1903 / 37 p. 9 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 12 Feb 1903 18:00:01 GMT) scan diff

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

M BTs

(S@{luß aus der Ersten Beilage.)

Es it déshalb unrichtig, wenn man aus der Tatsache, daß in dem zweiten und dritten Jahre des Bestehens des Fürsorgeerziehungs- gesetzes nicht dieselbe hohe Zahl von jungen Leuten der Fürsorge- erziehung überwiesen wird, {ließen wollte, daß das Interesse an der Fürsorgeerziehung abgenommen habe; es ist naturgemäß und not- wendig, daß die Zahl des ersten Jahres in den nächsten nicht erreicht wird, und deshalb hat einer der Herren Vorredner mit vollem Recht ‘gesagt, daß die Statistik, wie sie uns jeßt vorliegt, noch nit für die Beurteilung des Fürsorgeerziehungsgeseßes beweiskräftig ist, daß: darüber noch das zweite, dritte, ja vielleiht vierte Jahr abzuwarten fein wird. (Sehr richtig! links.)

Nun ift es eine natürlihe Erscheinung, meine Herren, daß auch in der Auffassung von der Tragweite des Geseßes im allgemeinen und von der Auslegung der einzelnen Bestimmungen desfelben

zunähst eine vollständig übereinstimmende Praxis sich nicht gebildet hat. Die \{chon bei der Vorberatung des Gesetzes ausgesprochene Befürhtung, daß von den Armenverbänden das

Geseß dazu benußt werden würde, um die Sorge für Kinder, die ihnen fonst obliegen würde, auf die breiteren Schultern der Kommunalverbände und des Staats abzuwälzen, hat fich nach dem übereinstimmenden Urteil der kommunalen Provinzialverwaltung durdh- aus verwirklicht. Das hat nun den Kommunalverbänden und deren Vorstehern Veranlassung gegeben, in allen Fällen, in welchen die Vermutung eines solhen Bestrebens vorlag, „gegen den Ueberweisungs- beschluß Beschwerde zu erheben. Dadurh ist der Beschluß des Kammergerichts vom 9. Juli 1901 veranlaßt, der die Grenze zwischen Armenpflege- und Fürsorgeerziehung festzulegen versucht. ;

Meine Herren, es handelt ih in diesen Fällen doch immer nur um einzelne Tatsachen und, wie ih eben hon andeutete, immer nur auf dem Gebiete der Grenze zwischen Fürsforgeerziehung und Armenpflege, nur auf diesem immerhin streitigen Grenz- gebiete hat das Kammergericht eingegriffen, und“ es handelt si in allen Fällen, in denen das Kammergericht entschieden hat, immer nur um Fälle, welhe seitens der berufenen Vertreter der fommunalen Provinzialverwaltung im Beshwerdewege auf- gegriffen sind. Es ist allerdings nicht zu leugnen, daß durch die Entscheidung des Kammergerichts in der Ausführung des Gesetzes gewisse Schwierigkeiten entstanden sind, nicht in. der Art, daß die einzelnen Fälle, die das Kammergericht beurteilt hat, nunmehr zu un- reht zu Ende gebracht wären, sondern in der Weise, daß eine Anzahl von Unterbehörden, sowohl der Vormundschafts- als au der Armen- behörden geglaubt hat, nit so weit gehen zu dürfen mit ihren Anträgen und Beschlüssen auf Fürforgeerziehung, wie sie das bisher getan haben. Meine Herren, ih bedauere dies, bin aber fest davon überzeugt, daß es nur eine vorübergehende Erscheinung ist,“ und in kürzester Zeit, in einem oder

wenigen Jahren wird fich eine allgemein anerkannte Praxis heraus- bilden, die auch die Billigung des obersten Gerichtshofes finden wird. Ich möchte also nicht eine Abhilfe darin suchen, wie verschiedene der, Herren Redner es wollten, jeßt {hon wieder an der Gesetzgebung zu ändern. Jedes Gesetz, wenn es erst erlassen ist, muß sich im praktischen Leben ich möchte sagen erst durcharbeiten, und je älter das Gese wird natürlih immer cum grano salis, ganz alte Geseße veralten —, und je weniger darin wieder geseßlich eingegriffen wird, desto besser wird die Wirkung des Gesetzes sein. Ih möchte Sie des- halb bitten, nicht mit Anträgen auf Gesetßzesänderung hervorzutreten, sondern zunächst einmal die weitere Erfahrung abzuwarten.

