu einer solhen Be- steuerung, ohne daß sie etwas dazu gethan haben. Das Gesetz bliebe mit der Erhöhung nur ein Stück Papier und würde einen Streit in alle Gemeinden tragen. Das Hauptbedenken der Regierung gegen 300 000 A gebt dahin, daß diese Grenze für die großen Städte zu niedrig sei. Wir hätten überhaupt eine Verständigung nah den Beschlüssen ber Kommission in erster Lesung dahin gewünscht, daß nah der Größe der Städte unterschieden wird. Wir halten eine solche Verständigung im weiteren Stadium der Berathung im Herren- haus nit füc möglih. Daß der § 5 nah dem Antrag Schaube für die Regierung annehmbar ift, hat uns mit großer Freude erfüllt. Bei der Gruppeneintheilung nah dem Beschluß der zweiten Lesung werden wir ftehen bleiben. Wir sind in allen Punkten ent-

Sm in der Erroartung, daß uns in § 1 entgegengekommen wird.

_ Abg. Dr. Barth (fr. Vag.): Wir bekämpfen das Geseh grunde DEA und können in den bisherigen Beschlüssen auch keine Ver- besserung des Entwurfs erblicken. Ich fasse die Erklärung des Ministers dahin auf, daß die Regierung auf keinen Fall den Say von 500 000 Æ in irgend einer Hinsicht wird herunterrücken lassen. Wenn wir auch gegen das Gese selbs sind, so werden wir do für jede Verbesserung stimmen und daher auch für die Grhöhung auf 500 000 A Natürlih überlaffen wir die Stellung eines folhen An- trages den Mehrheitsparteien. Ih würde es bedauern, wenn nachher nah dem Beschlusse des Herrenhauses etwa die Konservativen um- fallen und für 509 000 A stimmen würden, falls das Herrenhaus diese Grenze beschließt.

Damit schließt die Generaldiskussion.

In der Spezialdiskussion befürwortet

Abg. Krawinkel seinen Antrag, der nur eine redaktionelle Be- deutung habe.

Abg. Lucius empfiehlt seinen Antrag.

MIERE des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Der Antrag Lucius if weiter nihts als eine authentische Inter- pretation und stimmt mit den eigentlichen Intentionen des Gesetzes vollständig überein. Ich halte den Antrag nicht für nöthig; wir würden in der Ausführung8verordnung \{chon dasselbe vorgeschrieben haben; ih habe aber auch nichts gegen die Annahme.

Was den Antrag des Herrn Abg. Krawinkel betrifft, so spricht sehr viel für denselben. Er stimmt zwar niht mit den prinzipiellen Grundlagen überein, nah welhen die Besteuerung auf Grund unserer jeßt geltenden Gewerbefteuerordnung stattfindet, weil er auch aus- einanderliegende Geschäfte als eine Einheit behandelt. Aber man muß sagen, das vorliegende Geseg kann eine Ausnahme von diesem allgemeinen Prinzip der Gewerbefteuer wobl rechtfertigen; denn wir wollen hier niht die Person, sondern das Gewerbe treffen, und sodann lege ih darauf das Hauptgewiht auch die lokale Ein- wirkung des betreffenden Groß-Kleinhandels. Es shadet den Ge- werbetreibenden in irgend einem Ort niht, wenn in irgend einem zweiten Ort ein Geschäft ähnlicher Art entsteht. Man muß zugeben, daß es allerdings zu großen Härten führen kann sehr oft wird der ganze Fall wohl überhaupt niht vorkommen —, wenn ein Mann mehrfach besteuert wird, aus Gewerbebetrieben solcher Orte, wo die Voraussetzung des betreffenden Geseßes für das einzelne Geschäft noch nit vorliegen würde, wenn er nit zufällig an einem andern Ort ein steuerpflihtiges Waarengeshäft hätte. Wenn das hohe Haus diesen Erwägungen beitreten will, fo ift seitens der Staatsregierung dagegen nichts zu erinnern. Im Gegentheil, ih halte es für eine Verbesserung des Gesehes. ;