Auf einzelne Beslhwerden und Wünsche wird mein Herr Kommissar ao eingehend Auskunft erteilen. So viel möchte ich dem leßten Herrn Redner nur erwidern, daß unter keinen Umständen dieses Geseß benußt werden darf und benußt werden soll, um Proselyten- macherei zu betreiben.

Geheimer Oberregierungsrat Dr. Krohne führt an der Hand statistishen Materials aus, daß das Fürsorgeerziehungsgeseß die Er- wartungen, die daran geknüpft wurden, durchaus erfillt Babe und fährt dann fort: Besonders betrübend ist der hohe Prozentsaß der Mädchen aus den lezten beiden Schuljahren, die der Fürsorge- erziehung überwiesen wurden. Die Wahrung der konfessionellen Erziehung der Zöglinge ist selbstverständlih. Großen Wert legt die Verwaltung darauf, daß die Erziehungsanstalten niht zu umfangreich find; allerdings hat die Regierung darauf wenig Einfluß, da die Ein- rihtung solher Anstalten Sache der Provinzialverwaltungen ist. Jn den von thr selbst geleiteten Anstalten hat die Regierung allen Wün- schen des Hauses Rechnung getragen.

Bei dem Kapitel „Strafanstaltsverwaltung“ bringt Abg. Dr. Friedberg (nl.) Mißstände im Unterfuchungs- gefängnis zu Cöln zur Sprache, deren Vorhandensein ter Prozeß egen die „Kölnische Zeitung" ergeben habe. . Es handelte sich, ührt er aus, um einen Arzt, der in Untersuchungshaft genommen war und dessen Behandlung _im Gefängnis vom Nerzteverein besproch:n wurde. Die „Kölnishe Zeitung“ “wurde auf Grund ihrer Ausführungen hierüber wes Beamtenbeleidigung angeflagt. In dem Prozeß hat es sich herausgestellt, daß die Beamten unschuldig sind, daß aber das Sysiem mangelhaft ist. Es muß z B. der Untersuchungsgefangene in Cöôla für die Reinigung feiner Zelle 10 4 zahlen, fonst ist er genötigt, L selbst zu reinigen. Gin weiterer Mißstand ist es, daß dem Untersuhungsgefangenen erst 12 Tage nah Hinterlegung seines Vorschusses die Selbstbeköstigung estattet wurde, und daß es sieben Tage dauerte, bis ein Brief des rztes an seine Mutter in deren Hände gelangte. Die Schuld daran trägt das System.

__ Geheimer Oberregierungsrat Dr. Krohne: Die Verwaltung trifft feine Shuld; die Einrichtungen im Untersuhungsgefängnis in Côln entf den Bedüfnissen, und die Beamten haben in vollem Umfang ihre Pflicht getan. Der Arzt, der in der Aerzte- versammlung den Fall zur Sprache brate, wurde wegen ver- eidigung und der Redakteur der „Kölnischen einfacher Sg verurteilt. - Beide egt, niht wegen der Tatsachen, sondern weil des & 193 nicht zugebilligt war. Das Reichs- „gab der“ Revision Folge und verwies die Sahe an das Bonn zurück. Dieses verurteilte beide Angeklagte

peues Z Bäleidigung und sprach ihnen den ch des §* 193 vit u Auh gegen diefes Urteil legten die Angeklagten Revision ein, und die Sache s{chwebt gegenwärtig

Berlin, Donnerstag, den 12. Februar

noch beim Reichsgeriht. Es sind jeßt zwei Jahre her, daß die preußische Gefängnisverwaltung unter frivolen Beschuldigungen aus Anlaß dieser Sahe durch ganz Deutschland geschleppt wird. Die Vorwürfe sind so schwer, wie sie shwerer gar niht gedaht werden

können. Allerdings is anzuerkennen, daß eine so vornehme Zeitung, wie die „Kölnische“, alles gethan hat, um ihre Beleidigungen wieder gut zu machen. Das is sehr \{chön,

aber die harten Aeußerungen, die doch einmal gefallen sind, hat die Gefängnisverwaltung weg, und sie wird sie niht eher los, als bis das Reichsgericht gesprochen hat. Gegen das in der Strafprozeßordnung vorgeschriebene System kann die Verwaltung nichts tun. Jn dem votliegendti Fall ist allerdings die verspätete Bettag der Selbst- beköstigung auf ein Versehen zurückzuführen, und der Beamte hat auch ed ie Entscülvigina; die ihm zur Seite steht, eine Verwarnung erhalten.

Abg. Dr. Friedberg (nl.): Vollkommen ausgeschlossen ist es, daß die Verzögerung dur den Untersuhungsrichter verursaht worden ist; denn dieser hat noch an demselben Tage, an dem das Gesu um Gestattung der Selbstbeköstigung bei ihm einlief, das Erforderliche veranlaßt. Prinzipiell muß der Untersuhungsgefangene so behandelt werden, als ob er unschuldig ist. Wenn von einem Untersuhungs-

efangenen Arbeiten verlangt werden, an die er niht gewöhnt ist, so ist das eine durhaus inhumane Behandlung.

Abg. Schmidt - Warburg (Zentr.) bedauert, . daß der Fonds zur Förderung der Fürsorge für die aus der Strafhaft und Fürsorge- erziehung Entlassenen in diesem Jahre nicht erhöht worden ist.

Bei dem Kapitel „Wohltätigkeitszwecke““ tritt der

Abg. Winckler (fkonf.) für die Dn ein, die, ohne die Be- amteneigenshaft zu haben, in der Verwaltung des Innern beschäftigt sind. Der Staat habe wenigstens die moralische Verpflichtung, {ih um die Zukunft dieser Leute mehr zu kümmern, als es jeßt der Fall sei. Wenn man sie niht mit Pensionsberehtigung anstellen könne, fo solle man sie wenigstens in eine Pensionsanstalt einfaufen.

Der Rest des Etats wird ohne Debatte bewilligt.

Darauf vertagt sih das Haus. i

Schluß um 4/7 Uhr. Nächste Sißung: Donnerstag, 11 Uhr. (Interpellation der Abgg. Dr. Hirsh und Dr. Eels (nl.), betreffend die Aufhebung oder Beschränkung der Gerichts- ferien; zweite Beratung des Etats der Justizverwaltung.)

Literatur. Das neue Invalidenversiherungsgeseß vom 13. Ju li

1899 hat seiner eingreifenden Bedeutung für die weitesten Volkskreise entsprechend eine vielseitige Bearbeitung gefunden. Als Zeichen regen Schaffenégeistes auf dem Gebiete des sozialen Versicherungêrehts ist dies mit Freuden zu begrüßen, da nun einmal zum Verständnis des Inbalidenversicherungsgeseßes, obwohl dasselbe in formeller Hinsicht als ‘das am besien gelungene der fozialen Veisicherungsgesetze bezeihnet werden darf, bei den: verwickelten Verhältnissen eine Erläuterung niht entbehrt werden fann. Nachdem durch neue Bestimmungen dem Grundfaß der Teilnahme der Verwalteten an der Verwaltung mehr als früher Rechnung getragen worden ift, wird wohl auch das Interesse an dem Geseße zunehmen. Hierzu sind gute Handausgaben mit kurzen Erläuterungen ein txefslicher Behelf. Solche erschienen bereits im Jahre 1900, bearbeitêt* ven dem ehemaligen Direkior im Reichsamt des Innern Dr. von Woedtke (Berlin, F. Guttentag, Verlagsbuch- handlung), von dem Regierungêrat und ständigen Mitgliede des Reichs- versiherungsamts Dr. Weymann (Verlag von Franz Vahlen, Berlin) und von dem Geheimen Regierungsrat im Ministerium für N und Gewerbe Dr. Hoffmann, dessen Tertausgabe mit Anmerkungen seit Turzem in zweiter Auflage vorliegt (Karl Heymanns Verlag hier- selbst). Neuerdings hat sih zu diesen eine vierte Handausgabe des Invalidenversicherungsgeseßes vom 13. Juli 1899 mit einleitenden Bemerkungen, erläuternden Anmerkungen, den Ausführungsbestim- mungen, Formularen zu Eingaben und einem Sachregister gesellt, die der Amtsgerichtsrat Dr. Menzen in Frankfurt a. M. besorgt hat (Verlag von Ferdinand Schöningh in Paderborn, Pr. geh. 2,80 A). Die Einleitung enthält eine kurze, die leitenden Gedanken des Geseßes hervorhebende systematishe Darstellung, während in den Anmerkungen wertvolle Hinweise für eine {nelle und richtige Beantwortung der auftauchenden Fragen gegeben werden.