Abg. Freiherr von Zedliß und Neukir (fr. kons.) empfichlt den Antrag Lucius, der falschen Auslegungen des Gesehes vor- beugen könne, und den Antrag Krawinkel, der ebenfalls eine Ver- besserung des Geseyes enthalte. Der Versu dieses Geseßes müsse gemacht werden, um dem Meittelstande zu helfen. Wer also wirklich etwas wolle zu stande kommen lafsen, dürfe niht auf Beschlüffen be- stehen , die diesen Versuch aufs ernstefte gefährden würden. In größeren Städten namentlich seien Geschäfte mit 300 000 e Umsaß feine Großbetriebe, sondern mittlere Geschäfte. Außerdem könne ja durch Gemeindeverordnung aub eine niedrigere Grenze feftgeseßt werden. Schließlih habe das Haus später noch die Möglichkeit, die Grenze herabzuseßen. Ih fasse die Erklärung des Ministers so auf, daß, wenn man Untersheidungen treffe, der Sa von 300 000 für die Regierung annehmbar gemaht werden könne. Es würde nit schaden, wenn das Geseg fiele und dadur die Bahn frei würde für eine allgemeine Revision der Gewerbesteuergeseßgebung. Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Der Abg. Freiherr von Zedliy hat soeben den Gedanken hin- geworfen: wenn dies Gefeß sheitert, so wäre es dann wohl um so mehr an der Zeit, eine allgemeine Revision der ftaatliczen Geroerbe-

steuer vorzunehmen. Aber, ah, weil. das ein sehr s{chweres Werk ift,

sahkundige Leute der Meinung sind, daß als allgemeines Staats- geseßp die Gewerbesteuer kaum zu revidieren ift, und da in der Hauptsahe bei der Besteuerung der- Gewerbe die ört- lihen, wirthshaftlihen und sozialen Verhältnisse in Betraht fommen und autonom nur durch die Gemeinden und nicht nach einer Schablone berüdcksihtigt werden können, so würde jener Gedanke: wir brauhen das vorliegende Geseg eigentli nit, wir können ja, wenn das Gesey scheitert, eine allgemeine Revision der Gewerbesteuer eintreten laffen, gefährlich sein. Wir haben hier den Stritt gethan, durch ein allgemeines Landesgesey in diese Frage ein- zugreifen, aus den Gränden, die ich schon oft entwickelt habe, weil die jeßige Besteuerung der gewaltigen Lagerhäuser mit einem Riesen- umsat, mit einem kolossalen Personal, mit Führung aller denkbaren Artikel, mit einer Geshäftsgebahrung, die das Publikum in einer häufig bedenklichen Weise anzieht, so gering gegenwärtig ist, daß darin eine große Ungerechtigkeit gegen den konkurrierenden kleinen Kaufmann gelegen if, und bei der rapiden Entwickelung den Ruin des kleinen Kaufmanns au infolge der ungerechten Besteuerung herbei- führen würde und werde. Wir sehen eben im Staats¿Ministerium die ganze Frage als eine dringlihe an; wenn mehrere Jahre diese Entwickelung fortdauert und diese Ungleichheit, so kann dann für die kleinen Kaufleute die Reform s{hon zu spät sein. (Sehr richtig!)

Meine Herren, wenn heute {hon die ftädtishen Grundbesißer mit Petitionen kommen und sagen: wo bleiben wir mit unseren Läden? Die Straßen werden leer von Geschäften; wir leiden auch unter einer solhen Konzentration des Klein- betriebs auf großkapitalistisher Basis; so sieht man: die Sache ift dringlich. Deswegen sollten Sie sich doch mehr als einmal besinnen, bei all den Gründen, die wir angeführt haben, an diesem einen Punkt das ganze Gese scheitern zu lassen. Nach allem, was ih aus den Kreisen der mittleren und kleineren Kaufleute weiß, handeln Sie da nicht nach deren Wünschen. Der Herr Abg. Freiherr von Zedlitz hat selb mit voll-m Recht gesagt : wenn die Erfahrung wir sind jeßt ja noch auf einem ziemli dunklen Boden, weil wir die Größe der Umsätze mit Genauigkeit gar niht kennen zeigt, daß für gewisse Städte wenigstens die Grenze zu hoh bemefsen ist, dann bleibt uns ja noch immer übrig, wenn wir sehen, daß das Geseg seinen Zweck nicht erreiht, in dieser Beziehung eine Korrektur eintreten zu lassen. Jch vertraue aber auch, meine Herren: nahdem nun durch diese Debatte, durch die Stellungnahme der Regierung, durch die Anshauungen der Mehrheit in diesem hohen Hause den Kommunalverbänden klar gemacht ift, daß es wohl ihre Aufgabe gewesen wäre, eine gerechtere Besteuerung zu hafen, eine Ungleichheit zu beseitigen, welche den Kleinen bedrüdt und den Großen begünstigt, wenn nun in den Kommunen die Er- fahrung gemalt ift: uns hilft das Geseg nihts, wir müfsen jeßt selbst Hand anlegen daß dann die kommunale Reform viel rascher in Schuß kommen wird, wie es bisher der Fall war. (Sehr richtig!) Meine Herren, ih halte es für politisch und parlamentarisch fals, das, was man doch schließlich zu thun entschloffen ist, auf das Herren» haus, auf spätere Berathungen zu vershieben. Das Ende der Session ist nahe. Wenn bei dieser Lage der parlamentarishen Geschäfte der Gesetzentwurf wieder hin- und herlaufen muß, vielleiht mehrere Male, dann verstreiht vielleiht die Zeit für den Abschluß dieses Gesetzes. Das möchte ih Sie doch au bitten in Erwägung zu nehmen. Meine Herren, dies ift eine Geseßgebung, bei der man oft in einzelnen Punkten nahgeben muß nit bloß der Minister, son- dern au die einzelnen Abgeordneten ; eine volle Uebereinstimmung wird man in allen Einzelheiten nicht erreichen, aber es hat einen großen Werth, daß wir doch einmal gezeigt haben, daß der Staat entshlofsen ift, zu Gunsten dés Mittelstandes die ihn bedrückenden, ungünstigen und ungerehten Verhältnisse wegzushaffen, soweit das in der ftaatlihen Macht überhaupt liegt. Es wird dies Gese, wenn es zu stande kommt, ein Trost für den gefährdeten Mittelstand sein. Es wird auch moralisch erheblich wirken.