Wo diese Handausgaben versagen, geben zwei große Kom- mentare zum Invalidenversiherungsgeseß vom 13. Juli 1899 zuverlässigen Aufschluß, von denen der eine den Kaiserlichen Regierungsrat im Reichêversicherungsamt Dr. Konrad Weymann zum Verfasser hat (XXII1 und 704 S., Verlag von Franz Vahlen in Berlin, Pr. geh. 12 4) und der andere, {hon früher an dieser Stelle gewürdigte und vor kurzem in zweiter Auflage erschienene von den Geheimen NRegierungsräten W. Jsenbart, Senatsvor- fißendem im iNeicöverficberünndait: und W. Spielhagen, vor- tragendem Rat im Reichsamt des Innern, verfaßt ist (XV1 und 1147 S., Karl Heymanns Verlag hierselbst, Pr. geh. 20 (). Der Kommentar von Weymann, der schon während seines lieferungsweisen Er- p Pee d die beste Aufnahme gefunden hat, zeugt von gründlicher Be-

rrshung des Nechtsstoffes und ist vermöge der klaren und leicht verständlichen, reichhaltigen und zuverlässigen, auch die Rechtsprehung des Neichsversicherung8amts eingehend berücksihtigenden Erläuterungen vortrefflich geeignet, die Handhabung des Geseßes zu erleichtern. Keiner der s{wierigen Streitfragen ist aus dem Wege gegangen, vielmehr wird jede einzelne einer Lösung entgegengeführt. Besonders erfreulich ist die warme Liebe, dic der Verfasser an seine Aufgabe verwendet. Er nimmt das Geseß im ganzen als ein Produkt der großen sozialen Bewegung der Neuzeit, und so erscheinen ihm auch die einzelnen Fragen in einer ethischen Beleuhtung. In einer Einleitung gibt der Ver- fasser eine Darstellung der Entstehungsgeschichte des Gesetzes, eine Uebersicht über dessen Snhalt und legt seine Stellung im Organismus der Arbeiterversicherung dar; den Schluß bilden Anlagen, welche die zahlreihen Ausführungsbestimmungen enthalten, und ein sehr genaues Sachregister von 34 Seiten. Die erwähnten Vorzüge des Werkes werden dazu beitragen, ihm bei den Versicherungsanstalten und ihren Beamten, den Staats- und Gemeindebehörden, Land- und Ortsarmen- verbänden, Arbeitervertretern, Kranfkenkassenvorständen, Arbeitgebern und Juristen Eingang zu verschaffen. - Was hier über die Weymannsche Bearbeitung des Gesetzes gesagt ist, gilt im gleiGgen Maße auch von dem noch umfassenderen Kommentar von Fsenbart und Spielhagen, die mit be- wunderungswürdiger Gründlichkeit das Geseg erläutert haben. Beide Verfasser verfügen über cine reie praktishe Er- fahrung, wie sie derjenige haben muß, der an eine solhe Aufgabe herantritt. Seit dem Erscheinen der ersten Auflage hat der s{wierige Stoff der Invalidenversiherung in der Verwaltungs- und Spruch-

übung eine weitere Klärung erfahren ; auch sind inzwischen die noch feblenden Ausführungsbestimmungen ergangen, und die Neuregelung der Unfallversicherung hat auf das von den Verfassern behandelte ver- wandte Gebiet, namentlich wegen der Gestaltung der Schiedsgerichte und ihres Verfahrens, ebenfalls einen niht unwesentlichen Einfluß aus-

geübt. Infolgedefsen bedurfte der Kommentar in mancher Beziehung

1903.

einer Ergänzung. Aber GEMeltig Yaben die Verfasser den ganzen Inhalt des Werkes einer eingehenden Durh- und Umarbeitung unterzogen, wobei auch die für ein Nahschlagewerk besonders wichtige Uebersichtlich- keit noch erhöht worden ist. Die einschlägige Nechtsprehung und die C S der maßgebenden Stellen sind in der neuen Auflage sorgsam verarbeitet, sodaß eine überreihe Sammlung von Erfahrungen eboten ersheint. Dies macht bei der Lösung s{chwieriger Fragen das uch im höchsten Maße wertvoll. Das Krankenversicherungsgeseß vom 15. Juni 1883 in der Fassung der Geseße vom 10. April 1892 und vom 30. Juni 1900 nebst dem Geseß über die eingeschriebenen Hilfskassen vom 7. April 1876 in der Fassung des Geseßes vom 1. Juni 1884 und den in den Unfallversicherungsgeseßen vom 6. Juli 1884, 5. Mai 1886 und 30. Juni 1900 sowie in dem Sn den Se Vene geseß vom 13. Juli 1899 enthaltenen, die Krankenversiherung be- treffenden Bestimmungen. Mit s der Materialien, der Ausführungsbestimmungen und insbesondere auch der NRecht= \sprehung bearbeitet von Th. S en, Oberinspektor der bamburgishen Behörde für das Versicherungswesen. Vierte, neu bearbeitete und erheblich vermehrte Auflage. XVI und 812 S. Verlag von Grefe u. Tiedemann, Hamburg. Pr. geh. 12 4 Die Bestimmungen des Krankenversicherung8ge]eßes sind in den lebten Jahren dur eine Reihe neuer Geseze zum Teil ret erheblich. be- einflußt worden. Außer dem Bürgerlichen Geseßbuhe und dem Handel8geseßbuche sind namentlich das Gesetz, betreffend Abänderung der Gewerbeordnung, vom 26. Juli 1897, die Novelle zum Invaliden- versicherungsgeseß vom 13. Juli 1899, das Geseßz, betreffend die Ab- änderung des Krankenversicherung8geseße8s, vom 30. Juni 1900 und das Gesetz, betreffend die Abänderung der Unfallversicherungsgeseße, von dem- selben Tage zu erwähnen, die alle mehr oder wenigec auch auf das Gebiet des Krankenversicherungsrechts hinübergreifen und zum Teil neue Rechts- normen geschaffen haben. Infolgedessen hat naturgemäß auch die Rechtsprehung vielfah an Stelle der bisherigen neue Grundsäße auf- estellt. Die vorhandenen Kommentare zum Krankenyersicherungsgeseß find somit in vielen Punkten veraltet, und es ift daher sehr danten8- wert, daß Petersen seinen Kommentar, der in den früheren Auflagen: ein wertvolles Hilfsmittel für die Praxis war, einer umfassenden Neubearbeitung unterzogen hat. Dabei haben sowohl die Gel gebung8smaterialien eine erweiterte Benußung erfahrenals auch namentli# die irrecgung bis in die neueste Zeit eingehende Berück- sichtigung gefunden, so daß der Inhalt ein noch bedeutend reicherer ist als “derjenige der früheren Auflagen. Der Gefahr, daß gierdurch die Uebersichtlihkeit des Stoffes in einer die Braguh=- barkeit des Buches beeinträhhtigenden Weise erschwert . werde, ist durch eine systematishe Anordnung und Gruppierung der Erläute- rungen wie aud dadurch vorgebeugt, daß allen denjenigen Paragraphen, zu welchen besonders zablreihe Anmerkungen gema&t find, eine ge-

drängte Inhaltsübersicht der leßteren beigegeben ist. Eine niht minder eingehende Erläuterung haben das Geseß über die eingeschriebenen Hilfskassen und zum großen Teil auch die niht nur im Kommentar zum Krankenversichecungsgeseß berücks/ihtigten, sondern am Schluß auch noch im Wortlaut mitgeteilten Bestimmungen der anderen Gesete, die auf das. Gebiet des Krankenversiherungsrechts hinübergreifen, erfahren. Das Werk zeigt die Arbeit eines Prafktikers, der seine reihen-Erfahrungen in der geschicktesten und gewißsenhaftesten Weise zur Interpretation dieses shwierigen Teils unserer Gesezgebung verwendet hat, und darum wird das Buch, dessen Brauchbarkeit ein 68 Seiten umfassendes Sach=- register noch sehr erhöht, in der Praxis bald unentbehrlih werden.