Meine Herren, zuguterlezt möchte ih auf die Freude derjenigen hinweisen, welhe überhaupt kein Gefeß wollen, auf den Abg. Dr. Barth, ihren Repräsentanten. Nichts wird denselben mehr erfreuen, als wenn Sie durch diese Ihre Beschlüffe zweiter Lesung das Gesetz selbst gefährden oder ganz sheitern laffen. (Bravo!)

Abg. Winckler: Wir werden den Antrag Krawinkel und den

Antrag Luctus annehmen. Dem Abg. Barth erwidere ih, daß die Grenze von 300 000 e für uns der Kardinalpunkt ift, von dem wir niht abweihèn; denn wir wollen das Geseg wirksam machen auch für die Mittelfstädte. Wir wünschen, daß es ein Troft für den Mittelstand sein soll, und zwar nicht bloß in den großen Städten, sondern auch in den mittleren und kleinen. Das Beste wäre die Klassifizierung der Städte nah der Einwohnerzahl gewesen, wie es die Kommission in ihrer erst:zn Lesung beschlossen hatte. Auf diesen Weg zur Verständigung babe ih bingewiesen. Es ift bedauerlih, daß die Erklärung des Vinisters, daß die Grenze von 300 000 4 unannehmbar sei, erst heute gekommen ift. Wäre sie hon in zweiter Lesung erfolgt, Es wir für die dritte Lesung eine Aenderung beantragen Abg. Marx wiederholt seine Grklärung, daß ein großer Theil seiner Freunde gegen das ganje Geseß stimmen werde, wenn die Grenze bei 500 090 & angenommen würde. Abg. Dr. Crüger (freis. Voltksp.): Die Kommunen wären das schlehteste Organ für eine Reform der Gewerbesteuer; in den Kom- munen sind perfönlite und geshäftlihe Interessen maßgebend. Die Gewerbesteuer kann nur nah großen Gesihtspunkten reformiert werden unter Erleichterung der kleinen Gewerbetreibenden. Der Antrag Krawinkel vershiebt die ganze Grundlage der Vorlage und bringt ein neues Moment hinein. Ich fürchte, dieses Gese wird für den Mittelstand nur ein fehr chwacher Trost sein.

8 1 wird mit den Anträgen Krawinkel und Lucius nah dem Beschluß zweiter Lesung angenommen, sodaß die 300 000 # als niedrigste Umsaßgrenze stehen bleiben.

Abg. Cahensly zieht nah der Ecklärung des Ministers seinen Antrag zurück, um das Zustandekommen des Gesehes nicht weiter zu ershweren.

Jn § 5 (Beschränkung der Waarenhaussteuer auf 20 Proz. des Ertrages, jedoch nicht weiter, als bis auf die Hälfte des nah § 2 fih ergebenden Steuersaßes) beantragt Abg. Dr. Crüger die Streichung des zweiten Absaßes, nah welchem diese Bestimmung auf Konsumvereine und auf inländische Filialen außerpreußisher Betriebe nicht Anwendung finden soll. Nachdem sich Geheimer Ober-Finanzrath Dr. Strug gegen den Antrag erklärt hat, wird derselbe abgelehnt und § 5 unverändert angenommen.

Zu § 6 (Gruppeneintheilung) nimmt

Aba. Dr. Barth den Antrag Cahensly wieder auf und führt aus, daß nach dieser Gruppeneintheilung eigentlih auch das Geschäft

von Rudolph Herzog als Waarenhaus betrachtet werden müsse. Der

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