U A E E En neu erschienener Schriften, deren Besprehung vorbehalten bleibt.

Großer Verkehrsplan Berlin und seine Vororte, um- fassend 545 Quadratkilometer. Maßstab 1:23 500. Beilage für das Berliner Adreßbuch 1903. Ausführung in 8 Farben 3 Berlin, Alfred Mende.

Deutscher Universitätskalender. 62. Ausg. Winter- semester 1902/3. Mit amtlicher Unterstüßung herausg. von Dr. F. Ascherson. Il. T. Die Universitäten im Deutschen Reich, in Desterreich und in der Schweiz. Ungebd. 2,25 Leipzig, K. G. Th. Scheffer.

Die Baukunst, herausg. von R. Borrmann u. R. Graul. IT. Heft, 11 Serie. Das Katholikon von Hosios Lukas und verwandte byzantinishe Kirchenbauten von D. Wulff. 4 K Stuttgart, W. Spemann. 2 6 __ Zeitschrift für Bauwesen. Herausg. im Ministerium der öffentlihen Arbeiten. Jahrg. LIII. 1903. Hft. T bis 111. Jährlich 12 Hefte. Bezugépreis 36 Berlin, Wilhelm Ernst u. Sohn.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs- maßregeln.

Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten.

(Aus den „Veröffentlihungen des Kaiserlihen Gesundheitsamts*, Nr. 6 vom 11. Februar 1903.)

Pest.

Aegypten. Am 26. Januar sind in dem Dorfe Barschun- el-Kubra 2 weitere Fälle von Pest und 1 in Tanta Ghezireh, das gleichfalls im Distrikt von Tukh gelegen ist, vorgekommen. Die oberste Sanitätsbehörde zu Kairo hat bekannt gemacht, daß der Aus- bru der Seuche wahrscheinlih auf eine Infektion unter den Ratten zurüczuführen ist, die seit dem Herbst vorigen Jahres si - erhalten bat; es sei nicht unmögli, daß die Krankheit auch noch an anderen Orten unerwartet wieder auftritt.

___ Brasilien. Zufolge einer Mitteilung vom 2. Februar sind in der Stadt Rio Grande do Sul vereinzelte Fälle von Pest

aufgetreten. Pest und Cholera.

British-Ostindien. Jn Kalkutta sind in der Zeit vom 14. Dezember 1902 bis 3. Januar 1903 56 Personen an der Pest und 93 an der Cholera gestorben.

Cholera.

Türkei. Nach einem 14. amtlihen Ausweise über den Stand der Cholera in Palästina und Syrien vom 27. Januar sind in Damaskus vom 19. bis 25. Januar 21 Erkrankuygen (und 13 Todesfälle) an der Cholera zur Anzeige gelangt, in Nablus vom 17. bis 22. Januar 4 (12). Einschließlich dieser 25 Todesfälle sind seit dem Austreten der Cholera im Oktober insgesamt 3793 Cholera= todeéfâlle dort festgestellt.

Persien. n Jask kamen zufolge einer Mitteilung vom 2. Januar tägli 5 Cholerafälle zur Anzeige; aus Minab liegen weitere Zahlenangaben nit vor.

Niederländish-Indien. Amtlichen Nachrichten zufolge er- kranften (starben) an der Cholera in Batabia vom 12. bis 18. De- zember 5 (4), in Samarang vom 26. November bis 9. De- zember 30 (21), in Palembang vom 6. bis 19. Dezember 22 (19), in Grisee vom 6. bis 19. Dezember 1 (1), ferner in. Soerabaya vom 7. bis 20. Dezember 184 E Anfangs Januar

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soll nah dem Beginn des Regens die Cholera auf Java merklih ab. genommen haben.